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Blutige Begegnungen

Teil 7 des Detektiv Conan-Noir Crossovers
von

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Der Brief

Hallo an alle Lesenden,
 

viel gibt es – nach der Kurzbeschreibung auf der Übersichtsseite dieser FF – nicht zu sagen.

Ab dem nächsten Mal wird es dann aber auch gleich so richtig losgehen. ;)
 

Also viel Spaß beim Lesen und bis in zwei Wochen.
 

LG, Diracdet
 


 

Blutige Begegnungen
 

'Der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.'

George Bernard Shaw
 

Prolog: Der Brief
 

Die Dunkelheit legte sich langsam über die östliche Hauptstadt Japans. Während im Zentrum das künstliche Licht den Auftrag der Sonne übernahm, konnte in den Wohngebieten und Vororten Tokios keine Straßenlaterne darüber hinweg trügen, dass Helios' Flammenkugel gerade die andere Seite der Welt erhellte. Und nichts konnte den kleinen Jungen hinter dem großen Fenster, ebenso wie alle Leute, die unten noch vorbeiliefen, darüber hinweg täuschen, dass es Herbst wurde.

'Es wird wieder deutlich früher dunkel.' So sehr man noch die Tage genießen konnte, kurzärmelig dahin schlendern, ein leckeres Eis in der Stadt zu sich nehmen oder am Wochenende den Strand unsicher machen konnte... es war irgendwie auch kühler geworden. Was heiße Sommerabende waren, wurden warme Abende, laue Nächte. Es war die Zeit, die den meisten Menschen genau dafür am geeignetsten schien: genießen. Genießen, was war und nun zu Ende ging. Bis die unbarmherzige Zeit das wieder entriss, was einem wohlig gefiel. Genießen.

Conan konnte es nicht. Ihm war im Moment überhaupt nicht nach genießen, egal welches Wetter er draußen vorfand. Seufzend wandte er sich vom Anblick der Straße ab und starrte in die schummrige Einrichtung des Schlafzimmers, welches er sich für gewöhnlich mit Kogoro teilte. Diesmal nicht, denn der Meisterdetektiv hatte sich für den Abend empfohlen und war dann lachend zum Mahjong verschwunden. Ihm merkte man auch nicht an, dass er zwei Tage zuvor bei einem großen Fall beinahe seine Tochter durch einen verrückten Industriellen verloren hätte.

Erneut seufzte er, wenn auch etwas mehr melancholisch als deprimiert, mehr optimistisch, ohne völlig überzeugt zu wirken. Er war nun allein, in seinem kleinen 'Refugium der Ruhe', welches nicht wirklich eines war. Denn auch hier würde, früher oder später, öfter denn seltener, sie vorbei kommen und mal sauber machen müssen.

Ran.

Sie hatte tatsächlich ein solches Refugium, ihr eigenes Zimmer, in das quasi niemand ohne ihre Erlaubnis durfte, und das insbesondere nur für sie gedacht war. Wie so viele Familien in Japan, hatte auch hier der Nachwuchs, der künftige Stolz der Eltern diesen Luxus als einziges für sich in Anspruch nehmen dürfen, eine Räumlichkeit ganz für sich allein zu haben. Davon konnte er nur träumen, auch wenn dieser Traum bis vor nicht allzu langer Zeit real war... als er ein ganzes Haus für sich alleine hatte, eine Villa, sollte man wohl eher sagen. Und nun... hatte er den Körper eines Kindes, wie auch die einem Kind zustehenden Besitztümer. Eigentlich auch das nicht, schließlich war er nur Gast und musste dafür auch schon dankbar sein.

Müde lächelnd schüttelte er den Kopf. Worüber machte er sich gerade wieder Gedanken, das hatte er doch alles abgehakt bereits! Es war Teil seines Lebens geworden, einige hinzunehmende Nachteile für eine Unachtsamkeit als Hobbydetektiv. Andere in seinem Berufsfeld hatten an solchen Fauxpas deutlich schwerer zu tragen... oder eben gar nicht mehr.

'Ran...'

Wieder wurde ihm klar, warum er so nachdenklich vor dem Fenster stand und nach draußen gestarrt hatte. Wegen den Ereignissen der letzten Tage, wegen der Schifffahrt auf der Ocean Goddess.

Remy Brefford, ein Chef der Soldats, für den das Wort Geheimnis auf dieser Welt offenbar nicht existierte, hatte ihm einen winzigen Blick, einen Spalt in Alices Kaninchenloch auf die Geschehnisse derselbigen gewährt. Auf die Mächte die sind, 'the Powers that be' , wie man sagt.

Vermouth... sie hatte ihm verraten, was ihm in der Kette zu Mireille Bouquet und Kirika Yuumura fehlte, der tiefere Beweggrund, dass sie so 'besonders' waren.

Noir... der Sensenmann in Menschengestalt, der leibhaftige Gevatter Tod, vor dem sich jeder, der den Namen je hörte, fürchtete. Ai wusste das vermutlich. So ergab es zumindest einen Sinn, dass sie zwar freigiebig über Les Soldats erzählte, aber bei den beiden irgendwie verschlossen blieb. Kein Wunder, das war noch mal... was ganz anderes...

'Und Sonoko... Sonoko Suzuki, eine Soldats?!' Er musste sich den Satz mehrmals im Kopf vorsprechen, um ihn zu realisieren. Sie war zu denen übergelaufen. Sie wusste über ihn Bescheid, über seine Identität, seine Methoden, sein... Motiv.

War das ernst gemeint, dass sie letztlich nur deswegen Ran nichts sagte, weil sie wusste, warum er es nicht tat? Weil er um genau das fürchtete, was Ran tun würde, wenn sie es wüsste. Wozu sie in der Lage war in so einem Fall. Sonoko war die einzige Person, der er wirklich zutraute, diese Option bei Ran genau so einzuschätzen, wie er. Sie kannte Ran so gut wie er, besser als ihre Eltern, vielleicht... vielleicht sogar etwas besser als er selbst. Manche Eigenheiten einer Frau... kann halt auch nur eine andere Frau verstehen. So gesehen, eine sehr gut kalkulierte Wahl, wen Noir damals ansprach.

Aber das war Ran immerhin alles unbekannt. Noch.

'Immerhin... tse. Wem spiele ich da was vor, außer mir selbst?', kam es zynisch aus seinem Unterbewusstsein. Diese ganze Schifffahrt hatte ihn eines lehren sollen. Es gibt kein immerhin mehr in Ran's Fall. Sie wusste Bescheid. Sie wusste von der Organisation, sie wusste von der Bedeutung Chris Vineyards, auch wenn sie, so hoffte er zumindest, sie scheinbar noch nicht richtig enttarnte. Noch war Sharon Vineyard tot für sie. Es war eigentlich nicht vorstellbar, dass sie immer noch aufrecht gestanden hätte, als er im Schiffsmuseum eintraf, wenn sie das zu dem Zeitpunkt auch nur ahnte. Es hätte sie stärker getroffen. Realistischer schien es, dass sie meinte, Chris sei tatsächlich die Enttäuschung in Sharons Leben, von der Letztere damals in New York sprach, gerade weil sie der Organisation beigetreten war, wovon Sharon dann vermutlich wusste. Mit dieser Interpretation beruhigte er sich zunächst.

Vor allem aber..., was ihn am meisten verunsicherte, zeigte Ran genau das, was er befürchtete. Wozu sie fähig war, wenn es um etwas betreffend Shinichi Kudo ging. Sie hatte ein Diktiergerät versteckt bei sich.

'Eines, wegen dem ich noch mächtig Ärger habe. Danke, Sonoko!' Er schüttelte sich. Nicht dauernd ablenken lassen! Auch wenn es ihm übel aufstieß zu wissen, dass Rans Blick, wenn sie ihn seitdem ansah, immer etwas funkelndes, anschuldigendes hatte. Normalerweise verflog so was schnell bei ihr, aber in diesem Fall war es wohl, gerade weil er es war und wegen der Position des Diktiergerätes...

'Waah... nicht dran denken, nicht dran denken!'

Er fokussierte sich angestrengt auf den eigentlichen Aspekt. Sie wollte Informationen beschaffen, ohne eine wirkliche Idee, wie, offenbar, und ihm diese zuspielen. Sie hatte Sonoko, als die ihr zu aufdringlich wurde, mit einem Karateschlag niedergestreckt. Ihre beste Freundin! Sicher, als Meisterin ihres Kalibers verletzte es Sonoko nicht... aber dennoch.

Außerdem hatte sie eine offizielle Absperrung durchbrochen, um eine potentielle Mörderin im Alleingang zu stellen. Unwissend, unmerkend, dass sie jemand anderem damit direkt in die Falle lief.

'Verdammt!' Als er das Knirschen seiner Zähne hörte, gab er etwas dem Zorn nach und öffnete den Mund etwas weiter.

„Du hast wohl Recht, Sonoko.“ Zögerlich und ungewöhnlich leise klang sein Stimmchen durch das Dunkel des Zimmers. Er wollte zwar nicht gehört werden, aber es erschrak ihn doch, wie erstickt es wirkte. Wie resignierend, aufgebend vielleicht? Sie hatte ihm recht gegeben, dass es besser wäre Ran nicht einzuweihen, weil sie sonst Dummheiten begehen würde. Das Problem war, sie war so weit bereits eingeweiht, von sich aus, dass sie nun schon Dummheiten beging, und eigentlich noch größere, weil sie eben nur die Hälfte kannte.

Halbwahrheiten konnten gefährlicher sein, als die ganze Geschichte. Und nun... nun sollte er es ihr erklären. Sonoko hatte ihn tatsächlich damit erpresst. Sie würde es sonst tun, und zwar so, dass es kein 'Happy End' für sie und ihn geben würde. Und auch da musste er ihr recht geben. Wenn er es ihr nicht sagte, obwohl es nun besser für sie wäre, dann ging es nicht länger um ihre und seine Sicherheit, sondern um irgendeinen persönlichen Stolz, um die Angst davor, einen Fehler zuzugeben. So eine Person hatte Ran einfach nicht verdient und Sonoko würde ihr vermutlich das Herz brechen... aber sie würde sie retten.

Das perfide, was Conan immer wieder übel aufstieß, er erwischte sich dabei, wie er ihr in dieser Argumentation nicht nur recht gab, sondern deswegen auch dazu tendierte, sie aufzugeben. Es Sonoko zu überlassen, zwischen die beiden einen Keil zu treiben, den er vielleicht vor langer Zeit selber hätte setzen sollen. Oder war das nicht auch einfach nur Feigheit davor, mit der Wahrheit herauszurücken?

Immer wieder, schon früher, aber erst recht die letzten beiden Tage, wenn sie ihn so drohend ansah, Rechenschaft fordernd für einen Fehlgriff, im wahrsten Sinne des Wortes, der ihm eigentlich nicht anzulasten war, da rang er mit sich, ob er es nicht einfach sagen sollte. Und ließ dann doch wieder ab.
 

Alle diese Informationen, Meinungen und Zwänge prasselten seit Mittwoch auf seinen Kopf ein und ließen ihm wenig Luft zum Nachdenken. Nachdenken über etwas anderes. Über den Fall. Den Fall der Organisation. Das Gespräch mit Vermouth hatte ihm eigentlich weit mehr Informationen gebracht, als er erwartet hatte. Abzuwarten blieb nur, ob sich nun alles so fügen würde, wie er vermutete.

Und über den Fall... Noir.

Er griff langsam an die Brustinnentasche seines Sackos. Direkt an der Brust hatte er ihn ständig bei sich. Den ominösen Brief von Noir. Wie gesagt, man wusste nie, wann Ran kam, sauber machte und womöglich den unbeschrifteten Umschlag fand und öffnete oder einfach auf den Schreibtisch ihres Vaters packte, überzeugt, es sei von einem Klienten. Was noch schlimmer wäre, konnte und wollte er sich nicht ausmalen.

Aber merkwürdig war es schon. Es war Freitag Abend, er seit zweieinhalb Tagen wieder zurück von der Schifffahrt und im Besitz des Briefes – und er war immer noch ungeöffnet. Allein die Tatsache, dass er von Noir war, flößte ihm gegenüber dem Stück Papier ungemeinen Respekt ein. Beängstigend direkt.

Allmählich wurde es nun immer drängender. Womöglich hatte er bereits viel zu viel Zeit verstreichen lassen, und der Inhalt war bereits veraltet. Hoffte er womöglich innerlich darauf, einfach, um einen kleinen Teil der vielen verteilten Lasten ablegen zu können? Es wäre beruhigender als die mit der Furcht vor dem Sensenmann in Person einer Französisch-Lehrerin.

Langsam ging er zur kleinen Nachttischleuchte, setzte sich auf Kogoros Bett, machte es sich hell und öffnete behutsam den Umschlag, in dem sich ein einziger, handbeschriebener Zettel befand. Eine beeindruckend filigrane und verschnörkelte Handschrift, als sei die Schreiberin – dass es eine Frau war, schien ihm untrüglich und er erwartete ja auch den Brief einer Dame – aus einer anderen Zeit entsprungen und nur hierher gekommen, um dieses Schriftstück aufzusetzen.
 

„Sehr geehrter Meisterdetektiv Shinichi Kudo, ...“
 

Hier stockte er schon. Déjà-vu? Das kam ihm irgendwie so bekannt vor. Ein Brief, der an Conan Edogawa zugestellt wurde, aber gerichtet war an Shinichi Kudo. Und zwar von einer blonden Mörderin aus einem anderen Land... Die Symmetrien waren schon erschreckend. Ironisch, wenn man bedachte, wie verängstigt Vermouth war, als sie hörte, dass die 'Jungfrauen mit den schwarzen Händen' in Japan wären. Conan blickte verunsichert zur Seite.

'Scheinbar, nur scheinbar, reden wir von ähnlichen Verhältnissen. Real aber ist Noir... ein ganz anderes Level.'

Er schluckte einmal kurz, hob den Zettel wieder an und begann zu lesen.

Freitag Abend

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zum ersten 'richtigen' Kapitel der FF 'Blutige Begegnungen'. Zwei kurze Dinge zuvor: Erstmal vielen Dank für die Kommis zum Prolog. Da er nicht sehr lang war und nun nicht wirklich viel neues enthielt, gibt es dazu wohl nicht zu viel mehr zu sagen.

Zum Zweiten, ich hoffe, ihr könnt euch mit dem Zwei-Wochen-Rhythmus anfreuden, denn der wird eine Weile wohl so bleiben. Dafür bin ich recht optimistisch, damit auch zwischenzeitige Engpässe - dieses Jahr wird noch laaaaaang für mich - überwinden und euch konstant mit neuem Material versorgen zu können. ;]
 

So, dann gibt es zum jetzigen Kapitel schon gar nichts mehr zu sagen, außer... viel Spaß euch zu wünschen und dann angenehme zwei Wochen.^^
 

LG, Diracdet
 


 

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Kapitel 1: Freitag Abend
 

„Sehr geehrter Meisterdetektiv Shinichi Kudo,
 

wenn dich dieser Brief erreicht, möchte ich dir zunächst zu einer weiteren ausgezeichneten Fallaufklärung gratulieren – sowie natürlich auch zur Rettung deiner Freundin und meiner Schülerin Ran Mori – und gleichzeitig möchte ich dir danken, denn durch dich habe ich eine Wette gewonnen.
 

'Wette?'
 

„Die Details werden dich entweder nicht interessieren, oder du bist längst selbst draufgekommen, aber sagen wir einfach, Brefford war etwas anderer Meinung, was deine Fähigkeiten anging, als ich.“.
 

Die dunkle Ahnung, mit der ihn Sonoko auf dem Schiff konfrontierte, wurde mit einem Mal zur Gewissheit, die ihn dennoch wie ein Schlag traf.

Seine Finger verkrampften sich im Papier, zerknüllten es ganz leicht, aber er konnte es einfach nicht unterbinden. Les Soldats hatten dieses Treffen zwischen Vermouth und ihm arrangiert, ohne ihr oder sein Mitwissen! Es war gewollt, dass sie sich begegnen, und dass Conan darauf vorbereitet war, durch Yoko Okino.

'Unglaublich... ging es nur darum, ob ich sie überführen könnte?' Es erschien ihm zumindest die einzig logische Erklärung, so weit er verstand. Nur warum ausgerechnet dieser Fall als Wette gehandelt wurde, entzog sich seiner Erkenntnis. War das tatsächlich nur dieses 'freudige' Spiel für die hohen Herren und Damen der Soldats, die sich über die Normalsterblichen hinweg setzten? Die Spannung, der Nervenkitzel? Würde der Protagonist überleben und sein Ziel erreichen?

Gut, beide, Mireille Bouquet und Remy Brefford wirkten wie reinste Lebemenschen, die so denken konnten, und doch war es eine zutiefst merkwürdige Wette. Vor allem, wenn man bedachte, dass es von vornherein einen Fall gab, der große Dimensionen annehmen konnte, sie aber dennoch einen Nebenschauplatz entwickelten, der nicht zuletzt dem Täter Tanahi zum Vorteil gereichte.

'Was sagte Sonoko noch so merkwürdiges? Es gäbe laut den Soldats keinen Beweis für Vermouths Schuld. Er erst hätte einen gefunden. Dann habe ich damit Breffords Erwartungen übertroffen, OK... aber wozu das Ganze? Was haben die davon?'

Er schüttelte bedächtig den Kopf. Vielleicht sollte er einfach weiter lesen, um dieses Thema direkter zu klären.
 

„Durch diese hervorragende Leistung auf kriminologischem Gebiet hast du dir meine Hochachtung verdient.

Um aber nicht länger um den heißen Brei herum zu reden, dieser Brief ist eine Einladung. Ich möchte dich treffen.“
 

Erneut musste er aufsehen, und sich fragen, wie er dieses Schreiben bewerten sollte. Der Absender war Mireille Bouquet, die Französisch-Referendarin der Teitan-Oberschule. Er konnte sie jeden Tag treffen, wenn er zu Rans Schule ging, er konnte sie auch persönlich aufsuchen, oder sie ihn, wenn es um ein Vier-Augen-Gespräch ging. Nein, Mademoiselle schreibt einen persönlich übergebenen Brief? Und vor allem war dieser Brief an die Wette gekoppelt! Hätte er Vermouth jetzt nicht überführt, hätte er ihn nie bekommen?! Was für eine Absurdität an Verhalten spiegelte sich darin wider? Wenn überhaupt... war das jetzt nur ein Test, ob er würdig wäre, sie zu treffen? Was hatte dann die Schüler der Teitan-Oberschule dieser 'Ehre' würdig werden lassen? Oder, wenn sie meinte, sie als ihr wirkliches Ich zu treffen, als Noir... was hatte Sonoko zu dieser Ehre gereicht? Es verwirrte ihn jeder Satz nur mehr, als der Vorangegangene.

'Ein Treffen...', sinnierte er erneut. Es hatte wirklich etwas, wenn auch indirekt, von dem Brief, den er damals von Vermouth erhielt. Damals war es der Versuch, ihn von Ai wegzulocken, damit sie schutzlos wäre. Aber solche Intentionen waren nicht mal ansatzweise in Noirs Sphären zu erkennen. Im Gegenteil, er hatte überhaupt keine Vorstellung, was sie von ihm wollte.
 

„Diesen Sonnabend Nachmittag findet ein Festakt zum 50. Jubiläum der Kanin-Geschäftsgruppe im Park von Hanamigawa in Chiba statt. Gleich in der Nähe ist die ältere Hafenanlage von Mihama mit unzähligen leer stehenden Lagerhäusern. Du wirst mich – und Kirika Yuumura – dort irgendwo finden.“
 

'Mihama? Irgendwo dort??? Kann sich diese Frau nicht eine Winzigkeit präziser ausdrücken, immerhin will sie mich treffen und nicht ich sie!'

Er stöhnte laut auf, sah dann aber verunsichert zum Kalender.

'Sonnabend ist ja schon Morgen!' Seine vage Hoffnung, der Inhalt des Briefes sei bereits durch sein Zögern verjährt, bestätigte sich nicht, erhöhte eher den Zeitdruck auf ihn. Praktisch hatte er ihn gerade so noch rechtzeitig geöffnet.

'Umgekehrt... vielleicht war es so dann doch besser... wenn man sich vorstellt, was diese Frau machen würde, wenn ich nicht erschienen wäre...' Ein kalter Schauer umfasste seinen Körper, ließ ihn zittern. Er hatte zwar viel über sie gehört, aber er konnte es sich einfach nicht richtig vorstellen. Dieses Gefühl... wenn man wüsste, Noir, der Sensenmann persönlich, sei auf einen angesetzt. Man(n) sollte sich nie mit einer Frau anlegen, weil nicht abzuschätzen war, wozu sie sonst fähig wäre... und in ihrem Fall...

'Ist das wohl noch Untertreibung. Schön, ich soll also nach Mihama kommen... oder zu diesem Festakt... gibt es auch einen Grund?' Er sah bedächtig zum Zettel, der noch einige Zeilen der geschwungenen Handschrift enthielt, seufzte erneut, ahnend, dass sie seine Frage nicht beantworten würden.

Auf einmal fielen seine Augen auf die letzten Worte, die er eben noch las:
 

„Du wirst mich – und Kirika Yuumura – dort irgendwo finden.“
 

'Und Kirika? Warum betont sie das denn nun noch? Als ob ich nicht wüsste, dass sie zusammen arbeiten...

Na schön, also weiter...'
 

„Allerdings bitte ich dich, alleine zu kommen.“
 

Jetzt wurde es schon Klischee-lastig. Klang wie eine Erpressung, nur höflich formuliert, mit 'bitte'.
 

„Das soll keine Erpressung sein, es dient zum Schutz derer, die du schützen willst.“
 

Das ironische Grinsen blieb Conan sprichwörtlich im Hals stecken, seine Miene fror ein. Unwirsch blickte er sich um, ob er von irgendwo beobachtet würde. Konnte diese Frau ihn so gut einschätzen, so durchschauen, dass sie im Brief seine Gedanken las und beantwortete? War er so berechenbar?
 

„Es werden nämlich auch einige Bekannte von uns – dir und mir – anwesend sein. Einige, die sich für diese Jahreszeit einfach zu warm anziehen. ;-)“
 

Sein Herz begann schneller zu schlagen während er diese Worte verinnerlichte.

Sich 'zu warm anziehen' kann heißen lange Sachen anziehen bei immer noch schönem Wetter...

'oder einfach für starke Sonneneinstrahlung zu dunkle Kleidung anziehen. Schwarze... Sachen.'

„Die Männer in Schwarz werden dort sein?!“ Diesmal vergaß er seine eigenen Anstrengungen, nichts laut zu sagen, weil es ihn so schockierte. Quasi präsentierte man ihm die Organisation auf dem Silbertablett. Er blickte sich stumm um, machte das Licht aus, schlich zur Tür, lauschte, ob Ran in der Nähe war... es gehört haben... konnte.

Die Stille erinnerte ihn an Edgar Allen Poes 'Das verräterische Herz'. Der Stiefsohn, der seinen herrischen Vater mit dem Geierblick erschlagen wollte, und dafür stundenlang in der Dunkelheit seines Schlafzimmers am Eingang ausharrte, nur, um alle Eindrücke, visuell, akustisch, und auch nasal, aufzunehmen, zu verarbeiten, sich fest einzuprägen. Für den einen Moment der wilden, ungestümen Rache.

Am Ende überführte er sich damit selbst, als er von den heimtückischen Erfahrungen fantasierend das Herz des getöteten, unter Dielen und Böden begraben, schlagen gehört haben wollte.

So stand auch Conan nun, sicher zehn Minuten in der Stille und Dunkelheit, die lediglich von draußen ein paar Schatten warf und wurde ein Teil des Zimmers, bis er alles sah und hörte, und sich über eines absolut sicher war.

Es war niemand vor der Tür! Wahrscheinlich war die ganze Zeit niemand dort. Ran war in ihrem Zimmer und hatte wohl auch keine Intention, herzukommen.

Wurde er jetzt paranoid? Er fasste sich an die Stirn, fühlte die Temperatur. Nichts auffälliges.

Ran war nicht dort... Eigentlich sollte der Gedanke ihn beruhigen. Im Moment aber betrübte es ihn. Seine Hand glitt an die Tür, fühlte die hölzerne Barriere, die ihn von ihr trennte. Sie war so nah wie noch nie daran, ihn zu überführen, und doch schienen sie gerade jetzt weiter getrennt als je zuvor.

Sonokos Ultimatum machte es nicht besser, wie sie vielleicht dachte. Niemals, niemals könnte er ihr als Conan die Wahrheit sagen. Nicht in der jetzigen Situation. Die Organisation machte weiter, was sie wollte und die Aussicht bald wieder dauerhaft als Shinichi Kudo rumlaufen zu können war, gelinde sagt, trübe. In dieser Form, solange die Vorstellung, das alte Leben wieder aufnehmen zu können, nur auf dem Prinzip Hoffnung beruhte, konnte er es ihr einfach nicht sagen. Und es war lediglich das Prinzip Hoffnung momentan. Alle Erfolge schienen ihm letztlich mehr kleinere Randerscheinungen; ein paar äußere Fäden des Spinnennetzes, die nicht ihr Ziel erreichten, während hunderte andere als Ausweichmöglichkeit fungieren konnten. Ganz zu schweigen von der Spinne, Moriarty selbst, die unberührt blieb. Er war Welten von ihr entfernt.

Vielleicht hatte in dieser Form Sonoko recht... und sie sollte die beiden auseinander treiben. Er schniefte leise, ließ den Kopf kurz hängen, betrachtete den nun farblos grauen Zettel in seiner Hand.

'Das Prinzip Hoffnung... vielleicht ändert sich die Situation ja morgen... grundlegend, wenn die Organisation mit von der Partie ist.' Er hörte förmlich sein Unterbewusstsein ihn auslachen für so viel Optimismus... nein, Blauäugigkeit.

Er setzte sich langsam wieder aufs Bett, machte sich wieder Licht und las den kurzen Rest.
 

„Dies ist eine ernsthafte Warnung an dich, also lass es lieber, jemanden zu informieren.

Nun denn, ich hoffe auf schönes Wetter und freue mich darauf, dich dann zu treffen.

Eine schöne restliche Woche wünsche ich dir.

Bis Samstag.

Au Revior,

Mireille Bouquet“
 

Die Unterschrift war so ausschweifend lang und kompliziert, dass er sich fragen musste, ob sie ernsthaft gedachte, die mal unter jede kontrollierte Arbeit ihrer Schüler zu setzen.

'Ach ja, ich vergaß, sie hat wahrscheinlich gar nicht vor, Lehrerin zu werden...'

Eine ernsthafte Warnung. Wenn er an die bisherigen Begegnungen mit ihr dachte, wie sie wirkte als könnte nichts ihre und Kirikas Ruhe jemals stören, wie sie über den Dingen standen, kam dieser Satz einem Weckruf gleich. Machte sie sich jetzt etwa plötzlich Sorgen? Sie, als Mörderin, um das Leben Unschuldiger? Hatte ausgerechnet sie so etwas wie einen Ehrenkodex, der vorsah, nicht ohne weiteres mehr Leute als nötig aus dem Weg zu räumen? Nun ja, das war irgendwo Teil ihres... 'Jobs', präzise wie ein Skalpell einzelne Menschen aus dem Strom der Zeit zu fischen... und doch schien es ihm absurd. Dass sie selbst Angst vor der Organisation hatte, schien genauso abwegig, bedachte man, wie offenbar kurzer Prozess mit Fudo Nakano gemacht wurde. Also warum war es ihr auf einmal so wichtig? War es – für sie, wohl gemerkt – problematisch, wenn jemand von seinen Freunden im Laufe des folgenden Tages durch die Organisation getötet würde? Wenn ja, warum?
 

Eines war Conan klar, während er den Brief wieder einsteckte, sich zum Schlafen fertig machte und hinlegte. Er würde heute Nacht schlecht schlafen, sehr schlecht. Seine Gedanken kreisten um das, was er mittlerweile über Noir und die beiden 'Jungfrauen' selbst wusste, was wohl die Organisation genau dort wollte, wie er möglichst unbemerkt und ohne große Fragen alleine nach Mihama käme... und um zig weitere, ungelöste Probleme, über denen er unruhig den Weg ins Reich des Schlafes fand.
 

Das sanfte Rauschen des Wassers, wie es sich aus dem Wasserkocher in die Teekanne ergoss, ließ Kirika kurz von dem Buch in ihren Händen aufsehen. Der Geruch einer intensiven Kräutermischung verbreitete sich in der kleinen Küche, gab ihr unvermittelt etwas Ruhe in den Gedanken, stimmte sie zufrieden.

„Der Tee riecht gut.“, stellte sie ohne eine Miene zu verziehen in ihrer betont sachlichen Art fest.

„Findest du? Ich meine immer noch, du hast bei der Portionierung des Tees mehr Geschick als ich.“

Mireille hielt ihre Nase etwas neben die noch offenen Kanne, fächelte sich den Dampf zu.

„Hm... zwanzig...dreißig Milligramm zu viel vielleicht. Muss man ihn ein paar Sekunden früher rausnehmen.“

Kirika musste auflachen, hielt sich verlegen die Hand vor den Mund.

„Du gehst das viel zu wissenschaftlich an, glaub ich eher. Das hat doch was mit Gefühl zu tun.“

„Ist ja nicht jeder so ein Naturtalent wie du.“, gab sie pikiert zurück und blies sich eine Strähne aus dem Gesicht.

„Außerdem ist das auch meine Herangehensweise bei der Arbeit...“ Der Blick von Mireilles Mitbewohnerin verfinsterte sich ein wenig.

„Ich weiß.“ Mireille sah verwundert auf, musterte ihren Blick tief, schwenkte dann aber müde lächelnd ab.

„Schon gut, ich sag's nicht. Aber dann sag du auch nicht wieder...“

„...dass dir der Lehrerberuf offenbar gefällt?“

„Und? Immerhin warst du meine erste Schülerin, wenn man so will.“ Innerlich musste die Elevin erneut lächeln bei dem Gedanken an diese Zeit. Ja, irgendwo war Lehrerin für sie ein gar nicht so ungeeigneter Beruf eigentlich. Auch wenn manche das als vollkommene Verschwendung ihrer Fähigkeiten ansehen würden.

Immerhin... hatte sie diese Option. Betrübt wandten sich ihre Augen zur Seite, fixierten den Kalender an der Wand.

„Morgen ist es so weit.“, lenkte sie gewaltsam vom Thema ab.

„Mhm... bist du... nervös?“

„... Nein.“ Es klang wie eine Computerausgabe, die lange allen Input analysierte, auswertete und diese Frage so kurz wie möglich beantwortete. Mireille hatte sich an diese Art längst gewöhnt. Es war keine Emotionslosigkeit ihrer Freundin, die dahinter steckte. Mehr eine innere Angst vor unkontrollierbaren Gefühlen.

'Obwohl sie es beim Tee ganz gut kann...'

Mitleid schwang in ihren Gedanken mit. Sie wusste ganz genau, welches dieser Gefühle Kirika gerade trieb.

Hoffnung... und die Angst, dass diese Hoffnung enttäuscht würde. Langsam schritt sie auf sie zu, fasste sie an den Schultern.

„Du hast mit bekommen, wie er Vineyard überführt hat. Ist das nicht genau... das, wonach wir gesucht hatten?“

„Mhm...“, nickte sie nachdenklich, sah auf das Buch auf ihren Knien.

„Ist es... was aber auch nicht mehr heißt, als dass es... eine Möglichkeit ist.“

„Und Möglichkeiten muss man eine Chance geben, wenn es keine Alternative gibt!“ Ein schwaches, aber ehrliches Lächeln ging von Kirikas Lippen aus, während sie unmerklich nickte.

Sie ging zurück zur Kanne, schwenkte sie ein wenig, beobachtete, wie das getrübte, rötlich braune Wasser sich immer weiter, Nuance für Nuance dunkler färbte, wie die Teilchen zu Boden schwebten.

„Kennst du die Legende, wie die Chinesen den Tee erfanden?

Ein chinesischer Kaiser, Shennong hieß er und lebte vor knapp 5000 Jahren, genoss für gewöhnlich heißes Wasser als Getränk. Im Sinne guter alter chinesischer Medizin gilt warmes Wasser heutzutage auch allgemein als eines der gesündesten Getränke zu allen Jahreszeiten, auch im heißen Sommer. Jedenfalls, einmal war er in einem Wald, als ihn der Durst befiel. So ließ er sich nieder unter einem großen Strauch und begann Wasser zu erhitzen. Als er die Tasse gerade zu sich nehmen wollte, löste sich ein Blatt vom Strauch und fiel genau in die Tasse. Dreimal darfst du raten, was für ein Strauch es war.“

'Lehrerin!', musste Kirika erneut feststellen, verkniff es sich aber und blickte abwartend zu ihr hinüber.

„Ich meine nur, dass zu vieles auf Zufall beruht, aber auch darauf, diesem Zufall eine Chance zu geben. Der Kaiser hätte das Wasser auch unbesehen wegkippen und neues kochen können. Schon allein aus Sorge, ob das Blatt giftig sein könnte. Stattdessen hat er so eine bedeutsame Entdeckung für sein Land und die ganze Welt gemacht... nun ja, auf kulinarischer Ebene bedeutsam.“

Jetzt musste sie über sich selber kichern.

„Und er ist auch so ein Zufall, meinst du?“

„Seine Anwesenheit genau jetzt, zusammentreffend mit unserer auf dieser Welt? Warum nicht?

Jemand, der die Organisation kennen lernte, und es bis jetzt überlebt hat. Der die idealistische Art und den Willen, vor allem aber den Verstand hat, gegen sie vorzugehen. Der das Unmögliche in Form des APTX 4869 gesehen hat und damit gewillt ist, auch andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen... und auf der anderen Seite... wir. Es ist etwas zufälliges darin, Schicksalsdiskussionen hin oder her. Die Frage ist nur...“

Sie hielt ihr die Tasse hin. Kirika überlegte kurz, legte das Buch zur Seite und nahm den Tee dankend an...

„Ob du probierst, diesen Zufall zu nutzen, oder ob du den Tee weg kippst und die Option verstreichen lässt.“

Sie hielt die Tasse schweigend vor sich, beobachte den flüchtigen Dampf, der sich erhob, pustete, bis er endgültig verschwand und setzte dann an.

„Der Tee wirkt beruhigend, Kirika. Morgen ist ein langer Tag. Wir sollten bald schlafen gehen.“

„Sag mir Mireille...“, setzte sie noch einmal kurz an.

„Warum...“ Ihr Blick fiel auf das Buch, welches sie eben aus der Hand lag. Groß prangerten die vier Zahlen darauf dem Leser entgegen.

Sie verstand.

„Wie gesagt... er ist für das Unmögliche jetzt etwas empfänglicher als vor dem 13. Januar...

Aber man braucht dafür dennoch einen kleinen Schubs.“
 

Eine Stunde vorher in einem Wald in Sakura, südöstlich von Tokio:

Ein weiterer Knall durchbrach die friedliche Natur, die über den unzähligen Schüssen der letzten Stunden eh längst abhanden gekommen war. Langsam zog Chianti ihr Gewehr von sich weg, fixierte das Ziel, welches ohne das Teleskopauge selbst ihrem scharfen Blick fast entging.

„Nicht schlecht.“, stellte Korn ohne Regung fest.

„Es war genau getroffen. 350 Meter Distanz, und das so eng an den vielen Bäumen vorbei, dass der horizontale Spielraum bei gerade mal drei bis vier Zentimetern lag.“ Sie wusste, welche Leistung dahinter steckte, immerhin musste sie die ganze Zeit diese Treffsicherheit üben. Mit dem Handrücken wischte sie sich eine Schweißperle von der Stirn.

„Das Problem ist nicht die Treffsicherheit an sich, Chianti.“, konterte Gin in seiner dunklen, herrischen Stimme von der Seite.

„Hier im Wald ist es windstill. Morgen musst du auf freiem Feld treffen. Scheint zwar kein Sturm im Anmarsch zu sein, dennoch ist der Wind relevant beim Plan.“

„Kein Thema, Wind miteinzukalkulieren ist leichter als man denkt, das hat alles was mit Erfahrung und einem kühlen Kopf zu tun.“

Sie blinzelte ihm entgegen, obwohl sie wusste, dass er sie hinter seiner die Augen verdeckenden Frisur gar nicht ansah.

„Wir werden sehen. Aber viele Chancen habt ihr nicht.“

„Warum eigentlich der Aufwand, Gin? Wenn das Ziel so einen Plan erfordert, wäre das Gift da nicht eine bessere Option?“

Er sah zur Seite, holte sich eine Zigarette raus, zündete sie an, nahm einen ersten Hieb, bevor er antworte.

„Normalerweise ja. Ein Tod, der nicht als Mord nachgewiesen werden kann, wäre optimal in diesem Fall.

Aber momentan ist das Gift tabu. Die Probe, die Wodka im Tropical Land mit hatte, ist immer noch nicht wieder aufgetaucht. Und da das FBI da war, muss man annehmen, dass sie nun darüber verfügen. Wenn sie durch bewusstes Suchen ein Nachweismittel in ihre Hände bekommen haben, dann könnte das morgen ein Debakel geben.“

„Apropos, FBI, besteht also die Möglichkeit, dass die morgen auch auftauchen?“ Die weibliche Stimme von hinten ließ die beiden Scharfschützen aufhorchen. Sie hatten sie gar nicht mit Gin und Scotch – Wodkas Nachfolger und ein Hüne, der seinem Vorgänger denkbar nahekam – kommen sehen.

„Kir!“

„Was denn, Korn? Ich habe immerhin essentiell da morgen zu tun, als Journalistin bei dem großen Zeremoniell... Hoffentlich wird es nicht so ne Pleite wie die Schifffahrt vor drei Tagen. War zwar auch ne große Story, aber ohne richtiges Happy End irgendwie.“

Gin zog ein weiteres Mal an der Zigarette, wartete, bis es wieder ruhig war.

„Wenn alles klappt, hast du keine Überstunden wegen Sensationsnachrichten morgen zu befürchten, Kir. Und was deine erste Frage angeht, so ist das FBI wie gesagt einer der Gründe für den Plan. Und sie kommen, definitiv. Allein weil du da bist.“

„Hätte ich dann nicht besser Zuhause bleiben sollen?“, gab sie keck zurück.

„Nein, du bist nunmal für einen bestimmten Fall mit deinen Fähigkeiten unersetzlich. Und das FBI, das ohne uns inflagranti zu erwischen eh nichts machen kann, nehme ich dafür gerne in Kauf.“ Er wandte sich wieder zu Chianti.

„Also... ist es durchaus möglich, dass ihr ein paar von denen vor die Flinte bekommt.“

„Muss ich dann meinen Finger im Zaum halten?“

„Bis zur Erledigung der Aktion ja...“

Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht.

„Für danach... habt ihr freie Hand, solange ihr euch nicht selbst ein Bein stellt.“

„Dann wäre das eigentlich auch eine gute Praxisübung für Caipirinha gewesen.“, stellte Korn kühl fest, woraufhin Gins Lächeln verflog. Chianti schloss einmal kurz die Augen, ließ den Schmetterling auf ihrem linken Lid einen Flügelschlag ausführen.

„Was ist nun eigentlich mit dem Kerl, der ihn umgelegt hat, weiß man da schon genaueres?“

„Tja... der Typ von Les Soldats, der bei ihm wohnte, hatte ein Alibi und die anderen Leute an dem Abend, die Polizei ausgenommen, nicht das Zeug ihn mit ner Pistole zu töten.“

„Aber es waren doch Les Soldats, oder nicht?“

„Wenn schon, ohne einen klaren Anhaltspunkt hüllen die sich in schweigen. So ist das halt, wenn man am längeren Hebel sitzt.“

Er atmete tief aus.

„Aber genau deswegen hat diese Person auch zur Vorsicht gemahnt. Les Soldats haben jemanden hergeschickt... jemanden, der als Scharfschütze besser ist als Caipirinha es war. Und als Soldats besteht eine noch große Wahrscheinlichkeit, auf diese Person morgen zu treffen. Und wer weiß, was die über unsere Pläne wissen.“

„Aber da dürfen wir dann jederzeit draufhalten, oder?“

Gin antwortete nicht, sondern lächelte nur wieder, drehte sich um und ging, Kir und Scotch stumm zum folgen auffordernd.

„Kommt morgen pünktlich und ausgeruht.“
 

„Dich bedrückt noch etwas, oder Gin?“, hakte Kir auf dem Weg zum Porsche nach.

„Das war noch nicht alles, oder?“

„Ein Gefühl, mehr nicht. Auf den Bildern der Schifffahrt war neben Vermouth auch Remy Brefford zu sehen.“

„Wer?“

„Einer der Obersten der Soldats. Und bedenkt man, dass Vermouth nach diesem Abend einfach so sich eine Auszeit erbittet, ausgerechnet vor dieser wichtigen Aktion, auch wenn sie da nicht in erster Instanz eingeplant war...“

„Du glaubst, er hätte ihr gesagt, sie solle nicht kommen? Wäre das nicht Verrat?“

„Hm... wie gesagt, die Aktion morgen ist einfach zu bedeutsam, könnte zwischen einem großen Schritt unserer Absicherung und einer mittleren Katastrophe hin und her schwanken. Irgendwie scheint hier jemand Schachfiguren zu versetzen, um uns das Leben schwer zu machen. Les Soldats sind naheliegend anzunehmen... aber da ist ja noch...“

„Dieser ominöse Detektiv im Hintergrund?“, mischte sich nun auch Scotch endlich ein. Seine brummige Stimme und sein südjapanischer Dialekt fielen besonders deutlich auf.

„Ach, der 'Sherlock Holmes', der angeblich unsere Pläne sabotiert?“

„Exakt. Ich denke einfach, der könnte auch morgen kommen. Wie gesagt, nur ein Gefühl.“

Er musste sie nicht angucken, um zu wissen, wie skeptisch sie ihn musterte.

„Aber mein Gefühl hat mich bei so was auch noch nie betrogen.

Du solltest dich wohl auch bereit halten, dass es im Zweifelsfall... morgen ein langer Tag wird.“

Damit wandte er sich ab und sagte, bis sie zum Porsche kamen, nichts mehr.

Ungebetene Gäste

Hallo liebe Lesenden,
 

ähm, an dieser Stelle bedanke ich mich normalerweise für die Kommis und das tue ich auch jetzt – Vielen Dank!!! - nur ähm... ja, es waren doch... unerwartet wenige. *SichamKopfkratzt*

Ich wundere mich nur. Habe ich was falsches gesagt? Bin ich irgendwo so weit von den Charas abgewichen, dass es ganz absurd geworden ist, oder hattet ihr nur bis jetzt keine Zeit, oder gefällt euch die Geschichte nicht? Alles möglich, ich weiß es nur nicht, weil, ja äh, keine wirkliche Reaktion.

Bitte, wenn was ist, sagt mir Bescheid, ich bin halt nur etwas ratlos, wohin so plötzlich – nach dem Prolog – die fleißigen Schreiberlinge hin verschwunden sind.
 

Insofern kann ich auch nicht zu viel zu den Kommentaren sagen. Das Kapitel diente mit seinen ganzen Figuren – von denen die meisten mittlerweile mit Bild verlinkt sind – so als kleine Motivation, frei nach dem Motto 'jetzt geht es so richtig los'. Und diese Figuren werden auch noch alle sehr relevant in dieser Geschichte.
 

Nun denn, ich kann allen nur viel Spaß beim Lesen wünschen, wenn was ist, was euch stört oder so, fühlt euch frei, es auszusprechen.
 

LG, Diracdet
 


 


 

Kapitel 2: Ungebetene Gäste?
 

Die Nacht war für Conan noch viel unruhiger verlaufen als befürchtet, mit vielen Unterbrechungen, kurzen Visionen, die er als Alpträume interpretierte und einem Gefühl der Mattheit, Zerschlagenheit an ihrem Ende. Einzig und allein die Tatsache, dass es Samstag war und er Ran und Kogoro keine 'offiziellen' Pläne für diesen Tag angegeben hatte, erlaubte es ihm, ungefragt bis nach 9:00 Uhr liegen zu bleiben und wenigstens so etwas wie Ruhe abzubekommen.

'Merkwürdig...', sinnierte er daraufhin im Bad. Selbst die gefährlichsten Begegnungen mit der Organisation, all die Probleme, die ihn umtrieben, hielten ihn sonst nie so wirklich vom Schlafen ab. Die gute Nacht, die eigentlich notwendig war, um auch am nächsten Tag sein Potential abzurufen, war ihm sonst doch immer vergönnt gewesen. Diesmal nicht.

'Warum? Wegen Noir? Wegen der Organisation? Wegen Ran... und Sonokos Ultimatum?' Eine befriedigende Antwort fand er in dieser kurzen Zeit nicht.
 

Auch das Frühstück verlief zunächst erstaunlich ruhig. Kogoro sagte von sich aus nicht mehr als 'Guten Morgen' und es war überdeutlich, dass ihn ein Kater gängelte. Ein Aspekt, der Rans Laune sofort in den Keller trieb, auch wenn sie es stillschweigend mit Reis runterschluckte. Ihre Augen wanderten von ihrem Vater zum kleinen Jungen, der ebenfalls muchsmäuschenstill an seinem Essen knabberte, tief in Gedanken versunken. Ein lautloser Seufzer, passend zur restlichen Lautstärke, entfloh ihrer Kehle.

'Es ist so deutlich, so unzweifelbar eindeutig, diese Mimik. Kein Kind kann sich einfach so so tief in sich selbst verlieren und kurz danach wieder wie ein fröhlicher Junge wirken. Bei seinem Alter würde dieses Sinnen schon als vollkommen... unnormal, Verhaltensstörung, Autismus, was weiß ich, interpretiert werden.

Von Shinichi kenne ich es. Von meinem Vater manchmal, Heiji... Mamoru. Bei Erwachsenen ist es nicht allgemein, aber doch oft genug üblich. Und es ist dort normal... als wären Kinder unnormal, wenn sie sich wie Erwachsene...

Ah... hör auf, Ran! Er ist nicht normal, weil er kein Kind ist! Er ist ein... waah, nein, nicht dran denken!'

Sie schüttelte sich, merkte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg, als sie wieder an Mittwoch früh dachte. Als sie erwachte und sich bestohlen vorfand. Betrogen um ein Geschenk, das sie dem Räuber selbst machen wollte. Aber das dieser niemals so bekommen sollte, wie es nun aus ihrer Sicht geschehen war.

'Verdammt, Shinichi! Nichts, gar nichts seit drei Tagen. Funkstille, keine Reaktion, keine Entschuldigung, nicht mal ein verstellter Anruf. Ist dir das wirklich so... egal? Immerhin... warst du es doch auch, der mich dort betäubte, oder?' Ihre Gedanken, was passierte, nachdem sie bewusstlos wurde, war ihr unendlich peinlich. Die Vorstellung aber, mit welcher scheinbaren Gelassenheit es Conan hinnahm, obwohl er ihr jeden Tag ins Gesicht sehen musste, jeden Tag diese Erwartung sah... das deprimierte sie viel mehr. Es bewirkte etwas, wovon sie bis vor kurzem dachte, es sei unmöglich.

Es ließ sie ein ganz klein wenig an Shinichi zweifeln. Daran, dass sie ihm irgendetwas bedeutete. Wäre dem so, konnte er es doch nicht so einfachen hinnehmen, und....

'Selbst wenn... wenn nicht, wenn ich nur irgendeine Person aus deinem Freundeskreis sein sollte... sowas machst du doch nicht so ohne weiteres. Und lässt diese Situation so im Raum stehen...'
 

Conan spürte den tadelnden, gleichzeitig aber auch drängend fragenden Blick auf seiner Haut. Es war wie ein Damoklesschwert, das über seinem nach vorne gebeugten Hals hing, das haltende Seil mit seiner Klinge Sekunde für Sekunde zerschneidend. Jeden Moment konnte es soweit sein. Jeden Moment, ganz spontan, könnte sie aufspringen, die Anwesenheit ihres Vaters und alle anderweitigen Gefühle ignorieren und aufschreien:

'Du bist es doch, Shinichi! Erkläre mir endlich, was das hier soll und vor allem... die eine Sache am Mittwoch früh, du weißt schon, was sollte das, du... du... !' Er stockte bei der Frage, welche Bezeichnung Ran benutzen würde, musste ein wenig sogar drüber schmunzeln. Wie nah sie war an der Wahrheit und wie weit dann doch entfernt in diesem einen Punkt.

'Genau wie Sonoko sagte. Halbwissen, das für den Träger gefährlicher sein kann, als wenn ihm reiner Wein eingeschenkt würde.

Statt eines Urteils durch langwierige, umfassende und objektive Analyse der Fakten besitzt man nur einen Teil und fällt folglich... ein Vorurteil. Davor ist also selbst Ran nicht gefeit. Ist wohl niemand.'

Erneut lächelte er, über sich selbst. Dachte er doch die ganze Nacht über Noir nach, ohne wirklich umfassende Informationen über sie zu haben.
 

„Sag mal, Ran...“, unterbrach schließlich doch Kogoro die Stille ohne von seiner Mahlzeit aufzusehen,

„Was hat es eigentlich mit der Notiz auf meinem Schreibtisch auf sich?“

„Oh das! Es gab gestern Abend, nachdem du weg warst, noch einen Anruf im Büro, ein neuer Fall.“

„So weit habe ich die zwei Zeilen auch schon verstanden: Seijiro Yamamura, Künstler, Treffen Montag Nachmittag um 4 Uhr, und die Adresse. Aber hat dieser Herr Yamamura auch irgendetwas gesagt, worum es geht, was er will?“ Leicht pikiert starrte der von Folgen des vergangenen Abends gepisakte Mann seine Tochter an.

„Äh... also er sagte, es ginge um einen Kollegen von ihm, der zusammen mit ihm und einigen anderen Künstlern zusammen lebte und der verschwunden sei seit einer Woche?“

„Ruft man da nicht normalerweise die Polizei? Eine Woche, tse, er könnte auch einfach weggegangen sein, eine neue Inspiration suchen. Was weiß ich, wie Künstler denken.“

„Nun, das hatte wohl auch in etwa die Polizei behauptet, meinte Herr Yamamura. Aber er glaube nicht daran. Und die anderen Mitbewohner auch nicht.“

„Ist aber ziemlich weit im Nirgendwo, der Adresse nach zu urteilen.“

„Das hatte ich ihn auch gefragt, als er sie mir nannte und er hat nur leicht geschmunzelt und gemeint, wir würden es sehen, wenn wir hinkämen. Oh ja, ich fragte ihn auch, ob Conan und ich mit hinkommen könnten und er hatte nichts dagegen.“

Conan wurde bei seinem eigenen Namen hellhörig, während Kogoros Miene sich mehr verfinsterte.

„Könnt ihr beiden mich nicht einfach mal bei meiner Arbeit in Ruhe lassen und euren eigenen Kram machen?“

„Sei nicht so patzig, Paps! Wann kriege ich schon mal Gelegenheit, Künstler bei der Arbeit näher zu zu sehen? Und Conan hat doch öfters mal einen guten Tipp, der dir bei deinen Fällen hilft. Nicht wahr, Conan, du willst doch auch mit!“

Er musterte sie verwirrt, nickte mehr gezwungen als freiwillig, obwohl er natürlich mitkommen wollte. 'Jetzt schauspielert sie auch noch... es ist wirklich eine Schmierenkomödie mit uns beiden. Und es... muss wohl ein Ende haben. Nur... wie, verdammt?' Er nahm einen großen Happen, der ihm den Mund von selbst stopfte, um nicht zu deutlich die Nachdenklichkeit in seinen Zügen durchscheinen zu lassen.

„Schon gut, ich komm eh nicht drum herum, euch mitzunehmen, oder?“ Seufzend nahm der Meisterdetektiv sich eine zweite Portion.

„Aber wo wir bei dem Thema gerade sind, Conan, hattest du irgendetwas fürs Wochenende geplant? Gesagt hattest du bis jetzt nichts.“

Kurz hielt der kleine Junge in seinen Aktionen inne. Ganz kurz nur, aber dennoch deutlich genug, dass Ran es als plötzliches Zucken, plötzliches Unwohlsein interpretieren konnte.

'Hat sie womöglich doch gelauscht gestern?'

Selbst wenn, vom Inhalt des Briefes und dem geplanten Treffen konnte sie nichts wissen.

„Ach ja... h-hatte ich das nicht gesagt, ich bin den Nachmittag über beim Professor heute. E-Er will mir seine neue Erfindung zeigen... u-und danach... danach nochmal kurz in die Stadt fahren...“

Man musste kein Sherlock Holmes sein, um Ran anzusehen, dass sie ihm nicht glaubte, auch wenn der einzige offizielle Detektiv am Tisch diese Erkenntnis verpennte.

'Ach Ran... wenn du auch sonst so hartnäckig und wachsam wärst, hättest du mich längst überführt.'

Ihre finstere Miene hielt eine Weile an, ließ ihm den Atem stocken, bis es sich zu einer leichten Fratze eines Lächelns verzog, was ihm nur noch mehr Angst machte.

„Darf ich mitkommen, Conan?“ Die Frage hatte gesessen, er wusste, da würde er nicht mehr rauskommen. Die ersten sich bildenden Schweißperlen auf Conans Gesicht wurden sofort deutlich.

„Ich habe den Professor schon so lange nicht mehr gesehen und Ai auch schon ne Weile nicht mehr.“

„Aber...“

„Und wenn er eine neue Erfindung hat, ist er doch immer so vernarrt darin sie vorzuführen, da wird er mir doch auch einen Blick gestatten.“

„Aber...“

„Und außerdem wollte ich heute auch noch was für morgen einkaufen, wir können danach also alle zusammen in die Stadt fahren.“

„Aber...“

„Was hast du denn Conan? Willst du nicht, dass ich mitkomme?“

Eine Kunstpause folgte, die Ran als persönlichen Triumph für sich verbuchte und auch ein wenig mit Genugtuung wahrnahm. 'Ich stehe damit doch hoffentlich nicht deinen Plänen im Weg, oder, Shinichi?'

Das Lächeln, das ihr bei diesen Gedanken durch das Gesicht flog, verschwand sofort wieder, und sie wendete ihren Blick von dem Jungen etwas ab, sah leicht geknickt auf den Tisch vor sich.

Die Verwunderung musste Conan nutzen, um wenigstens den Hauch einer Chance zu haben, das Haus am Nachmittag alleine verlassen zu können.

„Aber musst du nicht für die großen Prüfungen in einem Monat lernen, Ran?“

Aus ihren Gedanken gerissen, blickte sie verstört zu ihm auf.

„Genau das wollte ich auch gerade sagen, Ran. Du hast noch ne Menge Stoff, und durch die Schifffahrt schon zwei Tage verloren. Geh lieber heute Vormittag schnell einkaufen und dann kannst du den Rest des Tages lernen.“, kam unerwartet Unterstützung von Kogoro.

„Ach ja.... Aber... es ist Samstag früh, kann das nicht mal noch ein bisschen warten, bis Montag zum Beispiel...“

„Ich dachte, Montag wolltest du Künstler besuchen gehen.“ Sie biss sich fast auf die Zunge, als sie den strategischen Fehler in ihrer Argumentation ausmachte. Ihr Blick haftete starr auf ihrem Vater, nicht auf Conan gegenüber. Sie wusste genau, wie neugierig, hoffend, er sie gerade ansah und das wollte sie nicht sehen. Selbst Kogoro konnte die unterschwellige Spannung zwischen den beiden nun förmlich spüren. Ran, die ihn ansah, um Conan nicht ansehen zu müssen; Conan, der sie ansah, ohne ihn überhaupt wahrzunehmen.

'Was... ist das... mit den beiden?' Nun kam auch ihm die Erinnerung an das Ende der Schifffahrt wieder hoch. Diese Fahrt zurück im Auto, bei der sie Blicke oder Gespräche miteinander vermieden, so weit es ging. Er schob es ursprünglich auf Rans tiefgehende Erkenntnis, dass Natsuke Karasuma nur gestorben war, um ihr eine Falle zu stellen, ohne ein Motiv, ohne ein Verbrechen, das irgendjemand rächen wollte. Nur wegen ihr. Er kannte Ran zu gut, um nicht zu wissen, was ihr diese Tatsache bedeutete.

Aber da war mehr... etwas war zwischen den beiden passiert. In dieser Zeit auf dem Museum, wo niemand außer den beiden, Herrn Tanahi und Chris Vineyard dabei war. Diese widersprüchlichen Aussagen zwischen ihnen und Tanahi, das Verschwinden der Schauspielerin... Irgendetwas... mehr war dort geschehen, was Ran und Conan scheinbar professionell unter den Teppich gekehrt hatten. 'Ach Quatsch, das bildest du dir ein, Kogoro! Conan ist nur ein kleiner Lausebengel mit viel Schabernack im Kopf und Ran viel zu gutartig, um vor der Polizei falsche Aussagen zu machen.' Es beruhigte ihn kurz, ließ aber nicht das Bild, welches er hier vorfand, verschwinden, oder sich selbst erklären. Etwas stand zwischen Ran und Conan, was ihre Beziehung, die fast geschwisterlich war, gerade störte.
 

Ran schloss nach einer Weile die Augen, nickte resignierend, leise seufzend, senkte das Haupt.

„Schon gut...“

„Ran...?“

„Es... ist... richtig... so.“

Monoton, leicht angeknackst in Stimme und Haltung, brachte sie den Satz so hohl klingend hervor, dass Conans Bissen, den er schlucken wollte, ihm als dicker Kloß im Hals stecken zu bleiben drohte.

„Entschuldigt. Ich hole mir noch eine Tasse Kaffee.“

Noch so ein eingeschobener Satz ohne jegliche Emotion... außer... außer Trauer. Sie stand auf, nahm ihre Tasse und verließ das Esszimmer Richtung Küche.

„Hey... Conan! Was zum Geier habt ihr beide?“, flüsterte Kogoro ihm neugierig, und nicht ohne eine Portion Drängen, zu.

„Ich... ich weiß nicht. Sie ist wegen irgendetwas... scheinbar wütend.“

„Lüg mich nicht an, Kleiner, es geht hier um meine Tochter. Schlimm genug, dass dieser Junior-Schnüffler vom Dienst sie dauernd zum Heulen bringt. Wag du es nicht auch noch, Conan!“

Ein leichter Schrecken entfuhr den Gliedern des Jungen.

„Du... du weißt davon?“

„Tse...“ Er blies sich entnervt eine einzelne Haarsträhne von der Stirn.

„Was glaubst du denn? Ich bin ihr Vater, ich weiß, wie sie über ihn denkt, und was sie wegen dem Spinner durchmacht. Und nochmal, es ist mir eigentlich egal, was du getan hast, Conan. Klär es mit Ran, und zwar bald, sonst wirst du mich kennen lernen! Verstanden?“

Ihm war selbst nicht ganz klar, ob es an dem Kater in seinem Kopf lag, dass er jetzt heftiger reagierte als geplant, aber in Conans Blick war eine überdeutliche, ernsthafte Angst zu erkennen. Eine, die ihm so nicht bekannt war von dem kleinen Jungen. Als sei die Angst, die sein Drohen, wenn der Bengel wieder an einem Tatort umherlief und alles kaputtmachte... nur gespielt? Nichts, weswegen er wirklich Angst haben müsste. Unschlüssig blickte er Conan an, der kurz nachdenklich nickte und sich dann seinem Essen zuwandte.

'Was für ein merkwürdiger Junge bist du nur, Conan? Hat das etwas mit Rans Wut zu tun? Aber was sollte das eben, es wäre „richtig“ so?'

Conan merkte, wie ihm kaum ein Bissen mehr gelingen wollte. Er wusste ganz genau, was sie meinte.

'Ach Ran...'
 

Wie erwartet verlief das Essen danach noch ruhiger – de facto sagte niemand mehr etwas – und auch das Aufräumen und Abwaschen war mehr zu vergleichen mit einem Zombie-Treffen. Jeder wusste, was er oder sie zu tun hatte, so dass es deswegen keiner Worte bedurfte und zu bereden gab es nichts mehr. Ein stiller Prozess, in dem das Klirren sich berührenden Geschirrs und das quietschen und blubbern des Spülwassers die einzigen Geräusche waren.
 

Wie angekündigt ging Ran direkt einkaufen – alleine – und Conan verzog sich mit einem Buch auf die Couch. Er konnte nicht lesen, wollte nicht lesen, aber er konnte sich jetzt auch nicht woanders hin zurückziehen und noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das Buch war der Ansatz einer Tarnung, die ihm erlaubte, die Erkenntnisse der letzten Wochen, seit dem Auftauchen Noirs, zu rekapitulieren.

'Kirika Yuumura und Mireille Bouquet sind Noir. Die, laut ihrem Ruf, besten und damit gefährlichsten Auftragskiller der Welt.' Er schluckte einmal tief. Jedesmal wieder, wenn er das sich so einfach sagte, musste er innehalten, um sich selbst wieder klar zu machen, was das eigentlich hieß. Auch wenn er nicht drüber nachdenken wollte, immer wieder fantasierte in seinem Kopf die makabere Frage, wie viele Leute diese beiden Jungfrauen mit den schwarzen Händen, wie Mamoru sie nannte, wohl eigenhändig getötet hatten. Und ob sie wohl selbst es gezählt hätten.

'Dreistellig... vierstellig... fünfstellig ist wohl zu viel für jemand, der so präzise agiert, da müsste man eher schon große Terrorakte planen, was nicht ihr Metier ist... aber tausend ist doch... hör auf, Shinichi, konzentriere dich.

Die Legende von Noir, so weit ich davon gehört habe, ist tausend Jahre alt. Nun, so alt werden die beiden Damen wohl nicht sein...', grinste er frech.

'Laut Ai sind Les Soldats genau so alt etwa. Also macht es wohl Sinn, anzunehmen, dass Les Soldats auch Noir ins Leben gerufen haben. Oder umgekehrt... jedenfalls eine Verbindung dieser Erschaffung.

...Nein doch eher die erste Variante. Das erklärte nämlich auch die Bezeichnung, die Mamoru verwendete. Die Jungfrauen mit den schwarzen Hände, die Hände der Soldats... also so was wie ihr Werkzeug für bestimmte Fälle. Was man eben von einem Attentäter dieses Kalibers erwarten könnte.

Damit wären sie aber ein Teil der Soldats, was Mireille Bouquet laut Sonoko beständig ablehnt. Sie scheint sie zu hassen eher. Nun gut, sie haben ihre Eltern getötet, aber wieso wurde sie dann eine Soldats... oder nicht? Moment, der Brief sprach doch davon, dass die Geschichte auf dem Schiff eine Wette mit Brefford war. Dann kann sie gar keine Soldats in dem Sinne sein, denn sie betrachtet sich ja eher auf einem Niveau mit Brefford. Also neben den Soldats stehend.'

Der Gedanke nun aber war vollkommen verwirrend für ihn. Er konnte das Buch nicht halten, klappte es zu und setzte sich aufrecht hin.

'Wenn die besten Profikiller der Welt neben den Soldats stehen und nicht ihnen dienen, aber von ihnen wissen und ihre Möglichkeiten mit nutzen – und dass sie das tun, sieht man ja allein schon an Sonoko, an dem Wein, den sie aus Frankreich mitbrachten, an der Schifffahrt – dann sind sie doch eine ernsthafte Gefahr für Les Soldats. Erst recht, wenn Mademoiselle Bouquet die Rache für den Tod ihrer Eltern antreibt. Wieso leben sie dann noch und die Soldats haben sie nicht getötet? Das will mir nicht recht in den Sinn...'
 

„Oha, die Kanin-Gruppe veranstaltet heute Nachmittag ein großes Firmen-Jubiläum in Hanamigawa.“

„WAS?!“ Conan fiel, aus seinen Gedanken gerissen, fast von der Couch, sah geisterbleich zu Kogoro, der vom Schreckensschrei überrascht selbst von der Zeitung aufsah.

„Was hast du denn auf einmal? Die Kanin-Baugruppe feiert ihr 50-jähriges Bestehen, heute in Hanamigawa. Steht hier in der Zeitung. Ein Problem damit, Conan?“ Skeptisch musterte er die so unrealistische Erscheinung des Jungen. Zum zweiten Mal an diesem einen Tag sah er ihn, wie er ihn noch nie vorher sah. Es waren Emotionen in seinem Antlitz, die der Detektiv so nicht kannte, aber die man auch nicht einfach irgendwo erlernte. 'Als hätte er sie sonst unterdrückt.'

„Äh... nein, ich habe nur... gedacht, du sagtest... die Kamen-Gruppe, die um Kamen-Rider, feierte ein Jubiläum. Da musste ich doch hellhörig werden, Onkel Kogoro!

Aber zeig mal, was steht denn in der Zeitung darüber?“ Ungefragt kam der Junge auf ihn zu gerannt und drängte sich neben ihn.

„Was... eh, lass das, ich les es dir ja vor, aber Finger weg von meiner Zeitung, klar?“

„Äh... ja, entschuldige bitte, Onkel Kogoro.“

„So was...

Also... mal sehen.

Die Kanin-Baugruppe veranstaltet... blabla... blabla.

Ah ja, das ist vielleicht das interessante:

Das Parkgelände von Hanamigawa wurde bereits vor vier Jahren von Kanin um ihren CEO Hideichi Kanin, Sohn des Gründers Furuichi Kanin, erworben und aufwendig zu einem modernen Park samt kleinerer Beschäftigungseinrichtungen restauriert, dessen Zweck es hauptsächlich sein soll, die Familienfreundlichkeit gegenüber den Angestellten zu verbessern. Für diese ist mit Hilfe des Mitarbeiterausweises der kostenlose Zugang zu allen Einrichtungen des Parks gewährleistet, alle anderen Bürger können aber genauso den Park betreten, zahlen aber für sonstige Leistungen. Es wird erwartet, dass das Gelände in Zukunft eine zentrale Grünanlage der Stadt bildet, ähnlich dem Central Park in New York City (USA) . Die heutige Einweihungsfeier, die gleichzeitig die Feier zum runden Geburtstag der Baufirma ist, ist offen für alle interessierten Gäste, die einen ersten Blick auf die Parkanlage werfen wollen. Erwartet werden etwa 100000 Gäste.

Conan starrte mit ernster Miene Löcher in die Zeitung.

'Ergiebig war das ja nicht gerade... Aber immerhin weiß ich jetzt, was mich erwartet.'

„Das ist es, Conan!“

„Was ist... 'es'?“

Mit kräftigem Faustschlag auf den Tisch bekräftigte Kogoro seine freudige Entscheidung.

„Ich fahre mit Ran heute Nachmittag dahin. Dann kann sie sich etwas ablenken, ein wenig Spaß haben, kommt mal etwas raus aus der Innenstadt.

Und wenn sie dann Montag noch gratis ein paar Künstler kennen lernt, weil sie mit kommt zu dem Fall, dann wird ihre Trauer doch bestimmt wie weggeblasen sein!“

„Nein!!!“

Mitten in Kogoros Pläne brach ein noch viel erschreckenderer Laut als eben schon. Und Conans Gesicht in diesem Moment würde er niemals in seinem Leben vergessen.

Todesangst! Kalter Schweiß füllte Conans Gesicht und keine noch so gute Spielerei konnte das verbergen.

„C-Conan? Was... ist mit dir?“

„Also ich meine nur... Ran wird das nicht wollen. Auch wenn es augenscheinlich nichts mit dem Fall auf dem Schiff zu tun hat, es geht um eine große Feier, eine Einweihungsfeier einer großen Firma. Es ist für sie irgendwie... nur eine Wiederholung der Ereignisse von Dienstag und Mittwoch. Etwas... vergleichbares.“ Sein Kopf sank langsam zu Boden. Er stellte zu seiner eigenen Besorgnis fest, dass das wohl nicht mal richtig gelogen war. Es war nicht der Grund für seinen Schrei... aber es beschrieb Ran, so wie er sie einschätzte, ganz gut. Sie würde den Vergleich ziehen. Sich erinnern und noch einmal diese Wunden öffnen, die bei ihr nur so langsam verheilten. Oder übertrieb er mit dieser Vermutung doch? War Ran vielleicht doch so weit darüber hinweg, dass sie nicht direkt daran dachte, und sich einfach freuen konnte?

Er biss die Zähne zusammen, ballte die Hände zu Fäusten. Egal, sie durften dort nicht hin, nicht heute. Nicht mit der Organisation dort.

„Bitte, Onkel Kogoro. Mach es ihr nicht unnötig schwer, indem du sie überhaupt danach fragst, ja?“

Mit dem letzten Wort hob er sein Haupt wieder, stand kerzengerade vor ihm und wartete, ohne sein Gesicht zu verziehen. Kogoros Miene war ebenfalls ernst, nachdenklich. In ihm tobte für einen Augenblick ein Sturm der Unsicherheit. Zu was war dieser Junge... wirklich... fähig?

Dann atmete er einmal tief durch.

„Willst du lieber bei uns mitkommen, als zum Professor zu gehen, Conan?“

„Hä?“

„Komm, gib es schon zu! Dir würde es auch gefallen, dahin zu gehen, aber da du nunmal mit dem Professor verabredet bist und nicht kommen kannst, willst du uns nicht den Spaß alleine gönnen.“

„Was... äh... also... nein... ähm...“ Conan wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Kogoro schien zwar die Lüge zu durchschauen, aber so vollkommen in eine andere Richtung zu denken, dass er seine Strategie völlig überarbeiten müsste, um...

„Schon gut, Conan.“

„Wie... schon gut?“

„War sowieso mehr ein spontaner Gedanke. Ran hat mit ihren Prüfungsvorbereitungen genug zu tun und die gratis-Kunstausstellung am Montag wird ihr genug Erfrischung bringen, hoffe ich zumindest. Wenn du da nicht wieder irgendwelche Faxen machst, klar?“

Er sah ihn schief an, wartete auf ein obligatorisches, wenngleich bei Conan wohl bedeutungsloses Versprechen:

„Aber sicher, Onkel Kogoro, mache ich.“ Plötzlich spürte er ein schwaches, ungutes Kribbeln im Magen. Ein Vorgefühl. Als ob er diesen Montag... vielleicht gar nicht erleben würde... oder den Dienstag danach...
 

Bis zum Mittagessen passierte nichts mehr von Bedeutung. Conan rief vom Badezimmer aus noch einmal Professor Agasa an, verklickerte ihm, wie er gegebenenfalls auf Ran reagieren sollte, sollte sie anrufen, behielt sich aber vor, seinen Aufenthaltsort mit 'bei einem Fall' zu umschreiben.

An den Nudeln, die Ran gekocht hatte, stärkte er sich noch einmal so gut es ging, und verabschiedete sich umgehend danach. Als er gerade zur Tür raus wollte, spürte er, wie er missgünstig beobachtet wurde. Der Blick einer Person brannte unnachgiebig auf seiner Haut.

'Ran... es... es wird bald alles gut. Auf die eine oder andere Weise wird es in ein paar Tagen enden. Versprochen.'

Er wollte sich umdrehen, und ihr noch etwas sagen, fand sie aber merkwürdigerweise beim Abräumen des Tisches vor.

„Ist noch was, Conan?“

„Äh... nein, nur... bis heute Abend, Ran.“

„Lass dich nicht zu lange vom Professor mitschleppen, ja? Und grüß ihn und Ai von mir!“

„Ja klar, mache ich. Tschüss!“

Über die Verwunderung, dass sie ihn scheinbar doch nicht anstarrte, bemerkte Conan tatsächlich nicht, woher der Blick kam.
 

„Sag mal, Ran?“

„Ja, Paps?“

„Wenn der Kleine eh weg ist, und heute scheinbar noch mal ein schöner Spätsommertag wird, können wir doch auch noch was unternehmen.“

„Ich weiß nicht, die Klausuren warten noch... und schwebt dir überhaupt was vor?“

„Ich hab was interessantes in der Zeitung gelesen heute. Ich hatte Conan auch schon gefragt, aber der meinte, seine Verabredung mit Professor Agasa sei wichtiger und deswegen wäre er auch nicht mitgekommen, wenn wir gehen. Aber ich denke, es wird dir gefallen.“

Er lächelte warm und reichte ihr die Zeitung, woraufhin auch seine Tochter während des Lesens langsam im Gesicht zu strahlen anfing.

'Wir werden ja sehen, warum dir das so wichtig war, Conan, dass wir nicht dahin gehen.'

Unerwartete Begegnungen

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zu Kapitel 3 vom ersten großen Zusammentreffen Conan-Noir. Zunächst einmal herzlichen Dank an alle fleißigen Kommischreiber.^_____^

Insbesondere natürlich auch für die Aufklärung an mich, dass es einfach zeitlich gerade nicht ging beim letzten Kapitel. Das beruhigt, glaubt mir. ^////^

Ich hoffe, der kleine 'Vorausblick' auf den kommenden Montag, den ihr ja nun als Rückblick aus Licht und Dunkelheit kennt, hat euch gefallen. Es passte so schön, als kleine Randnotiz für die bevorstehenden Ereignisse und es hilft die Zeitpunkte einzuordnen, meine ich.

Womit wir beim Thema wären... Zeitordnung. *puuh*

Es sind jetzt schon einige Charaktere aufgetreten, in diesem und den nächsten kommen noch welche hinzu, die bedeutsam werden, und der Kanin-Park ist groß. Sehr groß. Kurzum, es gibt viele parallele Ereignisse – wirklich viele, das vierte Kapitel wird nicht umsonst 'Schachfiguren' heißen – und ich haderte ne ganze Weile mit der Erzähl-Reihenfolge. In 90% der Fälle (gaaaaaanz grob geschätzt) sollte alles in dieser Geschichte chronologisch geordnet sein, aber einige wenige Male springe ich trotzdem vor oder zurück, um den Informationsfluss richtig zu steuern. Das soll durchaus dem Verständnis, nicht der Verwirrung dienen.

Was die lange Vorrede soll, ich meine, beim jetzigen immer wieder lesen, ist die zeitliche Entwicklung eigentlich klar zu erkennen – aber ich bin der Autor, ich kenne die zeitliche Entwicklung von vorn herein; kann mich also selber täuschen. Wenn mal diese Reihenfolge zu konfus rüber kommt, scheut euch nicht, es anzusprechen. Womöglich sind alle verwirrt angesichts meiner chaotischen Schreibweise.
 

Ansonsten... ist es etwas merkwürdig. Im Prinzip, wenn man nicht explizit in einer anderen Zeit oder Welt schreibt, so stellt man sich – ich zumindest bei diesem Crossover – die Handlung in der Realität in der heutigen Zeit vor. Quasi als passierte es nun, dieser Tage. Das ist halt komisch, wenn ich dann jetzt von einer freudigen großen Eröffnungsfeier in Tokio schreibe, bei der aktuellen Entwicklungen dort. Dazu will ich gar nicht groß Stellung beziehen, wollte nur mal anmerken, dass mir die Kapitel beim Korrekturlesen in den letzten Tagen plötzlich unter diesem Aspekt deplatziert wirkten. Vielleicht bin ich damit ja nicht ganz allein.
 

Nun gut, genug (oder viel zu viel, wenn ich hoch gucke) gelabert, euch trotzdem viel Spaß beim Lesen und bis bald.

LG, Diracdet
 


 


 

Kapitel 3: Unerwartete Begegnungen
 

Wie an jedem Sonnabend waren auch diesmal wieder die Züge in und um Tokio um die Mittagszeit relativ voll. Kein Vergleich zur Rush Hour der Arbeitstage, aber alle, die nicht nur genau dieser Alltags-Hektik aus dem Weg gehen, sondern lediglich den sonnigen Tag außer Haus verbringen wollten, suchten die öffentlichen und privaten Verkehrsmittel jetzt in schöner Regelmäßigkeit auf. Ein kleiner Junge wie Conan ging in der Menge unter, was ihm momentan ganz recht war.

'Und nachher im Park wird es bei so einer Feier mit hunderttausend Gästen nicht anders sein. Also alle Freiheiten, mich um die Organisation zu kümmern.' Mit dieser Sicherheit widmete er sich erneut seinen Überlegungen zu Noir und fügte sich in die Menschenschwälle, ließ sich treiben von ihnen, bis sich ihm einen einzelner freier Platz am Fenster bot. Unwissend, dass er längst von durchdringenden Augen beobachtet wurde, wurde er gefährlich nachlässig. Selbst sein sechster Sinn ließ ihn hierbei im Stich, oder besser, er wurde ganz und gar von seinem Unterbewusstsein ausgeblendet, um sich seinen Gedanken widmen zu können.

'Sieh an... sieh an... Shinichi Kudo.'
 

Ebenfalls um diese Zeit begann der offizielle Teil der Eröffnung des Kanin-Parks, nachdem die betrieblich-interne und etwas seriöser gehaltene Jubiläumsfeier dem Vormittag geschuldet gewesen war. Das rege Treiben der mehreren tausend Mitarbeiter, die samt Familien erschienen waren, wurde nun allmählich noch verstärkt durch Schaulustige und neugierige Tokioter, die sich auf dem weitläufigen Streifen Flora verteilten und eine gleichmäßige, aber wegen der Größe meistens nicht gedrängt wirkende Masse bildeten.

Am Haupteingang konzentrierte sich der Strom schließlich, wurde zähflüssig. Einige Ordnungskräfte der Polizei wie auch der erweiterte Sicherheitsdienst der Kanin-Gruppe bemühten sich, mehr oder weniger erfolgreich, die Menge kontrolliert und zwanglos auf die Fläche zu verteilen. Fast durchgängig wurden dort die Taschen der Leute überprüft, ohne dass irgendjemand bis jetzt etwas zu vermelden hatte. Allmählich ließ dann auch das Nachkommen weiterer Besucher nach und diese Kontrollen ebbten ab.
 

„Hm... wie sicher sich der Mensch doch in der Masse fühlt, wenn er ihr folgt. Vertrauend, dass er dann entweder richtig handele, weil die Mehrheit schon wüsste, was richtig sei... oder überzeugt, dass, sollte sie doch falsch liegen, dieser Fehler nicht allein auf ihn zurückfallen könne. Schon gar nicht, weil er nie über das Problem nachgedacht hatte.“

„Mhm.“

Seufzend sah Chianti vom Objektiv ihres Gewehrs auf.

Seit dreißig Minuten beobachteten sie das Treiben am Eingang aus der sicheren Ferne eines Hochhauses in der Nähe des Parks, visierten die einzelnen Personen an, als wären sie die Zielscheiben, und warteten.

„Du bist wie immer sehr gesprächig, Korn.“

„Ich weiß, was du meinst, Chianti. Ich stimmte dir nur zu.“

„Wobei?“ Nun sah auch er kurz auf, blickte sie an, während sie ihren leicht steif gewordenen Hals zu richten versuchte.

„Der Mensch ist an Entscheidungen zum Handeln gebunden, aber unfähig welche zu treffen, also bevorzugt er es, sie anderen zu überlassen... ergo, sind es die die handeln, die den Lauf der Welt beeinflussen...“

Er schwieg eine Weile verzog keine Miene und doch sah sie ihm an, dass er nachdachte, bis

„...Aber das bestimmt noch nicht, wie der Lauf der Welt ist.“

„Sondern?“

„Es bleibt am Ende dabei, dass unsere Taten das einzige sind, was man als Mensch bewerten kann. Und unsere Taten können auch von Dummheit motiviert sein. Dann sind sie... vielleicht schlimmer, als die Untätigkeit.

... Vielleicht.“ Noch etwa drei Sekunden blickte er sinnend ins Nichts, und widmete sich dann wieder der Menge am Parkeingang.

„Vergiss, was ich gesagt habe und bleib so... 'gesprächig', wie sonst. Wenn du philosophisch wirst, bist du mir unheimlich.“ Genervt starrte sie zur Seite, blickte in Richtung der großen Tribüne, auf der gerade Geschäftsführer Hideichi Kanin seine Begrüßungsrede an die Parkgäste hielt.

„Bald bist du fällig, Kanin... bald.“

„Noch nicht.“, kam es monoton von der Seite.

„Ich weiß, verdammt nochmal! Selbst wenn die Kontrollen nachlassen, wir kommen so eh nicht rein, oder laufen quasi offen ins Messer. Wir sind den Plan ja beileibe nicht nur einmal durchgegangen.“

Sie räusperte sich, ließ etwas Dampf ab und setzte sich dann auch wieder ans Objektiv.

„Ameisen... nichts als Ameisen!“
 

„Was zum...“

„Hm...?“ Chianti blickte verwundert auf, sah ihren Kollegen leicht verfärbt von der Linse zurückweichen.

„Nein...“

„Was?“

„Das kann doch nicht... sein.“

„Was denn, Korn?!“

Ganz kurz schüttelte er den Kopf, eine Bewegung, die Chianti noch nie von ihm sah, dann blickte er wieder hindurch.

„Wo... wo ist sie?“

„Wo ist wer? Verdammt, sag endlich was!“ Aber Korn suchte noch einige Sekunden verzweifelt nach der Ursache seiner Verstimmung, ohne fündig zu werden.

„Hast du eben auch eine Europäerin am Eingang gesehen? Blondes, schulterlanges Haar, blaue Augen, etwa einen Meter siebzig groß, um die 22 Jahre?“

„Bei der Menschenmasse einen einzelnen Menschen bemerken, nachdem ich nicht suche? Ja, da waren ein paar blonde Frauen zwischendrin dabei, vielleicht eine junge, europäisch wirkende, aber das kann ich definitiv nicht mit Sicherheit sagen. Aber jetzt sehe ich keine, und du scheinbar ja auch nicht.“

Stirnrunzelnd blickte er auf.

„Nicht mehr...“

„War das wer... den man kennen müsste? Oder siehst du schon Gespenster?“

Wie ein kurzer Blitz zeigte sich ein Lächeln für den Bruchteil einer Sekunde auf seinen Lippen, verschwand danach aber sofort wieder hinter seiner scheinbar gleichgültigen, emotionslosen Miene, die von der Sonnenbrille gekrönt wurde.

„Ja..., ja das trifft es wohl. Ich hab... wohl einen Geist gesehen.“

„Drückst du dich nochmal genauer aus, oder war es das jetzt?“

„Das war es jetzt... vorläufig.“ Er konnte keinen Satz beenden, ohne sich dessen Aussage absolut sicher zu sein, dass sie so nie an Gültigkeit verlor.

„Vorläufig? Heißt das... dieser... 'Geist' stellt eine Gefahr für unseren Auftrag dar?“

„Ich sagte es doch eben schon. Unsere Taten könnten auch von Dummheit motiviert sein, von dem Drang zu handeln, ohne der Fähigkeit, die Situation richtig einzuschätzen. Und dann könnte es schlimmer enden, als wenn man die Dinge sich selbst überlässt.“

Sie starrte ihn eine Weile unbefriedigt an, aber er äußerte sich nicht weiter, sondern beobachtete, als wäre nichts geschehen, weiter die Leute.

'Wäre das wirklich möglich... dass du immer noch am Leben bist... Mireille?'
 

Stur fixierte Conans Blick die Wolkenkratzer Tokios durch das Zugfenster; um ihn herum nahm er von der ganzen Menschenmenge nichts mehr wahr.

'Na gut, lassen wir die Frage zur Geschichte von Noir, und warum sie mit den Soldats zusammenarbeiten, mal außen vor, was hat es mit dem Brief an sich auf sich? Sie will sich mit mir treffen, schön. Sie will ein Vieraugengespräch, ungestört, inoffiziell, OK.

Und das mit den Männern in Schwarz...', er schmunzelte etwas deprimiert, erkennend, wie auch gleich die Erkenntnis bereuend.

'...war dann wohl der Köder, damit ich auch wirklich anbeiße, und komme. Super, Shinichi, wieder mal sehr scharfsinnig kombiniert. Nur zu spät.' Er seufzte laut, lehnte sich etwas zurück.

'Nun gut, in dem Fall... muss man die Frage wohl anders herum formulieren...'

Er merkte nicht, wie sein innerer Monolog – getrieben von dem Adrenalin beim Gedanken an die Organisation und Noir – kräftiger wurde, und schließlich in einer hörbar ausgesprochenen, wenn auch im Rausch des allgemeinen Zuglärms untergehenden Frage mündete:

„Was hat die Kanin-Geschäftsgruppe mit der Schwarzen Organisation zu tun?“
 

„Vielleicht besitzt diese Firma confidential information über sie.“

Erschrocken blickte er auf. So in Gedanken versunken, bemerkte er nicht mal mehr, wie hinter ihm auf einer Vierer-Sitz-Kombination drei wohl bekannte Gestalten Platz genommen hatten.

„Miss... Jodie? Shuichi Akai... James Black?“

„Good afternoon, Mr. Holmes. It has been quite a while, hasn't it?“ Der alte FBI-Agent lächelte sanft und erfreut, registrierte die immer noch ungebrochene, in sich gekehrte Natur des Jungen leicht amüsiert, und bot ihm den letzten freien Platz neben Jodie an. Conan nahm erst zögerlich, dann dankend an, bevor er seine zentrale Frage aussprach.

„Was... was machen Sie hier?“

„Tendenziell... nein, nach deiner Frage zu urteilen – die du übrigens nicht so laut im Zug stellen solltest – definitiv, würde ich sagen, das gleiche wie du.“ Akais Miene verzog sich während des ganzen Satzes keinen Millimeter, hielt die Anspannung, die alle inne hatten, fest. Sein Blick haftete fest auf Conans Augen.

„Wir suchen, wie du, die Organisation, und wie du, erwarten wir sie heute bei der Einweihungsfeier des 'Kanin-Parks' zum 50. Jubiläum des Bestehens der Kanin-Gruppe.“

„Aber woher wissen Sie, dass die Organisation da sein wird?“, brach es aus dem Jungen gleich heraus. Noch während er den Satz beendete, biss er sich dafür auf die Zunge, eine sehr unliebsame Frage damit zu provozieren.

„Na von Rena Mizunashi natürlich, Cool Kid.“, konterte Jodie überlegen.

„Was?“, Er zügelte sich, drosselte endlich seine Stimme und seinen Puls etwas nach unten, und begann mit gedämpfter Stimme.

„Sie meinen... Kir? Hatte sie Sie etwa angerufen und etwas von dieser Feier gesagt?“ Die fragenden, bohrenden Blicke der drei FBI-Agenten, die er dafür erhielt, ließen ihn verstummen. Letztlich gab James Black in bewusst ruhigem Ton eine Erklärung.

„Nein, Kir selbst kann uns nur noch sehr selten anrufen, da sie praktisch ständig beschattet wird und vermutlich alle Mobiltelefone, die sie von der Organisation bekommt, wie auch die üblichen Privatanschlüsse, zu denen sie im Alltag Zugang hat, abgehört werden. Sie müsste also schon einen außergewöhnlichen Anruf von irgendeiner öffentlichen Telefonzelle tätigen, was bedeutet, von ihrem Alltagstrott auffällig abzuweichen, um uns so kontaktieren zu können. Daher kann sie praktisch keine Verbindung zu uns bekommen, zumindest nicht so.“

„Aber wie hat sie dann...“

„We live in the age of information, Mr. Holmes. Da die Organisation weiß, dass wir Kir, wie auch Vermouth als ihre Mitglieder kennen, haben wir die Option ihre Aktivitäten, im Rahmen der hiesigen Gesetze zu überwachen, ohne, dass sie aufmerksam werden. Wir würden uns eher verdächtig machen und sie in Gefahr bringen, täten wir es nicht. Und da wir keine Beweise für eine Festnahme haben, ist die Organisation so auch einigermaßen überzeugt, dass wir auf eine Möglichkeit warten, sie zu überführen.“

„Ein durchaus gefährliches Spiel, dass Sie da spielen.“, stellte er als kleinen Seitenhieb fest.

„Definitely. Aber es war ihre Entscheidung, und genau wie bei Vermouth scheint die Organisation damit leben zu können, solange sie nicht nachweislich eines Verbrechens überführt wird.“

Er nickte nachdenklich. Die Argumentation des Agenten war, im Rahmen von Conans Wissen, wohl korrekt. Sowohl Chris Vineyard, als auch Akemi und Shiho Miyano waren dem FBI deutlich früher als Rena Mizunashi bekannt, schienen aber keinerlei Verlust in ihrer Position in der Organisation zu erleiden. Pisco hingegen, der seit über 20 Jahren ein treues und angesehenes Mitglied war, wurde eiskalt fallen gelassen in dem Moment, als das Foto im Netz erschien, welches ihn eindeutig als Mörder des Politikers Nomiguchi überführte. Und Nomiguchi selbst wurde ja auch nur getötet, weil seine Verbindungen zur Organisation Gefahr liefen aufgedeckt zu werden.

„So konnten wir alle Sendungen und Kommentare von und zu ihr auf Niurichi-TV verfolgen, sowie eben sie beschatten im Privatleben. Dafür ist sie allerdings auch nur dann tiefer in die Aktionen der Organisation eingebunden, wenn uns diese Informationen nicht essentiell helfen konnten.“

„Bei unseren Ermittlungen stießen wir dann auf der Internetseite von Niurichie-TV vor zwei Wochen auf eine interessante Ankündigung in der Planung.“, setzte Jodie für ihren Chef fort.

„Wie dir bekannt sein dürfte, ist Rena Mizunashi eine der zwei beliebtesten und deswegen auch angesehensten Reporter bei Niurichie-TV. Eine echte Anchorwoman sozusagen“

„Mhm, die andere ist ebenfalls eine Frau, Nasuya Hinaba, nicht wahr? Normalerweise werden beide seit Jahren nur auf Top-Storys angesetzt, und angeblich gibt es hinter den Kulissen sogar ein Wetteifern, wer die besten Reportagen liefert.“

„Exactly. Und in dieser Woche gibt es ja auch genau zwei wesentliche Themen im Raum Tokio.

Zwei große, öffentliche Firmen-Feiern. Das 50. Jubiläum der Kanin-Gruppe und...“

„...die Jungfernfahrt der Ocean Goddess!“ Es fiel Conan wie Schuppen von den Augen.

„Ja, da war Frau Hinaba, ich hatte sie zwischenzeitlich kurz gesehen auf dem Schiff!“

„Und so war es auch geplant, laut Niurichie-TV. Dennoch, genau das verwunderte die Fans von Rena Mizunashi. Die Jungfernfahrt der Ocean Goddess galt als das bedeutsamere Ereignis und Rena Mizunashi ist trotz des angeblichen Wettstreits bei den Zuschauern und den Produzenten des Senders die klare Nummer eins. Man hatte also erwartet, dass sie auf der Ocean Goddess sein würde, und Frau Hinaba die Einweihung des Kanin-Parks übernahm.“

„Verstehe, völlig überraschend war die Besetzung der Reporter gegenüber den Erwartungen genau vertauscht worden.“

„Mhm. Es gab auf die unvermeidliche Anfrage vieler Zuschauer die offizielle Stellungnahme, dass Frau Mizunashi nach ihrer kreativen Pause noch nicht wieder völlig auf der Höhe sei und daher freiwillig den Platz für Frau Hanabi räumte.“

„Was aber wenig Sinn macht, weil wir wissen, dass sie keine kreative Pause brauchte, sondern solange bei uns war, bis die Organisation sie befreite.“, ergänzte nun Akai seine Kollegin.

„Außerdem, wenn man ihre letzten Sendungen und Reportagen verfolgte, wurde klar, dass sie absolut 'auf der Höhe' ist.“

„Ergo, schlossen Sie, dass sie deswegen die Ocean Goddess Reportage ablehnte, um bei der scheinbar weniger bedeutsamen Veranstaltung dabei zu sein, die aber auch zufällig Schauplatz einer Aktion der Organisation ist.“

„Genau so.“, schloss Jodie ab, woraufhin Conan in Gedanken versank.

„Das ist aber auch nicht so einfach gesagt. Wenn die Organisation weiß, dass Sie Kir beschatten, können sie das doch auch nutzen, und sie zu Veranstaltungen schicken, um dann selbst bei den anderen aufzutauchen. Das wäre dann ein gelungenes Ablenkungsmanöver.“

„Right, and we are certainly aware of that risk. Aber es gibt mehrere Gründe, die dagegen sprechen. Zum einen würde Kir dann nur noch als Lockvogel fungieren, wir nach kurzer Zeit das herausfinden und unser Interesse an ihr verlieren. Dann wäre sie wertlos für die Organisation. Diesen Gedankengang müssen sie auch haben. In dem Fall hätten sie sie längst getötet. Dass sie noch lebt ist der Nachweis, dass die Organisation sie und ihre Fähigkeiten noch braucht.“

„Es könnte trotzdem als Ablenkung dienen, selbst dauerhaft, wenn sie sie erpressten.“

„Nun der zweite Punkt ist eine der essentiellen Fähigkeiten, über die sie als leitende Reporterin verfügt. Sie befähigt das Kamerateam und kann dafür Sorge tragen, was letztlich auf Film gebannt wird und seinen Weg in die Fernsehgeräte findet. Und was eben nicht.“

„Das heißt, sie könnte ablenken von der Organisation und damit ein entscheidender Faktor für die Geheimhaltung bei großen Aktionen sein. Schön und gut, aber was wenn die Organisation ihre Treue anzweifelt? Immerhin kann sie so auch die Männer in Schwaz ohne weiteres auffliegen lassen, wenn sie die Kameras stattdessen in die richtige Richtung lenkt.“

„Du kleiner Schlauberger, du. Es gab einige Ereignisse, so weit wir es zurück verfolgen konnten, in letzter Zeit, bei denen ihre Loyalität zur Organisation getestet wurde und sie hat sie alle bestanden. Vorläufig sollten sie überzeugt sein. Ein anderer Punkt, der nebenbei gegen die Ablenkung steht ist, dass sie mit Kir in jedem Fall einen Agenten mehr vor Ort haben, der ihnen helfen kann. Das ist stets besser, als einen weniger.“

„Wenn sie ihr vertrauen. Gibt es noch weitere Gründe?“

„Ja, etwas, das explizit die Ocean Goddess unrealistisch machte. Das war eine geschlossene Veranstaltung, bei der von Herrn Tanahi persönlich die Gästeliste erstellt wurde, während hier eine öffentliche Veranstaltung stattfindet. Für die Organisation wäre es schwer gewesen, für uns aber praktisch unmöglich, an Bord dieses Schiffes zu kommen. Eigentlich würde ich dir, mein Junge, ja gratulieren zu dieser Ehre, aber nach den Ereignissen dort ist das wohl unangebracht.“ Der alte Mann blickte tief in die Augen Conans, bemerkte, dass das Thema ihn mehr traf, als er offen bereit war zuzugeben. Deutlich lenkte er weg von der Frage.

„Wäre aber auch eine gute Gelegenheit, wenn die Organisation es auf die Liste schaffte, von Ihnen ungestört zu arbeiten. Auch wenn es umgekehrt hieße, es gäbe keinen Grund, Kir auf die andere Feier zu schicken. Aber ganz sicher ist das immer noch nicht. Haben Sie noch ein triftigeres Argument?“ Er sah in das Gesicht Blacks, der eine Weile sinnierte, dann aber lächelte und sich nach hinten lehnte, die Hände vor sich auf dem Tisch gefaltet.

„Very simple. Rena Mizunashi ist gestern von ihrer Wohnung in einem Porsche 356A abgeholt worden, ist irgendwohin in den Wald gefahren und kam erst spät Abends wieder zurück.“

„Gin!“

„Das scheint dich dann auch zu überzeugen, was?“, schmunzelte die Agentin mit schiefgelegtem Kopf von der Seite. Conan nickte zögernd zur Bestätigung.

„Aber... dann hieße das doch trotzdem, dass die Organisation das FBI gewissermaßen erwartet, oder?“

„Davon müssen wir ausgehen.“, nickte sie zustimmend.

„Aber das ändert die Situation in so einem Fall nicht wirklich. Bedenke, es ist eine öffentliche Veranstaltung. Weder die Organisation noch wir können uns dort frei bewegen. Deswegen sind wir auch nur zu dritt hier.“

„Die Organisation setzt darauf, ihre Existenz geheim zu halten, ihre Spuren zu verwischen. In den meisten Fällen, wie du es sicher selbst mittlerweile erfahren hast, liegt am Ende ihrer Taten offiziell nicht ein Verbrechen mit unbekanntem Täter vor, sondern eher eine Reihe loser unzusammenhängender Fäden, die einen zweifeln lassen, ob es überhaupt ein Verbrechen gab.“ Agent Black räsuperte sich kurz, richtete seine Brille, ließ seine ruhigen Augen aus dem Fenster gleiten, bevor er fortsetzte.

„Ein solch öffentlicher Termin ist gleichzeitig ideal und gefährlich dafür. Ideal, weil die Menge an Menschen ein kontrolliertes Erfassen aller Ereignisse unmöglich macht. Tumulte, individuelles Verhalten, alles kann genutzt werden, um die eigentlichen Spuren verschwinden zu lassen. Gefährlich andererseits, weil die vielen individuellen Menschen einzeln auch von ihnen nicht gesteuert werden können. Lediglich das kollektive Verhalten. Da kann sehr leicht jemandem mal ein gut getarnter Scharfschütze auffallen, weil dieser auch nicht alles und jeden im Blick hat. In der Abwiegung von Vor- und Nachteilen scheinen sie aber zu Gunsten der Vorteile dieser Methode entschieden zu haben.

Nun... und wir sind hier... in Japan ja auch nicht viel mehr als eine geheime Gruppe, deren Aktivitäten nicht unbedingt... zu bekannt werden sollten.“

„Sie haben hier keine Berechtigung Verhaftungen vorzunehmen, schon klar.“, nickte der Junge zustimmend.

„Aber es gilt natürlich die allgemeine Dienstpflicht. Wenn wir sie inflagranti bei einem Verbrechen erwischen, können wir sie bedenkenlos festnehmen und an die japanischen Behörden übergeben.“

„So wie damals im Tropical Land bei Wodka.“

„Yes.“
 

„Dann dürfen wir jetzt aber auch fragen...“, begann daraufhin Shuichi Akai neugierig,

„...wie du, der du ja offenbar bis eben nichts von Rena Mizunashis Auftritt bei dem Jubiläum heute wusstest, von der Anwesenheit der Organisation etwas ahnen kannst?“

Da war sie, die provozierte, unliebsame Frage, die Conan eigentlich vermeiden wollte. Er schluckte kurz, hatte sich bis jetzt noch gar keine sinnvolle Antwort überlegt. Die Wahrheit kam auf gar keinen Fall in Frage. Noir war ein viel zu unberechenbarer Faktor in diesem Kalkül.

„Also...“

„Schon klar.“ Alle schauten verdutzt zu Jodie, die etwas gereizt, aber auch deprimiert aus dem Fenster starrte, das Kinn auf den Arm gestützt.

„Vermouth hat es dir verraten, nicht wahr?“

„... was?“

„Tu nicht so, auch wenn wir von Kirs Plänen informiert waren, haben wir die Jungfernfahrt der Ocean Goddess am Fernseher verfolgt. Und als Ran Moris Lehrerin habe ich über die Ereignisse ein wenig was erfahren. Es war zwar nur ein... Zufall, dass Chris Vineyard da war, aber letztlich hattest du eine gewisse Zeit, mit ihr zu sprechen. Und danach verschwand sie einfach...“

„Äh... ja.... ja, so war es. Sie hatte mir dabei, unfreiwillig einen Hinweis auf diese Einweihungsfeier gegeben.“ Akais Blick verriet ihm sofort, dass er ihm nicht glaubte; er blieb jedoch still. Ein leiser Seufzer verließ Jodies Kehle.

„Hat dir diese Frau vielleicht sonst noch etwas wichtiges erzählt? Informationen zur Organisation... oder... zu sich...?“ Worauf diese Frage abzielte, war auch jedem anderen am Tisch klar. Conan senkte seinen Blick.

„Nein... Nein, nichts weiter.“

Er durfte es nicht, er durfte es jetzt einfach nicht tun. Ja, er konnte ihr sagen, warum Sharon Vineyard ihre Eltern getötet hatte, es genau rekonstruieren. Nichts anderes hatte er auf dem Schiff getan. Aber wenn das FBI – und insbesondere Agent Starling – wüsste, was er wusste, würden sie vermutlich genug Hinweise haben um die Spuren in den USA zurück zu verfolgen. Und dann würde auch dieser Faden von der Organisation reißen. Das durfte einfach nicht geschehen, wenn er jemals eine Chance haben wollte, die Männer in Schwarz zu überführen und sein altes Ich wieder zu bekommen. Es gab zu wenig Fäden, denen er wirklich vertraute. Fäden, die noch nicht gerissen waren, oder von der Organisation gekappt. Er musste sie zusammenhalten. Unbedingt.

'Außerdem... ist da noch etwas. Sharon Vineyards Rolle in diesem Fall ist noch nicht beendet... wahrscheinlich...' Sein Blick wanderte nun doch zurück zu Akai, der ihn weiter skeptisch musterte. 'Wahrscheinlich ist da noch mehr in ihrer Vergangenheit, was ich noch nicht weiß... was vielleicht auch sie selbst nicht mal weiß.'

Nun seufzte Jodie etwas lauter, blies den Atem lange gegen die Fensterscheibe, schloss die Augen, als müsste sie nachdenken, und öffnete sie dann langsam wieder.

„Und darüber, was die Organisation nun letztlich da will, weißt du also auch nicht mehr, was?“

Die Frage war rhetorisch, schließlich hatte er selbst anfangs zugegeben, keinerlei Vorstellung von einem Zusammenhang Kanin-Gesellschaft – Organisation zu haben.

„Ähm... nein, ich habe nur diesen Termin, wirklich. Aber sie sagten vorhin etwas von... geheimen Informationen?“

James Black nickte ruhig.

„Die Kanin-Baugruppe ist nicht einfach nur die größte Baufirma in Japan, spezialisiert auf de facto alle Gebäude-Typen, von Einfamilien-Häusern, über Fabriken, Firmengelände, Einkaufszentren, bis hin zu Hochhäusern – und natürlich auf die Erdbeben-sichere Bauweise – sie haben sich über die letzten 30 Jahre damit auch den Status der Nummer-1 Baufirma für die Japanische Regierung erarbeitet.“

„Mhm... davon habe ich gehört, sie haben viele Verträge für politische und öffentliche Einrichtungen mit dem Staat.“

„Unter anderem haben sie auch das aktuelle Polizei-Hauptquartier von Tokio gebaut und die Zentrale des japanischen Geheimdienstes, des...“

„... Naicho?“ Mr. Blacks Augenbrauen zuckten nur kurz, wirklich überrascht war er nicht.

„Das heißt, sie haben die essentiellen, geheimen Baupläne, die es der Organisation ermöglichen würden, gezielte Anschläge auf diese Einrichtungen zu verüben.“, folgerte Conan nachdenklich.

„Das denken wir auch. Wobei wir nicht wissen, ob es nun so ist, dass sie Kanin erpressen wollen, um an diese Daten zu kommen, oder ob er sie ihnen bereits gab und jetzt droht, damit an die Öffentlichkeit zu gehen oder noch einige andere Szenarien. Lediglich, dass es an sich um diese Daten geht, scheint uns das naheliegendste, was eine Aktion auf der Feier heute rechtfertigen würde.“

„Tendenziell würde ich sagen, Kanin will an die Öffentlichkeit.“, kommentierte Akai kalt.

„Hä, wieso?“

„Weil ja auch die Organisation eigene Gebäude hat, die sie gut kennen und schützen müssen. Angeblich stillgelegte Fabriken, Firmenkomplexe, Parkhäuser, was man eben so braucht. Eigentlich müssten sie Kanin schon länger kennen und seine Informationen anzapfen, mit oder ohne sein Wissen. Ansonsten suchen sie Nadeln im Heuhaufen, wenn sie mal was neues brauchen. Das wäre, wie eine Internetseite zu einem Thema finden zu wollen, ohne eine Suchmaschine dafür zu benutzen.“

„Und es geht ein Gerücht um, dass Hideichi Kanin größere Ambitionen hat...“, fügte Jodie nachdenklich hinzu.

„Ambitionen?“

„Viele meinen, diese Jubiläumsfeier sei ein Auftakt für eine große Kampagne, die er plane. Manche meinen, er wolle in die Politik, manche er will interkontinental expandieren... neue Märkte erschließen... das meiste klingt wie heiße Luft. Dennoch, einig ist man sich, dass dieser Park ein Image-Projekt aus Kanins eigenem Kopf ist.“

„Das heißt also... dass wir zunächst Kanin beschatten.“

„Wir?“, musterten ihn alle drei skeptisch.

„Äh, ich meine Sie... und ich... ich werde...“

„Wie wäre es, wenn du einfach nach Hause fährst und uns die Arbeit überlässt, nur mal so zur Abwechslung?“ Der alte Mann verschränkte drohend die Arme vor dem Körper. Akai beobachtete leicht amüsiert die Szene ein paar Sekunden, seufzte dann.

„Wir können es ihm eh sagen und er wird sich nicht dran halten, Chef. Also, zwei Dinge: erstens, die Organisation wird auf uns warten. Das heißt, du darfst nicht mit uns gesehen werden. Wir gehen getrennt rein. Zweitens, sobald du irgendwas verdächtiges bemerkst, rufst du Agent Starling an, ist das klar, Kleiner?“ Er wusste zu genau, wie sehr Conan dieses Wort auf die Nerven fallen musste. Aber es war der warnende Hinweis, worauf er sich einließ. Sie liefen ins Ungewisse, hatten keine wirkliche Ahnung und er war im Körper eines kleinen Kindes gefangen.

Wütend sah er ihm in die Augen, musterte seine Gedanken dahinter, konnte sie direkt ahnen. 'Das ist der Preis dafür, dass ich geschwiegen habe, als du uns wegen deiner Informationsquelle angelogen hast, Kudo!'

Schließlich nickte er, gespielt einverstanden.

„Ja, ist gut so, ich werde mich dran halten.“
 

Eine ganze Weile waren sie schon am Eingang zum Park vorbei, als Mireille sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Gegen einen Baum gestützt musste sie sich das Zwerchfell halten.

„Hahahaha. Hast... hast du Korns Gesicht bemerkt, als er mich im Fernglas erblickte? Zum totlachen! Hahahaha.“

„Nun einen Gesichtsausdruck auf die Entfernung ausmachen, war wohl nicht wirklich drinne, aber man sah doch, wie ihm etwas das Blut aus dem Kopf verschwand.“

„Das reicht doch. Der Kerl ist sonst so ruhig und von nichts aus der Fassung zu bringen... ein richtiger Langweiler.“

„Deswegen hattest du nie von ihm erzählt, oder?“ Mireille beruhigte sich etwas, dann gingen sie langsam weiter.

„Ich bin ihm nur einmal begegnet, und da war mein Eindruck genau der gleiche wie jetzt. Ein sehr guter Scharfschütze aber keinerlei Sinn für Humor. Da fand ich es wohl einfach nicht relevant genug.“

„Ist er so gut?“ Sie überlegte kurz, wog, ihren Kopf hin und her wippend, ab.

„Ziemlich, aber wohl auch nicht viel besser als ich, als du und ich uns das erste Mal trafen.“ Kirika nickte kurz, schien das in ihrem Kopf zu bewerten und dann abzuspeichern.

„Und Chianti soll offiziell noch schlechter sein, allerdings sind wir ihr in real nie begegnet.“, komplettierte sie dann selbst ihre Informationen.

„Ich denke, wir können den Angaben, die wir haben vertrauen.

Außerdem, die Tatsache, dass sie gestern noch für den geplanten Zielschuss heute üben musste, spricht Bände.“

„Mhm. Keine Gefahr also.“
 

„Entschuldigung, meine Damen?“ Verwundert drehten sie sich auf der Stelle um. Vor ihnen baute sich ein junger, leicht untersetzter, und etwas aus der Puste wirkender Polizist mit Umhängetasche auf und hielt sich verlegen den Hinterkopf.

„Dürfte ich bitte Ihre Tasche sehen? Sicherheitskontrolle, es geht auch ganz schnell.“

Mireille musterte ihn kritisch, lächelte dann aber und reichte ihm ihre Handtasche.

„Aber natürlich, Herr Wachtmeister.“

Der kramte unbestimmt etwas umher, zählte redend ein paar Kosmetika und ein Portemonnaie auf, bevor er bei einer kleinen Schachtel verwundert hängen blieb.

„Nur ein kleines Geschenk, das ich für einen Freund besorgt habe, den ich hier treffen will.“

„Ach so, na dann.“ Er lächelte verständnisvoll, und gab ihr die Tasche zurück. Sie wollte sich gerade umdrehen, als er plötzlich noch meinte,

„Aber da fehlt etwas, oder nicht?“ Kirika musste kurz mit den Augenbrauen zucken, aber Mireille hatte es schon geahnt.

„Ihre Tarnung ist etwas schlampig, Herr Wachtmeister. Wenn Sie so angelaufen kommen, würde ich als Ihr Kollege schon hellhörig werden.“ Der Mann verzog einen Moment erschrocken seine Miene.

„Das sagen Sie so leicht. Ich muss schließlich hier Ihre Pakete transportieren.“

Er öffnete seine Tasche und fischte behände zwei braune Kuverts heraus die Sichtbar einige kleine, etwas dickere Objekte beinhalteten.

„Das müssen Sie ja nun nicht mehr. Aber nur als Polizist kann man hier drinne so leicht eine Waffe tragen, oder?“ Mireille und Kirika nahmen ihre jeweiligen Umschläge und steckten ihn in ihre Jackentasche.

„Und damit ist Ihr Auftrag schon erledigt, Monsieur Hasewa.“ Er guckte ängstlich, sah sich kurz um.

„Sicher? Brauchen Sie diese Waffen denn ausgerechnet heute? Ich hatte eigentlich gehofft, das würde ein ruhiger Tag werden und...“

„Nanana, was ist denn aus 'all Zeit bereit' geworden?“ Sie legte ihm bedächtig eine Hand auf die Schultern.

„Machen Sie jetzt einfach Ihren Job weiter und im Idealfall wird sich alles regeln, ohne dass Sie viel zu tun bekommen.“

Ungläubig, aber auch scheinbar hilflos machte er sich schließlich davon. Mireille schüttelte bedächtig den Kopf, als sie der traurigen Gestalt fast mitleidig hinterher blickte.

„Die Polizei ist auch nicht mehr das, was sie mal war.“

„Naja, immerhin hat ein junger, aufstrebender Polizist zwei Pistolen auf eine öffentlichen Veranstaltung mit 100000 Menschen geschmuggelt und sie gerade zwei Attentätern übergeben.“

„Auch wahr... aber was Polizisten bewegt, sich den Soldats anzuschließen, bleibt mir eh schleierhaft. Ich dachte, das hat was mit einem Bewusstsein für das Gute zu tun...

Nun gut, es ist noch etwas Zeit. Da vorne ist ein Café, wollen wir das mal ausprobieren?“

„Gerne, es ist eh schon Nachmittags und ich hätte jetzt Lust auf ein Stück Kuchen.“

„Wusste ich doch!“, grinste sie erkennend.

Auf dem Weg zum Café vibrierte Mireilles Handy, zeigte eine SMS an, welche sie beim Hinsetzen schmunzelnd las. Sieh an, er ist da. Und rate mal wer noch da ist... das FBI.“

Kirika sah ungerührt von ihrem Platz auf, starrte etwas in den Himmel.

„Könnte das ein Problem werden? Ich meine wegen des Jungen.“

„Nein, ich denke nicht. Es gibt nur eine Person, die dabei ein Problem bedeuten könnte. Dennoch, mit Shuichi Akai und Gin in diesem Park... könnte das ganze richtig amüsant werden. Mal sehen, wie lange Conan braucht, um das Spiel zu durchschauen.“
 

„Sie sind ja ganz schön aus der Puste, Hasewa. Sind Sie zu viel hin und hergelaufen, nach verdächtigen Besuchern Ausschau halten?“ Der Polizist erschrak, als er seinen Vorgesetzten plötzlich unerwartet im Nacken spürte.

„K-Kommissar Shiratori?“

„Ja?“

„Also, äh, nein... ich meine, ja, ich habe immer wieder Querbeet die Gäste beobachtet, aber noch nichts gefunden. Und äh... ja, es ist anstrengend, aber ich schaffe das.“

„Gut, sonst muss ich Sie zum Eingang zurück schicken und mit einem der dortigen Leute austauschen. Das war ja eh geplant, aber Sie wollten unbedingt im Park kontrollieren, nicht wahr?“ Er sah ihn mit seinen durchdringenden Augen tief an, suchte nach der Erklärung für die ungewöhnliche Wahl Hasewas.

„Sie wirken etwas angespannt heute, Herr Kommissar.“

„Ist das überraschend? Ich leite diese Aktion. Warum wird dafür ein Kommissar vom ersten Kriminaldezernat hergeholt? Wenn hier etwas passiert, betrifft es gleich viele Menschen. Ein Anschlag, ein Attentat auf Kanin, was auch immer, und gleich könnte eine Panik ausbrechen. Haben Sie eine Vorstellung, was passiert, wenn in einer großen Menschenmenge Panik ausbricht?“

Er sah ihm tief in die Augen, musterte seinen verängstigten Blick genau.

„Es ist unwahrscheinlich, dass etwas passiert, aber ich will, dass gar nichts passiert, die Sache darf nicht so ein Reinfall für die Polizei werden, wie bei unseren Kollegen vor ein paar Tagen.“

„Äh... vor ein paar Tagen?“

„Die Ocean Goddess, Mann, lesen Sie keine Zeitung? Zwei hervorragende Kommissare aus der näheren Umgebung waren mit der Sicherheit beauftragt und dennoch gab es einen Mord und drei Mordversuche. Einer dabei gegen die Tochter von Herrn Mori.“

„Was Kogoro Mori, der große Meisterdetektiv? Kennen Sie den etwa, Herr Kommissar.?“ Shiratori fasste sich entnervt an die Stirn.

„Sie sind noch ganz grün hinter den Ohren, was, Hasewa?“

„Wie meinen?“

„Ich meine...“ Er stockte, sah zum allmählich gelockerteren Eingang, den sie mittlerweile erreicht hatten.

„Wenn man vom Teufel spricht...“
 

Eben wurde der Kuchen und der Kaffee serviert, als Mireilles Handy erneut vibrierte. Diesmal verspürte sie eine böse Vorahnung, als sie es herausnahm und las. Ihr Gesicht wurde angespannt bei dem kurzen Text.

„Was? Verdammt!“ Kirika beugte sich zögerlich vor, betrachtete von der Seite das Display:

'Kogoro und Ran Mori am Parkeingang gesichtet.'

Schachfiguren

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zum eigentlichen 'Auftakt' der Scharade in und um den Kanin-Park.

Vielen Dank erstmal für die Kommis zum letzten Kapitel. ^-^

Dabei kam eine Frage indirekt auf, die ich doch nochmal kurz ansprechen wollte. Mittlerweile ist die Reihe doch recht lang schon und da gebe ich zu, erwarte ich gar nicht, dass man alles im Kopf hat, was mal gesagt wurde. Aber manchmal vergesse ich selbst, dann noch den dezenten Hinweis zu geben, wenn ich nach langer Zeit eine Entwicklung wieder anbringe. So auch hier. Also, in dieser Geschichte kennen alle drei, Starling, Akai und Black, Conans wahre Identität. Black wusste es schon länger. Er bemerkte ja sofort Conans auffällige Begabung und er hatte da auch keine großen Mühen, über seine Beziehungen es heraus zu bekommen. Es wurde angedeutet noch im 'Geheimnis des Tropical Lands', in einer Erinnerung Jodies. Bei Jodie wiederum fiel der Groschen während jenes Falles, aber offenbart hat sie sich am Ende von 'Die neue Lehrerin' in den Gesprächen in Shinichis Haus. Schließlich Akai hatte sich in 'Detektive des Polizeihauptquartiers' erklärt, als er Ai auf dem Friedhof bei Akemis Grab traf.

In diesem Sinne, die Person die eigentlich am Anfang des letzten Kapitels in Gedanken 'Shinichi Kudo' sagte, sollte Jodie sein.

Aber letztlich könnte es realistisch doch jeder der drei gewesen sein, so genau war die Angabe ja absichtlich nicht. ;]
 

Genug der ollen Kamellen *ggg*, kommen wir zu Schachfiguren... ja eigentlich gibt es gar nicht viel zu sagen. Die ersten Züge beim Schachspiel sind halt (verhältnismäßig) langweilig. Mehr ein Belauern der Seiten... noch.
 

Also wünsche ich wohl lieber nur viel Spaß beim Lesen und, ich melde mich nochmal kurz am Ende.

LG, Diracdet
 


 

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Kapitel 4: Schachfiguren
 

Der Beamte, der sie kontrollierte, staunte nicht schlecht, als er bei den drei Besuchern zuerst Schusswaffen vorfand und dann FBI-Ausweise gezeigt bekam.

„W-was? Wie... warum?“ Stämmig wie er war, ging der Polizist auch ohne weiteres als Türsteher durch und verlor im Normalfall wahrscheinlich nicht so leicht die Fassung. Diesmal aber war er völlig von der Rolle; stammelte sich mehr etwas wirres in den nicht vorhandenen Bart, als Worte zu sinnvollen Sätzen zusammen zu basteln. James Black lächelte nur in seiner großväterlichen, sanften Art, fasste ihm behutsam auf die Schulter.

„Nur die Ruhe, Herr Kollege. Wir sind hier nicht offiziell unterwegs, sondern in Zivil. Ein paar Tage hatten wir etwas Papierkram in Japan zu erledigen, internationale Beziehungen der Polizei pflegen, Sie kennen das vermutlich. Und jetzt machen wir noch ein wenig Urlaub in Ihrem wunderschönen Land. Und als wir dann von der großen Parkeröffnung hörten, wollten wir uns das auch auf gar keinen Fall entgehen lassen. Keine Angst, es steht nichts an, was Sie beunruhigen sollte.“

Aber so wirklich beruhigen wollte das den jungen Mann nicht.

„Ähm... gut, Mr. ... Agent... Special Agent sogar, wenn ich das richtig sehe, äh... Black. Aber Ihre Waffen...“ Er konnte sich immer noch nicht richtig ausdrücken und zusammenhängende Sätze formulieren. Der alte Mann verstand nur zu gut, wen er da vor sich hatte. Nicht unbedingt einen Grünschnabel, aber eben noch einen jungen Mann in seiner Sturm-und-Drang Phase, der noch versucht Eindruck bei seinem Vorgesetzten zu machen, alle Regeln ohne Pardon auszuführen und dann mit dem Erfolg sich zu profilieren. Er musste innerlich schmunzeln, wie ähnlich sich die Menschen verschiedener Kulturkreise doch in manchen ungewohnten Situationen verhielten. Aber er wusste längst, wie einem solchen Polizisten beizukommen war. Ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, lautete die Devise.

„Nana, das ist doch wohl klar, mein junger Freund. Wir sind zwar in Zivil unterwegs, aber müssen im Fall der Fälle einsatzbereit sein. Allgemeine Dienstpflicht, zu aller Zeit und überall, auch außerhalb des eigenen Dienstbereiches. Sie werden das doch wohl nicht in Frage stellen wollen oder?“ Es war fast zu einfach. Er schwankte bereits unsicher, konnte sich noch nicht recht mit sich selbst einigen. Plötzlich trat Akai, der die Strategie seines Vorgesetzten sofort durchschaute, einen Schritt nach vorne, schob ihn etwas zur Seite und sah dem jungen Mann tief in die Augen.

„Sie müssten doch wissen, dass wir in diesem Land nicht einfach offizielle, polizeiliche Aktionen – welcher Art auch immer – durchführen können. Das heißt, für alles, was wir hier tun, übernehmen wir auch die volle Verantwortung. Und damit fällt keinerlei Schuld auf Sie zurück, wenn wir hier falsch handeln. Also, können wir dann durch, oder wollen Sie unbedingt unnötige Spannungen zwischen den Behörden Japans und den USA erzeugen?“ Es lag nichts drohendes in seiner Stimme, was den Beamten eher abgehalten hätte, Einlass zu gewähren. Nein, es war vollkommen sachlich und korrekt von Akai und wirkte so sehr überzeugend auf den jungen Mann.

„A-also...“ Er atmete tief durch, sammelte sich und drehte sich dann zur Seite, so dass die drei FBI-Agenten an ihm vorbei gehen konnten.

„Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß im Kanin-Park.... und bitte, lassen Sie trotzdem keinen Dienstfall eintreten, ja?“, fügte er fast flehend noch mit an.

„Von uns aus sicher nicht.“, konterte Jodie lächelnd mit einem Zwinkern und schon verschwanden sie.
 

Kaum waren sie hinter einer Biegung aus Sichtweite des Eingangs, trat der Ernst wieder ein.

Jodie blickte sich fragend nach allen Seiten um.

„Wo ist... der Junge? Wir wollten zwar getrennt reingehen, aber ich dachte, nach dem Eingang würde er noch kurz warten.“, woraufhin Akai amüsiert lächelte.

„Wo wohl? Weg.“

„Was?“

„Er wusste genau, dass wir wegen unserer Identität und der Waffen länger brauchen würden, um rein zu kommen. Und weil wir ja unbedingt nicht zusammen gesehen werden wollten, war er ganz schnell verschwunden, sobald er drinne war.“ Er sah sich nach einem Mülleimer für Zigaretten um und holte sich parallel eine aus der Tasche.

„Törichter Bengel... Nicht, dass ich es anders gemacht hätte an seiner Stelle. Aber irgendwie bezweifle ich, dass er uns heute nochmal kontaktiert.“, murmelte er mehr zu sich selbst.

Sein Chef musterte ihn streng.

„Du weißt mehr, als du zugibst, oder, Shuichi?“, aber dieser verzog nur die Miene zur Grimasse, lächelte leicht resigniert mit dem Kopf schüttelnd.

„Bei ihm... weiß ich nicht mehr als ihr. Er hat uns definitiv nicht alles gesagt und... tja, dass Vermouth ihn auf diese Feier gebracht haben soll, glaube ich auch nicht so richtig. Was...“, er nahm einen tiefen Zug, bevor er noch nachdenklicher weiter sprach, „...die Frage aufwirft, erstens, woher weiß er wirklich von diesem Ereignis und was genau sucht er hier?“

„Suchen?“ Beide blickten ihn verwirrt an.

„Vielleicht täuscht mich ja mein Eindruck, aber es kam mir so vor, als wäre für ihn die Tatsache, dass die Organisation hier ist... fast nebensächlich. Da war etwas anderes, was ihn zusätzlich beschäftigte. Etwas, das ihm mehr auf den Nägeln zu brennen schien, als die Männer in Schwarz. Und ich dachte eigentlich, wegen der lässt er normalerweise alles stehen und liegen.

Hm... nützt nichts, wir werden es eh höchstens von ihm selbst erfahren. Hinweise hat er sonst ja keine von sich gegeben. Also sollten wir uns vorläufig auf unsere Arbeit konzentrieren.“

Black sah ihn noch eine Weile skeptisch an. Auch wenn Akai vom Thema abwich, innerlich schienen ihn Conans unergründliche Gedanken mehr zu beschäftigen, als der offizielle Fall. Und laut seiner Erklärung war das vielleicht gar nicht mal falsch. Aber wenn es wirklich keine Hinweise gab auf die Intentionen des jungen Mr. Holmes, dann würde Shuichi Akai das doch üblicherweise als fruchtlose Sackgasse akzeptieren und sich um andere, lösbare Probleme kümmern. Das war eine der Grunderkenntnisse eines analytischen Gehirns, wie es der alte Brite von seinem besten Mann kannte und erwartete. Wenn er sich also weiter damit befasste, hieß das...

'Du hast doch eine Ahnung, worum es dabei geht, Shuichi?'

Aber ebenso hatte Black keinen Hinweis, woran Akai dachte und so musste auch er diesen Faden für sich als abgeschnitten betrachten, einmal tief durchatmen und dann endlich seine Gedanken zum Vorgehen erörtern.

„Nun gut. Zunächst einmal sollten wir uns auch trennen. Sie werden mit Sicherheit Scharfschützen haben, und zusammen wären wir dann ein viel zu leichtes Ziel, um gleichzeitig außer Gefecht gesetzt zu werden. Auch wenn ich davon ausgehe, dass sie es sich hier im Park zweimal überlegen, einzelne Personen in der Menge ins Visier zu nehmen. Zumindest dürfte ihr Auftrag, wie auch immer der lauten sollte, dabei Vorrang haben. Aber gebt acht, auf alles, was sich bewegt, wo es das nicht sollte.

Jodie! Da wir eh von Kir wissen, wird die Organisation vermutlich erwarten, dass wir sie beschatten. Alles andere wäre eher verdächtig. Versuch also, ob du sie ausfindig machen und ihre Schritte überwachen kannst. Sollte sie in irgendeiner Form in Kontakt mit der Organisation treten, können wir bessere Informationen bekommen.“

Sie nickte bestimmt.

„Shuichi! Du wirst dich vorläufig an Hideichi Kanins Fersen heften. Diese Veranstaltung als Ort einer Aktion der Organisation hat hundert-prozentig was mit ihm zu tun, darüber sind wir uns ja einig, also werden in seiner Nähe bestimmt auch welche von denen auftauchen, früher oder später.“

„Man muss berücksichtigen...“, warf Akai kurz angebunden ein,

„...dass der Veranstaltungsplan für den heutigen Tag jede Stunde ein Feuerwerk vorsieht. Da in diesem Moment die meisten Besucher von den Raketen abgelenkt sein werden, dürfte das der beste Zeitpunkt sein, wann sie sich zeigen und zuschlagen.“

„Exakt!“, stimmte der alte Mann zu und sah auf seine Uhr. Noch etwa eine halbe Stunde bis zum nächsten Feuerwerk um 14:00 Uhr.

„Deswegen werde ich mich auch unter die Leute mischen, dort wo es am belebtesten ist, bei den größeren freien Wiesenflächen. Mal sehen, ob ich bei dem kommenden Feuerwerk einen Blick auf sie erhaschen kann.“ Er sah auf die hohen, vielfach leer stehenden Gebäude in der Nähe des Parks. Jodie folgte seinem Blick, nickte zustimmend.

„Hm... ja, vermutlich werden sich die Scharfschützen außerhalb des Parks aufhalten, wo niemand ihre Sachen kontrolliert. Dann wissen Sie ja, wo Sie hingucken müssen, Chef.“

„OK, sobald ihr etwas bemerkt, bleibt trotzdem erstmal ruhig, außer es ist extrem wichtig. Ich werde mich melden. Wir wissen wie gesagt nicht, was genau die Organisation will, aber wir müssen es trotzdem verhindern, koste es was wolle.“

Sie verglichen noch einmal ihre Uhren, und machten sich in unterschiedliche Richtungen auf den Weg.
 

Der Polizist, der die Agenten in den Park ließ, blickte ihnen noch eine Weile unsicher hinterher. Ganz geheuer war ihm die Sache einfach nicht. Es ließ ihm keine Ruhe und er bekam Probleme, sich auf die weiteren Gäste zu konzentrieren, bis er sich schließlich, kurze Zeit später, zu einem Kollegen umdrehte.

„Hey, Kasuragi! Kasuragi, was machst du denn da?“ Der Kollege starrte etwas geistesabwesend auf sein Handy, tippte offenbar gerade eine SMS zu Ende.

„Äh... ja, was ist denn, Takahani?“

„Was machst du denn die ganze Zeit mit deinem Handy? Du sollst doch die Besucher kontrollieren.“

„J-Ja, ja schon gut.“ Er beendete kurz die Nachricht und steckte das Handy wieder ein, sah mit einem ironischen Grinsen zu seinem Kollegen.

„Werd' mal nicht gleich überheblich, solange wie du dich da eben mit den drei Leuten aufgehalten hast.“

„Lach nicht, genau darum geht’s ja. Wenn du eh dein Handy nicht loslassen kannst, ruf Kommissar Shiratori an und sag ihm... dass...“, seine Stimme wurde ruhiger, er winkte seinen Kollegen näher, um nicht zu laut sprechen zu müssen.

„... dass seit eben drei FBI-Agenten im Park sind.“

Kasuragi schluckte etwas verängstigt, fand dann aber zu seiner Fassung zurück.

„D-Du meinst, die drei eben...“

Takahani nickte nur steif, während er versuchte, immer wieder neue Besucher zu kontrollieren, ohne diese Information an Zivilisten weiter zu geben.

„Nun mach schon!“, drängte er ihn.

Zögerlich nahm der Kollege sein Handy wieder zur Hand, schritt etwas zur Seite, überließ einem dritten Beamten kurz seinen Bereich des Eingangs. Er wusste, dass ihn Takahani misstrauisch aus dem Augenwinkel wahrnahm, bluffen war also nicht möglich. Unwohl begann er die Nummer des Kommissars heraus zu suchen.
 

„Tun Sie es trotzdem nicht.“, kam ihm da plötzlich eine kleine, warnende Stimme von der Seite entgegen. Erschrocken drehte er sich um und sah, wie hinter einem Baum versteckt der kleine Junge mit Brille, den er eben noch im Park scheinbar verschwinden sah, hervortrat.

„D-du?“ Angst ergriff den Polizisten, was Conan fast zu einem mitleidigen Schmunzeln bewegte.

„Sie haben keine Ahnung, wer ich bin, oder was ich hier soll, nicht wahr?“ Von Unsicherheit getrieben stammelte Kasuragi etwas unwirsch einen Satz zusammen.

„Du... du bist... Conan, Conan Edogawa... und du...“

„Ja?“ Er überlegte noch kurz, schüttelte dann aber beschämt den Kopf.

„Nein... ich... ich habe keine Ahnung, wer du bist, oder was du hier willst.“

„Und dennoch haben Sie eben gerade einer bestimmten Person, über die Sie auch nichts genaueres wissen, mitgeteilt, dass das FBI und ich den Kanin-Park betreten haben.“ Aus der Unsicherheit entwickelte sich langsam eine Panik. Dennoch zwang ihm der Junge ein Nicken ab.

„Das FBI erledigt hier nur seine Arbeit. Wenn Sie es stören, wird es unnötig Blutvergießen geben, das garantiere ich Ihnen, Herr Kasuragi. Schicken Sie irgendwem irgendeinen Anruf, aber verraten Sie Ihrem Chef nicht, wer gerade diesen Park betreten hat, es sei denn Sie können mit dem Blut an Ihren Händen leben.“ Geschockt blickte er hinab zu dem Jungen, der so offen und durchschauend auf ihn einredete, als wüsste er alles über ihn.

„Kasuragi?“, rief ihm sein Kollege allmählich böse zu. Conan setzte daraufhin sein breitestes Grinsen auf und rief laut „Vielen Dank, Herr Polizist, jetzt weiß ich, wo ich hinlaufen muss!“ Und schwupps weg war er, rannte wie ein gewöhnliches, kleines Kind, was dem erwachsenen Mann nur noch mehr Angst machte. Es war wie ein Spiel, welches der Junge scheinbar spielte, nicht echt eben. Ein Spiel mit den Erwachsenen, eine vertauschte Welt irgendwie. Und das beängstigende war, dass sein Rat wohl so einfach wie sinnvoll erschien. Gerade eben wollte er einen getürkten Anruf ansetzen, als er inne hielt und beobachtete, wer sich eben ans Ende der Schlange stellte und sehr bald von seinem Kollegen abgefertigt werden würde. Zwei weitere Personen, auf die er achten, und gegebenenfalls, Bericht erstatten sollte.

Kogoro und Ran Mori!

'Moment, lebten die laut meinen Informationen nicht zusammen mit diesem Conan? Wieso kommen sie dann getrennt zum Park?' Er verstand gar nichts mehr, nutzte aber die Option um einen falschen Anruf mit einer echten SMS zu verbinden, bevor er sich wieder unter seine Kollegen mischte und mit einem mulmigen Gefühl seine offizielle Arbeit fortführte.
 

Nachdenklich lief Conan ein Stück durch den Park, blieb dann aber stehen und ordnete seine Gedanken.

'Dachte ich es mir doch. Noir haben die Ressourcen der Soldats auf ihrer Seite. Das heißt, der Polizist am Eingang ist vermutlich nicht der einzige, der sie über meine Aktionen auf dem Laufenden hält. Es nützt in der Hinsicht also wohl nichts, meine Schritte geheim halten zu wollen...

Er war auch auf das FBI vorbereitet gewesen. Was wohl den Schluss nahe legt, dass deren Argument richtig ist und man das FBI überall da erwarten kann, wo auch Rena Mizunashi sich öffentlich blicken lässt. Und das weiß definitiv auch die Organisation.'

Entsprechend war sein Entschluss, sich auf eigene Faust von den Agenten zu trennen, so zu tun, als ob er vor lief, in Wirklichkeit aber zurück zu bleiben und dann seine Theorie zu überprüfen, wohl weise getroffen.

'Wenn die Organisation sich genau darauf einstellen kann, dass das FBI hier ist, können sie sie genauso gut in eine Falle locken. Und bei Gin würde es mich nicht wundern, wenn er sie präzise in seine Pläne miteinbezogen hat.' Er konnte die Sorge um die drei Beamten nicht vor sich selbst verbergen, beruhigte sich lediglich mit dem Fakt, dass diese das Risiko gut genug kannten und ausgebildete Profis waren, die damit umzugehen wussten.

'Wissen sollten...'

Und mit der, leider für ihn noch nicht bestätigten Annahme, dass die Organisation hier eigene Pläne verfolgte und nicht in erster Instanz einen Hinterhalt für das FBI plante.

'Aber wenn man Scharfschützen wie Korn und Chianti mit ins Kalkül zieht...'

Er blickte sich um, sah die vielen hohen Gebäude, die an mehreren Seiten den Kanin-Park begrenzten. Einige von ihnen bildeten die Lagerhallen und leer stehenden Bürogebäude der ehemaligen Hafenanlage von Mihama.

'Hm... vielleicht ist der Hinweis mit Mihama deutlich tiefsinniger, als ich vorher dachte. Will man als Scharfschütze jemanden im Park ins Visier nehmen, sind diese leer stehenden Gebäude perfekt. Also... anstatt darüber nachzudenken, ob es nun eher um eine Aktion im Kanin-Park oder auf dem verlassenen Hafengelände geht, sollte ich eher in Betracht ziehen, dass beide Orte zusammen eine Rolle spielen... Moment mal!' Er erschrak über seinen eigenen Gedanken.

'Wollen diese Frauen etwa selbst hier einen Anschlag verüben?'

Innerlich verkrampfte sich etwas bei ihm. Bislang sah er die Organisation und Noir als getrennte Probleme in diesem Fall, aber womöglich waren ihre Ziele hier gar nicht so verschieden! Genau wie man die Hafenanlage nutzen konnte, um jemanden im Park ausfindig zu machen und ins Visier zu nehmen, konnten die Jungfrauen mit den schwarzen Händen die Organisation und das FBI nutzen, um relativ unerkannt eine Zielperson aus dem Weg zu räumen und es den Männern in Schwarz in die Schuhe zu schieben!

'Macht das... denn Sinn?' So richtig konnte er der Idee nichts abgewinnen. Noir veranstalteten nie großen Aufwand, ihre Identität beliebig zu verschleiern, oder tüftelten komplizierte Aktionen aus, wie es die Organisation ab und an tat. Nein, diese Leute hatten das gar nicht nötig. Sie sahen sich – und erschreckenderweise wohl nicht ganz zu unrecht – als der Organisation überlegen an und jederzeit in der Lage, diese auszustechen. Und genauso sah es, gemessen an Vermouths Reaktion auf ihren Namen damals auf der Ocean Goddess, wahrscheinlich auch die Organisation. Und wenn es Vermouth ihnen nicht sagte, wussten sie noch gar nicht, dass Noir hier war!

„Verdammt!“ Er schlug unwillkürlich gegen einen Baum, der gerade neben ihm stand.

'Es nützt nichts. Ich muss entweder jemanden von der Organisation, oder von Noir ausfindig machen und sich an deren Fersen heften, um so schnell wie möglich heraus zu finden, was hier eigentlich gespielt wird.'

Schnurstracks lief er geradewegs Richtung Parkmitte, wo sich die meisten Menschen versammelten.

'Wo niemandem ein Kind besonders auffällt, aber ein Kind alles und jeden beobachten kann.'
 

„Das FBI hat soeben den Eingang passiert und sich nach kurzer Beratung getrennt, Gin. Wie du erwartet hast, sind nur ihre drei 'besten', Akai, Starling und Black, gekommen.“

„Sicher.“, entgegnete Gin kühl ins Handy.

„Dies ist eine öffentliche und kontrollierte Veranstaltung. Wenn sie mit ihrer ganzen Abteilung anrücken, glaubt eh keiner, dass das nur ein Arbeitsausflug ins Grüne werden soll. Nur in einer kleinen Gruppe und in Zivil können sie überhaupt ohne viel Lärm in den Park.“

„Aber sie haben ihre Waffen behalten, so weit ich das erkennen konnte.“

„Kein Thema. Dafür haben wir Informationen. Und euch. Ist Chianti unterwegs?“

„Sie ist eben los. Alles läuft bisher nach Plan. Sie sollte rechtzeitig auf Position sein für Phase eins.“

„...Gut.“ Ohne ein weiteres Wort legte Gin auf. Scotch sah ihn fragend an.

„Und jetzt... Gin?“

Dieser lächelte nur kurz, während er den verbliebenen Stummel seiner Zigarette im eingebauten Aschenbecher des Porsches ausdrückte.

„Jetzt... werden wir auch auf Position gehen.“ Damit stieg er aus und ging wortlos Richtung Parkeingang.
 

Ruhig packte Korn seine Ausrüstung aus, bereitete sie vor, und blickte sich dabei erstmals genauer das ganze riesige Parkgelände an. Überall sah man zwischen einzelnen Bäumen und größeren Waldflächen Menschen lang spazieren, die großen Wiesen füllten sich.

'Es hat keinen Sinn.' Gerade dort, wo sich die Menschen sammelten, sah er genug Blondschöpfe, ohne bewusst Mireille ausmachen zu können, um seine Nerven etwas zu beruhigen.

'Es war wohl doch eher eine Illusion...' Aber ganz zufrieden stellte ihn das nicht. Er wusste um die Verbindung der Bouquet-Familie zu den Soldats und er wusste um Mireilles Talent. Diese ungeheure Potential, welches sie an der Pistole und am Gewehr an den Tag legte. Sie war eine Kandidatin, eine passende Täterin für den Mord an Caipirinha.

'Andererseits... es waren doch definitiv Les Soldats, die für den Tod ihrer Eltern verantwortlich waren... und du meintest doch...
 

„... Niemals, hörst du mich? Niemals werde ich dem Mörder meiner Eltern verzeihen. Ja, ich habe keine Ahnung wer es war, keinerlei Hinweise, stimmt. Und solange das so bleibt..., solange werde ich auch mein Leben unabhängig von dieser Vergangenheit leben.

Aber sollte ich jemals die Möglichkeit bekommen... dann werde ich mit meinen eigenen Händen den Verantwortlichen und alle Personen hinter ihm töten. Hast du mich gehört?!“'
 

„Hm...“ Er schmunzelte amüsiert. Nach außen hin kühl und berechnend, aber wenn man sie etwas aus der Reserve lockte, zeigte sich ihre wahre Natur. Ein unreifes, überhebliches Kind, aber mit unvergleichlichem Talent. Das war so ungefähr sein Eindruck von der damals 17-Jährigen. Eigentlich nicht viel anders als bei Chianti...

Aber, dass diese Person ausgerechnet mit den Soldats zusammen arbeiten sollte, schien ihm absurd.

'Was... hast du die letzten fünf Jahre nur getrieben, Mireille Bouquet?'
 

'Verdammt!', stellte Jodie missmutig fest, als sie nach einer Weile zügigen Ganges entnervt stehen blieb. Zwar fand sie immer wieder kleinere Grüppchen mit Kameras, aber nie das Team von Nichiuri-TV. Da es von Seiten des Senders keinen offiziellen Plan gab, wusste sie auch nicht, dass in diesem Moment Rena Mizunashi ein Interview mit Hideichi Kanin führte. Und so irrte sie nun doch etwas hilflos durch die Gegend als „Oh... hallo, Frau Kollegin.“ ihr überrascht und erheitert entgegen schallte. Erschrocken blickte sie auf, sah leicht verunsichert in das selbstsichere Gesicht von Mireille Bouquet.

„S-Sie?“

„Ja, ich war direkt begeistert, als ich von dieser Eröffnung hörte. Und der Park selbst ist so... angenehme, es entspannt meinen Geist. So ein Betonmeer wie Tokio kann einem schon manchmal über den Kopf wachsen, wenn man sonst die Pyrenäen gewöhnt ist. Aber gut, das können Sie wahrscheinlich nicht verstehen; immerhin kommen Sie aus Washington D.C..“ Sie lachte amüsiert auf; tat so, als registrierte sie die Unsicherheit im Ausdruck der Agentin gar nicht.

„Ähm... Yes, ja, deswegen bin ich ja auch hier. Glauben Sie mir, Miss Bouquet, auch D.C. ist in Sachen Größe kein Vergleich zu Tokio. Dies ist die größte Stadt der Welt by far!“

Die Korsin lächelte nachdenklich.

„Oui oui, by far...“, heuchelte sie sarkastisch. Sie konnte diese Schmierenkomödie der FBI-Agentin irgendwie nicht ab. Sicher, sie schauspielerte, weil sie eine Rolle verkörperte. Aber sie war so schlecht darin, dass es einfach nicht real wirkte, vollkommen übertrieben... und letztlich bedeutungslos. Die Organisation wusste, wer sie war und die Schüler hätten auch eine fließend japanisch sprechende Englischlehrerin bevorzugt.

„Und... ist Ihre Freundin auch wieder dabei?“, begann Jodie schließlich wieder ernst.

„Kirika? Ja, sie wollte unbedingt auch her, aber momentan geht jeder seiner eigenen Wege.“

Sie nahm es mit Unwollen auf, versuchte, gelassen zu wirken. Diese Kirika Yuumura bereitete ihr alleine schon Bauchschmerzen. Eine Profikillerin, über die es praktisch keinerlei Informationen gab, und eine zweite, die eigentlich schon lange tot sein müsste, aber hier vor ihr stand und mit ihr plauderte. Unwillkürlich glitten ihre Augen zu beiden Seiten, als fühlte sie sich beobachtet.

„Suchen Sie jemanden, Mademoiselle Saintemillion?“

„Was?“

„Sie schauen so suchend umher? Sind Sie auch mit einem Freund hier und haben ihn verloren?“

„Ich... äh... nein... nein, ich sehe mich nur allgemein um. Was gibt es denn hier so in der Nähe? Angeblich sollen doch im Park überall Veranstaltungen sein.“

Mireille wies mit dem Finger in die Richtung, aus der sie gerade kam.

„Also dahinten... na noch ein ganzes Stück, dort haben sich einige größere Nachrichtenteams versammelt, machen Berichte, veranstalten öffentliche Interviews... da erfährt man vieles zum Park... und hier...“

Aber sie musste gar nicht groß weiter erzählen; Jodie hatte die wesentlichste Information erhalten, die sie wollte.

„Oh, that sounds great. Ich meine, das interessiert mich doch sehr, und womöglich komme ich dann bei den Kameras noch irgendwo ins Fernsehen.“

„Na wenn Sie meinen, wünsche ich viel Glück, Mademoiselle Saintemillion.“

„Danke sehr, Miss Bouquet und Ihnen noch viel Spaß im Park.“ Und schon rannte sie los. Zwar wusste Jodie um Mireilles Doppelleben als Scharfschützin, aber diese konnte schließlich unmöglich wissen, dass sie Kir suchte.

'Und wahrscheinlich ist es eh eher Zufall, dass sie hier ist. Auch Profikiller haben irgendwann mal Freizeit.'

Mireille sah ihr noch einen Moment hinterher, drehte sich um, und ging in gleicher Geschwindigkeit wie vorher geradewegs in die Richtung, die sie die ganze Zeit anvisierte, ohne dabei ihren Rücken aus dem Augenwinkel zu lassen.

'Hm... Psychologie muss die brotloseste Kunst der Welt sein.' Ein zynisches Lächeln fuhr ihr durch die Lippen, während sie sich wieder auf den Weg machte. Geradewegs zu dem Ort, an dem Nichiuri-TV gerade das Interview mit dem Geschäftsführer der Kanin-Gesellschaft beendete.

Dabei zog sie ihr Handy aus der Tasche, wartete auf Kirikas Anruf, der kurze Zeit später folgte.

„Und?“

„Ich habe sie.“

„Was machen sie?“

„Sie hatten noch ein kurzes Gespräch mit dem Kommissar am Eingang und sind jetzt, so weit ich das einschätzen kann, auf direktem Weg in deine Richtung.“

„Ach, sieh an... sie laufen Kir in die Arme...“ Mireille klang nachdenklich, aber weniger beunruhigt, als Kirika erwartet hätte.

„Ist das denn... kein Problem für den Plan?“

„Hm... nein, nein eigentlich nicht. Rena Mizunashi wird kein großes Interesse haben, die beiden in die Aktion hinein zu ziehen. Und sie kann mit der Arbeit argumentieren, um sie abzuwimmeln, was sie sicher auch tut.

Ich glaube, du solltest ihnen nur noch ein wenig folgen, um sicher zu gehen, dass sie hier her kommen, und dann anfangen, dich um den Jungen kümmern.“

„Wie du meinst, Mireille.“

Sie sah kurz auf das Display, dessen Anzeige erst das Ende des Telefonats, und dann den Bildschirmschoner wiedergab.

'Genau wie beim Handy. Die Leute sind allesamt vollkommen berechenbar...'

„Schachfiguren... alles nur... Schachfiguren.“
 

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Ich bin's nochmal kurz wegen dem Ende des Kapitels. Unterschwellig kam vielleicht ab und zu schon mal raus, dass ich nicht der gaaaaanz große Fan von Psychologie bin. Das sollte in Mireilles Gedanken aber nicht direkt zum Ausdruck kommen. Mehr eine reine spontane Feststellung von ihr, gewachsen aus einer Portion Schadenfreude und ein wenig Mitleid für Jodie, aufgrund der Leichtigkeit, mit der sie sie reinlegen konnte. Ungeachtet der Tatsache, dass der Trick selbst nichts anderes als Psychologie war.
 

Also bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet

Noir greift ein

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zu meiner angekündigten kleinen Scharade. So ab dem übernächsten Kapitel wird die vermutlich so richtig in Schwung kommen, aber ich glaube, gemessen an den Kommis, hat der Auftakt schon gefallen.

An dieser Stelle natürlich auch wieder mein ganz herzliches „Vielen Dank!“ an all die fleißigen Schreiberlinge, die ihre Gedanken immer auch äußern.^^

Zwei Fragen, die dabei aufkamen, möchte ich kurz ansprechen. Das Feuerwerk ist tagsüber sicher nicht so beeindruckend, wie Abends. Weshalb auch die Feuerwerke bis zum Abend dauern werden (kommt hier gleich nochmal), um am Ende eben deutlich beeindruckender zu wirken. Nichtsdestotrotz, wenn man das Problem, die Sonne, kennt, kann man es schon relativ leicht einigermaßen umgehen. Zwei, drei Dinge sind dabei, meiner Meinung nach, realisierbar. Einmal, dass man sich der Orientierung der Sonne anpasst. Die Feuerwerke wandern, genauer, ihre Ausgangspositionen, neben dem Park hin und her, so dass die Parkbesucher, stets in Richtung von der Sonne weggucken. Dann wählt man kein blau als Farbe sondern möglichst starke Kontraste im roten, grünen, gelben Bereich. Und schließlich kann man auch immer an der chemischen Zusammensetzung ein wenig drehen, um besagten Kontrast künstlich zu erhöhen, die Farben zu intensivieren.
 

Die andere Frage bezog sich auf Mireilles Rolle als Schachspielerin. Ein Genie, welches diese Disziplin beherrscht, ist sie natürlich nicht. Sie ist nicht dumm, aber auch nicht hochintelligent, 'nur' klug. Aber zusätzlich hat sie halt die Informationen und Quellen der Soldats zur Verfügung... und, naja... es ist bedeutend einfacher noch, zwei und zwei zusammen zu zählen, wenn man vorher schon weiß, dass vier heraus kommt. ;]

Die eigentlich interessante Frage für euch Leser dabei sollte aber eine andere sein. Viele Figuren sind auf dem Platz und ja, Mireille ist eine Schachspielerin, die diese Figuren nach ihrem Gutdünken bewegt. Aber Schach ist ein Spiel zu zweit. Und so bleibt noch zu klären, wer der zweite Schachspieler ist...
 

Mit diesem Rätsel lasse ich euch mal alleine, wünsche euch viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Mal.^^

LG, Diracdet
 

P.S.: Es ist so weit: jetzt wird erstmals Blut fließen! Irgendwann muss ich ja mal dem Titel gerecht werden. XD
 


 

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Kapitel 5: Noir greift ein
 

„... Deswegen bin ich auch sehr optimistisch, was die Zukunft unserer Firma, ihrer Mitarbeiter und natürlich auch dieser wunderschönen Stadt angeht. Und dieser Park wird eines Tages Symbol der Erfolge sein, die die Kanin-Gesellschaft, die wir errungen haben und weiterhin erringen werden.“

„Vielen Dank für dieses Schlusswort und für das gesamte Interview, Herr Kanin!“

„Nichts zu danken, es hat mich sehr gefreut, Frau Mizunashi.“

„Und... Schnitt! Wunderbar, alles im Kasten. Du warst wie immer Klasse, Rena. Man merkt dir die Pause wirklich nicht an, ehrlich.“

„Danke, Mitsushi.“, lächelte sie ihm freundlich zu, immer versucht, ihre Anspannung nicht zum Vorschein kommen zu lassen.

„Und wie gefällt Ihnen die Veranstaltung bis jetzt, wenn ich offen fragen darf?“ Der 53-Jährige Hideichi Kanin trat in seinem hellgrauen Nadelstreifen-Anzug samt Krawatte als typischer Geschäftsmann auf. Jede Frage, wie auch die entsprechende Antwort auf die Fragen anderer formulierte er auf auffallend hohem, diplomatischen Niveau. Eine Kunst, die die Reporterin aus ihrem Doppelleben auch kannte, und ihr daher bei jedem anderen suspekt vorkam. Unecht irgendwie, ohne dass es eine Möglichkeit gab, den Wahrheitsgehalt objektiv daraus abzuleiten, was genau er sagte.

„Es ist... wirklich beeindruckend, muss ich sagen. Ich denke, auch wenn es als Park vielleicht nicht so viel her macht wie ein Luxusliner, Sie stehen der Einweihungsfeier der Ocean Goddess von vor ein paar Tagen in nichts nach.“ Er schmunzelte leicht überrascht des Vergleiches wegen, konnte aber doch schnell reagieren.

„Na dann hoffe ich, dass diese Feier ein weniger unrühmliches Ende nimmt, als die von Herrn Tanahi.“ Er sah kurz auf die Uhr.

„In elf Minuten kommt das nächste Feuerwerk, das sollten Sie sich nicht entgehen lassen. Jedes hat ein etwas anderes Thema.“

„Sie halten diesen stündlichen Rhythmus bis heute Abend durch?“, hakte sie nach.

„Ja, so war es mit der Stadtverwaltung abgemacht. Das letzte wird das größte Feuerwerk um Punkt neunzehn Uhr sein.

Also dann, ich muss mich noch um ein paar andere, interessierte Gäste kümmern.

Viel Spaß wünsche ich Ihnen noch, Frau Mizunashi. Und natürlich auch Ihrer Crew.“

„Danke nochmals für das Interview und viel Erfolg für diesen Tag, Herr Kanin.“

Er drehte sich nicht mehr um, lächelte nur in sich hinein.

'Natürlich. Das Feuerwerk wird heute noch sehr groß. Und für Ihre Nachrichtensendung ein echter Knüller. Dagegen wird Tanahis persönlicher Rachefeldzug vor laufender Kamera geradezu nichtig wirken...'
 

Der Kameramann machte noch einige Rundumaufnahmen vom Park, während die restliche Crew ihr Equipement zusammenpackte, um es an anderer Stelle später wieder aufzubauen. Rena stand einen Augenblick nachdenklich im Schatten eines Baumes, sah angespannt auf die Uhr.

Es war eine Weile her, dass sie so intensiv in die Arbeit der Organisation eingebunden war, wie heute. Und es war für diese Art von Aktionen ein ungewöhnlich umfangreicher Plan. Es wäre gegenüber Gin und den anderen nicht auffällig, wenn sie allein deswegen nervös wirken würde.

Allerdings beschäftigte sie viel mehr die Frage, ob sie irgendwie diese Aktion in ihrer letzten Konsequenz unterbinden konnte, ohne sich selbst ans Messer zu liefern. Das Ende vom Lied, welches ihren inoffiziellen Kollegen vorschwebte, schmeckte ihr nicht im geringsten.

So verlor sie sich, kurzzeitig sogar auf ihrem Fingernagel kauend, in Gedanken, als plötzlich...

„Oh, hallo, Frau Mizunashi! Wir haben uns ja eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen.“

Glücklicherweise sah sie gerade erneut auf ihre Uhr, so dass niemand den kurzen Schock in ihren Augen bemerkte, als sie die Stimme erkannte.

„H-Herr Mori? Ran? Was... was machen Sie denn hier?“, brachte sie doch nicht ganz ohne stottern hervor.

„Was wohl, wir wollen uns wie alle die Eröffnung dieses tollen Parks ansehen!“, konterte das Mädchen lächelnd, und auch ihr Vater nickte nur bestätigend.

Das Schicksal innerlich kurz verfluchend, versuchte Rena, ihre Rolle aufrecht zu erhalten.

„Ja, klar, dumme Frage. Tut mir leid. Was sollte man hier auch sonst wollen? Es ist aber auch ein herrlicher Tag geworden.“ Der Smalltalk kam ihr merklich unangenehm vor, bis Mori ihr aushalf.

„Sie sind scheinbar doch recht beschäftigt. Wir wollten auch nicht stören...“

„N-nein... nein, Sie stören doch nicht... nicht richtig. Aber Sie wissen ja, wie das auf so einer Veranstaltung ist, man hat halt einen sehr... sehr engen Terminplan. Wir haben bereits ein paar Gäste am Eingang befragt, Herrn Kanin persönlich interviewt, jetzt wollten wir uns einige Besucher bei den Ständen herausgreifen und nachher stehen noch...“, sie sah kurz auf ihrem Handy nach, „...genau ein Gespräch mit einem Stadtrat, einem der Entwickler der Parkstruktur und dem hauptverantwortlichen Gärtner an. Ja doch, der Tag ist prall gefüllt. Sie können ihn also gerne für mich mit genießen.“

Ran und ihr Vater mussten mitleidig schmunzeln.

„Schon gut. Wir wollten nur mal hallo sagen, als wir Sie sahen.“

„Ja... macht doch nichts, ich....“ Auffällig schwankten ihre Augen um die beiden herum, suchten nach einem bestimmten Punkt.

„Sagen Sie... wo ist denn der kleine Junge, der sonst immer bei Ihnen ist, Herr Mori?“ Bei dieser Frage wurde der Detektiv auch wieder ernst, ließ seinerseits unauffällig, aber Rena nicht entgehend, den Blick schweifen.

„Der hatte heute schon einen Termin, so dass er nicht mitkommen konnte.“, klärte Ran auf.

„Ja... so sagte er zumindest.“, reagierte der Detektiv mehr unbewusst. Die Reporterin sah kurz auf.

'Was... sollte das... alles Zufall sein? Ist er vielleicht wirklich nicht hier und die beiden unwissend als Gäste? Das wäre dann ja gerade nochmal gut gegangen. Der Junge hier... das könnte eine Katastrophe geben. Das... würde eine Katastrophe geben!' Sie beruhigte ihre Nerven damit ein wenig, dass diese Katastrophe nicht eintrat, konnte sogar etwas lächeln.

„Oh, na gut. Aber es hätte ihm bestimmt hier gefallen. Nun gut, Herr Mori, Ran, ich muss mal meiner Crew unter die Arme greifen. Und nicht vergessen, gleich ist wieder Feuerwerk!“

„Oh ja, wir haben schon eins mitbekommen, aber da waren wir noch auf dem Weg zum Park. Wenn das jede Stunde kommt, wäre das schon toll.“, freute sich Ran.

„Ja, und es soll sich immer steigern bis zum Abend.“

„Danke für den Hinweis, und viel Erfolg Ihnen noch, Frau Mizunashi.“

„Danke und Ihnen viel Spaß hier.“

Damit wandte sie sich ab und ging zu ihren Kollegen.

Mori sah ihr kurz skeptisch hinterher und drehte dann auf dem Schritt um, ging mit seiner Tochter auffallend still Richtung einiger aufgebauter Stände, die an einen traditionellen Jahrmarkt erinnerten.

„Was ist mit dir, Paps?“ Seine Tochter starrte ihn zweifelnd von der Seite an.

„Hm... Rena war irgendwie merkwürdig.“

„Inwiefern?“

„Naja, Stress mag sie ja heute haben und alles. Aber, es war doch in den Zeitungen... und im Fernsehen... und dennoch... hat sie dich nicht mal wegen der Ocean Goddess Geschichte angesprochen, gefragt, wie es dir geht, oder so?“

Sie schaute erst verwundert, lachte dann aber auf.

„Ach Paps, es ist genau wie du selber sagst. Sie hat einfach etwas Stress mit dem engen Terminplan, und da erinnert sie sich nicht spontan an so was... muss man ja auch nicht.“ Etwas in ihrem Lachen war falsch, was ihr Vater so interpretierte, dass Ran den Vorfall eben noch nicht verdaut hätte und daher auch noch nicht wirklich distanziert damit umgehen könnte. Er hatte wohl unnötig die Wunde zu früh wieder aufgerissen. Dennoch kam er nicht umhin, seinen Zweifel bezüglich Rena Mizunashi aufrecht zu erhalten.

„Aber sie erkannte uns direkt an unseren Stimmen, meiner genauer gesagt, und erinnerte sich auch an Conan...“

„Conan vergisst man halt nicht so schnell, wenn man ihn mal kennen gelernt hat. Na komm, lass uns uns amüsieren und diese Woche vergessen. Deswegen hast du mich doch hergeschleppt, oder, Paps?“, grinste sie ihm mit einem durchschauenden Lächeln zu.

„H-Hey, was heißt hier hergeschleppt, ich zahle immerhin dafür!“

„Haha, schon gut. Lass uns mal nach da hinten hin gehen, das sieht aus wie ein kleiner Markt. Da gibt es bestimmt was schönes für mich.“

„Warte, Ran, ich rede mit dir...“, aber der langjährige Vater wusste bereits, dass ihm seine Tochter nicht mehr zuhörte und trottete folglich, leicht missvergnügt, die Hände in den Hosentaschen, hinterher.

'Naja, besser, dass sie sich über solche Banalitäten freut, als weiter über die Schifffahrt nachzudenken.'
 

„Entschuldigt mich nochmal kurz, bin gleich wieder da.“ Rena lächelte ihren Kameramann kurz an, bevor sie sich zügig von der Gruppe, die noch mit dem Zusammenpacken der Ausrüstung beschäftigt war, entfernte.

„Hey, warte Rena, jetzt ist doch gleich das Feuerwerk!“

„Macht nichts, ich sehe es doch von überall und es gibt mehr als eins, wisst ihr doch. Aber genießt es ruhig. Wir haben viel Zeit, also ganz mit der Ruhe.“ Und schon war sie weg.
 

Die öffentlichen Einrichtungen des Parks wurden allesamt aufwendig auf den neuesten technischen Stand gebracht und sie kam nicht umhin, dem monumental wirkenden, glänzend weiß gestrichenen und irgendwie ineinander gedrungenen großen Klotz etwas abzugewinnen.

'Und doch nur ein öffentliches WC...

Sie haben zu viel Geld, Herr Kanin. Einfach zu viel. Damit könnten Sie ganz andere Dinge machen.'

Der Eingangsbereich war für diese Einrichtung wirklich außergewöhnlich groß, vier Meter hohe Wände, hell erleuchtet durch warmweiße LEDs, gekachelt mit Marmor. Sie zählte acht Sensor-gesteuerte Waschbecken und für jeden eine eigene Trockenvorrichtung, sowie zwei Babywickelstationen am hinteren Ende. Und das bei 'nur' sechs unabhängigen, fast schalldichten Kabinen, durchgehend silbermetallisch vom Boden bis zur Decke.

'Zahlt er auch für die Wartung und die Reinigung, wenn hier mal Nachts Unruhestifter kommen?'

Sie versuchte sich zu konzentrieren, schließlich war sie aus einem bestimmten Grund hergekommen. Die Ruhe bereits hier im Raum, wo nur noch eine schwache Geräuschkulisse von draußen herein drang und lediglich eine Frau sich gerade hinten die Hände wusch, beruhigten sie etwas.

Langsam schritt sie zur hintersten Kabine, öffnete die Tür und sah auf den von innen ebenfalls gekachelten Bereich.

'Nein..., ist das eine Verschwendung.' Sie blickte unbewusst kurz auf die Uhr. Wenige Sekunden bis zum Feuerwerk und dann...
 

Boom!

Die erste Rakete explodierte und tauchte draußen den Himmel stückweise, feinen Äderchen gleich, in ein knalliges, dunkles Rot. Blutrot. Im gleichen Moment ging ein Zucken durch Renas linke Seite, und sie spürte, wie eine Hand sich auf ihren Mund legte und jeden Laut unterdrückte. Bevor sie überhaupt das realisierte, fühlte sie in der Schläfe einen Pistolenlauf und dann gab ihr linkes Bein mit jedem Augenblick mehr nach, wankte unwillkürlich. Der Schmerz wurde heftiger und hielt nicht die Hand ihr den Mund zu, würde sie jetzt vermutlich nicht still halten können. In ihrem Knie schien ein höllischer Druck zu sein, der das gesamte Bein erfasste.

Dann fiel die Tür hinter ihr zu und die Feuerwerksgeräusche verstummten, wie alles um sie herum, außer ihr Atem, ihr Herzschlag, der in ihren Ohren dröhnte und ihr schwaches Stöhnen unter der Hand.

„Ganz ruhig. Sie können eh gleich nicht mehr stehen. Der Schuss hat ihr linkes Bein nur gestriffen, aber dabei die Kniescheibe um etwa einen Zentimeter aus der Balance gebracht, wodurch das Kniegelenk umgeknickt ist und daher keine Verbindung mehr zwischen Ober- und Unterschenkelknochen besteht.

Ach ja, und das Handy in ihrer linken Hosentasche hat es auch erwischt. Die SMS an Gin können Sie sich nun also auch sparen. Wenn ich dann bitten dürfte, ich werde jetzt Ihren Mund loslassen, Sie werden sich, möglichst auf dem noch funktionierenden rechten Bein umdrehen und hinsetzen. Und das ganze bitte ruhig..., Agentin. Hidemi. Hondo.“
 

„Wo bleibt Kirs Nachricht?“ Gin stand in einer kleinen Nische hinter einem größeren Marktstand, neben ihm Scotch und beobachtete ungeduldig das Display seines Handys. Chiantis und Korns Bestätigungs-SMS, dass sie noch auf dem Posten waren und alles nach Plan verlief, war längst eingetroffen. Wie vereinbart, jede volle Stunde, wenn alle umliegenden durch das Feuerwerk abgelenkt waren. Und auch Kir hatte sich bis jetzt sehr genau daran gehalten. Bis jetzt.

„Vielleicht hat sie es vergessen, Gin.“

Er hörte gar nicht zu, sondern wählte, ohne eine Miene zu verziehen, ihre Handynummer. Was er dann hörte, ließ ihn erstmals aufhorchen.

'There is no such number.'

„Wie, Kein Anschluss unter dieser Nummer?“

Auch Scotch sah verwundert hoch.

„Äh... hat sie ihr Handy ausgemacht?“

„Dann geht die Mailbox ran, genau so, wenn sie es verloren hätte.“, stellte Gin kühl fest, während er sein Mobiltelefon wieder einpackte.

„Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder wurde die Nummer bei der Telefongesellschaft abgemeldet, was aber weder Kir noch sonst wer ohne weiteres so schnell hinkriegt. Schon gar nicht so, dass sie unerreichbar wäre. Und vor allem würde mich da ihre Erklärung interessieren...“

Ein dunkles Grinsen zeigte sich kurz auf seinen Lippen, verschwand aber auch gleich wieder.

„Oder aber...“ er atmete kurz aus, als zöge er an einer seiner Zigaretten, obwohl er gar keine im Mundwinkel hatte.

„Oder aber der Chip im Handy ist kaputt. Richtig kaputt.“

Scotch starrte verwirrt zu Gin, der stur in eine Richtung blickte.

„Kann denn das so einfach passieren?“

„Nein. Es ist sogar äußerst... äußerst unwahrscheinlich, dass es so spontan, ausgerechnet heute, ausgerechnet jetzt passiert sein soll. Ich hatte wohl doch recht mit meiner Vermutung.“

Seine Laune ging sichtbar nach unten, auch wenn ein schwaches, durchdringendes Lächeln, welches dem Tod aus dem Gesicht geschnitten zu sein schien, blieb.

„Schachfiguren. Alles nur Schachfiguren.“

„Dann hat sie jemand erwischt? Womöglich das FBI?

Aber... aber selbst wenn, Gin. So wichtig war Kir für die Aktion doch nicht. Es ging doch nur um einen möglichen, aber unrealistischen Fall.“

„Bei unserm Glück momentan bezweifle ich fast, dass nicht genau dieser Fall eintritt.“

Er sah auf die Uhr.

„Ich muss los. Sieh zu, dass du das Team von Nichiuri-TV ausfindig machst und Kir findest. Und sag Chianti und Korn Bescheid. Der Plan steht, aber sie sollen vorsichtig sein und sehen, ob sie sie vielleicht zufällig finden.“

„J-Ja, natürlich.“
 

Mühsam, die Zähne zusammenbeißend, wandte sich die CIA-Agentin auf einem Bein um und sank auf dem WC zusammen. Dabei bemerkte sie, wie das Blut an ihrem linken Bein herunterlief und dabei zunächst von ihrer schwarzen Jeans, dann auch von ihrer Socke aufgesaugt wurde. Ein paar Tropfen, vermutlich von ihrem Knie, fanden schließlich sogar den Weg auf den Boden, wo sie sie nun erblickte.

Erst als sie saß und nicht mehr schwankte, warf sie einen Blick nach oben. Dort starrte sie direkt in den Lauf einer Walther P99 mit Schalldämpfer und dahinter...

„Die blonde Frau, die sich eben die Hände wusch...“ Sie sprach in ihrem Schrecken mehr zu sich selbst, bekam aber auch eine Antwort von ihr.

„Sicher, wer sonst? Sie sind wirklich berechenbar. Für die SMS genügte Ihnen das Feuerwerk nicht, Sie wollten auch abseits sein, nicht dass Ihr Kamerateam was mitbekommt und noch in die Schusslinie der Organisation gerät. Und weil Sie gerade vorher Herrn Kanin interviewt hatten, bot sich dieser Ort hier geradezu an. Zumal alle Kollegen Ihres Teams männlich sind.“

„W-Wer...“ Aber Mireille hob ihre linke Hand winkte mit dem Zeigefinger.

„Ich sagte doch, bleiben Sie ruhig, Frau Hondo! Ich muss Sie doch nicht unnötig knebeln.“

Damit holte sie aus ihrer Tasche aus dem braunen Umschlag, der auch ihre Waffe enthielt, zwei Paar Handschellen.

„Was... was wollen Sie?“

„Ich will eigentlich nur, dass Sie sich für heute frei nehmen. Von der Arbeit, sowohl für das Fernsehen, als auch für die Organisation.“

Hidemi schluckte unsicher. Sie hatte keine Ahnung, wer diese Person war. Aber umgekehrt, diese Person wusste scheinbar nicht nur alles über sie, sondern auch über die Pläne der Organisation. Eine Vorstellung, die ihr mehr als unheimlich erschien.

„Les Soldats?“

Mireille lächelte amüsiert, schüttelte dabei den Kopf.

„Nein. Aber wenn Sie unbedingt wissen wollen, wer ich bin...“

Sie bewegte die Pistole leicht nach vorne, drückte sie ihrem Gegenüber direkt auf die Stirn und bewegte leicht den Abzug.

„...sagen Sie nur 'ja', dann verrate ich es Ihnen und drücke ab. Sie sollen doch nicht unwissend sterben.“

„...Schon gut.“ Sie ließ sich etwas nach hinten sinken und ihre Arme nach unten gleiten.

„Verzeihen Sie, aber auch wenn Sie... versuchen, Gutes zu tun, und der Organisation nicht zu sehr zu helfen, Sie sind mir heute einfach bei meinen Plänen etwas im Weg.

Und ich gehe davon aus, dass auch Sie kein Interesse daran haben, dass... Conan Edogawa etwas zustößt, oder?“

„Was, er ist doch hier?“ Der Schock saß tiefer, als der beim Hören ihres richtigen Namens.

„Sicher... ich habe ihn eingeladen.“

„Was, aber Wieso? Was wollen Sie, was... Aaargh!“

Ihr ganzes linkes Bein schmerzte heftig, als Mireille mit Gewalt die Handschellen an ihren Füßen festmachte und diese nach hinten bewegte.

„Wenn Sie wissen, wer ich bin, hätte es ein einfaches 'halten Sie sich heraus' auch getan!“, stellte Hidemi zähneknirschend fest.

„Es hätte es für die Polizei getan, wenn man Sie irgendwann findet. Aber glauben Sie ernsthaft, Sie könnten Gin täuschen, wenn Ihre Verletzungen und Ihre Gefangenschaft von Ihnen inszeniert wären? So sicher ist Ihr Stand in der Organisation nicht, glauben Sie mir.“

„Es wäre nicht das erste Mal, dass es funktioniert hätte.“, gab sie fast bockig zurück, worauf Mireille nur schmunzelnd reagierte.

Sie führte ihre Arme hinter das kurz vor der Wand verlaufende Heizungsrohr, und kreuzte die Handschellen vor dem Verschließen mit denen der Füße, so dass die Agentin, sich nicht davon lösen konnte und ihr Körper um die Toilette herum gekrümmt wurde.

„Was ist mit meinem Team? Die werden mich bald suchen...“

„Keine Angst. Wir haben Eröffnungstag und da ist nie alles fertig, wissen Sie doch!“

Daraufhin holte sie aus der Tasche noch ein großes Metallschild hervor, welches das Emblem der Kanin-Gesellschaft und die Aufschrift 'Zur Zeit defekt' trug.

„Die Kabinen sind nicht ganz schalldicht, und ein Schlüsseldienst für die Tür ist heute schwer aufzutreiben. Also wird man einfach anklopfen und wenn keine Antwort kommt, wird das genug Bestätigung sein. Es sei denn, Sie wollen unbedingt raus und das Leben von Unschuldigen riskieren. Dann können Sie natürlich die Rufe beantworten.“ Ein überzeugtes Lächeln schwang ihr dabei auf den Lippen.

„Und was soll ich diesbezüglich Gin erzählen? Er wird mir sicher nicht glauben, dass ich Stunden lang betäubt war, oder?“

„Oh... stimmt, da habe ich gelogen.“

„Wie?“

Aber Mireille riss nur schweigend etwas Klopapier ab und stopfte ihrer Gefangenen damit den Mund voll, bevor sie ihn mit einem Taschentuch zuband.

„Ich musste Sie doch knebeln. Danke, dass Sie mich dran erinnerten. Einen schönen Tag wünsche ich.“

„Mhmmm... MhhhMMMM?!“

Doch Mireille winkte nur noch kurz, verließ dann mit dem Schild die Kabine und Hidemi vernahm von außen nur noch das Klicken des Türschlosses – woher hatte diese Frau eigentlich den Schlüssel für außen? – und wie das Schild metallisch gegen die Tür klapperte.

Kurz nur versuchte sie, sich von selbst zu befreien, zu ergründen, wie sicher die Handschellen waren – sehr sicher, wie sie feststellte – dann wurden ihr die dabei verstärkten Schmerzen ihres Beins zu viel und sie lehnte sich entnervt an die Wand an.

'Wer... war diese Frau?'
 

Hideichi Kanin ließ sich leicht erschlafft gegen einen Baum sinken. Soeben hatte er ein weiteres Interview hinter sich gebracht und weil nun eine Pause anstand, zog er sich ein wenig von der Hauptbühne, von der aus er die Mitarbeiter und Gäste noch vor Mittag begrüßt hatte, zurück. Das Feuerwerk war verblasst, die nächste Stunde verhieß etwas Ausgleich. In einer ruhigen Ecke zwischen einigen alten, hoch gewachsenen Kiefern, um die herum fleißig Gartenarbeit betrieben worden war, um sie für das ungeschulte Auge heraus zu heben aus der Masse, nahm er sich eine Zigarette aus der Tasche und zündete sie an, zog heftig daran, bevor er befreit den Dunst ausblies. Elegant richtete er sie von sich weg auf den Wegbereich und klopfte mit dem Zeigefinger die Asche ab.

„Nana, Herr Geschäftsführer, wer wird denn hier einen Waldbrand riskieren wollen?“

Er musste gar nicht aufsehen, um zu erraten, wer da hinter ihm aufgetaucht war. Selbst, wenn er dieser Person noch nie begegnet wäre, seine Stimme nie gehört hätte, so genügte ihr selbstsicherer und doch nicht überheblicher, sondern fast erhabener Klang, um sie als dieser einen Person zugehörig auszumachen. Sie wirkte gleichzeitig düster und drohend, legte sich erbarmungslos wie ein Leichentuch auf seine Umgebung und erstickte scheinbar alles drumherum in der Aura dieses Mannes.

Doch, er hatte diese Stimme schon einmal gehört; vor gar nicht all zu langer Zeit. Und so lächelte er in sich hinein, während er erneut die Dunstwolken ausstieß, nochmal den Streifen Ascherest vom Zigarettenstummel entfernte und den Kopf hob, sich langsam umdrehte.

„Ah, mein lieber... Gin.“ Die Überzeugung in Kanins Zügen, mit denen er dem Mann in Schwarz begegnete, waren, wie bei dem Gespräch mit Rena Mizunashi, denen eines Pokerspielers nachempfunden. Absolut undurchschaubar, ohne Furcht vor dem Unbekannten, welches sich vor ihm in Schwarz hüllte. In diesem Gegenüber jedoch fand er einen ebenbürtigen Kontrahenten. Gin führte lässig die Hände in den Taschen, stand aufrecht da, seine Haare gekonnt so die Augen verdeckend, dass er Kanin genau sah, dieser von seinem Gesicht aber nur das breite Grinsen wahrnahm.

„Ich wüsste nicht, dass wir schon Freunde geworden wären, Herr Kanin.“, reagierte er ebenso gelassen wie unfreundlich auf die unerwartete Begrüßung.

„Reine Höflichkeit, das ist in meinen Geschäftskreisen von Nöten. In euren nicht, ich weiß.“

Gin antwortete bewusst nicht, ließ dem Milliardär die Gelegenheit, sein Pulver an Floskeln und verbalen Attacken zu verschießen, Beziehungsweise, es einfach Leid zu werden, wenn er nicht darauf reagierte.

„Also, wie gefällt euch meine kleine Party?“, begann Kanin schließlich das Gespräch.

„Sie wissen doch, Öffentlichkeitsarbeit gehört ebenso wenig bei uns dazu wie... Höflichkeit.

Nun ja...“ Er grinste ironisch.

„Nicht diese Form von Öffentlichkeitsarbeit.“

„Schade, ich hatte mir ehrlich mehr erwartet von potentiellen... Handelspartnern.“ Eine ganz leichte Regung in Gins Haltung signalisierte plötzliche Aufmerksamkeit.

„Dann haben Sie also Interesse, Herr Kanin?“

„Nicht im Entferntesten, aber ihr seid doch diejenigen, die sich bemühen, oder sehe ich das falsch?“

Das Lächeln in Gins Gesicht wurde augenblicklich breiter.

„Ja, das sehen Sie falsch. Unser Angebot war lediglich die Option... dass Sie friedlich für uns arbeiten und nicht zu sehr von uns belästigt werden. Schließlich... streben Sie doch höhere Posten an, nicht wahr?“

Nun verlor auch er leicht seine Lässigkeit.

„Paah... da hat man noch gar nicht richtig angefangen, sich in die Politik einzumischen, schon kommen die ersten Einschüchterungsversuche.“ Herr Kanin lächelte missvergnügt, warf den Stummel seiner Zigarette in einen nahe stehenden Mülleimer.

„Allerdings hatte ich den nicht von euch erwartet.“

Gin begutachtete das Pokerface seines Gegenüber, rührte sich aber noch nicht.

„Na na, so würde ich es doch nicht gleich bezeichnen. Lediglich ein freundliches Angebot. Eigentlich wissen Sie doch eh nichts mit Ihrer Macht anzufangen, wenn Sie diesen ganzen Platz für einen Park verschwenden. Dann lassen Sie das doch lieber Leute regeln, die damit etwas anfangen können.“

„Ach, ihr könnt was mit den Gebäuden dieser Stadt anfangen? Du meinst, wie mit dieser alten Lagerhalle, die angeblich leer stand und plötzlich so heftig ausbrannte, als wäre sie mit Asbest gefüllt gewesen?“ Das Lächeln auf den Lippen des Mannes in schwarz verflog augenblicklich.

„Wie war noch gleich der Name der Person, die bis ein paar Tage davor einen offiziellen Schlüssel dafür besaß? Ach ja, Shiho... Shiho Miyano. Die Tochter von Atsushi und Elena Miyano. Zwei Wissenschaftler, die seit 30 Jahren niemand mehr gesehen hat.

Hm... was habt ihr wohl für Forschung in dieser Lagerhalle betrieben?“

„Das wüssten Sie gerne, was?“

Kanin schwenkte seinen Kopf leicht hin und her.

„Nein... nein, eigentlich nicht so sehr. Manche Sachen sollte man wohl lieber nicht wissen.

Also schön. Schluss mit lustig, Gin. Was stellt sich euer Verein vor?“

„Das selbe wie Sie offenbar, Herr Kanin. Ein schneller Aufstieg an die Macht.“ Er pausierte kurz, wodurch seine Stimme beim zweiten Satz noch deutlich drohender wirkte.

„Und wir sind durchaus bereit mit harten Bandagen dafür zu sorgen.“

„Stimmt, das gleiche schwebt mir auch vor.“ Er ließ seine Hände entschuldigend durch die Luft gleiten.

„Nur leider... sitze ich hier am längeren Hebel. Wenn ich dir einen Rat geben darf, pfeif deine Scharfschützen zurück, wenn dir dein Leben lieb ist, Gin.“

„Ach die? Falls Sie sich darüber Gedanken machen, kann ich Ihnen versichern, Herr Kanin, dass Ihre beiden postierten Schützen das letzte Feuerwerk leider nicht überlebt haben.“

Gin holte aus seiner Tasche eine Zigarette raus, zündete sie jedoch nicht an, sondern warf sie einen Meter vor Kanin auf den Boden. Sekunden später sprang das Stück eingewickelter Tabak rotierend in die Höhe und wechselte schlagartig die Drehrichtung, bevor es, vom Luftwiderstand abgebremst, langsam wieder zu Boden gleitete. Durch die allgemeine Lautstärke auf dem Fest waren die beiden Schüsse zwar grundsätzlich hörbar, aber nicht auffällig gewesen.

Mit einem Mal verfinsterte sich nun auch die Miene des Geschäftsführers der Baugruppe und er zog die Luft langsam ein.

„Wirklich...“, räusperte er sich, versucht, gelassen zu wirken.

„Und was bringt euch das jetzt? Soll das eine Morddrohung gegen mich sein?“

„Nicht doch! Glauben Sie ja nicht, mir wäre nicht klar, dass Sie so weit Vorkehrungen getroffen haben. Wenn Sie heute sterben, folgt die Organisation Ihnen morgen in die Hölle und das will doch nun wirklich niemand, oder?“

Er ging einen Schritt nach vorne, blieb erneut stehen, richtete seinen Blick nun ganz auf Kanin, so dass er erstmals Gin in die Augen sehen konnte. In die kalten, klaren Augen, eines Mörders.

„Aber es gibt da ja so ein Geheimnis in Ihrer Firma, dass Sie doch nicht unnötig in der Presse ausgeschlachtet sehen möchten. Sie wissen doch, wie die sind.“

Plötzlich musste er wieder schmunzeln und nach und nach ging dieses in ein lautes Lachen über.

„Tut mir leid, Gin, aber wir leben im 21. Jahrhundert. Wenn du von einem 'dunklen Geheimnis' in meiner Firma redest, musst du dich schon klarer ausdrücken. Da sind deutlich mehr als eins.“

Er ließ einen Moment verstreichen, um sich selbst wieder zu fassen und mit ruhiger Stimme fortzufahren.

„Und ob das vor der Presse wirklich Bestand hat, ist noch eine ganz andere Frage.“

„Sicher, aber es gibt ja nicht nur die Presse. Vielleicht interessiert ja die Aktionäre Ihrer Firma, welche Geschäftsführung eigentlich ihr Unternehmen leitet...

Oder eben bald... nicht mehr.“

Versteinert sah ihn Kanin mit einem mal an.

„Ah, ich sehe, wir verstehen uns.“ Gin beugte sich, ohne den Blick abzuwenden zum Boden, hob die fast makellose Zigarette auf und steckte sie ihm in die Jacketttasche.

„Nehmen Sie sich ruhig noch eine. Das beruhigt und hilft eine klare Entscheidung zu treffen.“ Damit wandte er sich auf dem Schritt um und marschierte genau in die Richtung zurück, aus der er kam.

„Wir werden uns sicher heute noch wieder sehen, Herr Kanin.“
 

Dieser wartete, bis Gin hinter einer Biegung verschwand, bevor er die Zigarette aus der Tasche holte und begutachtete. Das Papier war einem Ende von beiden Schüssen leicht angerissen, hielt den Tabak aber noch fest zusammen.

„Guter Schuss, wirklich.“ Er zündete sie an, und nahm einen kräftigen Zug, bevor sich seine Lippen langsam wieder nach oben bewegten.

„Wenn du... meinst, Gin, dann sehen wir uns heute wohl nochmal.

Wenn du wirklich glaubst, dass du und deine Schützlinge... den heutigen Tag überleben werdet.

Hm...ha... haha...hahahaha.“

Jeder gegen jeden?

Hallo liebe Lesenden,
 

ich hoffe, ihr hattet ein schönes Osterfest und der Osterhase – so ihr ihn denn aus dem Käfig lassen konntet – hat euch auch herzlich dafür gedankt. ;]
 

Wie immer zunächst vielen Dank für die Kommis zum letzten Kapitel. Scheinbar hat euch der kleine Auftritt Mireilles ganz gut gefallen. Das freut mich. Aber keine Sorge. Auch wenn es noch etwas dauert, Kirikas Auftritt wird... ich versprech' mal nicht zu viel. Wartet es ab.
 

Ein paar kleine Fragen gab es dabei jedoch, die ich kurz ansprechen möchte. Also, nicht jeder kennt in diesem Umfang Noir, das muss man so sagen. Kir weiß von den Soldats und sie hat sicher auch schon mal was von Noir gehört, aber nur Gerüchte. Für sie ist nicht mal klar, ob es Noir wirklich gibt, und schon gar nicht kommt sie jetzt darauf, dass Mireille es ist. Dafür war der Schuss dann doch nicht beeindruckend genug. ;-p

Umgekehrt hat zwar Yusaku als Detektiv aus Interesse Informationen zu Noir gesammelt, hat aber selber keine Ahnung, wer sich hinter Noir verbirgt. Auch für ihn ist es mehr eine Legende, die noch einer Bestätigung bedarf. Kurzum, ich denke in der Situation von Kir hätte niemand auf Noir getippt, unabhängig davon, ob man von Noir gehört hat oder nicht.
 

An Kirs Loyalität... sagen wir mal zweifelt Gin nicht mehr oder weniger als vorher. Hier kommt grundsätzlich eher zum tragen, wie scheinbar jemand ihre Schritte verfolgt und eingreift. Sprich er glaubt nicht, dass sie da direkt mitmischt, sondern eben Opfer eines Feindes der Organisation wurde.
 

Zu Kanin sage ich mal besser noch gar nichts. Der ist natürlich essentiell in dieser Scharade, aber so bedeutsam wie seine Rolle dabei ist, so schwierig wird es auch sein, diese Rolle klar zu definieren. Gemäß Sherlock Holmes: 'Nichts ist zweifelhafter als eine offensichtliche Tatsache'.
 

Womit wir direkt überleiten zum neuen Kapitel und einem weiteren roten Faden – sind ja bisher so wenige. ^.~

Dieser Satz eben ist vielleicht der beste Punkt, den ich als Hilfestellung zum Miträtseln geben kann: Holmes Zitat am besten bei jeder Aussage dieses Kapitels im Hinterkopf behalten.
 

Ach ja und was dieses technische Detail bei Handys angeht, was hier zum Einsatz kommt, das habe ich nachgeprüft, das ist schon kommerziell verfügbar.
 

Daher wünsche ich euch dann noch viel Spaß mit dem neuen Kapitel und bis bald.^^

Liebe Grüße,

Diracdet
 


 


 

Kapitel 6: Jeder gegen Jeden?
 

James Black zog sich etwas aus dem Trubel der Menge, die größtenteils immer noch das abklingende Feuerwerk bewunderte, zurück. Er hatte die Informationen, die er gesucht hatte, erhalten und wollte nun eine Konferenzschaltung mit seinen beiden Agenten herstellen. Eben gerade hatte sich die Situation so weit verändert, dass er es als notwendig ansah, einen aktualisierten Überblick über die allgemeine Lage zu bekommen.

Er ließ es klingeln. Jodie ging sofort ran.

„Ja, James?“

„Einen Moment, ich hab euch beide drauf, aber Shuichi scheint noch nicht ranzugehen.“ Sie wusste, es machte keinen Sinn, ihre bisherigen Ergebnisse zu verkünden, wenn sie es dann nochmal erklären musste. Nicht, dass sie so viel mehr zu berichten hatte, außer eine persönliche innere Wut.

'Diese, miese, kleine, französische... Verzeihung, korsische...' Eigentlich regte sie sich mehr über sich selbst auf, als über Mireille. Dass sie auf diese Frau reingefallen war, dieses noch halbe Kind aus in ihren Augen; immerhin trennten sie sieben Jahre! Es frustrierte sie zutiefst und in einer angespannten Situation wie dieser mit der Organisation konnte sie es einfach nicht richtig verdrängen und weitermachen. War Mireille Bouquet also doch mit den Soldats im Bunde? Aber selbst dann konnte sie das doch normalerweise nicht wissen. Die genaue Aufteilung der Agenten, wer sich an wessen Fersen heften sollte, war doch erst kurzfristig unter den dreien geregelt worden. Es mag an ihrer Wut und damit leichter innerer Unruhe gelegen haben, dass sie nicht auf die einfachste Lösung kam. Wissend, dass das FBI hier war wegen Rena Mizunashi, war die Aussage mit den Fernsehteams eine offensichtliche Falle, mit der die junge Referendarin ihrer älteren Kollegin nicht nur ihre Intentionen entlockte, sondern gleichzeitig sie vollkommen in die Irre führte.

'Damn you, when I'll find you...'

„Entschuldigt die Verspätung.“, begrüßte sie Akai nach bestimmt einer Minute Wartezeit.

„Aber ich habe gerade einem sehr interessanten Gespräch beigewohnt.“

„Zwischen wem?“, reagierte Black neugierig und scharf, als wäre ihm der eine Satz schon zu viel Smalltalk.

„Hideichi Kanin und Gin!“

„Was?!“, kam es von beiden gleichzeitig. Akai erklärte ihnen sachlich und präzise, was er aus sicherer Entfernung mitbekommen hatte über die Diskussion der beiden. Er hatte sie umgehend, nachdem Gin gegangen war, auch verlassen und den Anruf entgegen genommen.

„Hmm... ja das deckt sich mit meinen Beobachtungen.“, stellte Black nachdenklich fest.

„Haben Sie die Scharfschützen also ausfindig gemacht, Chef?“

„Im Prinzip ja. Aber sie haben sich gut getarnt. Dennoch fand ich irgendwann Chianti in einem der Gebäude zur Südostseite, und auf der Südwestseite, ziemlich genau 90° dazu, Korn. Beide haben exakt als das Feuerwerk losging, geschossen, allerdings nicht Richtung Park, sondern parallel zu den Häuserwänden.“

„Das sind dann wohl die Scharfschützen von Herrn Kanin... gewesen...“ Jodie klang sichtlich unzufrieden, dass bereits zwei Leute von der Organisation getötet worden waren, ohne dass sie überhaupt etwas tun konnten. Irgendwo war ihre Arbeit jetzt schon teilweise als Misserfolg zu werten.

„Daraufhin visierten beide einen gemeinsamen Punkt im Park an und schossen ein paar Minuten später leicht zeitverzögert.“

„Der Zigaretten-Trick, schon klar. Das heißt also, Kanin weiß von der Organisation und sie will ihn erpressen. Umgekehrt scheint er auch genug Informationen über sie zu haben, um zum Gegenschlag ausholen zu können... wenn er will.“, analysierte Akai ruhig.

„Du meinst, wir sollten ihn selbst mal genauer unter die Lupe nehmen, Shuichi?“ Der Agent zögerte einen Moment, bevor er antwortete.

„Nein... nein wohl eher nicht. Es scheint, als könne er... noch alles abstreiten und die Organisation wird ihm sicher nicht freiwillig mehr Informationen als nötig geben.“ Sein Chef bemerkte es sofort, dass seinen besten Mann erneut etwas beschäftigte und, dass es in diesem Fall ernst war.

„Dich bedrückt etwas, hab ich recht?“

„Mehrere Dinge an dem Gespräch waren mir nicht ganz koscher. Wenn Kanin wirklich im Stande ist, die Organisation auffliegen zu lassen – und die Organisation auch überzeugt ist, er wollte es – warum tut er es nicht? Dass er zögert, klingt eher so, als biedere er sich ihnen an, als wollte er mit ihnen Geschäfte machen. Gleichzeitig lehnte er so strickt ab. Insbesondere die Scharfschützen kann man ja fast nur so interpretieren, dass er um sein Leben fürchtet. Das klingt wie ein riesiger Bluff. Ich sehe nur nicht, wie das in irgendeiner Form Sinn macht...“

„Vielleicht will er sie im großen Stil überführen?“

„Habe ich auch schon gedacht... es passt zu dieser Bemerkung, dass er hoch hinaus wolle, wie Gin es sagte.“

Jodie schluckte.

„Ihr meint, er will hier, vor allen Leuten die Organisation überführen, um als Held dazustehen und das als Sprungbrett für seine Karriere zu nutzen?

... Geht das denn so einfach?“

„Ich glaube nicht...“, gab Akai nachsinnend zurück.

„Das ist nicht einfach nur ein verdammt gefährliches Spiel. Es ist, selbst wenn er sie stellt, zum Scheitern verurteilt. Erstmal hat er sich über mindestens ein dutzend Gesetze dafür hinweg gesetzt und mit seinen Scharfschützen schon zweimal fahrlässige Tötung begangen. Außerdem ist hier nicht die ganze Organisation, sie ist lediglich vertreten. Insbesondere ist nicht ihr Boss da. Selbst wenn mit Gin einer der klügsten Köpfe der Organisation aus dem Verkehr gezogen wird, bleibt sie immer noch mächtig und Kanin würde sich zur zentralen Zielscheibe machen. Es funktioniert so einfach nicht...“

„Vielleicht überschätzt die Organisation seine Möglichkeiten doch etwas.“, warf Black ein. „Das würde dem Gedanken des Bluffs nahe kommen.“

„Denkbar. Dafür ist diesen Leuten ihre persönliche Diskretion einfach zu wichtig, als dass sie Risiken eingehen oder solche Gefahren halbherzig behandeln würden...“

„Und dann machte auch eine große Enthüllung noch Sinn...“, gab Jodie zu bedenken.

„Schon, ihr habt ja Recht, nur... ist die Organisation so dumm, ihm so in die Falle zu laufen? Oder umgekehrt gefragt, wenn sie sogar schon seine Scharfschützen entdeckten und sofort töten konnten, welche Trümpfe hat Kanin dann noch in der Hinterhand? Oder war es das schon?

Irgendwie ist es fast zu geradlinig, meine ich.“

„Und was ist dann deine Theorie, Shuichi?“, hakte sein Vorgesetzter nur umso interessierter nach.

„Das ist es ja, ich habe so recht keine, die mir sinnvoll erscheint. Und das ist noch nicht mal das essentielle Problem bei diesem Gespräch...“

„Wie, nicht? Was denn noch?“

„Die Sache mit den Motiven und Fallen kann ich dahin gestellt sein lassen. Dass es eine logisch beste, eine optimale Methode gibt, heißt nicht, dass sie auch ausgeführt wird. Sprich, Kanin oder die Organisation oder beide mögen einfach nicht lange genug drüber nachgedacht haben.

Was mich viel mehr stört, war Gins Formulierung am Ende:

'Vielleicht interessiert ja die Aktionäre Ihrer Firma, welche Geschäftsführung eigentlich ihr Unternehmen leitet...

Oder eben bald... nicht mehr.'

Wie klingt das für euch?“

Einen Augenblick trat Stille ein. Jodie meldete sich nach einer Weile zu Wort.

„So, als gäbe es eine geheime, feindliche Übernahme und eine andere Firma leitet die Kanin-Gruppe im Schatten.“

„Maybe not that drastically...“, konterte Black nach einem weiteren Moment Ruhe.

„Mehr so, als ob da allgemein noch andere Leute mit im Boot säßen, die nicht offiziell bezahlt würden... Schattenmänner allemal. Ah... I get it. Kanin hat vermutlich einige sehr dubiose Mitarbeiter in seinen Reihen, vielleicht die Mafia, und mit denen wollen die Aktionäre natürlich nichts zu tun haben... oder sogar die Organisation selbst... who knows...“ Als er selber nachdenklich wieder in Schweigen verfiel, musste Akai resignierend schmunzeln.

„Ihr stimmt mir also zu, dass diese Aussage so diffus und allgemein ist, dass man als Außenstehender keine Ahnung hat, was genau damit gemeint sein könnte.“

Er atmete lange aus und ein, ließ den Gedanken wirken.

„Es ist mehr als ungewöhnlich für Gin, etwas so schwammig auszudrücken. Warum?“

„Hast du eine Idee?“

„Mhm...“, gab er missmutig zurück.

„Das bedeutet, wir haben quasi nichts neues aus diesem Gespräch erfahren.“ Black war sichtbar unzufrieden damit, auch wenn er es gewollt reaktionsarm feststellte. Eine ganze Weile ließ er seine Finger seine Stirn massieren.

„Das heißt, wir müssen sehen, ob wir über andere Wege an Informationen kommen. Shuichi, du bleibst in Kanins Nähe. Offenbar hat er noch ein paar Züge in petto, und da scheinen wir dann wenigstens an der Quelle zu sitzen.

Jodie, wie sieht es bei dir aus? Wir müssen Rena Mizunashi irgendwie kontaktieren. Sie sollte wissen, was genau die Organisation plant.“

Die Agentin hatte über die Ausführungen und Schlussfolgerungen ihres Kollegen beinahe schon ihre eigenen Probleme vergessen und fuhr bei der Erinnerung deutlich hoch.

„Ah... das Fernsehteam. Also, Chef... es ist so, ich hab das Team vor ein paar Minuten gefunden. Sie beendeten gerade wohl Abbauarbeiten an einem Set... aber Rena Mizunashi ist nicht da.“

„Wie, nicht da?“ Ein unbestimmt negatives Gefühl überkam ihn.

„Also, ich habe einen von denen von der Seite angesprochen, mich als Fan ausgegeben. Er sagte, sie warteten nur noch auf Rena, die mal kurz weg musste. Das sei aber schon eine Weile her. Ich habe den Ort, den sie offiziell aufsuchte, überprüft, da war sie nirgends.“

Jodie verschwieg, was sie nicht für erwähnenswert hielt, dass sie auch an der angeblich defekten Toilette geklopft und versucht hatte etwas zu hören, aber keinerlei Reaktion bekam. Sie war ausgebildet genug um zu wissen, dass sie unnötig ihre Tarnung auffliegen lassen würde, wenn gerade sie ein vermutlich einfach kaputtes WC gewaltsam zu öffnen versuchte. Und außerdem machte es für sie keinerlei Sinn, warum Kir darin eingeschlossen sein sollte.

„Vermutlich wurde sie von der Organisation für ihren Teil der Arbeit abkommandiert.“

„Wäre das nicht höchst unprofessionell?“, hakte Black ein.

„Damit lenkt man doch die Aufmerksamkeit stark auf sie und bewirkt, dass die Polizei aktiv wird.“

„Nicht unbedingt... was wenn es ein Ablenkungsmanöver ist, gerade um die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, damit der Rest von ihnen freie Hand hat.“

„Ein Ablenkungsmanöver gegen die Polizei? Meinst du das, Shuichi?“

„Oder... gegen uns. Oder gegen beide, die Polizei und uns...

Nichtsdestotrotz werden sie Rena Mizunashi sich wohl kaum einfach verstecken lassen, dafür hat sie zu viele Qualitäten. Ich denke schon, dass Jodie recht hat, Kir in ihre Pläne eingespannt ist und am Ende eben irgendwo mit ner banalen Erklärung für ihr Verschwinden wieder auftaucht, was die Polizei beruhigt, während die Täter unbehelligt das Gelände verlassen.“

Jodie beobachtete aufmerksam das Treiben des Fernsehteams.

„Nichiuri-TV scheint auf jeden Fall allmählich unruhig zu werden. Zwei Personen sind gerade in Richtung des WC-Bereichs losgegangen. Wenn sie sie dort nicht finden, werden sie ganz sicher die Polizei verständigen...“

„Du solltest wohl trotzdem in deren Nähe bleiben. Wenn sie wirklich die Polizei einschalten, können wir ihre Schritte mit kontrollieren und unnötigem Kontakt mit den Behörden aus dem Weg gehen.“

„Sag mal, Jodie...“, fragte Akai auf einmal verwundert nach.

„Wie lange warten die denn da schon?“ Er sah auf seine Uhr. Mittlerweile war es fünfzehn Minuten seit dem Feuerwerk, also fünfundvierzig Minuten seit sie sich getrennt hatten.“

„Ähm... ich weiß es nicht, ich bin noch gar nicht so lange hier, zehn Minuten höchstens.“

„WHAT??? What the hell happened?“ Black konnte sich kaum beherrschen, vergaß für einen Moment ganz sein japanisch.

„Jemand hatte mich in eine falsche Richtung geschickt und ich bin quasi einmal um den ganzen Park gerannt.“

„Wer hat dich in eine falsche Richtung geschickt?“

„Mireille Bouquet.“ Nun wurde auch Akai wieder aufmerksam.

„Diese angebliche Referendarin an der Teitan-Oberschule? Die in Wirklichkeit...“

„... eine Auftragsmörderin ist. Exakt die!“ Man hörte förmlich, wie Jodies Zähne knirschten, als sie versuchte sich beim Gedanken daran zu beruhigen.

„Ich traf sie zufällig auf dem Weg und fragte unschuldig, ob man hier irgendwo was interessantes sehen könnte und sie wies mich auf einen Weg, an dem Fernsehteams ihre Sets aufgebaut hatten.“

„Hm... eine ziemlich offensichtliche Falle, nicht?“, musste Akai ironisch grinsend zugeben.

„Rückblickend, vielleicht ja, aber ich ging nicht davon aus, dass sie wusste, wen genau ich suchte. Außerdem fragte ich gar nicht nach dem Fernsehen, sondern nur allgemein.

...Und letztlich...“ Sie biss ich fast auf die Zunge.

„Letztlich hatte sie nicht mal gelogen. Dort waren mehrere Sender, nacheinander vertreten. Nur eben nicht Nichiuri-TV, die waren gerade halt wo ganz anders. Und weil sich das so verlief, bin ich dem Weg noch ne ganze Weile gefolgt, bis ich tatsächlich am Ende des Parks war und umkehren musste.“

„Mireille Bouquet... ist hier.“, gab Black geistesabwesend als einzigen Kommentar ab. Er hatte schon seit diesem Namen nur noch halbherzig zugehört. Wenn überhaupt.

„Das heißt dann also...“, sinnierte Akai,

„... dass unsere Informationen korrekt sind und sie eine Soldats ist.“

„Scheinbar, auch wenn das merkwürdig ist, immerhin wurden doch laut Aussage des kleinen Mädchens ihre Eltern von den Soldats getötet. Weiß sie das womöglich nicht?“ Man merkte, wie für einen kurzen Moment, länger aber auch nicht, Mitleid in Jodies Stimme mitschwang. Dem folgte eben das Unverständnis, welches sie genau für diesen Gedanken hatte, dass Mireille eine Soldats sein sollte und den Mördern ihrer Eltern half.

Ein lautes Seufzen klang durch den Hörer, bevor sie fortfuhr.

„Ich habe sie zwar nicht gesehen, aber laut ihrer Aussage ist auch Kirika Yuumura jetzt hier im Park.“

„Beide also.“ Erneut klang James Black ungewöhnlich ruhig, nachdenklich, nicht ganz bei der Sache. Es fiel beiden auf, aber Akai versuchte es zu ignorieren und den Aspekt in seine Überlegungen einfließen zu lassen.

„Das heißt, wir müssen die beiden miteinkalkulieren, Boss. Und vermutlich wissen sie sogar genaueres darüber, was die Organisation plant.“

„Ich stimme Shuichi zu. Ich denke, ich sollte mich eher auf die Suche nach Bouquet machen und mich an ihre Fersen...“

„Gar nichts wirst du, Jodie!“, unterbrach sie der alte Mann so scharf, als sei er gerade aus einer Trance aufgewacht.

„Wie?“, konnte sie, ebenso erschreckt, nur reagieren.

Er suchte seine Ruhe.

„Wir haben genug Probleme, nicht genau über die Organisation Bescheid zu wissen. Auch wenn es blauäugig und nachlässig erscheint, es ist auch möglich, dass Mireille Bouquet tatsächlich von sich aus hier ist. Und du hast keinen Beweis, dass sie dich absichtlich in eine falsche Richtung lockte, das hast du selbst gerade gesagt.

Ohne weiteres wirst du dich einem professionellen Mörder nicht nähern, ist das klar?“

„But James...“

„Keine Widerrede, Jodie!“, Diesmal wurde er noch lauter, weit mehr als er wollte, drosselte seinen Puls mit aller Gewalt.

„Das gilt auch für dich, Shuichi. Ihr werdet euch den beiden nicht ohne weiteres nähern! Das ist ein klarer Befehl, verstanden?“ Einen Augenblick trat Stille ein, auch wenn beide Agenten sofort wussten, dass sie mit ihrem Vorgesetzten unter diesen Umständen nicht diskutieren konnten.

„... Natürlich, Chef.“, gab Akai ohne großartig auffällige Regung in der Stimme zurück. Auf Jodies Seite blieb es noch einen weiteren Moment stumm, bis, relativ leise,

„... Yes... Sir... understood.“ folgte.

„OK. Es bleibt bei den vorläufigen Punkten. Shuichi, du behältst Kanin im Auge und überwachst seine Schritte. Sollte er welche unternehmen, wird sich die Organisation sicher noch einmal bei ihm blicken lassen.“

„Verstanden.“

„Jodie, du bleibst in der Nähe des Fernsehteams, Beziehungsweise, wenn sie dann zur Polizei gehen, bleibst du in deren Nähe. Da wir eh mittlerweile offiziell hier sind, können wir ihnen vielleicht sogar halbwegs ungehindert unter die Arme greifen. Das soll aber nicht primär unser Ziel sein.“

„Äh... verstanden, Sir.“

„Und achte auch darauf, ob nicht doch noch ein paar schwarze Gestalten auftauchen...“

„Warum...?“

„Naja, vielleicht war es ja nicht die Organisation, die für Kirs Abwesenheit verantwortlich ist.“

„You mean...“

„Nur so ein Gedanke, Jodie...

Ich schaue mal, ob ich das 'wahre Ziel' der Scharfschützen der Organisation ausfindig machen kann.“

Dann legte er auf.
 

„Wirklich, kein schlechter Schuss.“, bemerkte Gin. Nachdem er Hideichi Kanin allein gelassen hatte und etwas außer Reichweite war, begann er seine eigene kleine Telefonkonferenz mit Korn, Chianti und Scotch.

„Ein Kompliment von dir, wie kommen wir zu der Ehre?“, zischte Chianti mit einem Hauch Ironie.

„Werd' nicht überheblich!“ kam die Antwort, die auch ohne Emotion genug Drohung hatte, um der Frau ihr Lächeln im Hals zu ersticken.

„Schauspielkunst basiert auf gutem Timing und das eben sollte sowohl Herrn Kanin als auch Shuichi Akai überzeugt haben.“

„Er war also wie erwartet da?“, erkundigte sich Korn gewohnt kühl.

„Ja. Er hatte sich zwar gut getarnt, aber zu glauben, dass ich ihn nicht bemerke, war wirklich töricht.“

Er musste sich ein offenes Lachen verkneifen.

'Na, Akai, waren das genug Informationen für dich? Komm' ruhig in unsere Falle, das Blutbad ist schon bereitet...'

Es war alles schon fast zu einfach. Etwas, was ihm letztlich mehr Sorge als Freude bereitete.

„Wie steht es mit der Suche für Phase 2?“, knurrte er wieder ernst.

„Die Zielperson ist im Prinzip ausgemacht, hat sich aber im Moment noch etwas versteckt auf einem kleinen Markt. Das sollte aber nicht mehr lange so gehen. Und wenn ich einmal mein Zielfernrohr richtig positioniert habe, gibt es kein Entrinnen mehr.“

„Mhm.“ Er sinnierte kurz die weiteren Schritte im Plan. Es war wirklich etwas nervig, dass die Absicherung durch Kir fehlte. Irgendwie kam er von dem Gedanken nicht los. Was wenn dieser unglaubliche Fall eintrat...

„Wie sieht es bei dir aus, Scotch?“

„Also... ich fürchte fast, das FBI hat Kir irgendwie erwischt.“

„Was? Wie kommst du darauf?“

„Nun, das Kamerateam habe ich gefunden, und die wirken alle allmählich verunsichert, weil Kir nur mal kurz weg wollte, aber seit ner Viertelstunde nicht mehr wieder kommt und auch nicht da ist, wo sie sie erwarteten. Sie wollen wohl demnächst die Polizei einschalten.“

„Mhm... und warum sollte gerade das FBI dahinter stecken?“

„Ich habe mich als Fan von Rena Mizunashi ausgegeben und nach ihr gefragt. Die meinten eine blonde Ausländerin mit amerikanischem Akzent hätte schon mal nach ihr gefragt und sei in die gleiche Richtung verschwunden.“

„Jodie Starling.“

„Vermutlich. Ihr Bild war ja in unserer Datenbank, weswegen ich es mir für den Auftrag extra eingeprägt hatte.“ Ein perfides Lächeln trat in Gins Blick.

„Bleib in der Nähe des Fernsehteams, Scotch, aber halte dich versteckt.“

„Äh... ja, aber... wieso?“

„Ganz einfach. Ich glaube, wenn das FBI sich die Mühe macht eine Zivilperson, ohne nötige Beweise, festzusetzen und dabei riskiert, von der Polizei enttarnt zu werden, dann erwarten sie auch, dass wir selber nach Kir suchen. Sprich, dass wir dahin kommen.

Ich wette, irgendein FBI-Agent, womöglich Starling selbst, beobachtet dich bereits aus der Entfernung und wartet auf deinen nächsten Schritt.“

„Was... aber ich habe...“

„Bleib ruhig, Scotch!“, befahl ihm Gin scharf.

„Dreh dich nicht um und vor allem komm vorläufig nicht zu mir zurück. Du kennst den Plan, vermeide alle Orte, die auch nur in der Nähe unserer weiteren Aufenthaltsorte sind. Lassen wir das FBI doch einfach etwas Katz und Maus spielen, wobei sie sich für die Katzen halten... Und wenn Chianti und Korn ihre Aufgaben erledigt haben...

dann lockst du die Mäuse aufs offene Feld... und ihr erledigt sie dann endgültig.“

Er legte mit einem breiten Grinsen im Gesicht den Hörer nach letzten Instruktionen wieder auf.

'Jetzt werden wir doch mal sehen, wer hier wirklich Schachfiguren versetzt!'
 

Tatsächlich stellten sich die vielen kleinen Stände, die Ran bemerkt hatte und um die sich am Eröffnungstag schnell eine Traube an Menschen gebildet hatte, als ein Markt heraus, der innerhalb des Parkgeländes fungierte. Ein Kunstgewerbemarkt, wie ihr und ihrem Vater schnell klar wurde. Lederwaren in allen Farbnuancen und Formen reihten sich an edle Webstoffe, gefolgt von Glasbläserwerken, Porzellan und Ton, und vieles mehr. Für Ran ein Traum, für ihren Vater eher zum Gähnen.

Nichtsdestotrotz ließ er sich von einem Stand zum nächsten mit schleifen, es war ja heute für einen guten Zweck. Für seine Tochter. Und er konnte es endlich wieder sehen, diese neugierige Vorfreude, die er von ihr so kannte, und die ihn immer wieder selber erfreute. Es waren die herzlichsten Momente, die er als Vater kannte, wenn seine Ran mal alle Probleme ihres Umfeldes vergaß, und sich einfach freute... wie ein Kind eben.

'Das ist aber wohl bei nahezu allen Eltern so.', stellte er schmunzelnd fest. So genoss auch er das Feuerwerk zwischendurch, welches ihr so ein beständiges Leuchten in die Augen zauberte. Und so konnte er ihr auch mit wohligem Gefühl dabei zusehen, wie sie sich nach dessen Abklingen länger bei den selbstgestrickten Wollschals umsah.

Er blickte sich um, suchte nach Ständen, die ihn womöglich auch interessieren könnten und blieb bei einem ungewöhnlich weit ausgebreiteten hängen, der offenbar auch einiges an Menschen anzog.

„Wie wär' es mit dem als nächstes, Mausebein?“, schlug er vor, als Ran mit einem breiten Lächeln und einem roten Schall in einer kleinen Papiertüte in der Hand vom Wollstand wieder zu ihm kam.

„Sieht irgendwie nach... Keramik aus. Oder... nein, kleine Skulpturen...“ Er konnte es noch nicht so richtig einordnen.

„Lass uns doch fragen, wenn es so auffällig ist.“

Bei näherer Betrachtung wirkte dieser große Stand noch breiter als vorher, und obwohl sicher zwanzig Leute herum standen konnte jeder wunderbar sehen und sich ein Stück, das ihn interessierte heraus greifen. Und nun wusste auch Ran, warum ihr Vater solche Probleme hatte, die Produkte zuzuordnen. Es war nicht einheitlich, im Gegenteil, es glich eher einer Schmucksteinabteilung in einem Großmarkt, bei der man vor einem Sortiment aus vielen bunten Kisten stand und jede in ihrer eigenen Farbe leuchtete.

Der Tresen hier war in viele lange Spalten aufgeteilt, jede durch eine kleine Holzlatte getrennt. Jede Spalte war mit vielen kleinen Keramiken, aber auch Schnitzereien, Bronzen oder ähnlichem eng zugestellt; größtenteils – vielleicht sogar alles – Handarbeit. Es schien keinerlei System bei der Anordnung zu geben, zumindest nicht aus Sicht der Moris. In jeder Kiste schien von der Art her alles mögliche zu sein, jedoch nicht zwei gleiche Objekte in verschiedenen Bereichen. An jedem Abteil prangerte oben und unten ein provisorischer Papierzettel, auf dem pro Spalte immer etwas anderes stand. Die beiden kamen am rechten Ende des Stands an und lasen darauf 'Jomon'.

„Jomon?“ Kogoro sinnierte kurz.

„Das hab ich doch schon mal gehört...“

„Meine ich auch.“

„Das ist die früheste, datierte Kunstepoche Japans. Seit etwa vor 13000 Jahren.“ Sie sahen auf und blickten in die offenen, durchdringenden Augen des älteren Verkäufers des Standes. Ein Mann sicher über 60, der sich aber rüstig hinstellte und ein ehrliches Lächeln für seine neuesten Kunden bewies.

Kogoro sah, von der Antwort angeregt, rüber zum nächsten Bereich des Tresen und las laut

„Yayoi“ vor.

„Natürlich, die einzelnen Kunstepochen Japans, daher kannte ich das.“ Er schlug sich symbolisch die rechte Faust in die linke Hand. Ran musste nur zustimmend nicken.

„Und das erklärt dann wohl auch die lange Tafel hier. Es gibt nämlich 13 Kunstepochen in Japan, hatte zumindest unser Kunstlehrer mal erwähnt. Aber gemerkt habe ich mir die damals nicht.“

„Ach, und du willst Künstler besuchen?“, gab Kogoro schlagfertig zurück.

„Jetzt sei nicht so kleinkariert, Paps!“

Er wandte sich wieder dem Verkäufer zu.

„Ähm... OK, die Kunstepochen, aber, was genau verkaufen Sie hier? Das sind doch keine Original-Kunstgegenstände von vor Tausenden von Jahren, oder?“

Der alte Mann lächelte ironisch.

„Nein, das sicher nicht. Hätte ich so viele archäologisch bedeutsame Funde in meinem Privatbesitz, würde ich jetzt sicher nicht hier stehen und sie für solche Preise verkaufen. Ich bin hauptberuflich Betreiber einer kleinen Werkstatt für Skulpturen, Plastiken und Tonwaren. Da ich auch sehr viel an der geschichtlichen Entwicklung der Kunst in Japan interessiert war, ersinnte ich irgendwann die Idee, mit ein paar meiner besten Studenten Kunstwerke im Stil dieser Epochen zu machen. Kleine Figuren aus bearbeitbarem Gestein, Ton, Holz, ein paar Töpfe, was man heutzutage gerne mal kauft, aber im Stil der jeweiligen Epochen eben. Von weitem ist es wohl mehr ein Kuriositätengeschäft ohne viel System, aber für ein Künstlerauge ist es eben eine Reise in die Vergangenheit.“
 

„Naja... teilweise zumindest, würde ich sagen.“

Verwundert blickten alle umstehenden zur Seite. Ein Junge, etwa sieben Jahre alt mit einer Umhängetasche, stand vor dem Bereich der Yayoi-Epoche und hielt eine Keramik-Vase in den Händen, die er skeptisch, man mochte meinen, missmutig begutachtete. Sein Blick zeigte aber auch Enttäuschung und eine gewisse Egalität. Es war, was Ran direkt ins Auge sprang, direkt... 'Unwirklich... unkindlich... wie bei... Conan.'

„Wie meinst du das denn, mein Kleiner, wieso 'teilweise'?“, fragte der Verkäufer freundlich nach. Der brünette Junge wendete die Vase vorsichtig in seinen Händen, wählte offenbar mit Bedacht seine Worte.

„Nun, ich weiß ja nicht, wie gut Ihre Studenten im Allgemeinen sind, aber denjenigen, der dieses Stück gemacht hat, sollten Sie ernsthaft mal auf seine Kunstgeschichtskenntnisse hin überprüfen.“ Er reichte ihm die Vase und auch der Meister warf nun einen akribischen Blick darauf.

„Sieht doch nach einer sehr schönen Yayoi-Vase aus. Man erkennt deutlich den frühen, damals technisch überlegenen, chinesischen Einfluss in der Herstellungsweise, sowie die typisch japanische, ovale Öffnung, die damals in Mode war.“

„Ja, allerdings auch viel bemustert.“, konterte der Junge trocken. „Vielleicht etwas zu viel Motiv darauf. Die Yayoi-Ära stellte zwar schon hochwertige Bilder von Menschen und Gottheiten her, jedoch sparsam auf solchen Keramiken. Das gehört doch eher in die Jomon-Zeit von früher.“ Der Künstler lächelte verschmitzt.

„Respekt, du scheinst dich für so etwas zu interessieren, was? Stimmt, es passt in die Jomon-Periode, aber diese beiden Epochen verschmolzen miteinander, und da der Einfluss hin zu Yayoi von China, also aus dem Westen her kam, breitete er sich nur langsam nach Osten aus, wo diese Formen sich vermischten und daher...“ Plötzlich stockte er, seine Augen weiteten sich erschrocken. Er blickte leicht unsicher zu dem kleinen Jungen, der mittlerweile ungeteilte Aufmerksamkeit genoss, aber dennoch seinen ruhigen, desinteressierten Blick behielt und die Hände in seinen Hosentaschen verschwinden ließ.

„Genau das meinte ich. Das Motiv selbst ist das Problem.“ Ran und ihr Vater beugten sich etwas nach vorne, um die farbigen Muster, die die Vase verzierten, selber sehen zu können. Es schien eine Landschaft dargestellt zu sein, genauer, ein Strand, von dem man aufs Meer blickte und am Horizont eine andere Küste sah, über der die Sonne stand.

„Im Osten Japans gibt es keine nahen Inseln, die man am Horizont sieht, sondern nur 10000 Kilometer Pazifik und ein dem japanischen Volk damals unbekannter Kontinent. Das Bild stammt von der Westküste und zeigt den Ursprung der damaligen Yayoi-Kultur, gekommen aus China, über welchem die Sonne steht. Es ist nicht vollkommen abwegig, sich einen Künstler vorzustellen, der im Osten die ganze Geschichte der Entwicklung so mitbekommen hat und dann solche Motive sich ausdachte, aber in dieser Kombination eigentlich doch so ungewöhnlich, dass ein Kunsthistoriker schon so seine Schwierigkeiten damit hätte.“

Der alte Mann schluckte einmal kurz, verzog ein wenig seine Miene, musste am Ende aber schmunzeln.

„Tja, da hast du mich ja rangekriegt, mein Kleiner. Man muss den jungen Leuten halt doch öfter auf die Finger schauen. War vielleicht doch keine so gute Idee, wenn man nicht sorgfältige Hilfe hat.“

„Ach, ich finde Ihre Idee schon sehr gut, aber wie Sie selber sagen, stellen Sie gute Leute ein, dann klappt das auch. Aber sagen Sie, wenn diese Vase eh nicht ganz in das Sortiment passt, kann ich Sie dann vielleicht haben für... sagen wir 1000 Yen?“

Verdutzt sah ihn der Verkäufer an, wohl wissend, dass der eigentliche Preis doppelt so hoch angesetzt war.

„Du bist ja ein wirklich gewiefter Geschäftsmann. Aber wer mich so entlarvt, dem kann ich wohl nichts abschlagen, hier bitte sehr.“

„Danke schön, Herr Verkäufer!“ Er gab ihm das Geld, der alte Mann wickelte die Vase in Papier, und der kleine Junge packte sie in seine Umhängetasche ein.

„Hast du das gesehen?“, fragte Ran ihren Vater leise von der Seite. Der blies genervt Luft durch seinen Schnauzbart.

„Ja, es gibt tatsächlich einen zweiten Bengel, der so nervig und neunmalklug ist, wie Conan. Dann muss ich mich wenigstens bei ihm über nichts mehr wundern.“

„Wie... bei Conan?“ Auch ihr war diese ungewöhnliche Art, die dem kleinen Untermieter bei ihnen so ähnlich war, nicht entgangen. Und hätte sie bis vor einiger Zeit wohl genauso – wenn auch nicht mit negativem Unterton – diesen Vergleich kommentiert, so jagte es ihr jetzt einen nicht zu kleinen Schauer über den Rücken. Denn sie wusste, oder war zumindest überzeugt, den Grund zu kennen, warum Conan so ein eigenartiges Kind war.

Weil er kein Kind war! Er war ein Erwachsener, der ein Kind spielte. Und der ab und an, öfter als ihm lieb sein konnte, aus dieser Rolle herausfiel, was einem unwissenden Erwachsenen einfach nur komisch vorkam.

Sie schüttelte sich.

'Nein, Ran, Blödsinn. Mach dich nicht lächerlich. Conan mag Shinichi sein, aber es laufen doch nicht noch mehr solche Kinder so herum, außer Ai. Schließlich ist der Grund bei ihm...' Sie zögerte kurz, als sie sich an die Gespräche mit Mamoru Ietasu erinnerte. Er meinte doch, dass nicht der Professor Shinichi verjüngt habe, sondern eher diese Leute, hinter denen er her war. Warum auch immer sie eine solch abstruse Variante wählten, ihn unschädlich zu machen. Also wäre es auch nicht ausgeschlossen, dass sie noch mehr...

Unwillkürlich trieb sie ihre Neugier, ließ ihre Vorsicht vergehen.

„Hallo, mein Kleiner? Warte mal kurz!“, rief sie ihm, zur Überraschung Kogoros, hinterher und als er sich verwundert umdrehte, ging sie schnurstracks auf ihn zu.

„Äh... ja?“ Der kleine Junge blickte sie unsicher an, zeigte keinerlei Reaktion, außer Verwunderung.

„Sag mal, das war ja eben beeindruckend, die Show.“ Das Unwohlsein in seinem Gesicht wich einem verlegenen Lächeln, woraufhin er sich gekonnt am Kopf kratzte.

„Ach das... ich wollte ihm nur eine kleine Hilfestellung geben. Wäre doch schade, wenn jemand anderes kommt, der mehr Seriosität als ein kleiner Junge hat und ihm damit sein Geschäft ruiniert.“

„Aha, dann muss er sich also bei dir bedanken, was?“ Sie grinste ihm kindlich fröhlich entgegen, um jedwede Scheu zu vertreiben, die er haben könnte.

„Aber sag mal, interessierst du dich denn in deinem Alter schon so sehr für Kunst?“

„Was... ach nein, eigentlich nicht wirklich.“ Etwas mehr wurden Ran's Gedanken in eine dunkle Ecke gedrängt, die ihr missfiel.

„Aber woher wusstest du dann so gut darüber Bescheid?“

„Ich... also ich hab es mal im Fernsehen gesehen.“ Bei den Worten schreckten sowohl Ran als auch ihr Vater zurück. Kogoro beugte sich nun auch nach vorne und musterte den kleinen Jungen streng.

„Sag mal, du kennst nicht zufällig einen Jungen in deinem Alter, der auf den Namen Conan Edogawa hört, oder?“

Sein Blick wandelte sich wieder zu Unverständnis, gepaart mit ein wenig Mitleid für die merkwürdigen Fragen.

„Also... sollte ich jemanden mit einem so komischen Namen kennen, wüsste ich es. Dementsprechend... nein. Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Sie werden mir doch etwas aufdringlich. Immerhin kenne ich Sie gar nicht“ Damit spazierte er wieder los.

„Halt mal kurz.“, rief ihm Ran noch zu. Er blieb sogar stehen, drehte sich nochmal um.

„Was ist denn noch?“

„Entschuldige, wenn wir dich erschreckt haben. Meine Name ist Ran. Ran Mori. Und wie heißt du?“

„Shinto Ajusawa. Mach's gut, Ran.“
 

„Ah, da ist ja unsere Zielperson!“, freute sich Chianti, als sie diese nach einigem Warten aus der Menge laufen sah und wieder im Objektiv an ihrem Gewehr fixierte. Korn hatte mittlerweile auf einem anderen Gebäude auf der südlichen Seite des Parks Stellung bezogen und stand über Funk in ständigem Kontakt mit ihr.

„Hm...“, grummelte er vor sich hin. „Er sieht wirklich aus, wie ein normaler, kleiner Junge.“

„Unglaublich, stimmt schon. Aber hast du gesehen, wen er da bei sich hat?“

„Ja... Vermouths Lieblingsdetektiv.“

„Das wird ja richtig witzig heute. Ich kann meinen Abzug kaum im Zaum halten.“

„Beruhig dich, Chianti! Vergiss den Plan nicht.“

„Ist ja schon gut. Aber bald schon... bald bist du dranne, Shinto!

Und wenn wir Glück haben, nehmen wir danach gleich noch ein paar unserer anderen Hindernisse mit.“

Shinto Ajusawa

Hallo liebe Lesenden,
 

es freut mich sehr, dass ihr auch weiterhin euch her verirrt, oder sogar gewollt herkommt, um euch dem nächsten Kapitel von 'Blutige Begegnungen' zu widmen.

Zuerst aber einmal danke ich ganz explizit noch einmal allen Kommentarschreibern, die sich immer wieder die Mühe machen, meinen komischen Gehirnwindungen, die sich das hier fabrizierte ausdenken, ein paar schöne Zeilen zu schreiben. Danke sehr. ^______^

Und da war diesmal auch eine mehr als berechtigte Frage dabei: Was macht eigentlich unser Titelheld? Ja, Conan ist seit Kapitel 4 nicht mehr aufgetaucht und ich muss leider auch zugeben, dieses und im Prinzip auch nächstes Kapitel wird er noch... verschwunden bleiben. Zu viele Figuren, um alle gleichzeitig anzusprechen, nehme ich mal kurz als Ausrede. ;p

Nein, im Ernst, er hat einiges gemacht, in der Zwischenzeit und das wird auch noch geklärt werden. Zum gegebenen Zeitpunkt. Es ist halt eine Scharade und da erfährt man nicht alles vorher, ne?

Er wird noch sehr bedeutsam im Laufe der Geschichte, das kann ich garantieren, aber hier soll eben gerade auch Noir mehr in den Vordergrund rücken.
 

Ansonsten... ja, entschuldige ich mich an dieser Stelle vorweg bereits für einen Satz in diesem Kapitel. Ich habe ewig überlegt, ob es irgendeine sinnvolle Alternative gibt, eine Variante, ihn zu umgehen, anders zu formulieren, aber nichts verdeutlicht die Gedanken, Empfindungen, die die Protagonisten in diesem Moment besser trifft, als die dortige „Wortschöpfung“ unserer modernen Gesellschaft. Nur leider... ist es zeitlich etwas... äh... unglücklich. Also bitte, es tut mir ehrlich leid, wenn das jemand an dieser Stelle unpassend findet (ihr werdet es wissen, wenn ihr es lest, ich will nur nicht spoilern), aber es steht in keinerlei Zusammenhang mit den Ereignissen in Japan.
 

Tja, dann kann ich nur noch viel Spaß wünschen mit dem Auftakt zum richtigen Chaos jetzt, wenn sich alles anfängt, um die neue Hauptperson zu drehen: Shinto Ajusawa.
 

Bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet
 

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Kapitel 7: Shinto Ajusawa
 

„Hast du das mitbekommen, Gin?“

„Natürlich.“, gab der blonde Mann in Schwarz mit einem finsteren Lächeln zurück.

„Kogoro Mori ist also auch hier. So eine Überraschung...“

„Und da ist noch so ein junges Mädchen bei ihm, könnte das...“

„Ja. Seine Tochter. Ran Mori, 17.“ Beide Scharfschützen horchten verwundert auf.

„Nach dem Vorfall damals mit Kir und dem FBI habe ich eine Akte zu Kogoro Mori anlegen lassen. Wie gesagt, er ist noch nicht vom Haken... Und selbst, wenn er mit der Wanze damals nichts zu tun gehabt haben sollte, als Detektiv ist er grundsätzlich ein Feind der Organisation und eine potentielle Gefahr, über die man Bescheid wissen sollte.“

„Seine Tochter also...“, stellte Chianti, nicht ohne eine gewisse Genugtuung fest.

„Er ist auch verheiratet, lebt aber getrennt von seiner Frau. Seine Tochter lebt allerdings bei ihm.“

„Mhm... das heißt, wir haben gleich zwei Adressen, an die wir uns wenden können, wenn er mal Probleme machen sollte. Das ist ja fast zu einfach.“ Sie konnte sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen, als sie den beinahe naiv wirkenden Blick des Meisterdetektivs sah. So... unwissend.

„Unterschätze deine Gegner nicht, solange du sie nicht kennst, Chianti!“, konterte Korn scharf, der sich nur diese kleine Emotion leistete, bevor er wieder stiller wurde und in seine übliche Monotonie zurück fiel.

„Ich kenne ihr Gesicht aus der Zeitung. Sie ist in Tokio die Nummer eins in Karate.“

„Stimmt.“, gab Gin ebenso ruhig zurück.

„Sie gilt nicht nur als eines der größten Talente, hinter vorgehaltener Hand wird sie sogar schon als eine zukünftige internationale Hoffnung in dieser Disziplin gehandelt... aber...“ Nun hörte man auch ihn wieder sein Lächeln aufsetzen, „... wenn man weiß, wen man da vor sich hat, kann man sich doch entsprechend darauf vorbereiten, nicht wahr, Chianti?“ Sie verstand den Wink, und als ob die beiden Männer sie am Telefon beobachten konnten, richtete sie das Objektiv zielsicher auf den Kopf von Ran aus. Direkt zwischen die Augen.

„Ja... sicher. Alles Karate der Welt nützt ihr nichts, wenn ich jetzt nur meinen rechten Zeigefinger einen Zentimeter nach hinten bewege...“

„Nein!“, unterbrach Gin sie schneidend.

„Schon gut, man! Ich kenne den Plan doch. Musst nicht immer gleich so aus der Haut fahren.“

„Dann halte dich auch dran! Solange Mori keine offizielle Bedrohung für die Organisation darstellt, kann ich darauf verzichten, ihn unnötig zu einer zu machen. Und der Junge ist jetzt bei ihnen?“

„Sie unterhalten sich an einem Trödelladen. Sieht bis jetzt mehr nach Zufall aus, dass sie sich begegnet sind.“

„Zufall...?“ Man musste kein Hellseher sein, um zu wissen, wie wenig Gin auf dieses Wort gab. Zufälle waren für ihn ein störendes Detail in ausgeklügelten Plänen, welches es auszumerzen galt. Zu verhindern, damit es nicht Überhand nahm und am Ende alles zunichte machte. Und nach allem, was heute schon passiert war, was sich in letzter Zeit so ergeben hatte, immer und immer wieder, um den mysteriösen Stalker der Organisation, der sich jedweder Nachforschung, jedwedem Versuch, ihn ausfindig zu machen, entzog, war ihm ein so gefeierter Meisterdetektiv wie Kogoro Mori, der ausgerechnet hier, ausgerechnet heute, ausgerechnet jetzt, ausgerechnet bei ihrer Zielperson auftauchte... mehr als suspekt.

'Das soll... ein Zufall sein?'

„Sagt mal...“, begann er neugierig und ungewohnt langsam, fast stockend, nach einer Weile des Schweigens, „Seht ihr da noch einen Jungen bei ihnen?“

„Wie, Jungen? Na klar, unsere Zielperson!“

„Nein, einen anderen, dunkles Haar, blaue Augen, große Brille, sieben Jahre.“

Beide suchten etwas verunsichert mit ihren Visieren den Platz um die drei ab, aber eine Person dieser Beschreibung kam nirgends zum Vorschein.

„Äh... nein. Wieso? Wer ist...“

„Ein Untermieter bei Mori. Nicht sein Sohn, sondern der Sohn von Familienfreunden, soweit die offiziellen Aussagen. Ein Junge, der auf den Namen 'Conan Edogawa' hört. Eigentlich weicht er selten von Moris Seite, ist bei praktisch all seinen Fällen mit von der Partie. Caipirinha hatte mich mal auf ihn hingewiesen. Der Kleine soll angeblich auch was drauf haben, was Kriminologie angeht... zumindest laut den Medien.“

„Mhm... du meinst, jemand zweites wie Shinto?!“

„Möglich! Es gibt da so eine Vermutung von oben, was Shinto angeht... es wäre wichtig zu wissen, ob noch so ein Kind herum läuft. Nicht zuletzt... wenn wir Sherry finden wollen.“ Beiden stockte kurzzeitig der Atem. Korn fing sich als erster wieder, aber selbst seine sonst so mechanisch gleichmäßige Stimme zeigte einen kleinen Knacks.

„Das wäre unglaublich, wenn es eine zweite Person wie ihn gäbe...“

„Ich weiß. Aber wie schon gesagt, es sind die Medien, die da viel vorgeben. Es heißt, der Junge hätte einige Raubzüge von Kaito Kid vereitelt. Das kann ja bei dem sonst was bedeuten...“

Er machte eine auffallend lange Kunstpause, die die beiden so interpretierten, dass er selbst seine Überlegungen zu Conan Edogawa im Kopf durchging. Er hielt wohl nicht viel von den Aussagen aus Zeitung und Fernsehen. Zu viele Ungereimtheiten, zu viele unberechenbare Faktoren für seinen Geschmack.

„Du glaubst nicht daran, was?“

„Nein... Was mich am meisten daran stört, wenn Conan Edogawa so gut sein sollte, dass er einem Dieb wie Kaito Kid, dem die Polizei hoffnungslos hinterher jagt, immer wieder seine Beute abnehmen kann, warum hört man außerhalb dieser paar Fälle nicht viel von ihm? Wenn er bei allen Fällen von Mori dabei ist, hat er doch mehr als genug Gelegenheiten, sich auch dort zu profilieren. Wieso kommt da nichts?“

„Vielleicht lässt er sich da indirekt von Mori belehren, wie ein Detektiv ist und bei Kid setzt er es dann in die Tat um?“

„Mhm...“ Man konnte nicht sicher sagen, ob es Desinteresse oder Ablehnung zu Korns Meinung war, die ihn zu dieser kargen Antwort trieb, aber es beendete die Diskussion darüber augenblicklich.

„Jedenfalls wisst ihr jetzt, wie er aussieht. Wenn ihr Conan Edogawa sehen solltet, sagt mir umgehend Bescheid. Wir sollten dann nämlich die Gelegenheit für uns nutzen und ihn mal kennen lernen... diesen 'kleinen Meister'.

Was ist mit Kanins Sicherheitsleuten?“

„Einer hält sich im Dickicht des nahen Waldes etwas versteckt und beobachtet die Szenerie.“, stellte Chianti kühl fest.

„Vermutlich ist er nicht sicher, ob Mori einer von uns ist, oder nicht.“

„Denkbar. Passt aber auf, es werden sicher bald mehr. Und lasst euch nicht sehen.“

Ohne ein weiteres Wort legte er auf, sah kurz gen Himmel und lächelte.

'Das sind keine Zufälle. So viele Zufälle auf einmal gibt es nicht... irgendjemand lenkt uns hier alle zusammen. Und es ist nicht Hideichi Kanin. Du bist auch hier... irgendwo versteckst du dich in diesem riesigen Park... nicht wahr? Herr... Detektiv.' Er zündete sich eine Zigarette an, genoss den beruhigenden, ersten Zug, blies sehr langsam den Qualm durch die Nase aus.

'Du wirst mir heute nicht entkommen.'
 

„Hidemi Hondo wird uns vorläufig keine Probleme mehr bereiten.“, war die nüchterne Begrüßung, die Kirika am Telefon als erstes zu hören bekam.

„Dir auch Hallo, Mireille.“, konterte sie ironisch.

„Entschuldige bitte, Kirika, ich bin wohl schon etwas... in Stimmung... in meinem Modus halt.“

Die jüngere von beiden stutzte ein wenig.

„Es ist aber doch noch gar nichts groß passiert, oder habe ich was verpasst?“

„Stimmt schon, alles nur vorbereitende Züge. Aber die sind beim Schachspiel wesentlich wichtiger als die eigentliche Angriffswelle am Ende. Täusche den Gegner über deine genauen Pläne, bis zum großen Coup, und dann lasse seine Welt über ihm zusammen stürzen, wenn er zu spät erkennt, was eigentlich Sache ist!“

Sie hielt inne, wunderte sich über sich selbst, was sie plötzlich so anstachelte.

„Naja... vielleicht bin ich auch einfach nur so aus der Übung, dass mich das bisschen Aktion schon so... anspannt.“

„Hm hm...“ Sie verkniff sich zwanghaft ein stärkeres Lachen, aber ein wenig schmunzeln musste sie schon, wie sich Mireille manchmal wie eine alte Dame verhielt, die sich über Rheuma beklagte.

„Es gab also keine Probleme bei Kir?“

„Nein, es war alles, wie wir vermutet hatten und wegen des Feuerwerks gab es weder ein Lautstärke- noch ein Zeugenproblem. Und wie ich Miss Starling einschätze, wird sie momentan unfreiwillig mein Alibi übernehmen...“

Nun musste Mireille etwas schmunzeln, wie sie sich die aufkommende Szenerie zwischen Polizei und FBI vorstellte. Wie geradlinig doch bisher alles verlief. Zu geradlinig. So konnte es sicher nicht den ganzen Tag weiter gehen...

„Und was machen Ran und ihr Vater?“ In diesen Satz legte sie dieses unbestimmte, ungute Gefühl, deutlich hinein, so als bitte sie Kirika darum, ihr die Befürchtung zu nehmen. Aber das konnte sie nicht, was an ihrer Kunstpause nach der Frage klar abzulesen war.

„Sie haben den Jungen gefunden.“ Mireille biss sich unsanft auf die Lippen.

Fichtre!“ Da zuckte auch Kirika kurz zurück. Selten, sehr selten, ließ sich Mireille so sehr gehen, hier in Japan mal Französisch zu sprechen und in dieser Sprache zu fluchen. Außerhalb der Schule, in der sie es immerhin unterrichtete, hörte die Japanerin sie fast nie, weil ihr eigenes Französisch deutlich begrenzter war als Mireilles Japanisch und sie sich üblicherweise so unterhielten. Andererseits war es nur zu verständlich. Dass ausgerechnet Ran Shinto begegnen würde, glich einem Super-GAU. Das, was am allerwenigsten passieren sollte, passieren durfte. Die Katastrophe aus Sicht ihrer langfristigen Pläne. Die zentrale Befürchtung, wegen der Mireille Stillschweigen im Brief an Conan forderte.

Resignierend blieb die Korsin stehen, blies sich eine Strähne aus dem Gesicht, schloss die Augen, als könne sie damit die Welt um sich zum Stillstand bringen; sie im Nichts verschwinden lassen.

„Wie die Mücken, die das Licht aufsuchen, welches ihren Untergang besiegelt... so scheint dieses Mädchen förmlich dem Unglück hinterher zu laufen, was?

Sag mir wenigstens, es ist nur Zufall, dass sie sich begegneten und sie trennen sich gleich wieder.“

„Bis eben dachte ich das auch, Mireille... aber...“

Sie stockte, blickte hinter einem Baum, hinter dem sie sich postiert hatte, hervor, beobachtete, wie soeben Shinto weggehen wollte, aber von Ran und Kogoro aufgehalten wurde.

„Es scheint, als erinnerte er sie... und insbesondere Ran... an Conan.“

„Ach hat er...“ Mireille hielt im Satz inne, als ihr der Gedanke plötzlich klar wurde. „Du meinst, sie könnte in Betracht ziehen, dass Shinto wie Conan...“

„Mhm. Ich denke, wenn ich mir ihren Gesichtsausdruck so ansehe, dass sie sogar davon überzeugt ist.“

Unwillig fühlte Mireille etwas an ihrer Stirn, biss sich parallel erneut auf die Lippen. Das durfte doch nicht wahr sein. Dieses Mädchen würde sie ins noch Grab bringen. Ganz sicher.

„Was denkst du, Mireille? Was sollen wir tun? Ich meine, wenn Ran etwas zustößt...“

„Schon klar, dann ist es mit unseren weiteren Plänen Essig. Und ehrlich gesagt, habe ich auch nicht die geringste Lust, sie über die Klinge springen zu lassen.“

„Wir müssen sie nur voneinander trennen. Ich könnte doch 'zufällig' sie treffen und wir gehen gemeinsam irgendwo...“

„Sei nicht albern, Kirika!“, unterbrach sie Mireille ungewöhnlich angespannt.

„Wenn sie wirklich schon überzeugt ist, dass Shinto wie Shinichi Kudo von der Organisation verjüngt wurde, dann wird sie sich von niemandem so leicht von ihm trennen lassen, so viel steht fest.“ Sie konnte es nicht unterdrücken, mit dem linken Daumen bis an ihre Zähne zu fahren, auch wenn sie nicht anfing, daran zu knabbern. So viel Würde wollte sie sich noch bewahren, sich nicht von einer unwissenden Oberschülerin zu einer solchen Nervositätsbekundung herabzulassen.

„Das wäre alles wesentlich einfacher, wenn ihr Kudo gemäß Sonokos Ultimatum mittlerweile reinen Wein eingeschenkt hätte. Aber dagegen spricht ganz klar, dass sie unabhängig zum Park gekommen sind. Er verheimlichte ihr, was er vor hatte und sie läuft blind-links in eine gar nicht für sie präparierte Falle. Es ist doch zum...“

Kirika überlegte eine Weile, ob sie reagieren sollte auf Mireilles Analyse, empfand es aber mehr als einen Monolog, den die Französin eher mit sich selbst als mit dem Gesprächspartner führte.

„Also, was schlägst du vor?“, fragte sie nach einer kurzen Pause unsicher nach.

„Hm... warum... warum lassen wir es nicht ein wenig sich entwickeln?“

„Wie...?“

„Bleib du in ihrer Nähe. Die Pläne der Organisation sehen nicht vor, dass dem Jungen jetzt gleich etwas passiert, das heißt, sie werden auch in ihrer Handlung durch Moris Anwesenheit momentan nur bedingt gestört. Ihn töten können sie sich hier nicht erlauben, dafür sind die Risiken wegen Kanin zu groß.

Kirika..., kümmere du dich eine Weile, versteckt, um Ran. Pass lediglich auf, dass nicht Korn oder Chianti plötzlich auf die Idee kommen, einen der beiden ernsthaft ins Visier zu nehmen. Ansonsten... lasse ich dir da freie Hand, wie du sie etwas... aus der Ruhe bringst.“

Ein schwaches Lächeln breitete sich auf Kirikas Lippen aus.

„Schon klar. Und was machst du?“

„Ich werde meinen geplanten Besuch wohl etwas verzögern und stattdessen zunächst ein paar Leute in die richtige Richtung weiter dirigieren. Wir treffen uns dennoch wie verabredet, ja?“

„OK, bis dann.“

Kirika beendete zuerst das Telefonat, betrachtete dann aber schweigend eine Weile das Display. Sie selbst war unruhig geworden im Laufe der letzten Minuten. Vielleicht sollte sie auch, wie Mireille, die Sache konsequenter, ernsthafter angehen. Sie spürte, wie ihre Hand anfing Druck auf das Handy auszuüben. Anspannung aufbaute.

Sollte Ran etwas zustoßen, würde...

'Dann wäre alles umsonst gewesen!' Nein, das durfte nicht passieren, nicht jetzt und nicht hier; und wenn es sein musste, dann würde sie es auch verhindern. Komme, was da wolle. Auf ihre Art und Weise.

'Tut mir leid, Mireille, aber im Zweifelsfall... werde ich mich heute nicht zurück halten, fürchte ich.'
 

Kirika ahnte, dass es überflüssig war, sich auch nur in Gedanken zu entschuldigen. Mireille kannte sie einfach zu genau, um nicht zu wissen, was die junge Japanerin tun würde; wozu sie im Stande war.

'Schon gut, Kirika. Ich werde mich gegebenenfalls um Brefford kümmern. Aber... versuch wenigstens, es nicht zu übertreiben.'

Erneut starrte sie in den strahlenden Himmel. Durch die Sonnenstrahlen kam auf ihrer Gesichtshaut ein leichtes Prickeln auf. Eigentlich war es so ein schöner Tag. Warum musste gerade er mit Blut getränkt werden? Sie kannte für sich persönlich die Antwort und musste doch schmunzeln.

'Aber du bist da anderer Meinung, nicht wahr... Shinichi Kudo?'
 

„What? What are those guys doing here?“

James Black traute seinen Augen kaum, als er, den Läufen der Gewehre der beiden Scharfschützen folgend, den Markt fand und dort Kogoro Mori und dessen Tochter erblickte. Er war ihnen vorher nie begegnet, aber bedingt durch die wiederholte, intensive Zusammenarbeit mit Conan Edogawa hatte er sich längst alle nennenswerten, 'offiziellen' Informationen zum Jungen und seinem Umfeld besorgt. Entsprechend kannte er die beiden von Bildern sehr genau.

Auch wenn sie ihn umgekehrt nicht kannten und er folglich einfach an ihnen vorbei gehen konnte, blieb er etwas zurück, nicht ganz in ihrer Reichweite, und dachte nach.

'Was machen die beiden alleine hier? Warum sind sie hier, wenn Conan alleine her fuhr? Das macht doch alles gar keinen Sinn.

Und wer ist nun die Zielscheibe von den ganzen Leuten hier?' Das Gewehr Chiantis zeigte in Richtung einer größeren Gruppe, zu der auch die Moris zählten.

Er beobachtete die ganze Szene, die der kleine Shinto Ajusawa am Stand machte und musste unwillentlich selber schmunzeln. 'A second Mr. Holmes, or what?' Gleichzeitig graute in ihm der dunkle Verdacht, gefunden zu haben, wonach er suchte.

'But... who is he? Or... who is he... in that case anyway?'
 

„Schon was gefunden, Chef?“

Black schrak aus seinen Gedanken hoch, drehte sich um und fand den leicht optimistischen, aber auch nichtssagenden Blick von Shuichi Akai.

„Shuichi, was machst du hier? Was ist mit Kanin?“

„Keine Sorge, ich denke, wir können ihn vorläufig vergessen, außer wir wollen unsere Zeit verschwenden.“ Sein Vorgesetzter zog nur neugierig eine Augenbraue hoch.

„Ich hab zwar ein paar Minuten nach dem Gespräch mit Gin nicht mitbekommen, aber so wie es aussieht, war da auch nichts auffälliges. Als ich wiederkam, hatte er gerade einen von seinen Sicherheitsleuten bei sich gehabt und den dann weggeschickt. Danach hat er sich einfach wieder auf eine Parkbank zurückgezogen und eine weitere Zigarette geraucht.“

„What...?“

„Ich schätze, er hat tatsächlich noch ein paar Tricks im Ärmel, oder aber er macht gute Miene zum bösen Spiel und überlässt alles andere seinen Leuten, weil er selbst nichts mehr machen kann...

In jedem Fall ist es wohl so, dass er persönlich sich nicht wo anders hin begeben wird, sondern ganz normal seinem Auftritts- und Interviewplan weiter folgt.“

„Mhm... das heißt, entweder ist aus seiner Sicht alles schon gelaufen und er wartet nur resigniert ab, was noch passiert... oder er ist so von seinem... 'Geheimplan' überzeugt, dass die ganze Nervosität gegenüber Gin vorhin nur gespielt war.“

„Eben, bei ihm gibt es im Moment nichts zu holen. Ich bin dann der Security unauffällig gefolgt. Hab auch bei Korn und Chianti aufgepasst, nahezu immer einen toten Winkel zu haben. Mich sollte also keiner bis jetzt gesehen haben...

Und, haben Sie nun mittlerweile die Zielperson...“ Bis jetzt war Akai noch in seinen Gedanken so verhaftet gewesen, dass er nur mit einem halben Auge den Marktstand mit den Antiquitäten-Nachbildungen begutachtete. Als nun immerhin eines ihn in Augenschein nahm, wurde er sofort des Mädchens gewahr, dass er schon seit einem Jahr kannte. Und ihres Vaters.

„Die Moris?!“

„Exactly.“

„Hier... aber...“ Er ließ sich ungern so aus der Ruhe bringen, zwang sich also zur selbigen, analysierte die Worte Conans aus dem Zug.

„Sie sind unabhängig von ihm hier, nicht wahr?“

„Davon müssen wir ausgehen. Freiwillig hätte der Junge sie nie hier her gelassen, wenn es irgendwie zu verhindern ginge. Und er wäre, hätte er es nicht verhindern können, mit ihnen gekommen, definitiv.“

„Hm... gut.“

„Why is that good?“

„Wenn es dementsprechend wirklich Zufall ist, dass sie jetzt hier sind, dann sind sie zumindest nicht das Ziel, das ist wohl sicher.“

„Stimmt, ich denke eher... es ist der Junge, der sich gerade von dem Stand da entfernt.“

Akai beobachtete den kleinen Jungen, der sich eine Vase in die Tasche steckte und damit loslief, nur um kurz noch von Ran aufgehalten zu werden.

„Was? Ein Junge? Aber warum?“

„Watch and listen.“
 

Auch wenn es etwas entfernt war und die Stimme des Jungen nicht so laut, konnte man einigermaßen die kurze Diskussion der drei mitanhören und auch Akai bekam schnell mit, was die Moris – und James Black – an dem Jungen so bemerkenswert fanden.

„Ein zweiter Junge wie Conan?“

„It seems... curious, isn't it?“

Er nickte nur zur Bestätigung, bevor er weiter laut nachdachte.

„Vor allem, da Conan kein Junge ist. Meinen Sie wirklich... ein zweiter...“

„Ich habe ehrlich keine Idee. Aber seine Vorstellung eben am Stand erinnerte auch mich erschreckend an unseren kleinen Mr. Holmes, ohne Zweifel.“

„Angenommen, dieser Junge ist das Ziel der Organisation – wer ist er?“

„Das frage ich mich auch schon eine Weile. Ich habe ihn noch nie gesehen. Was mich besonders wundert. Er müsste, wenn er nicht wie Conan verjüngt wurde... bekannter sein, meine ich. Solche Genies entgehen doch nicht der Presse. Wovon Mr. Holmes ja selbst ein Lied singen kann.

Nun und wenn er geschrumpft ist... müsste man dann nicht von einem nicht mehr aufzufindenden Genie wie bei Shinichi Kudo hören?“

„Hm... nun wenn wir nach dem Gespräch zwischen Gin und Kanin vorhin gehen, sollte es jemand sein, den Kanin kennt. ...auch wenn es abwegig klingt, Kanins Sohn möglicherweise?“

„Sorry, Shuichi, that's not impropable, that is impossible.“

„Why, Sir?“, antwortete er, gepaart mit einem schwachen Grinsen darüber, wie oft James momentan zwischen Japanisch und Englisch wechselte. Auch ihn befiel offenbar mittlerweile eine gewisse Nervosität.

„Kanin hat keine Kinder. Er ist zwar verheiratet, aber ohne irgendwelche Nachkommen.“

„Hm... aber er müsste ihn kennen, so viel sollte gemäß der Diskussion feststehen. Allerdings, so diffus auch Gins Aussage zu Kanins Geheimnis vorhin war, den Kontext zu diesem Jungen kann ich nicht wirklich sehen.“
 

Ran sah Shinto Ajusawa einen Moment lang nachdenklich hinterher. Konnte das alles nur ein Zufall sein? War das ein ganz gewöhnlicher Junge... nicht ganz gewöhnlich, ein Schlaumeier, wie Conan... aber nicht mehr... im Unterschied zu Conan? Phantasierte sie sich da etwas zusammen über all diese Zeit.

'Ich bin doch nicht die einzige, die Shinichi so lange getäuscht hatte!' Sonoko, ihre beste Freundin zeigte bis vor kurzem ebenso wenig irgendwelche ernstzunehmenden Zweifel am Alter Conans wie ihr eigener Vater, der offenbar, niemals bewusst, Medium von Shinichis Fallaufklärungen wurde. Dachte sie an all die Fälle, die da mittlerweile zusammen kamen, wurde ihr mulmig. Shinichis Pensum in der Hinsicht war wirklich erschreckend.

'Aber auch Kommissar Megure und die anderen Polizisten, mit denen wir regelmäßig zu tun hatten, sie alle schöpften nie Verdacht, auch wenn sie auf ihn aufmerksam wurden. Insbesondere auch die Verdächtigen bei den Fällen – und die Verbrecher selbst – bemerkten zwar sein helles Köpfchen, gerieten aber praktisch nie in Zweifel... fast nie.' Ein paar wenige gab es wohl, wie ihr allmählich, über die letzten Wochen, in denen sie sehr viel über die vergangene Zeit nachdachte, klar wurde. Einzelne Täter, die direkt von Conan überführt wurden; die verstanden, dass er dahinter steckte und es auch anklingen ließen...

'Der Direktor Ochiai vom Kunstmuseum damals, der von den kleinen Augen der Gerechtigkeit sprach, die ihn durchschauten. Oder Herr Abe, der das Geständnis des Mordes an seinem Vorgesetzten auf unerklärliche Weise auf ein Tonband sprach und meinte, ein Kind hätte ihn dazu getrieben...

Aber selbst die zweifelten nie daran, ein Kind vor sich gehabt zu haben... niemals!

Und letztlich... ich, wo ich dachte, Shinichi so gut zu kennen, ließ mich auch so oft täuschen.'

Es war zum Verzweifeln für Ran. Es konnten sich doch nicht so einfach so viele Leute darin irren. Sprach das jetzt dafür, dass niemand so leicht vom Unmöglichen zu überzeugen war, oder dafür, dass sich Conan doch relativ normal verhielt... relativ... aber nicht genug, um ernsthafte Bedenken zu erwecken?

'Außer natürlich, man hat die wahre Person dahinter im Kopf, wie ich bei Shinichi... nur so kam ich ihm immer wieder auf die Schliche, weil ich eine Gemeinsamkeit bemerkte, die mich stutzig machte.'

Das würde im Falle Shinto für einen ganz normalen, eben etwas schlauen Jungen, sprechen.

'Aber dann sind da diejenigen... die ihn durchschaut haben. Heiji zum Beispiel... oder Jodie...' Sie biss sich unmerklich auf die Unterlippe. Wer wirklich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass Conan etwas besonderes war, der wurde auch sehr schnell skeptisch. Zu schnell, als dass man sagen könnte, er wäre relativ normal. Er benahm sich schon auffällig genug, um stutzig zu werden. Man musste nur mit der Nase einmal draufgestoßen werden. Und das wurde sie, wegen Conan, nun bei Shinto Ajusawa.

'Ah, warum kann die Sache nicht etwas klarer sein? Warum kann es nicht irgendein deutliches Zeichen geben... Moment mal!' Doch da gab es etwas. In der Überzeugung, Conan wäre Shinichi und den Erklärungen Mamorus fand Ran eine halbwegs brauchbare Antwort.

'All sein Verhalten ist Spiel und manchmal ist es ganz klar Spiel, Vertuschung, während er manchmal einfach sich wie er selbst verhält... und da gibt es zumindest eine Gemeinsamkeit zu dem kurzen Gespräch mit Shinto eben:

Als ich ihn fragte, woher er das mit der Jomon- und Yayoi-Kultur wüsste, hat er erst gezögert und wich dann aus. Genau wie Conan hat er mit dem Fernsehen geantwortet. Etwas unüberprüfbares. Eine Lüge, ganz sicher!' Bei Conan zumindest wusste sie mittlerweile, dass es eine war. Eine, die lediglich davon ablenkte, wie sehr ihn dieses oder jenes interessierte und dass er viel mehr davon verstand, als man für ein 'normales' Kind akzeptieren konnte.

Sie merkte, wie ihre Hände sich langsam zu Fäusten ballten.

'Ich muss es tun! Ich muss wissen, ob dieses Kind ein weiteres Opfer dieser Organisation ist. Wenn, dann ist es jemand, der sich wie Shinichi vor ihnen versteckt und sicher ihm Informationen geben kann.' Sie zögerte. Ihr Kopf schlug mehr Alarm als jemals zuvor. Ihren letzten Versuch, Shinichi ohne sein Wissen helfen zu wollen, ihm Informationen von Chris Vineyard zuzuspielen, hätte sie beinahe mit dem Leben bezahlt... Jetzt schon wieder? Zumal, mit ihrem Vater... nein, sie durfte ihn nicht in Gefahr bringen... nicht mehr, als er durch Conans Anwesenheit in ihrer Wohnung vermutlich schon gefährdet war.

'Aber... hier gibt es doch keine Anzeichen von der Organisation. Das ist eine öffentliche Veranstaltung, da würden die doch nicht zuschlagen, oder? Shinto treibt sich hier auch einfach so rum scheinbar, wirkt nicht als würde er sich verstecken. Das heißt, ich kann mich ihm ungehindert nähern.'
 

„Paps?“, sprach sie ihn schließlich, nach etwa einer halben Minute, als Shinto schon fast aus ihrer Sichtweite war, zuckersüß an.

„Hm?“

„Was meinst du, so groß wie der Park ist und so viel, wie es hier zu sehen gibt, wir sollten uns trennen.“

„Was bitte?“

„Ich meine nur, hier bei den Märkten langweilst du dich doch zu Tode, und woanders sind auch einige Getränkebereiche aufgebaut, die dir doch sicher mehr zusagen.“

„Aber... nein, also... ja sicher sagen die mir zu und so, aber....“

„Wir haben doch noch den ganzen Tag Zeit und ich wollte mir noch was anderes ansehen, was dich sicher nicht interessieren wird...“

Er fasste sich endlich wieder, sah ihr tief und drohend in die Augen.

„Du willst diesem Bengel hinterher, Ran.“

„Nicht doch, Paps, warum sollte ich das wollen?“

„Weil er dich an Conan erinnert.“

„Mhm... ja, das tut er, dich doch auch, sonst hättest du nicht gefragt, ob er ihn kennen würde.“

Ertappt fuhr er ein Stück zurück, festigte aber seinen Blick. Ran hielt dem sicher lächelnd stand.

„Aber warum sollte ich ihm deswegen folgen, wenn ich fragen darf?“

„Na weil... ähm... weil...“

„Ja?“

Sie wusste, er konnte ihr nicht antworten. Das konnte niemand, der nicht die Geheimnisse um Conan Edogawa kannte. Und die ohne Wissen zu erraten, war praktisch undenkbar. So viel verstand sie mittlerweile auch selbst.

„Siehst du, es gibt keinen und ich will auch nichts von ihm. Wie gesagt, ich will mir nur noch mehr vom Park ansehen.

Also wir treffen uns nachher beim letzten großen Feuerwerk, was hältst du davon?“

„Was... warte Ran, das ist doch erst um 19:00 Uhr!“

„Genau, also bis dann, Paps, ciao!“

Und schwupps lief sie los, zur Tarnung in eine etwas andere Richtung, als die, die Shinto genommen hatte.

Kogoro sah ihr einen Moment verstört nach, dann nahm er sich zusammen und wollte ihr gerade nachlaufen, als ihn jemand am Arm festhielt.
 

„Hey, loslassen, Sie... Kommissar Shiratori?“

„Entschuldigen Sie, Mori, wenn ich Sie störe...“ Die Miene des Polizisten verriet dem Detektiven sofort, dass es etwas wichtiges, und etwas nicht positives war, was ihn dazu bewegte, ihn aufzusuchen.

„Was... ist?“

„Lassen Sie Ran ruhig sich eine Weile umschauen, ich... würde Sie gerne unter vier Augen sprechen, Mori.“

„Wieso?“

„Kommen Sie, gehen wir etwas vom Hauptweg weg.“
 

„Oh nein.“

Black sah aus seinen Gedanken auf und bemerkte, wie Ran alleine dem Jungen folgte, während ihr Vater offensichtlich in ein Gespräch mit einem Polizisten verwickelt wurde.

„Wir müssen ihr folgen.“

„Nein... du folgst ihr, Shuichi!“ Mit einem Mal hatte der alte Mann seinen zielsicheren Blick wieder, starrte geradlinig auf die Protagonisten vor ihm; ordnete seine Gedanken.

„Ich hole Jodie. Sie ist die einzige, die Ran offiziell persönlich kennt. Sie muss sie von dem Jungen trennen und in Sicherheit bringen!“

„Dann rufen Sie sie doch einfach schnell an und sagen...“

Er blieb ruhig, starrte weiter fest in eine Richtung, bis er schließlich einmal seufzte.

„Was glaubst du, Shuichi?“

„Hm...?“

„Hält sich Jodie an meinen Befehl, sich von Mireille Bouquet fernzuhalten?“ Akai schaute etwas unentschlossen, lächelte dann aber leicht.

„Es fiele ihr sicher leichter, wenn Sie ihr gesagt hätten, warum sie es tun sollte.“

„I know... aber das ist undenkbar.“

„Warum?“ Nun begann auch Black wieder zu schmunzeln, auch wenn Melancholie deutlich mitschwang.

„Ihr jungen Leute glaubt immer, schon die ganze Welt zu verstehen, nachdem ihr so einen winzigen Teil von ihr gesehen und ein paar mickrige Bücher gelesen habt. Und... ja, vieles hat man dann schon gelernt. Aber manche Dinge ergeben sich leider nun mal erst mit der Altersweisheit...

oder der Senilität, wer weiß.“ Er konnte sich den selbstironischen Kommentar nicht verkneifen.

„Sie werden es mir also auch nicht sagen.“

„No... I do not write death sentences, Shuichi.

Aber genau deswegen habe ich ein ungutes Gefühl bei Jodie. Ich rufe sie an und hole sie ab. Nur zur Sicherheit.“

Er blickte sich um, sah, wie sich die Szenerie auflöste.

„Beeil dich! Folge am besten Chiantis Gewehr, das ist besser sichtbar als Korns. Und pass auf!“

„Natürlich. Sie auch, Chef.“

„Mhm.“
 

Es dauerte nicht lange, bis Ran Shinto wieder im Blick hatte, nicht ahnend, dass sie selbst bereits von mehreren Seiten ins Visier genommen wurde. Dann verschwand er plötzlich zur Seite, zwischen zwei weiteren Ständen.

'Er hat mich bemerkt und versteckt sich. Verdammt.' Unsicher biss sich Ran auf die Lippen.

'Es nützt nichts. Wenn ich mich ihm nähern will... muss ich anders vorgehen!' Aus dem Augenwinkel seine eigentliche Richtung verfolgend, ging sie scheinbar woanders hinguckend an ihm vorbei geradeaus weiter.
 

Shinto blickte ihr steif nach, ließ sich nach hinten sinken.

'Das kann doch nicht sein. Dieses Mädchen ist nicht volljährig und die Tochter eines berühmten Detektivs.' Als ob er extra hätte gesagt bekommen müssen, wer sie ist und sie nicht aus der Zeitung kennen würde. Aber genau das verwunderte ihn.

'Sie kann doch nicht wirklich... eine von denen sein, oder? Ich hatte zwar erwartet, dass jemand kommt, dem ich offiziell vertrauen würde, aber sie?

Nur, was könnte sie sonst von mir wollen?'

„Na, versteckst du dich vor mir?“

„Waah, R-Ran, was machst du hier?“ Wie aus dem nichts war sie hinter ihm aufgetaucht, lächelte ihn mit ihrem freundlichsten Lächeln an.

„Du... äh Sie...“

„Du ist OK.“

„Du... weißt schon... dass das komisch aussieht, wie du mich verfolgst.“

„Entschuldige bitte, Shinto!“ Symbolisch hielt sie ihre Hände verzeihend hoch.

„Aber... du wirkst auch komisch, wie du so allein durch den Park spazierst. Hast du denn keine Angst?“

„Was... ach ne... manchmal ist es ganz OK, sich alleine durchzuschlagen und... Angst habe ich doch nicht. Es gefällt mir so sogar ganz gut.“

Sie lächelten sich beide etwas verlegen an. Immer mehr schwanden Ran die Zweifel an ihrer Theorie. Dieser Junge wirkte überhaupt nicht echt und er war hier auch nicht ohne Grund alleine unterwegs.

'Es muss so sein... Dieser Junge... hat etwas mit dieser mysteriösen Organisation zu tun!'

'Sie hat keine Ahnung, worum es geht. Ich muss sie loswerden, sonst gerät sie noch in die Schusslinie der Organisation!'
 

„Hier spricht Nakamaru. Ein unbekanntes Mädchen verfolgt den Jungen.“

„Ein Mädchen?“

„Ja, keine 20, womöglich noch Schülerin. Sieht eigentlich nicht wie eine von denen aus.“

„Dann bleiben Sie auf Ihrem Posten, Nakamaru!“

„Verstanden!“
 

„Diese Mori scheint an ihm dran zu kleben.“, stellte Chianti genervt fest. „Das könnte wirklich noch ein Problem werden...“

„Nur indirekt. Wenn wir es nicht vermeiden können, dass sie Zeugin wird, dann wird sie eben zusammen mit dem Jungen sterben. Das ist dann halt Pech.“

„Tja... Ran... ist heute wohl nicht dein Glückstag, was?“

Mit einem diabolischen Grinsen beobachtete Chianti die beiden durch ihr Objektiv und dann die Umgebung drum herum, bis...
 

Jodie holte ihr vibrierendes Handy heraus.

„Was ist, James?“

„Bist du immer noch bei dem Kamerateam von Nichiuri-TV?“

„Nicht direkt, ich bin denen gefolgt, die die Polizei informierten, deshalb bin ich jetzt quasi wieder am Eingang des Parks.“

„Du musst sofort wieder zur Parkmitte kommen. In der Nähe der Position, wo sich das Fernsehen befand war doch ein Markt. Dort habe ich die Zielperson zusammen mit den Moris gesehen.“

„What??“ Der Schock hatte gesessen.

„Ich erkläre es dir, wenn du kommst. Aber beeil dich. Das Mädchen, welches in deine Schule geht, Ran Mori... sie scheint geradewegs in die Schusslinie der Organisation zu laufen.“

„No way!

Ich bin so schnell es geht da!“

„Ich komme dir entgegen, Jodie, bis gleich.“
 

Sie war kaum eine Minute gelaufen, als sie wie vom Blitz getroffen stehen blieb. Durch diese mehr als beunruhigende Situation und dem entsprechenden Tempo achtete sie nur bedingt auf ihre Umgebung, also plötzlich doch etwas ihre Aufmerksamkeit erregte.

Eine Frau. Eine blonde Frau. Vor ihr, angelehnt an einen Baum, das linke Bein angewinkelt, stand sie da mit verschränkten Armen und lächelte leichtfertig geradeaus, scheinbar bewusst Jodie ignorierend.

„You...“

„Bonjour...“ begann Mireille, ohne den Blick auch nur um ein Grad zu drehen.

„Miss... Starling.“
 

„Was zum...?“ Chianti zuckte auf einmal auf ihrer Position zusammen.

„Ist was passiert?“, bemerkte Korn nur beiläufig, nahm es noch nicht wirklich ernst.

„Was... was ist...“ Aber sie konnte es nicht wirklich beschreiben. Der Anblick alleine blockierte ihre Stimme.

Vor einem der Bäume in der Nähe stand, genauer gesagt lehnte daran, das linke Bein angewinkelt und die Arme verschränkt, ein junges, japanisches Mädchen. Und sah sie an! Es konnte kein Zufall sein mit der Blickrichtung. Auch wenn es im Prinzip zu weit war, um mit bloßen Augen Chianti genauer zu sehen, starrte sie sie doch direkt an. Sie konnte sie nicht übersehen. Ihr Blick war fest auf sie gerichtet.

Und was für ein Blick das war. Ein Drohender, Überzeugter, aber auch unglaublich Ruhiger. Ein Blick, der der Scharfschützin der Organisation einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Nein, es war niemals ein Zufall, dass sie sie sah. Sie stand so, dass sie sie genau sehen konnte, Korn hingegen sie von sich aus, hinter dem Baum unmöglich wahrnahm. Nur Chianti konnte sie sehen. Und sie konnte Chianti sehen, mit dem Gewehr im Anschlag. Sie schien kein bisschen überrascht, nicht im geringsten von der Schusswaffe in ihrer Hand beeindruckt oder gar eingeschüchtert. Im Gegenteil, seelenruhig stand sie da, lässig an den Baum gelehnt, und wirkte gegenüber dem bewaffneten Organisationsmitglied wie eine unbarmherzig drohende Herrscherin ihrem Gefolge.

Und dann... veränderte sich ihre Miene, und das Mädchen begann schwach aber sicher zu lächeln.

Es mochte die Intuition eines Killers wie Chianti gewesen sein, vielleicht aber auch wirklich die überzeugende Darbietung Kirikas. Aber eine Erkenntnis war Chianti beim Anblick dieses Lächelns augenblicklich klar. Und diese fuhr ihr ohne Zweifel durch Mark und Bein. Was sie dort, durch das Objektiv des Gewehrs, sah..., war das Angesicht des Todes. Und seine Sense schwang in diesem Moment unheilvoll über Chiantis Genick, wie ein tödliches Fallbeil. Und vier Worte standen förmlich auf den Lippen des Mädchens festgeschrieben. Chianti musste nicht Lippen lesen, um sie zu erkennen.

„Heute. Wirst. Du. Sterben.“

Jodie und Mireille

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zum achten Kapitel von 'Blutige Begegnungen'. Bevor ich dazu was sage, einmal mehr ein ganz herzliches Danke schön an alle fleißigen Kommi-Schreiber! ^______^

Und keine Angst, Kirika und auch Mireille werden... bald ihre richtig großen Auftritte haben. Aber wegen der vielen Figuren dauert es halt eine Weile, alles aufzubauen und einigermaßen chronologisch zu halten.

Was Ran und ihre verflixte Art mit Problemen angeht.... sagen wir mal, sie hatte diesmal immerhin überlegt, ob es nicht gefährlich wäre, Shinto nachzulaufen und von der Anwesenheit der Organisation wusste sie ja auch noch nichts. Und wenn sie es erfährt... naja, dann wird es eh zu spät sein, einen Rückzieher zu machen. Alles weitere dazu gibt es ab Kapitel zehn zu lesen. ;-]
 

Nun zu diesem Kapitel, dessen Titel ja schon viel über das zentrale Thema des selbigen aussagt. Und genau da liegt so ein kleines... Unbehagen in meiner Magengegend. Ich will nicht schon vorher meine eigene Geschichte runter machen, aber... ich denke einfach, gerade bei Mireille, und teilweise auch bei Jodie, mache ich eine Gratwanderung mit den Charakteren, und mich würde nicht verwundern, wenn jemand sagt, sie seien OoC hier. Was Mireille angeht, kann ich darauf verweisen, dass ihr Motiv, warum sie eigentlich hier ist, warum sie Conan treffen will und alles, noch nicht raus ist und dieses nunmal viele ihrer Handlungen mit bestimmt. Und Jodie... nun, bei ihr ist es mehr so eine Vermutung, was sie angeht, was unter Umständen auch nur meine Einbildung sein könnte, was diese Figur angeht...

Hm... klingt alles nicht sehr hilfreich, ich weiß, aber ich wollte es mal vorher gesagt haben, dass es nicht zu sehr verwundert.
 

Ansonsten, viel Spaß beim weiteren fröhlichen Schachfiguren verrücken im Kanin-Park und beim Lesen natürlich auch.

Bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet
 

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Kapitel 8: Jodie und Mireille
 

„Was?! Rena Mizunashi ist ver...“

„Shhhht. Verdammt Mori, haben Sie sich überhaupt nicht unter Kontrolle?“ Shiratori versuchte, ihn zum ruhig sein zu bewegen; das letzte, was er jetzt noch gebrauchen konnte, waren Gerüchte, die unter den Besuchern gestreut würden. Gleichzeitig bereute er seine Entscheidung, den Detektiven mit ins Boot geholt zu haben, jetzt schon.

„Und, ja, scheinbar! Wie schon gesagt, mir wurde eben telefonisch mitgeteilt, dass mehrere Mitarbeiter von Nichiuri-TV am Eingang unseren Kollegen dort Bescheid gegeben haben, dass Frau Mizunashi vermisst würde. Ich war eigentlich gerade auf dem Weg dahin, als ich Sie sah. Sie hatten, soweit ich das mal auf dem Revier richtig gehört habe, einen kurzen, privaten Fall bei ihr erledigt, der nicht mal aktenkundig bei uns wurde?“

„Hm... ja, schon, ist ne Weile her. Ich war bei ihr, um einen angeblichen Stalker ausfindig zu machen. Die Sache hatte sich aber als harmlos heraus gestellt und ich hab Megure dann nur gesagt, es hätte sich erledigt.“

„Also kennen Sie sie zumindest persönlich. Dann sind Sie weiter als ich.“ Er blickte unzufrieden nach vorne, während er Kogoro durch seine zügigen Schritte durch die Botanik, immer etwas abseits vom zentralen Weg, Richtung Eingang mit sich drängte.

„Aber seitdem hatte ich sie, bis heute, nicht mehr gesehen. Sie war auch lange Zeit schon mal auf Pause mehr oder minder 'verschwunden' und tauchte dann einfach wieder auf. Also könnte es auch alles...“

„... harmlos sein, schon klar. Zum Beispiel deswegen habe ich Sie angesprochen, weil Sie das vielleicht besser einschätzen können als ich...“

„... aber?“ Mori sah ihn unsicher an. Der ernste Blick des Kommissars war kein gutes Zeichen für ihn.

„Sie ist mitten während der Dreharbeiten zur Reportage heute verschwunden, hatte also noch einiges an Terminen zu erledigen...“

Der Detektiv stutzte etwas, lächelte dann aber überlegen.

„Hören Sie jetzt schon Flöhe husten, Herr Kommissar?“

„Wie bitte?“

„Sicher hat sie einen vollen Terminkalender, aber erlaubt nicht genau der eine naheliegende, ungefährliche Erklärung?“

„Mhm...“, brummte er zustimmend und gleichzeitig ablehnend.

„Sie fühlte sich nicht so gut, brauchte eine kurze Pause und hat... nun ja, etwas unprofessionell, sich für einen Moment von der Bühne verabschiedet. Sie sah vorhin, als wir sie trafen, wirklich nicht gut aus. So als sei sie... in Sorge, verunsichert.“

„Aha, verunsichert. Und das, als sie Sie sah... Ihr Ruf als Unglücksbote eilt Ihnen schon voraus, was Mori?“ Pikiert blieb er stehen.

„Hey, Shiratori, wollen Sie meine Hilfe, oder nicht?

In dem Fall gehe ich nämlich zurück zu meiner Tochter.“

Shiratori blieb auch stehen, drehte sich aber nicht um, was dem Detektiv ungewöhnlich auffiel.

„Sie halten noch mit etwas hinter dem Berg, oder, Shiratori?“

„Der Anruf ging länger, weil der Polizist mir alle Details schildern wollte, die er bereits erfahren hatte.“

„Mhm. Ich höre.“

„Zwei Personen hatten sich bereits nach Frau Mizunashi erkundigt. Einer war ein Japaner, groß, untersetzt, und, wie der Kameramann, den er befragte, meinte 'irgendwie schlecht schauspielernd'. Ach ja...“ Nun wandte er sich doch wieder um.

„...und er trug gänzlich schwarz, obwohl er offensichtlich schwitzte.“ Moris Augen weiteten sich beachtlich. Er trat etwas näher, um leise flüstern zu können.

„Sie meinen... Yakuza?“

„Möglich, ist nur so eine Vermutung. Außerdem kann er auch dann ein echter Fan sein, der nur neugierig war.“

Ein deutliches Stirnrunzeln deutete an, dass ihn das weniger beschäftigte, als Kogoro erwarten würde.

„Die zweite Person ist eigentlich noch interessanter. Eine blonde Ausländerin, vom Akzent her wohl US-Amerikanerin.“

„Eine amerikanische Frau? Eine Touristin, die sich nach Rena Mizunashi erkundigt?“

„Offenbar. Und mir ist es ehrlich gesagt neu, dass ihr Ruf so international berühmt sein soll. Sie ist schließlich keine Schauspielerin, sondern 'nur' Reporterin.“

„Schön und gut, aber es kann auch eine länger schon hier lebende Amerikanerin sein, die Rena aus dem Fernsehen kennt. Soweit ich weiß, ist zum Beispiel Rans Englisch-Lehrerin ebenfalls eine Amerikanerin. Warum sollte das also automatisch verdächtig sein?“

„An sich nicht, da haben Sie schon recht. Aber es war so: Frau Mizunashi verschwand vom Fernsehteam, weil sie das WC aufsuchen musste. Als sie nicht wieder kam, hatte das Team zunächst bei der Toilette die Touristen in der Nähe befragt. Mehrfach wurde dort unter Zeugen ausgesagt, dass etwa zur gleichen Zeit, wie sie dort gewesen sein müsste, eine blonde Frau, offensichtlich westlicher Herkunft, dort ein- und ausging.“

„Was?! Wollen Sie sagen, diese Frau sei die zentrale Verdächtige für Renas Verschwinden? Aber das ist doch trotzdem etwas weit her geholt, oder, Herr Kommissar? Wenn es das zentrale WC in der Nähe war, und die Dame gerade es nutzte, kann man ihr daraus keinen Strick drehen.“

Dieser seufzte nur kurz, dann fuhr er fort.

„Meinte ich auch zu dem Beamten, woraufhin dieser wörtlich sagte:

'Aber Chef, diese FBI-Agentin von vorhin war doch auch eine blonde Amerikanerin.'

Geschockt blieb Kogoro wie angewurzelt stehen.

„Die... WAS BITTE?!“

„Ja, das war ungefähr auch meine Reaktion. Keine Ahnung, wer von meinen Leuten bei der stillen Post da geschlampt hat... aber offenbar sind vorhin, kurz vor Ihnen noch, drei FBI-Agenten, in Zivil, aber mit Dienstwaffe, in den Park gekommen. Ein alter Mann, eine jüngerer Japaner und eine blonde Frau, etwa im Alter wie der zweite. Angeblich hätte mir das jemand sagen sollen, aber das ging, wie gesagt, schief.“

„Aber das FBI hat doch hierzulande gar keine Befugnisse für polizeiliche Aktionen!“ So richtig begreifen wollte er noch nicht, was die Bundespolizei der USA hier überhaupt wollte.

„Tja, offiziell führen sie ja auch keine durch, sondern sind nur zu Besuch; die Waffen können sie wegen allgemeiner Dienstpflicht auch tragen, daran können wir nichts ändern.“

„Aber Herr Kommissar, das hieße ja, das FBI hätte mit Renas Verschwinden was zu tun. Wieso sollten die...“

„Ich hätte Sie sicher nicht angesprochen, wenn ich im Ansatz eine solche Frage beantworten könnte, Mori. Für mich stellen sich lediglich die Fakten wie folgt da: Wir haben eine spurlos verschwundene Reporterin und die einzigen zwei tatverdächtigen Personen, die wir haben, sind ein möglicher Yakuza und eine FBI -Agentin. Außer wir gehen davon aus, dass hier im Park noch Doppelgänger dieser Agentin rumlaufen. Ich bin auf dem Weg zum Eingang, um mir die genauen Aussagen des Fernsehteams und die Informationen zu den Agenten abzuholen.“

Er wollte sich umdrehen, sah dadurch in die skeptischen Augen des Detektivs, der ja auch ein ehemaliger Kollege war, auch wenn sie nicht gleichzeitig im Dienst waren.

„Und was... glauben Sie, Shiratori? Was geht hier genau vor?“

„Wenn Sie meine Meinung unbedingt hören wollen, Mori... irgendwie klingt es für mich so, als wird die Polizei gerade übergangen. Irgendeine Aktion des FBI läuft hier hinter unserem Rücken ab. Nicht unbedingt was großes, es sind ja 'nur' drei Agenten, aber dennoch bedeutsam genug, um internationale Spannungen zu provozieren.

Und ich würde wirklich gerne verhindern, dass etwas derartiges am Eröffnungstag in diesem Park geschieht.“

Mori blickte ihn von hinten einen Augenblick stumm an. War das... so etwas wie Erfolgsdruck? Versagensängste bei diesem sonst so selbstsicher, manchmal zu selbstsicher, auftretenden Mann? Er ahnte, woran das liegen könnte. Es war ja schließlich erst ein paar Tage her, dass die Polizei sich so deutlich vorführen ließ von einem Verbrecher und er samt Ran mittendrin.

So einen Schandfleck in seiner Vita wollte sich der aufstrebende junge Kommissar nicht erlauben.

„Und was genau wollen Sie jetzt von mir, Shiratori?“

„Eine zweite, halbwegs sinnvolle Meinung zu meinen Interpretationen. Wir dürfen nicht übermäßig reagieren, schon gar nicht gegenüber den amerikanischen Kollegen. Gleichzeitig müssen wir jedwedes denkbare Unglück auf dieser Veranstaltung, koste es was es wolle, verhindern. Taktgefühl ist angesagt, Mori, Balance. Deswegen hätte ich gerne eine Person, mit der ich die Sachlage diskutieren kann.

Kommen Sie?“

Shiratori wartete nicht auf die Antwort, sondern schritt, ohne sich umzudrehen, weiter.

Erst als er einige Sekunden später die Schuhe Moris auf dem Boden hinter sich hörte, konnte er wieder etwas überzeugter lächeln.

'Nein, ich werde ganz sicher kein Verbrechen zulassen!'
 

Eine Weile stand Chianti stocksteif da, unfähig, sich zu rühren. Das unerschütterlich überzeugte Lächeln des Todes zog sie in ihren Bann, und ließ sie einfach nicht mehr gehen.

Korns Rufe über die Freisprechanlage an ihrem Handy hörte sie gar nicht mehr. Hätte er sie nicht durch sein Objektiv am Fenster der ehemaligen Lagerhalle gesehen, wüsste er nicht, ob sie noch am Leben war. Gleichwohl suchte er vergeblich nach der Quelle ihrer plötzlichen Panikreaktion. Da waren einige Menschen, aber niemand verhielt sich in irgendeiner Form auffällig. Auch Shinto und Ran Mori schienen weder auf sie aufmerksam geworden zu sein, noch sich sonst merkwürdig zu benehmen. Schließlich entschied er sich, noch einen Moment abzuwarten und zu beobachten, was seine Kollegin veranstaltete.
 

Dann regte sich wieder etwas in Kirika und sie löste langsam ihre Arme aus der Verschränkung. Mit fast erhabener Ruhe erhob sie den linken Zeigefinger und Daumen im rechten Winkel zueinander und richtete dann ihre Hand auf die Scharfschützin aus. Im Moment, als Chianti das Symbol mit der Pistole verstand, zwang sie ihr Körper instinktiv aus der Starre und mit einem Gewaltakt von einem Ruck drehte sie sich vom Fenster weg; lehnte sich daneben an die Wand und rutschte langsam nach unten.

Jetzt erst merkte sie, wie ihr Herz so schnell und heftig gegen ihren Brustkorb donnerte, dass sie völlig außer Atem geriet. Wie ein Reflex öffnete sie ihren Mund so weit es ging, um die größtmögliche Menge Luft in einem Zug abzubekommen.

„Wer... wer ist dieses Mädchen?“

„Chianti?? Kannst du mich jetzt wieder hören?“, schrie es ihr in den Ohren, als sie daraufhin endlich wieder etwas anderes als das überhastete Dröhnen ihres Herzschlags vernahm.

„J-Ja... ich bin noch da, ...Korn.“

„Was ist passiert, Chianti?“ Er drosselte seine Stimme, versuchte so ruhig und sachlich wie möglich zu wirken, um sie selbst wieder zur Raison zu bewegen. Sie lehnte immer noch schwer atmend an der Hauswand. Im halbdunkel, welches ihr über die Jahre so sehr zum Freund und Verbündeten geworden ist. Welches ihr Mut und Vertrauen in sich selbst spendete.

„Diese Frau! Hast du sie nicht gesehen?“

„Welche Frau? Da war niemand, der irgendwie auffiel...“ Für einen Moment zögerte er.

'Mireille?'

„Eine... Europäerin?“

„Was?? Nein, nicht dein Geist, auch wenn ich allmählich wirklich interessiert wäre, wen du da gesehen haben wolltest.“ Sie fasste sich wieder, versuchte, die Selbstkontrolle zurück zu erlangen. Die Finger ihrer Hände wanden sich um den Lauf des Gewehrs, drückten die Waffe fest an sich. Sie zogen sie an ihren Körper ran, bis sie fühlte, dass die Waffe sie beschützte, vor allen möglichen Gefahren, die diese Welt ihr in den Weg stellen würde.

Dann ging es wieder.

„Ne Japanerin, kaum erwachsen, kurzes Haar.“

„Aha und was war an ihr so besonderes?“

„Sie...“ Chianti wusste auf einmal selbst nicht ganz genau, was sie sagen sollte. Jetzt, in der Dunkelheit, wo das Bild von Kirika allmählich verblasste und sie sicher wieder sicherer fühlte, verschwand auch dieser Eindruck, gerade dem Tod begegnet zu sein. Die Erinnerung blieb, ohne Frage, aber es erschien ihr nach diesen paar Momenten schon lächerlich.

'Den Tod in Menschengestalt gibt es nicht, das ist Aberglaube.' Für sie als Scharfschützin war das eine absolute Offensichtlichkeit der Realität. Alles andere waren lediglich Mythen, auch wenn sie ihr nicht fremd waren.

'Was soll ich ihm sagen?' Es klang direkt peinlich, den wahren Grund für ihren plötzlichen Schock so preiszugeben, also hatte sie nur noch einen plausiblen anderen Gedanken übrig.

„Sie hatte mich gesehen.“

„Du hattest dich nicht ausreichend getarnt.“

„Nein, ich meine, nicht zufällig entdeckt. Sie beobachtete mich. Und dass du sie nicht bemerktest, liegt vermutlich daran, dass sie so an einem Baum gelehnt stand, dass du sie nicht sehen konntest.

Sie wusste, dass ich hier bin und sie wusste, wo du bist und hat das so ausgenutzt.“

„Hm... und wer soll das sein?“ Nun schlich sich auch in Korn's Stimme Neugier ein.

„Keine Ahnung. Womöglich jemand, den Kanin noch engagiert hatte? Auch wenn sie eigentlich... zu jung war dafür.“

„Jemand so junges? Na von mir aus, dann erledigen wir sie beim nächsten Feuerwerk gleich mit.“

Chianti presste ihre Hände noch mehr an das Gewehr. Wut kroch langsam in ihr auf. Nein, das war nicht der Tod, das war ein ganz gewöhnliches Mädchen, das ein Psycho-Spielchen mit ihr gespielt hatte. Mit ihr! Und sie war darauf rein gefallen. Sie! Chianti! Wie viele dieser Spielchen hatte sie als Mitglied der Organisation schon selber initiiert, oder durch Gins Anleitung betrieben. Sie kannte doch selbst alle Tricks und Kniffe. Wie konnte sie sich von so einer Göre reinlegen lassen?

'Na warte!'

Noch einmal lockerte und festigte sie den Griff, positionierte ihre Hände, so, dass sie direkt wieder schussbereit war, atmete noch einmal tief ein und drehte sich dann ruckartig wieder zum Fenster herum und...

„...Wo ist sie?“

„Das Mädchen?“

„Ja, sie ist weg! Wo... wo ist sie hin?“

„Du hast ne Weile nicht hingeguckt und ich wusste nicht, nach wem ich suchen sollte. Sie könnte sonst wo hin sein.“

„Das ist doch lächerlich, so weit weg kann sie nicht sein. Siehst du von deiner Position aus eine solche Frau, vielleicht 20, weiße Jacke, kurzer Rock?“

„Hm... nein... und ich kann mich auch an keine erinnern.“

Irgendwie überraschte Chianti die Aussage so gar nicht. Da lag immer noch diese intuitive Reaktion in der Luft, die sie zuerst auf Kirika hatte. Etwas übernatürliches, dass sie einfach nicht einordnen konnte in diese Welt. Und so wollte ihr ihr Unterbewusstsein förmlich suggerieren, dass sie sich halt einfach in Luft aufgelöst hatte, als sie nicht hinsah. Was unmöglich war.

„Na... schön. Lass uns... lass uns erstmal weiter machen mit dem Plan. Aber sobald ich dieses Mädchen wieder sehe, ist sie fällig.“ Sie schüttelte noch einmal vehement den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben.
 

Kirika beobachtete aus ihrem Versteck heraus, wie Chianti den Platz um den Baum, an dem sie sie fand, absuchte. Ein leicht melancholisches Lächeln durchzog ihre Lippen.

'So berechenbar, keine Kreativität bei ungewohnten Situationen. Und auf die einfachste Lösung kommt sie nicht.'

Sie blickte hinab, durch die Äste und das relativ dichte Laub des Baumes. Es waren drei bis vier Meter unter ihrer jetzigen Position, wo sie die kleine Show exklusiv für Chianti veranstaltet hatte. Dann wendete sie den Kopf nach oben; suchte die vereinzelten Lücken im Blattwerk der Krone.

'Hm... das sollten genug sein für das nächste Feuerwerk.'
 

Eine Weile blickte Jodie ihre Kollegin von der Teitan Oberschule verunsichert, geradezu hilflos, an.

'Miss... Starling?' Sie hatte sich doch nicht verhört! So selten, wie ihr hier in Japan ihr richtiger Nachname begegnete, überhörte sie ihn nicht mehr. In der Schule kannte sie niemand so, und James Black, sowie Shuichi Akai, zu denen sie den meisten Kontakt beim FBI hatte, sprachen sie immer mit dem Vornamen an. Es war mittlerweile so etwas besonderes ihn zu hören, dass, wenn sie nicht darauf vorbereitet war – wie vorhin beim Eingang, als sie ihren Dienstausweis vorzeigte – sie noch viel stärker darauf reagierte als gewöhnlich. Auffällig intensiv, mochte man meinen.

Ja, sie ging davon aus, dass Mireille Bouquet ihre Identität kannte, nicht aber, dass sie es auf einmal, ohne ersichtlichen Grund, gerade jetzt preisgab.

„Mademoiselle... Bouquet?“ In dieser Frage schwang eine Erkenntnis mit, die sie eher noch mehr zurück warf im Vergleich mit ihrer angeblichen Kollegin. Sie hatte zwar über das FBI einiges recherchiert und heraus gefunden, aber so richtig wusste sie über die Hintergründe dieser Attentäterin noch nicht Bescheid. Da musste ihr schon das kleine Mädchen helfen, welches von der Organisation gejagt wurde. Mireilles sichere Lächeln betäubte fast ihre ganze verbliebene Souveränität.

„Ach sieh an, Sie können also doch etwas französisch, wenn man es heraus kitzelt? Ich bin ja direkt beeindruckt.“ Der erste Satz klang ehrlich überrascht, während der zweite vor Sarkasmus triefte. Und doch war auch eine Portion Bitterkeit in ihrer Stimme. Eine Art von entgegengebrachter Abneigung, die Jodie dadurch besonders auffiel, dass sie sie von Mireille noch nicht kannte. So als hätte sie sich in dieser Situation der Emotion hingegeben.

„Sie laufen ja schon wieder... oder immer noch? Sind Sie immer noch auf der Suche?“

„You... Dank Ihnen bin ich mittlerweile zweimal durch den Park gelaufen, Sie...“

„Oh... Entschuldigung, aber ich habe Ihnen nur gesagt, was sich in der einen Richtung befand, und sie sind sofort losgestürmt. Wollten Sie etwa doch in die andere Richtung?“

Jodie hatte große Probleme, ihre Wut im Zaum zu halten. Es war wie eine öffentliche Demütigung, die ihre 'Kollegin' da mit ihr abzog. Zwar war niemand gerade in der Nähe, der sie sah, dennoch, sie fühlte sich wie vorgeführt. Ihrer eigenen Dummheit entlarvt.

'Humiliating!' Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, blieben aber unten.

„Vielleicht beruhigt es Sie ja, wenn ich Ihnen versichere, dass nichts passiert ist, was Sie in irgendeiner Form hätten verhindern, oder zum besseren kehren können.“

„Kir?“

„Agent Hondou hätte den ganzen Tag nur damit zugebracht, darüber zu philosophieren, wie sie die Pläne der Organisation sabotieren könnte, ohne durchschaut zu werden von Gin. Ich habe ihr lediglich ein paar Probleme abgenommen.“

Dieses offene Geständnis holte Jodie in die Realität zurück. Augenblicklich zückte sie ihre Waffe und hielt sie der ungerührten Französin entgegen.

„Hände hoch, Mireille Bouquet! Ich verhafte Sie wegen...“

„Lassen Sie das, Agent Starling. Sie tun sich damit keinen Gefallen.“

„Was?“

„Wenn Sie eine Waffe auf mich richten, bin nicht ich diejenige von uns beiden, deren Leben in Gefahr ist. Und auch wenn uns keiner beobachtet, so lassen Sie Ihre Tarnung dabei doch ganz schön offensichtlich fallen. Das sollten Sie besser wissen.“

„Oh, als ob ich diejenige wäre, die hier ihre Tarnung als erstes fallen ließ. Und ich weiß sehr wohl, wer Sie sind. Wer Ihre Eltern waren und mit wem Sie im Bunde sind.“

„Mit Verlaub, aber das bezweifle ich sehr, werte Kollegin.“ Noch immer rührte Mireille keinen Finger, sah gedankenverloren in eine andere Richtung, schwenkte leicht mitleidig den Kopf.

„Genau genommen... und das soll keineswegs eine Beleidigung sein... sind Sie einfach zu jung, um das zu verstehen.“

„Zu... jung?!“ Diese, sieben Jahre jüngere Frau, auf die die gestandene FBI-Agentin gerade ihre Dienstwaffe richtete, hielt sie für zu jung, um sie zu verstehen?! Jugendlicher Größenwahn?

„Ha. Und wie alt müsste ich dann bitte Ihrer Meinung nach sein, um...“ Dann stockte sie. Ihre sarkastische Bemerkung blieb ihr buchstäblich im Halse stecken, als sie bei Alter unweigerlich an James denken musste, und damit an seinen Befehl.

'Auf gar keinen Fall sich Bouquet oder Yuumura nähern!' Sie fühlte, wie ihre Arme langsam schwer wurden, als ob die Glock 22 in ihren Hände sich langsam mit Blei füllte. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch davon, wie dabei das Lächeln auf Mireilles Lippen eine leicht siegreiche Nuance bekam. Diese Frau hatte nichts getan, als da gestanden, und doch schien der Wille Jodies bereits vollständig gebrochen.

'Warum? Wie...? Wie macht sie das? Wer ist diese Frau... wirklich?'

Womöglich wusste das nur James genauer. Er hatte ihr diese Anweisung gegeben, weil er... verstand?

'James!' Plötzlich fiel ihr auch wieder der Grund ein, warum sie eigentlich lief: Ran!

„Ein anderes Mal, Miss Bouquet.“ Und damit wollte sie auch schon wieder loslaufen, ohne dabei Mireille aus den Augen zu lassen. Sie sah, wie ihr Blick sein Lächeln wieder verlor und etwas melancholisches bekam, als die Agentin an ihr vorbei lief. Gewaltsam wollte sie dann ihre Augen abwenden, als ihre Ohren noch etwas vernahmen.

„Wonach suchen Sie eigentlich, Agent Starling?“ Gegen ihre ganze Überzeugung blieb sie nun doch noch einmal stehen. Nicht, weil sie diese Frau aufregte. Nicht weil sie interessiert an dem Gespräch war, an den Informationen oder weil sie sie festnehmen wollte. Nichts von alledem, was man als halbwegs vernünftigen Grund hätte ansehen können.

Und doch kannte sie das Motiv, warum ihr Unterbewusstsein die Befehle des Gehirns an ihre Beine ausschaltete. Gegen es rebellierte.

Es war Mireilles Stimme. Sie war so... anders. Anders als alles, was Jodie jemals vernommen hatte, von irgendwem. Die Überheblichkeit, die gespielte Leichtigkeit, die sie aus der Schule von der Korsin kannte, die triumphale Attentäterin, die eben noch vom Ausschalten einer CIA-NOC Agentin wie einer unbedeutenden Kleinigkeit sprach und der Sarkasmus, mit dem sie Jodies Schauspiel zuvor belegte... es war alles wie weggeblasen.

Was nun da war, war Ernst, vielleicht etwas von der Melancholie, die sie eben in ihren Augen sah, aber alles leichte, alles überlegene war weg. War ersetzt worden, durch eine scheinbar noch mehr über den Dingen stehende Erhabenheit, eine gebieterische Ruhe, die Aufmerksamkeit erzwang und keinen Widerspruch duldete.

'Die Stimme... einer... Königin?'

Ihr Unterbewusstsein musste es wissen. Es weigerte sich, jetzt weiter zu rennen, und weder zu erfahren, wie die Person aussah, die diese machtvolle Stille zum Ausdruck bringen konnte, noch, was sie dazu veranlasste, dieser kleinen unbedeutenden Existenz, als die es sich auf einmal in ihrer Gegenwart empfand, ihr Aufmerksamkeit zu widmen. Jodie vergaß für einen weiteren Augenblick Ran und ihre Befehle, sie wurden überschrieben von schierer Neugier auf eine einzelne Person: Mireille Bouquet.

So zog sie ihr angewinkeltes Bein aus dem Laufschritt wieder zurück, stellte sich gerade hin; wendete zunächst aber nur den Kopf nach hinten. Würde sie sich vollends umdrehen, liefe sie nur Gefahr, doch noch ihre Beherrschung zu verlieren. Und sie musste das ganze so kurz wie möglich halten. Um Rans Willen.

Aber der Anblick, der sich ihr bot erstaunte sie dann doch. Mireille hatte ihre Position am Baum verlassen und stand ihr nun erstmalig direkt gegenüber, ihre langen blonden Haare bewegten sich wellengleich bei einem kurzen Windzug. Und ihr Blick war genau das, was Jodies Ohren meinten wahrgenommen zu haben. Ernst, erhaben, fest auf ihr ruhend, als würden ihre Augen sie durchleuchten und dabei alles über sie erfahren. Kein Geheimnis war sicher vor ihr.

„Was ich suche? Das wissen Sie doch bestimmt genauso gut wie ich, nicht wahr?“

„Im Moment suchen Sie Ihren Chef, der Sie beauftragt hat, sich um...“ Dann hielt sie selbst kurz inne, als ein weiterer Windhauch die Blätter im Baum hinter ihr zum rascheln brachte. Jodie meinte, für den Augenblick ein schwaches Lächeln zu sehen hinter ihrer Fassade, welches sie überhaupt nicht deuten konnte. Und doch kam es ihr bekannt vor.

„... jemanden zu kümmern, schätze ich. Aber das meinte ich nicht. Nicht wen oder was Sie jetzt suchen... sondern allgemein, in Ihrem Leben.“

„...Auch das dürfte Ihnen bekannt sein, wenn ich mich nicht ganz irre.“

Was sollte diese merkwürdige Frage bitte schön?

„Nun sehen Sie, Agent Starling, mit der Wahrheit ist das manchmal so eine Sache. Die wahren Motive eines Menschen sind nie sicher. Ein Menschen kann behaupten, was er will und man kann es ihm glauben oder nicht. Er kann eine beliebige Handlung ausführen, woran man ihn bewerten kann, aber ob es bewusst im Sinne seiner Interessen oder unbewusst ihnen entgegen wirkend war, ist danach immer noch nicht klar. Das weiß am Ende niemand mit absoluter Sicherheit. Oft genug nicht einmal dieser Mensch selbst.“

Sie ging einen Schritt nach vorne, blieb dann wieder stehen.

„Zum Beispiel: Jemand, der Sie nicht kennt, würde meinen, der Grund, dass Sie zum FBI gegangen sind, sei entweder das Interesse, für Gerechtigkeit zu sorgen, oder die Überzeugung, in einem gesicherten, angesehenen und durchaus auch gewisse Macht mit sich bringenden Job ihr Leben ohne zu große Sorgen verbringen zu wollen... Oder beides.“

Sie lächelte, wenn auch nur kurz, schloss ihre Augen für einen Moment um sie dann wieder, einem Raubvogel gleich, zielsicher auf sie zu fokussieren.

„Aber so richtig trifft es das in keinem Fall.“

Jodie musste sich erneut zwingen, nicht sofort ihre ganze Anspannung in Wut zu entladen. Ihre Hände, die unbedingt eine Beschäftigung brauchten, pfropfte sie gewaltsam in ihre Jackentaschen, wo sie mit den Fingernägeln Wundmale in die Handinnenflächen drücken konnten, so viel sie wollten. Diese Frau war doch... nicht ganz normal. Es beunruhigte die Agentin vor allem eines. Je mehr Mireille sagte, desto mehr musste sie zurück weichen, im übertragenen Sinne. Sie schien wirklich dieses legendäre Wissen der Soldats zu besitzen. Diese unverfrorene Anmaßung, alle Geheimnisse der Welt zu kennen – mochte das gruselige Realität sein? Und auf der anderen Seite sie, die FBI-Agentin, die sich mit jedem Wort ihres Gegenüber irgendwie kleiner fühlte und deren Unterbewusstsein daher immer mehr sie verleitete, in einer unüberlegten Aktion, in der Flucht nach vorne die letzte Verteidigung zu suchen. Es war diese Erkenntnis, die ihr James' Befehl nur noch unheimlicher, passender erscheinen ließ. Wie gemalt für diese eine Situation wirkte er nun. Als hätte der alte Mann genau gewusst, was passieren würde und wollte sie vor dem letzten, größten Fehler ihres Lebens bewahren. Aber dafür war es womöglich schon zu spät. Jodie war bereits unwissentlich gefangen in den Spinnweben, die Mireille als Fallen ausgelegt hatte.

„Was genau wollen Sie damit sagen? Dass ich... lediglich auf Rache sinnen würde für den Tod meiner Eltern?“

„Vielleicht. Ich spreche Ihnen ja keinen Gerechtigkeitssinn ab, lediglich, dass dieser das einzige Motiv sein soll, bezweifle ich.“

„Ja, ich will Gerechtigkeit, auch für meine Eltern!“

„Nein, wie putzig...“ Ihr Lächeln wurde wie ihre Stimme leicht gehässig, aber sie hielt es noch im Zaum.

„Meinen Sie, dass Vermouth den Tod verdient hätte für ihre Taten?“

„What?“

„Sie haben mich schon richtig verstanden. Sie reden von Gerechtigkeit für Ihre Eltern, das heißt, Gerechtigkeit gegen Missus Vineyard. Aber in Ihrem Bundesstaat würde das eindeutig die Todesstrafe bedeuten. Deshalb nur meine Frage, ob das Ihre Vorstellung von Gerechtigkeit in diesem Fall ist?“

Die Agentin musterte sie unschlüssig. Was sollte diese Frage nun wieder? Sie kannte die Antwort doch eindeutig genau. Unabhängig von Jodies eigener Gesinnung war sie dem Gesetz der Vereinigten Staaten verpflichtet. Im Fall des Todes ihrer Eltern galt das entsprechende Gesetz ihres Heimatstaates, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das besagte Urteil fällen würde.

„Aber was ist Ihre Meinung, Agent Starling?“, unterbrach Mireille ihre Gedanken so präzise, als könnte sie darin lesen wie in ihrem eigenen Tagebuch. Dennoch versuchte Jodie, weiter Ruhe zu bewahren. Sie fühlte sich in dieser Diskussion auf halbwegs sicherem Terrain, denn immerhin stand vor ihr eine Person, die menschliches Leben selbst keineswegs in Ehren hielt.

„Tse... meine Meinung... muss ich doch nicht vor Ihnen rechtfertigen.“ Ein resigniertes Schmunzeln lastete Mireille auf den Lippen.

„Vermutlich nicht... nein.“ Erneut sank ihr Haupt ein wenig und sie schloss die Augen.

„Und warum tun Sie es dann?“, flüsterte sie nach einer kurzen Pause. Als sie die Augen wieder öffnete wurde ihr Blick wieder schärfer, eindringlicher. Erschrocken wich Jodie einen Schritt zurück, woraufhin Mireille diesen ihrerseits wieder überbrückte.

„Was ich tue, Agent Starling, läuft konform mit Ihrer offiziellen Verpflichtung, die Haltung Ihres Landes in dieser Sache zu vertreten, ja. Dennoch bräuchten Sie sich gerade wegen der Verpflichtung tatsächlich nicht vor mir zu rechtfertigen – aber eigentlich tun Sie nichts anderes die ganze Zeit.

Daher nur meine Frage... ob Sie selbst im Fall Vermouth... vielleicht etwas anderes suchen.“ Jodie spürte mit einem mal ein unsanftes Stechen in ihrer Brust, gepaart mit einem tief bedrückenden Gefühl. Im wahrsten Sinne hatte Mireille dort offenbar einen Nerv getroffen.

'It cannot be true! She cannot know that.'

„Was... außer Gerechtigkeit sollte ich denn sonst suchen?“, verteidigte sie sich nervös.

„Nein, mich interessiert keine Rache! Vor 20 Jahren vielleicht, da war ich noch ein Kind. Aber darüber bin ich schon lange hinweg! Sie verwechseln mich mit Bruce Wayne.“

„Nein, ich meinte auch nicht Rache. Das wäre zu plump für Sie, in der Tat. Aber vielleicht suchen Sie ja... ein Motiv, Agent Starling, hm?“

„Ein Motiv?!“ Ihre Stimme bekam merklich etwas hysterisches, was ihre Glaubwürdigkeit, aber auch ihren grundsätzlichen Stand gegenüber der Attentäterin, noch weiter minderte.

„Sie tötete meine Eltern, weil mein Vater ihr nachspionierte und sie Gefahr lief, entdeckt zu werden. Sie tauschte sein Leben und das meiner Mutter gegen ihres. Ende der Geschichte!“

Mireille schmunzelte nur. Ein mitleidiges Lächeln, welches die Agentin als armes, bedauernswertes Mädchen erscheinen ließ.

„Ist das... alles, was Sie dazu zu sagen haben? In dieser Überzeugung... verlieren Sie so leicht ihre Ruhe, wenn es um diese Frau geht, jagen sie seit 20 Jahren über zwei Kontinente und... stören... andere Leute bei der Arbeit?“ Sich ertappt fühlend stockte Jodie kurz der Atem.

„No...“

„Mais oui. Sie wissen, dass es nicht alles war. Sharon Vineyard hat ihre eigenen Eltern durch ein Feuer verloren. Man muss kein Profiler sein, um die Frage aufzuwerfen, warum sie selbst ein Haus anderer Leute in Brand steckt und deren Tochter verschont. Das wäre doch etwas heftig im Sinne des sich seinen Traumata stellen.“ Sie sah, wie Jodie ihren physischen Halt langsam einbüßte.

„Und Sie wissen, dass wenn Vermouth gefasst wird, sie sich für immer ausschweigen kann, welche Beweise auch gegen sie vorgebracht werden und welches Urteil auch gegen sie gesprochen wird...

Die einzige Möglichkeit, die Wahrheit zu erfahren, wäre, wenn Sie selbst sie zuerst kriegen, wenn Sie Gelegenheit haben, mit ihr zu sprechen, bevor es nur noch offiziell geht.“

Jodie beobachtete sie entgeistert. Was wollte diese Frau von ihr? Sie provozieren? Wenn ja, warum? Was hatte sie davon? Wollte sie unbedingt, dass die Agentin ihre Fassung verlor, dass sie der Wut nachgab... und nochmal auf sie zielte? Um sie dann womöglich zu töten.

'Why? This does not make any sense at all! ... Unless....'

„No way!“

„Was ist unmöglich, Agent Starling?“, säuselte Mireille vollkommen selbstsicher.

„Sie... Sie... wissen, was dahinter steckt?!“

„Sicher. Vermouths Motive mögen... etwas komplexer strukturiert sein, aber sie sind bei weitem nicht so geheim, wie Sie vielleicht denken.

...

Hm... möchten Sie wissen, warum sie Ihre Eltern wirklich tötete, Miss Starling?“

„Say it!“ Mit einem Mal war ihre impulsive, aggressive Natur wieder da. Ein sichtbares Feuer loderte in Jodies Augen, welches Mireille nur zu einem mitleidigen Kopfschütteln anregte.

„Und schon ist alle Ruhe, alle Kontrolle, dahin.“

„Sagen Sie es, wenn Sie es wissen, verdammt!“

„Und was wollen Sie dann tun?“ Ihr Lächeln verschwand wieder, wich einem unzufriedenen, belehrenden Blick.

„Sehen Sie sich an, Starling! Wie wollen Sie in so einem Zustand helfen, die Organisation zu zerschlagen? Wie wollen Sie so die Leute, die Ihnen wichtig sind, schützen, wenn Ihre ganze Fähigkeit zum logischen Denken, Ihre Techniken zur taktischen Bekämpfung von Verbrechen, Ihre Erfahrungen im Umgang mit denen, die Sie verfolgen... wenn all das den Bach runter geht, sobald der Name Vermouth fällt?“

„Dann sagen Sie es mir doch, dann finde ich vielleicht wieder besagte 'Ruhe'!“ Jetzt schrie sie nahezu. Beinahe deprimiert ließ sich Mireille etwas hängen, seufzte leicht.

„Deswegen... genau deswegen... hat es Ihnen Conan ja auch nicht gesagt...“

„Was?“

„Was glauben Sie, was er mit Vermouth besprochen hat, als er auf dem Schiff mit ihr alleine war?“

„Er... no, no, you are lying.“ Ihr Stimme wurde wieder leise.

„Doch... er hatte sie bereits durchschaut, als er die Ocean Goddes betrat und dann lediglich sich Bestätigung geholt. Er kennt ihre ganzen Geheimnisse ebenfalls. Sogar ohne mein Zutun... größtenteils zumindest.“

„No. That's a lie!“

„Ihre Unfähigkeit, vernünftig mit diesem Thema umzugehen, macht Sie nun mal zu einem... Risiko in diesem Fall, Agent Starling. Conan hat es Ihnen nicht gesagt, weil Sie sonst mit Ihrer unkontrollierten Art den roten Faden zur Organisation zerschnitten hätten. Weil Sie... keine Ahnung haben... wie alles zusammenhängt... und weil Sie... keinerlei Selbstbeherrschung besitzen.“

„That is a god damn lie!“ Und da verschwand das letzte bisschen von besagter Beherrschung und bevor sie wieder halbwegs bei Sinnen war, bemerkte sie, wie ihre Hände nicht nur ihre Zwangsbehausung verlassen hatten, sondern auch ihre Pistole wieder auf Mireille richteten. Heftig keuchend musste sie ein paar mal aus- und einatmen, bevor sie ihrer Kontrahentin wieder ein Wort widmen konnte. Diese nahm das alles gelassen hin.

„Ich weiß nicht, was diese Einschüchterungsversuche sollen, Bouquet. Was Sie damit zu erreichen gedenken. Ob Sie mich gegen Conan ausspielen wollen, ob Sie mich psychisch runtermachen wollen... es ist mir ehrlich gesagt auch egal. Fakt ist, es funktioniert nicht.

Sie haben selber keine Ahnung, was mit meinen Eltern war, nicht wahr? Es war alles nur eine gewaltige Lüge, Sie... feige... Mörderin.“

„Hm... Mörderin lasse ich durchgehen, aber nennen Sie mich bitte nie mehr feige!“

'Sie haben selber nicht die geringste Ahnung, was ich nach dem Tod meiner Eltern durchmachte.', fügte sie in Gedanken hinzu, ohne sich dazu herab zu lassen, es laut auszusprechen.

„Ach ja, was wollen Sie...“ Sie hielt inne, als eine schwere Hand sich auf ihren rechten Arm legte und diesen langsam aber kräftig herunter drückte.

„Who the... James?!“

Ihr Chef blickte ernst, aber souverän. Durch seinen Schnauzer ließ sich kein genauer Blick auf seine Lippen erkennen, die seine exakte Stimmung verraten hätten. Daher konnten beide Frauen seine Unsicherheit in diesem Moment nicht abschätzen. Er ignorierte Jodies Worte fast vollständig, widmete sich nur der Korsin.

„Entschuldigen Sie bitte, Miss... Bouquet. Die junge Dame ist halt manchmal noch etwas übereifrig. Das müssen Sie ihr verzeihen.“

„But James?!“ Die Agentin war völlig von der Rolle. Wie konnte ihr eigener Vorgesetzter, den sie seit ihrer Kindheit kannte, und den sie wie einen zweiten Vater ansah, sie so abwatschen? Er blickte sie wegen der Frage mit dunkler Miene an, wollte nicht wirklich etwas dazu sagen, musste es wohl auch nicht. So offen wie sie gegen seine explizite Anweisung verstoßen hatte...

'Aber sie hat es doch herausgefordert!', schrie ihr ihr Unterbewusstsein zu. Eine kleine Chance bestand vielleicht noch, ihre Position zu verteidigen und die würde sie verdammt nochmal auch nutzen wollen.

„Sir.“, begann sie so gespielt souverän es ihr die psychische Situation erlaubte, unterdrückte jedwede unruhige Bewegung ihrer Augen oder Glieder.

„Diese Frau... hat behauptet, relevante Informationen über mehrere Fälle zu haben, die wir bearbeiten. Allerdings... lügt sie.“

„Nein.“, konterte Mireille überlegen, schloss sanft dabei ihre Augen, als interessiere sie das ganze schon kaum noch.

„Ich habe an keiner Stelle gelogen. Nicht wahr... Conan?“

Wissende, Unwissende und Halbwissende

Hallo liebe Lesenden,
 

und willkommen zurück zum... ja... *grübel* zum 9. Kapitel halt. XD

Zu erst natürlich möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei all den fleißigen Kommi-Schreibern, die mir weiterhin treu ihre Gedanken zukommen lassen – und die diesmal recht einhellig der Meinung waren, dass der Abbruchmoment recht gut gewählt war. Teilweise wohl... zu gut. ;p

Das freut mich wirklich sehr, wenn ich dadurch etwas mehr noch die Spannung aufbauen konnte.
 

Und tja... um es dann lieber gleich vorweg zu nehmen, ich fürchte, zumindest in dieser einen Hinsicht wird dieses Kapitel das letzte noch toppen. Also lediglich, was den Charakter des Endes angeht. Nicht dass ich da Drohbriefe bekomme wegen den zwei Wochen Pause danach. *inDeckunggeht*
 

Ansonsten... habe ich mal nicht viel zu sagen. Lasst euch einfach überraschen, was die vielen Protagonisten – meiner Zählung nach 15 ohne Kir, die gerade nicht mitspielt – weiter so treiben.
 

Viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Mal.^^

LG, Diracdet
 


 

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Kapitel 9: Wissende, Unwissende und Halbwissende
 

„Ran...?“

„Mhm?“

„Warum folgst du mir?“ Shinto war einige Zeit einfach nur stumm gerade aus gegangen. Ran folgte ihm mit einem stetigen Lächeln, welches ihm aufdringlicher erschien als ihre Anwesenheit an sich. Er hatte nachdenken müssen, wie er seine ungebetene Begleiterin möglichst elegant los wurde, ohne zu viel Aufsehen zu erregen. Entkommen würde er ihr von alleine kaum. Sie war schneller als er, definitiv auch stärker, wozu sie mit ihren Fähigkeiten in der Lage war, konnte er sich höchstens im Ansatz vorstellen, und sie wirkte ungewöhnlich fokussiert auf ihn. Was hatte er nur getan, dass er ihr auf einmal so wichtig vorkam? Doch nicht nur wegen der Sache mit der Vase vorhin...

'Dieser komische Junge, mit dem sie und ihr Vater mich verglichen hatten, wie hieß er noch... Conan Edogawa... hat der was damit zu tun?' Hatte er diesen Namen nicht auch schon mal irgendwo gehört; nicht in irgendeiner Zeitung gelesen? Denkbar, sicher war er sich nicht, was auch einfach bedeuten konnte, dass es ihn weniger interessierte, als zum Beispiel die Berichte zur Karatemeisterin Ran Mori oder dem schlafenden Detektiv Kogoro Mori...

'Detektiv... doch da war was... ein Kind, das Detektiv spielte... ja, doch, dunkel erinnere ich mich.

Also..., wenn er das sein sollte, reden wir von einem Detektiv in Form eines Kindes und sein Name besteht aus den Namen zweier berühmter Krimiautoren.' Seine Lippen vollzogen eine leichte Grimasse, die man als Außenstehender keiner bestimmten Emotion zuordnen konnte. Bei Shinto aber tauchte sie immer dann reflexartig auf, wenn er sich... irgendwie veralbert vorkam von der Realität, im falschen Film glaubte, so als ob eine vollkommen paradoxe Situation sich vor seinen Augen als angebliche Wahrheit etablierte. Und in den meisten Fällen war diese Situation am Ende leider falsch, wie er mittlerweile festgestellt hatte.

'Demnach... ein Junge, den sie kennen, an dem etwas nicht stimmt. Und an den ich sie erinnere. Kein Wunder... an mir stimmt ja auch so einiges nicht. Schön das erklärt zwar Aufmerksamkeit an sich, aber nicht, warum insbesondere Ran das so interessiert. Ich meine, man folgt doch nicht einem unbekannten Menschen, nur weil er einen an einen Bekannten erinnert. Das ist doch lächerlich.' Unsicher knabberte er an einem Stück seines linken Daumennagels, hämmerte dann mit der verbliebenen Spitze gegen seine Schneidezähne.

'Sie will etwas von mir. Nur was? Was weiß sie über mich, und was hat es mit diesem Conan Edogawa auf sich? Das, was sie will, hat doch offenbar etwas mit ihm zu tun. Tja... das sind definitiv die Fragen, deren Antworten auch ihr Motiv liefern. Aber freiwillig wird sie mir diese Antworten wohl kaum geben. Oder doch? Wenn ich... reinen Tisch mache.'

Er verdrängte bewusst den Gedanken, Conan könnte tatsächlich mit dem gleichen Schicksal bedacht sein, welches ihn heimgesucht hatte. Er wollte das im Moment einfach nicht glauben. Auch wenn das wenige, was er über Conan Edogawa aus seinem Gedächtnis kramte und die Beobachtungen zu Ran Mori ihn dazu drängten.

Aber somit blieb ihm eigentlich nur die Option, sie dazu zu bringen, ihn freiwillig in Ruhe zu lassen. Und das, ohne, dass sie diese Bitte in irgendeiner Weise merkwürdig finden durfte oder hinterfragte.

'Toll. Selbst wenn ich sie jetzt verscheuchen könnte, so wie sie mich gerade verfolgt, würde sie doch nicht loslassen, nur, weil ich sie nicht um mich haben will.'

Schließlich schien es ihm doch angebracht, einfach den radikalen Schnitt zu versuchen, sie vor die direkte Wahl zu stellen. Dementsprechend hielt er nun an, drehte sich bei der gestellten Frage zu ihr um, versuchte so ernsthaft und störrisch zu wirken, wie es ihm sein Kindergesicht erlaubte.

„Warum ich dir folge?“ Sie lächelte noch freundlicher. So freundlich, dass Shinto seine Miene einfach nicht aufrecht erhalten konnte. War das noch Schauspiel, dieses Lächeln? Schwer für ihn einzuschätzen, aber es war dem Mädchen aus seiner Sicht bei diesem Lächeln nichts böses zuzutrauen. Es war wohl echt!

„Ich fand deinen Vortrag vorhin einfach so klasse. Ich würde dich gern kennen lernen, Shinto. Und ich dachte, wenn du sowieso hier alleine unterwegs bist... könntest du ein wenig Gesellschaft gebrauchen.“

'Nein! Nein, nein und nein! Gesellschaft ist das, was ich gerade als aller letztes gebrauchen kann.', sprang ihm sein Gewissen ins Genick und prügelte mit Tiraden an Unwohlsein auf ihn ein.

„Dir ist diese Gesellschaft... nicht so lieb, oder?“ Aus seinen Gedanken gerissen blickte er wieder auf. Mitleid – verstehendes Mitleid – schien sich in Rans Augen wiederzuspiegeln.

'Weißt du es... doch? Wer... bist du... wirklich?', hörte er sich in Gedanken flüstern.

Sie beugte sich hinunter, wollte ihre Hände auf seine Schultern legen, aber er entzog sich dem Griff sofort und entschlossen.

„Entschuldige.“, bat sie um Verzeihung und nahm die Arme wieder runter.

„Du solltest nicht... hier bleiben, Ran. Das ist nicht gut für dich.“, gab Shinto mit leiser Stimme zurück. Kein Zweifel, er floh vor jemandem, er hatte Angst. Um sich... um sie... vielleicht sogar mehr um Ran als um sich?

'Du ahnst gar nicht, wie sehr du Conan ähnelst.'

„Ich weiß... oder besser, ich glaube glaube zu wissen... zu verstehen, teilweise, warum du lieber alleine sein möchtest. Du... du denkst, es ist besser, gerade niemanden um dich zu haben, den du verletzen könntest. Ungewollt, unfreiwillig, nicht von dir aus, sondern durch jemand anderen, sicher..., aber dennoch... würdest du dir die Schuld geben und das weißt du, Shinto. Stimmt das... so in etwa, mein Kleiner?“

Etwas an ihr zog ihn in seinen Bann. Ob es ihre Worte selbst waren, die Stimme, die Gestik, Mimik oder sonst etwas, schien ihm unmöglich klar zu bestimmen, aber er konnte sich dem nicht wirklich entziehen. Zu seinem großen Schock. Sie wirkte nicht nur ehrlich freundlich und gutherzig, sondern fast ein klein wenig naiv. Wusste dieses Mädchen überhaupt, welche Macht sie besaß?

„Mhm...“, blockte er still ab.

„Aber dennoch, Shinto, trotz aller... berechtigter Furcht... darfst du dich nicht isolieren von deinen Mitmenschen. Dich nicht darauf berufen, alles alleine schaffen zu wollen... zu müssen... und alles erledigen zu können, ohne mit deiner Umwelt... in Kontakt zu treten. Du musst auch... etwas an dich heran lassen, sonst... sonst wird die Einsamkeit, die du jetzt als Zuflucht aufsuchst... die... “ Ran fand kein richtiges Wort für den Abschluss dieser Metapher. Ihre Gedanken rasten, aber immer nur in die falsche Richtung. Sie hatte die Bilder von Conan vor ihrem geistigen Auge, von Shinichi, von all den Erlebnissen seit dem ersten Auftauchen des Grundschuldetektivs in Shinichis Haus damals; und wie sie diese Ereignisse nun, im Rückblick, verstellt, entstellt teilweise, erfuhr. Es war eine ungewohnte Melancholie darin, als sei alles, was geschehen war, ein langer und doch nun allmählich vergehender Traum. Eine Illusion, der sie nur durch Schlaf, durch Betäubung der Sinne verfallen war. So als sei es bald... vorbei... Schluss.

'Schluss? Ende?' Hieß das, eine Ahnung, dass die Lügen bald ein Ende haben würden, sie ihn endlich seine Maske abnehmen sehen würde? Oder eher... sie schluckte kräftig, aber der plötzliche Kloß im Hals verschwand davon nicht... dass es enden würde... mit Schrecken und mit der bittersten aller denkbaren Pillen zum Abschluss? Damit, dass er für die größte der Lügen niemals würde Abbitte leisten können, oder... sie die Erklärung niemals hören dürfen... oder können? Ein Gefühl von Eiseskälte erfasste sie kurzzeitig.

So raste es in ihrem Kopf und mit jedem Blick zu Shinto kam ihr der Junge mehr wie Conans Ebenbild vor. So sehr, dass sie es nicht hinbekam, mit dem äußerlich kleinen Jungen wie mit einem solchen zu reden. Ihre eigene Wortwahl war ganz anders, als sie es von Ayumi und den anderen so oft gewohnt war. Selbst mit Conan unterhielt sie sich selten so erwachsen. Und jetzt... die Worte, die ihr am Ende fehlten, lagen ihr längst auf der Zunge, nur konnte sie sie niemals einem Kind sagen.

'...sonst wird die Einsamkeit, die du jetzt als Zuflucht aufsuchst... die... Hölle, in der du untergehst.'

„Die Qualen des Tantalus?“

„Was?“

„Du bist ins Stocken geraten, Ran. Meintest du am Ende vielleicht die Qualen des Tantalus?“

„Die... Qualen des Tantalus?“

Der Junge wog ihre Blicke sehr genau ab, während er, erstaunlich monoton, erklärte.

„Tantalus versuchte die Götter zu täuschen und wurde zur Strafe in den Tartarus verbannt, wo er für ewig die Qual von Hunger und Durst erleiden musste. Er stand in einem See, konnte aber nichts trinken, weil das Wasser immer seinen Händen entglitt und obwohl Früchte über seinem Kopf wuchsen, konnte er keine greifen.

Auf diese Situation – und deine Erklärung – umgemünzt, wäre das die Aussage, dass ich zwar meine, die richtige Entscheidung zu treffen, wenn ich allein sein will, aber Gefahr laufe, einige fundamentale Bedürfnisse, wie menschliche Nähe, für immer von mir zu stoßen und darüber mehr zu leiden, als diese Ruhe es Wert wäre. Trifft es das so etwa?“

Ran konnte nichts darauf antworten, musste es aber wohl auch nicht, so eindeutig war ihr Blick, der zwischen einer Form von erkennender Erleichterung und Verzweiflung hin und her schwankte.

Er hatte nicht einfach ein Wort gefunden, welches sie sich scheute zu benutzen, er hatte es gleich auf eine höhere Stufe gehoben. Sicher, die Qualen des Tantalus kannte Ran auch, das war Allgemeinwissen... nur nicht bei einem kleinen Kind. Und dann so gewählt formuliert.

Es gab keine Zweifel mehr für sie. Dieses Kind war kein Kind, es war ein Erwachsener und im Rahmen dessen, was sie erfahren hatte, was sie durch Shinichi verstanden zu haben glaubte, war es mehr als naheliegend, dass er ein Opfer dieser geheimnisvollen Organisation war, der auch Chris Vineyard angehörte.

Nicht viel anders bewertete Shinto die Situation, auch wenn er versuchte, seine Emotionen nicht zu stark in seine Mimik einfließen zu lassen. Auch für ihn bestanden nun keine Zweifel mehr.

'Sie weiß, wer ich bin?! Woher? Heißt das, dieser Conan ist tatsächlich... oh nein.' Irgendwie ahnte er die Antwort und doch machte es ihn zu seiner eigenen Verwunderung nur noch neugieriger auf diesen mysteriösen Jungen. Er überlegte einen Augenblick, schnalzte dabei leicht unkontrolliert seine Zunge, und sah sie dann wieder an.

„Wenn ich... jemanden rufen würde, von der Polizei... und sage, dass mich ein Mädchen, welches ich nicht kenne, verfolgt...“

„Würde ich sagen, dass ich dich nur zu deinen Eltern bringen wollte, weil du hier alleine rumliefst. Die Polizei würde der Faktenlage nach mir da eher glauben, als einem Siebenjährigen, oder? Und in deinem Alter solltest du wirklich nicht in so einem großen Park alleine rumlaufen. Schon gar nicht, wenn hier heute am Eröffnungstag so viele Leute sind.“

„Ich kann aber schon auf mich aufpassen, Ran!“ Sie schmunzelte leicht.

„Vielleicht, ich glaube dir das sogar, aber die Polizei wird es nicht, Shinto. Wenn ich dich nicht zu deinen Eltern bringe, wird sie es tun. Daran besteht kein Zweifel.“

Erneut seufzte er tief.

„Eine Bedingung!“, drohte er dann energisch sie anstarrend.

„Wie, Bedingung?“

„Du kannst in meiner Nähe bleiben, aber nur unter einer Bedingung.“

„Ähm... und was für eine Bedingung sollte das sein?“ Dieser Gedanke kam ihr nun reichlich ungelegen. Wenn sie mit einem echten Kind sprach, wäre das überhaupt kein Thema und sie hätte OK gesagt, bevor sie nach der genauen Forderung gefragt hätte. Jedoch... wenn das Kind kein Kind war... waren manche Forderungen... einfach kritisch bis nicht erfüllbar für sie. Augenblicklich rasten ihre Gedanken wieder zu der unausgesprochenen Unanständigkeit, um es diplomatisch auszudrücken, zurück, der sich Conan ihrer Meinung nach auf dem Schiff schuldig gemacht hatte und ein ungesunder roter Ton erfüllte sofort ihre Wangen.

'Der Junge wird doch nicht...' Shintos Blick war fest auf sie gerichtet, wirkte auf Ran direkt beängstigend. Dieser sture Blick, von jemandem, der ein 'Nein' nicht duldete, wenn er etwas wirklich wollte.

'Wie Shinichi, wenn er bei einem Fall hinter einer Spur her ist und diese ihm durch die Lappen zu gehen versucht. Er lässt dann nicht locker, bis alles zu seiner Zufriedenheit ausfällt.'

„Erzähl' mir was von ihm.“

„Ihm? Von wem... redest du?“

„Conan Edogawa. Der Junge, dem ich angeblich so ähnlich sein soll. Ich möchte ihn kennen lernen. Du kennst ihn, dein Vater auch. Ich möchte wissen, wer diese Person ist, ihn treffen. Also, Ran, versprich mir, mir etwas von ihm zu erzählen und ihn mir, so bald wie möglich, vorzustellen!“

Ran fiel mehr als nur ein kleiner Stein vom Herzen. Es war nicht einfach nur eine Bedingung, die sie ohne weiteres erfüllen konnte. Es war sogar genau das, was sie wollte. Sie wollte Conan und Shinto ja zusammen führen. Sollte sich ihr Engagement diesmal vielleicht mehr auszahlen, als vor drei Tagen? Sie konnte doch schließlich... nicht immer Shinichi so zur Last fallen... und um Rettung durch ihn bitten müssen, wie auf dem Schiff... nein, das wollte sie nicht und das durfte sie nicht. Hier war ihre Chance, dafür Abbitte zu leisten, ihm wirklich zu helfen. Ohne sich in Gefahr zu bringen, ohne tief in die Machenschaften der Organisation hinein gezogen zu werden. Einfach nur den einen falschen Jungen dem anderen falschen Jungen vorstellen.

Sie schluckte alle Emotionen hinunter, ließ nur das Glücksgefühl, dass sich nicht mehr verdrängen lassen wollte, übrig, welches ihr ein heiteres, fröhliches, zufriedenes Schmunzeln aufs Gesicht zauberte.

„OK... damit bin ich einverstanden, Shinto. Ich werde euch noch heute vorstellen, wenn es geht.“

„Na schön.“ Er drehte sich wortlos um, und schritt los.

„Was...? Wohin willst du, Shinto?“

„Los gehen. Du kannst gerne in eine andere Richtung gehen, dann trennen sich unsere Wege hier. Ich zwinge dich sicher nicht, mitzukommen, ich habe nur eine Bedingung dafür gestellt.“

„Aber... schon gut, ich komme.“ Ruckartig stand sie wieder auf und folgte dem kleinen Jungen.

Er sah sich gar nicht groß um, sondern schritt gleich los.

'Hm... jetzt bleibt „nur“ das Problem, dass sie unweigerlich mit hineingezogen wird in die Aktion heute... Raushalten selbst geht nicht... aber vielleicht kriegen die Scharfschützen der Organisation sie ja verscheucht. Ganz recht kann das denen doch auch nicht sein, wenn hier noch ein unbeteiligtes Mädchen mit rum läuft. Mal sehen, was sie jetzt tun werden...'
 

'Ganz schön gewieft, der Kleine.', musste Akai, der das Gespräch aus seiner Position verfolgen konnte, anerkennend feststellen.

'Aber... irgendetwas ist an dem Jungen faul... auch als geschrumpfter, wie Kudo, wirkt er nicht so real, wie dieser Schülerdetektiv.' Kaum weniger beunruhigte ihn Rans Verhalten. Es zeigte sich doch deutlich, dass sie mindestens ahnte, was mit Conan war.

'Heißt das, sie weiß womöglich über ihn Bescheid, aber die beiden haben sich noch nicht ausgesprochen darüber? Denn sonst hätte er doch sicher nicht zugelassen, dass sie hier her kommt.'

Ein dunkler Schatten zog über seine Stirn, verschwand aber sofort wieder. Da kam ihm einiges leider viel zu bekannt vor und das Ende der Geschichte war ihm sein Leben lang wie eingebrannt.

'Kudo... du bist ein Dummkopf.'
 

Jodie und James gingen förmlich die Augen über, als langsam der kleine Junge hinter dem Baum zum Vorschein kam, an dem Mireille vor einigen Minuten noch gelehnt hatte.

„C-Conan... how long have you been...“ Sein Blick wirkte ernst, aber auch ungewöhnlich hart und kalt.

„Nicht lange... aber lange genug, Agent Starling...“, gab er nur monoton zurück, ignorierte, dass sie wegen des Schreckens gerade ihr Japanisch nicht heraus bekam.

Dann wandte er sich bewusst von den beiden Agenten ab, vermied insbesondere Jodies Blick und suchte stattdessen die Haare und den Rücken von Mireille Bouquet.

“Beeindruckend... wirklich.”, musste er neidlos und doch nicht ohne gemischte Gefühle zugeben.

„Seit wann wussten Sie, dass ich hinter dem Baum stand?“ Mireille lächelte nur schwach.

„Ich lehnte selbst eine Weile an diesem Baum. Daher kannte ich das Geräusch, wenn der Wind daran vorbei streift und seine Krone durchzieht.“

„Wie bitte? Der Wind? Sie meinen...“ Nun gingen ihm die Augen über.

„Beim letzten Windstoß kam unerwartet ein schwacher Pfeifton hinzu, relativ weit unten. Egal, wie sehr man sich an einen Baum lehnt, fast immer hinterlässt man eine kleine Lücke, einen schmalen Spalt, durch den der Wind pfeift. Weil Körper und Baum nunmal nicht direkt aneinander passende Formen sind. Vermutlich in deinem Fall in der Höhe des Halses, da dein Kinderkopf ja weiter nach hinten reicht als bei einem Erwachsenen, bei dem der Hals mittlerweile angepasst ist.“

Conan schaute sie streng an, versuchte seine Verblüffung nicht zu lange und zu sehr durchscheinen zu lassen.

„Das... können Sie hören? Ich nehm's zurück, beeindruckend ist eine deutliche Untertreibung für Ihre Fähigkeiten.“

„Merci.“, nickte sie nur zustimmend.

Das war sie also. Die wahre... Mireille. Er war ihr ja schon vor einiger Zeit mal begegnet, auch damals schon mit diesem unguten Gefühl in der Brust beladen. Er hatte die Attentäterin in ihr förmlich gespürt.

'An sich... Attentäter... und Noir, das sind halt nicht wirklich vergleichbare Ausdrücke. Da muss ich Vermouth recht geben.'

Diesmal nämlich... diesmal begegnete er ihr zum ersten mal in dem Wissen, dass sie... Noir war. Und als ob es noch irgendeiner Form von Beweis dieser Hypothese bedurft hätte, war allein die Art und Weise, wie sie seinen 'Überraschungsauftritt' zerstörte, wie sie seine erhoffte Sicherheit entblößte, mehr als ausreichend. Erschreckend und... faszinierend, in ihren Bann ziehend, zugleich. Solch empfindliche Sinne, solch ein Gespür, dabei diese Ruhe und Übersicht, diese Erhabenheit, die sie verströmte; von so einer Kombination hatte er niemals bisher in dieser Form gehört. Das waren wohl die Qualitäten von einer Auftragskillerin, wie es keine zweite auf der Welt gab, ausgenommen Kirika Yuumura vielleicht. Es brauchte wohl solche Qualitäten, um in so einem 'Gewerbe' zu überleben. Dennoch, es war einfach nur furchteinflößend, sich vorzustellen, was diese beiden Frauen noch alles konnten, was sie bis jetzt noch verborgen hielten vor der Welt.

Conan merkte, dass seine Kehle leicht trocken wurde bei dem Gedanken, in wessen Rücken er da stand. Mireille hatte sich immer noch nicht mal zu ihm gewandt, ihn angesehen oder sonst etwas. Würde sie nicht auf seine Fragen antworten, könnte man meinen, sie ignorierte ihn direkt, so als wäre er...

'... niemand, der für sie in irgendeiner Form eine Gefahr darstellte.

Was sie – und Kirika – schon erlebt haben mögen, um an diesen Punkt zu kommen... dass der Auftritt der Organisation, und des FBIs, dieser ganze Trubel hier... sie einfach kalt lässt?' Eine weitere Frage, die er an die vielen anreihte, die ihm bei Noir noch nicht schlüssig beantwortet schienen. 'Und dennoch... etwas Licht wirft diese Diskussion vielleicht doch auf die beiden Frauen.'

„Warum haben Sie... Kir... eigentlich nicht getötet?“

Jodie musste kurz schlucken, während James ruhig blieb und nur noch mehr den undurchdringlichen Blick festigte, den er die ganze Zeit auf behielt. Ja, die Frage war wohl berechtigt. Wenn sie wirklich noch am Leben sein sollte, wäre das sehr ungewöhnlich.

„Hm... wer sagt, ich hätte es nicht getan?“

„Ich weiß, wo sie ist.“

„Woher?“

„Ich war dort.“

„Das bezweifle ich.“, grinste sie verschmitzt.

„Hm... danke für die Bestätigung meiner Theorie.“ Mirelle schloss kurz die Augen, schmunzelte noch ein wenig mehr, dann noch heftiger, bis man es fast als ernsthaftes lachen betrachten konnte.

„Du kleiner Schlaufuchs, du...“

Ein bitterer Geschmack machte sich auf seiner Zunge breit. Es war wohl wirklich so...

Sie war gut genug, um den kleinen Trick mit der umgekehrten Psychologie sofort zu durchschauen. Er konnte, selbst als kleiner Junge, nicht mal kurz ins Damenklo verschwinden und die Tür hätte er eh nicht öffnen können. Entsprechend war ihr 'Das bezweifle ich.' eine Bestätigung für den Tatort, den er nicht aufsuchen konnte. Aber wenn sie das sofort verstand, hatte sie ihm folglich freiwillig und wissentlich verraten, wo Kir war. Warum? Warum zum Geier tat sie das?

„Tun Sie nicht so, das war Absicht.“

„Ja. Und nun?“

„Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Warum?“

„Vielleicht... dir zuliebe? Unsere Beziehung wäre doch sonst von vorn herein auf einem unnötig schlechten Stand.“ Nun musste Conan schmunzeln, auch wenn es etwas zynisches in sich trug, das man auch in der Stimmlage wahrnahm.

„Nein, ernsthaft. Haben Sie ein Problem damit... wenn Sie den Menschen nicht als... 'böse genug' ansehen?“

„Hm... das darfst du selber raten, mein Lieber.“ Ihr breites Lächeln, welches nur die Agenten traf, schickte Jodie einen nur noch kälteren Schauer als das ganze bisherige Gespräch über den Rücken.

'What... the Hell is going on here?' Selten, eigentlich noch nie, fühlte sie sich in einer Diskussion so unwissend, unbeteiligt, unbedeutend, wie hier. Zuschauer in einer Scharade, während die Schauspieler die Lösung kannten. Mirelle stand über ihr, ja, das hatte diese schon demonstriert, und allmählich akzeptierte Jodie, dass sie ihr nicht einfach so das Wasser reichen konnte.

Aber auch ihr Chef... und Conan schienen weit mehr über Mireille zu wissen, als die Agentin. Sie wussten... wie mit ihr umzugehen war. Sie wirkte kein bisschen weniger erhaben und doch so, als sei sie interessierter an einem ernsthaften Gespräch, als würde sie auf sie eingehen, während Jodie nur... wie ein Tölpel hingestellt wurde. Sie war älter als Conan oder auch Kudo und vor allem älter als Mireille, gleichzeitig aber auch deutlich jünger als ihr Vorgesetzter, der, wie er selbst ab und zu betonte, über seinen Zenit längst hinaus war. Wieso war ausgerechnet sie diejenige, die hier nicht mitreden konnte?

Was genau wussten die anderen, was sie nicht wusste?

Und dann nagte ja noch etwas an ihr. Eine Aussage Mireilles, die ihr keine Ruhe mehr ließ. Wenn sie eh keinen Beitrag zu diesem Gespräch leisten konnte, dann musste sie es eben unterbrechen und endlich Klarheit bekommen.
 

„It's not true, Conan!“, weckte ihn eine aufgebrachte, aber auch leicht verunsicherte Jodie Starling aus seinen Gedanken. Ihre Stimme hatte einiges an Sicherheit eingebüßt und das konnte der Moment Ruhe, in dem Conan und Mireille unter sich waren, nicht wettmachen.

„Sag ihr, das es eine Lüge ist! Sag es ihr... sag... sag es mir..., please.“ Das Bitte war kaum noch hörbar, so sehr erstarb ihre Stimme gegen Ende. Je leiser sie wurde und je länger er ihr nicht antwortete, desto mehr Flüssigkeit füllte langsam ihre Augen. Es war unglaublich, dass sie sich noch mal so in der Öffentlichkeit, in der Gegenwart einer Verbrecherin so gehen lassen würde, Tränen zu vergießen... aber es ging nicht anders. Sie brach gerade ein in einen unendlich tiefen See aus Schuldgefühlen und Anschuldigungen. Das letzte Wort war nur noch ein verzweifelter Hilferuf, sie aus diesem Albtraum zu wecken. Einen Hilferuf, von dem sie schon wusste, er würde ihn nicht mehr erhören.

Dieser Junge, dem sie so sehr vertraute... sollte sie so direkt angelogen haben, ihr etwas verheimlicht haben, von dem er wusste, wie wichtig es für sie war? Wie unglaublich wichtig...

'Maybe... now I know how Mori feels...

Ran!?'

Ihre Augen drückten ihren Schrecken so deutlich aus, dass es auch Mireille überraschte. Mit ironischem Blick legte sie den Kopf leicht schief.

„Ach, hatten Sie gerade eine Eingebung, dass Sie noch einen Auftrag zu erledigen hatten?“

„You... wait... this was a trick!“ Jodies Gedanken überfluteten gerade ihren Kopf.

'Jetzt wird mir alles klar. Der Windstoß, von dem sie sprach, der Conan entlarvte. Während dieses Moments hielt sie kurz inne. Sie wollte sagen, dass ich den Auftrag hatte, Ran zu suchen, sagte danach aber nur „jemanden“, nicht den Namen. das heißt, Conan...'

„Conan!“, schrie sie ihn wie aus Trance gerissen, an.

„Ran und ihr Vater sind hier im Park!“

„Was?!“ Nun war auch er alle äußerliche und innerliche Ruhe los. Sie waren hier? Heute? Nach der Diskussion am Morgen mit Onkel Kogoro?! Warum?

„Dann geht endlich und sucht sie!“, unterbrach Black schließlich herrisch.

„Im Moment ist Shuichi Akai in ihrer Nähe, aber das Problem ist, dass Ran scheinbar die Zielperson gefunden hat. You have to go and help her to get out, Mr. Holmes!“

„Verdammt, das hatten Sie gekonnt ausgelassen in Ihrer Rede.“, warf er wütend Mireille ins Gesicht.

„Wärst du denn sonst so lange hier geblieben, um unsere Diskussion zu Ende zu hören?

Ich würde Mr. Black übrigens zustimmen, dass ihr mal machen solltet, denn...“ Sie holte ihre Taschenuhr heraus, ließ die Musik beim Aufklappen auf sie wirken. Erneut bemerkte Conan in ihren Augen diese kurze Melancholie, die sie überkam. Dann schloss sie sie mit Druck wieder und die Melancholie verschwand, als wäre sie nie da gewesen.

„... in fünf Minuten ist es schon drei Uhr und das nächste Feuerwerk beginnt!“

„Die Scharfschützen!“, erschrak Jodie.

„Andererseits... im Moment ist Ran noch in Sicherheit. Kirika kümmert sich darum.“

Conan hörte zwar noch zu, rannte aber schon los, und zog Jodie förmlich mit sich.

„Kommen Sie schon!“, fauchte er wie ein wütender Löwe, als sie doch noch stehen blieb, ihn leicht benommen ansah.

„Y-Yes, I'm coming.“

'I'm coming... for now. But this is not yet over, Kudo!'
 

Black beobachtete angespannt, wie sich die beiden entfernten, bevor er sich wieder Mireille zuwandte. Sein tiefer, ruhiger Blick schien durch die Abwesenheit anderer weiter an Größe zu wachsen. Er fühlte sich erstmals in der Lage, sich wirklich Noir zu stellen.

„You look quite well... Ms. Bouquet.“

„Merci, Monsieur Black...“ Sie musste unweigerlich erneut schmunzeln, trug er doch den gleichen Namen, den auch sie, wenn auch im Geheimen, benutzte. Man konnte ihm ansehen, dass er den Witz auch verstand.

„Ironie, nicht wahr?“

„Ich gebe zu, jetzt bin ich ein wenig beeindruckt, dass Sie wissen, wer ich bin.“, gestand Mireille ohne Scheu. Es erheiterte sie sichtlich, mal mit jemandem außerhalb der Soldats reden zu können, der mehr kannte, als die Oberfläche von allem. Mehr sah als andere.

„Wissen... wäre bis vor kurzem wohl Übertreibung gewesen. Ich hatte es geahnt, aber Sie haben es erst bestätigt.“

„Ist das die berühmte Altersweisheit, die Ihnen das verraten hat?“

„Muss ich mich vor jemandem rechtfertigen, der angeblich 20 mal älter ist als ich?“ Jetzt lachte Mireille wirklich herzlich auf. Und James konnte nicht unterdrücken, ebenfalls zumindest die Lippen anzuheben, obwohl er es nicht wollte. Es war weder ein gespieltes noch ein überhebliches, arrogantes Lachen. Es war... ehrlich. Sie krümmte sich vor Lachen; ihre verschränkten Arme verformten sich, weil sie sich den Bauch halten musste. Es vergingen sicher dreißig Sekunden, bis sie wieder ruhiger wurde. Für ihn hingegen war die Sache mehr als ernst, aber anders konnte er ihr gar nicht entgegen treten als mit dieser offenen Art, einem Witz auf den Lippen, sonst fast wie immer. Alles andere würde sie als schlechtes Spiel durchschauen.

„Touche, mein Lieber. Sie haben also wirklich von diesen Legenden gehört?“

„Mhm... man hört viel im Laufe der Jahrzehnte, wenn man dauernd mit allen möglichen Verbrechern zu tun hat. Aber geglaubt hätte ich es bis zu Ihrem Auftritt auch nicht. Ja, Les Soldats waren mir bekannt und auch, dass ihre Gründungszeit in etwa mit der Ihres Ursprungs zusammen fiel, was einen Zusammenhang andeutete. Von den Jungfrauen mit den schwarzen Händen, den Händen der Soldats... von diesen Legenden habe ich schon gehört. Nun ja, und dann kommen zwei Frauen, die Attentäter sind, auf diese Insel und zeigen offen ihre...“ Er zögerte kurz, als er Mireille's finsteren Blick gewahr wurde.

„ihre... Beziehungen zu den Soldats... das hat mich dann schon stutzig gemacht.“

„Ach... aber das klingt doch mehr als suspekt, finden Sie nicht? Ich hätte dann eher auf eine Schmierenkomödie der Soldats getippt, die mit unserem Namen andere Leute erschrecken wollten.“, konterte sie skeptisch.

„Und das ist die Alterssenilität, Ms. Bouquet. Ich hatte es irgendwie im Gefühl... dass es mehr als ein Spiel war.

Außerdem... ich bin mir schon sicher, dass Sie keine eintausend Jahre alt sind. Aber Sie könnten unabhängig davon ja ausgebildet sein, trainiert von den Soldats. Sie könnten schon... die Beste sein.“

„Die Beste? Hm... nein, da kann ich Sie beruhigen, Monsieur Black. Egal wie gut jemand ist, es gibt immer jemanden...“ Bis eben schaute sie eher, als sei sie nicht ganz bei sich, immer noch etwas auf einer höheren Ebene, von der sie auf ihn herab blickte. Nun aber sah sie ihn direkt, scharf an, ihr Lächeln bekam etwas fratzenhaftes, unwirkliches... dämonisches.

„..., der noch besser ist.“

Er schluckte schwer bei ihrer Mimik, suchte die Antwort auf die Frage, die sie aufwarf.

„Y-Yuumura?“

„Oui.“

„Diese Kirika... sie ist die bessere von Ihnen beiden?“

„Viel besser... Sie haben keine Vorstellung, wie gut sie ist.“

„Wie gut?“ Er war jetzt noch unsicherer geworden und das konnte er auch nicht mehr verbergen vor ihr. Die ganze Art, wie Mireille sich präsentierte, wie sie ihre Qualitäten darstellte, ihre Fähigkeiten als einzelne Trümpfe ausspielte, durch die sie sich über die Agenten, sowohl vom FBI als auch vom CIA, emporhob, das alles war selbst für ihn kaum zu ertragen. Und er wusste immerhin, dass sie Noir war! Er fühlte sich um das winzige Stück des Halbwissens mehr der Begegnung gewachsen, als Jodie oder Shuichi. Deshalb wollte er sie raushalten; er wusste, auf was man sich einließ bei ihr. Den Tod. Nicht mehr und nicht weniger. Und dennoch war es praktisch schon zu viel für ihn. Die Vorstellung, dass die zweite von den Jungfrauen mit den schwarzen Händen noch viel... 'mächtiger' sein sollte, noch tödlicher, noch unüberwindlicher, als diese Frau, die vor ihm stand, schien ihm einfach absurd. Das konnte nicht sein, unmöglich.

Und doch wusste Mireille genau, wie sie dieser ablehnenden Haltung den Todesstoß versetzen konnte.

„Immerhin... ist sie diejenige..., die Noir getötet hat.“
 

Conan hatte beim Laufen mehr Schwierigkeiten, als er dachte. Zum einen war Jodies Tempo für seinen Körper schlicht zu heftig, auch wenn er um keine Sekunde später bei Ran sein wollte, als absolut notwendig. Zum anderen ließ ihn der Gedanke an ihre Anwesenheit einfach nicht mehr los.

'Verdammt. Ich hatte Onkel Kogoro doch überzeugt, Ran nicht hier her zu bringen. Was hat nur seine Meinung... Oh nein, er wird doch nicht meinen Ausbruch...' Zähneknirschend wurde ihm klar, was passiert ist.

'Ich Idiot. Kogoro muss stutzig geworden sein, wie extrem ich reagierte. Und prompt interessiert er sich wirklich dafür und kommt her.' So sehr er sich über sich selbst ärgerte, vergaß er nicht, dass auch sein ständiger Wirt einen eben solchen logischen Fehler begangen hatte. Nämlich übersah Kogoro Mori, dass im Falle einer Gefahr als Ursache für Conans striktes Ablehnen, zum Park zu gehen, er nicht seine Tochter mitbringen sollte.

'Aber wahrscheinlich wird Kogoro immer noch nicht in Betracht ziehen, dass meine Aktionen bewusst etwas mit Gefahr zu tun haben...'
 

Als Jodie klar wurde, dass der einzige Effekt, den es hatte, so schnell wie möglich zu laufen, darin bestand, Conan erneut aus den Augen zu verlieren, drosselte sie sich etwas, so dass der Junge hinterher kam, ohne völlig aus der Puste zu geraten.

„Machen Sie hin, ich schaffe das schon!“, hustete er zwischen zwei kräftigen Atemzügen. Was musste dieser Park auch so verdammt groß sein.

„Es nützt nichts, wenn du bei Ran ankommst und umfällst, Kudo. Dann nützen weder ihr noch dir, noch sonst irgendwem auch deine besten Ideen in irgendeiner Form.“

Er verstand die Anspielung auf Mireilles Worte. Die Ansicht, Jodie würde unüberlegt handeln, sobald es um Vermouth ging, und dass der kleine Detektiv sie teilte. Insbesondere hatte Jodie ihn noch nie Kudo genannt. Ein Zeichen persönlicher Distanz, die momentan zwischen ihnen bestand. Cool Kid, selbst unter dem Aspekt, dass es ihn als Kind deklarierte, kam ihm auf einmal wie eine so angenehme und entfernte Vergangenheit vor.

Er drosselte sich selbst auf ihr neues Tempo ein, vermied aber zunächst weiterhin direkten Blickkontakt.

„Why?“

Keine Antwort. Sie suchte seinen Kopf, der stur geradeaus gerichtet war und offenbar bereits Pläne auskalkulierte, wie Ran aus dem Park zu kriegen sei und das möglichst ohne, dass die Organisation auf sie aufmerksam wurde... oder in dem Fall, das sie sie schon bemerkt hatten, wie es anzustellen sei, sie als unbedeutende, unwissende Person hinzustellen und sie damit für die Männer in Schwarz als obsoletes Detail erscheinen zu lassen.

Und diese Gedankenkette wollte sie auch nicht wirklich unterbrechen, nur... es nagte ziemlich an ihr, was Mireille sagte. Damit alleine könnte sie umgehen, aber dass Conan es stillschweigend absegnete, hatte bei ihr sehr tiefe Narben hinterlassen. Sie musste einfach...

„Können wir darüber nach dem Fall sprechen?“, las er ihre Gedanken und antwortete abweisend.

„Mhm... am I... really that easy seen through?“

„Weil ich Ihre Gedanken gelesen habe, genau wie Mireille vorhin? Nein, nicht in diesem Fall, dafür hätten zu viele genauso reagiert; es war nur sehr naheliegend.“

Sie seufzte. Viel besser war die Antwort aus ihrer Sicht nicht. Sie war wohl ziemlich... gewöhnlich in jemandes Augen, der von einem Schrumpfgift verjüngt wurde... oder jemandem, der die Soldats besser kannte.

„Kannst du es mir denn erklären, Conan? Warum du mir nicht erzählst, was hinter dem Tod meiner Eltern wirklich steckt?“

„Es würde nichts ändern, Miss Jodie.“, konterte er nachdenklich.

„Es war Sharon Vineyard, es war ein geplanter, ausgetüftelter Mord, so weit lagen Sie ja richtig.“

„But...? Kommt da noch eine Ergänzung, wo ich dann falsch liege?“ Er biss sich unsanft auf die Zähne.

„Ich sagte doch, Sie können nichts am geschehenen ändern. Die Art des Verbrechens und der Täter bleibt erhalten, lediglich das Motiv ist... etwas anders, als Sie denken. Aber das ist... das ist doch für die Verfolgung eigentlich irrelevant.“

Er wollte es jetzt partout nicht aussprechen. Ein Satz zum genauen Sachverhalt der Ereignisse von vor 20 Jahren und Agent Starling würde nicht mehr aufhören, ihn zu löchern. Dafür war doch später noch beliebig viel Zeit...

Jodie biss sich beinahe die obere Hautschicht von der Unterlippe ab.

„Na schön, aber sobald der Fall vorbei ist... noch heute, klar?“ Ihre Augen funkelten scharf. Sie fühlte sich, als musste sie gerade jedes bisschen Würde, welches sie ihr Eigen glaubte, runterschlucken, nur um diesem Jungen seinen Willen zu lassen. Und dennoch... er hatte diesmal, mal wieder, recht. Jetzt war wirklich nicht der Zeitpunkt, darüber zu diskutieren, was gewesen ist und sowieso fest steht. Was nun oder später, ohne Veränderung der Realität, erörtert werden konnte. Jetzt hingegen ging es um eine noch lebende Person, die beiden auf ganz unterschiedliche Art wichtig war und die in Lebensgefahr schwebte.

„Also gibt es tatsächlich eine offizielle Zielperson der Organisation?“, begann Conan damit die eigentliche Diskussion.

„Ich weiß ja nicht, was du die ganze Zeit über gemacht hast. Wir haben aufgeteilt Informationen besorgt. Kanin hat offenbar was mit der Organisation zu tun, aber die sind sich nicht ganz grün. Nun hatte er zwar ein paar Sicherheitsmaßnahmen seinerseits vorbereitet, aber die wurden bereits von Korn und Chianti überwunden und...“

„Nein.“

„Wie... nein?“

„Akai hat wegen des Telefonats zum falschen Zeitpunkt Kanin verlassen.“

„How... you were there?!“

„Auch ich sah Kanin als zentralen Drehpunkt in dieser Scharade. Deswegen hab ich mir einen kleinen Ausguck von einem der Bäume besorgt. Von da aus konnte ich nicht nur das Gespräch mit Gin verfolgen, sondern auch sehen, was unmittelbar nach dessen Ende war.“ Er zögerte kurz, als er an die Worte Kanins und sein hämisches Lachen dazu dachte.

„Es war alles nur Show. Was immer Kanin geplant hatte, ging deutlich weiter als besagte Sicherheitsleute. Ich glaube sogar er hat damit gerechnet, dass die Organisation diese aus dem Weg räumen wollte.“

„You mean... er hat das alles so geplant, wie es passiert ist und seine eigentlichen Trümpfe stehen noch aus? Aber das würde bedeuten, er hätte wissentlich den Tod zweier unschuldiger in Kauf genommen“

„Mhm... das oder...“

„Oder... was?“, hakte Jodie nur noch verwunderter nach.

„Na, wenn er wirklich das alles mit eingeplant hatte...“

„... No way...“

„Wer weiß. Hideichi Kanin hatte, gerade in der letzten Zeit, Schlagzeilen gemacht mit einigen als 'genial' titulierten Marketing- und Geschäftsstrategien. Deswegen war ich auch mit der 'wahren Zielperson' etwas skeptisch. Doch wenn dort wirklich eine ist, wird Kanin schon etwas mit dieser Person planen.

Mir macht aber momentan etwas anderes mehr zu schaffen. Kir.“

„Du meintest doch zu Bouquet, du wüsstest, wo sie ist.“

„Weiß ich auch. Auf dem Damen-WC, auf dem steht, es wäre defekt.“

„Aber da... hatte ich doch geklopft!“

„Sie vergessen, dass Rena Mizunashi eine Doppelagentin ist, Miss Jodie. Wäre sie einfach so überwältigt worden, scheint es merkwürdig, dass sie nicht antwortet, wenn jemand bekanntes kommt. Allerdings muss sie immer zwischen zwei Extremen balancieren. Zum einen versuchen, die Organisation daran zu hindern, Verbrechen im großen Maßstab zu fabrizieren; zum anderen, nicht durch diese Aktionen auffallen. Ich denke, so wie es sich verhält, ist sie durchaus nicht abgeneigt, nicht zu tief in so einem größeren Fall drin zu stecken.“

„Aber das wäre doch...“

„Ich weiß, nicht ganz gemäß ihrem NOC-Auftrag. Das will ich auch nicht wirklich anzweifeln. Aber wenn sie überwältigt wird, lebt sie fast besser damit, offiziell nicht aus dem Versteck zu kommen, als wenn sie durch Sie zum Beispiel frei käme, dann folglich Kontakt zum FBI aufnehmen würde, und sich unmittelbar danach wieder der Organisation stellen müsste.“

„Also hat Bouquet sie... überredet, wenn auch mit etwas Nachdruck, vermutlich.“

Conan zog seine Augenbrauen ungewöhnlich eng zusammen.

„Und genau das verstehe ich nicht. Was genau hat Mireille Bouquet davon, gerade Kir außer Kraft zu setzen, die selber gegen die Organisation arbeitet? Ich meine... wem nützt das und warum?“

„Stimmt, merkwürdig ist das schon... allerdings nur, wenn man einige Parameter voraussetzt, die wir nicht sicher haben können. Zum Beispiel, ob Bouquet und Yuumura nicht selber für die Organisation arbeiten. Oder ob sie wirklich über die Soldats von den Plänen der Organisation... und Kanins wohl auch... informiert sind.“

„Ja, aber beides können wir als gesichert ansehen...“

„Warum?“ Er schwieg.

'Great... I really enjoy, how open our new openness is.'

„Mireille Bouquet...“, antwortete er schließlich doch, als ihn ihr wütender Blick wie Messerstiche traf.

„Sie hatte mich hierher eingeladen, weil sie etwas von mir wollte.“

„Und was?“

„Das weiß ich nicht... Sie hatte es mir nicht gesagt...“ Sie schien es zu akzeptieren, aber mehr konnte er bis jetzt auch einfach noch nicht sagen.

„Weiß eigentlich die Organisation über Kirs Fähigkeiten Bescheid?“, setzte er nach einem Moment erneuten Schweigens an.

„Wie meinst du das?“

„Na haben die sie nur engagiert, weil sie Reporterin ist, oder haben sie, auch ohne was über ihre CIA-Zugehörigkeit zu ahnen, vielleicht ne Vorstellung davon, was sie so alles besonderes kann?“

„Oh, ihre Fähigkeiten, die sie als Agentin besitzt... Schwierig, aber zum Teil wohl schon. Wenn man den kursierenden Informationen um Rena Mizunashi glauben darf, ist es bekannt, dass sie über sehr feine Sinne verfügt und ihr selten etwas aus ihrer Umgebung entgeht.“

Conan verfiel unmittelbar in Nachdenken.

'Angenommen, sie kennen ihre Fähigkeiten, haben sie intern sogar noch gesteigert, dann könnten diese vielleicht der Grund für Noirs Eingreifen sein. Nur... bleibt auch dann die Frage, was genau sie verhindern wollten, dass sie tut, und wem das etwas nützt?'

„Maybe... vielleicht sollte ich doch hin und sie unbemerkt befragen. Ich krieg' das schon hin. War ja wie gesagt vorhin auch schon da.“

„Moment mal!“ Nun hielt Conan tatsächlich an. Der Gedanke traf ihn wie ein Blitz.

„Sie waren dort in der Nähe, unmittelbar, nachdem Mireille Kir überwältigt hat?“

„Y-Yes...“

„Verdammt! Wir müssen vom Hauptweg runter, Miss Jodie! Sofort!“

Er sah auf die Uhr. Nur noch eine Minute und ein paar Sekunden bis 15:00 Uhr und dem nächsten Feuerwerk. Ran, Akai und die Zielperson, von der beide immer noch nichts wussten, würden sie niemals erreichen.

'Oh nein, Ran!' Und dann lief er wieder los, zunächst ein Stück vom Weg weg, dann wieder Richtung Parkmitte.
 

„What?“

Der Satz hatte gesessen und so sehr der alte Mann sich auch zur Ruhe zwang, konnte er ein lautes, kräftiges Einziehen der Luft, das nötig war, um sich von dem Schock zu erholen, nicht unterdrücken. Als er den Augenblick, in dem er stocksteif gefroren war, überstanden hatte und langsam wieder zu sich kam, stand Mireille mit einem Mal unmittelbar vor ihm, lächelte ihn hinterlistig an.

„That is... impossible. You are...“ Aber Mireille legte den Zeigefinger sanft auf die Lippen des alten Mannes.

„Shht. Sie haben schon recht... es gab so etwas, wie eine Ausbildung bei den Soldats.“

Sie rückte ihm immer näher auf die Pelle, sah ihn dabei immer bedrohlicher an. Er merkte nicht mal, wie sie parallel aus ihrer Tasche ein Stofftaschentuch hervorholte, bis...

„Was... lassen Sie das... ah!“ Dann sah er vor sich nur noch den Lauf der Pistole. Nicht irgendeiner Pistole und nicht den der Walther von Mireille. Nein, es war seine eigene Dienstwaffe, die sie ihm klammheimlich aus dem Halfter unter seinem Jackett gezogen hatte, während er sie nur ansehen und nicht reagieren konnte.

„Sie wollen doch nicht jemand anderes Fingerabdrücke auf Ihrer Waffe haben, Mr. Black. Wie macht sich das denn in der Vita, wenn sich ein so engagierter Special Agent seine Waffe von einer Frau wegnehmen ließe? Es ist mehr als bedauerlich, dass ich schon zu viel gesagt habe. Aber Sie konnten ja nicht aufhören zu fragen. Dafür müssen Sie sich an Ihre eigene Nase fassen.“

Er schluckte, merkte, wie jede Bewegung in ihm verkrampfte. Dann schien er zu akzeptieren.

„Leave... leave my agents alone!“, kam es mehr bittend als drohend.

„Ich will nichts von Ihren Agenten.“

„But... what... do you want then?“

„Beenden, was ich vor vier Jahren begonnen hatte.“
 

Wenige Sekunden später, als Jodie und Conan noch durch den Wald jagten, als Kogoro und Shiratori sich unwissend auf sie zu bewegten, als Ran und Shinto, unmerklich verfolgt von Akai und Kanins Leuten sich einen Platz für das Feuerwerk suchten, wurde die erste Rakete in den Himmel gefeuert.

In nächsten Moment, als sie mit Getöse und einer leuchtend weißen Fahne explodierte, wurden vier Schusswaffen, von Korn, Chianti, Kirika und Mireille, gleichzeitig abgefeuert.

Kirikas erster Schuss

Hallo liebe Lesenden,
 

und willkommen zum 10. Kapitel von blutige Begegnungen – Kirikas erstem echten Auftritt hier.

Zunächst einmal vielen Dank für alle eure Kommis zum letzten Kapitel. Wirklich, ich freute mich sehr, wenn der Cliffhanger angekommen ist. Und versprochen, vorläufig wird es nicht so dramatisch mehr, das war halt ein kleiner Höhepunkt. (But it's not the end yet...) ;ppppp

*Muhahahahahahaha*
 

So... *grübel*... ich sagte vor ner Weile ja mal, dass ich zwar versuche chronologisch vorzugehen, dass aber viele Ereignisse parallel statt finden und es konfus werden kann. Weiterhin gilt, fragt, wenn euch was nicht klar wird.^^

In diesem Sinne geht es jetzt richtig in die vollen, da ja angekündigt vier Schüsse gleichzeitig fallen und 15 Protagonisten noch aktiv sind. Daher wäre es möglich, mit geringen Veränderungen einiger Szenen, die nächsten drei Kapitel quasi untereinander beliebig auszutauschen, und die Reihenfolge hier ist ein Stück weit Geschmackssache. Vielleicht hätte Kirikas Schuss nicht gleich kommen sollen, sondern eher erst nach Kapitel 11, in welchem es nun um Shinto und Ran gehen wird, oder sogar ganz am Ende erst, an dem es jetzt die Auflösung Mireille – James gibt. Ich wäre am Ende, nach Kapitel 12, interessiert, was ihr von der Reihenfolge haltet, weil ich da wirklich auch ein bisschen nach Bauchgefühl entschieden habe, ohne dass es absolut notwendig gewesen wäre.
 

So, genug rumgelabert, Zeit, um einer gewissen Scharfschützin die Bühne zu überlassen. Bevor sie noch mit Kuchengabeln wirft. *gggg*

Viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet
 

P.S.: Ich glaube, in keinem Kapitel habe ich so oft das Wort 'unmöglich' verwendet, wie in diesem. Wäre auch ein guter Titel gewesen. XXXD
 

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Kapitel 10: Kirikas erster Schuss
 

Ran und Shinto hatten sich auf Wunsch des kleinen Jungen etwas abseits der Menge positioniert, um das nächste Feuerwerk zu genießen. Er suchte auch ganz frei die Position aus, die ihm am besten gefiel, während Ran nur nachfolgte. Etwas merkwürdig kam ihr die Wahl schon vor, wo sie da relativ einzeln standen. Aber es überwog immer noch der Gedanke, Shinichi endliche einmal wirklich helfen zu können, und nicht beim Versuch hängen zu bleiben.

Und schon zischten die ersten Raketen in ihrem typischen Geräuschmuster durch die Luft und entfachten ein weißes Meer, welches einer der flauschigsten Wolken glich, die die beiden je gesehen hatten. Aber im nächsten Moment wurde Rans Blick von etwas vor ihren Füßen in den Bann gezogen und getrübt. Die schnelle Bewegung der beiden Objekte konnte sie nur intuitiv wahrnehmen. Etwas war da aber definitiv gerade an ihren Schuhen vorbei geflogen, unmittelbar nach dem zünden des Feuerwerks. Sie suchte mit den Augen deren Flugbahn ab und entdeckte wenige Zentimeter vor ihren Zehenspitzen die zwei Einschusslöcher am Boden.

'Was zum...' Und zwei weitere, wieder gleichzeitig mit einer Raketenwelle, schlugen noch ein Stück näher an ihren Füßen ein, ließen ihre Beine reflexartig zurück schnellen und gewannen auch Shintos Aufmerksamkeit.

'Sie sind da!'

Ran brauchte noch einen weiteren Augenblick, um die Realität zu begreifen. Dann aber suchte sie einen der Punkte auf, von dem das Projektil abgefeuert wurde und fand in der Ferne das Fenster, an dem Chianti gerade lehnte.

„Eine... schwarze Person? Nein! Die... Organisation!?“

Ein dritter Schuss ließ sie wieder zurück weichen.

„Sie sind hier!“, wiederholte Shinto seine Gedanken nun laut. Ran blickte ihn schockiert an.

„Wieso....“

„Sie sind hinter mir her. Das sollte dich doch nicht überra....“ Doch bevor er ausreden konnte, hatte Ran's Wunsch, den Jungen zu schützen, über ihren Schock triumphiert und er fand sich mit einem Mal in ihren Armen, fest umschlungen und abgeschirmt von den Gewehrkugeln, wieder.

„Wir müssen dich hier raus bringen!“, flüsterte sie nur hastig, während sie loslief, die Schüsse unweigerlich ihnen folgend.

„Du läufst in die falsche Richtung, Ran!“,versuchte er auf sie einzureden, als er bemerkte wohin sie sich bewegte: sie floh vor den Schüssen. Ran hörte es, rannte aber zunächst weiter.

„Was? Wieso sollte das die falsche...“

„Diese Richtung ist eine Sackgasse, von der aus man den Park nicht verlassen kann. Sie versuchen uns in eine Ecke zu drängen! Lauf in Richtung der Gewehrschüsse, Ran!“ Nun blieb sie doch stehen, sah ihn verunsichert an. Ja, an seinem Gesicht war nichts kindliches, daraus sprach Ernst, aber auch Unruhe, Nervosität... und Überzeugung. Die Überzeugung, zu verstehen, was hier vor sich ging. Und die Schüsse blieben unmittelbar hinter ihr wieder stehen, lauerten auf den nächsten Schritt des Mädchens.

„Aber... wollen sie dich nicht... töten?“

„Dann hätte der erste Schuss gesessen. Das sind ganz klar Profis. Sie wollen mich lebend. Ich erkläre es dir, wenn das Feuerwerk vorbei ist, aber lauf erstmal los, Ran. Bitte!“

„Bist du dir sicher...?“

„Ja, Ran! Ich... ich bin mir sicher.“

Ein überzeugtes, überzeugendes, motivierendes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, welches Ran automatisch an Conan erinnerte. Und wie bei Conan machte es ihr Mut. Mut zu handeln, wie es der kleine Junge vorschlug. Mut, wegen des Vertrauens in seine Einschätzung der Sachlage. Er würde wissen, was er tat.

Einmal atmete sie tief durch und dann drehte sie sich auf der Stelle um, lief, sich zwingend die Augen offen zu halten, aber ansonsten kaum noch etwas um sich wahrnehmend – am wenigsten die Gewehrpatronen, die vor ihr einschlugen – genau die Richtung zurück, aus der sie kam.
 

„Puuh. Das war knapp!“, stöhnte Chianti unzufrieden, während sie weiterhin immer vor die Füße Rans zielte und ihr so förmlich den Weg aufzeigte, den sie zu folgen hatte.

„Diese Mori macht nichts als Ärger! Nimmt den Bengel einfach hoch und läuft doch echt vor den Schüssen weg!“

„Das ist nun mal der erste Gedanke von Menschen, die nicht wirklich mit Schusswaffen zu tun haben und von ihrem Gebrauch nichts verstehen.“, konterte Korn trocken.

„Einfach weg laufen vor der Gefahr.“

„Aber sie ist Tochter eines Detektivs! Glaubt sie alles, was sie im Fernsehen sieht, oder was? Hat sie noch nie mit einem Scharfschützen zu tun gehabt? Niemand schießt so präzise daneben, ohne es zu wollen!

Tse... gut, dass wir Shinto haben, der wunderbar unsere 'Falle' durchschaut hat und in die richtige Rich–ah!“

Es war nur ein kurzer Schrei, dann verstummte Chianti sofort und lediglich ein dumpfes Geräusch wie vom aufkommen auf dem Boden war von Korns Seite aus noch zu hören. Es war nicht wie vorhin, als sie innehielt beim Anblick des Todes in Form von Kirikas Gestalt. Diesmal schien wirklich etwas physisch auf sie eingewirkt zu haben.

„Chianti!“, schrie Korn durch das Telefon. Er sah sie da, durch sein Fernglas, hinter der Fensteröffnung, am Boden des Raumes liegen. So als wäre sie plötzlich ausgeknockt wurden. Von vorne, also von... 'außen?'

„Uhh... ahh... oohhh, mein Kinn.“ Vorsichtig griff Chianti mit ihrer linken Hand von unten an besagtes Kinn, welches höllisch schmerzte und sich sogar anfühlte, als könnte schlimmeres damit gschehen sein.

„Ooh... was... was war das denn?“ Sie spürte, wie auch ihre Hände allmählich immer mehr weh taten, so als habe eine große Kraft an ihnen gezogen. Mühselig rappelte sie sich hoch.

„Bist du... in Ordnung?“, fragte Korn unsicher nach.

„Klinge ich so?“, konterte Chianti gewohnt aggressiv und hatte das Gefühl ihre Stimme wirkte so unnatürlich, als wäre ihr Kinn wirklich angeknackst.

„Was ist denn passiert, wenn man fragen darf?“

„Ein... ein Kinnhaken... oder so was ähnliches... hat mich getroffen, von unten!“

„Wie, von unten? War etwa jemand mit dir im Zimmer und hat dich nieder gestreckt?“

„Hier war ganz sicher niemand, so unvorsichtig bin ich nicht! ... Idiot!“ Er nahm die Beleidigung gar nicht wahr, über sowas stand er schon lange. Er kannte Chianti gut genug, um zu wissen, wie schnell ihr Temperament mit ihr durchging und sie dann unvorsichtig, sowohl in ihren Aussagen, als auch ihren Handlungen, wurde. Er glaubte ihr auch, dass sie bemerkt hätte, wenn jemand anderes mit ihr im Raum gewesen wäre. Allein schon, weil sie so lange sich dort befand, über eine Stunde mittlerweile, dass sie jede noch so kleine Veränderung darin bemerkt hätte. Dennoch entsprach ihre Analyse auch genau dem Bild, dass sich ihm bot. Ein Schlag ans Kinn, mit voller Wucht, der sie so einfach, unkontrolliert, weil kurzzeitig bewusstlos, nach hinten fallen ließ...

„Wo... wo ist es?“

„Wo ist was?“

„Mein Gewehr!“

„Dir aus der Hand gefallen, als du ausgeknockt wurdest. Du hast es so weit raus gehalten aus dem Fenster, dass es über die Brüstung gefallen ist. Es liegt da unten vor der Häuserwand. Sieht aber nicht mehr sehr gut aus. Der Lauf ist irgendwie verbogen.“

„Das... Gewehr! Natürlich.“ Ihre Erinnerung über den Moment vor dem Blackout kehrte langsam zurück. Teilweise zu sich selbst, teilweise zu ihrem Kollegen versuchte sie die Situation zu rekapitulieren.

„Es war nicht ein Mensch, der mich ausgeknockt hat. Es war... mein Gewehr.“ Erneut fuhr sie mit der rechten Hand unter ihrem Kinn entlang. Wie erwartet, die Stelle, an der der Schmerz am deutlichsten war und sie am stärksten auf diesen Schmerz reagierte, war nicht groß- und breitflächig, wie von einer Faust, sondern eher dünn und länglich, und reichte vom Kinn selbst bis zum Halsansatz.

„Wie, dein Gewehr?“

„Jemand... etwas, hat es mir... förmlich aus den Händen geschlagen. Eine plötzliche... Kraft, die von vorne, vom Lauf aus, es mit voller Wucht runter drückte. Mir aus den Händen schlug und dabei... hat der Griff mich mit ebenso voller Wucht am Kinn getroffen.“

Korn schluckte unruhig.

'Ja... das ginge und das würde auch den verbogenen Lauf erklären... aber... das wäre ein perfider Trick und nur ausführbar, wenn man wüsste, dass Chianti ihre Waffe weit genug... hinaus hielt.'

„Halt mal, Chianti. Das geht nicht, da unten liegt nichts außer deiner Waffe. Du meinst, jemand hat einen Stein oder was ähnliches von oben auf den Lauf fallen lassen und die Hebelwirkung ausgenutzt, aber nichts dergleichen ist da zu sehen.“

Chianti klammerte sich an die Fenstermarkise, immer noch leicht benommen, blickte über die Brüstung zu Boden. Ein Schrecken durchfuhr sie auf einmal und sie zuckte zurück und zur Seite hinter die Hauswand, wo sie abgeschirmt war von den Blicken der Außenwelt.

„Hast du eine Idee?“

„Was... was wäre... hast du jemanden, einen Schützen, auf dem Dach gesehen, Korn?“

„Hm... Nein... und eigentlich meine ich auch, dass da niemand war, aber auch niemand das Dach verlassen konnte.“

„Gut. Ich habe auch niemanden vorbei kommen hören und es ist zu weit vom Dach hier her, um es während der Phase, als ich nicht bei mir war, zu schaffen.“

„Chianti, das wäre ein ganz schön gewagtes Manöver. Du meinst wirklich... jemand habe vom Dach auf deine Waffe... geschossen?!“

„Das ist doch naheliegend. Oben vom Dach könnte ein guter Scharfschütze auch den Lauf mit einer eigenen Schusswaffe getroffen haben. Die Patrone siehst du von deiner Position aus auch nicht.

Na warte, den hol ich mir!“

„Warte, Chianti!“, unterbrach Gin sie. Korn hatte ihn direkt mit auf die Leitung gelegt, als Chianti umfiel und sich nicht mehr meldete. Bis jetzt verhielt er sich allerdings still, um die Situation in Ruhe zu bewerten.

„Gin? Ich...“

„Wenn oben auf dem Dach wirklich jemand sein sollte, klingt das doch ganze nach einer Falle von Kanin.“

„Mhm... schon klar, so weit war ich auch. Ein versteckter Schütze auf dem Dach, der von da aus auch alles überblicken und ausfindig machen kann. Aber nun, da wir Bescheid wissen, können wir ja Vorkehrungen treffen, nicht wahr?“

Sie holte ihre versteckte Pistole aus dem Halter unter dem rechten Bein hervor, entsicherte sie geräuschvoll, so dass auch ihre Kollegen ihre Pläne am Telefon mitbekamen.

„Und genau das macht mir Sorgen, Chianti!“, gab Gin ruhig zu bedenken.

„Wenn wirklich da oben einer war, oder ist, und geschossen hat, macht es eigentlich keinen Sinn, nur auf das Gewehr zu zielen. Er hätte dich doch eher selbst treffen sollen, oder nicht?“

„Insbesondere, trotz des nicht so großen Höhenunterschiedes, ist es ziemlich schwierig, mit einer Schusswaffe den Gewehrlauf so genau zu treffen. Das muss ein ziemlich guter Schütze sein.“ Korns Gedanken kreisten um die merkwürdigen Ereignisse heute, die Beobachtungen, die jeweils immer nur einer der beiden Schützen gemacht hatte. Er und Chianti sahen unabhängig je eine Frau, die als Scharfschützin sehr wohl durch ging. Hatte das etwas mit diesem geheimnisvollen Gegner zu tun?

„Ihr meint also, es ist eine Falle, um mich auf das Dach zu locken?

Dann gib mir gefälligst Feuerschutz, Korn!“, schnauzte sie ihn in den Hörer an.

„Auf die Entfernung wird das schwierig, Chianti.“

„Aber gesehen hattest du niemanden auf dem Dach, das sagtest du doch?“, hakte Gin nochmal nach und verfiel auf die Bestätigung hin in tiefes Grübeln.

„Na schön, geh hoch, Chianti, aber sei vorsichtig!“

„Klar.“
 

Langsam schlich sich die Scharfschützin, darauf trainiert, kein Geräusch zu verbreiten, durch das Treppenhaus nach oben.

„Woran denkst du, Gin?“ Chianti hatte ihre Verbindung gekappt, um die mögliche Geräuschquelle auszuschalten, so dass sich nur noch Korn und der Mann mit der Physiognomie des Todes im Gesicht unterhielten.

„Irgendwie... passt das nicht.

Über Chianti gab es keine weiteren Fenster mehr, sondern nur noch etwa fünf sechs Meter Hallenwand, bevor das Dach kam, richtig?“

„Richtig, der Schütze konnte nicht in einem anderen Raum sein. Und Hubschrauber oder ähnliches hätten wir auch bemerkt. So ein Schütze kann nur vom Dach geschossen haben.“

„Hm....“
 

An der Tür zum Dach angekommen hielt Chianti kurz inne, beruhigte sich mit der Waffe in der Hand, schaltete die Handyverbindung auf der Freisprechanlage wieder ein und stieß dann mit einem Gewalttritt den Weg zum Dach auf. Im hellen Licht der Tagessonne, welches sie einen Augenblick blendete, tat sich vor ihr, wie erwartet, die weite, freie Dachterrasse auf: grauer Deckenbelag, nicht geputzt, staubig, an der Markise am Rand teilweise von Spinnweben bewohnt. Ansonsten kahl... und seit Jahren scheinbar nicht mehr betreten, bis jetzt von ihr.

„Korn?“, flüsterte sie ins Mikro am Kopf.

„Von hier aus ist wirklich keiner außer dir zu sehen, Chianti. Einzig der Vorbau vom Ausgang aufs Dach kann da als Versteck dienen.“

'Achso...' Ein finsteres Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus.

'Du willst dich also hinter mir verstecken und sobald ich zu dir rumkomme, abdrücken? Na warte, das Spielchen kann man auch zu zweit spielen.'

Sie fixierte die Pistole langsam wieder an ihrem Körper, um beide Hände frei zu haben und drehte sich auf der Stelle um zur Tür. Mit einem geübten und sicheren Griff mit beiden Händen hievte sie sich relativ mühelos auf das Dach des kleinen Ausbaus und legte sich dort flach hin.

Die Waffe wieder aufnehmend, winkelte sie die Beine an und setzte zum Sprung an und...

„Hab ich dich... äh... Was?“

Sie blickte sich suchend nach allen Seiten um. Nirgends auch nur die Spur eines Menschen oder etwas vergleichbarem.

„Korn?!“ Diesmal war sie keineswegs mehr leise.

„Da ist niemand, Chianti.“

„Ja... niemand...“, musste auch sie nun eingestehen. Sie sprang herunter auf das Dach, und suchte den Boden kurz ab. Wo sie lang ging, verursachte sie Aufwirbelungen im Staub und Dreck, der sich über Jahre angesammelt hatte. Aber überall sonst war es so, als hätte nie etwas die Ruhe dieser Partikel auf dem Dach gestört.

„Absolut... niemand...

Aber... von wo hat dann der Schütze geschossen?“

„Gute Frage...“, stellte auch Gin nachdenklich fest.

„Wenn es keine Möglichkeit gab, von oben zu schießen... dann womöglich von unten?“

„Wie bitte? Ich werde doch wohl merken, aus welcher Richtung eine Kraft auf mein Gewehr einwirkt und, in welche Richtung sich dadurch der Griff dreht. Und nochmal, er hat mich am Kinn getroffen. Du musst es nicht erst aufmalen um zu wissen, von wo die Kugel kam.“

„Das habe ich auch nicht bezweifelt, Chianti. Aber vergiss nicht, dass solche Geschosse am Ende immer runter fallen, egal, in welche Richtung man zuerst zielt.“

Nicht nur Chianti, sondern auch Korn gingen für einen Moment die Augen mehr als nur über.

„Du meinst... jemand hätte von unten... aus dem Park... nach oben geschossen und eine Art Bogenlampe produziert...?“

„Habt ihr beide jetzt völlig den Verstand verloren?“, brüllte Chianti aufgebracht in den Hörer.

„So ein Schuss ist absolut unmöglich!“ Sie schnaubte wutentbrannt mehrfach auf, wusste nicht wohin mit ihrer zu entladenen Anspannung.

„Da muss ich ihr zustimmen, Gin.“, versuchte Korn, die Situation etwas zu entschärfen, ohne das aus seiner Sicht ebenfalls unmögliche als sinnvoll hinzustellen.

„So ein Schuss ist unmöglich. Eine Pistolenkugel ist einfach zu schnell. Ihre Bahnkurve wird viel zu hoch und dauert viel zu lange.“

Langsam analysierte Gin den Gedanken, den er eben schon hatte. Und er kannte die Argumente selber. Nur... unmöglich war einfach nicht ganz die korrekte Bezeichnung, die ihm einfiel. Und doch... unglaublich traf es schon ganz gut.

„Kannst du es quantitativ abschätzen, wie schwierig so ein Schuss ist, Korn?“, erkundigte er sich schließlich, als hätte er die Einsprüche seiner Kollegen ignoriert. Was er vermutlich getan hatte, wie beiden klar war.

„Wir sagten doch schon, unmöglich, Gin.“, agitierte Chianti wieder hinein.

„Innerhalb des Parks müsste eine Kugel, die von oben kommt, quasi auch nach oben geschossen werden. Ihre Bahnkurve zeigt also steil nach oben, ist fast senkrecht. Aber eben nicht ganz, weil man ja einen entfernten Lauf treffen will. Man müsste auf Bruchteile eines Grads genau still halten. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit des Geschosses müsste man schon die Veränderung der Gravitation in größeren Höhen berücksichtigen, den Wind und insbesondere die verschiedenen Strömungen in unterschiedlichen Höhen, so eine Kugel fliegt nach oben locker mehrere Kilometer, den Luftwiderstand der Kugel...

Verdammt Gin, wenn man einen Lauf von zwei Zentimeter Breite anvisieren will mit so einem Schuss, müsste man sogar die Verschiebung durch die Coriolis-Kraft berücksichtigen!“ Wie konnte er nur so eine Frage in den Raum stellen? Er wusste doch selber genau so gut wie sie, wie viele absurde Faktoren zusammen kommen müssten, um so einen Zauberschuss hinzukriegen.

'Kein Sterblicher kann sowas!' Und im gleichen Moment raste durch ihren Kopf das Bild von Kirika, wie sie da stand und lächelte... wie der Tod.

'Nein! Unmöglich.' Sie schüttelte heftigst den Kopf.

„Was man noch berücksichtigen müsste....“, begann Korn noch die zentrale Ergänzung.

„... bei einem nahezu senkrechten Schuss nach oben ergäbe sich für ein Geschoss mit 500 Metern pro Sekunde Geschwindigkeit eine Flugzeit von 100 Sekunden. Selbst wenn wir von einer langsameren Kugel ausgehen, müsste die Person sie wohl mindestens eine Minute vor dem Einschlag abgefeuert haben und das bedeutet, diese Person müsste gewusst haben, wie Chianti ihr Gewehr bewegt.“

„Ich sagte doch... UN-MÖG-LICH!“, betonte sie noch mal mit aller Macht, aber ihre Stimme klang auffallend unsicher auf einmal, so als belaste sie eine ungewohnte innere Anspannung.

„Sicher... alle eure Argumente sind korrekt. Aber überlegt das nochmal rückwärts. Erstmal ist der Schuss selbst nicht unmöglich. Wenn eine Kugel von oben getroffen hat, dann gibt es auch eine Position, Geschwindigkeit und Richtung, von der aus man schießen kann und trifft. Es wirkt nur unrealistisch von der Seite des Schützen aus, das vorher berechnen zu können. Aber grundsätzlich ist es nicht unmöglich.“

„Naja, aber auf einen Glückstreffer spekulierst du doch auch nicht, oder Gin?“

„Ich spekuliere noch gar nichts, Korn. Ich will nur wissen, wer hier so konstant unsere Pläne sabotiert. Und ich weigere mich, das alles als Aneinanderreihung unglücklicher Zufälle anzusehen.

Etwas mehr als eine Minute vor dem Einschlag, das fällt doch ziemlich mit dem Beginn des Feuerwerks zusammen.“ Kurzzeitig stockten Chianti und Korn der Atem.

„Und diesen Anfang haben wir ja auch genutzt für unsere kleine Show, nicht wahr? Und das Feuerwerk war noch lange nicht vorbei und die Verschiebung eurer Gewehre innerhalb dieser Zeit weniger als ein paar Zentimeter, weil sich auf die Entfernung Shinto und die Mori-Göre kaum bewegt haben. Das heißt, wenn man davon ausgeht, dass jemand unsere Pläne kennt, fällt diese ominöse Voraussicht des Schützen weg.“

„Soldats?“

„Vermutlich.“ Chianti lehnte sich über die Brüstung, die Hände fest in das Gestein gekrallt, sah auf das Gewehr am Boden.

„Ihr redet doch beide Schwachsinn. Selbst wenn wir das rausnehmen, Gin, der Schuss bleibt aus Sicht des Schützen einfach nur unmöglich!“ Dann überkam sie die Idee.

„Und das werde ich euch jetzt beweisen! Es war keine Kugel, die das Gewehr traf. Irgendein anderes Objekt, was nicht so hoch fliegt.“ Damit rannte sie los, zurück durchs Treppenhaus. Hörte die Diskussion zwischen Gin und Korn über Sinn und Unsinn dieser Idee gar nicht mehr.

'Nein, es gibt keinen leibhaftigen Tod! Es gibt keine Shinigami, oder Sensenmänner, oder sonst welche übernatürlichen Inkarnationen. Es gibt keine reale Person, die solche Schüsse abgeben kann!'
 

„Aber, Gin, nur mal angenommen, jemand könnte wirklich solch einen Schuss produzieren, bewusst... ich meine...“

„Ich weiß.“ Man merkte auf einmal einen dunklen Unterton, einen noch dunkleren Unterton als es normal bei ihm war in Gins Stimme, der eine gewisse Unruhe beinhaltete.

„So ein Schütze wäre besser als alles, was ich je gesehen habe. Und euch beide würde er locker in die Tasche stecken. Das wäre dann mehr als ein kleines Problem.“ Innerlich überlegte er fieberhaft, wie man sonst es hinbekommen haben könnte, sie so auszuknocken. Aber es blieb dabei, dass etwas auf ihr Gewehr gefallen sein müsste, was man eigentlich sehen sollte. Aufgrund von Korns Entfernung konnte er zwar nicht alles präzise mitbekommen, gleichzeitig war es aber auch undenkbar, dass ihm ein größeres Objekt vor Chiantis Fenster entging. Der Sichtbereich war einfach zu groß. Und da er seit dem Schrei ihr Fenster beobachtete und auch den Bereich davor im Blick hatte, konnte auch niemand das corpus delicti nachträglich entfernt haben. Sie müsste also die Kugel finden.
 

Chianti lief wild entschlossen, ihre Umgebung ignorierend, unten durch den Eingangsbereich, was Gin definitiv als zu gefährlich angesehen hätte, aber es war ihr egal. In dieser Sache musste ihr Kopf Klarheit bekommen. Es konnte doch nicht sein, dass ein halbes Kind sie so vorführte und ihre Sinne so trübte, dass sie nicht mehr logisch denken konnte.

Das Gewehr lag, wie von oben gesehen, unmittelbar vor ihrem Fenster, aber eben 15 Meter darunter, hatte vom Fall selbst einiges abbekommen, klang beim aufheben so, als sei es auch von innen brüchig geworden, hatte Risse bekommen. Jeder weitere Schuss würde Lebensgefahr für den Schützen bedeuten.

„Das ist schon mal Schrott.“, stellte sie gespielt ungerührt fest. Ein wenig bedeutete ihr diese Waffe, die sie schon seit Jahren benutzte, doch. Sie hatte sich an sie gewöhnt, an ihre Art, ihre individuellen Feinheiten, die jedes einzelne Gewehr besaß. Nun musste sie sich an ein neues erst wieder in dem Maße anpassen. Auch wenn sie es selber als vollkommen belanglos hinstellte, etwas Wehmut schwang in ihrer Aussage mit.

'Schluss damit, beherrsch' dich endlich!'

„Der Lauf ist deutlich verbogen und an seiner Spitze... ist... genau in der Mitte eine Eindellung... Abschürfung... Ich glaub's nicht...“ Sie suchte akribisch den Boden um das Gewehr herum ab und wurde schließlich tatsächlich fündig. Etwa zwei Meter entfernt vom Gewehr hatte sich das Projektil kaum in die Erde gedrückt, aber dennoch eine deutliche Markierung hinterlassen. Es zeigte leichte Druckspuren, war aber noch nicht zusammen gepresst, wie sonst üblich. So als hätte es etwas getroffen, wovon es nicht aufgehalten, sondern mehr abgelenkt wurde in seiner Flugbahn und daher nicht mit voller Wucht auf dem Boden aufkam.

Sie verglich es mit der Kerbe an der Spitze des Gewehrs. Kein Zweifel.

„Es war... die Gewehrkugel...“, sagte sie mehr im Schock zu sich selbst. Unsicher schwankte sie ein zwei Schritte nach hinten, lehnte sich an die Wand des alten Gebäudes, Halt suchend.

„Aber... aber das kann doch nicht sein... Niemand... Niemand kann so schießen. Absolut niemand! Es ist... es ist doch unmöglich...?“ Es war mehr als ungewöhnlich, Chianti in so einer verunsicherten Situation nicht einfach wütend zu erleben. Eigentlich war ihre leicht verstörte, an ihrem eigenen Verstand zweifelnde Art ein vollkommenes Novum für die beiden Zuhörer.

Die Vorstellung, dass jemand nicht einfach nur besser war als sie – mit der konnte sie ganz gut leben, niemand war perfekt – aber gleich um solche Welten besser, dass sie sich die Fähigkeiten einfach nicht vorstellen konnte, dass sie, bevor sie es mit eigenen Augen sah, diese ohne die geringste Unsicherheit als unmöglich abtat... ließ etwas am Willen in ihr kaputt gehen. So gut würde sie niemals sein, das wusste sie instinktiv. Sie hatte ihren Meister gefunden. Und dieser Meister hatte seine Waffe auf sie ausgerichtet.

Aus ihrer Sicht war es damit egal, ob das Mädchen vorhin eine reale Person, oder ein Dämon, oder der Tod höchst persönlich gewesen war. Auch ob es wirklich sie war, die geschossen hatte oder jemand anderes. Nein sie war es, das Mädchen, daran zweifelte sie nicht. Dieses Mädchen hatte sie... mit einem einzigen Schuss... im wahrsten Sinne des Wortes aus der Bahn geworfen. Sie hatte sie schon... halb getötet.
 

„Ich... ich muss nur meine... zweite Waffe holen, sonst können wir den Plan so ziemlich vergessen.“, sprach sie emotionslos, innerlich gebrochen. Sie nahm das kaputte Gewehr und die Kugel mit und schritt langsam zu ihrer Viper los. Gut, dass sie ihr Ersatz-Gewehr mit hatte.

„Warte, Chianti!“

„Lass sie, Korn!“, hielt ihn Gin auf.

„Im Moment kannst du nichts machen und sie hat Recht. Mit nur einer Schusswaffe können wir den Plan in dieser Form vergessen.“

„Aber Gin... der Plan... sollten wir ihn wirklich so weiter verfolgen? Ich meine, erst verschwindet Kir und jetzt wird Chianti...“

„Ich weiß. Jemand betreibt hier psychologische Kriegsführung. Und das leider sehr erfolgreich.“

„Wir sollten uns um den Jungen kümmern, und Mori und dann abhauen.“

„Nein. Noch nicht. Wenn jemand so mit uns spielen kann, dann ist das eine Gefahr für die Organisation. Außerdem... ich versteh es noch nicht... wenn es einen so guten Schützen gibt, der gegen uns arbeitet, warum... ist Chianti dann eigentlich nicht drauf gegangen? Was für ein Ziel verfolgt der Kerl?“

Korn atmete lautstark aus, traute sich aber nicht mehr Protest zu.

„Das heißt, ich versuche mal Mori und den Kleinen wieder zu finden.“

„Warte, Korn. Ich hab vorher was anderes wichtiges, was du erledigen müsstest. Es wird Zeit hier mal Ordnung rein zu bringen.“
 

„Sie verlässt den Bereich um das Gebäude, holt sich ein Ersatzgewehr.“, flüsterte der Mann in sein Telefon.

„Und hat sich ihre Hypothese bestätigt?“

„Offenbar... aber das scheint mir trotzdem unmöglich. Genau wie denen.“

„Nun, wer immer ihnen da auch feindlich gesonnen ist, uns kann das ja nur nützlich sein. Verfahren Sie weiter im Plan wie gehabt. Und passen Sie auf, wenn sie zurück kommt.“

„Sicher, Herr... Kanin.“ Als er aufgelegt hatte, lehnte er sich etwas an die Wand der dunklen Ecke und starrte auf herum sausende Staubpartikel im einfallenden Licht eines Fensters zur Südwestseite.

'Hm... das wird ja wirklich noch witzig.'
 

Eine Minute vor drei im Wald

So schnell wie Conan seinen Weg weg vom eigentlichen Pfad legte, konnte Jodie ihm gar nicht folgen und meinte, ihn schon fast aus dem Blickwinkel verloren zu haben.

„Auf dem unwegigen Gelände bist du wohl der schnellere von uns beiden, was?

Aber was meintest du, warum sollten wir von dem Hauptweg runter?“, sprach sie mehr zu sich selbst, denn er verließ allmählich den Bereich, in dem er sie bei dieser Lautstärke noch hörte.

„Well then....“

„Halt! Stehen bleiben!“, wurde sie dann unerwartet von einer aufgebrachten Männerstimme unterbrochen. Erschrocken drehte sie sich um und sah zwei Männer auf sie zu rennen. Einer war definitiv Kogoro Mori und sie gab in dem Moment, in dem sie ihn erkannte, ein Stoßgebet als Dank dafür ab, dass sie sich noch nie vorher begegnet waren. Der andere zückte eine Polizeimarke, die ihn als Kommissar des Morddezernats auszeichnete.

„Oh... the police. Was gibt es, Officer?“, säuselte sie in süßesten Tönen. Aus dem Augenwinkel suchte sie Conan, aber der war bereits weg und offenbar hatte ihn niemand bemerkt.

„Verzeihung Miss, sind Sie Jodie Starling?“ Es kam nicht so unerwartet, dass es sie schockiert hätte. Dennoch machte es sie nervös, dass offenbar explizit nach ihr gesucht wurde. Ihre Mundwinkel wanderten etwas nach unten, während sie ihren Personal- und Dienstausweis heraus holte.

„Yes... Ich bin Agent Jodie Starling, FBI. Was gibt es denn, Herr Kommissar?“

Beide sahen kurz zum jeweils anderen hinüber. Was war das eben für ein Stimmungswechsel zwischen überdreht naiv und todernst? So als wäre das eine nur... gespielt.

„Wir waren auf der Suche nach Ihnen und Ihren Kollegen, Agent Starling. Es gab einige... unerwartete... Probleme und wir würden gerne Ihre Meinung dazu zu Rate ziehen.“, begann Shiratori mit eigenem Meisterschauspiel verlegen stammelnd.

„Oh... a problem. Nun meine Kollegen sind, wie Sie sehen, gerade nicht hier, also müssten Sie mit mir Vorlieb nehmen. Was ist denn passiert, wenn ich fragen darf?“

„Nun, das ist es, was wir eigentlich Sie fragen wollten.“ Jodie zuckte etwas zurück. Auch der Kommissar war alles andere als schlecht darin, jemandem Geheimnisse zu entlocken.

„Sehen Sie, eine Dame von der Presse ist spurlos verschwunden. Und die Zeugenaussagen stimmen darin überein, dass zum Zeitpunkt des Verschwindens eine Ausländerin mit blonden Haaren am vermeintlichen Tatort gesehen wurde.“

„Oh, aber es gibt viele blonde Frauen mit ausländischem Akzent, Mister... Shiratori if I pronounced that correctly. Selbst in diesem Park, zu dieser Eröffnung. Ich meine, das lockt doch Touristen an.“

„Natürlich. Aber ein Kameramann beschrieb eine Amerikanerin, die nach besagter verschwundener Person fragte, die mit Ihrem Äußeren perfekt übereinstimmte. Und zwar auch zur etwa gleichen Zeit und diese entfernte sich dann in Richtung des besagten möglichen Tatorts.“

„Oh no, that was only...“ Sie stockte und hatte Mühe sich nicht zu sehr zu verschlucken und einen Hustenkrampf zu bekommen.

'She... tricked me?!' Allmählich wurde es ihr klar. Die ganze Vorgehensweise, die sie zeigte, die Standard-Methoden, die Jodie anwendete, um an Rena Mizunashi ranzukommen... Mireille Bouquet hatte genau diese perfekt ausgenutzt und damit nicht nur sich selbst ein Alibi verschafft, sondern gleichzeitig Jodie in Erklärungsnot gebracht. Sie war da gewesen, sie hatte nach Rena Mizunashi gefragt und der Kameramann würde sie eindeutig identifizieren. Das heißt, sie musste nicht nur erklären, woher sie Rena Mizunashi kannte, wenn sie offiziell nur für ein paar Formalitäten in Japan war, sondern auch, was sie von ihr wollte, und dass es nicht sie war, die bei den Toiletten gesehen wurde. Das wäre auch alles möglich, sie kannte die Wahrheit und konnte sie sicher untermauern... im Prinzip, aber genau das durfte sie gar nicht. Sie würde ihre ganze Mission auffliegen lassen, und nebenbei einen NOC-Agenten des CIA, ihre einzige Verbindungslinie in die Organisation, verraten und damit zum Tode verurteilen. Und die einzige Alternative, war zu schweigen, bis Rena Mizunashi wieder auftauchte. Sie wusste nun, wo die Agentin war, dank Conan... aber wenn sie rauskäme und Jodie entlastete, würde das nur wiederum ein zweifelhaftes Licht auf Kir werfen, die folglich nicht die Gelegenheit genutzt hätte, eine gefährliche Feindin der Organisation aus dem Verkehr zu ziehen. Ob nun rechtlich korrekt, oder durch eine Lüge, hätte niemanden mehr interessiert.

So breitete sich vor ihr das perfide Netz aus, gespannt aus den Lügen von ihr und Kir, um die jeweilige Position aufrecht zu halten, in welchem Mireille Bouquet einen kleinen Schnitt nur ausführte, als sie Kir festsetzte und dann einfach die Fäden zuzog. Ja, es war perfide, vor allem aus einem Grund. Es waren ihre Lügen, nicht Mireilles. Diese hatte nicht einmal etwas falsches behauptet, sondern ihre eigenen Waffen gegen sie gerichtet. Sie hielt dem FBI und dem CIA förmlich einen Spiegel vor, zeigte ihre Fehler und Grenzen gnadenlos auf.

'Yes... she is way above us. But... who the hell is she?'

Conan hatte den Trick kurzerhand durchschaut und wollte noch Gegenmaßnahmen ergreifen, aber dafür war Jodie einfach zu langsam gewesen. Sie... behinderte ihn bei seiner Arbeit mehr, als dass sie ihm half. Mireille hatte auch hier nicht ganz unrecht. Sie... störte nur.
 

Dann fuhr die erste Rakete in den Himmel. Und explodierte. Die drei Personen drehten sich erschrocken vom Feuerwerk weg.

„War das... eine Rakete von der falschen Seite?“, erkundigte sich der Kommissar beunruhigt.

„Nein...“, kam es von Mori und Jodie gleichzeitig. Das Geräusch würden beide aus eigener Erfahrung heraus überall erkennen.

„Eine Schusswaffe, getarnt durch das Feuerwerk! Wir hörten es nur, weil wir so nahe dran waren.“, erklärte Kogoro. Jodie lief augenblicklich in die Richtung los, aus der der Schuss kam. Die Richtung, aus der sie gerade erst kam.

„Halt, warten Sie, Agent Starling! Wir kommen mit!“

„No! James! Jaaaaaaaaaaaaames!“

Shintos Schlussfolgerungen

Hallo liebe Lesenden,
 

und weiter geht es munter mit der Scharade von Jeder gegen Jeden.

Wie immer vielen herzlichen Dank für die Kommis zum zehnten Kapitel. Ich hoffe, der kleine Bogenschuss von Kirika hat euch gefallen. So ein erster Höhepunkt in den noch recht unblutigen Begegnungen. Aber da kommt noch mehr. Zum gegebenen Zeitpunkt.

Es sei noch vermerkt, dass ich mir schon über die Schwierigkeitn bei diesem Schuss auch bewusst bin und etwas eigene Rechnungen angestellt habe, was da alles zu berücksichtigen ist. Und ich komme zu dem gleichen Schluss wie die Organisation, es ist praktisch unmöglich. Aber eben nicht vollkommen und für den kleinen Unterschied kann Kirika bekanntermaßen immer sorgen. ;-]
 

So, zum jetzigen Kapitel gibt es eigentlich kaum etwas zu sagen. Viel Ran, viel Shinto und ein paar andere, die zuschauen... oder nicht...
 

Viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Mal.
 

LG, Diracdet
 


 

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Kapitel 11: Shintos Schlussfolgerungen
 

'Was? Was ist auf einmal los?'

„Halt, Ran!“, rief Shinto plötzlich, nachdem er bemerkte, dass die Schüsse ausblieben.

Ran blieb auch abrupt stehen, aufgeschreckt von Shintos unerwartetem Aufschrei.

„Ist was passiert?“ Aber er antwortete nicht. Eine weitere Raketenfront schoss hinter ihnen in den Himmel und reflexartig zuckten Rans Beine ein Stück zurück, aber... es kam kein Schuss mehr.

„Wieso...“

„Lass mich runter, Ran.“

„Aber...“ In seinen Augen stand eine Mischung aus Unsicherheit und Neugier.

„Die Schüsse haben aufgehört... Heißt das, wir sind... 'da'? Wo immer auch 'da' sein soll.“

„Wohl kaum.“

Langsam und vorsichtig, immer wieder die Blicke in Richtung der Gebäude fixierend, von denen die Schüsse kamen, setzte sie Shinto vorsichtig ab.

'Verdammt, wir stehen quasi mitten auf freiem Feld, wenn sie uns von dort anvisieren. Auf dem Präsentierteller. Diese miesen Typen!' Ran hätte zu gerne sofort etwas gegen die Agenten der Organisation unternommen, aber sie wusste, sie konnte nichts machen. Sie hielten sie auf Distanz mit ihren Waffen. Sichere Distanz, wo sie mit ihren Fähigkeiten nichts ausrichten konnte. Und sie hatten ihr Leben und das des falschen kleinen Jungen neben ihr in ihren dunklen Händen. Sie konnten jederzeit abdrücken, hatten es lediglich aus einem für Ran noch nicht ersichtlichen Grund bisher unterlassen.

Aber zurückschrecken davor ein Kind zu töten würden sie nicht. Ihre Zähne bissen sich langsam ins Fleisch ihrer Unterlippe bei dem Gedanken, der daraus folgte.

'Mit diesen Leuten... hast du dich angelegt, Shinichi?' Ihr Unterbewusstsein lächelte ihr amüsiert entgegen. Sie würde solch eine Organisation auch nicht einfach so weiter machen lassen können, was sie wollten, das stand ohne Frage fest. Nur... wie hilflos sie sich ihr gegenüber fühlte, jetzt schon. Dabei war sie gerade einmal zufällig in eine ihrer Aktionen gestolpert, eigentlich nicht das Ziel. Wie ginge es wohl jemandem, der wirklich auf ihrer Abschussliste stünde?

'Shinichi... Ai... Shinto...' Mussten sie jeden Morgen mit diesem Hintergedanken den Weg zur Schule antreten? Wahrscheinlich. Hinter jede Ecke blicken mit einem halben Auge und mit den restlichen gute Miene zum bösen Spiel machen. Den anderen Kindern, aber, besonders in Conans Fall, auch ihr gegenüber. Praktisch niemals den Eindruck erwecken, etwas stimmte nicht, dabei waren sie in Lebensgefahr. Dauerhaft. In Wahrheit versteckten sie sich. Und das vor einer Gruppe, die wusste, sich auf ihren Gegner einzustellen, ihnen ihre möglichen Vorteile zu nehmen... und am Ende wieder in der Dunkelheit zu verschwinden, aus der sie kamen, so dass niemand etwas von ihnen wahrnahm.

All das war ihr doch unterschwellig klar geworden in letzter Zeit, aber, mehr noch als auf der Ocean Goddess, wo sie Vermouth überraschte und nicht umgekehrt, wurde ihr diese Situation jetzt plastisch vorgeführt. Eine... nervenaufreibende, und über den langen Zeitraum, den Conan Edogawa nun existierte, auch an jedweder Hoffnung knabbernde Situation. Sie zweifelte, stark, sehr stark, dass sie hätte aufrecht stehen bleiben können wie er. Auch wenn sie es nicht sicher sagen konnte.

Wenn er es konnte, richtete sie sich daran auf und vielleicht könnte sie es dann auch.

Nur...

'Shinichi... was... was hat dich solange gehalten?'
 

„Das ist wirklich merkwürdig.“, unterbrach Shinto ihre Gedanken. Er trat nacheinander langsam in jede Richtung einen Schritt vorwärts, dann wieder zurück, aber keine einzige Kugel kam seinen Weg geflogen. Ran folgte zunächst seinem Blick, dann zu einem der Fenster, von dem vorhin geschossen wurde. Die Frau, die sie beim ersten mal erblickte, war nun nicht mehr zu sehen.

„Sie haben aufgehört...“

„Ja, aber das macht doch keinen Sinn.“

„Warum nicht?“ Ran stockte kurz, sah zu dem Jungen und seinem befremdlich unzufriedenen Gesicht. Es war ihr direkt unheimlich, wie sehr er sich daran zu stören schien, dass jemand aufgehört hatte auf ihn zu schießen, auf ihn zu schießen.

„Warum... haben sie überhaupt...“

„Na sie haben doch mit der ersten Rakete angefangen, Ran.“

„Äh... ja...“

„Das heißt, sie wollten damit die Geräusche ihrer Gewehre unterdrücken, sie durch den Raketenlärm tarnen.“

„Natürlich!“ Ja, das war Ran in dem Moment auch klar geworden, dass es wohl recht logisch war, wenn sie sie unauffällig angreifen wollten, diese Geräuschkulisse zu nutzen.

„Aber das heißt ja...“ Ihre Miene versteinerte, als sie den Blick wieder auf das ernste Gesicht des Jungen fokussierte, der fast alle Emotionen unterdrückte, aber die Anspannung nicht aus dessen Zügen verbannen konnte.

„Sie sind... bewusst hinter dir her. Sie jagen dich. Sie haben diese Falle hier aufgestellt. Sie... wissen, wer du bist?“ Ihre Stimme wurde leise wie ein Windhauch.

Er nickte nur, begleitet von einem fast ebenso lautlosen „Mhm.“.

Sie wussten es! Sie wussten, wer der Junge war! Sie wussten, dass er kein Junge war!! Und das bedeutete, sie konnten potentiell auch jederzeit von Shinichi – und Ai – erfahren. Sie mussten nur Conan etwas genauer ins Visier nehmen und dann noch zwei und zwei zusammen zählen. Wie viele Auffälligkeiten es gab, wenn man danach bewusst suchte, das konnte sie selbst ja mittlerweile im Schlaf aufzählen. Sie würden ihn finden, wenn sie erstmal auf seiner Spur waren.

'Shinichi!'

Augenblicklich riss sie ihr Handy aus der Tasche ihres Jacketts, und suchte fieberhaft, mit leicht glasigem Ausdruck unter den Augen seine Nummer im Adressbuch.

„Ran, was tust du da?“, schrie ihr der Junge zu.

„Ich muss Conan warnen. Er ist doch in der gleichen Situation, wie du. Und wenn sie dich durchschaut haben, werden sie auch ihn durchschauen und dann schwebt er auch in Lebensgefahr!“

„Aber nicht so, verdammt!“ Er sprang mit einem kräftigen Satz auf sie zu und an ihr hoch, griff sich blitzartig das Handy und klappte es zu, presste es zwischen seine Händen.

„Shinto, bist du auf einmal...“

„Beruhige dich, Ran! Sieh dich um, das Feuerwerk ist vorbei.“ Ran blickte verwundert zunächst zum Himmel. Die weißen Wolken, die offenbar irgendein Symbol gebildet hatten mit ihren Mustern, zerflossen allmählich in der Sonne, die Raketenknalls dröhnten nur noch in ihrem Kopf nach, nicht aber mehr auf den Feldern und wurden abgelöst von dem allseitigen Getuschel der vielen Menschen um sie herum, die sich nach dem Ereignis wieder zerstreuten.

„Solang sie das Feuerwerk als Schutz für ihre Gewehre brauchen, sind wir jetzt erstmal wieder für eine knappe Stunde in Sicherheit. Außer, wir bringen sie durch eine Dummheit dazu, diesen Schutz aufzugeben und uns einfach so abzuknallen. Was sie definitiv von ihren zueinander versetzten Positionen jederzeit könnten.“

„Wo... woher weißt du das alles über diese Leute und ihre Pläne?“

Er blickte sich etwas unsicher um, bis sein Augenmerk auf eine noch leere Parkbank in der Nähe fiel.

„Lass uns uns dahin setzen, Ran. Dann erkläre ich es dir. Wir sollten nicht den Moment Feuerpause in Hektik vergeuden.“ Sie starrte ihn unsicher an, dann die Bank, dann wieder ihn. Ja, doch, er benahm sich sehr wie Conan... und dann auch wieder... irgendwie nicht. Es gab da einen Unterschied. Sie konnte ihn nicht ausmachen, nicht sagen, was sich anders verhielt mit ihm als dem kleinen Jungen, den sie für Shinichi Kudo hielt, aber es war da. Zögerlich nickte sie nach einer ganzen Weile und folgte ihm dann Richtung Sitzgelegenheit.
 

'Der Junge lügt!' Das war in etwa die Quintessenz, die Shuichi Akai aus dieser Diskussion entnehmen konnte. Viel mehr war kaum mitzubekommen, weil er mehr Zeit damit zu brachte, ihnen nachzulaufen, ohne Korn und Chianti vor die Flinte zu rennen. Er war unter diesem Aspekt überrascht, dass er ihnen überhaupt folgen konnte. Ran war doch erstaunlich schnell, was er ein Stück weit auf ihre Angst davor, von den Kugeln getroffen zu werden, schob.

Aber er schaffte es und das scheinbar tatsächlich, ohne die Aufmerksamkeit der Scharfschützen erhascht zu haben.

'Nun... die werden momentan wohl ihre eigenen Probleme haben.'

Sein Blick glitt langsam zwischen deren beiden Positionen hin und her. Korn suchte mit dem Fernglas vor den Augen und dem Mikro der Freisprechanlage fest an seinen Mund gedrückt, als könnte er sonst nicht gehört werden, den Bereich um Chiantis Fenster ab, während bei ihr sich immer noch nichts zeigte.

'Sollte das ernst gemeint sein vorhin...? Respekt.'
 

Er stand zum Zeitpunkt der ersten Raketen noch relativ nahe zu dem Baum, in dem sich Kirika versteckt hielt. Nahe genug, um die Rakete von ihrer Beretta zu unterscheiden. Erkennen konnte er jedoch nur zwei Dinge. Erstens, wie sich ein Blatt des Baumes nach oben löste und langsam zu Boden taumelte. Ein Schuss nach oben.

'Ein Schuss nach oben? In die Luft?!' Außer Raketen fand er dort nichts und die explodierten alle von alleine.

Als zweites sah er, wie ein Schatten blitzartig von der Baumkrone zu der eines benachbarten sprang, kurz danach zur nächsten und nach fünf Bäumen, und einer Strecke von sicher fünfzig Meter aufgrund der breiten Kronen, diese verließ und sich als Kirika Yuumura neben dem letzten manifestierte. Sie starrte ihn kurz an, emotionslos, berechnend... ihn erkennend vielleicht. Alles, wie er es von Jodie immer beschrieben bekam, kalt, weltfremd... todesnah. Dann nickte sie ihm zu, lenkte seinen Blick zu Ran und Shinto, die sich bereits entfernten. Und so verging die erste Begegnung von Kirika mit Shuichi Akai wortlos, als dieser sich umdrehte und die davon eilenden verfolgte.
 

'Sollte das... eine Bogenlampe gewesen sein? Mit einer einfachen Pistole?!' Augenblicklich rasten dem versierten Agenten, der nebenbei selbst Scharfschütze war, die gleichen Gegenargumente durch den Kopf, die Chianti, Korn und Gin gleich ausdiskutieren würden.

'Unmöglich!'

Dann erschien Chianti, leicht schwankend am Fenster, hielt sich mit der linken Hand das Kinn, suchte den Boden ab.

'Ich glaub's nicht.' Er schluckte unwillkürlich. Black's Worte von vorhin waren ihm nie aus dem Kopf gegangen. Sein Kommentar dazu, dass er über Mireille Bouquet und Kirika Yuumura zwar etwas wüsste, es aber nicht aussprechen würde, da...
 

'I do not write death sentences.'
 

Natürlich nahm er sie ernst. Dafür war sein Chef ein zu erfahrener Mann, um sich so leicht aus der Fassung bringen und zu Übertreibungen hinreißen zu lassen. Also ging er davon aus, dass die beiden gute... sehr gute Auftragskiller waren.

'Aber... das ist doch... absurd. Ist er ihnen schon mal begegnet? Nein... dann hätte er schon mal früher reagiert. Bei den Namen nicht, aber... bei der Beschreibung. Es ist, als ob seitdem allein ihre Nennung genügte, um ihn aus der Fassung zu bringen... obwohl er sie nicht kannte...'

Er ließ sich etwas zurück sinken, musste kurz nachdenken. Irgendwo hatte er das doch schon mal gehört.

'Zwei Frauen. Beide Auftragskiller. Beide... allein von ihrem Ruf her... sehr gut.' Er schmunzelte nachdenklich, schloss kurz die Augen.

'Und nach der Nummer eben zu urteilen, erschreckend gut.

Hm... es war nicht der Name, der ihn aufhorchen ließ, sondern nur das Konzept. Zwei weibliche Auftragskiller... aus Frankreich! Yuumura ist zwar Japanerin, aber lebt auch seit vier Jahren in Frankreich, also kann man auch von zwei französischen Auftragskillerinnen sprechen.'

Er zog heftig die Luft ein, als der Gedanke ihn durchfuhr, griff reflexartig zu seinen Zigaretten, und zündete sich eine an. Es war nicht im Sinne der Beruhigung, mehr, dass er erfolgreich eine Gedankenkette abschloss und dann einen Ausgleich suchte. Und doch... seine Hände zitterten, als sie das Streichholz an der Phosphatfläche rieben.

'Die Jungfrauen mit den schwarzen Händen? Diese Frauen... sollen... Noir sein?' Beim zweiten Gedanken an die Begegnung mit Kirika vor wenigen Minuten kam ihm ihr Gesicht mit einem Mal nicht mehr nur todesnah, sondern direkt unmenschlich vor... wie der Tod in Person.

'Das ist es also, was Sie uns vorenthalten wollten, Chef?' Er ahnte, was James Black für ein Problem mit dieser Information hatte. Sie war tödlich für denjenigen, der sie besaß. Die beiden Todesengel würden nicht zulassen, dass er so einfach sein Wissen über Noirs Identität mit der Welt teilte. Es verbreitete. Und sie hatten die Fähigkeiten, es zu verhindern.

Er zog einen weiteren Zug voll Tabak in seine Lungen, atmete ihn wieder aus, und ordnete diese Entwicklung ein.

'Hm... also... schön. Noir.' Eine weitere Pause in seinen Gedanken folgte. Wie dieses eine Wort die ganze Situation auf den Kopf stellte und seine Schlussfolgerungen zu vernebeln schien.

'Sie sind definitiv gut genug, um uns jederzeit aus dem Weg zu räumen. Uns, die Organisation, Kanin, den Jungen... alle... aber stattdessen... machen sie eher einen auf Show? Für wen, wenn nicht für sich selbst, arbeiten die hier dann?

Nicht die Organisation, so viel steht fest.

Für den Jungen und Kanin?' Sein Blick wanderte zu Ran und Shinto, die gerade Platz nahmen, nachdem sie sich auf Shintos Drängen hin noch ein Eis geholt hatten.

'Dieser Bengel ist doch... er weiß Bescheid, aber... nein, nicht über Noir. Das lief gegen seine Pläne.

Das heißt, sie drehen ihr eigenes Ding. Nur mit welchem Ziel?'
 

Shinto schleckte genüsslich an seinem Eis, während es Ran eher nur langsam vor sich in der Sonne weicher werden sah. Dann blickte sie auf den Jungen.

Es erinnerte sie an Conan, wie er da saß und ohne jegliches Gesicht verziehen einfach fröhlich die Creme auf seiner Zunge zergehen ließ. Kurzum... es war merkwürdig.

Merkwürdig, weil es wie bei Conan war... aber bei Conan war es Schauspiel. Würden sie offen miteinander reden können, würde er da immer noch so spielen? Für eine Umgebung, die er gar nicht wahr nahm? In der nur Leute relevant waren, die um seine Identität wussten und daher nicht mehr getäuscht werren konnten? Die Anwesenheit der Organisation jedenfalls war nicht zu leugnen und obwohl er darum wusste, wirkte er erstaunlich gelassen. Oder war auch das nur gespielt? Gespielt, um sie zu beruhigen?

Es brachte nichts, sich darüber Gedanken zu machen, wenn Shinto sich eh gleich erklären wollte, und parallel ihr Eis schmolz. Sie schleckte vorsichtig einen größeren Teil vom Rand der Waffel ab, genoss die Kühle und das Süße in ihrem Mund, bevor es sich langsam in den Magen verflüchtigte.

Dann atmete sie einmal ein und wieder aus. Ihr Herz hatte wieder normalen Rhythmus, der Zucker im Eis belebte ihre Sinne und die Kühle erfrischte sie. Ein kurzer Neustart, ganz von vorne, mit dem Hintergrundwissen über die Organisation und hoffentlich mit einer guten Erklärung.
 

„Also...?“, begann sie schließlich nach dem halben Eis.

„Das Eis ist gut.“

„Ja.“, konterte sie ebenso trocken wie er. Was taten sie hier? Sie saßen mitten in einem Park, offen auf einer Bank, im Visier zweier Scharfschützen! Und die hatten nun Feuerpause. Warum hatten sie Feuerpause? Nur, um sich zu tarnen?

Und unabhängig von diesem warum, interessierten sie ein paar andere Motivfragen wie...

'Warum sind wir noch am Leben?

Warum laufen wir nicht zur Polizei?

Warum soll ich mein Handy nicht benutzen?

Warum sitzen wir hier und schlürfen Eis?'

Zumindest auf die letzte hatte sie mittlerweile eine Antwort. Das Eis beruhigte ihre Nerven, beruhigte sie. Sie hatten eine Feuerpause. Und diese hielt, gemessen am Beginn der Schüsse und der Tatsache, dass sie auch nicht weiter feuerten, als sich beide nun setzten, wohl wirklich noch etwa die nächsten 45 Minuten, bis um vier Uhr, an. Das schien als Fakt sicher. Also konnte man auch sich beruhigen, um die nächsten Schritte logisch auszuarbeiten.

„Aber das meintest du nicht, oder, Ran?“

„Nein.“, meinte sie erneut trocken, schob das Eis etwas vom Mund weg, betrachtete das durch die Wärme der Sonne allmählich fragil wirkende Gebilde. Es hielt sich noch tapfer auf der Waffel, konnte aber womöglich jeden Moment umfallen. Leichter Trübsinn überfiel das Mädchen bei dem Gedanken.

„Sie wissen, wer du bist?“

„Mhm...“, stimmte er zu.

„Und sie verfolgen dich.“

„Das ist wohl schwer zu übersehen, was?“ Er lächelte verlegen, hoffte, Ran würde mitlachen um die Stimmung etwas aufzulockern. Aber sie blieb vollkommen ruhig, studierte ernsthaft das Gesicht des Jungen.

'Was hat sie nur auf einmal? Auch wenn es jetzt mit der Organisation raus ist, davon schien sie doch was zu wissen. Also... was habe ich eben falsch gemacht um sie so skeptisch werden zu lassen.'

„Und nun, Shinto?“

„Mhm... was wohl, sie wollen mich kriegen. Ich dachte ja, so eine Feier wäre ein guter Ort sich zu verstecken... aber umgekehrt scheint es auch ein guter Ort zu sein um unauffällig jemanden in eine Falle zu locken.“ Nochmal grinste er selbstironisch, diesmal aber ohne aufzusehen. In seinen Augen drückte sich leichte Verzweiflung aus, die Ran in der Seele belastete. Auch wenn er kein Kind war, so war sein äußeres unleugbar das eines solchen, hilflos, zerbrechlich, und im Moment scheinbar auch ratlos. Hatte sie ihm mit ihrer kalten Reaktion eben unrecht getan? Hatte sie ihm diesen kleinen Hoffnungsschimmer, den ihm ihre Anwesenheit und das Versprechen, ihm Conan vorzustellen, gegeben hatte, wieder gewaltsam genommen?

„Entschuldige, ich...“

„Schon gut. Ich hatte halt nicht eine Begleitung erwartet und dann auch noch eine, die von der Organisation weiß. Und dann eben jetzt noch die plötzlichen Angriffe... Es ist halt eine etwas ungünstige Situation. Vielleicht hättest du... nicht...“

„Jetzt hör aber auf!“ Ran sprang mit einem Mal von ihrem Platz hoch, stemmte die Hände in die Seite, wobei sie die nun leere Waffel gekonnt so von sich weg drückte, dass sie nicht ihre Jacke beschmutzte, sah ihn streng und gleichzeitig liebevoll an.

„Ich sagte doch, ich verstehe ja, dass es dir lieber ist, alleine zu sein um keinen anderen mit in deine Probleme hinein zu ziehen. Aber... das ist doch kein Grund, alle Menschen weg zu stoßen! Ich bin nun mal da, und ich will dir auch helfen, Shinto. Ich...“, ihr Blick bekam einen Hauch von Unsicherheit.

„Ich stecke nun mal, durch mein Verschulden, jetzt auch mit in der Sache drin und kann auch nicht mehr einfach raus. Schließlich habe ich die Schützen auch gesehen... und sie mich. Also... gib mir eine Chance, dir zu helfen, Shinto, bitte.“

Der Satz wirkte in ihr selbst viel tiefer nach als in dem Jungen. Das war wohl eine der Bitten, die sie schon länger einmal Conan hätte an den Kopf werfen sollen. Er hätte abgelehnt, geleugnet, das wusste sie, aber seinen Fall ihn ganz alleine erledigen zu lassen, angesichts der Dimensionen, die sich allmählich vor ihr ausbreiteten...

'Das ist doch Wahnsinn, Shinichi! Du kannst nicht... du kannst nicht von mir verlangen, daneben zu stehen.' Und wie aus dem nichts schien ihr Unterbewusstsein ihr darauf zu antworten.

'Du solltest ja auch nie daneben stehen und zugucken.'

Doch, wenn man eines Shinichi bescheinigen konnte, dann dass er in Punkto Schwarze Organisation einen Elefanten erfolgreich zur Mücke, wenn nicht Mikrobe, gemacht hatte. Niemals hatte er auch nur andeutungsweise durchscheinen lassen, wie gefährlich sein 'Fall' wirklich war. Und Ran bezweifelte vehement, dies allein von den wenigen Begebenheiten in jüngster Vergangenheit von sich aus abschätzen zu können. Er hatte es ihr ersparen wollen, in der Position zu sein, daneben stehen und zusehen, im Sinne von mitwissen, zu müssen. Weil er wusste, dass sie nicht daneben stehen würde, es nicht könnte.

'Idiot!' Ran war nicht ganz klar, ob sie dabei Shinichi, oder sich selbst, oder gar sie beide beschimpfte. Aber irgendjemand war ein Idiot in diesem Theater. Definitiv.

Sie hatte sich dagegen aufgelehnt, nichts von seinem Fall zu erfahren, was in allen bisherigen Konsequenzen von ihr aus gesehen in einem Fehlschlag mündete. Die Gespräche mit Mamoru, die ihr immer noch keine Erleuchtung brachten, was es denn nun mit den Raben vom Tower auf sich hatte. Ihr Feuereifer, mit dem sie Chris Vineyard auf die Ocean Goddess folgte, mit den Effekten, die unschuldige Kapitänin Karasuma mit auf dem Gewissen, ihr eigenes Leben mehrfach fast weggeworfen, keine brauchbaren Informationen für Shinichi davon erhalten und darüber hinaus einen sehr unsinnigen, unnötigen Streit mit ihm losgebrochen zu haben.

'Es wäre vielleicht wirklich besser, wenn ich unwissend geblieben wäre, was, Shinichi? Ich hab auf der ganzen Linie versagt.' Eine gewisse Schwere überkam sie, lähmte ihre Bewegungen, drückte ihren Körper nach unten.

„Ran?“ Sie zuckte aus ihren Gedanken hoch, starrte verwirrt auf den Jungen.

„Was ist mit dir? Du warst nach deiner Ansprache eben so... abwesend.“

„Oh... äh... tut mir leid. Ich war wohl... etwas neben der Spur.“

„Also...“ Er suchte skeptisch nach einem verräterischen Ausdruck in ihrem Gesicht, der ihre wahren Gefühle im Moment signalisierte, fand aber nur ablenkende, verleugnende Blicke.

„Dafür war es eigentlich nicht schlecht.“

„Was jetzt?“

„Deine Ansprache. Fand ich wirklich gut. Du solltest mit solcher Rhetorik echt was mal im Berufsleben anfangen.“ Noch verwirrter als eben schon legte sie den Kopf schief, lächelte verlegen.

„Wie jetzt?“

„Ist schon OK. Ich meine nur, du hast Talent wofür.“

„Äh... danke.“ Sie nickte höflich.

„Und du hast recht, du bist jetzt hier, daran kann man nichts ändern.“, Sein fröhliches Lächeln verzog sich ganz langsam zu einer kurzen Fratze, einem überlegenen Grinsen.

„Wir sollten uns dann wohl mal um unsere Verfolger kümmern.“

„Genau.“

'Nein... ich habe nicht auf ganzer Linie versagt, Shinichi. Ich habe zumindest noch diese eine Chance. Und die werde ich auch nutzen. Ich werde Shinto zu dir bringen, unversehrt. Komme, was da wolle.' Dieser Fall gewann für sie nun immer mehr an Bedeutung, da die offene Konfrontation mit der Organisation auch Gefahr für Shinichi bedeutete. Sie musste sich nun beweisen, ansonsten... würde ihr Versagen diesmal womöglich auch Shinichi sehr viel kosten.

'Niemals!'
 

'Respekt. Der Junge versteht sich wirklich auf Psychologie, dem Mädchen genau dann Mut zuzusprechen, wenn sie beginnt zu zweifeln. Und das, obwohl sie mit aller Macht versuchte, diese zu unterdrücken. Und die Sache vorhin am Marktstand dazu. Hm... vielleicht... ist da doch mehr, als wir ahnen.'
 

„Also...“, begann Ran erneut, als sie sich wieder hingesetzt und die letzten Krümel der Waffel verspeist hatte,

„... warum nun die ganze komplizierte Sache mit den Schüssen?“

„Hm... nun, als Tochter eines Detektivs solltest du wissen, dass Scharfschützen, die, wie unsere Verfolger, auf diese Entfernung Zentimeter genau vor deine Füße zielen, ihr Ziel nicht um Meter verfehlen.“

„Mhm... ja, das hattest du angedeutet. Sie zielten nicht auf uns, sondern auf unsere Füße. Vor unsere Füße, entschuldige.“

„Das heißt, sie wollten uns, zumindest in dem Moment, noch nicht töten, wofür das sonst ein idealer Zeitpunkt gewesen wäre. Wenn jemand umfiele und die Leute drumherum die Schusswunden bemerkten, würde Panik losbrechen und lange bevor die Polizei auch nur ansatzweise Ruhe reinbekommen hätte, wären sie über alle Berge.“

„Folglich... wollen sie uns... dich... lebend. Wegen deines Wissens?“

„Was sonst?“

Ran schwieg. Sicher. Was sonst, die Informationen die er besaß, über sie, über das merkwürdige Verjüngungsmittel, waren ein guter Grund. Aber... auch seine bloße Existenz, die Conan und Ai so sehr bedrängen würde, schien doch schon ein ausreichendes Motiv zu liefern.

„Entsprechend erstmal nur die Schüsse vor den Bug.“

„Ja, aber... um bei dem Vergleich zu bleiben, sind die nicht dazu da, jemanden dazu zu bringen umzudrehen und vor den Schüssen wegzulaufen?“

„In so einem Fall ja... und genau das war auch ihre Intention, dass wir davor weglaufen, so wie du es zunächst tun wolltest.“ Ran schaute peinlich berührt zur Seite.

„Du wusstest...“

„Ich wusste, wie der Park aufgebaut ist, hatte mich heute schon viel umgesehen. Daher wusste ich, es führte in eine Sackgasse. Dort hätten sie uns auflauern können, wo keine Massen mehr sind, wie hier auf der Promenade.“

Ran schluckte.

„Eine Falle.“

„Mhm, exakt. Aber gerade, weil sie uns auch nicht töten wollten, kam uns das gelegen. Die Schüsse waren darauf angelegt uns nicht zu treffen und so konnten wir uns in eine andere Richtung bewegen.“

„Du meinst...“

„Der Weg, den wir... du... danach gelaufen bist, führt direkt auf einen zentralen Ausgang. Und meistens einigermaßen in der Nähe von Menschen vorbei.“

„Aber... ist das denn sicher? Ich meine, so genau kennst du ihre Motive und ihre Pläne doch auch nicht..., oder?“

„Wir müssen, ausgehend von den Schüssen, als gesichert annehmen, dass sie uns nicht direkt erschießen wollen. Bei mir kann ich es mir vorstellen zumindest, dass ihnen viel daran liegt mich lebenmd zu kriegen und, dass sie auch viel dafür riskieren würden.

Aber... du...“

Ran schluckte noch einmal, zog dann die Luft scharf ein, als ihr ihre Rolle klar wurde.

„Ja. Momentan bist du... ein Störfaktor für sie. Jemand in der Schusslinie. Und ich weiß nicht... wie viel sie zulassen, bevor sie ihre Zurückhaltung vergessen und einfach abdrücken.“

Das Mädchen umfuhr ihren Oberkörper mit ihren Armen, etwas fröstelte sie in der warmen Nachmittagssonne, die sie eben noch zum schwitzen brachte.

„Mein Handy...“

„Sie können nicht wissen, wen du anrufst. Die Polizei? Deinen Vater, den Meisterdetektiv? Egal, es wäre eine essentielle Gefahr und du dürftest im Moment keinerlei Wert für sie haben.

...

Es... entschuldige, es tut mir leid, Ran.“

„hmhm.“, nickte sie es, in einer ungewöhnlich ruhigen Art, ab. Innerlich suchte sie verzweifelt Halt.

'Jetzt... stehe ich... auf der... Abschussliste.'

„Es war wohl... nicht anders... zu erwarten, wenn man zwischen... die Fronten gerät.“ Ihre Augen zitterten, so sehr sie sie auch zum Stillstan zu zwingen versuchte.

„Aber... Ran?“

„Mach dir keine Sorgen, Shinto, ich... pass schon auf mich auf.“ Nun lächelte sie wieder so überzeugt, als wäre es nichts, dass man ihr gerade erzählte, sie stünde auf einer Todesliste. War das jetzt gute Miene zum bösen Spiel? Oder hatte sie ernsthaft die Hoffnung, hier lebend rauszukommen, ohne eine wirkliche Idee, wie sie das anstellen sollte?

Innerlich musste Shinto schmunzeln.

'Tja... ganz unrecht hast du wohl nicht. So jemanden wie dich werde ich denen ganz sicher nicht überlassen.'

„Da sie offensichtlich nicht vorhaben, direkt zu schießen, sollten wir zwischen den Menschenmengen einigermaßen sicher sein. Dort ist es zu riskant, jemand anderen zu treffen, dann eben wieder eine Panik auszulösen, die wir uns diesmal zum Vorteil machen könnten, weil wir ja nun von ihnen wissen.“

„Halt mal... bedeutet das nicht, dass es eigentlich dumm war, uns wissen zu lassen, dass sie da sind, aber nicht gleich uns bis zu ihnen zu jagen?“

„Das ist es, was mich auch verwundert. Sie haben aufgehört zu schießen, lange bevor das Feuerwerk vorbei war. Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass sie die ganze Zeit, die die Raketen starteten, ausnutzen wollten. Das verstehe ich nicht, was sie zu dieser Planänderung bewegt hat?“

„Vielleicht wir? Weil wir eben nicht in die Sackgasse gelaufen sind?“

„Wenn die Organisation so wenig vorausschauen kann um diese Möglichkeit zu berücksichtigen, muss ich meine Meinung über ihre Fähigkeiten revidieren. Da war was anderes, was ihnen dazwischen funkte... nur was?“
 

'Kein Zweifel, Noir arbeitet weder für Kanin, noch für die Organisation. Aber was hat es dann mit dem Verschwinden Kirs auf sich?'
 

„Das ist also... die Person, die im geheimen die Kanin-Baugruppe leitet?“

Selbst Shuichi Akai, sonst so gefasst, weil er ruhig die Lage analysierte, musste diesmal ein kurzes Zucken als Zeichen der Überraschung zugeben. Die kleine Stimme, die dennoch deutlich an ihn gerichtet war, Ernst und Zweifel in sich trugen, gehörte Conan Edogawa, der wie aus dem nichts ganz in seiner Nähe aufgetaucht war und mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, von Ran und Shinto weg gedreht, die Arme verschränkt, Löcher ins Nichts starrte.

„K-Kudo?“
 

„Sie werden, wenn sie doch meinen, es geht nicht anders, ihre Ruhe aufgeben und einfach schießen. Deshalb müssen wir, zumindest äußerlich, uns einigermaßen ihrem Willen beugen. Das heißt, keine Handy-Anrufe und kein auffälliges Verhalten. So auf der Bank sitzend dürften wir im Moment am harmlosesten wirken.“

„Aber...“, konterte Ran mit einem Mal scharf.

„Wir können uns auch nicht unter den vielen Menschen nachher verstecken, wenn sie wieder schießen.“

„Ich sagte doch, das werden sie kaum riskieren und wenn doch...“

„Eben, wenn doch, dann bringen wir noch mehr Menschen in Gefahr, Shinto! Das dürfen wir nicht!“ Er starrte sie einen Augenblick lang mit offenem Mund an, wendete sich dann ab.

'Du bist wirklich ein Original, Ran, weißt du das?'

„Ähm... natürlich, wir dürfen sie nicht gefährden.

Aber damit bleibt uns dann nur eine Option, uns ihnen sinnvoll zu entziehen.“

„Ach ja?“

Shinto wandte erst den Kopf nach unten, bevor seine Augen etwas zur Seite und dann nach hinten wanderten.

Ebenso unauffällig versuchte Ran das Gebiet hinter der Bank in Augenschein zu nehmen und hielt von der Erleuchtung getroffen, inne.

'Der Wald.'
 

„James Black!“ Gin horchte gespannt am Handy auf, als Korn sich mit diesen Worten nach einer Weile suchen wieder meldete.

„Hm?“

„Ich hab ihn, Gin?“

„Wo?“

„Weiter vorne, nahe am Eingang?“

„Und?“

„Er ist tot.“

Eins zu Null für Mireille

Hallo liebe Lesenden,
 

wie immer vielen Dank für eure Kommis zum letzten Kapitel. Tja, was wurde nun aus James Black? Was hatte er mit Mireille zu besprechen und was werden Jodie, Shiratori und Kogoro nun vorfinden? Gut, es kommt gleich, keine Sorge. ;]

Nur so viel, da zumindest von den Kommischreibern schon eine gewisse Interpretation kam... lest am Ende des Kapitels, wenn ihr wollt, ruhig nochmal das Ende vom letzten Kapitel... es ist halt... nicht ganz eindeutig formuliert. *evilgrins*
 

Ich verrate mal nicht zu viel vorweg, es gibt hier eh noch ein paar Überraschungen.

Wie ich vor zwei Kapiteln mal erwähnte, effektiv laufen diese letzten drei Kapitel 10-12 parallel ab und mich hatte interessiert, ob die Reihenfolge so gefällt. Ich bin gespannt auf eure Meinung, wenn ihr eine dazu habt.
 

Ansonsten nur noch viel Spaß mit Mireilles... zweitem großem Auftritt, wenn man die Begegnung mit Kir dazu zählt. ^^°

Bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet
 

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Kapitel 12: Eins zu Null für Mireille
 

Jodie rannte, so schnell ihre Beine sie tragen konnten. Wäre es nicht die Angst um ihren Chef, die sie antrieb, so hätte sie spätestens jetzt mit sich selbst geklärt, Kilometer-Geld für diesen Tag zu verlangen, so oft, wie sie nun schon den Park 'abgerannt' war.

'Verdammt, James ist doch nicht nur mein Chef!', musste sie sich erneut einhämmern.

Ganz sicher nicht nur. Seit 20 Jahren war er ihr stellvertretender Vater. Er hatte die Position übernommen, die ihre richtigen Eltern dank Vermouth nicht länger einnehmen konnten. Er war ihr Vorbild die weiteren Jahre gewesen, bis sie alt genug war, selbst Agentin des FBI zu werden. Von ihm wusste sie, was sie über diesen Job wusste, quasi alles. Ihm verdankte sie diese Chance überhaupt, nicht direkt in ein Waisenhaus abgeschoben worden zu sein. Niemandem verdankte sie so viel, und niemandem, vielleicht nicht mal Shuichi Akai, vertraute sie so viel, wie James Black.

'How dare you, Shinichi Kudo...' Sie hatte ihm eigentlich verziehen, aber sie konnte nicht über die Bedeutung James Blacks für sie selbst nachdenken, ohne den Verlust ihrer Eltern dabei im Hinterkopf zu haben. Warum musste er diese Frau decken? Was, verdammt noch mal, konnte die Situation so sehr verändert haben, dass er sie nicht...

Sie ohrfeigte sich selbst im Geiste. Mehr als einmal wurde ihr heute schon der Spiegel vorgehalten, wie leicht sie sich in eine falsche Richtung drängen ließ. Wie leicht sie die falschen Schlüsse zog und mit ihrem Drang zu handeln eher für mehr Probleme sorgte als zu helfen. Ein kurzes Kopfschütteln durchzog sie.

'Stop it, Jodie! Konzentriere dich endlich auf das hier und jetzt!'

Und das bedeutete zurück zu James Black zu rennen, ihm helfen, und danach diese verdammte Korsin endlich dingfest zu machen. Killerin hin oder her, sie hatte gestanden, Rena Mizunashi angegriffen zu haben und das konnte sie nicht einfach so stehen lassen! Und sollte sie nun auch noch James etwas angetan...

'Nein, verdammt! Konzentration!'

Und so lief sie weiter, an der Grenze ihrer Atemreserven, ihr Herz aufs heftigste pulsierend, zum einen wegen dem hohen Tempo, zum anderen wegen der Anspannung, die nicht zum aushalten war.
 

Dicht auf ihren Fersen folgten ihr der Polizist und sein ehemalige Kollege, auch wenn sie nie gleichzeitig im Dienst waren.

„James, wie in James Black, nehme ich an.“, kommentierte Shiratori den Ausruf Jodies.

„Der andere, ältere Agent? Ist das dann also ihr Vorgesetzter?“

„Vermutlich. Aber sagen Sie, Mori, kommt Ihnen der Name nicht auch irgendwoher bekannt vor?“

„James... Black? Nein, nicht wirklich. Klingt aber für einen Amerikaner nach einem Allerweltsnamen.“

„Eigentlich nicht.“

„Wie?“

„Eigentlich klingt es mehr nach einem Engländer als einem Amerikaner. James mag da grundsätzlich noch ein üblicher Name sein, aber eher sehr altmodisch. Insbesondere spricht man so jemanden in den Staaten selten mit James an, eher mit Jim, ist flüssiger. Das hat doch mehr was von Großbritannien, wenn Sie mich fragen.“

„Mhm... wenn Sie meinen, Shiratori.“ Abgesehen davon, dass es ihm tierisch auf die Nerven ging, wie der Kommissar einen auf Kosmopolit machte, sah Kogoro nicht ganz die Relevanz darin, ob besagter Agent nun Brite oder US-Amerikaner sei.

'Soll doch eh auch ein Japaner dabei sein. Die Amerikaner sind halt ziemlich Multi-Kulti.'

„Mich interessiert eigentlich mehr, wenn sie wusste, dass er dort war und sofort bei dem Schuss daran denkt, ihm könnte etwas zugestoßen sein...“

Shiratori hielt kurz inne, als ihm die Gedankenkette des Detektivs klar wurde.

„Genau... dann bedeutet das, dass das FBI hier wirklich irgend jemand gefährliches erwartet.

Aber... ein Schuss? Ich meine, außer dem FBI und uns darf doch niemand hier im Park eine Waffe tragen.“

Beide schluckten kurz. Das hieß wohl Ärger auf vielen Ebenen, was auch immer sie gleich erwarten würde.
 

Sie waren sicher an die vier Minuten gerannt, da selbst bei Jodie allmählich die Batterien ausgingen. Endlich, als sich ein paar Bäume lichteten, sahen sie zwei Gestalten. Eine am Boden liegend und die andere daneben kniend. Nachdenklich über die erste gebeugt.

„J-James?“

James Black drehte sich unsicher zu Jodie um, sein Blick verriet einen Ernst, wie sie ihn selten von ihm erlebt hatte.

„He... is dead.“

„Who...“ Die am Boden liegende Person war schwarz gekleidet und der Groschen fiel bei der Agentin dann auch sofort. Nur hatte sie diesen Herrn noch nie gesehen. Er erinnerte sie lediglich ein bisschen an Wodka, der aber selber schon länger tot war. Erschossen von einem unbekannten Attentäter der Organisation. Sie hatte seine Leiche damals im Park mit eigenen Augen gesehen.

„Keine Bewegung, Agent Black!“, schrie Shiratori, sobald er der Situation halbwegs gewahr wurde. Der alte Mann starrte mit aufgeschreckten Augen auf die beiden sich nähernden Personen.

'Mori? And the Police? Damn... this... is a trap!'

„Schön langsam aufstehen und die Hände immer sichtbar für uns!“ Er hielt seine Dienstwaffe ruhig und fest mit beiden Händen auf ihn gerichtet. Keine Fehler, keine Schwächen zeigen, dieser Devise wollte er sich unbedingt unterwerfen, um ein zweites Chaos wie das auf der Ocean Goddess zu vermeiden.

„Sie müssen mir das nicht erklären, Herr Kommissar, ich kenne mich mit sowas aus.“

Richtig, das wäre wohl relativ überflüssig bei einem Agenten des FBI, der wahrscheinlich schon mindestens so lange beim 'Bureau' war, wie Shiratori auf der Welt. Dennoch...

„Dann wissen Sie sicher auch, dass ich trotzdem verpflichtet bin, das zu sagen.“

„Sure... Ich meinte auch mehr, dass Sie nicht so schreien müssen. Ich bin alt, nicht taub.“ James zeigte seine leeren Hände kurz hoch, um sie dann zum aufstehen zu Hilfe zu nehmen, bevor er sie erneut hoch hielt.

„Er ist tot, Shiratori.“, stellte Mori nüchtern fest, nachdem er dem Mann am Boden den Puls fühlte. Allerdings kam das eh nur einer Formalität gleich, da die Schusswunde am Kopf, platziert mitten auf der Stirn, kaum Zweifel ließ. Mori betrachtete die Sonnenbrille des Mannes skeptisch.

'Der Bügel hätte es womöglich kritisch gemacht, zwischen die Augen zu zielen. Aber diese Position ist auf den Millimeter genau ein Stück darüber und ebenso tödlich, ohne Zeitverzögerung. Er fiel sofort um. Das war ein Profi bei diesem Schuss. Nur...' Er blickte den alten Mann, der mittlerweile gefasst, aber düster drein schauend da stand, lange an.

'Wieso?'

Shiratori ließ der Anblick der Leiche ebenfalls nicht los.

'Das dürfte der mysteriöse schwarze Mann gewesen sein, der nach Rena Mizunashi fragte, und das Outfit ist tatsächlich mehr als auffällig, aber...

verdammt, das kommt mir auch irgendwie bekannt vor. Ein schwarzer Mann, scheinbar ein Verbrecher, erschossen, und dann das FBI auf dem Plan... in einem Park.

Ah, wenn man nicht selbst alle Berichte der Kollegen durchgeht, verliert man den Überblick über die vielen Zwischenfälle in dieser Stadt. Aber da war was, definitiv. Und gar nicht so lange her.

Mhm... das kann man ja mal checken. Takagi hatte doch neulich ne Weile im Archiv gearbeitet.'

Den Gedanken in seinem Hinterkopf notierend, wandte er sich wieder seinem Tatverdächtigen zu.

„Special Agent James Black?“

„Yes. Und ich hätte Sie schon korrigiert, wenn Sie mich eben falsch tituliert hätten.“, konterte dieser sachlich. Ganz konnte Shiratori seine Nervosität nicht unterdrücken. Er fühlte sich Herr der Lage und doch, was für eine Lage war das eigentlich? Er stand vor zwei Agenten des FBI, einer dringend verdächtig der Tötung eines vermutlichen Yakuza und die andere verdächtig des tätlichen Angriffs, Freiheitsberaubung, vielleicht Mord, einer Person der Öffentlichkeit.

„Darf ich dann fragen, was hier passiert ist, Mr. Black?“ Er unterließ es diesmal, ihn mit 'Agent' anzureden, um ein wenig den Grat zu dezimieren, der beide trennte.

Black schwieg einen Moment, betrachtete den Leichnam von Scotch und daneben seine eigene Waffe skeptisch, rekapitulierte die Ereignisse vor wenigen Augenblicken, die sich so fest in sein Gehirn gebrannt hatten.

„Ich schätze, Sie würden mir die Wahrheit nicht glauben, abgesehen davon, dass kein Indiz oder Beweis hier für diese Wahrheit spricht.“, verkündete er schließlich resigniert. Der Kommissar sah ihn verblüfft an.

„Wie bitte?“

„...Notwehr. Es war Notwehr. Der Mann griff mich unerwartet an und ich musste mich verteidigen.“

„Das kann ich tatsächlich kaum glauben.“, konterte Mori, der immer noch neben der Leiche kniete und sie vorsichtig begutachtete.

„Why, Sir?“ Black versuchte gekonnt, Moris Blick auszuweichen.

'Bloß nicht andeuten, dass du ihn kennst.'

„Weil der Mann keine Waffe bei sich hatte, Mr. Black.

Es wurden ja alle Leute am Eingang kontrolliert. Sie haben als FBI Agent Ihre Pistole behalten dürfen, aber ansonsten haben nur Polizisten und Sicherheitsleute hier Waffen. Dieser hat definitiv keine hier, nicht mal einen Halfter irgendwo.

Und ich denke, Sie als Special Agent des FBI werden gegen einen unbewaffneten bessere Selbstverteidigungsmethoden haben als Ihre Dienstwaffe. Zumindest sollte das das allerletzte Mittel in so einem Fall sein und nicht die... erste Wahl.“

Black schloss die Augen, lächelte leicht melancholisch, aber so schwach, dass es sein Schnauzer verdeckte.

„Tja... man wird halt nicht jünger.“

„Das... soll wohl ein Scherz sein, Sie...“

„Ruhig, Mori!“, hielt ihn Shiratori – noch – zurück.

„Und warum hat er Sie angegriffen, Mr. Black?“

„Das sagte ich doch, ich habe keine Ahnung, was er von mir wollte. Nicht mal genau, ob und wenn ja, woher er wusste, wer ich bin.“

Der Kommissar bekam allmählich Probleme sich so zusammen zu reißen, wie er es eben noch von Kogoro Mori gefordert hatte. Wollten ihn diese Agenten für dumm verkaufen? Hier lief was ganz großes, das roch man Meilen gegen den Wind.

'Das sind doch keine Zufälle, wie die Leute hier zusammen kommen. Starling und der Mann in Schwarz suchten Rena Mizunashi, die verschwindet und der Mann wird tot aufgefunden, erschossen von einem FBI-Agenten, obwohl das Opfer unbewaffnet war? Das passt doch alles nicht im Ansatz. Hier geht was ganz anderes vor sich.

Aber... vor allem. Egal, was der Mann in schwarz und Agent Black miteinander zu tun hatten, egal, was das FBI von ihm wollte, er würde ihn in so einer Situation nicht töten, schon gar nicht, wenn er unbewaffnet ist. Selbst wenn der Mann sich von Black's Waffe nicht beirren ließ, und auf ihn zustürmte, hätte dieser ihn ins Bein schießen können, um ihn bewegungsunfähig zu machen. So ein Schuss, so gezielt, das sieht viel mehr nach einer Hinrichtung aus. Aber niemand kann im Affekt so präzise schießen und einen Zufallstreffer will er uns doch auch nicht verkaufen. Und wenn es doch ein solcher Schuss war, warum gerade hier im Park? Zwar nicht der belebteste Weg, aber auch nicht irgendwo im Wald, wo man allein und ungestört wäre. Und dann die vier Minuten, die seit dem Schuss vergingen, bis wir hier ankamen. Was hat er in der Zeit gemacht?'

Gegen seine eigene Intuition begann er, Blacks Statement vom Anfang ernst zu nehmen. Was immer die eigentliche Wahrheit war, sie mochte zu den Fakten, die sie hier am Tatort vorgefunden hatten, passen, aber sie wäre wahrscheinlich noch unglaublicher als diese abstruse Behauptung von Notwehr.

„Na los, gehen Sie etwas von der Leiche weg. Ich muss ein paar Kollegen rufen, um den Körper abzutransportieren. Und so lange können Sie sich überlegen, ob Sie vielleicht nicht doch noch die 'unglaubliche Wahrheit' erzählen.“ Er hoffte, sie etwas zu provozieren, denn nur das FBI schien ansatzweise zu wissen, was hier vor sich ging, während er noch völlig auf dem Schlauch stand. James Black schaute ihn nur finster an, bewegte sich dann ein Stück weg, Richtung Jodie. Shiratori ließ es geschehen, bereute bereits seine ungeschickte Formulierung, wollte sich dafür auf die Zunge beißen.

'Was immer hier auch am Laufen ist... oder war, diese Leute wissen es, weigern sich aber, mit uns dabei zu kooperieren. Damit sind sie Verbrecher im Sinne unseres Rechtssystems und da kann man trotz internationaler Beziehungen nicht einfach drüber hinweg sehen. Wir sind an das Gesetz gebunden.

Dennoch... wenn wir größeres verhindern wollen, was hier womöglich noch ansteht, dann müssen wir sie zur Zusammenarbeit überreden und die Wahrheit heraus finden.'

Er erwischte sich dabei, die Idee, Black habe ihn aus Notwehr erschossen, schon aus seinem Gedächtnis gestrichen zu haben, obwohl sie immer noch de facto sein Geständnis und den Daten wenigstens im Ansatz zuzuordnen war.

'Aber auch nur im Ansatz.'

Er rief per Handy ein paar Leute vom Eingang, an dem sich schon längst keine Massen mehr drängelten, zu sich und ging dann zu Mori.

„Tut mir leid, wenn Sie sich jetzt mit an der Untersuchung beteiligen müssen, Mori.“

Dieser beugte sich wieder hoch.

„Schon gut. Irgendwie... habe ich schon so etwas in der Art erwartet.“ Shiratori sah ihn ungläubig an, aber Kogoro antwortete nicht.

Seine Gedanken kreisten allmählich immer mehr um eine merkwürdige Vermutung. War es das, was er hier erlebte, wovor ihn Conan mit seiner scharfen Reaktion diesen Morgen warnen wollte? Wusste er etwas über die Aktivitäten des FBI? Das klang wirklich absurd. Aber... was hatte er eigentlich erwartet, was es mit Conans merkwürdigem Aufschrei auf sich hatte? Sicher nicht, dass hier ein großer Fall wie dieser lauerte. Eher, dass sich Conan hier her heimlich verdrückte und, warum auch immer, dabei nicht erwischt werden wollte.

'Aber... er ist nicht hier. Und dabei scheint hier doch im Moment die 'Action' zu sein...

Hm... ich bin nur froh, dass Ran nicht hier ist. Sie ist in Sicherheit wo anders im Park. Die Protagonisten sind alle hier und gestellt.' Er atmete einmal tief durch.

'Dennoch, lieber jetzt gleich alle Eventualitäten im Keim ersticken. Nicht, dass hier doch noch irgendetwas eskaliert.'

„Etwas ist merkwürdig an dem Typen.“, bemerkte er flüsternd und wies Shiratori mit seinen Augen auf die Leiche von Scotch.

„Er hat kein Handy bei sich.“

„Nicht alle Leute haben automatisch immer ein Handy, Mori. Wenn er hier jemanden beschatten wollte, wäre es vielleicht sogar störend.“

„Aber seine Handytasche in der Innenseite seines Jacketts ist deutlich ausgebeult. Berücksichtigt man, dass er korpulent ist und die Taschen von innen nach außen gewölbt, muss man davon ausgehen, er hatte es bis vor kurzem noch bei sich gehabt.“

„Sie meinen, jemand hat es ihm weggenommen? Black?“

„Das ließe sich ja prüfen.“

„Mr. Black?“

„Yes, Sir?“

Er rief ihn zu sich, suchte kurz seine Taschen ab. Ein Handy fand sich dabei, welches sich aber über die Nummern und den Vergleich mit Jodies Mobiltelefon sofort als seines identifizieren ließ.

„Dem Opfer scheint das Handy vor nicht all zu langer Zeit gestohlen wurden zu sein. Wissen Sie zufällig etwas darüber, Mr. Black?“

Dieser schüttelte kurz in sich gekehrt den Kopf.

„Davon weiß ich nichts. Nachdem mein Schuss ihn nieder streckte, war ich kurz geschockt, dachte, ich hätte ihn nicht so... lethal getroffen. Dann ging ich zu ihm, überprüfte seinen Puls, fand, dass er tot war... and then you appeared.“

Shiratori musterte ihn skeptisch.

„Es waren aber vier Minuten, die zwischen dem Schuss und unserem Eintreffen vergingen. Sind Sie sicher, dass nicht noch mehr passiert ist?“ Ebenso stur wie sicher stand der alte Mann dem jungen Kommissar gegenüber.

„I am sure.“
 

Damit nahm er sein Handy wieder an sich, drehte sich auf der Stelle um und ging zu Jodie zurück. Diese wandte den Kopf bewusst von Mori und Shiratori ab, bedeckte ihren Mund.

„Bouquet?“

„Who else!“ James tat es ihr gleich und verschleierte seine Lippenbewegungen.

„Was wollte sie denn mit dem Handy?“

„Keine Ahnung. Sie war allgemein nicht so gesprächig, wie ich gehofft hatte. Aber bei ihr kann ich mir vorstellen, dass sie es uns bloß nicht... 'zu einfach' machen wollte.“

Jodie blickte ihn verständnislos an.

„Too easy?“

„Sie hat ihn erschossen, um uns zu helfen, und dann sein Handy mitgenommen, mit welchem wir Zugriff auf die Organisationsdaten hätten bekommen können.“

„W-what? Why? Wait... wait, from the start again, please, Sir.

What the heck does this woman actually want?“

James schwieg und ließ noch einmal diese Augenblicke vor seinem inneren Auge an ihm vorbei ziehen.
 

...

„Leave... leave my agents alone!“, kam es mehr bittend als drohend.

„Ich will nichts von Ihren Agenten.“

„But... what... do you want then?“

„Beenden, was ich vor vier Jahren begonnen hatte.“

Black starrte sie ungläubig an.

„Vor vier Jahren? Als Sie wieder auftauchten?“

„Exakt. Als Kirika und ich aufeinander trafen, wenn Sie es so genau wissen wollen.“

„Aber... was haben Sie denn da angefangen?“

Mireille lächelte auf eine gefährliche, von sich überzeugte Art. Sie würde es ihm ganz sicher nicht sagen, nicht in dieser Welt, selbst, wenn es das letzte sein sollte, was er hörte. Das waren Worte, die nur für ein anderes Ohrenpaar bestimmt war.

„Es tut mir leid, Agent Black, aber Ihre weiße Weste wird heute ein paar Blutflecken abbekommen. Und passend zu dem weiß... liegt die Ursache in etwas schwarzem.“

„Schwarz... die Organisation?“

Ihr Lächeln wurde noch breiter, dann senkte sie den Kopf, räusperte sich geräuschvoll, bevor sie laut ausrief:

„Na, waren das dann jetzt genug Informationen für dich, Scotch?“

Der FBI Agent war zunächst schockiert von ihren Worten, dann aber noch mehr von dem aufschrecken einer großen Gestalt ein paar Bäume hinter ihr. Der Mann in schwarz wirkte trotz seiner großen Statur und der die direkte Einsicht auf seine Augen verhindernden Sonnenbrille wie versteinert vor Angst. Von seinem nicht mehr dazu geeigneten Versteck aus beobachtete er gebannt die beiden Personen. Black starrte ihn zuerst überrascht, dann drohend, an. Auch wenn es ein Mitglied der Organisation war, irgendwie sah man ihm an, dass er weniger eine Gefahr darstellte, als er gerne wollte. Mireille blickte Scotch gar nicht erst an, verharrte weiterhin mit ihren Augen auf James Black, zog dessen Waffe immer weiter zu sich.

„Wer... wer sind Sie eigentlich?“, brachte Scotch nur stammelnd heraus, nicht ahnend, dass es seine letzten Worte sein würden.

Mireille schmunzelte amüsiert.

„Ach ja, du weißt ja nur, dass ich die Person kenne, die Noir getötet hat.“

Black entnahm es ihrem Blick, er ahnte genau, was kommen würde.

„Run, you fool. She is Noir!“, rief er ihm mit fast heiserer Stimme, um sein Leben fürchtend, zu.

„Ich dachte Sie wären klug genug, es nicht auszusprechen!“, flüsterte Mireille mit finsterer Miene.

Scotch, von dieser Aussage aus seiner Trance gerissen, ergriff panikartig die Flucht, als die erste Rakete gen Himmel sauste. Die Bewegung, die dann folgte, war so flüssig und schnell, dass James Black nicht sagen konnte, ob es eigentlich eine Bewegung war, oder ob er einen Filmriss hatte und nur den Anfang und das Ende der geplanten Szene mitbekam. Mireille stand eben immer noch aufrecht vor ihm und er hatte in Betracht gezogen, sie fest zu halten, um zu verhindern, dass sie den Mann in schwarz tötete. Dieser war immer noch ein wichtiger Zeuge und Verdächtiger im großen Fall, den sie seit über 20 Jahren bearbeiteten.

Mireille ahnte das aber voraus und statt sich einfach umzudrehen, duckte sie sich zuerst unter ihm weg, ging in die Knie, drehte sich dabei auf den Zehen des rechten Fußes um 180 Grad, zielte entweder gar nicht oder so schnell, dass jeder Scharfschütze beim FBI vor Neid erblasst wäre, und drückte ab. Diese ganze Bewegung, vom Stand bis zum abfeuern, musste geringfügig mehr als eine halbe Sekunde gedauert haben und hätte der Agent es nicht mit eigenen Augen gesehen, er hätte es nicht geglaubt.

Er hatte... Noir in Aktion erlebt. So beängstigend es war, so unglaublich gefühlskalt sie agierte, so sehr zog ihn dieser Moment in seinen Bann. All seine Befürchtungen waren erfüllt. Wenn Noir es wollte, würde sie die Agenten töten können, jederzeit. Ohne dass es eine echte Chance gäbe, es zu verhindern. Er hatte... die Nummer zwei gesehen? Die... Nummer... zwei?! Kirika Yuumura war noch besser? Der Schauer, der ihm bei dieser Realisierung durch den Körper fuhr, musste der eiskalte Hauch des Todes sein. So hatte er ihn zumindest noch nie gespürt.

Dann begann sein Kopf wieder halbwegs klar zu denken und er sah Scotch's Körper, der sich nur noch gerade auf dem Weg vor ihm ausbreitete.

Mireille ging unbeirrt auf diesen zu, James' Pistole immer noch in den Händen haltend.

„You...“

„Tun Sie das nie wieder, Agent Black!“, konterte sie nur scharf, drehte sich dabei sogar kurz zu ihm um. Ihr Blick war einer echten Furie aus der griechischen Sage gleich. Wild, unbarmherzig, undurchschaubar. Er jagte dem Agenten einen weiteren Schrecken ein.

„Was... soll ich nie wieder tun?“

„Mir oder jemand anderem gegenüber erwähnen, wer ich bin. Das nächste Mal... werde ich Sie sonst ebenfalls töten!“

„Sie hätten ihn trotzdem nicht umbringen müssen! Er ist ein Mitglied der Organisation, wir hätten ihn verhaften können, Informationen über sie bekommen...“

„Oder er wäre Ihnen entkommen, inklusive des Wissens, dass Conan Edogawa mit dem FBI zusammen arbeitet, dass auch Rena Mizunashi nicht ganz sauber ist, dass an Vermouth etwas nicht stimmt... Der Mann hat zu viel gewusst, um zu riskieren, dass er entkommt. Und dann mussten Sie ihm ja unbedingt noch sagen, wer ich bin...“

Black betrachtete sie verunsichert. Das Argument war nicht zu leugnen. Was Scotch mit angehört haben mochte, war wirklich riskant, für viele Leute. Er durfte nicht frei herum laufen. Und dass man nicht aussprach, wer Noir wirklich war, das war ihm sonst eigentlich auch klar. Nur diesmal hatte sein Ideal, Leute nicht unnötig sterben zu lassen, eher den Tod eines anderen erzwungen. Eine unbedachte Reaktion.

'Obwohl..., vielleicht hatte es Mireille Bouquet auch von vorn herein so geplant.'

Langsam näherte sich auch Black Schritt um Schritt Scotch, inspizierte die Bäume.

„Did you... hear again?“

Mireille beugte sich gerade geschäftig über den Leichnam, durchsuchte seine Taschen mit dem Taschentuch als Schutz vor Fingerabdrücken.

„Hm... ach das... ja. Bei so einer klobigen Gestalt wird das Geräusch des Windes sehr schnell ganz anders.“

Dann vibrierte plötzlich etwas in seiner Seitentasche und sie fand wonach sie suchte.

„His mobile?“

„Ja, das borge ich mir mal aus.“, meinte sie schmunzelnd, ließ es weiterhin vibrierend in ihre Jackentasche gleiten.

„Aber...“

„Nichts aber... James.“ Er zuckte zurück, als sie ihn plötzlich wieder von der Seite so merkwürdig anstarrte. Was war das nur in ihrem Blick, dass er nicht deuten konnte?

Dann stand sie wortlos auf und ging los.

„Wait!“

„Was ist noch?“, antwortete sie ruhig.

„Warum das alles?“

„Das sagte ich doch.“

„Nein, ich meine... zuerst verschleppen Sie Kir, die zwar eine Agentin ist, aber auf unserer Seite, also... eigentlich eine Aktion zugunsten der Organisation, auch wenn sie sehr wahrscheinlich Teil ihrer Pläne war, was wieder entgegen ihnen läuft. Dann aber töten Sie einen Agenten, der ein Problem für uns geworden wäre... also helfen Sie uns scheinbar... und dann doch nicht, weil Sie ihn auch hätten einfach außer Gefecht setzen und wir ihn noch vernehmen können. Sie nehmen sein Handy mit, was uns als einziges noch Informationen hätte liefern können, gleichzeitig aber beschützt Yuumura Moris Tochter!

Was soll dieses ewige hin und her?“

„Nun... das...“ Mireille lächelte leicht abwesend.

„Ich wahre nur die Balance.“

Dann warf sie ihm noch seine Waffe zu, verschwand, so schnell wie spurlos zwischen den Bäumen und ließ einen verunsicherten FBI-Agenten neben der Leiche des schwarzen Agenten zurück.

'Balance?'
 

„Actually...“, begann er schließlich nach einer Weile doch wieder.

„I think... ich denke, was sie wollte, war uns schachmatt zu setzen.“

„Schachmatt?“

„Ja, und das ist ihr leider auch viel zu gut gelungen.“

Jodie stutzte kurz, aber ein Blick zu Shiratori und Mori erklärte ihr alles.

„Sie hat uns fest gesetzt. Wir stehen hier hilflos, Verdächtige in einem Kriminalfall, gebunden an die Behörden und ihre Vorgehensweisen. Erklären wir uns, geht die ganze Arbeit, mit der wir uns seit so vielen Jahren befassen, den Bach runter, alles für die Katz, nur, um kurz den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Und so sind wir gewissermaßen gestrandet hier, während sie frei rum läuft.“

„Aber... aber, das können wir doch nicht zulassen, Chef!“

„Sicher nicht. Aber im Moment fürchte ich, ist Shuichi unsere einzige verbliebene Trumpfkarte. Ansonsten noch Mr. Holmes und dann sind Bouquet und Yuumura schon alleine mit der Organisation hier.

The score... is one-nil in her favour now.“
 

„Shiratori, was machen wir hier eigentlich?“, flüsterte Kogoro mit ebensolcher Methodik, wie Jodie und James. Dieser nickte nur nachdenklich, sah ihn aber nicht an.

„Was wohl? Wir verschwenden unsere Zeit und verpassen, was eigentlich hier vor sich geht.“

„Da sind wir dann wohl einer Meinung. Das FBI hat hier irgendetwas geplant. Und es waren doch drei Agenten, die den Park betreten haben.“

„Richtig, der dritte war Japaner, wird also nicht so auffällig sein, wie die beiden hier.“

„Wenn das Handy gestohlen wurde, dann deckt dieser Black vermutlich den wahren Täter, der auch das Mobiltelefon mitgenommen hatte.“

„Nur, wofür, Mori, wofür? Dieser Fall macht doch in keiner Form Sinn.“

Der Detektiv verstummte eine Weile.

„Moment, vielleicht war es ganz anders. Vielleicht war der Mann in schwarz hier selber ein Ermittler, und hatte gegen Black was in der Hand. Er wollte es an das Fernsehen weiter leiten über Rena Mizunashi, weshalb er sie aufsuchte. Das FBI kam ihm aber zuvor, und setzte Rena außer Gefecht. Nun hatte dann Black ihn gestellt und getötet.“

Einen Moment betrachtete der Kommissar Kogoro einfach nur schweigend mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Sagen Sie, Mori... wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, Detektiv zu werden?“ Er hielt sich kurz entnervt die Stirn.

„Um die Diskussion abzukürzen, nur ein paar kurze Fragen zu ihrer... 'Theorie', ja?

Warum wollte das Opfer ausgerechnet Rena Mizunashi sprechen, und zwar offenbar so sehr, dass mit ihrem Verschwinden er keine Option mehr hatte, also sich ganz darauf verließ? Warum ausgerechnet hier im Park, wo er keine Waffe bei sich tragen konnte, das FBI aber schon? Warum hat Black ihn persönlich getötet, aber es dann nicht fertig gebracht, in vier Minuten von da zu verschwinden? Die ganze Aktion hier geht in einer Untersuchungskommission niemals als Notwehr durch. Gegebenenfalls würde er auf jeden Fall seine Position verlieren, weil er sich unfähig der angemessenen Selbstverteidigung gezeigt hat. Und was ist mit dem Verhalten von Agent Starling vorhin beim Schuss, als sie sofort mit vollem Tempo hier hin zurück rannte? Glauben Sie etwa, sie wusste von nichts, oder gar, dass sie schauspielerte und umgekehrte Psychologie nutzte, um uns von seiner Unschuld zu überzeugen, Mori?“

„Äh... also... naja... das müsste man doch wohl noch etwas genauer untersuchen, schätze ich.“

Shiratori seufzte, verfiel wieder in eigene Gedanken.

'Aber was Mori vorher bemerkte, war richtig. Wir verschwenden hier unsere Zeit, und das FBI kann ja auch nichts mehr tun, weil wir sie hier blockieren. Wenn wir nur irgendeine Möglichkeit hätten, sie zu überwachen und dennoch mit ihnen zusammen zu arbeiten, ohne dass sie deswegen gleich streiken und nichts preisgeben. Wenn wir sie jetzt verhaften, aufs Revier bringen und verhören und parallel hier im Park ein Unglück geschieht...'

Er presste hart die Zähne zusammen. Das war doch genau die Art von Desaster, die er vermeiden wollte. Dass die Polizei wieder als unfähig dastand, weil man wieder die Situation falsch bewertete.

'Nein! Nein, das lasse ich nicht zu. Es wird hier kein Unglück geben, auf gar keinen Fall!'
 

„Definitiv, ich kann die Schusswunde sehen, mitten durch den Kopf.“

„Verdammt.“, war Gins kurze Antwort, der eine längere Pause folgte.

„Und wer war es?“

„Scheinbar Black. Die Polizei, Mori, Starling und er sind da und der Beamte scheint ihn gerade zu kontrollieren.“ Korn beobachtete die merkwürdige Szenerie. Eigentlich müsste es ihm Sorgen machen. Wenn das FBI und die Polizei zusammen arbeiteten, wurde es gefährlich. Und nun mit noch einem Mann weniger im Park.

Gin's Gefühl hatte sich bestätigt. Als eine Minute nach drei immer noch kein Anruf von Scotch kam, wollte er selber durch wählen. Und im Unterschied zu Kir klingelte es diesmal sogar, nur ging niemand ran.

'Nicht noch einer!' Bei der erstbesten Gelegenheit, als sich das Problem mit Chiantis Gewehr 'erledigt' hatte, beauftragte er Korn, Scotch mit dem Fernglas zu suchen.

„Nein.“, unterbrach Gin seine eigenen und Korns Gedanken.

„Wie, nein?“

„Es war nicht Black. Scotch war unbewaffnet, und das wusste Black. Er würde sich nicht die Möglichkeit entgehen lassen, einen von unseren Leuten lebend zu fassen.“

„Aber... wer... dann?“

„Die gleiche Person, die allmählich anfängt, mir auf die Nerven zu gehen. Irgendwer reibt uns hier auf. Erst verschwindet Kir, dann der Schuss auf Chianti, jetzt Scotch. Und danach zu urteilen, müssen wir davon ausgehen, dass auch Kir nicht nochmal zurück kommt.“

„Aber eigentlich hat uns diese Person doch nun geholfen. Scotch kann nichts mehr verraten und Black ist jetzt in Polizeigewahrsam. Womöglich ebenso Starling...“ Er stockte, als er den Gedanken in seinem Kopf noch einmal durchging. Gin antwortete dennoch direkt.

„Fast so, als wäre es ein Ausgleich für unsere Verluste, was? Wer immer sich da einmischt, geht gleichermaßen gegen uns und das FBI vor. Jemand, der über alles Bescheid weiß und sich nicht wirklich darum schert, gegen wen er hier antritt.“

„Les Soldats.“

„Wohl offensichtlich. Es wird Zeit, den Plan etwas zu forcieren. Such den Jungen und die Göre. Und sobald Chianti wieder da ist, meldet ihr euch wieder.“
 

Korn legte auf, suchte – und fand – Ran und Shinto, wie sie gerade auf der Bank saßen und ihr weiteres Vorgehen diskutierten.

'Na, Shinto, bist du schlau genug, drauf zu kommen, wo du nun hin musst? Sicher bist du das. Lauf nur schön mit deiner neuen Freundin in den Wald... dann haben wir gewonnen.'

Ein weit verbreiteter Fluch

Hallo liebe Lesenden,
 

'naht ihr euch wieder', um Faust zu zitieren. *husthust*, *vomhohenRossruntersteigt*, *schieflächelt*.

Also zunächst erst einmal, wie immer, vielen, vielen Dank an die fleißigen Kommi-Schreiber, die, so schien der Tenor, positiv erfreut waren, dass James Black noch lebt. Sagen wir, dem habe ich noch eine größere Rolle zugedacht und seine Wechselwirkung mit Shiratori wird demnächst noch sehr viel bedeutsamer werden.
 

So, und nun kommen wir, im Ansatz, zurück zu Conan und Akai. Tja... *grübel*, ich bin unsicher, was die Szene angeht. Sie hat, nicht ohne Grund, Ähnlichkeit mit einer Szene aus 'Licht und Dunkelheit', ist aber etwas länger und intensiver und... vielleicht übertrieben? Ich weiß es wirklich nicht so ganz. Ich stehe zu 99% dahinter, so ein wenig auch orientiert an seinem Verhalten an einer Stelle im 6. Film – wer den Film kennt, wird vermutlich ahnen, welche, insofern spoilere ich mal nicht weiter – aber die Filme darf man ja auch immer nur mit Vorsicht genießen.

In dem Sinne, ich bin gespannt, wie ihr es seht.
 

Dann noch eine allgemeinere Bemerkung. Bei 'Licht und Dunkelheit' hatte ich am Anfang ein Zitat benutzt, hier nicht. Eigentlich gefiel mir die Idee allgemein, nur hatte ich keines gefunden, welches mich diesbezüglich ansprach. Bis ich mich vor kurzem an eines meiner Lieblingszitate erinnerte und es raussuchte. Es steht nun bereits am Anfang der FF, bzw. auch als Schnuppertext in der Übersicht. Und dieses Kapitel hier ist ganz diesem Zitat gewidmet. ^-^
 

Also, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und bis bald.

Liebe Grüße,

Diracdet
 


 

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Kapitel 13: Ein weit verbreiteter Fluch
 

„K-Kudo?“ Akai sah den Jungen eine ganze Weile nach diesem Zuruf, der ohne Antwort blieb, ebenso stumm an, analysierte das wenige an Zügen, was in seinem Auftreten zu erkennen war. Der Ernst war nichts ungewöhnliches für ihn. Auch die konzentrierte Art, mit der er sonst Probleme löste und die sich im Moment in seinen Augen widerspiegelte, war dem Agenten wohl vertraut. Ja, er war bereits ganz versunken in seiner persönlichen Interpretation der Situation, in der Frage, wie er Ran helfen konnte, und was es mit dem geheimnisvollen zweiten Jungen, mit Shinto Ajusawa, auf sich hatte.

'Der Junge...' Das war der Punkt, der die Gestalt des verjüngten Shinichi Kudo in diesem Augenblick so auffällig fesselte. Skepsis, Unbehagen, Zweifel hielten ihn in seinem Bann. Was mochte er von dieser, offenbar auch für ihn neuen, Entwicklung halten?

„Hm...“, schmunzelte Akai schließlich.

„Ja, das ist er wohl. Der... wahre Drahtzieher hinter Hideichi Kanin's Konzern. Auch wenn mich momentan fast mehr interessiert, woher du weißt, worüber Gin und Kanin gesprochen haben.“

„Ich war dabei, was sonst?“, schoss es leicht gereizt klingend von Conan als Antwort. Der Mann verzog keine Miene, musste innerlich aber kurz zurück weichen. Diese dünnhäutige Reaktion hatte er von dem Jungen, der sonst so einen kühlen Kopf bewahren konnte, einfach nicht erwartet. Er wirkte leicht angefressen, oder vielleicht nur so konzentriert, dass er selbst den Agenten, auf dessen Informationen zu Shinto, Ran und den Scharfschützen der Organisation er definitiv angewiesen war, schon als Störung empfand. Erneut musste Akai schmunzeln, verkniff es aber, das durchscheinen zu lassen.

'Wenn man dich halbwegs kennt, bist du wirklich ziemlich berechenbar, Kudo.', wobei sein Blick nachdenklich auf Ran fiel.

„Ein kleiner Junge, der eine Firma im Hintergrund leitet? Soll das ein schlechter Scherz sein?“ Conan's Züge hatten etwas mehr ungeduldiges als sarkastisches in sich.

„Vielleicht ist er ja kein kleiner Junge, Kleiner... oder sollte ich sagen... Kudo?“

„Hä... aber... w-was???“ Wie von der Mücke gestochen ließ Conan allen Ernst, alle Ruhe fahren, blickte mit glasigen Augen auf das Ebenbild seiner absurden Gestalt, das Shinto Ajusawa darstellte.

Akai zuckte nachdenklich. 'So unrealistisch, fast schon... surreal.'

„...Nein, Sie machen wohl Witze, sowas... passiert... nicht so einfach... andauernd.“, wehrte er die Andeutung nervös, und doch relativ überzeugt wirkend ab.

„Ich würd's ja selbst nicht glauben, aber mit dir hier als lebendem Beweis...“

„Nein... nein, das kann nicht sein!“ Akai zündete sich eine Zigarette an, wissend, dass er eine Weile mit dem Detektiv des Ostens zusammen bleiben und die Organisation nicht einfach ihre Tarnung fallen lassen und 'losballern' würde.

„Warum nicht? Zwei Personen haben wir doch, bei denen es klappte.“

'Oder drei?', fügte Akai in Gedanken an Vermouth hinzu.

„Ich geb zu, ich hab keine Ahnung, wie du den Trick angestellt hast, da mir die Details zu deinem Fall fehlen. Spontan hätte ich getippt, dein Freund, dieser Erfinder, hätte was damit zu tun, aber... zu glauben, dass auch Sherry so etwas zugestimmt haben soll... scheint mir abwegig.“ Conan winkte ab, was so viel wie Zustimmung zu Akais bisheriger Interpretation bedeutete, aber auch nicht dessen indirekte Frage nach dem wahren Ursprung von Shinichi Kudos Jungbrunnen beantwortete.

„Fakt ist zumindest, der Junge hat vorhin ne Nummer abgezogen, die deiner würdig wäre... und, ach ja...“

„Was?“, hakte Conan von innerer Unruhe getrieben nach, als Akai stockte und nicht wieder ansetzte. Er drehte sich zu ihm um, sah dem Agenten tief in die Augen. Dessen Grinsen, welches er eben aus Überlegenheit hatte, war verschwunden, einer Spur Mitleid gewichen. Er zögerte und Conan überkam die furchtbare Ahnung.

„Nun ja... was glaubst du wohl, warum sie hier ist?“

'Ran? Bitte nicht... nicht das!'

„I-ist sie bei ihm, weil er... wie ich ist?“

„Was sonst?“, konterte er, gespielt, in dem ebenso dünnhäutigen Ton, den der Junge vorher an den Tag gelegt hatte. Langsam, schluckend, drehte sich Conan wieder zu dem Bild der beiden Protagonisten um, die so relativ friedlich auf der Parkbank saßen und die Natur genossen. Oder zumindest so taten, um ihre Verfolger nicht zu erregen.

'Verfolger?!'

„Herr Akai! Sagen Sie, hat sich die Organisation hier schon gezeigt? Hat sie den Jungen... hat sie ihn schon ins Visier genommen?“ Dass er den Agenten nicht täuschen konnte über die eigentliche Intention seiner hastigen Frage, dass sein angespannter Blick, seine Augen, sein geöffneter Mund nichts anderes zuließen als Interpretation für jemanden, der wusste, wer er war, ließ Conan innerlich sich selbst verfluchen.

„Ja. Sie haben... sie gesehen, und auch auf sie bereits geschossen.“

„WAS?“ Conan wandte sich entgeistert wieder dem ernsten Blick des Agenten zu. Dieser verharrte nur vollkommen ruhig, ließ den Moment vergehen, den der Junge brauchen würde, es zu realisieren.

Es war passiert.
 

'Es.

Ist.

Passiert.
 

Ran, wie...' Selbst in Gedanken schienen ihm die Worte zu entgleiten, oder besser, es schwoll ein Fluss an Emotionen, Fantasien, Ängsten, in seinem Gehirn zu einem gewaltigen Strom an, der durch seinen Kopf brauste und alle geordneten Gedanken mit sich riss.

Wie oft hatte er diese Befürchtung, Ran könnte mal, wegen ihm, ins Visier der Organisation geraten? Zwischen diese erbitterten Frontlinien, die er selber zog, immer versucht, sich vor ihnen zu verstecken. Weil er um diese Leute, um ihre Fähigkeiten wusste. Er wusste sehr genau, wie gefährlich die Organisation war.

Was wusste Ran?

Dass es sie gab. Dass sie existierte, allein das war schon mehr, als er erdulden wollte, konnte, ihr zuzugestehen.

Dass er sich ihnen in den Weg stellte. Etwas noch viel schlimmeres, es bewirkte, wie auf der Ocean Goddess, dass sie versuchte, ihm zu helfen, und dabei kaum auf sich selbst achtete. Ja so war sie, so würde sie immer sein. Mit 17 mochte man noch nicht alle Lebensphilosophie abgesteckt, alle Wege beschritten und alle Höhen und Tiefen des Lebens gesehen haben, um zu jeder gegebenen Situation die passende Entscheidung zu fällen, aber Ran... Ran war aufgewachsen zwischen all diesen Untiefen. Die Streits ihrer Eltern, an denen deren Ehe zerbrach; die polizeilichen, detektivischen, und auch juristischen Aktivitäten, sowohl von Vater, als auch Mutter, die sie erleben ließen, was andere nur aus dem Fernsehen kannten und gar nicht kennen wollten; der komische Detektivfreund, den Mord und Totschlag schon kalt zu lassen schienen, und der einfach so über Monate verschwindet und nur meint, er wäre mit einem größeren Fall beschäftigt, angeblich nicht ahnend, dass sie sehr viel lieber ihn wieder bei sich sehen würde... und nun, die... halbe Wahrheit über ihn.

Und doch... Ran hatte... an dieser Art, helfen zu wollen und dabei weniger auf sich zu achten, als gut war, nie wirklich gezweifelt. Niemals.

Deswegen durfte sie nicht der Organisation auffallen, sie sollten nach Möglichkeit gar nicht wissen, dass Ran Mori existierte, das wäre ihm am liebsten. Und selbst wenn, dann niemals... niemals, dass sie bewusst aufmerksam auf sie wurden!

Und nun... waren sie es. Von... alleine, von Ran aus! Das übermannte ihn förmlich, lähmte seinen ganzen Körper.

Sie hatten bereits auf sie geschossen, sie bewusst ins Visier genommen!

Sie stand ihnen schon im Weg und sie wussten es, Himmel noch eins!!

Verkrampft dastehend wirkte es, als hätte Conan einen kurzen Blackout, er ließ nichts mehr an sich ran, bis er mit sich selbst, mit seinem inneren Strom, der ihn gefangen hielt, wie ein reißender Strom ein kleines Kind im Wasser unbarmherzig fest umklammerte, irgendwie ins reine kam. Aber das würde nicht passieren. Nicht jetzt, und vielleicht nie wieder. Denn...

'Ich... bin schuld.' Der Strom gefror schlagartig um ihn und in seinem inneren Kopf fand er sich plötzlich auf einer freien Ebene, gehüllt in Dunkelheit, wieder. Nichts war da, nichts zu sehen, nichts zu hören. Wüsste er nicht, dass er eben noch in einem Park stand und sich nicht die Welt vor ihm aufgetan hatte, er konnte glauben, er sei gefallen, durch das nichts. Es beruhigte ihn dieses Sicherheitsgefühl. Wenigstens etwas wusste er noch, die Ursache, warum ihm sein Kopf diesen Streich spielte.

Er ahnte ja nicht, dass er wenige Tage später diese Erfahrung, ohne das Wissen dazu, erneut durchleben sollte.

„Ja, du bist schuld.“, drang eine ferne Stimme zu ihm. Eine weibliche, vertraute Stimme.

„S-Sonoko?“

„Ja..., Shinichi.“ Eine weiße Silhouette durchschnitt die Dunkelheit scharf wie ein Messer und aus dieser hervor trat Ran's Freundin langsam auf ihn zu. Ihr Anblick schockierte ihn mehr, als er gedacht hatte. Es war... alles gleich?

Das gleiche Kleid, der gleiche Gang, der gleiche Ausdruck und die gleiche... Pistole wie auf der Ocean Goddess, als sie damals ebenfalls wie aus dem nichts aufgetaucht war, Vermouth verschwinden ließ und... ihn stellte, ihm dieses Ultimatum aufzwang. Seine Erinnerung konnte sie förmlich ablesen in seinen entgleisten Gesichtszügen.

„Ja... dieses Ultimatum, Ran endlich die Wahrheit zu erzählen. Die Wahrheit, denn sie weiß zu viel, um sich noch rauszuhalten und zu wenig, um verantwortlich mit dem Wissen und ihrem Wunsch zu helfen umzugehen.

Das Ultimatum, welches du längst hättest erfüllen können und erfüllen müssen, Shinichi Kudo!“ Eine Kunstpause folgte, die ihm nur noch unheimlicher erschien. Wut zeichnete sich in ihren Augen ab. Wut... und Trauer.

„Aber du hast es nicht. Du hast es nicht getan. Und damit bist du verantwortlich für alle weiteren Fehler, die Ran hätte vermeiden können, wenn sie Bescheid gewusst hätte.“

„Das... das ist nicht wahr. Wenn sie es gewusst hätte, hätte ich auch nicht verhindern können, dass sie den Jungen findet.“

„Du hättest aber verhindern können, dass sie überhaupt hier her kommt, noch dazu mit ihrem Vater. Wenn sie gewusst hätte, was sie erwartet, wäre sie nicht einfach so gekommen. Aber du warst wieder zu feige, nicht wahr, Shinichi? Du vertraust darauf, dass alles sich noch irgendwie zum guten wendet, du die Organisation zerschlägst, Conan dann nach 'Hause' geht, sich noch vorher von Ran verabschiedet und dann für immer ins Nirvana verschwindet und Shinichi danach zu seiner unwissenden Freundin zurück kehrt, um endlich ein Geständnis abzugeben. Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.“ Der Zynismus in ihrer Stimme schien um ihn herum zu wabern, das eintönige schwarz in Wellen zu verwandeln, die ihn einnebelten. Sonoko war nur eine Einbildung, die ihm sein Unterbewusstsein vorgaukelte, aber sie war so real, wie die echte Konzerntochter. Ihre Art, ihre Gefühle und Gedanken, ihre Sorge zu Ran, das war es, was ihm die wahre Sonoko Suzuki auf der Ocean Goddess vermitteln wollte. Eine berechtigte Sorge um Rans Sicherheit. Diese Sorge und sein unverantwortliches Verhalten trieben sie ja letztlich zu diesem Erpressungsversuch.

„Ist es nicht so, Shinichi?“, schrie sie ihn schließlich an, und er bemerkte Ansätze von Tränen in ihren Augen.

„Leider funktioniert Realität nicht so! Wann kapierst du endlich, dass der Punkt überschritten ist, an dem es ein Zurück zu Conan Edogawa, dem kleinen aufgeweckten Jungen, für Ran nicht mehr gibt? Dass er schon lange überschritten war. An dem Tag als sie dich im Tropical Land in Aktion erlebte, als du Wodka mit einem Schuss ausgeknockt hast. Ja, damals schon wusste sie es und seitdem rennt sie mit diesem Wissen rum und du ignorierst es. Hör endlich auf, das zu leugnen!“

Er senkte kurz seinen Kopf, versuchte eine Antwort, ihm fiel aber keine ein.

Ja, es war anders als früher, als bei Rans sonstigen Ahnungen. Diesmal wusste sie viel mehr, und sah viel mehr, was er nicht widerlegen konnte. Weil sie nicht mehr nur auf ihn blickte. Sie sah, was sie einfach niemals hätte sehen dürfen, die Organisation selbst!

„Und nun ist es passiert, Shinichi.“ Resignation drängte sich in Sonokos Worte.

„Nein... noch nicht.“, kam es mit leiser Stimme von dem Jungen, ohne dass er sie ansah.

„Doch, es ist passiert. Sie ist der Organisation in die Arme gelaufen, weil sie förmlich danach suchte.“

„Nein... es war Zufall!“

„Aber es ist zu spät, es zu verhindern!“ Seine Fäuste ballten sich, dann hob er den Kopf, blickte sie scharf an, so dass auch Sonoko kurz stockte.

„Nein, es ist noch nicht zu spät, weil es Zufall war!“

„Doch, du kannst nichts mehr tun.“

„Doch, ich kann! Und ich werde, Sonoko. Es war Zufall und das genügt, um Ran zu retten! Es war Zufall! Es war Zufall! Es war Zufall...“

Er merkte, wie ihn diese Worte von oben belasteten, auf ihn drückten, ihn im schwarzen nichts, das den Boden bedeckte, versinken ließen. Und wie Sonoko langsam ihre Waffe fallen ließ. Ihre Mundwinkel fingen an, sich nach oben zu biegen, bis er kurz vorm verschwinden ein Lächeln sah.

„Dann rette sie gefälligst auch, Shinichi!“
 

„Es war Zufall, Kudo, hörst du mich, Zufall!“ Seine Augen zuckten kurz, dann schüttelte er sich und blickte zu seiner eigenen Überraschung in die ungewöhnlich beunruhigten Augen Akais, der ganz nahe vor ihm kniend stand. Dann bemerkte er die beiden Hände auf seinen Schultern, mit denen der Agent ihn wohl schon einige Zeit fest hielt, leicht schüttelte und auf ihn einredete.

„Zu... fall?“, kam es zitternd nach einer Weile aus Conans Mund, worauf sich endlich wieder etwas Spannung in Akais Zügen löste.

„Na endlich. Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf aus deiner Trance.“

„Was... ist ein Zufall?“

„Das Mädchen. Ran Mori. Dass sie hier ist, ist ein Zufall, genauso wie die Tatsache, dass sie Shinto Ajusawa begegnete. Das weiß auch die Organisation und von dir weiß sie eigentlich noch gar nichts. Das heißt, für sie ist Mori nur ein zufälliges Hindernis in ihrem eigentlichen Plan.“

„Das bedeutet...“, begann Conans Gehirn ganz vorsichtig, die Puzzleteile aus seiner Fantasie wieder zusammen zu sammeln,

„... solange sie nicht wirklich jemanden aus der Organisation identifizieren kann...“

„... und bei den Entfernungen sieht sie allerhöchstens Umrisse von den Schützen...“

„... besteht die Chance, dass sie, wenn Ran sie nicht zu sehr behindert, sie sie auch letztlich in Ruhe lassen, um nicht unnötig viel Aufmerksamkeit zu erregen.“

„Übernimm dich nicht, Kleiner. Sie haben keinerlei Probleme damit, sie zu erschießen, wenn sie lästig werden sollte.“

„Stimmt, aber es gibt immerhin eine Chance, und ich bin nicht gewillt, diese verstreichen zu lassen.“ Der Agent lächelte bitter. Wie ihm das doch alles bekannt vorkam, mit einem Unterschied. Er konnte Akemi damals in keiner Weise helfen, weil er nicht in Japan war, als sie getötet wurde. Aber er hätte wohl nicht so viel anders reagiert, als der Junge vor ihm. Nun ja, etwas weniger agitiert vielleicht, er war ja nicht mehr 17. In der Jugend wirkt die Liebe halt noch viel intensiver und betäubender auf den Geist.

„Akai?“

„Hm?“

„Was ist denn nun alles zwischen Ran und diesem Shinto Ajusawa geschehen, damit ich auch mal im Bilde bin?“
 

Als die angeforderten Kollegen von der Polizei endlich gegen halb vier eintrafen, um den Leichnam des schwarz gekleideten Mannes zur Obduktion abzutransportieren, überließ Shiratori ihnen das Feld, erteilte kurze Anweisungen und begab sich dann mit den Verdächtigen und Mori langsam Richtung Eingang. Er übernehme persönlich die Verantwortung in diesem Fall und andere Besucher würden sonst nur unnötig aufmerksam und besorgt, war die Begründung, mit der er die dringend tatverdächtigen FBI Agenten ohne Handschellen herum laufen ließ.
 

Und so schritten nun Kogoro und Jodie sowie ein paar Meter dahinter Shiratori und James Black schweigend jeweils nebeneinander den Weg entlang. Wäre es nicht auf so belastende Weise gewesen, wie diese Begegnung stattfand, man hätte meinen können, sie machten einen entspannten Spaziergang, begleitetet von einem anregenden Gespräch über internationale Methoden der Verbrechensbekämpfung.

Jodie blickte stur geradeaus, vermied tunlichst Augenkontakt mit dem Vater ihrer Schülerin. Sie ahnte nur, wie nervös ihr steifer Blick, ihre nachdenkliche Aura auf den Detektiv wirken musste. Er galt in Japan als Korifäe, auch wenn sie mittlerweile die Wahrheit hinter diesen Legenden erahnte. Erahnen war das falsche Wort, mit der Identität Conans im Hinterkopf war es eher ein zwei und zwei zusammen zählen geworden. Nur wie viel er dennoch verstehen könnte, zu schlussfolgern von alleine imstande war, das konnte sie nicht abschätzen. Und so erwischte sie sich immer wieder dabei, wie ihre Augen im Winkel Kogoros Gesicht suchten, um dann wieder schlagartig in ihre Ausgangsposition zurück zu springen. Aber es nützte nichts, sie spürte seinen Blick auf ihrer Haut und wie er ihre Anspannung wahrnahm.

'Sie ist nervös. Nur... ist das jetzt, weil sie erwischt wurden bei ihrer... Tat? Was auch immer es sein oder werden sollte. Oder weil sie aufgehalten wurden und damit wir womöglich den Weg ebnen für etwas... größeres, das noch passieren wird? Verdammt noch mal, das muss doch aus den beiden rauszukriegen sein.'

„What is it... Mr. Mori?“, durchbrach sie schließlich die Stille.

„Hm... Sie kennen meinen Namen, Agent Starling?“

„Oh... well, nun der Polizist hat ihn mehrfach genannt.“, winkte sie ab und warnte sich selbst noch mal eindringlich davor, durchscheinen zu lassen, dass oder woher sie ihn kannte.

„Ach so. Ja... ich dachte schon mein Ruf hätte bereits Ozeane überquert und wäre bis in die Staaten vorgedrungen.“

„Äh... Ruf?“ Immerhin konnte sie mit seiner Selbstüberschätzung die Idee zerstreuen, von ihm etwas zu wissen.

„Vergessen Sie's, ist nicht wichtig.“ Nun wurde sie hellhörig. War Kogoro Mori nicht bekannt dafür, mit seinem Namen zu prahlen? Wenn er nun vergaß, sich vorzustellen, bedeutete das, er ließ sie, seiner Meinung nach, im Unwissen über seine Identität. Wollte, dass sie ihn nicht als Detektiv ansah.

'He doesn't trust me... yet.'

„Nun... Mr. Mori, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Warum gucken Sie mich so schief von der Seite an, und das schon die ganze Zeit?“

„Oh... äh... also, naja, in Japan bekommt man nicht täglich FBI Agenten zu sehen, Sie verstehen.“

„Yes, this is rare, I guess. Aber wir sind auch nur normale Menschen. Und Amerikaner laufen doch viele hier in Japan rum.“

„Oh, das stimmt, denen begegnet man häufiger. Die Englisch-Lehrerin meiner Tochter ist Amerikanerin, etwa auch ihr Alter und blond, wie ich gehört habe.“ Jodie biss sich auf die Zunge, wandte kurz den Blick ab. Das durfte doch nicht wahr sein, dass er ausgerechnet darauf zu sprechen kam. Wusste er, wer sie war? Dann machte es doch keinen Sinn, um den heißen Brei rum zu reden. Und sie zum Plaudern bringen würde er damit erst recht nicht, eher noch, dass sie sich verschloss. Also wusste er es nicht. Toll. Dann sollte sie aber definitiv das Thema abwürgen, bevor es zu spät war.

„Like I said, es gibt schon viele Amerikaner hier. Ich bin also keineswegs irgendwie besonders.“

„Doch!“, konterte er ohne zu zögern, ernst, direkt und scharf.

„Sie sind hier... obwohl Sie es nicht sein sollten. Als Privatpersonen, ja, da können Sie hier überall ungehindert herum laufen und sich alle Freiheiten eines jeden Touristen gönnen..., aber als Agenten... sind Ihre Freiheiten limitiert. Hier ist nun mal nicht Ihr Dienstbereich.“

„Who said, I am at work here?“

„Niemand. Und das ist das Problem. Etwas ist geschehen, was nach Ihrer Arbeit aussieht und niemand scheint zu verstehen, was und warum es geschehen ist. Und zumindest ich weiß nicht, ob noch etwas geschehen wird. Aber Sie vielleicht.“ Jodie schmunzelte melancholisch.

„Ich sollte das wissen?“

Kogoro starrte sie direkt an, zog auch ihren Blick auf sich.

„Ich sagte doch, ich habe eine Tochter. Und eigentlich wollte ich mit ihr nur einen schönen Tag in diesem Park verbringen, sie eigentlich von einigen unschönen Erlebnissen von vor kurzem ablenken. Stattdessen muss ich mich mit Mord und Entführung und sogar dem FBI rumschlagen.“

„Sie haben Angst, Angst um Ihre Tochter?“

„Welcher Vater hätte das nicht?“

„Then... why aren't you with your daughter... now?“

„Bis vor kurzem dachte ich, sie wäre hier in Sicherheit. Unsinn! Eigentlich dachte ich gar nicht über irgendwelche möglichen Gefahren nach, das entzieht sich meinen Annahmen, wenn ich einen öffentlichen Park besuche. Dann dachte ich, hier, bei den Agenten des FBI, beim Mordopfer, dort wäre das Zentrum des Sturms und meine Ran in Sicherheit.“

„And now? Was hat Ihre Meinung geändert?“

„Ihr Schweigen. Ihres und Ihres Chefs Ruhe, die eher Unruhe symbolisiert. Nervosität. Wenn das, was geschehen ist, alles war, war es plump, und ein klarer Fehlschlag. Sie könnten die Konsequenzen jetzt bereuen und alles, aber... irgendwie wirken Sie anders nervös.

So als würde uns der wahre Sturm noch bevor stehen. Als wären wir, die Polizei und ich, hier eigentlich die bösen, die Ihren Versuch, etwas schlimmeres zu verhindern, torpedieren und es damit den eigentlichen Verbrechern erst ermöglichen.“

„Dann würde ich nochmal fragen, warum Sie nicht bei Ihrer Tochter sind, um sie vor so einer Gefahr zu schützen.“

„Weil ich glaube, dass ich im Moment hier immer noch mehr für ihre Sicherheit tun kann, als bei ihr. Weil ich glaube, dass Sie wissen, ob und wenn ja, was uns noch bevor steht. Ich sehe nur die Fakten vor uns. Die Polizei hat so gehandelt, wie dieses... dieses Halbwissen es ihnen vorschreibt. Aber meine Intuition sagt mir etwas anderes.“

Sie blieb wie angewurzelt stehen. Dieses Wort. Halbwissen! Schon wieder dieser Gedanke über ihre eigene Unfähigkeit. Sie schluckte, ihr Kopf sank etwas zu Boden, wo sie langsam anfing erneut zu schmunzeln, selbstironisch diesmal, mit den Zähnen fest in ihrer Unterlippe verbissen. Kogoro wandte sich verwundert zu ihr. Die schwachen Geräusche konnte er gar nicht recht deuten. Schmunzelte sie oder fing sie gleich an zu heulen?

„Agent Starling, was ist...“

„Smattering... is a curse.“ Leise und doch giftig aggressiv war die Antwort, tief aus ihrem Inneren kommend, die Erkenntnis, die aus ihrer jüngsten Erfahrung heraus geboren wurde und wegen derer ihr Hals wie zugeschnürt wirkte.

„Was...?“ Sie hob langsam den Kopf, richtete ihn nach oben, ohne dabei die Augen zu öffnen.

„Halbwissen, Mr. Mori... es ist ein Fluch. Ein grauenhafter Fluch.“

„Wie... meinen Sie das?“

Sie lächelte resigniert.

„Wissen kann einem helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, korrekt zu urteilen über eine Situation, Objektivität zu bewahren. Unwissenheit mag nicht immer die Tugend sein, als die sie verkauft wird, kann einen aber oft genug vor der Gefahr schützen, sich etwas zu stellen, wofür man noch nicht bereit ist... Man lässt sich leicht beeinflussen, ja, aber auch von Leuten, die einem wohl gesonnen sind und helfen wollen. Es kann ab und an ein Segen sein.

Aber Halbwissen... Halbwissen ist die dumme Überzeugung, einer Situation Herr zu sein, die einem längst über den Kopf gewachsen ist. Halbwissen gaukelt einem vor, man verstünde, was Sache ist und handele entsprechend, liegt in Wirklichkeit aber fast immer falsch. Mehr noch, Halbwissen motiviert zum Handeln, ähnlich wie Wissen, nur ohne die Versicherung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Wissen und Unwissen können gefährlich sein. Halbwissen... ist tödlich!“ Bei diesem letzten Satz öffnete sie wieder die Augen und starrte ihn direkt an. Da war ein deutliches, kämpferisches Feuer in ihrem Blick, als wäre diese Rede eben für sie selbst bestimmt, ein Mutmacher, Ansporner, der sie neu belebte und ihre eben noch deutliche Lethargie und Nervosität weg zu wischen schien. Und dann... war dahinter noch Melancholie. Eine Trauer, eine Verzweiflung, die sich in leicht glasigen, leicht zittrigen Augen widerspiegelte. Für Kogoro zerstörte sie das überzeugte Spiel, welches Jodie aufzog und ließ nur einen Gedanken übrig.

„Von wem haben Sie denn sowas gehört?“ Nicht, dass er die Aussage total ablehnte, ganz unsinnig klang es nicht, aber so theatralisch formuliert passte es überhaupt nicht zu der Gestalt, die die Agentin bisher abgab. Sie wirkte viel mehr wie eine junge Frau, die im Leben stand und nicht so geschwollen daher redete. So als hätte ihr jemand da einen Floh ins Ohr gesetzt, dass sie diese Gedanken nun so ausdrückte.

Jodie legte den Kopf leicht schief.

„Mhm... you are good. Es war so eine... Erkenntnis, die mir ein junger Mann vor kurzem beibrachte, über meine eigene... Herangehensweise an gewisse Probleme.“ Sie überlegte kurz und fügte dann hinzu.

„Ein Japaner...“

„Ach... jemand, den ich kenne?“ Eine merkwürdige Vermutung machte sich in ihm breit. 'Nicht doch...'

„Ja... obwohl Sie... ihm wohl nicht so gut gesonnen sind.“

'Nein.'

„Shnichi Kudo.“

„Dieser Möchtegern-Detektiv?!“ Kogoro versuchte sich zu beruhigen, sich über ihn und sein überkandideltes Auftreten aufregen konnte er später. Im Moment hatte etwas anderes Vorrang.

„Yes. That one. Presumably... nach allem, was Sie hier veranstalten und dennoch sich von der Polizei gesondert bezeichnen... nehme ich an, Sie sind so was wie Kollegen. Sie sind auch ein Detektiv, nicht wahr?“

Ironie, musste sich Jodie innerlich gestehen. Er hatte sie fast geknackt gehabt und nun drehte sie das Blatt ausgerechnet über Shinichi Kudo wieder zu ihren Gunsten und übernahm selbst die Federführung. Zumindest dachte sie das.

„Tse...“ Kogoro wandte sich unversehens ab, legte seinem Ton eine beleidigte Note bei.

„Kollegen ist vielleicht übertrieben. Für ihn ist das schließlich mehr Hobby, für mich mein täglich Brot.“

„Und außerdem...“, fügte er nach einer Kunstpause hinzu,

„... wenn er glaubt, ich hätte ein Problem mit ihm, weil er ebenfalls Detektiv ist... dann ist er der Halbwissende hier.“

Jodie sah ihn verwundert von der Seite an, aber nun war er es, der stur nach vorne blickte, versuchte, seine Emotionen im Zaum zu halten.

'Mhm... could it be that... I see.'

„Also...?“, hakte Kogoro schließlich nach, als sie nicht weiter antwortete.

„Was also?“

„Was ist mit dem 'Halbwissen' in diesem Fall? Was geht hier vor sich, Agent Starling?“
 

„Was gibt es, Mireille?“

„Das FBI, ausgenommen Akai, und die Polizei, sollten uns von nun an keine Schwierigkeiten mehr bereiten.“

„Haben sie uns denn welche bereitet?“, konterte Kirika ruhig, was Mireille kurz schmunzeln ließ.

„Stimmt, eigentlich nicht. Aber dennoch, besser gleich die potentielle Gefahr im Keim ersticken. Man weiß nie und bedenkt man, was nachher noch wartet, kann ich auf ungebetene Besucher verzichten. Leider musste ich dafür Scotch aus dem Weg räumen.“ Ein leichtes Raunen war von Kirikas Seite zu vernehmen.

„Es ließ sich nicht verhindern?“

„Black weiß, wer wir sind, und hat es doch tatsächlich gegenüber ihm ausgeplaudert.“

„Wie, nur Black und Scotch waren dort?“

„Lange Geschichte, ist nicht so wichtig. Conan ist nun auf dem Weg zu euch, Black, Starling und Mori hingegen sind aus dem Spiel.

Mhm... und ich habe ein kleines Souvenir ergattert.“

„Was für ein Souvenir?“

„Ach, nur ein Kleinod, das uns noch von Nützen sein könnte.

Und bei dir? Ich sehe Chianti gar nicht mehr auf ihrer Position.“

„Die muss sich ein neues Gewehr besorgen. Ihr altes hat... eins auf den Deckel bekommen.“, gab Kirika kleinlaut mit etwas beigewürzter Ironie zur Antwort.

Die Korsin prustete sich vor lachen.

„Was? Hast du etwa... haha, du kleiner Frechdachs, du! Aber hast du dich...“

„Ich habe sie mich vorher einmal sehen lassen. Damit sie ein Gesicht zu der Tat hat.“

„Gut. Sonst wäre sie doch niemals so verrückt, zu glauben, dass jemand ernsthaft so schießen kann. Jetzt bleibt die Frage trotzdem, ob sie wirklich nochmal zurück kommt, sonst wird Gin bestimmt auf einen drastischeren Plan ausweichen. Und das hieße, dass wir selbst auch radikaler eingreifen müssten.“

„Keine Sorge, ich habe Chianti beobachtet, als sie unten das Gewehr aufhob und die Patrone suchte.“

„Hm?“

„Sie war so versessen darauf zu beweisen, dass es kein Schuss aus dem Park war, und entsprechend so geschockt, als sie die Kugel fand... da hat sie mich gar nicht bemerkt, obwohl ich kaum 30 Meter von ihr entfernt stand. Jedenfalls... ihr Wille ist wohl ein Stück weit gebrochen, aber sie wirkte mehr wie eine leere Hülle, als grundsätzlich in ihren Handlungen für die Organisation verunsichert. Sie wird vermutlich einfach weiter machen und lediglich meinen Blick im Hinterkopf haben.“ Mireille sinnierte einen Augenblick über diesen Gedanken.

„Bis... zum Ende. Das Leben kann manchmal die größere Folter sein, als der schnelle Tod, was?“

„Das weißt du doch am besten, Mireille. Wie das Leben durch die Anwesenheit des Todes mehr verliert als durch den Sensenmann selbst.“

„Bitte... erinnere mich nicht daran...“ Ihre linke Hand glitt zur Uhr in ihrer Tasche.

„Du hältst sie gerade fest, nicht wahr?“

„... Ja.
 

Liebe kann einen Menschen töten...

aber Hass kann niemals Menschen retten!
 

„Deine Mutter.“

Keine Antwort. Statt dessen vernahm Kirika nach einer kurzen Pause im Hintergrund die Melodie der Taschenuhr.

'Du denkst dabei an Ran, nicht wahr? Wie sie...'

„Wie geht es Ran und Shinto?“, unterbrach Mireille Kirikas Gedanken.

„So weit wohl gut. Keine Ahnung, wie er das vorzeitige Ende der Schüsse aufgenommen hat. Ich bin noch auf dem Weg zurück. Akai war bei ihnen, also mache ich mir noch keine so großen Sorgen.

Was ist mit Kudo?“

„Er ist, wie gesagt, auf dem Weg zu ihnen. Ich habe ihm, was Ran angeht, ein wenig die Leviten gelesen. Aber ich fürchte, wenn bereits auf Ran geschossen wurde...“

„Mhm... dann darf er sich da auch nicht so einfach blicken lassen. Ran und Shinto wissen, dass sie beobachtet werden, das heißt, sie werden auch nicht einfach versuchen, wegzulaufen. Und er wäre sonst, wenn er sein Gesicht zeigte, ebenfalls in der Schusslinie und würde sie beide nur noch mehr gefährden.“

„Tja... so läuft das, wenn man einen gut gemeinten Rat nicht befolgt.“ Der Versuch, es witzig klingen zu lassen, erstickte in der Erkenntnis, dass Mireille die Situation auf den Magen schlug.

„Es muss doch eine Möglichkeit geben, sie da rauszuholen, ohne gleich ein Blutbad anzurichten.“

„Nun, es wäre kein großes Blutbad, aber wir könnten Korn und Chianti gleichzeitig eliminieren. Dann wären sie in Sicherheit.“

„Genau das wollte ich vermeiden. Sowohl Gins, als auch Conans Reaktion sind in dem Fall zu unkalkulierbar... oder zu klar. Außerdem... wir wollten doch keine Fäden zerschneiden, so lange wir ihn noch brauchen.“

„Sicher, aber... wir haben, je länger wir zögern, umso weniger Optionen, die bleiben.“

„Auch richtig. Es ist schon bald halb vier. Wir müssen uns wohl entscheiden... ob wir auf Shinichi Kudo vertrauen... oder unsere Trumpfkarte noch ausspielen.“

Entscheidungen

Hallo liebe Lesenden,
 

es freut mich, dass ihr euch wieder hier her verirrt habt. ;]

Zunächst natürlich ein herzliches Danke schön für alle Kommis zum letzten Kapitel. Ich bin nicht ganz sicher, aber so recht hatte keiner was gesagt wegen Conans... Ausschweifungen bezüglich Ran. Heißt das jetzt, es war vielleicht doch übertrieben, oder nur die anderen 'Ereignisse' so viel interessanter?

Ansonsten muss ich gestehen, die vielen parallelen Fäden werden sich noch ein wenig weiter spinnen und noch ein paar Kapitel andauern – auch zur Verwirrung von euch. Aber, so viel kann ich sagen, ganz allmählich bewegen sich alle handelnden Figuren auf ihre Bestimmungsorte zu. Sie wissen es nur noch nicht. *ggg*
 

Womit wir eine direkte Überleitung zum aktuellen Kapitel hätten. Ganz dem Titel entsprechend werden hier ein paar entscheidende Weichen gestellt für die weitere Handlung.

Und nach Conans Eingebungen muss ich nun beim nächsten Charakter wohl weit ausholen: Kommissar Shiratori, dem hier eine sehr bedeutsame Rolle zuteil werden wird. Tja, ohne zu spoilern kann ich nicht viel sagen, nur so viel: diese... Ergänzung in seiner Geschichte scheint mir für jemanden wie ihn, so wie Gosho es in den Fällen, die ihn zeigen und etwas zu seinem Hintergrund erzählen, andeutet, realistisch. Aber das lasse ich euch mal selbst nochmal beurteilen.
 

In diesem Sinne wünsche ich euch wie immer viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet
 

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Kapitel 14: Entscheidungen
 

Conan starrte nachdenklich Löcher in die Luft, während Shuichi Akai ihm kurz die Ereignisse schilderte, die er miterlebt hatte und diejenigen, von denen ihm sein Vorgesetzter zuvor berichtet hatte. Kurzzeitig löste sich die Starre, als er andeutete, was Kirika Yuumura um 15:00 Uhr wohl offenbar gelungen sein sollte, aber nach einer Phase des erstaunten Grübelns von vielleicht zehn Sekunden nickte er abwesend und verfiel zurück in diese scheinbare Lethargie, die seine Konzentration darstellte. Ein Verhalten, welches auch dem Agenten leichtes Stirnrunzeln bereitete.

'Hm... sag bloß, du weißt, dass die beiden Noir sind, Kudo? Nun... das würde zumindest einiges erklären.'

Schließlich kam er bei dem Punkt an, an dem sich Ran und Shinto auf die Bank saßen, auf der sie sich immer noch befanden und offenbar die Minuten zum nächsten Feuerwerk zählten.

„Also hat der Junge... wirklich eine ziemliche Show abgezogen an dem Kunststand vorhin, was?“, begann Conan seine Antwort, nachdem er alles verdaut hatte. Akai schmunzelte.

„Genau... vermutlich denkst du das selbe wie ich.“, worauf auch Conan schmunzelte.

„Glauben Sie, Ihr Chef hätte sich täuschen lassen?“

„Nein, das wohl nicht, es war schon echt und dem Zufall dieser fehlerhaften Vase geschuldet, dass die Moris ausgerechnet Zeugen wurden, aber...“

„Mhm. Es war dennoch Show. Der Junge wollte diese Aufmerksamkeit.“

„Was die Frage nahelegt, warum? Und die naheliegende Antwort darauf dürfte auch klar sein.“ Conan nickte.

„Was wiederum bedeutet, dass tatsächlich Kanins Auftritt gegenüber Gin – ebenfalls – nur Show war.“ Eine dunkle Ahnung schwang in den Stimmen beider mit.

„Die Organisation läuft also in eine Falle?“, sprach es der kleine Junge endlich aus.

„Merkwürdig, oder? Ich meine, dass Gin für so einen Fall keine Vorsichtsmaß...“ Beiden stockte kurzzeitig der Atem, als es ihnen wie Schuppen von den Augen fiel.

„Kir!“, rief Akai erstaunt aus.

„Natürlich. Dass sie extra mehrfach mit Gin zusammen von ihrer Wohnung zu einem Treffen gefahren ist, kann doch nur bedeuten, dass sie tiefer eingespannt war in die Pläne.“ Ein tiefes Raunen ging durch Conans Stimme. Die Konsequenzen dieser Idee waren weitreichend.

„Miss Jodie meinte, dass die Organisation vermutlich über Kirs Fähigkeiten Bescheid weiß. Das heißt... wenn unsere Schlussfolgerungen so weit richtig sind... und wir noch berücksichtigen, dass Mireille Bouquet sie geschnappt hat...“

„Dann hieße das, diese Frau hat die womöglich einzige Schwachstelle in Kanins Plan aufgedeckt und ausgemerzt. Er konnte nicht wissen, dass die Organisation eine solche Person in ihren Reihen hat.“

„Ja... aber...“ Der Blick des Jungen wurde bitter, als er sich wieder zu den beiden Zielpersonen umdrehte.

„Umgekehrt bedeutet es auch, dass... unfreiwillig... Ran, zumindest teilweise, diese Rolle übernommen hat.“

„Mhm... sie ist diesem Ajusawa in eine Falle gelaufen, die er für Kir bereitet hatte. Allerdings... ist sie keine NOC-Agentin.“

„Stimmt. Und das dürfte er mittlerweile auch wissen. Die Frage ist nur... ob das für ihre Chancen eher gut, oder eher schlecht ist?“

„An sich wohl gut, weil der Junge es dann verhindern könnte, nur...“ Nun blickte Akai zur Seite, suchte die beiden Positionen der Scharfschützen der Organisation.

„... nach der Aktion von dieser Yuumura vorhin... wird Gin ganz sicher nicht einfach so weiter machen, wie bisher... sondern forcieren.“

„Sie meinen... wenn die beiden den Wald aufsuchen... könnten Korn und Chianti anfangen scharf zu schießen?“ Ja, davon war auszugehen. Was nun wieder eine Wendung zugunsten der Organisation bedeutete. Er wurde aus Noir einfach nicht schlau. Fühlten sich diese Frauen so überlegen, dass sie mit ihnen nur spielten, um zu sehen, wer am Ende noch stand? Machten sie sich lustig über die gegenseitigen Anstrengungen der Protagonisten auf allen Seiten, dass sie immer wieder das Pendel in eine andere Richtung ausschlagen ließen. Wozu denn? Wenn sie wirklich über den Dingen standen, warum mischten sie sich dann überhaupt ein? Brauchten sie etwas Spannung, einen kleinen Nervenkitzel? Selbst dann könnten sie sich zurücklehnen und mit einer Tüte Popcorn das 'Spektakel' genießen.

'Nein, das ist absurd. Mireille Bouquet wirkt überhaupt nicht so, als mache sie so etwas aus Lust heraus. Und das passt auch nicht zu ihrer Biographie, so wie es Jodie mir damals erzählte. Die Tochter eines Mafiachefs. Des Mafiachefs, genauer gesagt, von Korsika. Und sie musste ihre Eltern sterben sehen in jungen Jahren, verschwand danach im Strudel der Ereignisse, nur um acht Jahre später wieder als Profikiller aufzutauchen. Das heißt, so hat sie vermutlich überlebt die Jahre und parallel sich eine Möglichkeit für ihre Rache aufgebaut. Rache an dem Mörder. Sie wollte ihn töten, irgendwann, ganz sicher.

Aber dann... dann war es wieder ruhig um sie geworden, die letzten Jahre hatte man doch nicht sehr viel von derartigen Angriffen gehört. Nein, es ist ganz sicher, diese Frau tötet niemals aus Vergnügen und erfreut sich auch nicht an dem Leiden anderer durch den Tod. Im höchsten Fall dürfte sie so abgestumpft sein, dass es ihr egal geworden ist, wenn sie eine Leiche sieht...

Aber sie macht es nicht zum Vergnügen. Was also... ist der Zweck dieses Unterfangens?'

Und warum verflixt noch eins wollte sie ihn unbedingt dabei haben, warum ihn treffen?

Er nickte unwillkürlich seinen eigenen Gedanken zustimmend. Akai interpretierte dies als Bestätigung seiner Schlussfolgerungen und setzte erneut an.

„Es ist mehr als wahrscheinlich, dass sie ihre Pläne beschleunigen. Das Problem ist, der Junge ist offenbar ihr primäres Ziel. Das bedeutet, wenn wir uns zeigen, wird sie das kaum ablenken. Sie werden weiter auf ihn zielen und wir hätten nur erreicht, unser eigenes Leben zu gefährden.

... vermutlich seins und das des Mädchens nebenbei noch mehr in Gefahr gebracht, wenn die Schützen sich dadurch zum Handeln gezwungen sähen.“

„Hm... ich weiß... und... könnten Sie nicht die Agenten um vier von hier unten ausschalten? Ich meine...“

„Sie von hier mit meiner Waffe treffen? Sorry, Kleiner, die Entfernung ist für einen Direktschuss einfach zu groß. Ich müsste dafür näher ran an eine Parkseite. Dann könnte ich einen von beiden vielleicht ausschalten, hätte aber mindestens zehn Minuten Laufzeit zum anderen Ende, der Park ist nun mal groß; keine Chance den anderen zu erwischen. Das ist zu riskant.“ Er schüttelte bedauernd aber sachlich den Kopf.

„Stimmt... und es ist gesichert, dass die beiden in den Wald gehen werden?“

„Ja. Die Zeichen sind eindeutig und ich denke, der ursprüngliche Plan Gins sah das auch so vor.

Im Wald gäbe es keine Zeugen, die sie behinderten und sie könnten die beiden beliebig hindurch jagen, vermutlich Richtung Ausgang.

Deswegen trafen sich die Mitglieder der Organisation doch tief im Wald, wo man Schüsse vom Üben nicht hörte.“

„Vom... Üben?“ Conan stutzte verständnislos.

„Na, ich schätze mal, deswegen haben sie sich extra so weit ab von der Zivilisation versammelt.“

„Nein, das ist mir klar... aber warum mussten die beiden üben? Das sind doch Profis, oder nicht?“

„Wegen der Bäume. An mehreren Bäumen vorbei gezielt zu treffen ist schon einiges schwieriger als auf die gleiche Entfernung auf freiem Feld sicher zu zielen.“

„Achso...“ Einmal mehr versank der kleine Junge in tiefes Schweigen, während sich langsam aber sicher ein Lächeln auf seinem Gesicht abzeichnete.

„Nun... in dem Fall, Herr Akai, sollten wir die Organisation vielleicht zwingen, bei ihrem alten Plan zu bleiben und sie nicht gezielt zu töten.“

„Hm? Und wie stellst du dir das vor, Kleiner? Ohne ihre Aufmerksamkeit zu erregen, wohl gemerkt?“

„Sagen Sie, Akai,...“ und bei dieser Frage formten seine Lippen so ein diabolisch überzeugtes Lächeln, dass einem an Stelle seiner Gegner Angst werden konnte.

„Wie gut sind Sie eigentlich im Fußball?“
 

„Puuh.“ Chianti setzte sich langsam neben das Fenster, legte den Koffer mit dem Ersatzgewehr vor sich ab und schnaufte durch. Irgendwie kam sie sich unheimlich erschöpft vor, obwohl sie eigentlich nur ein wenig gegangen war. Sie war kein bisschen verschwitzt und fühlte sich eigentlich den Tag über sehr gut ausgeruht. Aber diese psychische Folter, die das... das 'Todesmädchen', wie sie es in Gedanken mittlerweile getauft hatte, an ihr vollzogen hatte, schien auch an ihren physischen Reserven zu zehren. Sonst konnte ihr ein Einsatztag, bei dem sie quasi gesichert zum tödlichen Schuss kommen sollte, gar nicht lange genug gehen, konnte sie den Moment gar nicht lange genug auskosten. Heute... heute wünschte sie, es wäre endlich vorbei und sie bei sich zu Hause im Bett.

Sie fuhr sich mit einer Hand über die Stirn, dann über das tätowierte Auge. Erneut tauchte ihr Blick vor ihrem inneren Auge auf. Der Moment als sie die Worte 'Heute wirst du sterben' vor sich sah. Oder zu sehen glaubte.

'Kein Wunder, dass ich den Tag nicht schnell genug hinter mich bringen kann... bei den Aussichten...'

Noch einen Moment beruhigte sie ihre Gedanken – sofern ihr das möglich erschien – dann griff sie endlich zu ihrem Mobiltelefon. Das Display zeigte bereits 15:40 Uhr an. Es hatte doch alles länger gedauert als gedacht. Nun gut, es lag immer noch genug Zeit vor ihr, um sich wieder auf den Plan zu konzentrieren.

'Außer... sie taucht wieder auf.' Dann suchte sie Korn's Nummer heraus und wählte durch.

„Ich bin wieder da.“, gab sie gespielt kühl, mit einem Unterton von Gereiztheit, an. Ihr Partner ahnte die trügerische Ruhe. Sie war aufgewühlt, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Gut war das für den weiteren Verlauf bestimmt nicht.

„Warte, ich stelle Gin mit durch. Er wollte wohl etwas am Plan ändern.“

„Von mir aus. Aber was ist mit der Zielperson? Und mit dieser Mori? Und dem FBI?“

„Immer mit der Ruhe, Chianti.“, würgte er ab.

„Schon gut, ich bin ruhig. Also?“ Sie war es nicht, aber ruhiger würde er sie eh nicht kriegen, außer mit Schlafmitteln, also wartete er noch die paar Sekunden, bis Gin in der Leitung war und fasste kurz die aktuelle Situation zusammen.

„Der Junge und das Mori-Mädchen befinden sich im Prinzip genau da, wo wir sie haben wollten. Auf einer Parkbank kurz vor dem dichten Waldstück. Wie erwartet scheint er sich dazu entschlossen zu haben, den Weg durch den Wald zu nehmen. Sie wird ihm entsprechend folgen.“

„Es wird also Zeit, dass du die Ergebnisse deines Trainings unter Beweis stellst, Chianti.“, kommentierte Gin ohne jegliche Betonung und in einer Stimmlage, die ihr gruselig vorkam.

„Akai habe ich seit einiger Zeit nicht mehr gesehen, aber er ist vermutlich ganz in der Nähe und versteckt sich vor uns.“

„Das heißt, er könnte uns in die Quere kommen?“, hakte sie neugierig nach.

„Das wird er nicht riskieren. Von da unten im Park kann er nicht uns beide ausschalten, und mit zwei Zielscheiben wäre es viel zu gefährlich zum Eingreifen.Allerdings, wenn wir unseren Plan... radikalisieren wollen...“

„Nicht auf diese Weise.“, unterbrach ihn Gin scharf, worauf beide kurz schluckten.

„Mach weiter!“

„Tja... Scotch ist tot.“

„Wie bitte?!“ Die monotone Art, in der er es sagte, war selbst für Korn zu gefühllos.

„Er wurde im Park erschossen, offiziell von James Black, der nun, zusammen mit Starling von der Polizei verhaftet und abgeführt wird.“ Sie kippte fast nach hinten, musste sich mit der Hand am Boden abstützen. Noch ein Agent weg? Seit wann wurden sie so offen und vielfach angegriffen, wie in letzter Zeit?

'Wodka war gefangen genommen wurden und musste eliminiert werden, OK. Aber dann Caipirinha, dann zog sich Vermouth plötzlich zurück, nachdem sie Brefford begegnet war, jetzt verschwindet zuerst Kir spurlos, dann werde ich von diesem Mädchen attackiert und nun auch noch Scotch?'

„Was... was geht hier vor sich?“

„Soldats, Chianti. Sie wissen über unsere, Kanins und des FBIs Pläne Bescheid und spielen uns gegeneinander aus.“

„Ach ja, und wieso sterben dann nur wir, während das FBI lediglich verhaftet wird?!“, schrie sie wutentbrannt in den Hörer.

„Ich sagte, beruhig' dich! Im Moment können wir nicht viel machen. Vermutlich ist auch Kir bereits tot.“

„Kir auch...?“

„Wir müssen davon ausgehen, dass ein und dieselbe Person Kir ausschaltete, um es Starling in die Schuhe zu schieben, so wie Scotch erledigt wurde, um Black an den Pranger zu stellen.“ analysierte Gin nachdenklich.

„Diese Person erledigt... Störenfriede, möchte man meinen. Leute, die Probleme machen könnten, wenn man einen eigenen Plan verfolgt.

Und der Angriff auf dich diente dazu, uns auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen, sowie dich zu verunsichern.“

„Gratulation, sie haben beides geschafft.“, meinte sie, unvorsichtig, wie es ihre Rage erzwang.

„Kannst du dann noch deine Mission erfüllen, Chianti?“, fragte er düster drohend nach.

„Sicher Gin... es geht schon, solange sie...“

„Dann erschieß' sie, wenn sie wieder auftaucht!“, konterte er eiskalt.

„Direkt? Aber die Tarnung?“

„Ist bei ihr nicht so wichtig, wenn sie nicht gerade neben dem Jungen steht. Und aus dem Park kann sie keinen Schuss abfeuern außer nach oben. Und der braucht bekanntermaßen länger, um sein Ziel zu erreichen. Sie sitzt genauso in der Falle wie unsere Zielperson. Nur haben wir für sie keine Verwendung. Klar?“ Eine kurze Pause entstand, in der Chianti sich fest an ihr neues Gewehr klammerte.

„Ja. Natürlich... Beim nächsten Mal ist sie ohne Umschweife dran!“ Ein diabolisches Grinsen, welches trotzdem Angst verströmte, eine Form von verzweifelter Verrücktheit, zeichnete ihr Gesicht.

„Gut. Korn! Wenn sie auftauchen sollte, wirst du dich ebenfalls um dieses ominöse Mädchen kümmern. Sie aus dem Weg zu räumen dürfte unabdingbar sein für das weitere Vorgehen.“

„Schön... aber... wolltest du nicht den Plan ändern?“

„Das tun wir, aber noch nicht jetzt.“

„Hä?“

„Die aggressive Vorgehensweise unseres Verfolgers, insbesondere bei Chianti, heißt nichts anderes, als dass sie unbedingt wollen, dass wir unseren Plan jetzt ändern, warum auch immer. Ich weiß, wie wir den Plan ändern könnten, aber das würde ihnen definitiv in die Karten spielen. Es ist zu berechenbar, um die Soldats damit zu täuschen. Wenn wir den Plan um diesen einen Schritt länger beibehalten, werden sie glauben, es sei alles beim alten geblieben. Und dann schnappt die Falle zu.“

„OK, und was ist diese Änderung dann?“

„Dass ich aktiv mit eingreife ab sofort.“

Ohne ein weiteres Wort der Erklärung legte er auf, aber nicht bevor Korn und Chianti die Kofferklappe des Porsche A356 auf und kurz danach wieder zugehen hörten.
 

Chianti schluckte erneut unsicher.

„Er hat sein Gewehr geholt?“

„Offenbar. Das heißt, er kann nicht mehr in den Park. Aber dafür haben wir dann also einen dritten Schützen.“

„...Korn?“

„Ja?“

„Wer war die Person, die du vermeintlich am Eingang gesehen hattest?“ Er zuckte lautlos mit den Augenbrauen.

„Nicht wichtig.“

„Sicher?“

„... nein.“

„Das sagt dir doch auch etwas, oder nicht? Les Soldats... Zwei Frauen... Profikiller. Die dunklen Hände der Soldats?“

„Das ist ein Mythos.“

„Und wenn wir ihn heute wahr werden sehen?“

„... dann gäbe es nichts, was es verhindern könnte, und das weißt du. Niemand... könnte das verhindern.“ Damit legte auch er auf und ließ Chianti in der faden Halbdunkelheit des Raumes zurück.

„Du glaubst es also auch... dass wir hier gegen Noir antreten.“ Sie sah ihre Waffe nachdenklich an.

„Traust du dir das zu? Unsterbliche... Todesengel zu töten, wenn sie vor deinen Lauf geraten?

Idiot, du kannst alles treffen, wenn dich nur die richtige Person führt.“ Sie schloss kurz die Augen, atmete noch einmal tief durch.

„Schön. Dann kommt mal, ihr Jungfrauen mit den schwarzen Händen! Ich bin bereit zu sterben.“
 

„Was geht hier vor sich, Agent Black?“

Auch James Black und Kommissar Shiratori waren einige Zeit stumm nebeneinander her spaziert, ehe einer die Stille durchbrach. Der ältere der beiden spürte diese unterschwellige Nervosität seines jüngeren Begleiters, ordnete sie auch ein, lag aber, wie er später feststellen musste, knapp daneben.

„Das wissen Sie doch, Kommissar.“ Black wollte sich keine Informationen entlocken lassen, ohne vorher den Polizisten etwas abgeklopft zu haben. Zu brisant, zu gefährlich waren diese für Unbeteiligte... und manche grundsätzlich top secret.

„Ach... tue ich das?“

„Give it a try if you doubt.“

Ein leicht selbstironisches Lächeln flog durch Shiratoris Lippen.

„Nun... was hier vor geht, ist, dass wir Sie zum Verhör mitnehmen, weil Sie dringend tatverdächtig sind.“

„Sehen Sie? War doch gar nicht so schwer.“

„Sie haben sich... mindestens der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht, auch wenn die Position der Schusswunde am Opfer, sowie auch die Indizien zu seiner Identität durchaus stark in Richtung eines Totschlags... vielleicht sogar eines Mordes hindeuten.“

„Respekt. Bei uns haben viele Polizisten Probleme, die Nuancen zwischen Totschlag und Mord bei der mündlichen Begründung der Verhaftung auseinander zu halten.“ Der Zynismus in diesem Satz bestärkte Shiratori nur noch mehr in seiner Vermutung.

„Interessiert es Sie eigentlich, was ich wirklich denke, Agent Black?“

„I didn't think, you were lying just now?“, gab er gespielt überrascht zurück.

„Habe ich auch nicht. Ich sagte, was hier offiziell vor sich geht, und wie es konform mit unseren allgemeinen Verhaltensweisen ist.“

„Nun... und was denken Sie dann?“

„Dass es ein Ablenkungsmanöver ist.“ Schwungvoll hob sich Blacks rechte Augenbraue.

„Inwiefern?“

„Ich glaube nicht, dass Sie ihn erschossen haben, weil ich glaube, unabhängig von der ganzen Frage, warum Sie ihn töten wollten, dass es absurd ist, dass ein Special Agent... ein Special Agent mit so viel Lebenserfahrung wie Sie...“

„Just say that I'm old, I won't deny it.“, gab der alte Mann mit warmem, resigniertem Lächeln zurück.

„... dass so jemand wie Sie nicht in der Lage sein soll, binnen vier Minuten, mitten in einem Park, irgendeine Form von Reaktion zu zeigen. Wenn Sie so langsam wären, wie Sie angaben, wären Sie kein Special Agent mehr. Dafür muss man ein Spezialtraining absolvieren, und die physischen Tests müssen regelmäßig wiederholt werden, um genau so etwas zu verhindern.“

„Well... wenn nicht ich... wer sollte dann... und vor allem wie... mit meiner Pistole, nebenbei, den Mann erschossen haben?“ In diesem Fall war seine Neugier ernst.

'Let's see, what this fellow can gather.'

„Jemand, der Ihnen Ihre Waffe abgenommen hat.“ Keinerlei äußerliche Regung beim Agenten.

„Eine recht kühne Behauptung. Immerhin lag sie jetzt neben der Leiche. Der Täter müsste sie also abgelegt haben, nachdem er schoss.“

„Die Waffe lag neben Ihnen auf dem Boden, ja. Aber genau das ist merkwürdig. Wenn Sie ihn erschossen hätten, dann entweder ganz aus dieser Nähe, wo wir Sie fanden, oder die Waffe hätte nicht dort gelegen. Sie hätten sie eingesteckt – wenn Sie noch ganz bei sich waren, der Schuss also gezielt war – oder am Ort des Schusses fallen gelassen – wenn es ein Versehen gewesen sein sollte.

Fallen gelassen bedeutet also, dass Sie ihn nicht töten wollten. Umgekehrt wird Ihnen niemand glauben, dass Sie aus nächster Nähe, wo die Waffe lag, so einen präzisen, lethalen Schuss ausversehen, abgegeben hätten, außer Sie wollten ihn doch töten, wonach es wiederum Absicht war. Ganz anders, und viel sinnvoller wäre es doch, wenn jemand anderes mit Ihrer Waffe schoss und die Waffe neben ihm platzierte, wo Sie sie wiederfinden und das Corpus Delicti an sich nehmen konnten, welches eh Ihnen gehört.“

Ganz leicht öffnete sich Blacks Mund, schloss sich dann aber wieder wortlos.

'He is not that bad. I'm surprised, the police have someone of his calibre in their ranks.'

„Außerdem ist da ja noch die Sache mit dem verschwundenen Handy. Es passt doch, dass die Person, die Ihre Waffe genommen und diese Person erschossen hat, auch sein Handy gestohlen haben könnte. Das würde auch etwas mehr über das vier Minuten Fenster aussagen. Schließlich müsste der Täter das Opfer durchsucht haben.“

„Indeed... das ist halbwegs vernünftig. Dennoch unterstellen Sie mir als Special Agent, da Sie da ja so drauf rum reiten, dass mir jemand unbekanntes, für dessen Existenz es keinerlei Beweise gibt, meine Waffe aus meinem Halfter, in meiner Jackeninnentasche, gestohlen hätte und dass ich diese Person eben nicht hindern konnte, den Mann zu erschießen.“

„Mhm... und es sagt aus, dass ich behaupte, Sie würden diese Person mit Ihrem falschen Geständnis decken.“, ergänzte Shiratori nachdenklich, aber nicht ohne eine Spur von Triumph in seiner Stimme.

„Correct...“ Leichter Unmut ergriff Blacks Ton.

„Und warum sollte ich so etwas bitte tun?“

„Vielleicht... um uns vor dieser Person zu schützen?“ Nun blieb der alte Mann doch stehen, konnte seine Verwunderung nicht länger im Zaum halten.

'Who is this guy?'
 

„Meine ursprüngliche Frage, Mr. Black, lautete, ob ich sagen sollte, was ich wirklich denke. Fakt ist, wir sind hier, um größere Zwischenfälle auf dieser Einweihungsfeier zu verhindern. Der Tod eines Besuchers ist so ein Fall. Mit einem dringend Tatverdächtigen bin ich jetzt unterwegs und die Anspannung der Kollegen dürfte entsprechend etwas gelockert sein, weil wir glauben, unser Ziel... nunja, halbwegs, erreicht zu haben. In Wahrheit aber ist die Situation doch jetzt so, dass das FBI hier im Park nun handlungsunfähig ist und die Polizei auch, weil ich als leitender Beamter hier mit Ihnen beschäftigt bin. Jemand, der etwas geplant hatte für diesen Tag, hat mit dieser Aktion plötzlich quasi... Carte Blanche erhalten.

Ich denke, genau das... dieses etwas, wollten Sie verhindern, und sind nun in eine Falle getappt.“

„Then why the hell should I help this person?“, schrie er ihn fast an und man merkte, wie die Nervosität auf einmal übergewechselt war. Shiratori lächelte milde überlegen.

„Das ist der Punkt bei dieser Falle. Wir hätten unabhängig von Ihrem Geständnis anhand der Beweislage Sie festnehmen müssen, Black. Die Pistole mit Ihren Fingerabdrücken, Sie als einziger Anwesender, die Waffenbeschränkung im Park, die gerade Sie umgangen haben... Von dem Standpunkt aus gab es für Sie eigentlich lediglich eine Option. Nämlich, dass Sie uns klipp und klar sagten, was hier vor sich ginge, und wer der Täter ist. Aber das können Sie nicht... Sie können die Wahrheit nicht sagen, auch wenn Sie sie kennen. Das und nichts anderes stand in Ihren Augen, als Sie vorhin meinten, ich würde die Wahrheit nicht glauben.“

„That is speculation.“, wiegelte er entrüstet ab.

„Fair enough... aber... keine Spekulation über meine Interpretation hinaus ist der Gedanke, dass ein Schütze, der so gezielt schießen, und einem FBI Special Agent seine Waffe aus dem Halfter klauen kann, sehr gefährlich ist.“ Black hielt sich einen Augenblick die Stirn, beruhigte seinen Puls. Er hatte sich verleiten lassen und dabei mehr gesagt, als er wollte.

'You have no idea of the word dangerous, Sir. And you should pray that you'll never find out.'

„Es ist... alles eine schöne Theorie, Herr Kommissar, aber... auch nicht mehr. Ihnen fehlen jegliche Beweise und das wissen Sie. Mehr noch... es ist doch recht weit hergeholt, dass jemand, wer auch immer, nicht nur weiß, dass das FBI hier ist, uns kennt, nicht nur so weit geht, jemanden umzubringen, alleine um uns in unserer Bewegungsfreiheit einzuschränken, sondern noch dazu mit einplant, wie wir, wie Sie, reagieren auf die jeweilige Situation. Sind das nicht alles ein paar schwer einzuschätzende Aspekte?“

„Für eine Person ja... aber für viele nicht.“ Erneut schluckte der Agent heftig und nun musste er seine Frage endlich in Worte fassen, um seinem verstörten Gesichtsausdruck gerecht zu werden.

„Excuse me, Sir, but who... who are you?“

Das war die Frage, auf die der Kommissar die ganze Zeit gewartet hatte. Sein Lächeln wurde noch etwas breiter.

„Mein Name ist Ninzaboru Shiratori, falls ich mich nicht vorgestellt habe.“ Er machte eine höfliche, traditionelle Verbeugung, bevor er weiter sprach.

„Ich entstamme einer recht alten und wohlhabenden Familie Japans und... nun ja, deren Beziehungen haben mir sicher auch geholfen, in meinem Alter schon Kommissar beim ersten Kriminaldezernat von Tokio zu werden. Auch wenn ich möglichst versuche, mich dieser Position, unabhängig von meiner Herkunft, würdig zu erweisen.“

„Das tun Sie, glauben Sie mir.“, kommentierte Black mit schwachem Unterton.

„Und in so einer Familie bekommt man halt auch öfters mit... was über den Tellerrand der Öffentlichkeit hinaus reicht.“

„Was genau meinen Sie?“, hakte der Agent unsicher nach. Shiratori blickte kurz nach oben, dann zu Boden, dann wieder seinem Gegenüber in die Augen.

„Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als der Mensch sich vorzustellen vermag.“

James Black wirkte zunächst verwundert, dann leicht enttäuscht.

„Is that... all?“

„Gewissermaßen... nein.“ Er zögerte kurz, zügelte dann seine Stimme. Zu kräftig, und es klang als wäre er ein verrückter Verschwörungstheoretiker auf der Suche nach Anhängern. So wandte er sich um, legte die Hände hinter seinem Rücken ineinander und schritt langsam vorwärts, Black unmittelbar in seinem Schlepptau.

„Aber ich weiß, dass es sie gibt. Die... 'Mächte die sind', wie es bei Ihnen heißt, the powers that be. Fast alle großen Entscheidungen und Ereignisse auf dieser Welt, die die Leute auf der Straße veranlassen würden, über geheime Komplotte ihrer Regierungen nachzudenken, sind letztlich nichts weiter als menschliche Dummheit, mit der man leben muss.

Aber eben nur fast... es gibt da durchaus auch ein paar... im Hintergrund agierende Akteure. Gruppen, die Zugriff auf Informationen haben, die sie nicht haben sollten. Leute... die wissen eben. Und die handeln. Sie brauchen nicht zu leugnen, Agent Black, dafür sind Sie zu... alt, wenn Sie es so wollen. Sie haben selbst zu viel gesehen um alles zu ignorieren.

Oder wollen Sie behaupten, Sie hätten noch nie was gehört von den drei großen Organisationen? Eine hier in Ostasien, die namenlos ist. Eine bei Ihnen in den Staaten... die Illuminaten.“ Der kalte Schweiß auf Blacks Stirn genügte dem Kommissar vollkommen als Beweis seiner Gedankenkette.

„Und die mächtigste von allen, in Europa... Les Soldats.“
 

„Nein... nein, Kirika. Wir werden diese Trumpfkarte nicht brauchen. Ich will es auch nicht.“

„Das verstehe ich... aber... die Gefahr wäre minimal und die Sicherheit für uns gegeben.“

„Nein. Das FBI kann uns nicht mehr schaden, die Polizei ist auch beschäftigt und die übrigen Protagonisten sind auf ihren Plätzen. Ich werde ihr Leben nicht riskieren.“ Kirika atmete einmal laut und langsam ein und aus.

„Ist gut. Ehrlich... mir ist es so auch lieber.“

„Sicher?“

„Definitiv!“

„Gut, dann sollten wir jetzt die entscheidende Phase einleiten.“ Kirika legte auf und sah eine ganze Weile auf ihr Display.

'Du meinst es gut mit ihr, Mireille. Und das ist auch richtig so, aber... sie würde dir nicht verzeihen, wenn etwas schief ginge.'

Damit suchte sie im Telefonbuch eine Nummer raus und wählte durch.
 

Als sich der Agent langsam von dem Schock erholt hatte, dem ihm Shiratori bereitet hatte, näherte er sich ihm und versuchte gar nicht zu verbergen, wie fasziniert er von dieser Wendung war.

„I... am impressed. Wirklich, Kommissar Shiratori. Ich hatte nicht erwartet, so jemandem hier zu begegnen.“

„Heißt das, Sie würden...“ Aber er schüttelte traurig wie ein alter Hund, der vom Regen reinkam, den Kopf.

„Even so... Sie... Sie können nicht mit diesem Wissen, dieser Gefahr, umgehen. Namen sind Schall und Rauch, aber die Macht dahinter ist real und das ist die wahre Gefahr. Es ist... wie der stille Ozean, der unsere beiden Länder trennt. Eine glatte, gewaltige, beeindruckende Oberfläche, aber darunter eine noch viel gewaltigere Welt, die sich an der Größe der Oberfläche nicht messen lässt. Die beiden Größen stehen nicht wirklich in Korrelation, doch wenn diese Welt zu Tage tritt, kann sie gleichermaßen unser beider Staaten Ende bedeuten. Und genau so ist es mit der Macht... der Soldats.“ Das war zumindest etwas, dachte sich der Kommissar einen Moment, auch wenn es ihm wenig half.

'Helfen... das war das Stichwort.' Er schritt langsam auf den Agenten zu, sah ihm tief in die alten aber noch keineswegs trüben Augen.

„Ich möchte gar nicht, dass Sie mir alles verraten und mein Leben oder das meiner Kollegen damit wegwerfen, Agent Black. Ich möchte nur... dass Sie mir helfen. Helfen zu verhindern, was Sie verhindern wollten und was wir verhindern könnten. Sie wären nicht hier, wenn Sie keine Hoffnung darauf gehabt hätten, nur weil Les Soldats beteiligt sind. Sie sind hier, weil es diese kleine Chance gibt. Und wir können sie noch nutzen. Wenn Sie mir helfen.

Agent Black... bitte.“

Der alte Mann blickte ihn ebenso starr an, wie umgekehrt Shiratori ihn, forschte in den klaren Augen des jungen Polizisten, der erstaunlich gut über die Welt informiert zu sein schien. Dann sank sein Kopf etwas zu Boden, seine Hände verkrampften sich an seiner Seite.

'Hope... is it actually worth keeping hope, or faith, when facing Les Soldats... or Noir?'

„Ich... möchte Ihnen schon helfen... so ist es nicht. Aber... in der Position bin ich gar nicht mehr. Und weder ist es mir... wirklich erlaubt, noch von mir gewollt, auch nur im Ansatz zu erklären, wie die Dinge hier liegen. Es gibt ein paar Sachen, die ich tun könnte, yes, aber diese hätten weitreichende Konsequenzen für Ihre Tatverdächtigen, für die Sie bereits einiges an Verantwortung übernehmen mussten. Es könnte Ihre Karriere vorzeitig beenden. Ungeachtet dessen, dass ich Ihnen, wie Sie selber sagten, keinen Erfolg... nicht mal wirklich Ihr Leben... versprechen kann. You have only seen the tip of the iceberg so far, Sir.“ Er seufzte langsam, blickte auf die Uhr, die schon bei 15:45 Uhr angekommen war.

„But in the end..., the decision is your's, superintendent Shiratori. What do you... intend to do?“

Shiratori sah ihn stumm an, drehte sich dann ganz langsam um und begann überzeugt in einer selbstironischen Fratze zu lächeln.

„Ich bin Polizist und hier, um Menschen zu helfen.

Karriere ist was für Angeber, Black. Wissen Sie das nicht?“

Die Kunst der halben Wahrheit

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen erneut zu den blutigen Begegnungen im und um den Kanin-Park. Zunächst noch einmal einen herzlichen Dank an die Kommi-Schreiber. Durch euch weiß ich, wie die Kapitel ankommen und wie ich es noch verbessern könnte. Vielen Dank dafür! ^____^

Offenbar habt ihr euch mit Shiratoris kleiner 'Drangphase' anfreunden können. Wie angedeutet, es ist einfach meine Meinung, dass man nicht in so einer Familie – reich, alt und mächtig – aufwachsen kann und dann gar nichts über die 'wahren' Verhältnisse auf der Erde mitbekommt – so es sie denn gibt. XP

Allerdings, als kleine Ergänzung von mir noch folgendes: Dass er davon weiß und wegen dem FBI und den anderen Zwischenfällen so etwas in Betracht zieht, ist noch nicht der Grund, dass er es ausspricht. Deshalb 'Drangphase', er fühlt sich zum Handeln genötigt, weil er weiß, dass etwas nicht stimmt, dass noch etwas passieren wird und konfrontiert daher auch Black mit seiner Vermutung. Der kleine Schubser eben.
 

So... und damit zum neuen Kapitel... *puh*

Und damit zu gleich zwei Entschuldigungen meinerseits. -_-°

Ursprünglich hatte ich geplant, nun 16 Uhr werden zu lassen und damit dann die nächste Runde zwischen FBI, BO, Shinto und Noir zu starten... bis mir klar wurde, dass da doch noch etwas fehlt an Erklärungen. Zu Black und den anderen, wo die sich dann befinden werden und warum. Das kann man nicht mit Shiratoris Entscheidung zusammen packen, nicht mit 16 Uhr, also ist es dazwischen... aber es ist halt nicht viel, inhaltlich. >__<

Entschuldigung die erste.

Das wäre vielleicht noch nicht so tragisch, aber dann wurde mir bewusst, dass ich in zwei Wochen gar nicht da sein werde für das nächste Kapitel. Konferenz besuchen und viele, viele Vorträge hören.

Also *inDeckunggeh*, mit einem, wie ich finde nicht so gelungenen Zwischenkapitel, unmittelbar vor endlich etwas mehr 'Action', wenn man so will... mache ich eine unerwartete Pause und melde mich erst in vier Wochen wieder.

Entschuldigung die zweite.
 

Gut, lange genug auf mir selbst rum gehackt, ein paar nette Kleinigkeiten werdet ihr vielleicht trotzdem in diesem Kapitel finden. Ansonsten kann ich euch für in vier Wochen vertrösten... ich denke, das Warten wird sich lohnen. ;]
 

Bis dahin.

Liebe Grüße, Diracdet
 


 


 

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Kapitel 15: Die Kunst der halben Wahrheit
 

Nervös schaute Shuichi Akai auf seine Uhr. Der Plan von Conan spukte in seinem Kopf herum, seit dieser ihn ausgesprochen hatte.

'Das ist verrückt, Kudo... so verrückt...' Er musste fast resigniert schmunzeln.

'So verrückt, dass es funktionieren könnte. Und wenn es so klappt, wie du es planst... könnte einem Chianti fast Leid tun. Nach der Aktion mit Noir nun auch noch... Geister?' Dann verflog sein Lächeln wieder, seine Lippen formten einen Ausdruck gleich einem missgünstigen, ungeduldigen Schmollmund, und er sah erneut auf den Zeitgeber an seinem Handgelenk. Weniger als eine Viertelstunde nur noch bis zum nächsten Feuerwerk.

'Verdammt, wo bleibt sie nur?'

„Warum sehen Sie eigentlich ständig auf ihre Uhr, Herr Akai?“ Der Junge blickte ihn verunsichert an.

„Es sind doch noch über zehn Minuten und so ein schlechtes Zeitgefühl haben Sie doch auch nicht.“

Akai wandte sich leicht pikiert zur Seite.

„Nein, das nicht. Aber eigentlich wollte Jodie auch kommen. Schon vor 'ner ganzen Weile. Wir dachten, sie wäre als Ran Moris Lehrerin die einzige von uns, die das Mädchen von der Zielperson trennen könnte. Der... 'Plan' ist zwar wohl mittlerweile für die Katz, aber trotzdem müsste sie doch...“

Er stockte, als er im Augenwinkel Conans Blick wahr nahm, dessen Augen nun selbst nervös zuckten. Ein ertappt nervöses Zucken.

„Du...?!“

„Ich? Nein... ich weiß von nichts, Herr Akai, ich... waah!“

Mit einem einzigen, großen Schritt hatte der Agent die Distanz zwischen sich und dem verjüngten Detektiv überwunden, packte ihn am Kragen und hob ihn hoch zu sich in die Luft. Er sah ihn direkt an. Seine düsteren Augen, die einen kalten Schimmer bekamen, wirkten beängstigend auf Conan ein. Beängstigend, wie er es nur von einer anderen Person kannte, und das machte ihm fast noch mehr Angst. Diese unheimliche Ähnlichkeit zu... Gin?

„Hast du mir etwas... zu sagen, Kudo, das ich wissen sollte?“

„Äh... also... hähä...“

„Überleg' dir deine Antwort gut.“

„Nun... das ist so... gewesen...“
 

Kogoro Mori und Jodie Starling sahen zuerst Kommissar Shiratori, der sie zum anhalten aufgefordert hatte, an, dann James Black, der mit einem schwachen, doch für seine Verhältnisse deutlichen Lächeln auf den Lippen dastand und selber zu warten schien, dann wieder den Kommissar, als dieser von Black angespornt sein eigenes leicht ironisches Grinsen bekam, dann sich gegenseitig, wobei beide unsichere Blicke austauschten und schließlich zum dritten Mal den Polizisten, in der Hoffnung, endliche eine Antwort auf ihre unausgesprochenen Fragen zu erhalten.

„Was... ist denn, Shiratori?“, fing Kogoro an.

„Sir? James? What is it?“

„Wir werden wohl... unsere Pläne etwas ändern, Mori.“, kommentierte Shiratori nichts sagend.

„Oder genauer, wir werden vom gewohnten Procedere in der gegebenen Situation diesmal abweichen und die Verdächtigen... nicht direkt zum Hauptquartier bringen.“ Er grinste bestimmt unsicher, bis bei Mori nach einer Weile der Groschen fiel.

'Oh... er hat...' Nun selber unsicher drehte er sich zu Jodie, die nervös auf ihrer Unterlippe kaute.

'James... what do you intend to do? We can not... tell them the truth.'
 

„Nun, Agent Black?“, wollte der Kommissar mit gespielt zuversichtlicher Miene jetzt endlich dem Agenten die erhoffte Wahrheit entlocken. So intensiv wie er an dieser Überredung der Kooperation mit dem FBI gearbeitet hatte, so sehr schien er es nun schon wieder in Zweifel zu ziehen. Hätte er standhaft bleiben sollen, anstatt die Vorschriften wegen eines unguten Gefühls über den Jordan zu schicken? Hatten Black und Starling doch nur alles gespielt, ihn getäuscht? Aber da war noch der dritte Agent, Akai. Und bisher wirkte doch jede Entwicklung einzig und allein bestätigend für seine Theorie und auch Blacks Reaktionen zeugten nicht von gespielter Überraschung.

Er musste recht haben, er musste. Woher also dieses flaue Gefühl im Magen?

Ein Gefühl, trotzdem einen Fehler gemacht zu haben. Ein Gefühl, welches von Blacks Gesichtsausdruck, als er ihn ansprach, nur noch verstärkt wurde.

Eine grimmige Schweigsamkeit stand darin. Der alte Mann versuchte, seine Gedanken zu ordnen und aus den Informationen, die ihm vorlagen, heraus zu filtern, was relevant... und für den Polizisten und den Detektiv... und besonders auch für seine Agentin, ertragbar war.

„Sie wollten uns doch etwas... erzählen. Was hier vor sich geht. Machen Sie sich keine Gedanken über Details oder Geheimnisse, nur das Wesentliche. Das dürfte genügen, um eine objektivere Entscheidung unserer weiteren Handlungen zu bewirken.“, versuchte er ihn zu motivieren und gleichzeitig den offenbaren Druck, seine Worte gezielt zu wählen, zu verringern.

Innerlich schmunzelte der Agent skeptisch, behielt aber seinen festen Blick.

„Even that is not as easy, as it sounds from you.“ Er räusperte sich, zwang sich, die kurzen englischen Ausrufe, die nun mal seiner Muttersprache entstammten, zugunsten einer deutlichen, ernsthaften Diskussion so gut es ging, von nun an, zu vermeiden.

„Es ist so... Kommissar Shiratori, dass wir selbst nicht genau wissen, was hier vor sich geht.“ Sowohl Mori als auch der Kommissar sahen zu erst James Black, dann sich, dann wieder James und schließlich Jodie mit versteinerter Miene an. Sie bestätigte mit einem nachdenklichen, unsicheren Nicken die Aussage ihres Chefs. Ein kleiner Schock rannte durch Shiratori, der für einen Moment glaubte, seinen Fehler entdeckt zu haben.

„Wie, Sie wissen es... nicht so genau??“

„Es ist etwas kompliziert, Herr Kommissar...“, begann sie, wurde dann jedoch von James unterbrochen, der sie liebevoll anlächelte.

„Schon gut, Jodie. Du musst dazu nichts sagen.“ Ein dunkler Schatten flog durch Kogoros Miene, die Augenbrauen zuckten kurz. Er hatte genug Fälle als Detektiv bearbeitet, um diesen Ausdruck zu kennen. Gegenüber Offiziellen, Polizisten, waren die Leute meist zurückhaltend, vermieden es öfters, einen tiefer gehenden Anblick zuzulassen. Gegenüber einem Detektiv, der diskret vorging, öffneten sie leichter ihr Herz. Diesen Ausdruck kannte er nur aus seiner Detektivarbeit.

'Eine persönliche Geschichte... dieser Fall hat etwas sehr wichtiges für sie persönlich an sich. Und dieser Black weiß es.'

„Es ist so, dass diese Leute... die hier lokal tätig sind...“ Er stockte, sein Blick fiel auf Mori. Shiratori folgte ihm im Augenwinkel, verstand das Problem und winkte ab.

„Sie meinen die Yakuza..., wie das Opfer...“

„Exakt, genau so...“, bestätigte Black erleichtert, woraufhin ein kalter Schauer durch den Polizisten fuhr.

'Genau so? Im Sinne von... das war einer von dieser Organisation? Aber er meinte doch... Les Soldats... Oh nein! Es werden doch nicht zwei Organisationen hier aufeinander treffen?'

„Diese Leute sind nicht ganz so lokal geprägt, wie man meinen könnte.“

„Sie haben Verbrechen in den Staaten begangen?!“, schlussfolgerte Kogoro weniger überrascht als darüber verwundert, dass diese Erkenntnis für den Kommissar eine besondere Sache zu sein schien.

„Mhm... zumindest sind wir von ihrer Schuld zweifelsfrei überzeugt... nur ist es schwierig das zu beweisen und folglich auch mit der Verfolgung außerhalb der Grenzen unseres Landes.“

„Das wäre es für Sie auch mit Beweisen!“, konterte Shiratori scharf.

„Natürlich. Das wollte ich damit auch nicht sagen. Aber mit Beweisen können die vorliegenden internationalen Haftbefehle und Auslieferungsanträge, die wir besitzen, greifen und die örtlichen Behörden könnten den Job übernehmen.“

„Das heißt, Sie wollen sie... inflagranti erwischen, damit wir sie dann festnehmen und an sie ausliefern.“

„Diese Typen sind gut, verdammt gut. In einem normalen Fall, wenn die etwas wichtiges erledigen wollen, sind ihre Methoden so ausgeklügelt und bei den Mitgliedern so standardisiert eintrainiert..., dass es einfach keine Beweise gibt. Sie machen dabei halt keine Fehler, weil es alles durchdacht ist. Man muss sie stören, ihnen ein paar Knüppel zwischen die Beine werfen, dass sie anfangen zu improvisieren und hoffen, dass sie dabei mal einen solchen Fehler begehen.

Dass wir hier sind, verdanken wir einer anonymen Quelle, durch die wir erfuhren, dass diese Leute, die wir suchen, heute hier sein würden. Warum sie allerdings hier sind, wissen wir nicht so genau.“

„Das heißt, als Sie hier herkamen, wussten Sie nur, dass etwas im Gange war, aber nicht, was genau.“

„So ist es, Herr Kommissar.“ Ein tiefer Seufzer entrann den Kehlen sowohl des Beamten, wie auch des Detektivs, der kurz nachdachte, bevor es ihm auffiel.

„Aber... das war, als Sie kamen. Jetzt...“

„Einige Dinge wissen wir mittlerweile, ja. Einige glauben wir... und vieles verstehen wir noch immer nicht.“

„Fangen Sie doch einfach mit dem Wissen an, damit wir einen Startpunkt haben.“, versuchte Shiratori wieder selbst etwas Halt zu finden.

„Es hat etwas mit Kanin persönlich zu tun. Er scheint irgendwie mit diesen Leuten von hier in Kontakt zu stehen.“

Kogoro zuckte eher ungerührt mit den Schultern.

„Mhm... das ist nicht so unüblich... die Yakuza sind nun mal eine Mafia. Die versuchen an alle großen Industrieleute ranzukommen.“

Shiratori sah ihn nicht an, sonst hätte er sich vermutlich durch seine Verfärbung verraten.

'Leider liegen die Dinge etwas schlimmer, Mori...'

„Nun, Sir, Kanin ist aber nicht irgendein Industrieboss. Er ist derjenige, der gewissermaßen über die Baupläne und Verwendungen der Hälfte aller größeren Gebäude in dieser Metropole Bescheid weiß. Inklusive des Polizeihauptquartiers, sowie der Mehrheit der Regierungsgebäude. Die Fabriken und Lagerhallen natürlich auch. Eigentlich hat er eine Position inne, von der aus man die Dynamik in dieser Stadt kontrollieren kann. Wenn Wissen Macht ist, ist er der geheime Herr über Tokios Kern.“

Nun schluckten beide bedenklich. Nichts von dem, was Black sagte, war wirklich geheim, eher ein offenes Geheimnis, welches keiner so aussprach. Dass die Kanin-Baugruppe über exklusive Verträge mit der Regierung verfügte und dass Hideichi Kanin effektiv wusste, was in jedem größeren Bauwerk der Metropole vor sich ging, war allgemein bekannt. Nur es von dem Standpunkt des Machtmissbrauchs zu sehen, war ihnen bisher entfallen. Nicht zuletzt, weil es keinerlei Auffälligkeiten in dem Unternehmen gab, die je zu Tage getreten waren. Und umgekehrt auch kein Fall von Missbrauch dieses Wissens je registriert wurde.

„Das hieße ja, das Wissen ist in die Hände der... der 'Yakuza' gefallen...“, folgerte Shiratori mit erschrockener Miene,

„... und sie könnten jederzeit Regierungs- und Polizeigebäude infiltrieren, Anschläge verüben, hohe Personen töten...“ Er packte Black bei den Schultern, um die Wahrheit aus ihm raus zu bekommen, doch der alte Mann sah ihn eine Weile nur stumm an.

„Noch... nicht.“, brummte er schließlich sketisch.

„Äh... was?“

„Offenbar – wir konnten ein Gespräch zwischen einem von ihnen und Kanin belauschen – versuchen sie, ihn zu erpressen. Und das bis jetzt ohne Erfolg. ...bis jetzt!“

Seine Hände lösten sich langsam wieder vom Agenten, während Shiratoris Gehirn die Information verarbeitete. Kogoro sprach aus, was damit auf der Hand lag.

„Sie sind also, auch wenn Sie es vorher nicht wussten, hier, um zu verhindern, dass dieses Wissen in die falschen Hände gelangt.“

„So sehe ich es zumindest.“
 

„But maybe... maybe that is... that is not... the real deal.“, stotterte sich Jodie plötzlich, den Kopf leicht nach vorne geneigt, abwesend, zusammen.

Erschrocken drehten sich alle zu ihr um.

„Wie... nicht die wahre Geschichte? Wie meinst du das, Jodie?“ Sie biss sich kurz auf die Lippen, bevor sie antwortete.

Er... ich hatte vorhin kurz mit... ihm gesprochen und er meinte... soweit ich ihn verstanden habe, dass ein Trick von Seiten Kanins vielleicht realistischer ist.“

Shiratori und Mori blickten sich beide verwirrt an.

„Er? Meinen Sie Ihren Partner, Herrn Akai?“

Sie wandte sich unsicher ab zu Boden. Sie würde es eh nicht konsequent durchhalten, die Rolle Conans durch Luft zu ersetzen, aber sie konnte ihn auch unmöglich hier auffliegen lassen. Ihr Chef kam ihr schnell zu Hilfe.

„No. Ein anonymer Informant, der dies auch bleiben möchte, Herr Kommissar. Ich denke, das können Sie respektieren.“

Er stutzte kurz, nickte dann aber, sich wieder auf den Fall konzentrierend, ab. Kogoro hingegen blieb in seinen Gedanken hängen.

'Ein anonymer Informant? Meinte sie nicht vorhin, Shinichi... Himmel, er wird doch nicht... dieser Wahnsinnige!'

„Nun gut, Sie meinten was von einem Trick, Agent Starling?“

„Wir hatten wie gesagt ein Gespräch abhören können, welches den Eindruck erweckte, diese Leute... die Yakuza, hätten Kanin in der Hand. Aber unser Informant erzählte mir, dass nach dem Gespräch, als unser Kollege, der es belauscht hatte und der Mann von den Yakuza gegangen waren, Kanin plötzlich anfing, laut zu lachen.“

„Wait, he heard that, too?!“, entrüstete sich Black für einen Augenblick. Shinichi Kudo hatte ebenfalls das Gespräch zwischen Kanin und Gin mit angehört? Und er war später bei ihrem Gespräch mit Bouquet dabei gewesen, also in der Nähe des Eingangs...

'What does he actually know and do?' Es war kein gutes Zeichen, wenn ihm Conans Schritte unkoordiniert vorkamen. Das hieß eher, dass der Agent selbst völlig auf dem Schlauch stand und womöglich die wichtigen Ereignisse verpasste.

Sie nickte nur ab.

„Ein... Trick? Sie meinen, Kanin wusste, dass man versuchen würde, ihn zu erpressen, und er inszeniert nun eine Show, um diese Leute reinzulegen und selbst... was genau zu tun?“

„Das ist der Punkt, den wir nicht ganz verstehen, Herr Kommissar.“, gab Black mit einem leichten Seufzer wider.

„Was er genau vor hat und warum entzieht sich momentan unserem Verständnis. Allerdings haben wir geringfügig genauere Vorstellungen, was die Pläne der Or... der Yakuza angeht.“

„Immerhin etwas. Und was genau?“ Black drehte sich etwas zur Seite, hob leicht den Kopf, so dass seine Augen ein bestimmtes Lagerhaus auf einer Seite des Parks anvisierten. Die anderen folgten seinem Blick und blieben erschrocken stehen.

„Was, ein Scharfschütze?!“

„Sie wollen Kanin ermorden?“

„Nein, Sir. Vermutlich nicht.“ Er beobachtete Chianti kurz. Sie hatte ihr neues Gewehr gerade ausgerichtet und schien immer noch auf die Parkmitte zu zielen.

'I don't know, how you did it, Shuichi... or Mr. Holmes, but the target seems to still be alive. Good boys.'

Dann drehte er sich erneut und visierte den Stand von Korn.

„Wie, noch einer?“

„Warum nicht? Zwei Leute, so voneinander getrennt, dass man sie nicht gleichzeitig treffen kann.“

„Verdammt... mit zwei von denen heißt das, es wäre auch mehr als gefährlich, sie überwältigen zu wollen. Wenn es nicht absolut gleichzeitig abläuft, könnte der zweite informiert werden und abdrücken.“

„Und es ist mindestens noch ein dritter Mann hier im Park, den Sie so nicht finden würden.“, ergänzte Black gelassen. Er wandte sich wieder ab, machte eine kurze Geste, dass sie auch nicht zu lange auf die Leute blicken sollten, die sie jederzeit mit Gewehren aus der Ferne töten konnten.

„Also unterlassen Sie es vorläufig bitte, ein SWAT Team oder dergleichen zu rufen.“ Er räusperte sich kurz, als ihm der Polizist einen missbilligenden Blick zuwarf, der wohl so viel bedeutete, wie

'Das alles war nicht genug, um mit der hiesigen Polizei zu reden, Black?' oder doch eher

'Wir sind hier nicht in den USA, wir holen nicht sofort ein SWAT Team, wenn zwei Scharfschützen auftauchen.', irgendwas in der Richtung.

„Um auf Ihre Frage zurück zu kommen, Kanin ist offenbar nicht die Zielperson, sondern... jemand, der im Hintergrund bei der Kanin Baugruppe die Fäden ziehen soll.“

„Der wahre... Strippenzieher? So etwas gibt es bei Kanin?“

„Scheinbar... aber...“

„Dann müssen wir zu dieser Person, ist doch klar!“, rief Kogoro empört aus und wollte gerade loslaufen, als Shiratori ihn aufhielt.

„Nicht doch, sind Sie wahnsinnig, Mori?“

Er zuckte kurz zusammen, blieb dann aber stehen und wartete ungeduldig.

„Wieso...?“

„Weil zwei Scharfschützen mit Gewehren bewaffnet aus verschiedenen Richtungen in diesen Park zielen. Und weil diese vermutlich vom FBI und definitiv von uns wissen. Wenn wir jetzt plötzlich loslaufen in Richtung der Zielperson...“ Der Detektiv zog einmal kräftig Luft ein.

„...dann werden sie vielleicht sofort das Feuer eröffnen. Verdammt!“, Seine Hände ballten sich unliebsam zu Fäusten. Er war offenbar doch am falschen Ort und seine Ran... womöglich...

'Nein, Ran, bitte nicht.'

„Einer meiner Männer, Shuichi Akai, ist in der Nähe der Zielperson und passt auf ihn auf. Ich habe vollstes Vertrauen in ihn.“

„Vertrauen schön und gut, aber er ist auch nur ein Agent und hat auch nur eine Pistole wie Sie. Was kann er schon gegen zwei Scharfschützen ausrichten?“ Für einen kurzen Moment meinte Kommissar Shiratori im Blick des alten Mannes einen Funken aufglimmen zu sehen, dann verschwand es aber auch sofort wieder.

„Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich ihn mal anrufen, um mich nach der Situation zu erkundigen. Aber Tatsache ist, dass die Schützen noch da sind, die Zielperson also noch lebt. Und das, obwohl sie offiziell bereits um 15:00 Uhr schießen wollten.“

„WAS?“, riefen Kogoro und Shiratori gleichzeitig aus.

„Das Feuerwerk.“, meinte Jodie, während James an seinem Handy herumdrückte.

„Sie nutzen die Geräuschkulisse und die Ablenkung vom Feuerwerk für ihre Schüsse. Dennoch, hätten sie jemanden bereits getötet, wäre Panik ausgebrochen, sobald jemand die Leiche bemerkte. Das hätten wir doch längst mitbekommen. Immerhin ist es schon zehn vor... vier.“ Sie erbleichte förmlich, als ihr die Uhrzeit bewusst wurde. Die beiden Japaner verfielen ebenfalls in kurze Schockstarre.

Zehn vor vier! In zehn Minuten würde das nächste Feuerwerk beginnen, also die nächste Chance der Schützen der Organisation.

'Na, ist das genug Sturm für dich, Kogoro?', schien ihm seine innere Stimme zu zuflüstern.
 

„Shuichi!“

„Chef! Sie sind also noch nicht im Gefängnis?“, gab Akai mit deutlich erfreutem und ironischem Unterton zurück.

„Oh, du weißt, was passiert ist...?“

„Ja... unser kleiner Freund hat es mir gerade erzählt.“ Er sah mit einem sarkastischen Lächeln runter auf den Jungen, der sich nach mehrfachem Entschuldigen doch noch eine symbolische Kopfnuss einfgefangen hatte. Er sollte ja nicht glauben, dass er sich hier alles leisten konnte, schon gar nicht Akai dieses 'Detail' vorzuenthalten.

„Ah, er ist also bei dir...“ Black merkte, wie sich der Polizist und der Detektiv um ihn zu drängen versuchten, um mitzuhören.

„... unser... Informant.“ Akai stockte auch kurz, verstand aber den Wink.

„Ja... unser Informant ist hier. Wie steht es denn nun bei euch?“

Kogoro fiel in Gedanken etwas ab.

'Er ist hier? Der Informant... aber ich dachte, er wäre...' Er schmunzelte über sich selbst wegen des Bruchteils einer Sekunde, in dem ihm zum ersten Mal die absurde Idee durch den Kopf ging, dass Conan Edogawa und Shinichi Kudo ein und die selbe Person wären. Der Fall nagte wohl doch etwas an seinen Nerven, so, wie er sich gerade aufblähte.

Black sah kurz zu Shiratori, bevor er antwortete.

„Nun, im Moment will die Polizei wohl mit uns zusammen arbeiten... und es ist nicht so, dass wir das ablehnen könnten.“

Erneut stutzte Akai. Es war doch recht ungewöhnlich, dass James Black mal so von seinen Prinzipien abweichen würde und damit ihre Anwesenheit so gefährlich aufs Spiel setzte. Was konnte er überhaupt der Polizei über die Organisation sagen?

Umgekehrt war heute ja eh scheinbar nichts wirklich normal.

„Hm... und wie viele Leute haben Sie?“

„Oh, nicht viele. Jodie und ich sind hier mit dem leitenden Kommissar und Herrn Kogoro Mori, dem Detektiv. Und wahrscheinlich werden da auch keine weiteren kommen können.“

„Das ist auch besser so. Wegen der Scharfschützen.“ Sein Vorgesetzter stimmte missmutig und unverständlich etwas in seinen Bart brummend zu.

„Aber um zu wissen, was wir jetzt am besten machen, müssen wir deine Situation kennen. Wie geht es der Zielperson?“

„Noch am Leben... und vermutlich die Organisation in eine Falle lockend.“ Black sah kurz hoch, auch Shiratori nickte unbestimmt.

„Sicher?“

„Ziemlich. Die Zielperson weiß ein paar Dinge, die er nicht wissen kann.“

„Na schön.“ Er wusste, Shuichi Akai vermied ab und an langwierige Erklärungen im Stile eines Detektivs, wenn er die Zeit nicht dafür gegeben sah, akzeptierte also die Antwort so.

„Und warum ist er eigentlich noch am Leben?“

„Weil die Organisation ihn nicht im Park töten will. Sie treibt ihn mit den Schüssen aus dem Park heraus. Sie nutzen die Möglichkeit, ihn jederzeit zu erschießen, um ihm ihren Willen aufzuzwängen.“

„What... those bastards. Aber wie kann er dann...“

Der Agent schreckte leicht auf, als er langsam die Fäden, die sich ergaben, zusammen zu spinnen versuchte.

„Kanin... will ein Blutbad veranstalten.“

„Vermutlich. Es ist eine Falle für die Organisation und das müssen wir verhindern.“

„Dann kommen wir auch zum Eingang um vier und...“

„Nein! Die Scharfschützen werden auf vier Personen, deren Gesichter sie kennen, definitiv aufmerksam.“

„Ja, natürlich. Ugh, das ist aber auch...“

„Gehen Sie zu Kanin. Sie müssen seine Pläne herausfinden, Chef. Nur so können wir verhindern, dass alle Fäden reißen, die wir haben. Das ist im Moment das wichtigste. Wir werden auf Shinto Ajusawa aufpassen.“

Shiratori horchte kurz auf.

„Shinto Ajusawa? Ist das der Name der Zielperson?“ Black nickte zögerlich.

„Shuichi, was ist eigentlich... mit den... anderen beiden?“ Die Frage war gewagt, zumal Shiratori mit anhörte, was passierte und Akai nachfragen könnte, ob er die beiden Frauen meinte.

„Sie sind beeindruckend... würde ich sagen.“, gab er leicht gekonnt zurück.

„Ich habe noch nie eine solche, erfolgreiche Bogenlampe gesehen.“

„Bogen...lampe?“ Kommissar Shiratori überlegte, ob das ein Codewort sein sollte aus dem FBI-Jargon, aber auch Black schien eine Weile zu überlegen, bevor er verstört die Augen aufriss.

„Diese... beiden... was haben sie nur vor?“

„Ich dachte, das könnten Sie mir nun sagen, Chef.“ Ein kurzes Augenbrauen zucken beim Polizisten deutete an, dass er ahnte, was damit gemeint war.

'Da haben wir also unsern richtigen Mörder, was?'

„Diese Person meinte nur, sie wolle die Balance wahren, wenn dir das irgendwie hilft, Shuichi.“

Conan, der ebenfalls von seiner Seite mithörte, zuckte nun seinerseits kurz, bevor ein skeptisches Lächeln es durchzog.

'Die Balance? Wäre das denkbar?'

„Nicht sehr ergiebig. Sie kümmern sich um Kanin, wir uns um die Zielperson. Und halten Sie nach Gin Ausschau, der muss hier ja auch noch irgendwo rumschwirren.“

„Natürlich. Viel Glück euch.“

„Ihnen auch.“ Damit legten beide gleichzeitig auf. Black drehte sich gerade um, wollte mit Jodie und Kogoro, die an der Seite standen, losgehen, als Shiratori noch eine Frage beschäftigte.

„Warten Sie, Black!“

„Was gibt es denn noch, Kommissar? Sie wissen doch, die Zeit...“

„Wer sind 'diese beiden'?“ Der Agent verzog keine Miene, schien aber trotzdem steif zu wirken in seiner Position. Diese Frage hatte er befürchtet. Sie musste einfach kommen.

„Ich verstehe, dass Sie den Informanten decken, aber diese beiden sind offenbar noch zwei unbekannte Komponenten hier. Weder von Kanin, noch von der Yakuza, noch von Ihnen. Wer ist da noch, von dem ich wissen muss?“ Auch Jodie war die ungewöhnliche Art, mit der er Bouquet und Yuumura umschrieb, aufgefallen. Er sollte sie sicher nicht beim Namen nennen, aber er vermied konsequent sogar ihr Geschlecht. Und trotzdem wollte er gerne wissen, was die beiden getan hatten, wovon Shuichi Akai etwas mitbekommen hätte haben können. Einmal mehr geisterte bei ihr der Glaube durch den Kopf, ihr Chef verheimlichte ihr ein wichtiges Detail. Ein sehr wichtiges Detail.

Black schloss nach einer Weile resigniert die Augen.

„Sorry, Herr Kommissar. Das wollen Sie nicht wissen, auch wenn Sie das momentan nicht glauben.“

Dieser starrte ihn nur noch verwunderter an.

'Nach allem, was ich ihm erzählt habe, blockt er an diesem Punkt noch ab? Unglaublich, was für Leute sollen diese beiden denn sein?'

„Les Soldats?“, platzte es aus ihm ungeduldig, fast jugendlich, heraus, als der Gedanke ihn traf..

„Les... wer?“ Kogoro war völlig perplex. Diesen Namen hatte er noch nie gehört und er fiel wie aus dem Nichts. Nein nicht wie aus dem nichts, aus dem nichts selbst! Jodie nahm ihn kurz bei der Seite, sah ihn mit traurigen, fast mitleidvollen Augen an, schüttelte dann sacht den Kopf.

„None of your Business, Sir, believe me.“

Black schmunzelte selbst etwas unsicher.

„Nein... bis vor kurzem... hätte ich das auch gedacht. Aber manche Dinge lernt man halt erst... richtig im hohen Alter.“

„Was lernt man erst in hohem Alter, Agent Black?“

Er drehte sich zu ihm, sah ihm liebevoll direkt in die Augen.

„Dass es Wesen zwischen Himmel und Erde gibt, die sogar noch über Les Soldats stehen, Herr Kommissar.“

16:00 Uhr plus-minus Epsilon

Hallo liebe Lesenden,
 

lange ist es her, immerhin vier Wochen, seit dem letzten Kapitel. Die Tagung habe ich gut überstanden, sogar ein paar Leuten meine Arbeit erklären können... wie unbedeutend sie auch sein mag. *hust* *hust* -_-°

Und zum Ausgleich fürs lange warten gibt es das Kapitel einen Tag früher, freut euch bitte jetzt! Nein, eigentlich kommt es schon Montag, weil ich morgen wieder nicht da bin den ganzen Tag – irgendwer scheint Dienstag für einen guten Veranstaltungstag zu halten – und ich das Kapitel nicht nochmal verzögern wollte.

Also... hier kommt endlich das lang erwartete Duell Organisation gegen Akai und Conan, Shinto und Ran gegen Chianti und Korn, Mireille und Kirika gegen alle... Gewehre gegen Fußbälle?

Doch, so in etwa umschreibt das wohl die wesentlichen Aussagen dieses Kapitels, würde ich meinen. Natürlich nicht ohne mich vorher noch für eure Kommis zum letzten von vor vier Wochen zu bedanken!! Vielen Dank dafür, ehrlich. das hilft mir sehr einzuordnen, wo ich noch ungewollt unverständlich bin und etwas hinzu fügen muss.

Eine kleine Erklärung noch wegen des Titels – da schlägt der Physiker/Mathematiker durch. Epsilon wird in der Mathematik standesgemäß für Grenzwerte benutzt, sprich eine beliebig kleine Größe größer Null. In diesem Sinne, die Unstetigkeit bei 16:00 Uhr, oder wie sich die Welt zwischen kurz vor und kurz nach vier Uhr Nachmittags verändern kann... das wären aber verhältnismäßig lange und noch unsinnigere Titel, weshalb ich bei dem blieb, den ihr hier seht.
 

Nun denn, viel Spaß mit dem... nun... dem Auftakt in Richtung des Finales. So kann man es sagen.
 

Bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet
 


 

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Kapitel 16: 16:00 Uhr plus-minus Epsilon
 

Wenige Minuten vor vier Uhr schließlich standen Ran und Shinto wieder auf und begannen sich auf den Weg zu machen. Den Weg, den die Schüsse eine Stunde zuvor, gemäß der Interpretation des Jungen, vorgegeben hatten, schlugen sie ungefähr wieder ein. Korn und Chianti würden sich sicher gleich auf die ihnen eigene Art bemerkbar machen, sollten sie vom geplanten Kurs abweichen. Die beiden folgten langsam dem Hauptweg, hielten etwas Abstand zu anderen Besuchern, dass diese nicht in eine mögliche Schussbahn gerieten, und blieben dabei immer mit einem Auge und einem halben Bein am Wald hängen.

'Ja, der Wald stellt wirklich ein gutes Hindernis für ihre Gewehre dar.', dachte sich Ran, als sie die Dichte der Bäume anhand des wenigen Lichtes, welches hindurch drang, analysierte.

'Die Bäume sind ziemlich dick und genug, dass man schon nach fünfzig Metern praktisch zu keinem Zeitpunkt mehr in einer möglichen Schusslinie stehen sollte. Nur... das alleine bedeutet lediglich, dass sie uns nicht direkt erschießen können. Wenn sie sich deswegen entschließen, auf andere Gäste zu zielen, um uns heraus zu locken... Nein. Nicht dran denken, Ran!

Shintos Plan... sein Plan muss klappen. Ich muss ihm vertrauen.' Sie atmete einmal tief durch. So viel, wie sich ihr Kopf bei ihren Überlegungen wand, wollte sie gar nicht so offen zeigen. Schon gar nicht gegenüber den Scharfschützen der Organisation. Andererseits, sie wussten, dass sie wusste, dass sie in den Fadenkreuzen der Zielvorrichtungen ihrer Gewehre einen festen Platz besaß. Man konnte ihr ohne weiteres jedwede unsichere Gedankenkette zu diesem Aspekt andichten und jede Grimasse, jede Gestik hatte irgendwie ihr Existenzrecht darin. Kurzum, man würde ihr aus Sicht der Agenten keine geheimen Pläne aus diesen Bewegungen unterstellen können. Nur ob diese das auch so sahen, war nicht so klar.

'Ich denke wirklich viel zu viel nach.'

Ihre Hand, die die des kleinen Jungen festhielt, drückte diese für einen Moment noch stärker. Es war ein wenig wie mit Conan. Diese Hand..., die Hand, die da war, gab ihr Halt. Sonst nicht vieles.

Sie hatte versucht, ein wenig mit ihm ins Gespräch zu kommen. Seinen Plan hatte Shinto schnell erläutert gehabt und so hatten sie immerhin noch fast 20 Minuten auf der Bank warten müssen, bevor sie aufgestanden waren. Einfach nur ruhig dazusitzen wäre auf Dauer auffällig geworden. Außerdem ging das gute Miene zum bösen Spiel machen über Rans Fähigkeiten hinaus, wenn sie sich erinnerte, dass zwei Gewehre auf sie gerichtet waren. Viel positiver als ernst konnte sie einfach nicht dreinschauen, ein gespieltes Lächeln mal dazwischen, dem aber die nervöse Unruhe nicht abzusprechen war.

Aber Shinto hatte diese Annäherungsversuche ungewöhnlich deutlich abgeblockt, wie sie fand. Traute er sich immer noch nicht, sich ihr zu öffnen? Hatte er immer noch Angst um sie, egal was sie ihm sagte, obwohl sie doch so offen mit ihm vor der Organisation floh?

Oder war ihm etwas aus seiner Vergangenheit mit der Organisation unangenehm, etwas, worüber er nicht sprechen wollte? Aber dann hätte er es doch umgehen können. Alles in allem machte es mehr den Eindruck, oder besser, wollte er scheinbar den Eindruck erwecken, als gäbe es gar keine Vergangenheit zwischen ihm und der Organisation. Realistisch betrachtet erweckte er aber den Eindruck, als gäbe es da hingegen sehr viel, über das er sich nur partout nicht äußern wollte. Und genau das beunruhigte das Mädchen auf eine ihr nicht ganz erklärliche Weise. Sie dachte zunächst, dass es ein deutlicher Unterschied zu Conans Verhalten sei, dem sie immer Vertrauen entgegen brachte... aber das war aus aktueller Sicht Augenwischerei. Sie vertraute Conans Wort, solange sie nichts von seiner Identität ahnte. Nun aber hatte sie oft genug das Gefühl, in dessen Lügen wie in einem offenen Buch zu lesen. Ähnlich wie bei Shinto...

'Und warum beunruhigt mich das dann?'
 

Ungeduldig, aber auch sichtbar nervös verfolgte Chianti die Prozession der beiden Zielscheiben durch das Teleskop ihrer Zielvorrichtung, das Handy über die Freisprechanlage die gesamte Zeit über angeschaltet.

„Sie sind losgegangen.“, kommentierte Korn kühl zur Information für Gin, der noch nicht seine Position erreicht hatte und die Aktion um vier lediglich per Kopfhörer überwachen würde.

„Und, irgendwelche Anzeichen, ob sich der Bengel an den Plan hält?“

„Ja. Sie bewegen sich parallel am Wald entlang und ihre Augen suchen ihn immer wieder kurz auf, was sie aber zu unterdrücken versuchen. Diese Mori hat auch mehr als einmal in unsere Richtung geschaut.“

„Sie hat uns einen bösen Blick zugeworfen.“, musste Chianti einfach einwerfen und das ganze mit einem gehässigen Lachen untermalen.

„So ein ehrgeiziges, junges Ding, ich hätte fast Angst. Haha.“

„Nochmal, unterschätze sie nicht, Chianti!“, konterte Gin mit so drohender Stimme,dass ihr wirklich ein Schauer den Rücken hinunter jagte.

„Die Distanz, die euch trennt, und dein Gewehr; das sind die Gründe, dass du ihr gegenüber im Moment im Vorteil bist, mehr nicht. Im Nahkampf ohne Schusswaffe wärst du mit ziemlicher Sicherheit unterlegen.“

„Bin ich aber nicht, also...“

„Dein Gewehr hast du heute schon einmal verloren.“, unterbrach er sie und lähmte ihre Züge für einen Augenblick.

„Und du musstest für dein zweites eine Weile ohne ein Gewehr, nur mit deiner Pistole bewaffnet, rumlaufen.“ Sie schluckte lautstark, als erneut das Bild des Todesmädchens vor ihrem geistigen Auge erschien.

„Du meinst...“

„Ja, du warst schutzlos, zumindest gegen einen Gegner von ihrem Kaliber. Also pass' beim nächsten Mal besser auf deine Waffe auf, sonst war es die letzte, die du jemals getragen hast!“

Chianti verstummte in ihren Gedanken.

'Der Teufel... tötet nicht selbst, er holt sich nur die Seelen, die er will, indem er die Menschen gegeneinander ausspielt. Dieses Mädchen... sie ist einfach nicht normal.'

„Hat sich eigentlich schon mal wieder dieses Mädchen gezeigt, Korn?“

„Ich hab zumindest niemanden gesehen, der Chiantis Beschreibung gut genug entspräche. Aber... ich denke, sie ist hier irgendwo.“ Man konnte sogar seiner gleichmäßigen Stimme eine unübliche Nervosität entnehmen. Man war es in der Organisation einfach nicht gewohnt, bei einer Mission so eiskalt aufzulaufen. Eigentlich... eigentlich waren die Verluste schon jetzt viel zu groß und wenn es nach Korn ginge, wären Shinto und Mori bei der ersten Rakete jetzt gleich dranne, mit der zweiten würden sie Kanin umbringen und dann eben radikal bei der Kanin-Baugruppe einbrechen und alle Informationen, die zu ihnen führen könnten, rausholen. Auch auf die Gefahr hin, etwas zu übersehen. Es konnte kaum mehr schlimmer ausfallen als bisher.

Er beruhigte sich selbst kurz. Nicht, solange hier Scharfschützen rumliefen, die in so einem Fall auch jederzeit reagieren konnten. Das war es, was ihn von Gin unterschied. Der lange blonde Mann in Schwarz behielt immer die Übersicht und überließ auch jetzt nichts einem solchen Zufall.

'Das einzige ist... er weiß noch nicht, dass es Noir ist... die hier ist.' Innerlich schmunzelte er kurz. Gin wusste von einem Schützen mit solchen Fähigkeiten, wie sie gegenüber Chianti präsentiert wurden und berücksichtigte dies bereits. Der Name Noir wäre für ihn lediglich eine Bezeichnung für ein Problem gewesen, das sich ihm kein bisschen anders dargestellt hätte. Korn würde nicht den Fehler machen, unnötig weitere Probleme herauf zu beschwören, indem er diesen Namen aussprach.

„Na schön, ich werde es nicht ganz schaffen, bin aber, wie gesagt die ganze Zeit verbunden. Ihr berichtet jedes Vorkommnis!“
 

Conan suchte sich eine Position hinter ein paar Bäumen, die ihm ein gutes Versteck gewähren sollte, wenn Ran und Shinto den Wald betraten. Akai wählte eine ähnliche Stelle etwa zehn Meter entfernt, blieb aber noch kurz bei dem Jungen.

„Was ist?“ Der Agent schüttelte unsicher den Kopf. Eine ganze Weile hatte er den Plan Conans nun schon im Kopf gewälzt.

„Mhm... du verlässt dich da ganz schön auf dein Glück, oder besser darauf, dass du keinen Fehler in der Interpretation gemacht hast. Wenn die beiden anders kommen, oder die Schützen direkt scharf schießen...“

„Wir waren uns doch da einig, oder nicht, Herr Akai? Shintos Aussagen sind bis zu einem gewissen Punkt korrekt. Wollten sie ihn töten, hätten sie es längst getan. Sie treiben ihn vorwärts, nur eben, dass er selber es auch will, was sie nicht wissen.“

„Schon, aber genau das macht die Frage nach dem Grund für diesen Angriff doch so auffällig. Was bezweckte Yuumura damit? Außer, dass sie eigentlich noch mehr Gefahr für die Zielperson herauf beschwor? Oder... anders gefragt... warum vertraust du diesen beiden Frauen?“

Conan blickte ihn eine ganze Weile, zunächst erschrocken, dann sturköpfig, schweigend an.

„Sie waren es, die dir sagten, dass die Organisation heute hier ist, nicht wahr?“

„War wohl nicht so schwer zu erraten, nachdem Sie ihnen begegneten, was?“

„Überraschend – und das ist eine Untertreibung – ist es trotzdem, Kudo. Was hast du mit zwei Attentätern zu schaffen?“ Er wandte sich etwas ab, sah zu Ran und Shinto, die sich gerade auf den Weg machten.

„Ich weiß es selbst nicht genau, Herr Akai. Irgendetwas wollen sie von mir. Sie haben mich aufgesucht, mich beobachtet... mir direkt nachspioniert... und nun per Nachricht herbestellt, könnte man sagen. Deuteten lediglich an, dass die Organisation hier wäre heute, ohne Details, und eben dass sie mich treffen wollten. Warum auch immer. Mehr weiß ich zu dem Thema nicht.“

Die ganze Zeit sah er ihn ihn nicht an, blieb auch weiterhin stur mit den Augen auf seine Freundin fixiert, spürte aber dennoch den weiter bohrenden Blick auf seiner Haut.

„Du weißt, wer sie sind?“

„... Ja... das ist etwas, was ich wirklich von Vermouth erfahren habe... sie war... halb ausgeflippt bei dem Namen, also nehme ich das auch ernst.“

„Man sollte Legenden auch nicht zu ernst nehmen.“

Er schmunzelte leicht hoffnungslos.

„Ich glaube auch nicht, dass ich es mit einer eintausend Jahre alten Frau zu tun habe... aber Sie haben gesehen, wozu sie in der Lage sind.“

„Mhm... Und?“

„Und was?“

„Du sagtest, es wäre alles zu dem Thema, also ihrem Motiv, was du wüsstest. Das klang so, als hättest du zu Mireille Bouquet und Kirika Yuumura selbst noch etwas hinzu zu fügen.“

Nun drehte er sich doch wieder zu ihm um, hob skeptisch die linke Augenbraue.

„Nein... nein, nicht wirklich. Ich hatte mir, anhand von Miss Jodies Informationen und einigem, was mich noch so streifte, meine eigenen Gedanken zu den beiden gemacht, aber da kam noch nicht so richtig was heraus.“ Er kratzte sich verlegen am Kopf, verfiel in lautes Grübeln.

„Insbesondere fehlt mir noch ein wenig die Bedeutung von dieser dritten Person, von der sie dauernd reden.“

„Die dritte Person?“

„Kirika erwähnte mal eine gewisse Chloe, doch so weit ich weiß, sprechen beide nur ungern von ihr. So richtig kann ich sie nicht einordnen, oder besser, von dem, was ich weiß, hätte ich zwei naheliegende Interpretationen, was es mit ihr auf sich... hatte...“

„Sie ist tot?“

„Mit ziemlicher Sicherheit, eine der wenigen Dinge, die übereinstimmen in den Varianten..., nur da ich nicht mehr als ihren Namen habe...“

„Und was für Interpretationen sollen das sein?“

„... Sie müssen jetzt langsam auf Ihren Posten, Herr Akai, sonst wird es eng mit dem Zeitfenster.“, würgte er die Diskussion ab und drehte seinen Kopf wieder in Richtung der beiden Zielpersonen, bewusst weg vom Agenten.

'Mhm... nun gut, Kudo. Aber das klären wir nochmal.' Damit wendete auch er sich ab und suchte seine Position auf.
 

Pünktlich um vier schossen hinter Ran und Shinto die ersten Raketen hoch in den Himmel. So begeistert das Mädchen noch vor einer Stunde davon war und den Anblick glaubte, mit dem Jungen an ihrer Seite genießen zu können, so sehr schrak sie diesmal beim Geräusch hoch, drehte sich nur kurz in Richtung des Feuerwerks um. Überall um sie herum, wenn auch in gemäßigtem Abstand, weil sie sich etwas abseits bewegten, waren die Leute stehen geblieben und sahen kollektiv in eine Richtung nach oben, wo sich ein sattes Grün auf dem azurblauen Himmel abzeichnete und einen zweiten Horizont zu erzeugen schien.

Die Farbe der Hoffnung.

Dann fiel ihr Blick nach unten, auf den Boden.

'Da sind sie!'

Zwei Einschusslöcher, direkt vor ihren Füßen. Ihre Hand umklammerte die Shinto's etwas fester, bis er zu ihr hoch sah.

„Wollen wir... Ran?“ Wollen?! Sie lächelte schwach, nickte geräuschlos. Dann blickte sie nach vorne, holte tief Luft und schritt los. Geradeaus, immer ein Stück parallel zum Wald. Und so langsam und gleichmäßig wie möglich.
 

„Sie sind auf dem Weg. Noch läuft alles normal, Gin.“
 

Die zweite Raketensalve kam hoch, das zweite Paar Schüsse vor ihre Füße fand sein Ziel, die entsprechenden Schritte gingen sie weiter.

Die dritte Raketensalve kam hoch, das dritte Paar Schüsse vor ihre Füße fand sein Ziel, die entsprechenden Schritte gingen sie weiter.

Die vierte Raketensalve...

„Jetzt!“, rief Shinto und ohne sich umzusehen, ohne einen Ansatz, hob Ran Shinto mit einer Hand hoch, er klammerte sich an ihren Armen und ihrem Kleid fest, und sie lief senkrecht zur Bewegungsrichtung direkt in den Wald hinein.

Aus dem Augenwinkel sah sie hinter sich, einen Meter von ihrer Wendung entfernt die Schüsse von der vierten Salve aufkommen. Aber in diesem Moment hatte sie bereits die ersten Bäume hinter sich gebracht. Sie rannte, was sie konnte, sah nur, in welcher Richtung es dunkler wurde. Sie meinte, kurz einen großen Schatten hinter einem der Bäume wahrgenommen zu haben, der ihr irgendwie bekannt vorkam, dann aber wieder verschwand, so dass sie ihn gleich wieder vergaß.
 

Sie lief nur immer weiter, bis plötzlich etwas ihre Aufmerksamkeit erregte.

„Was?“ Sie blieb kurz stehen und auch Shinto wirkte etwas ungläubig, als direkt neben ihr, links und rechts, sich je eine Gewehrkugel in den Boden gebohrt hatte. Der Winkel, die Richtung, die Größe der Kugeln, alles passte mit den Kugeln von eben überein.

„Wir werden immer noch beschossen?!“, rief er verwundert aus.

„Das kann nicht sein, wir laufen doch durch den Wald, die Bäume...“

„Naja... beinahe...“, konterte der Junge nachdenklich. Auf seiner Stirn bildete sich eine deutliche Runzel, die in dieser Form heute noch nicht zu Tage getreten war.

„Wie... beinahe?“

„Es ist... praktisch unmöglich. Im dichten Wald stehen die Bäume nunmal zufällig angeordnet und auf der langen Strecke verdecken sie effektiv alle Punkte. Fast zumindest.“

Wieder schossen zwei Kugeln auf beiden Seiten an ihnen vorbei in den Boden, deutlich näher sogar als vorher.

„Aber... einzelne Zentimeter bleiben immer frei. Das heißt, wer entsprechend gut ist als Scharfschütze, kann auch die treffen.“

„Das heißt, wir sind nicht... in Sicherheit?“
 

„Verdammt, diese Mori ist schon wieder stehen geblieben und läuft nicht weiter!“, beschwerte sich Chianti lautstark.

„Dann hat sie jetzt ihren letzten Fehler gemacht. Einen Warnschuss kriegt sie noch. Bei der übernächsten Raketensalve ist sie sonst fällig, klar?“
 

„Wenn wir stehen, vermutlich nicht, aber ich ging auch davon aus, dass es deshalb nicht möglich wäre, zu zielen, weil wir laufen und diese Leute vorher die Lücken anvisieren müssten, was zu riskant wäre selbst für einen Profi-Schützen...“

Ein kurzer Schmerz durchbrach Rans Konzentration, sie drückte mit Gewalt und zusammengepressten Zähnen Shinto an sich, bevor sie einen Blick auf ihr linkes Bein warf.

Ein langer dünner Strich zog sich auf halber Höhe unter dem Knie im flachen Winkel längs vorbei am Bein. Ein wenig Blut quoll daraus langsam nach unten zu ihren Socken.

„Nur ein Streifschuss.“, meinte sie beruhigend und mit verkniffen wirkendem Lächeln zu Shinto.

„Aber wir sollten jetzt wirklich los, sonst wird es beim nächsten Mal kritisch.“

Er sah sich nachdenklich und mit dunkler Miene die Wunde kurz an, dann nickte er.

„Wir kommen kaum tiefer in den Wald, dafür ist der Park nicht groß genug.“

Ein dumpfer Knall erschütterte den Wald um sie herum. Fast gleichzeitig mit einer weiteren Raketensalve.

„Was war das?“, rief Ran ängstlich aus. Auch Shinto klammerte seine Hände verängstigt krampfend in Rans Kleid, drückte sich an sie, was ihr merkwürdig aufstieß.

„Keine Ahnung! Kein Schuss, vermutlich, aber ich möchte es eigentlich auch gar nicht so genau wissen, ehrlich gesagt.“

Damit lief Ran wieder los, in die gleiche Richtung, die sie vor dem Wald nahm, nur diesmal durch den Wald, den leichten Schmerz ihres Beines ignorierend.

Mehrfach noch hörte sie den dumpfen Knall, aus verschiedenen Richtungen und immer meinte sie etwas Laub danach rascheln zu hören, wie von einem starken Windstoß, der die noch größtenteils grünlichen und nur im Ansatz gelblichen Blätter von den Bäumen abrupfte.

Shinto fiel vor allem eines noch auf. Dass, wie vor einer Stunde, mit einem Mal, seit dem Streifschuss an Rans Bein, keine Kugel mehr ihren Weg kam, obwohl das Feuerwerk unvermittelt weiter ging.
 

„Was zum Geier geht hier vor sich?“ Sowohl Chianti, als auch Korn hielten verunsichert, ratlos sogar, inne. Sie hatten gerade ansetzen wollen zum tödlichen Schuss, da Shinto und Ran immer noch diskutierten, anstatt weiter zu laufen, als vor ihnen... ja, was eigentlich?

„Was ist passiert?“, hakte Gin ungeduldig nach

„Der Wald... er hat... er hat gerade eben... gewackelt?!“ Chianti traute ihren eigenen Worten kaum. Das war eben ein noch überraschenderes, nein schockierenderes Ereignis, als die gefundene Pistolenkugel unter ihrem Fenster vor einer Stunde. Das war 'nur' ein unglaublicher Schuss. Aber soeben hatte sich doch tatsächlich der Wald... der 'Waldgeist'... persönlich gegen sie verschworen – sie und Korn – und sich spontan entschlossen, den Blick auf Ran und Shinto für sie zu versperren.

„Der Wald hat gewackelt? Wie bei einem Erdbeben?“

„Nein, nicht richtig. Nur... nur in unseren Blickrichtungen auf die beiden. Die Bäume, die quasi genau in unserem Weg lagen... sie begannen zu zittern. Ganz wenig, Millimeter vielleicht...“

„Aber auf diese Strecke sind es die Millimeter, die stimmen müssen zum Treffen. Und dann... durch das Zittern, haben die Bäume auch noch viel Laub abgeworfen.“

„Zielt nochmal!“

„Was?“

„Es sind noch ein paar Raketen, bis das Feuerwerk vorbei ist, zielt nochmal auf die beiden!“

„Aber sie laufen jetzt. Sogar in die richtige Richtung.“

„Mir doch egal. Ich bin jetzt an einem der Fenster und beobachte den Wald von einem dritten Punkt aus. Lokale Erdbeben, die unsere Ziele verdecken, sind doch in Wirklichkeit irgendein Trick von einem ganz und gar sterblichen Gegner.“

Sie visierten erneut an, das Ziel war Ran Moris Knöchel, dass sie erstmal nicht mehr weiter würde laufen können. Dann konnte man sie jederzeit erledigen.

Unmittelbar vor der Raketensalve, als ihre Finger am Abzug fast durchgezogen waren, begannen die Bäume erneut zu zittern, und Laub um sie herum den Weg nach unten zu suchen. Ein natürlicher Vorhang, der sich schützend vor die Läuferin legte und sie durch den Wald geleitete. Immer Richtung Ausgang. So wie es mal geplant gewesen war.

„Schon wieder, die Bäume zittern, unmittelbar vor unseren Schüssen, und halten uns vom Schießen ab.“

„Das vibrieren der Bäume ist auch stark genug, dass es riskant wäre, an allen vorbeischießen zu wollen.“, ergänzte Korn. „Es könnte Querschläger geben, die den Jungen treffen.“

„Verdammt, das sind definitiv irgendwelche Tricks, aber wie machen die das nur?“

Ein breites Grinsen legte sich auf Gins Lippen.

„Mit Fußbällen.“, entgegnete er ruhig und doch nicht ohne einen Funken Überraschung in der Stimme.
 

Gegen 15:40 Uhr

„In meiner Gürtelschnalle befinden sich selbstaufblasende Fußbälle, die ich jederzeit auslösen kann und die für zehn Sekunden jeweils voll aufgeblasen, also fest bleiben.“

Der Agent starrte ihn nur ungläubig an.

„Du hast... was bitte in deiner Gürtelschnalle?“ Der Junge räusperte sich verlegen.

„Nun ja... ich bin halt recht gut im Fußball und benutze üblicherweise meine Schusskraft, verstärkt durch ein paar elektronische Pulse in meinen Schuhen, um Gegner, die mir kräftemäßig überlegen sind..., auszuknocken halt.“

Seine Zigarette wanderte in Akais Mundwinkel von links nach rechts und wieder zurück.

„Dieser Professor?“

„Mhm... ja, er macht immer so komisches Zeug.“

„Er hat zu viel James Bond gesehen. Und eigentlich sollte man dich nicht durch solch gefährliches Spielzeug mit noch mehr Selbstvertrauen vollpumpen.“ Ein argwöhnischer Blick streifte ihn.

„Na schön und was wollen wir damit anfangen? Ein Fußball ist noch viel ungeeigneter, wenn man von hier aus die Schützen treffen will. Und zehn Sekunden ist kein ordentliches Zeitfenster.“

„Nein, nicht gegen die Schützen. Gegen die Bäume.

Sie sagten doch, die Agenten trainierten im Wald, um an den vielen Bäumen vorbei zu schießen. Das heißt, sie arbeiten mit sehr geringer Fehlertoleranz, können sich kaum Abweichungen erlauben. Dafür könnten sie die beiden im Wald erschießen, ohne dass es jemand gleich oder vielleicht überhaupt bemerkt und eine Panik ausbricht. Wenn sie zu einem radikaleren Plan übergehen wollen, werden sie mitten im Wald, bei der kleinsten falschen Reaktion, anfangen auf sie direkt zu zielen...“

„Und vermutlich dabei, wenn ihnen Shinto etwas bedeutet, das Mädchen zuerst umbringen.“

„Genau. Aber diese enge Toleranz können wir für uns nutzen. Die Bäume hier sind dick, aber nicht so dick. Ein kräftiger Volltreffer in die Mitte dürfte sie leicht in Vibration versetzen, während die Kronen stark zu zittern anfangen, was auch auf die anderen Bäume übergreift. Das bereits sollte diese Toleranz auf quasi Null setzen.

Dazu dann noch das Laub, das zumindest bereits etwas weniger fest an den Bäumen hängt, da die Nährstoffzufuhr aus dem Sommer zurück gegangen ist...“

„Du willst also..., dass wir, wenn die Schützen der Organisation auf deine Freundin zielen, mit deinen künstlichen Fußbällen auf die Bäume in ihrer Nähe zielen... um den Schützen die Sicht zu nehmen? Ohne dabei die Aufmerksamkeit der Organisation, oder von Shinto und Ran auf uns zu ziehen?“

Ein mildes Lächeln ging über seine Lippen, während er seine Stirn massierte.

„Das ist so verrückt... tse... ich glaub's nicht, wozu ich mich von dir immer verleiten lasse.“

Conan sah ihn gar nicht richtig an.

„Ich habe insgesamt 20 Fußbälle in meinem Gürtel. Da wir jeweils zweimal schießen müssen, um beiden Schützen die Sicht zu nehmen, haben wir also zehn Versuche. Das reicht nicht für das ganze Feuerwerk. Wir müssen also uns auf die beschränken, die im Wald sind und die gezielt sein werden.“

„Sie werden sicher einen Warnschuss abgeben. Sie müssen sicher gehen, dass es keine andere Möglichkeit gab, Shinto dazu zu bewegen, dem Plan weiter zu folgen. Das heißt, wir sollten das recht gut abschätzen können. Allerdings werden wir uns auch immer mit Ran und Shinto mitbewegen müssen, um die richtigen Bäume treffen zu können...“

„Das ist nicht ganz so schlimm, die Bäume stehen relativ dicht zueinander und weil sie noch dünn genug sind, braucht man nicht volle Kraft aus nächster Nähe, um die Äste zum zittern zu bringen.“

„Was mich zur Antwort auf deine Frage bringt. So ein toller Fußballer bin ich nicht, Kleiner.“

Conan musterte ihn von oben bis unten, beobachtete, wie er seine Zigarette rausnahm und ausdrückte.

„Sie sind Linkshänder.“

„Äh... ja.“

„Auch Linksfüßer...“

„Ja, aber... nein, das soll doch ein schlechter Scherz sein! Behalt' ihn an, Kudo!“

Aber schon hatte der Junge mit gekonnter Bewegung seinen linken Schuh ausgezogen und hielt ihn dem Agenten hin.

„Ich bin Rechtsfüßer und außerdem... weil ich halt schon lange Fußball mache habe ich auch ein bisschen Plattfuß. Das heißt die Schuhe sollten eng sein, aber noch gerade so tragbar für einen erwachsenen Japaner, der nicht zu groß ist.“
 

'Unglaublich!', dachte sich Akai nicht nur bei dem Gedanken daran, zu was für einem absurden Plan ihn der Junge überredet bekam, sondern auch, wie gut er funktionierte. Der Streifschuss als letzte Warnung an Ran war deutlich... nun ja, zumindest für Kudo und ihn, nicht so sehr für Shinto und Ran offenbar. Er begann allmählich an den Fähigkeiten des mysteriösen Jungen zu zweifeln.

Aber nun gut, es klappte. Conan schoss ihm einen Ball zu, und sie beide zogen gleichzeitig unmittelbar vor der nächsten Rakete ab. Ein zucken ging durch sein Bein, als der elektrische Impuls ausgelöst wurde, aber das Resultat war mehr als beeindruckend. Er konnte deutlich beobachten, wie Korn von seiner Position kurzzeitig zurück wich.

'Der Rest sollte jetzt relativ...'

Jetzt zuckte er selber kurz, als er beim umdrehen eine entfernte Gestalt in einem Haus ausmachte, die ebenfalls etwas wie eine Waffe zu halten schien. Und ebenfalls schwarz gekleidet war.

'Gin...?'
 

„Wie... Fußbälle?“

„Jemand schießt, unmittelbar vor den Raketen, mit voller Wucht Fußbälle auf die Bäume, um sie zum zittern zu bringen.“

„Und dieser jemand...“, fügte er nach einer kurzen Pause mit leicht ironischem Unterton hinzu,

„...ist Shuichi Akai!“

„Akai?! Verdammt, er ist also wirklich in der Nähe!“

„Moment....“ Korn klang sichtlich verunsichert.

„Woher hat Akai die Fußbälle und warum... ausgerechnet... Fußbälle überhaupt?“

„Keine Ahnung. Das ganze ist mehr als merkwürdig, aber zumindest keine Zauberei.“

„Die beiden Zielpersonen nähern sich jetzt bereits dem Eingang.“ Korn war versucht, die unbefriedigende Antwort unbesehen runter zu schlucken und den Plan weiter zu verfolgen.

„Sei es drum. Er hat lediglich dafür gesorgt, dass wir ganz in unserem ursprünglichen Plan bleiben. Und so wie es aussieht, wird uns Akai dann sehr bald nicht mehr stören können.“

„Und solange, bis das der Fall ist, wissen wir nun, wo er sich befindet.“, fügte Chianti mit düsterem Lächeln hinzu.

Dieses wurde nur von Gins Blick in seiner Bösartigkeit noch übertroffen.

'Hmmm... wie ich es mir dachte.'
 

Ran blieb stehen und auch Shinto ließ sich ohne weiteres wieder von ihr absetzen, blickte mit ihr nach vorne. Sie standen kurz vor der letzten Baumreihe auf der Waldseite, die direkt gegenüber vom Eingang war; keine 50 Meter geradeaus, dann würden sie den Park verlassen. Alles genau, wie es die Organisation wollte. Rückblickend ein nicht nur äußerst komplizierter Plan, wie Ran feststellte, sondern auch einer, der ganz offen ein sehr intelligentes Opfer erforderte, welches die Intentionen erkannte. Und das sollte Shinto Ajusawa wohl sein. Sie selbst hätte mittlerweile sich und andere Personen in ihrer Nähe viel mehr gefährdet. Dennoch, es schien ihr irgendwie suspekt, wie viel Aufwand die Organisation betrieb. Und wofür genau? Um ihn lebend zu kriegen...das ginge doch sicher auch einfacher. Ihn mal von der Straße wegfangen ist doch kein Thema bei einem einzelnen Jungen. Warum hier, warum jetzt, warum auf so umständliche Weise?

Kurz zusammengefasst, was war so wichtig daran, ihn genau heute und nicht gestern oder morgen zu schnappen, dass sie so weit gehen mussten in ihren Plänen und eher riskierten, dass er eine Dummheit begehen würde und dann getötet werden müsste, was sie ja angeblich nicht wollten? Sie wurde daraus nicht schlau. Auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wie diese Leute zu denken, musste es doch einfachere, effizientere Wege geben an dieses falsche Kind ranzukommen.
 

„Deine Wunde blutet doch heftig.“, meinte Shinto plötzlich besorgt.

Sie sah verwundert an ihrem Bein runter. Durch das Laufen wurde es stärker belastet, so dass mehr Blut raus floss, welches aufgrund der Trägheit und des Luftwiderstandes sich breitflächig auf der hinteren Hälfte ihres Beines unterhalb der Schusswunde verteilt hatte.

„Ach, wirklich nicht so schlimm.“, kommentierte sie gelassen. Und dies konnte sie auch wahrheitsgemäß. Als Karatekämpferin war sie solche kleinen Schnittwunden gewöhnt und konnte damit umgehen, ohne eingeschränkt zu sein in ihren Bewegungen. Sie holte ein Taschentuch heraus, wischte das Blut unter der Wunde, die selbst nicht mehr blutete, weg, und sah wieder zu ihm.

„Ist aber so besser, sonst fällt es nur unnötig den Leuten am Eingang auf.“

„Mhm... dann wollen wir jetzt durchgehen?“

„Wir müssen, nehme ich an. Auch wenn ich nicht ganz genau weiß... wohin dann.“

„Sie werden sich schon etwas überlegt haben, um uns den Weg zu weisen. Wobei... ich vermute mal...“

„Ja?“ Er überlegte kurz, schüttelte dann den Kopf

„Ach schon gut. Wir werden sehen.“ Er legte seine Hand wieder in ihre; er zitterte leicht. Sie drückte ihn fest, versuchte ihm Mut zu machen.

„Na los.“
 

Als sie die Bäume hinter sich ließen, traten zwei Gestalten wenige Meter hinter ihnen ins Sichtfeld. Akai zog augenblicklich den linken Schuh von Conan aus und warf ihn ihm zu, bevor er sein Handy zückte und parallel zum sprechen eine SMS eintippte.

„Das tut ziemlich weh, wenn man nicht dran gewöhnt ist.“

„Sorry, aber es hat geklappt.“

„Stimmt, was mich fast ein wenig verwundert.“
 

„Wirklich ein origineller Trick, mon petit prince.“

Erschrocken wandten sich beide um. Mireille Bouquet und Kirika Yuumura waren ebenfalls, wie aus dem nichts, plötzlich aufgetaucht und standen je vor einem Baum, etwa fünf Meter voneinander entfernt.

„Ich bin echt beeindruckt.“

„Sie...“, gab Conan nur verkrampft zurück.

„Aber sag... was willst du jetzt eigentlich machen, wenn Ran nun auf freiem Feld steht, wo du ihr nicht mehr so nahe kommen kannst und die Organisation jederzeit abdrücken kann?

Jetzt, wo sie auch ihre Bedeutung als Botin, die Shinto schneller an seinen Bestimmungsort bringen kann, für die Organisation verloren hat und sie keinen Grund mehr haben, sie am Leben zu lassen...

was... hast du nun vor?“

Komplikationen am Eingang

Hallo liebe Lesenden,
 

und willkommen zum 17. Kapitel.

Wie immer erstmal vielen Dank für die Kommis zum letzten Teil. Ich hoffe wie gesagt, es war ein kleiner Trost für die vier Wochen Pause. Und in den nächsten Kapitel wird ebenso immer scharf geschossen werden, versprochen. ;]

Tja, zu diesem hier.. gibt es gar nicht so viel zu sagen...

Ach ja, das Feuerwerk. Es wurde schon mal von einem Kommentator darauf hingewiesen, dass man vielleicht nicht zu viel von ein paar kleinen Raketen erwarten sollte, die bei Tag abgefeuert werden und ein bisschen lehne ich mich diesmal schon weit aus dem Fenster diesbezüglich. Wenn man Raketen gleichzeitig abfeuert und die Austrittswinkel gegeneinander abstimmt, kann man schon einigermaßen ihre Positionen zueinander voraus bestimmen. Berücksichtigt man dann noch die Flächen (Volumen eigentlich aber aus unserer Perspektive halt nur Flächen), die bei der Explosion ausgefüllt werden, kann man auch „solche“ Muster annähern. Wie gut, ist halt die andere Frage. ^^°
 

Ansonsten wünsche ich euch viel Spaß mit diesem Kapitel.

Bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet
 


 

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Kapitel 17: Komplikationen am Eingang
 

Ein tief gehender, kalter Blitz zuckte langsam durch Shuichi Akai und schüttelte ihn, wie er es noch nicht erlebt hatte. Zum ersten Mal stand er ihnen nun so nahe gegenüber. Mireille Bouquet kannte er nur vom Foto, und Kirika Yuumura sah er vor einer Stunde nur aus der Entfernung einmal in real.

Und zu dem Zeitpunkt war sie immer noch 'nur' eine Auftragskillerin, eine Mörderin, die dies regelmäßig für Geld tat und entsprechend gut war. Sehr gut, gut genug, um von seinem Chef den ominösen Befehl zu erhalten, ihr... ihnen beiden, aus dem Weg zu gehen.

Nun aber wusste er, warum es diesen Befehl gegeben hatte. Und er wusste, warum James Black dabei so abwesend gewirkt hatte; so geschockt. Und nun war ihm klar, warum er selbst eben so zurück wich.

Er wusste... wer da wirklich vor ihm stand.

'Noir.' Diese Begegnung gehörte nicht unbedingt zu denjenigen, die er sich jemals erträumt hatte, und sicher auch nicht erwünscht. Aber... selbst wenn, so hätte ihm seine Vorstellung dieses Ereignis doch nicht richtig vorhersagen können. So sehr er sich auf Fakten konzentrierte, so sehr er versuchte, Emotionen aus dem Spiel zu lassen, er konnte sich einer gewissen Ehrfurcht vor diesen beiden Frauen nicht erwehren. Und was dies noch mehr untermauerte, war ihre... Normalität, die sie auszustrahlen schienen. Es waren nur zwei ganz normale, junge Frauen, ihr Äußeres, ihre Kleidung, ihre ganze Mimik und Gestik, nichts betonte in irgendeiner Form ihre außergewöhnliche Natur in diesem Augenblick. Es zeigte ihre wahre Gefährlichkeit – die der vorgetäuschten Harmlosigkeit.

Auch für Conan war es so ein erstes Mal. Das erste Mal, dass er beiden zusammen begegnete, seit er ihre Identität kannte.

'Wie sich doch die Welt verändert, wenn man ein Wort hinzufügt...' War er bereits bei ihrem ersten aufeinander treffen – zuerst an der Teitan-Oberschule und am selben Abend im Restaurant 'Le Grand Success' – misstrauisch gegenüber ihnen geworden, so war er diesmal leicht verkrampft, versuchte seine Atmung zu kontrollieren und seine Gedanken beisammen zu halten. Was ein aussichtsloser Kampf war, so viel stand fest.

'Sie wollen dich offensichtlich nicht töten... aber sie könnten es jederzeit. Was also wollen sie dann von dir?', war in etwa der Ausruf, der in seinem Kopf kontinuierlich hin und her schoss und Chaos stiftete in der geordneten Anhäufung von Wissen und Schlussfolgerungen. Das Chaos des Unverständnisses, welches noch so vielen Fakten keinen Sinn abzuringen vermochte.
 

Mireille war vielleicht diejenige, die beider Erwartungen noch eher entsprach, was immer sie sich von dieser Begegnung versprechen hätten können, hätten Conan oder Akai früher jemals auf sie spekuliert.

Eine junge Frau in den besten Jahren, mit einem fast noch jugendlichen, beinahe überheblichen Lächeln, welches sie aber auf Anfrage bestimmt als ihrer Ansicht nach gerechtfertigt untermauern könnte. Ihre Augen schienen in der Mitte zwischen Agent und Detektiv starr nach vorne zu blicken, als sei da ein undefiniertes drittes Objekt, welches ihre Aufmerksamkeit erfordere. Oder umgekehrt, als seien Shuichi Akai und Conan Edogawa, alias Shinichi Kudo, nicht relevant genug, dass sie ihre Augen mit ihnen belasten müsste. Vielleicht war es auch beides...

Conan suchte im Augenwinkel diesen dritten Punkt und blieb dabei bei Ran und Shinto hängen.

'Sie hat schon ihre Prämissen, was?' Als er wieder zurück schwang, blickten ihre großen, saphirblauen Augen ihn doch an und das Lächeln war eine Winzigkeit breiter geworden. Ein Zeichen von Zustimmung zu seiner Überlegung.

Das für beide wirklich verwunderliche, wenn nicht beängstigende, war aber die zweite der Jungfrauen mit den schwarzen Händen: Kirika Yuumura. Besonders für Conan, der irgendwie erwartete, dass sie nun ihr wahres Ich zeigen würde, und ihre introvertierte Art zugunsten der Meisterschützin, als die sie sich entpuppte, fallen ließ. Wenn es so eine Art gab... so war sie weiterhin versteckt. Kirika machte den Eindruck eines scheuen, melancholisch angehauchten Kindes, welches sich in seiner Position vollkommen unwohl fühlte. Auch sie sah die beiden nicht direkt an, sondern hatte den Kopf leicht nach vorne geneigt. Conans Füße waren wohl noch am ehesten in ihrem Blickfeld, sein Gesicht aber nicht. Sie stand fast neben der Situation, beobachtete... teils abwesend, teils desinteressiert, die wenigen Worte, die die anderen untereinander wechselten. Sie war... einfach unheimlich in dieser Art. Unwirklich, irreal, als gehöre sie nicht in diese Welt.

Und allmählich begannen bei Conan leichte Zweifel, ob es eine extrovertierte Form von Kirika Yuumura überhaupt gab. Ob dieses zögerliche Mädchen vor ihm nicht eher die wahre Person war und die Profikillerin das Schauspiel. Ein Gedanke, der ihm noch gruseliger erschien als die Umkehrung. Schizophrenie war dafür noch ein zu harmloses Wort. Henry Jekyll und Norman Bates trugen in sich stets diese zweite Art von Person mit, sie war ein Teil von ihnen, der irgendwann zu Tage trat. Ein blutrünstiger Hund, der nur vom Willen des Besitzers an der Kette gehalten... und dann und wann von ihr gelassen wurde. Solche Schemen verstand Conan.

Aber hier... hier war es irgendwie anders.

'Nur warum? Es ist, als fürchtet sie sich direkt vor Noir? Aber... das macht doch keinen Sinn, wenn sie es selbst ist.'
 

„Also?“ Als sich keiner der beiden Herren äußerte, hakte Mireille noch einmal nach.

„Wir folgen ihnen!“, konterte Conan diesmal ohne Verzögerung, als sei der zweite Versuch der Korsin wie ein Weckruf für ihn gewesen. Umso mehr zuckte er zurück, als Mireille und, von ihr angesteckt, plötzlich auch Kirika anfingen, zu lachen. Letztere hielt sich unterdrückend die Hand vor den Mund, aber es war doch deutlich heraus zu hören, wie sie seinen 'Plan' belächelten.

„Das möchte ich doch zu gern sehen.“, meinte Mireille schließlich, als sie sich wieder gefangen hatte.

„Wie wohl die Organisation reagiert, wenn sie euch hier aus dem Wald laufen sieht, wenige Meter hinter ihrer Beute.“

„Sie werden nicht schießen, hier sind zu viele Leute.“

„Sicher, aber keiner kann euch vor ihnen schützen, sie sind zu weit weg, um von den Handfeuerwaffen der Polizei oder der Sicherheitsleute getroffen werden zu können. Und Ran und der Junge sind in wenigen Augenblicken raus. In dem Chaos, welches dann entsteht, wenn ihr angeschossen werdet, ohne dass die beiden drin verwickelt sind, haben sie erst recht leichtes Spiel. Ihr solltet sie nicht unnötig motivieren, euch zu erschießen, oder?“

Conan schüttelte, wenn auch unruhig und mit leicht zittrigen Händen, die er in seinen Hosentaschen zu verbergen suchte, den Kopf.

„Nein... nein, sie werden es trotzdem nicht tun. Ziel der Organisation ist es in erster Linie nicht, Probleme aus dem Weg zu räumen, sondern ihnen vorzubeugen.

Es mag sein, dass wir am Eingang leichte Beute sind und keinen direkten Wert haben, dennoch wird die Anwesenheit von Zeugen genug Aufsehen bewirken, welches die Organisation nicht gebrauchen kann. Herr Akai ist den Polizisten als FBI-Agent hier bekannt und das FBI weiß, dass er Agenten der Organisation auf der Spur ist. Das heißt, anders als beispielsweise bei einem Attentat auf einen Politiker würden dann ganz klare Indizien für den Täter vorliegen, was das FBI befähigt, offen mit den japanischen Behörden in so einem Fall zu kooperieren. Und das dürfte das letzte sein, was die Organisation will.“

Mireille lauschte ungerührt, obwohl sie innerlich für ihre Verhältnisse angespannt war. Wenn auch, wie sie ahnte, nicht halb so angespannt, wie Kirika. Diese senkte den Kopf noch etwas weiter, vermied es, Conan oder Akai einen Blick auf ihr Gesicht werfen zu lassen. Denn sie konnte das fröhliche Lächeln nicht verhindern, das ihr ihre Vernunft nun aufzwang. Ein inneres Feuer, was sicher seit Jahren nicht mehr so hell brannte wie in diesem Augenblick. Sie fühlte sich, als könnte sie Luftsprünge machen.

'Ja... er muss es sein. Mach weiter, Shinichi!'

„Nun, aber euch einfach weiter machen lassen wird sie wohl auch nicht, oder?“

„Sicher nicht, aber wenn wir den Park verlassen und etwas abseits sind, ist es doch noch viel einfacher. Freie Ebene, keine schnellen Zeugen, kein Chaos, das unerwartete Schwierigkeiten bringen kann.“

„Toller Plan, Kudo!“, kommentierte Akai zynisch von der Seite. Er stutzte kurz, als Conan nicht erschrocken zu ihm blickte, wegen der heraus gerutschten Nennung seines richtigen Namens. Dann aber bemerkte er, dass auch die beiden Killerinnen das Wort Kudo kalt ließ und begnügte sich mit der Feststellung, dass die Soldats wohl tatsächlich alle Geheimnisse kannten.

„Aber wir sollten vielleicht trotzdem versuchen, nicht getötet zu werden, ja?“

Er schmunzelte.

„Wer sagt denn, dass wir ihnen nach Verlassen des Parks nochmal eine Chance geben, auf uns zu schießen? Außerdem dachte ich eh, dass wir getrennt rausgehen, um unsere Tarnung nicht auffliegen zu lassen.“

Nun musste Mireille wieder schmunzeln.

„Und wer sagt, lieber Herr Meisterdetektiv, dass ihr beide diesen Park überhaupt verlassen könnt?“
 

Hideichi Kanin hatte um die Zeit des Feuerwerks herum ein längeres Interview am Laufen, so dass die Gruppe um Shiratori, die ziemlich genau kurz vor vier die Location dafür erreichte, nicht direkt an ihn ran konnte.

„Können wir ihn nicht einfach da raus holen? Ich meine, das ist eine wichtige Angelegenheit und...“

„Leider nicht, Mori.“, konterte Black, nachdem er schon Shiratori davon abhielt, selber loszustürmen, als ihn der Sicherheitsmann des Konzernchefs zurück hielt.

„Das Problem ist, dass Kanin selbst hier einer der Verantwortlichen ist. Er steckt mit drinne in der Sache mit der Org... den Yakuza.“

Kogoro stutzte kurz, während die Raketen durch gezielte Positionierung und Timing über ihnen grüne Muster formten. Bei genauerer Betrachtung sah der geschulte Blick darin bekannte Formen. Die Insel Honshu. Dann, als diese verblasste, vier große Blöcke, die die Inseln Japans repräsentierten. Und schließlich... ganze Kontinente?

'Beeindruckend, wie man verschiedene Raketen anordnen kann um, solche Formen aus Licht hinzukriegen.' Es schien ein Symbol zu sein, welches ihm bei längerer Überlegung passend schien. Die Gemeinsamkeiten, die Zusammenhänge der Menschen, auf dieser einen Welt. Sie lassen hoffen – deswegen grün – auf eine Zusammenarbeit dieser Menschen, Kooperation untereinander.

Und sofort war er wieder bei den FBI-Agenten und der Frage, die Blacks Formulierung bei ihm herauf beschwor.

'Schon wieder... er wollte Organisation sagen, wie vorhin. Definitiv! Sogar mit dem entsprechenden Artikel... das kann doch kein Zufall sein. Nennen die Amerikaner die Yakuza Organisation? Wäre mir neu. Und selbst wenn, warum bricht er es dann mehrfach im Wort ab, als wäre es falsch?'

„Er hat auch etwas geplant mit diesen Leuten. Und das heißt, wenn wir offen auf ihn zu gehen, wird er sofort dicht machen und uns womöglich durch seine Wachleute von ihm fern halten. Wir müssen... langsam an die Sache ran gehen. Harmlos... diplomatisch.“

Das Handy des alten Mannes riss ihn aus seinen Gedanken.

„Eine SMS von Shuichi. Ah, die Zielperson... ist noch OK und passiert gerade den Eingang.“

„Dann müssen wir uns beeilen, denn ab dem Eingang haben sie leichtes Spiel, was auch immer sie wollen.“ Unwillentlich fing Shiratori an, seinen Nagel zum Mund zu führen, als Mori ihn anstieß. Dunkle Wolken zogen sich über den Augenbrauen des Detektivs zusammen.

„Ich verstehe ja, dass wir nicht alle am Eingang hätten sein sollen, aber wieso nicht wenigstens einer, um die Lage zu checken? Wir müssen so diesem Agenten, den wir noch nie gesehen haben, vertrauen. Mir ist überhaupt nicht wohl bei der Sache.“

„Mir auch nicht, Mori, aber wir können niemanden so zum Eingang schicken.“ Er sah ihn verdutzt an, woraufhin der Kommissar leicht die Mundwinkel nach oben zog.

„Ich hatte ehrlich gesagt nie vor, mit den Agenten zum Eingang zu gehen. Dass wir zu viert zu viel Aufmerksamkeit erregen, stimmt, vor allem, da die Schützen definitiv Blacks und Starlings, vermutlich aber auch mein und vielleicht sogar Ihr Gesicht kennen. Je nachdem wie gut sie vorbereitet sind. Aber wenn sie, wonach es ja aussieht, das FBI erwartet haben, sind sie sehr gut.“

„Schön, aber einzeln...“

„Einzeln bräuchten wir jemanden, der Befugnisse hat, um im Zweifelsfall einzugreifen. Sie sind Zivilist, Mori, scheiden also aus. Ich kann nicht die Agenten alleine lassen, weil ich die Verantwortung trage...“

„Ich dachte, Sie vertrauen ihnen?“

„Tue ich, kann aber trotzdem nicht alles riskieren. Einen von ihnen alleine lassen, ja, beide, nein. Außerdem ist das eigentliche Problem, dass ich nicht einfach den Park verlassen kann, weil ich für die ganze Feier verantwortlich bin. Meine Männer am Eingang würden ganz schön komisch gucken, wenn ich kurz nach vier hier abhauen wollte.“

„Und die Agenten selbst, ich meine einzeln?“ Er schüttelte resigniert den Kopf.

„Na die werden doch momentan direkt am Eingang abgefangen und festgehalten.“
 

Conan und Akai sahen sich fragend an, schauten dann nochmal Richtung Eingang. Dieser war bei weitem nicht mehr so belebt wie zur Mittagszeit. Wenige Leute wollten jetzt noch rein und mussten kontrolliert werden und einige gingen mittlerweile wieder, die vielleicht schon seit Vormittag hier waren, größtenteils Familien. Entsprechend waren nur noch wenige Polizisten in diesem Bereich tätig. Dafür aber hatte sich eine kleine Traube mit Beamten, Sicherheitsleuten und einigen Gästen, die unruhig wirkten, etwas Abseits gebildet.

„Hm... sind das etwa...“

„Die Leute von Nichiurie-TV, die sich wegen des Verschwindens von Rena Mizunashi bei der Polizei gemeldet hatten und wegen der Jodie Starling als Verdächtige verhaftet wurde...“ Mireille bewegte ihren Kopf einmal elegant hin und her, wodurch ihr blondes Haar sich sanft der Luftströmung fügte und ein Stück dahin wellte.

„Oh nein!“ Conan's Augen bekamen einen glasigen Ausdruck.

„Das bedeutet, da Sie sich am Eingang als FBI-Agenten zu erkennen geben mussten, um Ihre Waffen zu behalten und nun verdächtig sind...“

„Exakt. Agent Akai wird, ebenso wenig wie Agent Starling und Agent Black den Park anders als in Polizei-Gewahrsam verlassen. Und die Polizei kann natürlich auch nicht einfach ohne Grund raus, weil sie sich hier um die Sicherheit kümmern muss. Nach dem peinlichen Auftritt auf der Ocean Goddess können sie sich keinen zweiten Fehler dieser Art leisten.“

Ihr Blick wanderte daraufhin zu Conan.

„Gratuliere, Conan. Du hast dir das exklusive Recht erworben, jetzt als einziger der Personen, die dir helfen könnten, den Park noch verlassen zu können. Und deine Freundin und der kleine Junge... werden ihn jetzt verlassen!“
 

„Mireille!“, unterbrach sie Kirika ruhig und doch drängend.

Die angesprochene stockte kurz, sah dann nochmal Richtung Eingang und biss unsanft die Zähne zusammen.

„Dieser Idiot!“
 

Ran und Shinto schritten langsam, geradlinig und mit etwas zu steifem Blick Richtung Ausgang, immer versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Es waren nicht viele Leute um sie herum da, denen sie auffällig werden konnten und bis auf die merkwürdige Traube an Leuten rechts neben den Durchgängen war es dort, wo sie den Park verlassen wollten, richtig leer.

„Es ist halt noch mitten am Tag. Die Feier und insbesondere die Feuerwerke sollen noch bis 19 Uhr andauern. Da will kaum einer jetzt schon gehen.“, kommentierte Shinto, als er Rans unsicheren Blick deutete.

Sie nickte mit schwachem Lächeln, und blickte dann sofort wieder zum Ausgang. Ein Polizist stand dort noch, der immer wieder neue Gäste kontrollierte, aber auch das hatte sich fast gänzlich gelegt.

So drehte er sich dann langsam um, als er ihre Schritte hinter sich hörte, sah zuerst den Jungen, und lächelte etwas unsicher.

„Einen schönen Tag noch...“ Dann stockte er etwas, als er Ran registrierte. Auch sie fixierte seine Augen, bemerkte die Nervosität, konnte sie aber nicht richtig deuten.

Er bemerkte, wie sie misstrauisch wurde, rückte sich die Dienstmütze tief ins Gesicht und drehte sich dann zur Seite, um sie durchzulassen. Als sie an ihm vorbei schritten, suchte Ran erneut seinen Blick, aber er verbarg es. Dafür sah sie, wie seine Hände zu zittern anfingen, geballt zu Fäusten schlaff an seiner Seite hängend.

'Was hat er nur? Ist ihm schlecht?'

Sie wollte sich abwenden, doch als sie den ersten Schritt außerhalb des Parks machte, ergriff sie plötzlich eine Hand am rechten Arm.

„Hey, was zum...?“ Es war die Hand des Beamten, die sie umklammert hielt und stark zudrückte. Dennoch hob er immer noch nicht richtig seinen Kopf. Er wirkte wie eine schlecht geölte Maschine, versteift, verkrampft, unbeweglich in seiner Pose verharrend.

„Was... was ist denn, Herr Polizist, wir wollen gehen.“

„Wollen Sie das wirklich, Fräulein?“ Er biss sich auf die Lippen, zwang sich dann, aufzusehen. Bleiche, Furcht, Sorge stand in seinen Augen. Mitleid für eine unrettbare Seele. Ihre Seele.

„Ich werde doch wohl wissen...“

„Noch können Sie fliehen!“, unterbrach er sie, mit Angst im Gesicht. Todesangst.

„Aber...“

„Es wartet nur... nur der Tod da draußen auf Sie. Sie werden Sie töten, ist Ihnen das nicht klar?“ Sie zuckte erschrocken zusammen und auch Shinto blickte auf einmal wie versteinert.

'Ein... nein, das ist doch kein Mitglied der Organisation, wenn er solche Skrupel hat.' Ein Gedanke, der beide gleichermaßen erfasste und nicht losließ.

„Wer... wer sind Sie, Herr...“

„Oh... Kasuragi. Aber... das...“

Sein Handy unterbrach ihn und ein tiefer Kloß steckte mit einem Mal in seinem Hals. Er ließ das Mädchen los. Ran zog sofort ihren Arm weg und betrachtete den Mann, dem auf einmal alles restliche Blut aus den Adern zu schwinden schien. Und aus den Haaren, meinte sie doch graue Ansätze zu sehen, wo vorher keine waren.

Er holte das Mobiltelefon langsam, ganz langsam aus seiner Tasche, sah auf das Display und fuhr gleich einen Schritt zurück.

„Nein... nein nicht sie!“

Das Telefon klingelte erneut und allmählich wurden auch seine Kollegen auf ihn aufmerksam.

„Kasuragi, was ist denn? Geh endlich ran, oder ist was mit den beiden Kindern da bei dir? Suchen sie ihre Eltern oder was?“

Aufgeregt von den Rufen der anderen Polizisten tat er das, was er für den Rest seines Lebens bereuen sollte. Er drückte, unbewusst, auf den Annahmeknopf. Die Verbindung stand.

Zitternd führte er es an sein Ohr.

„H-hallo?!“

„Lassen Sie die beiden gehen oder wollen Sie sterben, Kasuragi?“, fauchte eine Frauenstimme ihn durch den Hörer an.

Das war sie! Sie! Die Person, von der er nur wusste, dass sie heute im Park sein würde. Er wusste, dass es um den Jungen ging, um Shinto. Er wusste vom FBI, von Conan Edogawa und den Moris und von der Organisation. Zu allen relevanten Personen hatte man ihm Daten mit Bildern geschickt. Nicht, was sie wollten, nur, wer sie waren, damit er Bescheid geben konnte, wann wer den Park betrat und wer ihn verließ. Entsprechend konnte er auch vor kurzem Gins Verlassen melden. Und nun... der Junge, wie erwartet, aber... mit dem Mädchen? Das konnte nicht gut ausgehen. Nicht Teil des Plans sein!

Und dann wusste er noch, wenn auch ohne Bild, dass sie hier sein würden Die Jungfrauen mit den schwarzen Händen, die innerhalb der Soldats so berühmt wie gefürchtet waren. Noir. Er hatte eben die Stimme einer wahren Noir gehört!

Blitzartig zuckten zuerst seine Augen, dann sein ganzer Kopf hin und her. Sie wussten, dass er hier den Jungen und Ran Mori aufhielt; das bedeutete, sie sahen ihn. Von irgendwo. Er wurde beobachtet, von Noir! Schließlich blieb er bei dem Waldstück hängen, aus dem eben Ran und Shinto kamen. Da war ein Mann... womöglich der eine Agent... und ein kleiner Junge... Conan Edogawa?... und hinter ihm... zwei Frauen, die aber bereits undeutlich zu erkennen waren wegen der Entfernung und der Bäume.

'Das sind sie... das sind... die Jungfrauen mit den schwarzen Händen!'

Auch Ran wandte, als sein Blick sie fixierte, sich dorthin um. In diesem Moment verschwanden die Jungfrauen wie vom Erdboden, während der kleine Junge sich hinter einem Baum drehte. Lediglich Akai konnte sich wegen seiner Statue nicht vollkommen unsichtbar machen für Ran. Sie sah etwas von ihm... und sie erkannte ihn.

'Der FBI-Agent! Der aus New York vor einem Jahr... der auch hier in Japan immer wieder auftaucht... und der damals im Tropical Land diesen anderen schwarzen Mann verhaften wollte. Das FBI... ist hier und hinter diesen Leuten her?'
 

„Verschwinde endlich, du Narr!“, knurrte Mireille ungeduldig vom Baum aus. Kirika blickte nur traurig auf ihn, zog langsam ihre Waffe aus ihrem Halfter.

„Warte, Kirika....“

„Sonst wird es die Organisation tun.“

„Direkt am Eingang? Während Ran und Shinto bei ihm sind? Dann lässt die Polizei die beiden nicht mehr raus.“

„... zwei.“

„Was?“ Mireille blickte sie erschrocken an, dann zum Polizisten, der immer noch im Schockzustand unfähig war, zu reagieren.

„Ahh... na schön.“
 

„Der Typ lässt sie immer noch nicht durch. Aber er hat einen merkwürdigen Anruf erhalten. Ich glaube, das ist ein Soldats.“ Chianti knirschte ungesund mit den Zähnen.

„Das sehe ich, Chianti. Und mit ziemlicher Sicherheit haben die einen am Eingang, um zu erfahren, wann wer von uns oder dem FBI den Park betritt oder verlässt.“

„Das heißt, sie wissen auch von dir.“

„Mhm...“ Man hörte ein unwirkliches zischen in Gins Stimme. Seine Planänderung hatte vielleicht doch weniger Erfolg als erhofft. Dennoch. Es war auch eine Möglichkeit. Dieser Typ handelte ganz offensichtlich vom Plan der Soldats abweichend. Das musste doch eine Option bieten, um endlich das Ruder an sich zu reißen und die Soldats auszustechen.

„Sollen wir ihn erschießen, Gin?“

„Spinnt ihr? Direkt wenn die Gören und ein Haufen anderer Bullen daneben stehen? Dann können wir gleich beide erschießen. Aber trotzdem, der Kerl wird sie uns bestimmt gleich in die Hände spielen. Wartet nur ab.“

Er schmunzelte kurz in sich hinein.

'Mal sehen, was ihr nun macht mit eurer Kunst?'
 

Ein paar Baumkronen sprang Mireille weg vom Eingang und hoffte einfach, dass das Geräusch des Schusses dort nach dem Schalldämpfer nicht mehr zu auffällig wäre.

Dann drückte sie ab. Richtung Kopf des Polizisten.
 

Conan beobachtete unruhig, wie die beiden Mörderinnen, scheinbar ohne Behinderung der Gravitation, sich durch die Luft bewegten, riss den Kopf dann wieder zu Ran und Shinto, dann wieder zurück zum Agenten.

„Herr Akai... ich...“ Er schüttelte verstehend und doch nachdenklich den Kopf.

„Schon klar. Du musst gehen. Aber was ist mit den Agenten? Falls du es nicht bemerkt hast, auch Gin hat sich mittlerweile mit seinem Gewehr in einem der Lagerhäuser verschanzt. Er hat mich wohl beim laufen gesehen.“

„Gin?!“ Man spürte förmlich, wie es in seinem Gehirn raste, aber es kam nichts bei raus.

'Aber... hätte er dann nicht auch mich bemerken müssen? Oder war ich wegen meiner Größe besser getarnt?.'

Er hielt sich kurz die Stirn, wischte den Gedanken für einen Moment bei Seite.

„Dennoch. Ich... muss gehen, ja. Ich werde abwarten, bis Ran und der Junge raus sind. Dann sollten die Agenten so weit auf die beiden fokussiert sein, dass sie mich nicht sofort bemerken und außerhalb des Parks finde ich schon einen Weg, mich zu verstecken. Auf dieser Seite ist doch der Parkplatz zum Beispiel.“ Er lächelte optimistisch, auch wenn Akai es als Spiel abtat.

'Oder bist du doch noch so von jugendlichem Übermut beseelt? Nach allem, was du schon erlebt hast?' Er schmunzelte mit zugekniffenen Augen.

„Wie gesagt, ich versteh dich, Kleiner. Aber auch in ihrer Nähe wirst du gegen die Schützen nichts ausrichten können. Und in einem Punkt hat Bouquet recht. Sollte Ran Mori irgendeinen Nutzen für die Organisation haben, so ist dieser mit dem Eingang ebenso Geschichte wie der Schutz durch die Anwesenheit von Zeugen. Sie werden sie... im besten Fall... nein... nein, das wird dieses Mädchen eh nicht zulassen.“

Ein tiefer Seufzer entrang sich Conans Kehle. Er ahnte genau, worauf der Agent hinaus wollte. Und er hatte recht. Ran würde eher sterben, als das zu tun. Gerade, wenn es so war, dass sie in dem Jungen einen zweiten geschrumpften Erwachsenen sah, der ihm helfen konnte.

Dann begann Conan wieder zu schmunzeln, und schließlich sogar schwach zu lächeln.

„Also... sind es jetzt drei. Das... passt doch.“

„Ach ja? Und warum sollten sie...“

„Herr Akai! Ich dachte, wir wären uns einig.

Dass Mireille Bouquet mich hier her bestellt hat und auch auf die Organisation verwies;

Dass sich die Organisation einen so komplexen Plan ausgedacht hat, um an Shinto ran zu kommen;

Dass die beiden Scharfschützen von Kanin so leicht erledigt werden konnten;

Die Show von Shinto beim Antiquitätenstand;

Die Entführung von Rena Mizunashi und der Auftritt gegenüber Miss Jodie, sowie der Kunstschuss auf Chianti;

Es gibt doch nur eine sinnvolle Erklärung für den Auftritt von...“

„Noir. Ich weiß.“ Akai runzelte kurz die Stirn.

„Also sollte es möglich sein...“

„Und die Koordination?“ Der Junge schüttelte resignierend den Kopf, drehte sich dann vom Agenten weg.

„Ich muss Ihnen da vertrauen, Herr Akai. Sie müssen einen Weg finden.“

„Mir vertrauen? Du meinst... das Leben deiner Freundin... anvertrauen? Obwohl du selbst nicht weißt, wie es möglich sein soll, sie zu retten.“ Bewusst senkte er seine Stimme, wich von der beabsichtigten Form als Frage ab.

„Sicher...“, kam es leise, unbestimmt vom Jungen.

„Sie sind schließlich nicht der einzige, der mein Vertrauen wünscht, oder? Und unmögliches haben Sie ja heute schon gesehen.“
 

Kasuragi spürte, wie ein heißer Luftzug ihm wörtlich die Kappe vom Kopf hob. Es war ein warmer Strahl, der sie auf einer Seite traf, durchbohrte, dann einen Zentimeter über seinem Kopf hinweg flog und dabei seine Haare so erhitzte, dass er Angst hatte, sie würden anbrennen, und schließlich wieder auf der anderen Seite austrat. Dabei übertrug sie jedoch genug Impuls, um die Mütze zur Seite umkippen und von seinem Kopf fallen zu lassen.

Er wusste es... im Moment als seine Haare heiß wurden, wusste er, dass er eben Teil einer gruseligen Inszenierung von Wilhelm Tell wurde und es Noir war, die den 'Apfel' von seinem Kopf holte. In der ihnen eigenen Art.

Ran, die mittlerweile an diese Schüsse gewohnt war und nicht wusste, dass es nicht Korn und Chianti waren, die geschossen hatten, zuckte doch erneut zurück, als sie den blutleeren Ausdruck von Panik im Gesicht des Polizisten wahrnahm.

„Kasuragi, man. Pass doch mal auf deine Dienstkleidung auf! Echt, das darf doch nicht wahr sein.“, mokierten sich die erheiterten Kollegen über ihn. Eine Formulierung, die Ran nur noch mehr verängstigte.

'Sie haben nichts mitbekommen! Es ist immer noch... immer noch alles ein Geheimnis. Die Polizei weiß nichts von ihnen und er... er ist... vermutlich von ihnen erpresst wurden?'
 

„Kasuragi?!“, fauchte es erneut aus dem immer noch angeschalteten Mobiltelefon. Er hob, leicht aus seiner Starre gelöst, das Handy wieder an sich.

„Sie werden jetzt diese beiden Personen gehen lassen. Sie werden ihnen nicht folgen, nichts weiter zu besprechen haben und über die Löcher in ihrem Hut werden Sie auch kein Wort verlieren! Klar? Sonst garantiere ich Ihnen, wird die Organisation Sie töten. Und... die beiden Kinder. Wollen Sie das?“

„N-nein... nein, das will ich nicht.“, stammelte er sich zusammen, immer mit dem tief wirkenden Blick Rans auf seiner Haut spürend.

'Wird er uns... jetzt...'

„Geht.“

„Was?“ Beide blickten ihn verwirrt an, doch Kasuragi schüttelte nur an sich selber zweifelnd den Kopf.

„Geht bitte. Und... und habt Vertrauen.“

„Vertrauen?“

„Vertrauen, dass ihr einen ziemlich mächtigen Schutzengel auf eurer Seite habt.“

Plötzlich begann der kleine Junge überzeugt zu schmunzeln.

„Man braucht nicht auf höhere Mächte vertrauen, wenn man einen schlauen Kopf hat.“

„Und doch hättest du bereits versagt, wäre er nicht gewesen.“, murmelte er widersprechend.

Die beiden so stehen lassend wandte er sich nach seiner Mütze um.
 

„Lass... lass uns gehen, Shinto. Wir können hier nichts mehr machen.“

Mit skeptischem Blick beäugte der Junge kurz den gebrochenen Mann und drehte sich dann auch um.

'Wie, versagt? Mein Plan hat keine Fehler, ich habe alle Optionen bedacht, was ein normaler Mensch machen könnte, um dieses Spiel gegen mich zu entscheiden.'
 

Kasuragi hob die Mütze kurz an, fasste bei beiden Löchern mit dem Zeigefinger rein und weitete sie zu länglichen Schlitzen.

„Ach verdammt!“, ärgerte er sich hörbar, als er schließlich mit ihr wieder aufstand.

„Sie muss sich wohl an einem Stein aufgeritzt haben... zwei mal.“

Er zeigte sie mit entnervtem Blick seinen Kollegen, die nur noch lauter anfingen zu lachen.

„Ach Mensch, Kasuragi, heute ist echt nicht dein Tag. Komm, ich übernehme mal für dich.“

„Danke, schon gut. Es geht noch. Hm... eine neue Mütze kann ich mir ja morgen auf dem Revier besorgen, aber kann mir einer von euch eine für jetzt leihen?“

„Na klar, fang. Aber nicht nochmal verschleißen, Kasuragi!“

„Ach schon gut, das passiert mir sicher nicht zweimal an einem Tag.“ Er setzte sie sich auf, richtete sie neu, bis sein Gesicht wieder ein schwaches Lächeln zeigte und drehte sich um, um eben noch mitzubekommen, wie ein kleiner Junge mit Brille hinter ihm gerade ebenfalls den Park verließ. Alleine.

Shintos Offenbarung

Hallo liebe Lesenden,
 

tja... das letzte Kapitel war wohl nicht ganz so der Renner, was? Ich danke dem Kommischreiber natürlich sehr, aber irgendwie habe ich das Gefühl, es war eher... weiß nicht, ein nüchternes Kapitel für euch. *grübel*

In dem Fall kann ich nur hoffen, dass das jetzige euch wieder etwas mehr gefällt. Es wird ein erstes großes Geheimnis gelüftet... so halb zumindest.
 

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet
 

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Kapitel 18: Shinto's Offenbarung
 

Vor dem Haupteingang des Kanin-Parks erstreckte sich eine große freie Fläche, der ein Autoparkplatz und dahinter eine neu gebaute U-Bahnstation, die ans Tokioter Netz angeschlossen waren, folgten. Der Park lag für die meisten Einwohner – noch zumindest – weit vom Stadtkern entfernt, der sich mehr auf der anderen Seite der Tokio Bucht befand. Die Tokio Bay Bridge lag noch über zehn Kilometer weiter südlich und die Fährverbindungen nördlich der Brücke waren bis dato spärlich, um dem Gütertransport in den Hafen Platz zu machen. All dies hatte Hideichi Kanin versprochen anzugehen. Der von Shinji Tanahi gebaute äußere Anlegeplatz für seine Ocean Goddess sollte als Ausgangspunkt dienen für einen neuen Hafen vor der Küste, ein würdiger Hafen für die größte Stadt der Welt im 21. Jahrhundert. Der innere Bereich der Bucht, der von der Güterindustrie nahezu sterilisiert wurde, sollte wieder besiedelt werden mit Fischen und ein sauberer Fährverkehr ermöglicht werden. Darauf aufbauend waren bereits große Pläne bekannt geworden, die veralteten Lagerhallen und dahinter Wohngebiete östlich des Parks neu aufzubauen und als ländliche Vororte Tokios zu etablieren, wohl gemerkt für die, die es sich leisten konnten. Alles in allem hatten die Blaupausen, die angeblich schon seit vielen Jahren in Kanins Schubladen lagen und nun publik wurden, einen Umfang von vielen Billionen Yen und mindestens 30 Jahren schrittweiser Entwicklung vorgesehen. Dennoch war dieses Konzept von allen Gutachtern als geniales Zukunftsprojekt verschrieen worden und die japanische Regierung tat ihr möglichstes, sich in der Öffentlichkeit als aktiver Unterstützer der so beliebten 'Kanin-Pläne', wie sie mittlerweile umgangssprachlich genannt wurden, darzustellen. Die Stadt sollte seinen Namen tragen und alles sollte ausgehen von dem einen Park, der heute eröffnet wurde.
 

Beim Anblick eines der ersten Teilschritte, neben dem schon von Hidiechi Kanin gegründeten Park selbst, und im Hinterkopf die ganzen Entwicklungen, die er sich ausgedacht und zusammengestellt hatte, musste ein kleiner Junge für einen Augenblick schmunzeln.

'Es hat gerade erst begonnen.'
 

Für Ran war der Anblick deutlich überraschender als für Shinto. Das freie Feld war vor ein paar Stunden noch prall gefüllt mit Menschen gewesen, die sich zum Eingang hin drängten. Nun waren noch vereinzelt Leute zu sehen, die gerade ihr Auto aufsuchten oder verließen, wenige, die ihre Gründe hatten, jetzt erst zu kommen... oder jetzt schon zu gehen. So wie sie in diesem Augenblick. Und jetzt... in diesem Moment... war niemand dort bei ihnen. Sie waren allein.

„Wohin jetzt?“, brachte sie die offene Frage auf den Tisch. Zum Eingang hatten sie die Gewehre getrieben, aber die würden sobald sicher nicht wieder kommen... sollten überhaupt welche vor dem nächsten Feuerwerk kommen.

„Sie werden wohl kaum hoffen, dass wir hier eine Stunde stehen bleiben und warten, oder?“

„Nein... das sicher nicht.“, meinte Shinto nachdenklich, wandte seinen Kopf in alle Richtungen.

„Das wesentliche Problem waren aber auch nicht die Geräusche, weswegen diese Leute beim Feuerwerk schossen.“

„Hm?“

„Na, es ist schon hilfreich, um Eventualitäten zu umgehen, aber nicht essentiell. Auf so große Entfernungen knallt es lange nicht mehr so laut und die meisten Menschen würden diese Laute kaum richtig zuordnen können. Es ging der Organisation aber mehr um das Problem der Augen- denn der Ohrenzeugen.“

Ran schaute verwundert auf, nickte dann aber unsicher.

„Du meinst, die Leute waren durch das Feuerwerk abgelenkt... ja... das waren sie.“

„Das Verhalten der Masse ist nun einmal sehr leicht zu berechnen... und zu steuern.“ Irgendwie hatte der Satz etwas für Ran zu negatives an sich, einen Hauch zu grundsätzlicher Ablehnung. So generell dachte sie nicht über Menschen. Shinto bemerkte ihre Missgunst durch einen leicht mitleidhaften Ausdruck in ihren Augen. 'Kann dieses Mädchen überhaupt irgend jemanden oder irgend etwas wirklich... hassen?', kam ihm die Frage hoch.

„Ich meine... ähm... im Unterschied zu Individuen... Einzelpersonen wie du, Ran.“

Der Kommentar schien sie kurzzeitig wieder von ihrem Gedanken abzubringen.

„Wie ich?“

„Also mit dir als meinem Begleiter hatten sie ganz sicher nicht gerechnet!“

„Mhm... wohl kaum.“ Sie lächelte schwach, verfiel dann aber wieder in Schweigen.

'Hm... wer war wohl Shinto, bevor er verjüngt wurde? Ich hatte zwar wegen der Sache am Antiquitätenstand an einen Detektiv wie Shinichi gedacht... aber er hat eindeutig gewisse Stärken. Psychologie, Strategie und Planung, das passt ja noch halbwegs ins Bild... aber... das gilt auch für viele andere Interessensgebiete.'

Sie konnte es nicht richtig fassen. Ihre Gedanken blieben immer wieder bei seinem ersten Auftritt hängen, gingen sein Verhalten darin durch, seine Worte, die des Händlers... dann stockte sie.

'Durch den Fehler an der Vase hatte sie Shinto für den halben Preis bekommen und der Verkäufer nannte ihn einen gewieften Geschäftsmann! Für jemanden aus der Wirtschaft wären Psychologie und Strategie natürlich auch unentbehrlich.

Shinto war also... mal ein Geschäftsführer? Hatte er vielleicht mal mit der Organisation zusammen gearbeitet? Will er deshalb nicht damit rausrücken?'

„Sie werden, wenn wir in Höhe... Ende des Parkplatzes sind, uns relativ unbehelligt erschießen können. Aber das ist ja offenbar nicht ihr Ziel.“

„Also gehen wir in diese Richtung, dass sie uns dann weiter leiten?“ Der Junge schwieg einen Moment. Seine Augen schwankten zwischen dem Parkplatz und dem Mädchen.

„Was hast du, Shinto?“

„Es gibt eigentlich nur einen sinnvollen Ort, wo sie uns hinlocken wollen. Wir könnten demnach auch... direkt hingehen und uns etwas von ihrer Route entfernt halten.“

„Aber das würde sie sicher nur nervös machen und zu...“ Sie stoppte, als sie merkte, wie Shintos Händedruck fester wurde. Er sah sie nicht an, blickte stur geradeaus, aber in seinem Blick spiegelte sich Melancholie, aus der sie nicht schlau wurde. Wieso hatte er plötzlich Probleme damit in der Schusslinie zu laufen, wenn er bis eben noch so... ruhig damit umgegangen war?

Er biss sich auf die Lippen...

„Na gut, wir gehen...“

„Nein.“, unterbrach er sie erneut, diesmal verbal.

„Hm?“

„Du hast recht, treffen können sie uns eh von überall, und wenn wir zu viel von ihren Plänen abweichen... Lass uns so gehen, wie gedacht. Zunächst immer gerade aus und dann erst, wenn sie wieder schießen, Richtung...“ Er unterließ es, es auszusprechen und wandte den Blick auf die leer stehenden alten Lagerhäuser am Horizont; verfallene Hafenanlagen, die noch nicht den Kanin-Plänen gewichen waren.

„Der Weg in die Hölle.“, flüsterte Ran leise.
 

Conan wandte sich unmittelbar nach dem Ausgang nach links, raus aus dem direkten Blickfeld der Scharfschützen der Organisation. Gleichzeitig suchte er einen Weg, bei dem er auch Ran und Shinto nicht zu viel Gelegenheit gab, ihren Verfolger zu bemerken. Immerhin, nur wenige Momente war er wirklich hinter ihnen, bis ihn einer der großräumigen Mülleimer neben dem Eingang verdeckte. Auch wenn er nicht ganz sicher war, ob er sich mittlerweile mehr vor Ran, oder Gin verstecken sollte. Seine Anwesenheit in einer der Schützenpositionen änderte die Situation drastisch.

Ran... Ran musste er eh noch etwas erklären, auch wenn es wohl nicht leichter würde, wenn sie ihn bemerkte. Aber Gin... das war ein Problem. Er war jemand, demgegenüber er sich absolut nicht zeigen wollte, wenn er es irgendwie vermeiden konnte. Es war noch nicht an der Zeit, dass er ihn bewusst wahr nahm. Dass sie sich so begegneten. Zum einen, weil er so unberechenbar war. Wie viel von Conan Edogawa würde für ihn genügen, um zu einer radikalen, aber für den Mann in schwarz gleichgültigen Reaktion zu tendieren? Nicht viel. Er scheute nicht, ein Kind zu töten, und wenn der leiseste Verdacht bestand, das Kind arbeitete aktiv gegen die Organisation, erfolgreich oder nicht, würde er ohne weiteres persönlich Hand anlegen, es aus dem Weg zu räumen.

Von diesem Standpunkt aus hatte er erwartet, sich Gin zu offenbaren, wenn er die Organisation stürzen würde. Wenn er endlich wieder frei als Shinichi Kudo auftreten könnte. Er ignorierte dabei geflissentlich den Aspekt, dass ihm zu Shinichi Kudo dann womöglich immer noch der Körper fehlen sollte.

Doch da war noch etwas, was ihn bedrückte. Eine Erkenntnis, die ihn seit diesem Mittwoch Morgen beschäftigte. Seit dem Gespräch mit Vermouth. Und ihrer Antwort auf seine Frage.

'Gin hat Ais Schwester getötet? Ausgerechnet Gin? Ich versteh ja, warum er diese Mission leitete, aber dann wird es nur noch unsinniger, dass er sie getötet hat. Damals wird Wodka sicher dabei gewesen sein, um es zu bestätigen, also dürfte es wohl auch keine Lüge sein. Warum auch, dafür gebe es wirklich keinen Grund.'

Er fühlte sich unsicher. Wenn er einen Mörder stellte und sich ihm dabei offenbarte, wusste Shinichi Kudo oder im Fall der Fälle Conan Edogawa immer, mit wem er es zu tun hatte. Vorher war es zu ungewiss, was passieren würde; zu riskant. Und er verstand Gin noch nicht! Also konnte er sich ihm auch noch nicht zeigen.

Sein Blick wanderte an dem freien Feld vorbei.

'Wenn ich Ran, Shinto und den Schützen aus dem Weg gehen will, dann muss ich wohl oder übel ganz außen rum.' Er holte einmal tief Luft, auch um sich zu beruhigen, und lief los.

Hundert Meter am Parkzaun entlang, aus dem Sichtfeld aller anderen Protagonisten. Dann, am Ende des Parkplatzes mitten in die gefüllte Ansammlung an Metall, die die vielen Autos darstellten, und die ihn als kleinen Jungen so schön verdeckt hielten. Schließlich wieder das Stück zurück, dorthin, wo Ran und Shinto sich bald befinden würden, nur diesmal langsam, und vor allem vorsichtig, um nicht doch wieder erfasst zu werden. Und letzteres nun unter dem wachsamen Auge Gins.
 

„Ah, Herr Kommissar... Shiratori war es, nicht wahr? Was gibt es denn so dringendes? Was kann ich für Sie tun?“ Hideichi Kanin lächelte freundlich, behielt seine Arme aber hinter seinem Rücken verschränkt. Shiratori musste seine ganze Kraft dafür aufwenden, sich nichts anmerken zu lassen und selbst lediglich seine Angespanntheit durchscheinen zu lassen.

„Es ist etwas passiert?“, sah ihm der Geschäftsführer deutlich an.

„Ja, es gab einen Zwischenfall und... leider auch einen Toten dabei.“

„Oh, das ist... wirklich schlimm. Was genau...“ Sein Blick fiel auf Jodie und James, die etwas abseits standen und den Konzernchef misstrauisch begutachteten.

„Diese beiden Leute doch sind kein Japaner, oder?“

„Nein, das sind zwei amerikanische... Kollegen.“

Die Agenten holten ihre Marken hervor und zeigten sie einem für einen Moment die Farbe verlierenden Kanin.

„Sie sind FBI-Agenten?“

'Das FBI? Was will die amerikanische Bundespolizei denn hier? Sind die auch wegen der Organisation da? Das hatte Shinto sicher nicht mit eingeplant. Heißt das, der Tote ist womöglich einer...'

„Yes... ja, wir sind vom FBI, aber eigentlich waren wir hier privat unterwegs. Zufällig gerade in Japan, und dann mal den großen neuen Park besichtigen.“ Black lächelte schwach, und mit all der einstudierten Milde eines Großvaters, der seinem Enkel eine Geschichte vorlas.

„Ach so, ja, natürlich... eine gute Gelegenheit. Ich hoffe, es gefiel Ihnen... außer halt dem Umstand, den der Kommissar mir sicher gleich erklären wird – also der Park.“

„Ja, doch, sehr beeindruckend, Mr. Kanin.“ Er wandte sich, nicht ohne sich einmal kurz mit dem Taschentuch über den Kopf zu wischen, wieder um zu Shiratori und Kogoro.

„Nun, und wen haben wir hier? Sie sehen auch nicht gerade wie ein einfacher Polizist aus.“

„Verzeihung, Herr Kanin. Ich war zwar mal Polizist, bin aber mittlerweile zivil tätig, als Privatdetektiv. Mori mein Name. Kogoro Mori.“ Er schüttelte ihm unauffällig die Hand, ebenfalls versucht, keine Skepsis heraus klingen zu lassen. Stattdessen genoss er die Genugtuung ein zweites Mal kurz hintereinander Hideichi Kanin sich verfärben zu sehen.

„Oh, der große Kogoro Mori? Wirklich es ist mir eine Ehre. Ehrlich, Herr Kommissar, dafür, dass es nur einen unglücklichen Todesfall gab, hätten Sie nicht gleich zwei FBI-Agenten und einen Meisterdetektiv heran holen müssen. Sie wurden mir von Hauptkommissar Matsumoto explizit empfohlen für diesen Auftrag.“

„Zu viel der Lorbeeren, aber wir vier sind aufgrund der Entwicklung des Falles zusammen gekommen. Und bei dem Todesfall handelt es sich nicht um einen Unfall.

Agent Black hat ihn, im Gefecht, erschossen.“

Erneut schluckte der Konzernchef nachdenklich, ließ sich etwas Zeit mit der Antwort.

'Was geht hier vor sich? Das läuft alles aus dem Ruder. Wenn es so weiter geht, wird es am Ende noch... nur die Ruhe. Das FBI ist sicher wegen der Organisation hier. Das heißt, sie beschäftigen Gin und seine Leute lange genug, um Shintos Plan zur Vollendung zu bringen. Es kann so leicht nichts schiefgehen. Noch nicht.'

„Aber... wie... Herr Kommissar, was ist denn nun passiert? Ganz langsam, damit ich auch mit komme.“

„Nun... es ist so, dass wir... es gab eine Vermisstenmeldung. Frau Mizunashi, von der Presse, war verschwunden.“

„Oh... Rena Mizunashi? Ich hatte vorhin erst ein Interview mit ihr. Sie ist verschwunden?“

Er nickte abwesend.

„Ja, und nach den bisherigen Ermittlungen besteht eine gewisse Chance, dass sie entführt wurde.“

„Oh nein, von wem?“ Es war nicht ganz deutlich, ob er seine Verwunderung spielte, oder ob sie echt war. Scheinbar wog er im inneren selber ab, wie er diese 'Entführung' zu bewerten hatte. Vielleicht meinte er auch einfach, es habe nichts mit der Angelegenheit zu tun, die seine Gedanken fesselte.

„Vermutlich von der Yakuza.“ Da wurde er merklich hellhörig. Ein eindeutiges Zeichen, dass er nun sicher verstand, was es mit dem FBI auf sich hatte. Für Kogoro war es eher ein Zeichen, dass da noch einer war, der unter 'Yakuza' offenbar etwas ganz anderes verstand als die japanische Mafia.

„Die Yakuza? Ist das auch sicher?“

„Nein... nein, erstmal nur ein schwarz gekleideter Mann, wir wollen nicht zu voreilig sein. Allerdings hatte er sie, vermutlich, beschattet, weshalb wir schon skeptisch sind.“

Erneut verfiel Kanin ins grübeln.

'Was wollen die denn von einer Reporterin?'

„Und was war dann?“ Black übernahm das Wort.

„Dieser ominöse schwarze Mann traf auf mich. Zufällig. Er kam mir suspekt vor, ich sprach ihn an... und es kam zu einem Kampf. Er war wohl zu angespannt, um einfach abzublocken.

Er griff an, ich verteidigte mich und... nun ja, ich bin wohl doch nicht mehr der jüngste. Ich dachte, er zog etwas aus seinem Mantel hervor, befürchtete eine Schusswaffe, zog meinen Dienstwaffe und drückte ab. Er hatte keine Chance.“

„Wie schrecklich. Aber das heißt, Sie wissen auch nicht, ob der Mann wirklich etwas mit Frau Mizunashi oder den Yakuza zu tun hatte, oder?“ Er schüttelte bedauernd den Kopf.

„Aber warum kam er Ihnen dann suspekt vor? Sie können doch nicht jeden Japaner, der hier schwarz gekleidet rumläuft, gleich zum Mafioso abstempeln, Agent Black!“

Kanin hatte endlich wieder Oberwasser. Offenbar gab es doch keine ernsthaften Bedenken und die Götter des Schicksals hatten mal wieder nur zu viel gewürfelt. Niemand torpedierte seine Pläne und niemand würde jemals ahnen, wie er hier die Fäden zog. Erst recht nicht, wenn er sich hier als großer Verteidiger eines wahrscheinlichen Mörders gab. Das würde jedwede Zweifel zerstreuen.

„Meine Skepsis beruhte darauf, Mr. Kanin, dass ich ihn zunächst nicht für einen Japaner hielt.“

Kogoro und Shiratori tauschten ganz kurze Blicke, die mehr einem Zucken glichen, aus, bevor sie den Kopf leicht absenkten, um ihre Verfärbung nicht erkennen zu lassen.

„Wie, nicht als Japaner?“

„Naja, bei so einer groß gewachsenen Gestalt mit langen blonden Haaren denkt man schon mal eher an einen westlichen Typ. Und dann hier in schwarz mit einem grimmigen Gesicht und einer Zigarette im Mund durch den Park laufend, wohl gemerkt nicht gehend... das hätten bestimmt auch andere komisch gefunden.“

Sich nicht anmerken zu lassen, wie perplex der Kommissar und der Detektiv waren, konnte als Kunststück durchgehen, aber Blacks Schauspiel war auch mehr als beeindruckend. Und es verfehlte seine Wirkung nicht. Hätte Kanin sich selbst eine Zigarette angezündet, sie wäre ihm eben aus dem Mundwinkel gefallen. Er war sichtlich geschockt über die Erkenntnis, wer da aus Zufall das zeitliche gesegnet haben sollte. Kalter Schweiß rann ihm über das ganze Gesicht, die Blässe war deutlich zu sehen und sein Mund blieb mindestens drei Sekunden lang weit geöffnet.

'Gin... ist tot? Dieser Black hat... Gin... naja, ohne Waffe gegen einen FBI-Agenten würde auch Gin im Nahkampf den kürzeren ziehen.

Aber... das hieße ja... das heißt ja, derjenige, der diese Aktion leitet, ist weg. Der Kopf der Schlange ist schon abgeschlagen. Wir... wir haben gewonnen!'

„Herr Kanin, was ist mit Ihnen? Sie wirken auf einmal so verkrampft.“

„Ich... ich....“ Er schüttelte sich. Dem Moment der Verwirrung folgten ungeahnte Glücksgefühle, die seinen Kopf nur noch mehr durcheinander brachten.

„Entschuldigen Sie, Herr Kommissar. Ich bin einfach kein Mensch, der groß mit Gewalt und Totschlag zu tun hat. Die detaillierte Beschreibung des Opfers durch Agent Black hat mich wohl im Geist die Szene rekapitulieren lassen. Dafür bin ich nicht gemacht.“

„Ah... natürlich.“ Shiratori ließ sich ein Stück innerlich zurück sinken und stieß einen erleichterten Seufzer aus.

'Puuh... keine Ahnung, wie Sie das gerade getan haben, Black, aber nun vertraut er uns.'

„Nun... dann muss man wohl mit gemischten Gefühlen mit dem dahin scheiden dieser Person umgehen. Aber ich glaube irgendwie, Sie sind nicht nur deswegen hier, oder?“ Er hatte sich wieder unter Kontrolle. Er konnte mit allem umgehen, er hatte bereits gewonnen. Er ahnte, weshalb die Polizei hier war und er würde nun in Ruhe mit ihnen kooperieren können, ohne sich irgendeiner Gefahr auszusetzen und bald würden sich auch die restlichen Agenten der Organisation in Luft aufgelöst haben. Wenn es überhaupt möglich war, ging nun alles nur noch besser als vorher.

„Es ist noch etwas anderes im Gange... vielleicht mit dem anderen Fall in einem Zusammenhang stehend, wir wissen es nicht genau, Herr Kanin.“ Nun war Shiratori auf dem sicheren Grund dessen, was er sich zurecht gelegt hatte, um von Kanin die notwendigen Informationen, oder die Hilfe, die er brauchte, zu erhalten.

„Noch etwas? Wir scheinen ja wirklich Pech gehabt zu haben mit der Wahl des Eröffnungstages.“

„Es geht um die Lagerhallen, die in der Nähe des Parks... eigentlich auf allen Seiten sind.“

„Mhm... ja die 'noch-Lagerhallen'. Sie wurden mittlerweile alle von der Kanin-Baugesellschaft gekauft und werden sehr bald schon abgerissen werden.“

„Genau die. Und ich hatte gehofft, dass Sie diese bereits erworben hatten. Einige Scharfschützen scheinen sich darin postiert zu haben.“

„Scharfschützen?! Himmel, was wollen die denn hier?“ Für einen Moment merkte man den Hauch an Übertreibung in seiner Stimme. Aber es war auch schwer abzuschätzen, welches die realistische Reaktion war, wenn jemand ohne polizeilichen oder militärischen Hintergrund wirklich spontan erfuhr, dass er von Scharfschützen umzingelt war.

„Offensichtlich verfolgen sie jemanden im Park, haben ihn vor einigen Minuten aus dem Park getrieben. Und nun dann zu sich in eine dieser Hallen halt, so vermuten wir zumindest. Vermutlich, um besagte Person zu töten.“

„U... Und was machen Sie dann hier, bitte schön? Sie müssen dem Ju... der Person helfen.“

„Keine Sorge. Wir haben jemanden von unseren Leuten darauf angesetzt. Zu viele in seiner Nähe würde nur die Schützen aufmerksam machen. Aber nun, da er auf dem Weg ist, können wir mit Ihrer Hilfe – Ihre Gebäude und Ihr Wissen über deren Aufbau und Anordnung – den Schützen eine Falle stellen. Aber dafür brauchen wir eben Ihre Hilfe, Herr Kanin.“

„N-natürlich, kein Problem. Los, lassen Sie uns auf der Stelle hingehen. Sakachi, Namato!“ Zwei der groß gewachsenen Sicherheitskräfte folgten unverzüglich dem Aufruf ihres Chefs und stießen direkt zur Gruppe.

„Ja, Chef?“

Er wollte gerade etwas sagen, als ein schwaches, dumpfes Geräusch aus der Ferne sie aufhorchen ließ. Es war nicht so auffällig, dass es Besucher gestört hätte, aber für die Sicherheitsleute, den Kommissar, den Detektiv und die Agenten ein klares Zeichen.

„Ein Gewehrschuss? Jetzt, außerhalb der Feuerwerkszeiten?“

Jodie wurde mit einem mal bleich und es verstärkte sich noch, als ein zweites Mal ein Schuss zu hören war.

„The... second person!“

Nun schraken auch Black, Mori und Shiratori hoch.

„Wir müssen uns beeilen, Herr Kanin.“

„Schon klar. Sie beide kommen mit!“, befahl er seinen beiden Leuten nur kurz angebunden und schon entfernte sich die Gruppe Richtung Eingang.

Ein Gedanke ließ aber den Detektiv und den Kommissar nicht mehr los.

'Die zweite Person? Da ist noch jemand bei der Zielperson?'
 

Sie waren gerade bei den Autos angekommen, als eine Kugel von hinten mitten durch sie durch sauste. Genau zwischen Ran und Shinto und fast auf Höhe der Hände, an denen sie sich hielten. Reflexartig zogen beide zurück und ließen sich dabei los.

„Was...“

„Sie wollen uns trennen.“ Shinto blickte kurz in Richtung der entfernten Lagerhäuser neben dem Park, dann wieder zu Ran.

„Das war ein deutliches Zeichen. Du sollst jetzt verschwinden.“

„Aber... nein!“ Sie schüttelte heftigst den Kopf, als musste sie sich selbst und den Jungen erst davon überzeugen, dass sie nicht gehen würde.

„Aber Ran, kapierst du nicht? Sie lassen dich immerhin am Leben, wenn du jetzt gehst. Das war die ganz klare Aussage, beim nächsten Mal werden sie...“

„Mh mh... nein, Shinto, ich werde dich nicht allein lassen, egal was...“

„Sie werden dich aber sofort töten, Ran!“

Sie stockte kurz, als er sie fast heiser anschrie.
 

„Sie diskutieren immer noch, Gin.“

„Lasst sie ruhig. Ich bin direkt gespannt, ob der kleine sie überzeugen kann zu verschwinden, oder ob sie freiwillig in den Tod läuft.“
 

Der Junge versuchte sich zu beruhigen und noch einmal auf sie einzureden.

„Sie haben eben geschossen, außerhalb des Feuerwerks, falls du das nicht bemerkt hast. Hier draußen müssen sie sich nicht mehr verstecken. Entweder gehst du jetzt oder du wirst in ein paar Sekunden erschossen, Ran! Für sie macht das im Plan nicht den geringsten Unterschied. Du kannst nichts tun und du hast nicht mal die Zeit, ihnen auszuweichen.“

Dann senkte er die Stimme und den Kopf leicht.

„Es ist vorbei, Ran. Ich... ich danke dir, dass du mir geholfen hast und auch weiter helfen willst, aber... bitte... geh jetzt!“

„Aber... Shinto, ich...“

„VERSCHWINDE ENDLICH!“

Es war nicht so sehr der verzweifelte Aufschrei, der Ran so schockierte, wie etwas anderes. Als Shinto aufsah, konnte sie sie ganz genau erkennen. Die Tränenansätze in seinen Augen, die sich im nächsten Augenblick zu echten Tränen weiter formten. Er weinte... er heulte direkt. Echte Tränen, reinigende Tränen, die die eine Wahrheit für Ran zu Tage förderten.

„N-nein... du, du bist...“
 

Conan beobachtete sicher hinter einigen Autos versteckt das Gespräch und sah seine Vermutung bestätigt. Dennoch führte diese Offenbarung auch für ihn einige Stiche ins Herz.

'Es tut mir Leid, Ran. Aber du hast dich geirrt.'
 

Sie musste sich die Hand vor den Mund halten und auch ihrerseits einige Tränen unterdrücken, als ihr ihre ganze Fehlanalyse klar wurde. Dann zuckte in ihrem Kopf ein Gedanke hoch.

'Das heißt... diese Organisation jagt... diese Schweine!'

Vergessen waren alle Gedanken daran Shinto zu Conan zu bringen, alle Gedanken an die lange versuchte und doch immer gescheiterte Hilfe. Ein völliger Reboot des heutigen Tages. Statt der Hoffnung, Shinichi zu helfen, glimmte ein Feuer nur noch fester in ihr. Sie würde diesen Jungen vor der Organisation retten. Koste es, was es wolle.

Ihr Blick wanderte nach oben, in Richtung eines der kleinen Fenster, in dem sich einer der Scharfschützen postiert hatte.
 

„Oho, da hat aber jemand Wut im Bauch.“, musste Chianti mit einem hässlichen Grinsen gestehen.

„Das treibt doch nur unschöne Falten in dein süßes Gesicht, Mädchen.“

„Darum wird sie sich nicht mehr kümmern müssen, Chianti.“, kommentierte Gin kalt.
 

Shinto sah sie noch einen Moment an.

„Mach's gut.“, rief er schließlich noch mit heiserer Stimme, ohne sie anzuschauen, drehte sich um und lief los in Richtung Lagerhäuser.

Reflexartig wollte sie einen Schritt machen, hielt aber inne, als sich vor ihren Füßen erneut eine Kugel in den Boden rammte. Bis hier hin und nicht weiter!

'Verdammt, ihr...' Sie spürte, wie ihre Fingernägel sich in ihre Hände bohrten und wie ihr Kiefer fast taub wurde vom Druck der aufeinander gepressten Zähne.

'Nein... nein, ich werde euch euer widerliches Spiel noch verderben, glaubt mir!'

Sie beruhigte langsam ihren Puls, senkte ihre geballten Fäuste und versuchte ihre Mimik von einem Ausdruck von Wut in Resignation zu transformieren. Sie musste sie überzeugen, sie wollte aufgeben.

Dann atmete sie einmal tief ein und aus und drehte sich um, ging sehr langsam Richtung U-Bahn-Station.
 

„Das war's, sie haut ab.“, stellte Korn, wie immer sachlich, fest.

„Unsere Gesichter hat sie nicht gesehen. Dann können wir sie ziehen lassen?“

„Nein.“

„Nein?“, wunderten sich beide.

„Dieses Mädchen ist gefährlich. Zu gefährlich. Sie hat ohne zu zögern einem fremden Jungen geholfen, obwohl sie ihr eigenes Leben dabei riskierte. Und eben brauchte er wohl auch lange, um sie zu überzeugen. Feinde, die so kompromisslos handeln, sind unberechenbar und gefährlich. Sie hat noch nicht aufgegeben; sie will wieder kommen. Aber sie glaubt, wir lassen sie in Ruhe, wenn sie sich jetzt umdreht und weg geht.“

Es folgte eine kurze Pause, als wollte er seine Schlussfolgerungen noch kurz durchdenken.

„Erschießt sie!“
 

Ran schritt langsam geradeaus.

'Die Lagerhäuser also. Von der U-Bahn-Station aus ist das zwar ein größerer Umweg, aber da sollten sie mich nicht wahrnehmen und dann...'
 

'Ran, bitte geh! Bitte versuch nicht...' Conan brach ab, er sah ihren Gesichtsausdruck, als sie weg schritt. Sie würde nicht nach Hause gehen. Er konnte es ihr nicht wirklich verübeln; er hätte ja genauso gehandelt. Nur Ran wusste trotz allem nicht, auf was sie sich da einließ.

'Aber immerhin ist sie für den Moment...

Augenblick! Sie hatte die Schützen doch angesehen, ihre Wut gezeigt. Und mit Gin ebenfalls in einem der Lagerhäuser... verdammt!

Akai, beeilen Sie sich!'

Er konnte von hier nichts tun, auch er war aus der Entfernung machtlos gegen die Gewehre, die ihrem eigenen Schall vorauseilten und Ran ihnen ausgeliefert.
 

„Nur um sicher zu gehen, falls Akai noch irgendwo rumschleicht, schießen wir alle gleichzeitig.“

Sie legten an und warteten auf das eine Wort, welches Rans Schicksal besiegeln sollte.

„Feuer!“

Mireille und Korn

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zum 19. Kapitel von 'Blutige Begegnungen'. Zunächst wie immer allerherzlichsten Dank für die Kommis zum letzten Kapitel. Ich hoffe, Shinto's (halbe) Enttarnung war zumindest ein bisschen überraschend für euch. Oder kam es gar nicht heraus?
 

Wie dem auch sei, mit der Trennung von Ran und Shinto nähern wir uns nun mit großen Schritten dem Finale der kleinen Scharade und damit auch den Antworten auf die Fragen, wer hier welche Rolle spielt und wer diesen Tag überlebt – und wer nicht...
 

Doch zuvor, ein Gespräch, das, denke ich, einige schon länger erwartet hatten, zwischen zwei... alten bekannten. Der Titel ist da ziemlich unzweideutig. ;]
 

Also dann, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Mal.
 

LG, Diracdet
 


 

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Kapitel 19: Mireille und Korn
 

„Feuer!“
 

„Feu... Nhn!“ Mit Gewalt schien sich Gin's Gewehr selbst aus seinen Händen zu schlagen, sich langsam mit dem Lauf nach oben aus seinem Griff gewaltsam zu lösen und deren Widerstand zu brechen. Parallel realisierte sein Gehirn, dass er unmittelbar vor dem Schuss bereits einen gehört hatte und sah, wie sich die Spitze seines Gewehres nach oben umbog und in der Mitte sich das Metall spaltete.

Dann vernahm er zwei ähnliche kurze Schmerzensausrufe aus den Kopfhörern.

Mit einem Ruck riss Gin das Gewehr aus seiner vorbestimmten Bahn und schleuderte es von sich, sonst hätte es ihm im nächsten Moment noch die Handgelenke ernsthaft verletzt.

„Weg von den Fenstern! Sofort!“, brüllte er in sein Mikro, sich parallel selbst um 180 Grad zur Seite drehend.

„Wir sind schon weg!“, konterte Korn, wenn auch nicht ohne eine deutliche Unsicherheit in seiner Stimme.

„Das Todesmädchen!“, hörte man nur einen verängstigten Schrei von der dritten Seite.

„Chianti! Was ist bei dir?“

„Sie... sie war da... bestimmt!“ Ganz langsam presste ihr ihr Bewusstsein etwas Ruhe ab. Sie wollte keine Furcht zeigen, auch nicht vor Noir. Aber hier war ganz klar der Wunsch der Vater des Gedanken. Sobald sich dieses Mädchen zeigte oder wie in diesem Fall, auch nur andeutete, dort zu sein, wurden Chiantis Finger ein bisschen zittriger. Mit dem einen Manöver vorhin hatte Kirika ihr tatsächlich diese Aura aufgezwungen.

Gin fischte schnell nach seiner Pistole und tastete sich an den Rand des Fensters ran.

„Wir wurden alle gleichzeitig beschossen, Gin!“

„Hab ich gemerkt, Korn. Aber wie, ist die Frage?“

„Na, sie werden sich wie wir über Mobiltelefone verständigen...“

„Und dann findest du den Zeitpunkt nicht merkwürdig? Unmittelbar, bevor wir das Mädchen erschießen wollten? Fast so, als wüssten sie, wann wir ernst machen würden?“

Er fuhr mit einem Auge um die Fensterkante herum.

„Shuichi Akai?!“

Der Agent stand gewissermaßen vor seiner Nase direkt hinter dem Zaun des Parks, noch bevor der Wald begann. Seine Dienstwaffe hielt er empor, aber locker in der Hand und beobachtete seinen persönlichen Erzfeind mit durchdringenden Augen. Zwar hatte auch Gin seine Waffe am Mann, aber durch das Überraschungsmoment wäre der Agent klar im Vorteil, würden sie auf einander schießen.

„Akai? Also bei mir ist niemand zu sehen, Gin.“

„Die Bäume, Korn. Sie verstecken sich in den Bäumen. Für einen kurzen Schuss aus der Entfernung reicht das allemal. Nur Akai hat sich eben raus gewagt!“

„Na warte...!“, hörte man es aus Chiantis Telefon und dann noch, wie sie ihre Pistole entsicherte.

„Komm endlich raus und zeig dich, Schlampe!“ Die beiden Männer mussten sie gar nicht sehen, um zu ahnen, dass sie gerade ihre Waffe auf die Bäume richtete, also offen mit einer Pistole in Richtung Park zielte.

„Nein, Chianti, tu's nicht! Raus aus der Schusslinie, verdammt!“

Den Bruchteil einer Sekunde später war bereits ein Schuss von ihr zu hören. Dann einer, der nicht direkt von ihr ausging. Dann Stille. Endlose, erdrückende Stille.

„Chianti?!“

Beide schwiegen, lauschten dem Empfänger ihres Handys und vernahmen zur allgemeinen Beruhigung nach einiger Zeit ein leises, tiefes Hecheln, ein Ächzen nach Luft, welches schon fast einem unterdrückten Stöhnen gleich kam.

„Chianti?“

„Es... es geht schon. Danke... Gin.“

Sie wusste, er würde es ignorieren und es wäre ihm eh gleich, ob er ihr Leben gerettet hatte oder nicht. Dennoch wollte sie es nicht unbedacht stehen lassen. Ein schwaches Lächeln zwang sich auf ihre Lippen.

„Auch ihr... auch ihr seid nicht unfehlbar!“

„Was ist passiert?“

„Genau das, was du erwartet hast. Ich hab meine Waffe gezogen..., sie auf den Baum, der mir am nächsten stand, gerichtet..., nach einer Warnung abgedrückt und bekam postwendend ein ebensolches Bleipäckchen geschickt.“

„Und wieso lebst du dann noch?“, hakte Korn ungläubig nach.

„Na weil ich mich weg gedreht habe, hinter die Wand, was sonst?“

„Aber so schnell...“

„Ich hab mich gleich abgewendet, nachdem ich geschossen habe, also noch bevor sie abdrückte. Damit ging es, wenn auch selbst dann nur gerade so.“ Ihre rechte Hand fuhr langsam ihre Wange hoch, und dann den feinen Schnitt entlang, den die Kugel beim streifen hinterlassen hatte.

'Unglaublich, wie schnell und zielsicher sie ist. Der Titel einer Noir ist wohl weniger Übertreibung als ich gehofft hatte.'

„Dann kannst du dich ja glücklich schätzen, dass deine Gegnerin diesmal nicht deine Bewegung miteinkalkulierte.“

„Sie hat, Gin. Sie hat... Nur deswegen habe ich überlebt.“
 

'Respekt.', musste Kirika nicht ohne eine Spur Überraschung eingestehen.

'Dass sie zu solchen Manövern noch in der Lage ist. Nachdem, was sie heute schon erlebt hat, dachte ich, ihr strategisches Denken hätte sich bereits verabschiedet.

Sich einfach in die andere Richtung wegzudrehen als beim ersten Mal. Das in diesem so von Präzision und zur Intuition einstudierten Bewegungen geprägten Geschäft. Und dann noch ebenso schnell zu sein, wie normal...'

Irgendwie erfreute es sie, immer noch drei Agenten der Organisation im Spiel zu haben und auch eine Scharfschützin zu finden, die scheinbar damit umgehen konnte, Noir gegenüber zu stehen.

'Seit Chloe gab es da nicht mehr viele.'

Und im nächsten Moment schon verfiel sie in etwas wie starke Melancholie, ein bisschen Verzweiflung, begleitet von einem Seufzen.

'Mhm... nun ja, getötet wäre sie nicht worden, aber es hätte ihre Pistole zerfetzt und sie hätte den Rest verpasst.

So... wird ihr Tod wohl kaum mehr zu verhindern sein.'

Sie atmete kurz durch und nahm dann ihr Handy wieder ans Ohr.

„Wir treffen uns dann wie vereinbart am Zielpunkt?“

„Ist gut.“, kam es kurz von Mireille. Allerdings folgte eine ungewisse Pause, als wollte sie noch etwas sagen.

„Mhm?“

„... es wird gut gehen.“

„Hoffen wirs.“
 

„Aber... ich glaube fast..:“, begann Chianti in leicht süffisantem Ton,

„... als wäre mein Kopf auch gar nicht ihr Ziel gewesen.“ Ihr Blick wanderte zu dem Gewehr neben ihr. Es war direkt gespalten an seiner Spitze, als hätte eine Axt durch gehauen. Irreparabel, wie das letzte.

„Mein Gewehr ist... mal wieder hin, und eure doch sicher auch.“

Sie stimmten kurz angebunden zu.

„Sie wollen uns dazu bringen, die Aktion abzublasen.“, bestätigte Gin den Gedanken.

„Sicher?“

„Definitiv. Kir, die als Sicherheit diente, wenn es eine Falle wäre, verschwindet; Scotch, der sie sucht, wird erschossen, mittlerweile vier Gewehre wurden zerstört, diese bewusst psychologisch angehauchte Attacke auf Chianti... Alles zielt erstmal darauf ab, dass wir nicht den letzten Schritt unserer Phase einleiten.

Allerdings...“ Seinen Blick fest auf Shuichi Akai gerichtet, ließ er parallel seinen Gedanken freien Lauf. Dann verschwand der Agent mit einem kräftigen Sprung zurück in der Baumkrone und aus Gins direktem Einzugsbereich.

„... Ich kapiere nicht, warum sie so vehement dieses Mädchen schützen.“

„Weil sie eine unschuldige Person ist und das FBI sie schützen will?“ Korn war diese Frage eigentlich keiner Überlegung wert.

„Nein. Nicht so. Schon klar, dass sie keine Unschuldigen sterben lassen wollen. Aber hier geht es um mehr. Sie haben eben eine fabelhafte Stellung aufgegeben, aus der sie uns hätten überwältigen können, nur um eine einzige unschuldige Person zu retten. Aus deren Sicht eine mehr als gewagte Strategie, sollten wir entkommen und weiter machen. Noch dazu die anderen Manöver, die selbst für Akai doch etwas weit hergeholt klingen.

Und natürlich die Tatsache, dass diese Aktion eben nicht nur Akai vom FBI sondern auch die Schützen der Soldats beinhaltete und diese offenbar ihr Wissen über unseren Plan mit nutzen. All diese Vorteile setzen sie aufs Spiel, geben sie mit einem Mal Preis, nur für ein einziges, unbeteiligtes Mädchen, dass in die Schusslinie gerät? Das ganze stinkt doch zum Himmel.“

„Hm... also ist diese Mori... jemand besonderes?“, hakte er neugierig nach.

„Scheinbar. Wir sollten unsere Recherchen ihr bezüglich nach dieser Erledigung... intensivieren.“

Er beobachtete durch ein Fernglas, wie Ran weiterhin geradewegs zur U-Bahn Station schritt, sich nicht noch einmal umdrehte und diese dann betrat.

„Sollte sie sich doch nochmal blicken lassen bei dem Jungen... tötet sie. Welche Bedeutung auch immer sie für das FBI hat, sie muss wichtig genug sein, dass ihr Tod denen einiges an Problemen bereiten dürfte.“

Chianti starrte erschrocken auf ihr Telefon.

„Moment... bei dem Jungen? Du willst die Sache noch durchziehen, trotz der Angriffe?“

Gins Blick wanderte von Ran zu Shinto, der wieder normales Tempo ging, seit er merkte, dass Ran ihm weder folgte, noch von der Organisation erschossen wurde.

„Sicher. Es ist zu viel passiert und der Junge ist eine zu große Gefahr für uns.

Und ehrlich gesagt, will ich jetzt auch wissen, was die Soldats so unbedingt von ihm wollen.“

„Aber... die Gewehre?“

„Korn? Du hast noch ein heiles bei dir?“

„Mhm... ich hatte meines direkt mit; baue es gerade zusammen.“

„Gut. In den Hallen genügen eigentlich auch normale Pistolen. So langsam wie der Junge jetzt geht, sollten es mindestens noch 15 Minuten sein, bis er am Zielort eintrifft. Das heißt, wir sollten jetzt trotzdem langsam los. Korn, beeil dich und komm dann nach!“

Chianti legte das Telefon beiseite und dachte erneut kurz nach.

„Sie sind die besten, die es gibt. Aber sie sind nicht unfehlbar.“ Sie musste sich Mut machen und vielleicht war dieses kleine Erfolgserlebnis gegen die Jungfrauen mit den schwarzen Händen das richtige, um Kraft zu schöpfen für den letzten Akt.

Dennoch, das Bild von Kirika wollte nicht aus ihrem Kopf verschwinden.

„Nein! Nein, du nicht! Du wirst mich nicht... nicht heute töten!“
 

Eine Minute nach Gins auflegen klingelte Korns Handy erneut.

'Was denn? Hat sich doch noch was geändert? Oder will Chianti schon wieder über Noir reden?' Nicht, dass er letzteres nicht auch irgendwie wollte. Mireille eine Soldats war eines, auch eine ziemliche Überraschung, aber ein weitaus geringerer Schock als...

Leicht fahl im Gesicht starrte er auf die Anzeige des Displays, bevor er erschrocken zurück zuckte.

„Scotch?!“ Aber der war doch im Park getötet wurden, er hatte seine Leiche mit eigenen Augen gesehen.

'Was zum...'

Vorsichtig hob er das kleine Teil an, drückte den Knopf zum Annehmen des Gesprächs und hielt es sich ans Ohr.

„Wer ist da?“

„Bonsoir..., mon ami.“
 

Akai sah kurz auf sein Handy, als Mireille die Verbindung zu ihm gekappt hatte.

'Hat diese Frau geahnt, was wir tun wollten? Das Mobiltelefon von Scotch mit den Nummern zu Gin und den anderen Agenten war essentiell.' Seine Erinnerung an das Gespräch mit Noir, als Conan den Eingang passierte, ließ ihn einfach nicht los.
 

„Ach, Conan möchte also, dass wir ihm helfen?“ In Mireilles Stimme war eine Spur echter Überraschung und gleichzeitig eine große Portion Geringschätzung. Der Agent überhörte es dennoch, beziehungsweise ließ es als das Schauspiel stehen, für das er es hielt.

„Ja. Er bittet Sie um Hilfe, weil er glaubt, dass Sie ihm helfen wollen.“

Sie legte den Kopf leicht bedächtig schief, ohne dieses beständige, naive Lächeln, mit dem sie ihm jedes Stück Information aus der Nase zog, aufzugeben.

„Ist dem so, wirklich? Nun... vielleicht...“

„Es ist so.“, unterbrach er sie scharf.

„Wie Sie meinen, Monsieur Akai.“ Sie sah ihn zunächst beleidigt an, ließ dann aber doch wieder ihre Mundwinkel nach oben fahren.

„Sie müssen ja wissen, warum ein Mensch hier und nicht auf der anderen Seite ist, oder?“

Er trat stockend einen Schritt zurück.

„Wie... wie bitte?“

„Oh, Sie wissen, was ich meine. Der Grund. Der Grund, weshalb Sie noch hier sind.“

„Hier auf dieser Welt.“, ergänzte Kirika, ihn mit diesen traurigen, mitleidigen Augen ansehend, die ihn innerlich trafen.

„Sie haben eigentlich keinen wirklichen Grund, hier zu sein, wollen es gar nicht mehr richtig. Und, auch wenn Sie das vielleicht Ihren sonst so erfahrenen Chef und Ihre Kollegin im Ansatz glauben machen konnten, sind Sie weder völlig über die Ereignisse um Akemi Miyano hinweg... noch treibt Sie so ein niederer Instinkt wie Rache deswegen. Aber Sie wollen auch nicht... davon ablassen, einfach weiter machen, wie man sagt.

Welches andere Motiv könnten Sie also sonst noch haben, um weiter hier zu wandeln?“

Er fasste sich wieder, wenn auch nur schwer. Konnten Les Soldats etwa sogar Gedanken lesen? Oder besser gesagt, so umfassend einen Menschen überwachen, dass er, selbst, wenn er etwas nie offen aussprach, seine Geheimnisse ihnen chancenlos überlassen musste.

„Sie kennen das Motiv, wozu also die Frage?“

„Stimmt. Aber die Frage lautet eigentlich, ob Sie die Antwort auf die Frage kennen, die Sie stellen.“

„Wäre ich denn Ihrer Meinung nach dann noch hier?“

Er wollte sich in eine überzeugende Position stellen, aber Noir schienen ihrerseits sein Schauspiel ohne Probleme zu durchschauen. Beide lächelten überlegen, schweigend, bis endlich der Groschen bei Shuichi Akai und seine Kinnlade förmlich nach unten fiel.

„Sie... Sie wissen, ob es stimmt?.“

„Natürlich. Wollen Sie die Antwort wissen, Monsieur Akai? Die Antwort, die ihrer Seele Ruhe gibt?

Oder sollen wir... Shinichi Kudo und seiner Freundin helfen? Es ist Ihre Entscheidung.“

Sie wusste, wie er wählen würde, welche Option für ihn die einzige und damit eigentlich keine war. Bereute er es, im Moment, unmittelbar nach der Frage, als er sagte „Kudo!“? Er wusste es erst einen Augenblick später, als sein Gehirn alles erfasste und ihn wieder klar denken ließ.

„Wie Sie wünschen.“ Spielte ihm seine Wahrnehmung einen Streich oder hatte bei beiden Frauen das überhebliche Lächeln eine Spur von Erleichterung bekommen.

'Kudo... ich hoffe, du weißt, mit wem du dich da einlässt.'

„Na dann...“

„Halt, was genau...“ Kirika und Mireille schienen schon auf dem Sprung.

„Mit Gin sind es jetzt drei Schützen. So viele wie wir. Ich schätze doch mal, das war Conans Gedanke.“ Er nickte stumm.

„Aber es gibt ein Problem mit der Koordination. Wenn einer schießt, wird der Getroffene den anderen Bescheid geben können.“

„Wir können über Handy miteinander kommunizieren und den genauen Zeitpunkt festlegen, wann wir schießen.“

„Nein... nein, das Problem ist, unsere Schüsse müssen angepasst sein an das Verhalten der Organisation, sonst gefährden wir den Jungen und das Mädchen. Und... ihre Pläne.

Zum einen müssen wir gleichzeitig schießen und ihre Waffen dabei unbrauchbar machen, sonst wird automatisch einer von ihnen einen tödlichen Schuss ansetzen.

Allerdings... dürfen wir auch nicht feuern, bevor wir nicht sicher sind, dass sie sie töten wollen, sonst verraten wir uns unnütz und geben ihnen erneute Gelegenheiten.“

Mireille sah ihn eine Weile an, versuchte das grüblerische in seinen Augen zu deuten.

„Sie haben keine Ahnung, wie sie das Timing anstellen.“

„Mhm...“

„Nun... dann müssen wir uns eben bei der Organisation einklinken und ein wenig Mäuschen spielen.“

Als Mireille ihm daraufhin Scotchs Handy zeigte, wohlgemerkt nicht in seine Hände gab, dass er es sich nehmen könnte, wurde ihm allmählich unheimlich.

War das das Pathos, der Lebensstil, der oberen der Soldats? Dieses alles im Voraus scheinbar schon zu ahnen... oder so vielseitig vorbereitet zu sein, dass einen nichts mehr wirklich unerwartet treffen kann? Wer waren diese Leute?
 

Diese Frage konnte er sich auch jetzt noch nicht beantworten. Sie geisterte lautlos umher. Ebenso wie die eine Frage, deren Antwort Noir ihm verweigerte im Austausch für die Hilfe dabei, Ran Mori zu retten. Hätten sie es nicht getan und ihm stattdessen geantwortet, wenn er sich dafür entschieden hätte? War es eigentlich schon eine Antwort, so wie sie es beschrieben hatten? Konnte seine Vermutung richtig sein? Wenn ja... sollte er dann jemandem davon erzählen? Nein... nein, das Verhalten aller Unwissenden musste ja dann Teil des Ganzen sein.

Und Kudo? Wie würde er reagieren? Und Shiho?

'Ich habe nur leider keine Sicherheit, also kann ich es auch nicht einfach aussprechen und damit noch größere Gefahr aufrufen.' All diese Gedanken beschäftigten ihn jetzt mehr, als ihm lieb war, während er sich ebenfalls daran versuchte, von Baum zu Baum die Strecke zurück zum Eingang zu überbrücken. Immer dabei auf der Suche nach...

'Da ist ja einer von Kanins Sicherheitsleuten! Perfekt.'
 

Der Schock über diese ihm aus der Vergangenheit vertraute Stimme war für Korn schlimmer als der

erste Moment, als er auf dem Display Scotch's Nummer sah. Er riss das Handy ruckartig von seinem Ohr, als könnte Mireille durch das Telefon ihn in irgendeiner Form verletzen.

„M-Mireille?“

„Wer sonst?“, tönte es ironisch auch aus einem Meter Entfernung auf ihn ein. Ja, es war keine Illusion gewesen, was er vorhin am Parkeingang gesehen hatte. Natürlich nicht. Mittlerweile war er auch ja überzeugt gewesen, sie würde hier sein. Und doch, jetzt, nach all der Zeit plötzlich ihre Stimme zu hören... war ziemlich dreist, wie ihm bald klar wurde. Nach all dem, was heute schon passiert war, wie sie und ihre Partnerin der Organisation mitgespielt hatten, hatte sie die Frechheit, ihn einfach anzurufen. Von dem Telefon eines toten Kollegen!?

„Wenn du dich dann von deinem Schock erholt hast, kannst du auch wieder das Handy ans Ohr nehmen. Ich beiße nicht dadurch und so zu schreien wirkt auf die Dauer lästig.“

Der Scharfschütze betrachtete skeptisch das kleine Stück Technologie in seiner Hand, das ihm mit einem Mal so sonderbar erschien, dass er meinte erst jetzt seine Details richtig zu bemerken. Dann endlich, nach gefühlt einer Minute der Analyse von Design, Tasten, Display, Gewicht und was ihm sonst noch alles auffiel, hob er es langsam wieder zu sich.

Im Hintergrund vernahm er rascheln von Blättern. Versteckte sie sich immer noch in einem der Bäume in Schussweite und beobachtete ihn? Ein kurzer Blick nach draußen sagte ihm aber, dass die Bäume in seiner Nähe alle still standen, kein Lüftchen wehte.

„Hallo..., Mireille.“ Die Minute hatte gut getan, er wirkte wieder gefasster, ruhiger, konnte seine neutrale Stimmung ausspielen, um sich nicht zu sehr in die Karten blicken zu lassen.

„Na du scheinst ja wirklich überrascht zu sein, von mir zu hören. Hast du mich überhaupt nicht erwartet, nachdem du mich schon am Eingang gesehen hattest?“

„Ich hatte bis heute nicht erwartet, dass du noch lebst.“, konterte er trocken. Und eigentlich sogar wahrheitsgemäß, auch wenn es mehr wie die Ausrede eines bockigen kleinen Jungen klang.

„Oh... das enttäuscht mich jetzt aber. Hältst du so wenig von meinen Fähigkeiten?“

„... Nein. Absolut gesehen, nicht. Aber niemand überlebt es, sich auf einen Konflikt mit den Soldats einzulassen. Und ich hatte nicht gedacht, dass du etwas anderes je tun würdest. Schon gar nicht...“

„Was willst du sagen... Korn? Spuck's aus!“ Ein giftiger Unterton mischte sich bei. Sie war auf dem Thema immer noch leicht zu erregen.

„Mhm... dass du die Mörder deiner Eltern laufen lässt, dich ihnen anschließt, ihr ergebener Auftragskiller wirst. So devot hätte ich dich nicht eingeschätzt.“

Es folgte ein Moment Pause, woraufhin er, zu seiner eigenen Verwunderung, ein schwaches Kichern, welches sich dann zum heftigen Lachen aufbaute, von der anderen Seite vernahm.

„Du verwechselt mich mit der Mireille vor fünf Jahren, mein Lieber. Oder mit deiner Kollegin.“ Korn horchte kurz auf.

„Der Mörder meiner Eltern ist tot. Ich selbst habe ihn getötet, wenn du es wissen willst. Vor vier Jahren. Und... Ich. Bin. Keine. Soldats! Crétin!“ In dem einen Wort 'Keine' steckte all der Hass, den er vor fünf Jahren gespürt hatte. Den Hass, wegen dem er es vermied, ihr zu sagen, wer die Hintermänner des Anschlages auf die Familie Bouquet waren. Hass, der blind machte und nur eines sein konnte, wenn man einem Gegner wie den Soldats gegenüber trat: tödlich.

Er zog verwundert etwas zurück. Wieso aber war sie dann noch am Leben?

„Was hast du...“

„Ich weiß, was die Soldats getan haben, und warum. Ich verabscheue diese Tat, nicht zuletzt wegen dem Grund dafür, den du übrigens nicht kennst, solltest du das glauben. Aber ich hatte meine Rache bereits, mehr brauche ich nicht um ein angenehmes Leben zu führen.“

„Du hast Scotch getötet.“

„Mhm... schuldig.“, schmunzelte sie so unschuldig, als sei es weniger als gar nichts.

„Er war halt am falschen Ort zur falschen Zeit, sonst hätte ich ihn vielleicht laufen lassen können.“

Doch, sie hatte sich verändert, deutlich verändert, auch wenn er nicht ganz interpretieren konnte, inwiefern. Sie wirkte ruhiger, weniger leicht reizbar, wenn auch bei gewissen Themen noch immer; und sie schien viel mehr über den Dingen zu stehen. Menschen, die sie nicht leiden konnte, brachte sie immer schon Verachtung entgegen, auf die konnte sie sich nie richtig einlassen, aber... jetzt schien sie sie mehr zu ignorieren. Das etwa klang aus der Antwort heraus. Für sie war Scotch schon Luft gewesen, als er noch lebte. Und ein Fehltritt von ihm machte es nötig diese Ameise zu zerquetschen.

„Und Kir?“

„Oui.“

„Chianti?“

„Oh... die lebt doch noch. Ich bitte dich! Ein solch feuriger Charakter bringt Spaß ins Spiel. Aber... nein. Damit habe ich nichts zu tun.“ Nahm sie ihn eigentlich ernst, kam ihm immer mehr die Frage hoch. Oder die Organisation? Zählte man Caipirinha hinzu, an dessen Tod durch sie oder ihre Partnerin er nun keinerlei Zweifel mehr hegte, waren drei Agenten getötet worden und drei weitere angegriffen! Dann traf ihn die Erinnerung.

'Als sie reinkam, war da noch jemand bei ihr. Ein japanisches Mädchen, mit einer... weißen Jacke! Chiantis Stalker!'

„Du...“

„Ja... ich was? Ich Fragen-Beantworter im Unterschied zu dir, der sich in Schweigen hüllt und immer nur ausweicht?“

„... Nein. Sie ist noch nicht tot, hat aber mittlerweile zwei Gewehre durch euch verloren.“

„Also nur gespielt.“

„Das ist kein Spiel, Mireille! Bist du immer noch ein Kind oder was?“ Nun ging ihm doch die Beherrschung für einen Moment flöten. Mireille nahm es als Anlass, auch etwas ernster zu werden.

„Mhm... nein. Ein Kind sicher nicht mehr... Und glaub mir, ich weiß, dass es – für euch – kein Spiel ist. Aber für mich ist euer kleiner Wettstreit mehr Unterhaltung als alles andere.“

„Wie bitte?“

„Du glaubst ernsthaft immer noch, ihr seit diejenigen, die hier die Kontrolle haben... oder besser hätten, wenn wir nicht da wären?“

„Was zum...?“

„Wenn ich nicht eingegriffen hätte, oder ein wenig anders gewirkt, wärst du jetzt schon tot. Du solltest mir eher danken. Und ich habe euch ein mögliches Leck mit Scotch vom Hals geschafft, sowie zwei der drei FBI Agenten der Polizei ausgeliefert.“

Er schwieg eine Weile. Unrecht hatte sie zumindest mit dem zweiten Satz nicht. Scotch's Tod, so wie er verlief, schien eher im Sinne der Organisation, zumindest für diesen einen Fall zu laufen. So schnell wie die Polizei bei ihm war, hätte er sonst nur Ärger gemacht. Aber der Preis an anderer Stelle war einfach zu hoch. Kir, Scotch und womöglich noch Chianti, das waren zu viele Verluste für eine einzige Aktion. Es war eine Vorführung, eine Demütigung der Organisation, die Mireille da vornahm... Es roch fast nach...

„Arbeitest du für Kanin?“

„Dieser Karikatur von Napoleon? Träum' weiter.“

'Napoleon? Wieso Napoleon? Hier stimmt doch noch mehr nicht!'

„Wo bist du, Mireille?““

„Im Park. Das weißt du doch.“

„Wo genau?“

„Oh, mein Süßer, werd mal nicht zu aufdringlich. Stalker kann ich überhaupt nicht leiden.“, kam es mit zuckersüßer, fast kindlicher Stimme.

„Sag es mir und ich werde eines unserer Probleme endlich aus der Welt schaffen.“

„Davon würde ich dir abraten, Korn!“

„Warum?“

„Weil ich dich sonst töten müsste. Das gleiche gilt übrigens, wenn du meinst, Gin erzählen zu müssen, dass ich dich angerufen habe.“ Nach den Auftritten von ihr und Kirika musste er diese Drohung mehr als ernst nehmen. Sie konnte ihn töten. Jederzeit vermutlich.

„Du bist eine Lügnerin.“

„Inwiefern?“

„Du hast behauptet, du würdest nicht mit den Soldats zusammenarbeiten. Wie bist du denn dann an deine Waffe gekommen, hier im Park?“

„Wer sagt, dass ich eine habe.“

„Scotchs Schusswunde.“

„Das war Blacks Waffe, die ich mir von ihm ausgeborgt hatte.“

„Und Kir?“

„Es gibt mehr als eine Methode, jemanden aus dem Weg zu räumen, mein lieber...“

Er schrak zurück, als sie ihn plötzlich bei seinem bürgerlichen Namen ansprach.

„Nenn mich... nie wieder so... Noir!“ Er wollte selbst Stärke zeigen, indem er sie mit ihrem Pseudonym betitelte, aber es wirkte nicht. Es klang eher... ängstlich.

„Hm... hast du Angst? Hast du Angst vor Noir? Oder fühlst du dich stark, weil du das Gesicht von Noir jetzt kennst?“ Er wich verunsichert aus.

„Was ist mit deiner Freundin?“

„Was soll mit ihr sein?“

„Woher soll sie ihre Waffe haben?“

„Bei den vielen Sicherheitsleuten kann man sich jederzeit eine besorgen... wenn man nicht so plump ist wie ihr, versteht sich. Vielleicht habe ich im Moment auch gerade eine in der Hand und ziele auf dich, was meinst du?“

Augenblicklich zuckte er vom Fenster zurück.

„Nein... wohl doch nicht. Beim nächsten Mal.“

Als er wieder das ungleichmäßige Rascheln im Hintergrund bei Mireille wahrnahm und einen Moment drauf achtete, wurde es ihm endlich klar.

„Du bewegst dich gerade durch den Park, springst von Baumkrone zu Baumkrone.“

„Ja. Und keine Angst, ich bin jetzt zu weit von dir weg, um dich zu treffen.“

„Was willst du eigentlich, Mireille?“

„Tut mir leid, aber das kann ich leider nicht verraten. Das ist ein Geheimnis. Aber vielleicht können wir bei einer Tasse Tee mal drüber reden. Bei Gelegenheit. Meine Partnerin macht einen ausgezeichneten Tee.“

„Und was soll ich jetzt bitte tun?“

„Überleben, wäre ganz nett. Sonst können wir keine Tasse Tee miteinander trinken.“

„Mireille...“

„Ich meine das schon ernst. Es wäre mir lieb, wenn ihr heute nicht sterbt. Und von alleine werden wir euch auch nicht töten. Aber da sind... andere Faktoren im Spiel.“ Eine gewisse unruhige Nachdenklichkeit wirkte in ihrer Stimme, flößte auch dem gestandenen Schützen Respekt ein.

„Andere Faktoren? Wer, Kanin?“

„Zum Beispiel.“

„Das FBI.“

„Zum Beispiel. Die wollen zwar euch auch lebend, aber wissen nicht, was sie tun.“

„Und wer... noch... nein!“ Über den Jungen, das FBI und nicht zuletzt Noir und die Soldats hatte er eine Komponente, vor der ihn Gin gewarnt hatte, mittlerweile völlig verdrängt.

„Dieser anonyme Detektiv?“

Sie antwortete ihm nicht, was auch eine Antwort darstellte.

„Und was... machst du jetzt?“, hakte er dann schließlich nach.

„Mal sehen. Ich werde das diesmal... nicht entscheiden.“

„Aber... warte Mireille...“ Doch sie hatte schon aufgelegt und beim Versuch, die Nummer wieder zu wählen, war Scotch's Handy bereits ausgeschaltet.

'Mireille ist Noir. Beeindruckend, wie sie sich gesteigert hat. Schade... aber so ist es in diesem Metier. Unseren Tee werden wir wohl nicht trinken können. Denn mindestens einer von uns beiden...' Er schraubte als letztes das Zielfernrohr an seinem Gewehr fest.

'... wird diesen Tag nicht überleben.'

Rien ne vas plus

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zum 20. Kapitel von 'Blutige Begegnungen'. Zunächst einmal vielen herzlichen Dank an alle Kommischreiber zum letzten Kapitel. ^________^

Und glaubt ja nicht, dass eure Kommentare sinnlos gewesen wären. Denn sie brachten mich dazu, die folgenden erklärenden Zeilen zum Stichwort 'Geheimnisse' zu schreiben:
 

Mireille und Korn kannten sich von früher, was ja schon angedeutet wurde, als er sie am Eingang bemerkte, siehe Kapitel 3. Ich habe natürlich trotzdem seinen Namen nicht genannt, sollte sich Gosho irgendwann erdreisten, ihn zu verraten. ;]
 

Was Mireilles und Kirikas Motiv angeht, den Brief an Conan eingeschlossen, das wird bald heraus kommen, vielleicht schon teilweise in diesem Kapitel... ;p
 

Und was das Gespräch zwischen Noir und Akai angeht... nun ja, das ist was für später, für das Ende. Nicht von dieser FF, sondern von der Reihe, also dauert noch eine Weile. Abwarten und Tee trinken. Würden Mireille und Kirika sicher auch sagen. *gggg*
 

So, damit zum hiesigen Kapitel. Der Titel deutet es an, nichts geht mehr danach. Die einzelnen offenen Fäden werden einigermaßen zusammen geführt und ab dem nächsten Kapitel dann gibt es den großen Showdown.
 

Was mich zu einer Ankündigung bringt. Es sind hiernach noch vier Kapitel und diesen Sonntag ist erster Advent. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, den Rest als ein kleines Adventspräsent an meine treuen Leser zu verteilen, anstatt es groß ins neue Jahr zu ziehen.

Das heißt, ab nächste Woche, jede Woche ein Kapitel, allerdings Donnerstags, nicht Dienstags, um ein paar Terminen noch aus dem Weg zu gehen. Damit sollte das Ende von 'Blutige Begegnungen' am Abend des 22. Dezember kommen, kurz vor Heiligabend.
 

Damit wünsche ich euch schon mal eine schöne vorweihnachtliche Zeit und viel Spaß beim Lesen.

Bis zum nächsten Mal.

LG, Diracdet
 

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Kapitel 20: Rien ne vas plus
 

„Wo zum Henker bleibt dieser Kommissar denn?! Man sollte doch meinen, in einem so kleinen Park käme man schneller von A nach B!“ Der kräftige Kameramann blies sich genervt eine Strähne aus dem Gesicht, nachdem er einmal mehr Dampf abgelassen hatte, balancierte sein Gewicht vom linken auf den rechten Fuß – und nach einiger Überlegung wieder zurück – und ließ sich nach hinten sinken.

„Beruhigen Sie sich doch bitte. Wie schon gesagt, Kommissar Shiratori ist informiert und einige unserer Kollegen durchkämmen den Park gerade nach den Verdächtigen.“, versuchte einer der jüngeren Polizisten die Lage zu entspannen.

„Kommen Sie mir nicht mit beruhigen! Wir sind schon über anderthalb Stunden hier! Dieser Polizist wollte doch direkt herkommen und unbedingt unsere Aussagen zu den Verdächtigen hören. Sicher sind hier im Park nicht viele blonde Frauen, aber dennoch macht es doch mehr Sinn...“

„Es ist halt etwas dazwischen gekommen, was den Kommissar beschäftigt. Aber keine Sorge, er wird sicher bald kommen.“

„Etwas dazwischen? Es ist eine Person verschwunden! Nicht irgendwer, Rena Mizunashi! Was sollte so wichtig...“

„Mitsushi...“ Zwei seiner Kollegen hielten ihn zurück, drückten ihn etwas von dem Beamten weg, der diese Frage keiner direkten Antwort würdigte, sondern seinem Blick stand hielt.

„Du weißt doch, was... vorhin...“ Er zuckte mit dem Kopf, bis Mitsushi auch wieder in seiner Erinnerung den Transport einer abgedeckten Trage zu einem Polizeiwaagen gegen viertel vor vier fand. Wie oft die Polizisten den Mitarbeitern von Nichiurie-TV schwören mussten, dass es sich bei der Leiche nicht um ihre vermisste Reporterin handelte, nur damit diese nicht handgreiflich wurden, und mit Gewalt sich das Wissen besorgten, auf welches sie gar kein Anrecht besaßen, hatte keiner gezählt.

Und es machte sie trotz allem natürlich nur noch unruhiger, und noch weniger kooperativ. Gleichzeitig hatten die Mitarbeiter ihrerseits mit dem Problem zu kämpfen, die von ihnen mitgebrachten Zeugen beisammen zu halten. Nicht, dass sie wirklich gebraucht würden, da sie ihre Aussagen bereits abgegeben hatten, aber allein die Option, etwas misszuverstehen, ließ es aus Sicht der Mitarbeiter vom Sender nicht zu, die unbeteiligten einfach so ziehen zu lassen.
 

„Ah, sehen Sie, da kommt doch der Kommissar!“, rief der junge Polizist spontan und mit einem nicht zu überhörenden Unterton der Erleichterung aus, als er seinen Vorgesetzten zügig in seine Richtung marschieren sah.

„Äh... Herr Kanin ist bei ihm...“, kommentierte einer der privaten Sicherheitsleute verwundert.

„Und die Amerikanerin, die vorhin nach Rena fragte!“, stellte Mitsushi mürrisch, aber auch selbst unsicher fest.

„Was... wollen die denn alle...?“

„Herr Kommissar! Da sind Sie ja endlich...“

„Keine Zeit, es ist dringend, lassen Sie uns durch!“

„Ihr habt den Kommissar gehört!“, verstärkte der Vorstands-Chef der Kanin-Baugruppe den Befehl noch, insbesondere gegenüber seinen eigenen Leuten.

„Halt, Moment mal!“

Wie eine Wand bauten sich die Mitarbeiter des Fernsehsenders vor der heran nahenden Gruppe auf.

„Was heißt hier 'dringend', Kommissar Shiratori? Erst lassen Sie uns ewig warten und dann wollen Sie uns einfach stehen lassen? Wir haben auch einen dringenden Grund.“

„Es geht um Leben und Tod, Sie...“ Noch während er den Satz aussprach, verfluchte er seine vorschnelle Zunge in diesem Augenblick.

'Das sind doch nicht etwa diese Fernsehfritzen, die wegen Rena Mizunashis Verschwinden gekommen waren? So ein... Mist.'

Erwartungsgemäß verfärbten sich alle Unbeteiligten bei dieser drastischen Formulierung.

„Wie... um Leben und Tod?! Ist Rena Mizunashi etwa etwas...“

„Nein, es geht ihr gut, keine Sorge!“, versuchte er die Leute zu beruhigen. Mit Gewalt oder Autorität würde es an denen eh kein Vorbeikommen geben in diesem Moment. Dafür waren es zu viele und ihre Gemüter schon zu erhitzt..

„Was, es geht ihr gut? Heißt das, Sie haben sie gefunden? Gott sei dank, wo ist sie?“

Der nächste Fehler. Shiratori hätte sich selbst geohrfeigt, wenn er es gekonnt hätte. Es reichte die eine Sekunde Pause, in der er nicht antwortete, um die Stimmung wieder zu kippen.

„Sie... Sie haben sie noch nicht gefunden?! Woher wollen Sie dann wissen, dass es ihr gut geht?“

„Beruhigen Sie sich doch, meine Herren!“, mischte sich nun auch James Black ein, wohl wissend, dass sie hier ihre Zeit vertrödelten, die sie kaum noch hatten. Er konnte vom Eingang aus sehen, dass die Posten von Chianti und Korn nicht mehr besetzt waren. Die beiden mussten also bereits auf dem Weg sein. Im Augenwinkel sah er Hideichi Kanin ein schwaches Lächeln unterdrücken.

'You cunning bastard.' Sicher war es in seinem Interesse, die Polizei und das FBI noch etwas in ihrem Vorwärtsdrang zu behindern. Auch wenn es aus seiner Sicht bereits nahezu bedeutungslos war. Aber so ein unerwartetes und schwer überwindliches Hindernis kam ihm dennoch mehr als gelegen.

„Halten Sie sich da raus, Opa! Wer sind Sie überhaupt, Sie sind doch kein Japaner?“

Der Ausspruch 'kein Japaner' brachte den Kameramann gleich zurück zu der eigentlich für ihn interessanten Person.

„Moment, wen haben wir denn da? Wenn das nicht die so neugierige Amerikanerin ist, die unbedingt Rena treffen wollte und so aufdringlich nach ihr fragte. Da haben Sie Ihren Verbrecher, Herr Kommissar. Reden Sie, was haben Sie mit ihr gemacht?“

Ein merkwürdiges Gefühl durchzog Jodie, während sie sich regungslos von dem groß gewachsenen Mann anschreien ließ. Zum einen musste sie sich erneut von ihrem Unterbewusstsein anhören, wie töricht sie doch vorhin gewesen war, auf Mireille Bouquet zu hören, wie unvorsichtig die offene Frage nach Rena Mizunashi, wie demütigend ihre folgende Begegnung mit der Killerin. Nicht zuletzt, wie sehr sie sich, andauernd, wenn es um die Korsin ging, wie ein fünftes Rad am Wagen fühlte: unnütz und deswegen von den anderen, ihren Kollegen und Vertrauten... etwas allein gelassen. Uninformiert über Details, die offenbar relevant waren. Überaus relevant.

Diesem drückenden und fast lähmenden Gefühl mischte sich nun etwas anderes, neues bei, als sie den Kameramann von Nichiurie-TV betrachtete: Egalität. Vollkommene Gleichgültigkeit. Er brüllte sie, zu Unrecht und selbst wenn sie die Täterin gewesen wäre – was sie nicht war – noch lange nicht im Recht, an, dass ihr die Ohren abfielen, fuchtelte wild mit seinen Armen, die, wenn sie ausholten und die Agentin nicht aufpasste, sicher kritischen Schaden anrichten konnten und doch... war es kaum mehr als eine Sommerbrise, die sie wirklich wahrnahm von dem, was ihr entgegen schlug. Ja, der Vergleich mit Luft passte. Dieser Mann war im Moment Luft für sie, so wichtig waren die anderen Dinge, die sie beschäftigten. Aber so etwas hatte sie eigentlich noch nie empfunden. Sie hütete sich beileibe davor, einen Menschen gering zu schätzen. Er verstand halt nur nicht, was gerade passierte und dass, auch wenn er es nicht wissen konnte, es Rena Mizunashi nunmal gut ging, auch wenn sie weiterhin verschwunden blieb.

Und in diesem Moment schlug ihr Unterbewusstsein Alarm und ihr Herz begann augenblicklich etwas schneller zu rasen. Genau das: Unwissenheit. Das bemängelte sie doch an sich, dass sie zu wenig wusste, um die Situation einzuschätzen und dass andere das notwendige Wissen besaßen, es aber nicht teilten, weil die Agentin damit angeblich nicht umgehen könnte.

'Ob sie mich deshalb so von oben herab ansah? Diese Mireille Bouquet? Weil ich... einfach nicht verstand, was wichtig war und deswegen Leute, die gutes tun wollten... behindere.'

Nun befand sie sich in ihrer Position und der Kameramann in der der Agentin vor ein paar Stunden!

Es war eine Offenbarung für sie, wie sie den ganzen Tag sich ankündigte und doch traf sie sie wie ein Blitz. Die eine Erkenntnis, wie andere sie sahen, und wie sie darauf zu reagieren hatte. Sie atmete, innerlich, lautlos einmal tief durch.

„Y-yes... ja, it's true. Ich habe Frau Mizunashi hier im Fernsehen gesehen und wollte sie unbedingt mal treffen. Deswegen habe ich Sie nach ihr gefragt. Das verleugne ich gar nicht.“ Die Offenheit zeigte sofort ihre Wirkung. Mitsushi, der eine Verleugnung erwartete, wurde für einen Moment stumm, ließ sich etwas zurück fallen.

„However...“, begann sie mit geschwellter Brust und der Überzeugung, nicht nur unschuldig, sondern auch einmal die wissende zu sein.

„... ich bin Frau Mizunashi leider nicht einmal begegnet. Daher weiß ich nichts von ihrem Verbleib.“ Nun gut, es war nicht die volle Wahrheit, aber nahe genug.

„Wie... wie bitte?! Dass ich nicht lache, das glauben Sie doch selber nicht! Aber gut, wir haben Zeugen, die Sie gesehen haben, wie Sie Rena folgten und dort waren, wo man sie zuletzt sah.“ Er drehte sich um und zog, direkt ruppig, eine ältere Dame im Mantel hervor, die durch ihre Brille die Agentin skeptisch beäugte.

„Na los, Frau Nabucci, bestätigen Sie der Polizei, dass das die Person ist, die Sie gegen zwei bei den Toiletten gesehen hatten.“ Die alte Frau zögerte noch etwas, starrte Jodie lange musternd an, bis sie sich sicher war, rückte dann die dicke Brille auf ihrer Nase gerade.

„Aber das ist sie nicht, mein Herr.“

'Yes! One for truth, nil for uncertainty.'

„Aber... Frau Nabucci?“

„Nun, Sie ist blond und offenbar westlich, aber... die Frau, die ich gesehen hatte, hatte schulterlanges Haar, also deutlich länger und auch nicht so glatt, mehr Dauerwellen... und sie war jünger, deutlich, fast noch ein Kind...“

„Wir haben's kapiert, sie war viel schöner als ich.“, gab Jodie pikiert mit einem Blick zur Seite von sich, pustete sich nicht vorhandene Haare aus dem Gesicht. Aussehen interessierte sie eigentlich... nicht mehr als die meisten Frauen, dachte sie zumindest und doch, ausgerechnet von Mireille Bouquet ausgestochen zu werden – zuerst an der Teitan-Oberschule, und nun vor einer unbekannten, neutralen Beobachterin – zog ein ungewohntes Gefühl von Eifersucht nach sich. Sie musste sich einfach mit ihr messen, das zwang ihr ihr Unterbewusstsein scheinbar auf. Sie war diejenige, die das Recht zu erhalten versuchte, Mireille die Mörderin. Sie war die Gute hier, ohne Zweifel, sie musste einfach 'besser' sein. Auf jedem erdenklichen Level.

„Also gibt es scheinbar tatsächlich eine zweite blonde Amerikanerin hier im Park.“, folgerte Shiratori laut, und mit gespielter Überraschung.

„Oder Europäerin...“, ergänzte Black fast abwesend.

'Also Europäerin, hm?'

„Nein, Moment, es handelt sich bei dieser Frau hier aber um die Person, die ich gesehen habe, ganz sicher!“, meldete sich ein Mann mittleren Alters, etwas kleiner als die anderen, aus den hinteren Reihen.

„Wie jetzt? Wer...“

„Sagamoto, mein Name. Die Herren von Nichiurie-TV hatten mich unter anderem auch befragt, weil ich kurz nach zwei an der besagten Toilette vorbei kam und da sah ich auch diese Frau hier, wie sie aus dem Haus raus kam, nervös sich nach allen Seiten umdrehte, als ob sie sich beobachtet fühlte und dann von diesem Ort weg lief.“
 

In dem Durcheinander, welches sich um die Gruppe gebildet hatte, bemerkte keiner so richtig, wie sich einer von Kanins Sicherheitsleuten vom Parkwald aus näherte, seelenruhig zum Tor marschierte und dabei an Kasuragi vorbei schritt. Der schrak, als er ihm unter die ins Gesicht gezogene Kappe blickte, augenblicklich zurück. Ein schwaches Lächeln brach da hervor.

„Sie brauchen nicht Bescheid zu geben. Noir ist bereits nicht mehr im Park und interessiert sich nicht mehr für Ihre Informationen.“ Aschfahl wurde das Gesicht des Beamten, der nur noch geräuschlos nickte und ihn durchließ.

'Was zum Geier ist hier eigentlich los?'

Beim zügigen Gehen wäre der Mann beinahe in eine Dame gelaufen, die ihm, aufwendig bekleidet und geschminkt, hastig entgegen gerannt kam, als hoffte sie noch nicht so viel von der Feier verpasst zu haben, die seit über acht Stunden lief. Letztlich stießen sie fast zusammen, beide zuckten kurz voreinander zurück und sahen unter ihren jeweiligen Kopfbedeckungen, die sie fest hielten, in des anderen Gesicht. Und schraken erneut auf.

'Shuichi Akai?!'

'Aber das ist doch...'

Sie fasste sich zuerst wieder, setzte einen kurzen, widerspenstigen Blick auf, zog ihre Mütze noch tiefer und verschwand durch den Eingang, ohne sich umzudrehen.

'Woher kennt die mich denn?' Eine dunkle Ahnung beschlich ihn. Aber er hatte keine Zeit und auch keine Möglichkeit, sich darüber Gedanken zu machen. Und ihr jetzt zu folgen war auch keine gute Idee. Die anderen Polizisten am Eingang würde er nicht täuschen können, wenn er nochmal vorbei ginge. Und er musste unbedingt vor seinen Kollegen den Park verlassen.

So schritt er zügig durch und vom Eingang aus im großen Bogen weg Richtung Lagerhäuser.
 

„Wie, jetzt also doch?“ Der selbst ernannte Rädelsführer des Fernsehteams von Nichiurie-TV hatte seinen persönlichen Faden bereits verloren, als Frau Nabucci Jodie entlastete. Die Bestätigung durch den zweiten Zeugen war alles andere als Wasser auf seine Mühlen, ließ ihn statt dessen doch noch mehr an seiner eigenen Interpretation zweifeln. Ein schwaches, selbstironisches und ein wenig mitleidvolles Grinsen schlich sich auf Jodies Lippen, als sei es ihr direkt unangenehm, den Mann so bloß zu stellen.

'Maybe I should indeed... thank someone today.' Dennoch musste sie ihm, nicht zuletzt, da andere Probleme drängten, nun den Gnadenstoß versetzen.

„Es ist schon auch wahr, Sir. Ich war bei den Toiletten. Ich bin auch nur ein Mensch. Aber, wie Sie den Zeugenaussagen selber entnehmen können, ist das Zeitfenster nicht so eindeutig wie es Ihnen vielleicht erscheint.

Missus Nabucci sprach von gegen zwei Uhr, also um das Feuerwerk herum, während ich erst einige Zeit danach kam, was Mister Sagamoto bestätigte. Das Feuerwerk gibt da einen ziemlich deutlichen Anhaltspunkt, was die Zeit angeht. Ich jedenfalls habe mir dieses beeindruckende Farbenspiel angesehen und bin erst später zur Toilette gegangen.“

Mitsushi zögerte etwas, als suchte er verzweifelt nach einer Lücke in der Argumentation.

„Und... und was war mit dem sich nach allen Seiten umsehen, wenn ich fragen darf?“

„Ach das, na bei Frau Starling ist das doch quasi Alltag, schließlich ist sie... Ah!“ Jodie unterbrach den übereifrigen jungen Polizisten, der sich die letzten anderthalb Stunden von den Fernsehmitarbeitern belagern lassen musste und nun ein wenig Entschädigung durch Selbstprofilierung suchte, mit einem gezielten Hackentritt ihrer Schuhe.

„I was just... I mean... ich war immer noch auf der Suche nach Miss Mizunashi. Ich dachte, bei den Toiletten sieht man sie eher noch, und hab mich eben sehr genau umgeschaut. Nichts dabei, oder?“
 

„Es gibt also eine zweite blonde Person hier im Park, die verdächtig ist.“, kommentierte Hideichi Kanin nachdenklich. Es waren seine ersten Worte, seit sie den Eingang erreicht hatten und Durchlass verlangten, als nun das Team von Nichiurie-TV, von Jodies Erklärung überzeugt, verstummten.

„J-ja, genau, eine andere Frau. Aber das heißt, Rena ist immer noch verschwunden und wir haben eine noch immer frei laufende Verdächtige! Herr Kommissar, Sie müssen...“

„Ich muss gar nichts, mein Herr...“, schnitt er ihm das Wort mit tiefer, Respekt erbietender Stimme ab.

„..., außer der Vermisstenmeldung von Rena Mizunashi selbst nachgehen. Ihre Schlussfolgerung der verdächtigen blonden Frau hat sich zerschlagen, als Trugschluss heraus gestellt. Diese Amerikanerin hier ist unschuldig. Und dass es eine zweite blonde Frau gibt, hat erstmal nichts mit Fräulein Mizunashis Verschwinden – so es denn eines ist – zu tun. Deswegen alleine werde ich keine Suchaktion nach einer vermutlich Unschuldigen starten. Gesucht wird Rena Mizunashi selbst, und ohne weitere Hinweise niemand, ist das klar?“

Innerlich wusste Shiratori es besser. Diese andere blonde Frau, das war 'sie'. Die Reaktion Jodies, als Frau Nabucci sie beschrieb, war eindeutig. Sie kannte diese Frau, persönlich, und hatte auch noch eine Rechnung mit ihr offen, konnte man ahnen. Und vor allem, das war diese 'gefährliche Person', mit der er Agent Black aus der Reserve locken konnte.

'Jemand, der gefährlicher ist als Les Soldats... so jemanden gibt es? Diese Frau sollte man zumindest nicht von unerfahrenen Polizisten suchen lassen. Das gebe nur Ärger. Hm... aber warum finden wir Frau Mizunashi eigentlich nicht, nicht mal ihre Leiche, falls sie tot sein sollte?'

„Herr Kommissar?!“, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Er sah leicht abwesend zu Kogoro und Kanin, die ihn wiederum neugierig musterten.

„Ich denke, das Fernsehteam lässt uns jetzt in Ruhe. Können wir dann also weiter? Es wird allmählich Zeit!“

Shiratori nickte, immer noch nicht ganz bei der Sache, sah skeptisch zu Jodie und James, die sich im düsteren Blick Richtung Horizont gegenseitig zu übertreffen versuchten und folgte dann.

'Immer Richtung dem Ziel entgegen. Jetzt gibt es kein zurück mehr...'
 

Dicht am Zaun entlang wanderte Conan ebenfalls zügigen Schrittes, immer auf sicheren Abstand zu Shinto Ajusawa bedacht. Zwar war niemand mehr auf den Positionen der Scharfschützen, um ihn zu erspähen, wie er den Jungen verfolgte, aber dennoch hoffte er, so besser allen Eventualitäten vorbeugen zu können.

Zumal es innerlich in ihm brodelte. Aus vielerlei Gründen. Rans Blick, als sie den Parkplatz alleine verließ, ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Dafür kannte er sie wirklich lange genug. Sie würde es nicht dabei belassen und nach Hause gehen. Sie würde ebenfalls Shinto verfolgen, und er würde es nicht verhindern können.

'Also muss ich mich... beeilen. Ich muss diesen Fall zu Ende bringen, bevor Ran noch eine Gelegenheit hat, einzugreifen. Aber das wird knapp. Verdammt knapp.' Denn darin lag das nächste Problem: wie er 'es' beenden wollte. Alle Aktionen bisher dienten dem kurzfristigen Zweck, Ran und Shinto zu schützen, die Organisation zu zwingen, trotz der Zwischenfälle bei ihrem Plan zu bleiben.

Conan lächelte verbittert auf. Mittlerweile war ihm klar geworden, dass er damit Shinto mehr geholfen, als ihm lieb war. Das ganze war ein beidseitig abgekartetes Spiel. Zwischen der Organisation und der Kanin Bau-Gesellschaft. Und alle Aktionen Noirs waren mit Bedacht gewählt, das Pendel nicht zu stark zu einer Seite ausschlagen zu lassen, da sonst die andere Seite...

Er schloss kurz die Augen.

'Das ist schon fast Zynismus. Ein Attentäter hindert Leute daran, sich gegenseitig umzubringen.'

Im zweiten Augenblick schien es ihm beinahe wieder sinnig. Dafür engagierte man doch schließlich einen Attentäter: um mit möglichst wenig Verlusten ein Problem aus der Welt zu schaffen. Nur gab es hier doch gar keinen Auftraggeber. Das war nicht das Handwerk der Soldats, sondern auf eigene Faust. Der Brief an ihn, gegründet auf seinen 'Erfolg' auf der Ocean Goddess, hätte sonst keinen Sinn gemacht. Noir arbeitete auf eigene Faust daran, ein größeres Blutvergießen zu verhindern.

'Warum?'

Nun aber war die Organisation in die Ecke gedrängt,ohne Joker, ohne Optionen, und mit ihrem eigenen Untergang vor Augen. Dann wäre seine ganze Arbeit quasi umsonst, wenn diese drei Leute heute sterben würden. Korn, Chianti, und Gin... selbst Gin... gerade Gin. Nein, er durfte nicht sterben. Er musste vor Gericht gestellt werden und für seine Verbrechen wie jeder andere bestraft werden, aber nicht so. Und besonders er, an den er noch so viele Fragen hatte.

Nur... was konnte er jetzt noch tun, um es zu verhindern? Der Plan war, nach einigen kleinen Schönheitskorrekturen Seitens Mireille Bouquet und Kirika Yuumura quasi... perfekt.

Was ihn zu seiner seit einiger Zeit wieder nagenden, zentralen Frage des Tages brachte.

„Wer zum Geier ist dieser Junge denn nun wirklich?“, dachte er laut nach.
 

„Tja, das ist eine witzige Frage, nicht wahr, Shinichi?“ Er fiel fast um vor Schreck, als ihn die weibliche, süßlich heimtückische Stimme von der Seite ansprach.

„M-Mireille Bouquet?!“

„Bonsoir, mon petit prince.“, lächelte sie ihn unschuldig an. Durch den Zaun, hinter welchem sie gemütlich neben ihm her schritt.

„Sie... Sie wissen, dass Sie auf der falschen Seite des Zauns sind, oder?“

„Ach komm, wenn mich dieses bisschen Draht aufhalten würde, hätte ich die falsche Profession gewählt.“ Ein leichter Akzent schwang im Wort Profession mit, welches wohl auch nur der Nähe zum entsprechenden französischen Begriff gewählt wurde. Mit ein wenig Genugtuung stellte Conan fest, dass auch die beste Profikillerin der Welt mal eine kleine Schwäche zeigte.

„Profession?“ Er beließ es aber dabei, dem Wort selbst einen skeptischen Touch zu verleihen, anstatt irgendeinen Kommentar fallen zu lassen, den er bereuen könnte.

„Also, was soll das, Frau Bouquet?“

„Was?“

„Warum wollten Sie mich nun unbedingt hier haben?“, wurde er jetzt doch lauter und ungeduldiger.

„Ach? Willst du das unbedingt jetzt ausdiskutieren, Shinichi? Ich dachte, du stündest gerade etwas unter Zeitdruck.“ Grummelnd nickte er es mehr ab, als zuzustimmen.

„Mhm. Und was macht du jetzt, mein lieber Poirot?“

Der Name überraschte ihn. Was sollte bei ihm ausgerechnet an Hercule Poirot erinnern, dem war er doch gar nicht ähnlich, außer, dass sie Detektive waren und überhaupt und...

Er sah kurz zu ihr, in ein verschmitztes, ironisches Grinsen und wandte sich stöhnend um.

„Bleiben Sie bei kleiner Prinz, damit kann ich besser umgehen.

... und wenn's Sie so interessiert, ich denke darüber nach, was genau ich jetzt mache.“

„Oh... nachdenken. Du hast wohl ein ernsthaftes Problem, was?“

„Tun Sie nicht so, als ob Sie es nicht wüssten, verdammt!“

„Schon gut, reg dich nicht künstlich auf. Taub bin ich noch nicht in meinem Alter. Die Frage war schon nicht ganz unernst gemeint, Shinichi. Ich weiß, was passiert, im Augenblick. Aber ein Problem damit haben, heißt, eine bestimmte Meinung zu diesen Ereignissen haben. Und das ist nun mal etwas individuelles.“

Er antwortete nicht, blickte bewusst kurz weg, sah sie dann grimmig an, als erwartete er, dass sie etwas sagte, und wandte sich dann wieder ab, als sie ebenfalls schwieg.

„Mein Problem ist, dass in Kürze einige Leute sterben könnten und ich nicht weiß, wie ich es verhindern kann. Nun zufrieden?“

„Nun, deinen Worten nach hätte ich das eh gewusst, also... ja, eigentlich bin ich zufrieden, es dir trotzdem entlockt zu haben.“ Sie verzierte ihre Worte mit einem unschuldigen Lächeln, das er Zähne knirschend runterschluckte.

„Wobei es mich fast wundert, weshalb du dann noch fragst, warum ich dich herbestellt habe.“

Nun blieb er stehen, blickte sie unsicher und neugierig an.

„Du hast es selbst quasi schon gesagt.“

„Sie meinen... diese Situation, in der beide Seiten sich gegenseitig umbringen wollen...“

„Wenn zwei Seiten sich unbedingt gegenseitig töten wollen, gibt es keine einfache Lösung das zu verhindern. Jede Variante, die einem einfällt, führt entweder dazu, unschuldige Leute sterben zu lassen, oder diejenigen umzubringen, die für dich ja eine langfristige Bedeutung haben. Ich habe eine Weile drüber nachgedacht, ohne eine bessere Lösung zu finden. Gleichwohl weiß ich, dass beide Optionen für dich keine darstellen.“

„Was wollen Sie von mir? Sie können mir doch nicht weismachen, dass Sie so plötzlich Mitleid verspüren und nicht mit dem Tod anderer Menschen, die Sie gar nicht kennen, umgehen können.“

„Warum nicht? Wer sagt, dass es mir jemals egal war? Machst du das allein daran fest, dass ich Attentäterin bin?“

„Ja.“, reagierte er hart, bewusst einen bösen Blick Mireilles auf sich zu ziehen.

„Das kann man nicht einfach so als Teil seiner Lebenseinstellung betrachten, dass man Menschen tötet und damit sein Leben finanziert. Nennen Sie mir eher einen Grund, warum es bei Ihnen gerade anders sein sollte!“

„Später, Shinichi. Später.“, meinte sie abweisend, sah ab und an auf ihr Handy.

Er resümierte in Gedanken das Gespräch, um den Roten Faden vor der kleiner Unterbrechung eben wieder zu finden.

„Hm... Sie haben schon recht, die Sache ist ziemlich vertrackt. Jeden, dem ich helfe, mache ich damit indirekt zum Mörder.“

„Fühlst du dich wie Don Quixotte? Kämpfst gegen die Windmühlen, die immer und immer wieder kehren und sich einfach weiter drehen in einer dir verhassten Spirale? Das Problem ist nicht einfach nur ihre Macht, die deine so weit übersteigt. Es ist auch, dass sie, ihrer Macht angepasst, dich ignorieren. Hilfst du jemandem, sein Leben zu schützen, wird das diese Person in diesem Fall nicht davon abbringen, andere Leute zu töten. Sie werden dich... einfach übergehen und weiter machen.“

„Interessanter Vergleich. Aber ich bin nicht bereit, das als endgültigen Schlusspunkt hinzunehmen.“

Er sprach ruhig, fast monoton wie ein Roboter, oder wie jemand, der mit Gewalt eine emotionale Reaktion unterdrückte.

„Du bist noch zu jung, um es hinzunehmen, das ist alles.“

„Nein!“, widersprach er ihr diesmal mit Bestimmtheit, ließ selbst die Mörderin für einen Augenblick verstummen.

„Betrachten Sie es ruhig als kindisch, aber ich weigere mich, hinzunehmen, dass die Menschen sich gegenseitig in so eine aussichtslose Position bringen können. Alle intriganten Handlungen, auch die der Organisation und des Jungen heute, beruhen auf Täuschungsmanövern und psychologischer Einschätzung des jeweiligen Gegners. Manipulation, um ihn nach der gewünschten Pfeife tanzen zu lassen. Und ohne unsere Einmischung ist es lediglich derjenige, der am weitesten voraus plant, der am ehesten gewinnt. Ein so lächerlich einfaches Konzept kann niemals die Realität in ihrer Vielfalt widerspiegeln, wie wir sie erfahren. Dafür sind die Menschen zu verschieden. Weder Shinto noch Gin können Ran's Auftritt heute mit eingeplant haben! Und ebenso hatte keiner von den beiden Sie oder mich auf der Rechnung, die wir uns alle nicht an die Regeln dieses Spiels halten. Es ist und bleibt ein unvollständiger Plan, und es liegt an uns, von außen eingreifend einen Weg zu finden, wie wir es beenden, ohne das Blut vergossen wird!“ Er atmete gegen Ende schwer, Unbehagen schlich sich in seine Magengegend. Wie klug es wohl war, vor einer Profikillerin darüber zu philosophieren, warum man sich gegen Mord aufzulehnen hatte? Aber er konnte so eine Meinung auch einfach nicht stehen lassen. Er konnte es nicht.

Mireille Bouquet sah ihn einen Augenblick schweigend, durchdringend, ...ernst an, schloss dann behutsam die Augen und schritt weiter.

„Viel Glück, Kudo.“

Er starrte ihr einen Augenblick nach, schüttelte sich und lief dann auch wieder weiter.

„Und, wer ist er nun?“, setzte er an, als sie wieder auf dem Weg waren.

„Wer, der Junge?“

„Exakt. Mich wundert, warum Herr Kanin ihn so einfach für einen solchen Plan einspannen konnte, nur weil er diesen Köder brauchte und...“

„Wieso sein Plan?“

Erneut stockte Conan.

„Was, aber... doch nicht etwa...“

Mireilles Augen wanderten um sich herum, zum Parkgelände, zum Parkplatz, der U-Bahn Station.

„A-Alles? Die ganzen Kanin-Pläne stammen von dem Jungen?!“

„Warum wohl sind sie so interessiert an ihm? Ein echtes Genie, nicht wahr?“

„Aber, das geht doch nicht. Von so einem Genie hätte man doch längst mal gehört. Deswegen dachte ich ja auch, er wäre wie ich... Man kommt mit so einer Auffälligkeit sofort in die Zeitung.

Woher hat ausgerechnet die Organisation von ihm erfahren können?“

„Tja...“ Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah wissend zum Himmel.

„Sagen wir einfach, die Organisation war prädestiniert, es heraus zu finden.“

„Prädestiniert? Hm...“ Er versank in Gedanken.

Meinte Sie mit Genie vielleicht Ai? Sie war ein in der Organisation gewissermaßen groß gewordenes Genie.

'Nein... Ai hatte immer noch so etwas wie ein Privatleben, so wie ihre Schwester Akemi. Sie waren Freunden bekannt, die auch offen über sie erzählten. So ein Genie wäre darin... doch... sofort...

Vermouth!? Nein... das glaube ich ja nicht!'

Ihm gingen förmlich die Augen über, als er verstand.

„Natürlich... es ist genau wie bei... Vermouth.“ Mireille schmunzelte.

„Das konntest außerhalb der Organisation eigentlich nur du herausfinden, Shinichi. Shuichi Akai und das FBI haben ja gar nicht die Informationen, die dafür nötig wären. Und auch nur, weil du auf der Ocean Goddess so grandios aufgetrumpft hast.“

„Und deswegen auch... der Plan in dieser Form.“ Ihm blieben für einen Moment seine Worte von eben im Halse stecken, bei dem Gedanken, was hier gespielt wurde.

„Aber letztlich, Shinichi, wird dir das auch nicht helfen, es zu verhindern, oder? Dieses kleine Detail ändert nichts an dem, was nun noch passieren wird.“

„Nein, wird es nicht. Es sind wahrscheinlich einfach zu viele Leute...“

„Sicher zehn pro Mitglied, würde ich sagen. Aber wenn es dir so sehr um die Organisation geht, kann ich mich auch gerne um sie kümmern...“

„Nein?!“, gab er fast panisch zurück, sah ihr sarkastisches Grinsen, atmete mehr erleichtert denn beleidigt aus.

„Dafür haben Sie kaum genug Kugeln in Ihrem Kaliber...“ Bei der Pistole kam ihm der Gedanke an die Aktion nachdem Ran und Shinto den Park verlassen hatten.

„Und... danke... für vorhin.“ Sie sinnierte kurz, bevor sie antwortete, als badete sie in dem 'danke' des Detektivs.

„Mhm... du glaubst ernsthaft, mit zehn Personen würde ich nicht fertig werden ohne meine Waffe? Ich bin echt enttäuscht.“ Er schluckte, sah erneut zu ihr hoch. Nicht die Spur eines Zweifels war darin. Man konnte förmlich die Aussage 'das wäre nicht das erste Mal' darin lesen. Und er hielt sich manchmal für zu eingebildet.

„Und nichts zu danken. Ich bin hier so etwas wie eine Beobachterin, mit Aktionspotential. Mich interessiert einfach, wie das hier ausgeht.“

'Wohl kaum, so aktiv, wie Sie sind.', behielt Conan aber für sich und beantwortete ihre halbe Frage kurz angebunden mit, „Schlecht, momentan.“

„Ich weiß. Aber das willst du ja nicht zulassen.“

„Ganz sicher nicht. Nicht zuletzt, weil ein Aufschub es nur schlimmer machen würde.“

„Ran?“

„Mhm... und wohl auch das FBI und die Polizei, die auch früher oder später eintreffen könnten. Zumindest Herr Akai... Herr... Akai?“

Er blieb mit einem Mal erneut stehen.

„Was ist, Shinichi?“

„Akai... die Organisation... eine Falle... das gab es doch schon einmal.“

Sie unterließ es, ihm zu antworten, zu sehr schien er nun ins Grübeln zu verfallen.

„Ich dachte bisher, diese Variante würde uns nichts bringen, weil dabei noch der Junge kritisch wäre. Aber... mit seiner Identität...“

Es dauerte noch ein paar Sekunden, bis sich langsam auf seinen Lippen das Lächeln zeigte, das sie sehen wollte.

„Es ändert doch etwas, seine Identität zu kennen.“

„Mhm... Und nun?“

„Nun wird es Zeit, das wir eine Seite aus den Verhaltensweisen der Organisation uns abgucken. Oder besser... würde ich fragen, ob Sie und Kirika das übernehmen würden.“

Sie schmunzelte lautlos.

„Ich müsste da eigentlich erst Kirika fragen, aber... ich denke, ich kenne ihre Antwort sehr genau.

Aber... Shinichi. Überleg' dir gut, was du vor hast und sei präzise mit deinen Ausführungen. Sobald du es nämlich ausgesprochen haben wirst...“

„Schon klar...“ Dem zunächst sicheren Grinsen mischte sich trotz allem etwas wirres bei. Ein Blick eines Glücksspielers, der alles auf die eine Nummer beim Roulette setzte, sich wohl bewusst des Hazards, den er betrieb.

„Rien ne vas plus, wie Sie sagen würden.“

„Oui.“

Fallen über Fallen

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zum Auftakt des adventszeitlichen Finales von 'Blutige Begegnungen' und damit auch insbesondere zur Frage, wie blutig sie eigentlich werden. Zugegeben, in der Hinsicht ist (noch) nicht viel passiert. Ändert sich das noch? Wer weiß...
 

Zunächst erstmal vielen Dank für die Kommis zum letzten Kapitel. Ich bin ja doch beeindruckt, dass ich euch über Shinto's Identität so lange im Unklaren lassen konnte. Nun gut, ein paar falsche Fährten hatte ich ja gelegt und die Hinweise waren sehr versteckt. Aber dieses Geheimnis wird heute endlich gelüftet, wenn auch... wartet es ab.

Davor wird es aber noch, was die nun zu Ende gehende Scharade betrifft, eine kleine Achterbahnfahrt der Gefühle in diesem Kapitel geben. Frei nach dem Motto, wenn jeder jedem eine Falle stellt, kommt irgendwer noch ungeschoren davon?
 

Also viel Spaß beim Lesen, schon mal einen schönen zweiten Advent und bis nächste Woche.

LG, Diracdet
 


 

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Kapitel 21: Fallen über Fallen
 

Skeptisch betrachtete Korn das innere des alten Lagerhauses, welches er überwachte, vom Hintereingang aus. Er war mit den anderen bereits einmal hier gewesen, um die Location zu checken, genauer, dass er und Chianti sie kennen lernten. Gin hingegen hatte diesen Hallen schon oft einen Besuch abgestattet, zu anderen 'Missionen'. Früher war das so ein schön abgelegener Ort, wunderbar geeignet zum Abschließen von Deals, über die sich die Organisation einen Teil ihrer Finanzen sicherte. Dass sie nun von Kanin gekauft wurden und demnächst abgerissen werden sollten um Wohnungen Platz zu machen, glich einem offenen Affront gegen sie.

Die Spinnweben an übrig gebliebenen Kisten, der Rost an alten Ketten für Kräne, die leicht vergilbten Fenster weit oben, alles schien noch so wie vor ein paar Tagen, als er diese Halle das erste Mal betrat und auskundschaftete. Und doch irgendwie anders. Die bereits sehr tief stehende Herbstsonne zog alle Schatten in endlose Länge, tauchte das Gebäude in noch faderes Licht als beim ersten Mal. Er hätte fast genau so gut mit Taschenlampe kommen können. Aber das war nicht Teil des Plans.

'Der Plan...' Er zuckte schwach mit den Schultern, als fragte er das Nichts um sich herum, was das alles eigentlich sollte. Konnte, nein, durfte er den Plan überhaupt noch ernst nehmen, nach allem, was passiert war? Nach Noir, nach Kir, Scotch und Chianti..., nach Mireilles Anruf? Und dieser ominösen Warnung von ihr? Der anonyme Detektiv, der sie beschattete und mehr als einmal unangenehm aufdringlich wurde; sollte auch er hier seine Finger im Spiel haben? Es stieß ihm unerklärlich schwer auf, zu glauben, dass ein Detektiv so skrupellos sein sollte, einen Killer wie Noir anzuheuern, noch dazu, wenn er offenbar solche Informationen über die Organisation besaß.

'Irgendetwas anderes ist hier noch faul.'

Während er durch die Halle schritt, und danach empor die alte Metalltreppe hin zu dem Posten, den er sich ausgesucht hatte, musterte er immer wieder vorsichtig die anderen, optionalen Verstecke, die ihm aufgefallen waren.

'Nicht, dass uns hier doch noch eine Falle erwartet!' Er musste wenigstens sein möglichstes tun, einer solchen vorzubeugen. Aber niemand zeigte sich. Hinter jeder alten Holzkiste und jedem Winkel, den er absuchte, fand er die gleiche Menge an Staub vor wie vor ein paar Tagen. Als wäre es eine große Kulisse, bei der auch der Staub fake war und die Ewigkeit so überdauern würde. Fast zu... perfekt, direkt unnatürlich, aber... wo kein Mensch war, konnte halt auch nichts verändert werden von ihm. Er atmete einmal durch, als er von der ersten Etage aus, wo er Stellung bezog, einen letzten Gesamtblick darauf warf.

'Wohl doch keine Falle... Außer...' Er stieß den Gedanken für einen Moment zur Seite. Er bildete sich etwas ein. Eine verlassene Lagerhalle blieb bei allem Lichtschein nichts anderes als das. Ein leeres, leicht verfallenes Haus, das seinem Ende durch Bulldozer entgegen sah. Doch vorher sollte es noch einmal Bühne einer großen Vorstellung werden.
 

Nachdem er sich positioniert hatte, holte er sein Handy wieder heraus. Die Funkverbindung, die dank einer neuen Sendeanlage am Rand des Kanin-Parks diese Gegend von der Karte der Funklöcher radierte, stand auch hier noch. Kein Zweifel, die Pläne von Kanin bezüglich der Organisation gingen nicht so weit, diese Lagerhäuser in Betracht zu ziehen.

Er wählte die Nummern von Gin und Chianti durch und wartete auf ihre Antwort.

„Ich bin im nördlichen Gebäude auf Position.“, begann er ohne jedwede Höflichkeitsfloskeln.

„Ich hab mich im südlichen Gebäude postiert. Alles ruhig hier.“, antworte Gin ebenfalls ohne Regung in der Stimme, wie ein Computer.

„Im mittleren Gebäude ist auch alles OK.“, kommentierte Chianti, auffällig selbstsicherer, als noch vor kurzem.

„Du bist wieder in Ordnung?“

„Sicher. Ich weiß ja jetzt, womit ich es zu tun habe.“

„Abwarten.“, bremste Korn ihre Euphorie.

„Ich glaube nicht, dass diese Leute unbedingt nochmal kommen.“

„Warum nicht, Korn?“ Gin's Aufmerksamkeit und Skepsis war von Korns unerwartetem Kommentar geweckt.

„... ich weiß es nicht. Ein Gefühl, zwischen Scharfschütze und Scharfschütze.“

„Auf Gefühle können wir uns nicht verlassen.“

„Natürlich nicht... Gin.“ Es hörte sich an, als wollte er noch etwas erwidern, unterließ es dann aber, wodurch eine unangenehme Pause entstand.

„Ihr kennt den Plan.“, setzte der blonde Mann dann wieder an.

„Von jetzt an keine Handys mehr, bis wir wissen, in welcher Halle der Junge auftaucht. Ihr schickt dann nur eine kurze SMS. Die Bühne gehört demjenigen, zu dem er kommt. Wir folgen dann und halten den Rücken frei.“

„Verstanden.“

„Verstanden.“

Gleichzeitig beendeten alle die Verbindung und steckten die Handys wieder ein und begannen zu warten.
 

In einer kleinen Ecke im mittleren Gebäude kamen, stumm und ohne Beleuchtung, zwei Nachrichten auf einem anderen Handy an, woraufhin ein selbstsicheres Grinsen in das Gesicht des Empfängers trat.

'N-OK', 'S-OK'

Mit einer ruhigen Fingerbewegung signalisierte er einer anderen Person in seinem Sichtfeld, dass dieser nun den Kasten bei sich anschalten sollte.

'Schachmatt.'
 

Die Gruppe um Shiratori und Kogoro schien nur langsam voran zu kommen. Immer wieder verwickelte Kanin den Kommissar in ein kurzes Gespräch über die eigentlichen, noch nicht geklärten Hintergründe der Vorfälle, versuchte ihm Informationen zu entlocken, und verlangsamte dabei unauffällig die Schritte, weil man beim Reden nun mal langsamer werden konnte, ohne es zu merken.

'Er schindet Zeit! Aber warum jetzt noch?' Shiratori wurde beim Blick auf die beiden Sicherheitsleute des CEO der Kanin-Baugesellschaft eine Untiefe in seinen Plänen deutlich. Im Moment waren sie, er selbst, die beiden Agenten und Kogoro, dem er auch eine Dienstwaffe eines Kollegen am Eingang gegeben hatte, vier zu zwei, Kanin nicht mit gezählt, in der Überzahl. Wenn aber dort, wo sie hin liefen, mehrere weitere seiner Leute waren, wurde die Situation schon unangenehmer. Sollte Kanin sich in die Ecke gedrängt fühlen vom Gesetz... würde er einen Kommissar vom ersten Dezernat, zwei FBI-Agenten und einen Zivilisten einfach so töten? Traute er sich zu, das zu vertuschen? Oder hatte er genau bei diesem Gedanken nun doch etwas Unbehagen; waren es doch Unschuldige im Unterschied zu den Leuten, die ihn offenbar... ja was eigentlich? Auch darauf hatte der Kommissar immer noch keine richtige Antwort von James Black bekommen. Die Sache mit Kanins Wissen über die öffentlichen Einrichtungen Tokios schien ihm irgendwie nur die halbe Wahrheit. Die unbedeutendere Hälfte, wenn man so wollte. Was hatte es mit der Zielperson auf sich... und mit dieser 'zweiten' Person, die Jodie Starling wie aus dem nichts ins Spiel brachte? Und wer hier noch alles mitspielte, war auch noch offen.
 

Ein Rascheln unterbrach seine Gedanken, und auch die Gespräche der anderen, wie ihr Gang, erlagen einen Augenblick völlig. Sie waren, wie zuvor Shinto und Conan am Zaun entlang gegangen, wenn auch noch ein ganzes Stück hinter letzterem, so dass sie ihn nie sahen. Dadurch bemerkten sie die Geräusche, die plötzlich aus einem Busch neben ihnen kamen. Es war ein noch recht dichter Bereich aus Sträuchern, die am Rand des Parks gepflanzt wurden und so einen schöneren Abschluss von innen darstellten, als der künstliche Metallzaun. Die Bewegungen des Gestrüpp deuteten auf ein großes Tier hin.

„Aber... wir haben hier keine solchen Tiere, nur ein paar kleine Eichhörnchen und Vögel.“, rief Kanin gleich aus, als er einen skeptischen Blick vom Kommissar zugeworfen bekam.

„Und Hunde müssen an der Leine geführt werden.“

„Vielleicht ein entlaufener Hund. Aber ich höre kein Bellen.“

Augenblicklich zogen die beiden Sicherheitsleute ihre Waffen.

„Was tun Sie denn da?“

„Wenn es etwas anderes als ein Hund ist, stellt es in jedem Fall eine Gefahr für die Besucher da, und auch ein frei laufender Hund kann ein Problem werden. Die Anordnungen von Herrn Kanin sind diesbezüglich klar.“

Die anderen sahen sich kurz unsicher an, stimmten dann aber zu, dass einer potentiellen Gefahr dieser Art vorgebeugt werden musste.

„Warten Sie, bis es raus kommt!“, hielt sie James dennoch kurz mit erhobenen Händen zurück.

„That... that's not a beast. This is...“

Am Boden räkelte sich durch das Geäst eine Hand. Eine Menschenhand!

„Wer... wer ist da?“

Stöhnen und Keuchen wurde nun langsam deutlicher, während der Hand ein Arm folgte und schließlich eine schwache, gezeichnete Stimme zu vernehmen war.

„H-Hilfe!“
 

Ein langer Schatten fiel langsam durch den Haupteingang des nördlichen Gebäudes und erweckte Korns Aufmerksamkeit.

'Da haben wir ihn ja...' Er wollte gerade sein Handy nehmen, als ihn etwas zu verwundern begann, während der dunkle Fleck immer länger wurde. Nämlich, dass er immer länger wurde. Zu lang für einen kleinen Jungen.

'Steht die Sonne schon so tief? Nein, wer... wer ist das?' Wer verirrte sich denn mal hier her? Selbst mit dem Park in der Nähe war dieser Bereich so abseits alles anderen, was als Zivilisation galt... gerade deswegen hatte ihn die Organisation ja so oft für ihre Geschäfte genutzt.

Die Silhouette auf dem Boden bekam allmählich eine schlanke Form und die Beine zeichneten sich ab. Eine erwachsene Frau.

'Nicht doch! Sie wird doch nicht...'

Als wollte ihm das Schicksal das rhetorische 'Doch, sie würde!' entgegen schleudern, standen nun die Füße des Schattens am Eingang der Lagerhalle und an diesen Füßen klebte Mireille Bouquet. Diesmal deutlich, und ohne jeden Zweifel für ihn aus vielleicht zwanzig Metern Entfernung zu erkennen.

„Du bist verrückt, Mireille!“, flüsterte er fast geräuschlos. Es sollte viel abwertender klingen, aber er konnte weder die Bewunderung, noch ein beeindrucktes Lächeln unterdrücken, welches sie ihm aufzwang. Er kannte sie zu gut. Sie verstand das Handwerk nahezu perfekt, kannte alle Grundregeln und alle wesentlichen Fertigkeiten und Notwendigkeiten, schon in den jungen Jahren, als er sie das erste Mal kennen lernte. Und auch wenn sie sich deren Bedeutsamkeit in einem so gefährlichen Beruf bewusst war, tendierte sie mehr als einmal zu originellen Herangehensweisen, Improvisationen, die ihn erschraken und erstaunten. Erschraken, weil sie so einfach die Vorsicht fallen zu lassen schien, erstaunten, weil sie immer Erfolg damit hatte. Allein, dass sie immer noch lebte, war allen Respekt wert, den er hatte. Sie war dieses Talent, wie es aus seiner Sicht kein zweites gab. Ein Talent, welches er zwar auch in Chianti sah, es aber nie zu einer Form schleifen konnte, wie er es gehofft hatte. Stattdessen war Mireille nun... eine Noir.

Er überlegte, ob er jetzt einfach anlegen und feuern sollte. Hier und jetzt dem Spuk, teilweise zumindest, ein Ende machen. Nach einigem Zögern ließ er es und wartete ab. Sie war sicher nicht zufällig hier. Sie wusste, dass er hier war, ganz bestimmt. Also würde sie sich auch nicht so einfach erschießen lassen.
 

Mireille sah sich vom Eingang aus, explizit seine Richtung meidend, etwas um, setzte dabei einen zutiefst naiven Blick auf, als könnte sie kein Wässerchen trüben und seufzte laut durch.

„Enfin, un petit de calme! Ce parc est trop d'agité pour moi.“

„Puuh, endlich etwas Ruhe. Der Trubel im Park ist ja nicht auszuhalten.“, redete sie mit sich selbst, während sie etwas durch den Hauptgang zu einer mittelgroßen Kiste schlenderte und darauf Platz nahm. Bewusst mit dem Rücken zu Korn und dem Blick Richtung Park.

Sie zog aus der Tasche einen kleinen Handspiegel in einer Puderdose hervor und prüfte ihr Gesicht. Da war er! Genau im einen Winkel konnte sie den verdutzten Blick des Schützen im Spiegel wahrnehmen, wie er auf eine Aktion von ihr wartete.

'Hm... Spanner!' Sie drehte den Spiegel den Bruchteil eines Millimeters. Sofort traf eine Reflexion des Sonnenlichtes Korn am Auge und selbst seine Sonnenbrille konnte nicht verhindern, dass er kurz zurück zuckte. Missvergnügt rieb er sich die Augen.

'So viel zur Frage, ob sie mich sieht.'
 

Auch im südlichen Gebäude stellte sich unerwarteter Besuch ein. Gin, der so oft hier schon Deals über die Bühne hatte laufen lassen, ohne jemals gestört zu werden, musste für einen Moment auch stutzen, als ein unbekanntes, junges Mädchen mit weißer Jacke sich am Eingang zeigte anstatt, wie erwartet, Shinto.

'Was soll das?', raunte ihm sein sechster Sinn entgegen. Er hasste diese unberechenbaren Komplikationen. Kirika sah sich ebenfalls mit nichtsahnendem Blick um, streckte dann entspannend ihre Arme in die Lüfte, reckte sich nach Belieben wie eine Katze nach dem Aufwachen, gähnte, nur halbherzig die Finger dabei vor dem Mund und suchte sich eine Sitzgelegenheit.

“Man, ist dieser Park langweilig! Da schläft man echt ein.“

'Das ist doch kein Zufall! Dieses Mädchen... könnte das Chiantis Todesengel sein?' Er beobachtete, wie sie sich von ihm weg drehte und richtete seine Waffe auf sie aus, dachte kurz nach.

'Wartet sie auf jemanden, oder soll das...?' Sie bot ihm ihren Kopf quasi offen an, saß genau in dem Winkel, dass er von seiner Position sie präzise durch ihren Hinterkopf nieder strecken konnte. Sie musste wissen, dass er dort war, so exakt, wie die Position stimmte.

'Sie sagt mir, dass sie weiß, wo ich bin... Na schön.'

Er ließ die Waffe locker anliegen, aber jederzeit bereit, sie zu töten.
 

Plötzlich tauchte wie aus dem nichts der dunklen Ecken des Gebäudes eine zweite Person auf. Ein großer, kräftiger Mann in dunkler Armeekleidung. Gin zuckte augenblicklich ein Stück nach hinten.

'Also doch!'
 

„Äh... junge Dame?“, begann der Mann etwas unsicher über die unerwartete Situation. Kirika drehte sich gespielt erschrocken um und wirkte beim Anblick des Unbekannten total verängstigt.

„W-was... wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?“ Sie sprang auf, legte ein paar Meter zwischen sich und ihr Gegenüber.

„Ganz ruhig, ich will dir doch gar nichts tun.“

„Kommen Sie mir ja nicht zu nahe. Ich rufe die Polizei!“

„Nein, nein, ich will doch gar nichts, nur... dies ist eine alte Lagerhalle, da solltest du dich nicht rumtreiben! Geh lieber in den Park zurück.“
 

'Es war also doch eine Falle!', stellte Gin gereizt fest, während er versuchte, im Dunkeln noch andere Leute auszumachen. Und tatsächlich war er mittlerweile direkt umzingelt. Mindestens zwei Gewehre aus verschiedenen Winkeln waren direkt auf ihn gerichtet.

'Wieso hab ich sie vorhin nicht bemerkt?'

Er meinte, bei einem von ihnen ein Nachtsichtgerät wahrzunehmen.

'Natürlich, sie haben sich mit mir mit bewegt, als ich die Halle eben nochmal durch prüfte. Bei Korn und Chianti sicher genauso. Verdammt! Das heißt, Kir's Verschwinden war doch essentiell. Wir wurden von den Soldats reingelegt!'

Er holte sein Handy heraus, um die anderen zu warnen, als ihn erneut ein Nackenschlag für seinen Plan traf.

'Wie bitte? Jetzt ist die Verbindung weg? Etwa ein Störsender von Kanin?! Aber... wir haben uns doch eben noch unterhalten. Hat dieser Rotzbengel etwa das alles mit einkalkuliert?'

Einem kurzem Ausbruch von Zorn, den er mit Gewalt unterdrückte, um klar zu denken, folgte die nüchterne Erkenntnis, dass ihm wenig Spielraum blieb. Die Waffen zielten auf ihn und würden bei einer unerwarteten Bewegung sicher feuern. Korn und Chianti waren auf sich allein gestellt. Für den Moment musste er beobachten, was zwischen Kirika und dem Mann passierte und sich schnell einen Plan überlegen, wie er selbst überhaupt lebend dieses Gebäude verlassen sollte.

'Hm... vielleicht...'
 

Einen ähnlichen Werdegang nahmen Korn's Empfindungen, als bei ihm plötzlich ein uniformierter, groß gewachsener Mann ins verbliebene Licht trat und Mireille ansprach.

„Guten Abend... Madame?“

„Oh... bonsoir, Monsieur. Entschuldigen Sie, mein japanisch... nicht so gut ist.“

„Schon gut!“, besänftigte er sie mit erhobenen Händen.

„Aber das hier ist Privateigentum... ähm... Sie dürfen hier nicht sein.“

„Oh, gehört das hier Ihnen?“, meinte sie mit so naiver, säuselnder Stimme, das dem angesprochenen kurz die Worte fehlten.
 

'Söldner?!', schloss Korn schnell aus der Bekleidung.

'Kanin hat uns Söldner auf den Hals gehetzt? Verdammt, das wird ernst.' Er verfluchte seine wohl halbherzige Suche, bei der er nicht alle seine Bewegungen beachtete. So wie er es auch bereute, dass aufgrund des ursprünglichen Plans, wegen dem der Junge schon eine Stunde früher hätte hier sein sollen, sie keine Nachtsichtgeräte mitgenommen hatten.

Und nachdem auch er sein Handy unbrauchbar vorfand, verfluchte er den Jungen und die Tatsache, dass sie ihn nicht einfach vorhin im Park erledigt hatten.

Er atmete einmal tief durch, suchte und fand die Waffen, die auf ihn gerichtet waren und dachte kurz nach.

'Alleine komme ich hier ganz sicher nicht heraus. Na schön... Noir, ihr habt verhindert, dass Kir uns warnt vor dieser Falle und nun warnt ihr uns selbst. Ich schätze mal, du wirst deine Gründe haben, Mireille... Dann zeig mal, ob du verhindern kannst, dass ich hier sterbe.'
 

Shinto war am Zaunende, an welchem der Park nach Osten begrenzt war, stehen geblieben und beobachtete einen Augenblick die drei äußerlich gleichen Lagerhallen, die sich nebeneinander hundert Meter vor ihm auftürmten.

„Und jetzt?“, meinte er stöhnend, als sei er enttäuscht.

„Ihr hättet euch schon etwas mehr ein deutliches Zeichen überlegen können, in welches Gebäude ich gehen sollte. Es ist ziemlich unökonomisch alle drei zu belegen, wenn ich eh nur eines betreten werde.“

Er verschränkte die Arme, als hoffte er, dass sich seine Gegenspieler doch noch dazu herab ließen, ihm eine bestimmte Tür zu zeigen, aber stattdessen bemerkte er plötzlich eine Frau, die, aus Richtung der U-Bahn Station kommend, sich den Weg zur nördlichen Halle bahnte, und diese dann betrat. Er drehte sich etwas zur Seite, drückte sich an den Zaun, dass sie ihn nicht bemerkte, aber sie schien nicht mal in seine Richtung zu blicken.

'Was zum... wer ist das denn? Das ist doch niemals eine von denen! Eine Ausländerin?'

Er stutzte noch deutlich mehr, als von rechts, aus Richtung Osteingang des Kanin-Parks eine zweite Frau, etwas jünger kam, und sich gemächlich zum südlichen Lagerhaus schlurfte, als schlafe sie gleich ein.

'Was geht hier auf einmal vor? Zwei Unbeteiligte, jetzt, gleichzeitig?!' Er fasste sich an die Stirn, als plagte ihn in seinem Alter bereits eine Migräne. Seine Gedanken rasten der Antwort auf die Frage nach, ob diese Zivilisten seine Pläne gefährdeten. Er blieb unwillentlich bei Ran hängen. Egal, wie sicher die Pläne waren, diese beiden Frauen wären in Gefahr. Und Ran würde niemals etwas riskieren, was andere Leute in Gefahr bringen würde. Er schnaufte einmal tief durch.

'Dieses Mädchen hat wirklich einen zu großen Einfluss auf mich. Aber schön. Es sind nur zwei Leute. Sie können etwas schief gehen lassen, aber nur in zwei Häusern. Also, weiß ich, was ich zu tun habe.'

Damit schritt er kerzengerade auf das mittlere, von Chianti überwachte Lagerhaus zu.
 

So sehr war er in Gedanken versunken, dass er gar nicht mehr wahrnahm, wie ihm von hinten ein kleiner Detektiv und ein FBI-Agent schmunzelnd zusahen, wie er in ihre Falle tappte.

„Er hat den Köder geschluckt, Kudo.“

„Sicher. Der Junge ist auf seinen Plan fixiert. In dem Alter ist es schwierig, ab und an objektiv zu bleiben, wenn man sich siegessicher glaubt. Ihm fehlt... einfach die Erfahrung der Niederlage. Er wollte den Triumph nicht gefährden und vermied automatisch die Häuser, die Mireille und Kirika betraten.“

„Trotzdem bleibt es riskant, Bouquet und Yuumura...“

„Es bleibt uns kaum eine Wahl, Herr Akai.“, konterte Conan ernst und gleichzeitig abwesend, in Gedanken versunken.

„Ich weiß, aber sie garantieren nicht, dass alle am Leben bleiben.“

„Wir könnten kaum hoffen, dreißig bewaffnete Schützen zu überwältigen, erst recht nicht an drei unabhängigen Orten. Ich hatte mit Mireille Bouquet gesprochen und eine... nennen wir es mal tollkühn Strategie vorgeschlagen, wie sie weit genug in die Halle vordringen können, um eine Chance zu haben. Darüber hinaus können wir eben nur ihnen vertrauen im Moment. Die Alternative wären Korns und Gins sicherer Tod. Aber so können wir die Situation etwas kontrollieren.

Der Junge hatte bestimmt noch etwas nach der Aktion geplant.“

„Stimmt, mit einem Agenten und einer Noir ist die Lage im nördlichen und südlichen Gebäude in etwa patt.“

„Mhm... Gin und Korn sind auch eher dafür geeignet, weil sie ruhiger und besonnener handeln. Chianti ist zu leicht aus der Fassung zu bringen, erst recht nachdem was heute passiert ist.“

„Aber auch leichter für unsere Zwecke einzuspannen.“

„Gut, dass Mireille und Kirika schnell genug hier sein konnten, um zu wissen, wer sich in welcher Halle verschanzen würde. Und Shinto ist uns regelrecht... ins Netz geschwommen. Es ist wichtig, dass wir ihn aus dem Spiel nehmen, oder zumindest einschränken, bevor wir uns um die anderen kümmern.“

„Wir sollten uns beeilen, bevor meine Kollegen auftauchen.“

„Sicher. Sie sind so weit bereit?“ Der Agent schüttelte resignierend den Kopf.

„Ich warte gespannt auf deine Show, Herr Zauberer.“
 

Shinto kniff mit beiden Händen fest um den Lederriemen seiner Umhängetasche, als er das Gebäude betrat, in dem es mittlerweile fast dunkel war. Es dauerte einen Moment, sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Eine Zeitspanne, die der Junge nutzte, sich neugierig umzusehen, als wäre er noch nie hier gewesen und wüsste nicht, was ihn erwartete. Als er wieder einigermaßen alle Konturen erkennen konnte, rief er laut ins nichts.

„Hallo? Ist da wer?“

Chianti konnte ihr Glück kaum fassen, sich selbst um den Bengel kümmern zu können. Es war die passende Abwechslung zu den Treffen mit Noir, endlich wieder eine hilflose Beute zum 'spielen' zu haben. Ohne auch nur einen weiteren Blick auf das Handy zu werfen, welches ihr gesagt hätte, dass keine Verbindung stand, schickte sie mit einem Knopfdruck die vorgeschriebene Nachricht zu Korn und Gin. Nichts ahnend, dass sie diese Nachricht nie erreichen würde, verließ sie mit erhobener Waffe ihr Versteck und zeigte sich.

„Hallo, Shinto.“

Verängstigt drehte er sich zu ihr um, kniff noch fester die Hände um die Tasche.

„Ach komm, Shinto, tu' nicht so erschrocken! Oder willst du mir weismachen, du hättest mich nicht erwartet? Nach allem, was heute schon geschehen ist?“

Unsicher starrte er sie an, wie festgefroren, richtete sich dann aus der immer noch leicht verdrehten, in sich gekrümmten Haltung auf, lockerte den Griff, während sein Blick etwas fester wurde.

„Nein... nein, zu überrascht kann ich wohl nicht mehr sein.“

„Na siehst du. Du hast dich aber auch meisterhaft geschlagen, alle unsere Tests auf dem Weg hier her bravourös bestanden... haha.“ Sie schritt langsam auf ihn zu, blieb erst wenige Meter vor ihm, die Pistole auf seinen Kopf gerichtet, stehen.

„Wie... wie, das war alles so geplant? Das heißt... ihr... ihr wisst es?“

„Hattest du daran noch Zweifel? Aber zugegeben, Hideichi Kanin war genauso schockiert, wie du, als wir ihm von unserem Wissen erzählten.“

Er schüttelte unmissverständlich den Kopf.

„Aber... woher?“

„Ach mach dir darüber mal nicht zu viele Gedanken, und mehr über deine Zukunft, Shinto.“

Er sah erneut erschrocken auf, Wut zeigte sich in seinem Blick.

„Ihr wollt ihn erpressen, mit mir, nicht wahr? Oder wollt ihr direkt mein Wissen?“

Chianti legte den Kopf schief, lächelte selbstsicher.

„Tja, ein bisschen von beidem würde unserer Organisation sicher ganz gut tun, aber... letztlich...“ Sie entsicherte ihre Waffe; er zuckte kurz zurück.

„Letztlich bist du uns einfach zu gefährlich und schon zu weit... entwickelt. Für dein Alter wohl gemerkt. Solch schlaue Bengel wie dich gibt es halt selten. Hab ich dich damit auch überrascht?“

Der Junge fiel fast nach hinten, als die Schützin einen weiteren Schritt auf ihn zu tat, schluckte einmal verängstigt.

„Ihr... ihr wollt mich töten? Hier und jetzt?“

„Ja... dich und Kanin. ...Buh!“

Diesmal fiel der Junge wirklich nach hinten um, landete beinah auf seiner Tasche, rutschte beim Versuch ihr auszuweichen noch mal aus und kam sehr unsanft auf dem Boden auf. Chianti konnte sich kaum halten vor lachen.

„Ach ist das köstlich. Du kannst noch so intelligent sein, Shinto. Du bist und bleibst ein kleines Kind und das ist so leicht zu beeinflussen. Diese ganze Jagd heute diente nur dazu, dich glauben zu machen, wir wollten dich am Leben lassen. Denn an keinem anderen Tag hätten wir so leicht die Security um dich überwunden. Heute warst du, nach unserm Eingreifen und nachdem das Mädchen verschwand, alleine. Während Kanin, alarmiert durch uns, auf dem Weg in sein persönliches Verderben rennt. All das, weil er die Verantwortung dir übertragen hatte.“

Ein Ausdruck von Resignation machte sich auf dem Blick des Jungen breit. Nun musste er doch wieder an den Riemen seiner Tasche greifen, schob sie dann langsam von seiner Schulter.

„Stopp!“, unterbrach Chianti ihn messerscharf. „Was hast du vor?“

„Wenn... wenn Sie mich... erschießen wollen... die Tasche war teuer, es wäre doch schade, wenn sie... Blutflecken...“

„Der ewige Geschäftsmann, was? Nur glaube ich dir irgendwie nicht. Was hast du wirklich vor? Doch noch irgendein Trick? Mach ja keine falsche Bewegung, sonst ist es schneller vorbei, als dir lieb ist.“

Er zögerte etwas, blickte unsicher zur Seite, zur Tasche, dann wieder zu seiner Richterin und Henkerin, bevor er kurz durch schnaubte.

„Es geht um den Inhalt.“

„Hm?“

„Ich habe vorhin noch eine schöne Vase erworben, an dem Stand im Park. Ein echtes Kunstwerk, aus der Yayoi-Zeit. Um das wäre es echt schade, finde ich.“

„Ach das Teil von vorhin... Dann hol die Vase raus. Ganz langsam!“, befahl sie ihm, immer mit dem Zeigefinger am Abzug, und der beruhigenden Sicherheit, dass sie schneller reagieren könnte als er. Zumindest daran bestand kein Zweifel.

Shinto tat, wie ihm aufgetragen wurde, schob die Tasche vor seinen Körper, öffnete behutsam die Abdeckung und drehte sie zu Chianti. Tatsächlich befand sich nichts außer der in Papier eingewickelten Vase darin.

„Nimm sie raus, mit einer Hand, die andere hältst du hoch in die Luft.“ Er nahm das große Altpapierbündel mitn der rechten Hand raus, hielt es, immer noch eingewickelt, hoch in beiden Händen.

„Törichter Bengel! Dein Leben steht auf dem Spiel und du interessierst dich für eine Vase. Aus euch wird man auch nie schlau. Du hättest die Tasche einfach wegwerfen sollen; sie belastet dich nur mit ihrem Gewicht. Vielleicht hättest du dann sogar noch vor mir weglaufen können und wir hätten eine weitere Jagd gehabt. So aber... sind nun deine Hände mit der Vase beschäftigt, und die Tasche behindert zusätzlich noch deine Beine.“ Sie merkte mit Genugtuung, wie sein Zorn sich in ihm aufbaute, bis er tat, was sie wollte. Er holte geringfügig aus.

„Dann nehmen Sie doch die Vase!“ Mit diesen Worten warf er sie in Richtung Chianti, die ohne ihren Arm groß zu bewegen, die Pistole umwandte und die Vase direkt zerschoss.
 

Im nächsten Moment erfüllte gleißendes Licht die gesamte Halle, blendete die Scharfschützin, die sich kurz abwandte.

„Waah! Was zum...? Ah, du Göre, wo...“ Sie stockte, als sie wieder Konturen vor sich erkannte. Erwartete sie doch, dass er weg gelaufen wäre, um sich zu verstecken, befand sich Shinto immer noch an Ort und Stelle, genau vor ihr. Nur etwas war anders mit ihm. Die Resignation, die Angst in seinem Blick, waren wie weggeblasen. Jetzt stand er wieder aufrecht da, die Tasche an seiner Seite, die Arme vor sich verschränkt und mit dem Lächeln eines Siegers auf den Lippen.

„So eine Blendgranate hat schon was für sich, finden Sie nicht?“, meinte er in einem überlegenen Ton, der Chianti völlig aus der Fassung brachte.

„Blend...granate?“

„Wenn man an die Dunkelheit bereits so sehr gewöhnt ist, kann man diesen plötzlichen Helligkeitsunterschied nur schwer verkraften. Zumal der Sinn der Granate eh ist, jemanden zu blenden.“ Er grinste schief verlegen, ohne dabei wirklich aus dem Takt zu geraten.

„Na warte, du...“ Sie hatte immer noch nicht realisiert, dass Shinto offenbar doch auf sie vorbereitet war.

„Halt, keinen Schritt weiter!“, weckte sie eine unbekannte, dunkle Männerstimme aus ihren Gedanken, zwängte ihr die wahre Situation schlagartig ins Bewusstsein.

„Wer...“ Augenblicklich wurden aus allen Richtungen Geräusche vom entsichern von Waffen deutlich und im nächsten Moment erschienen sie auch im Blickfeld.

'Eine... Falle? Es war doch... eine Falle?' Verängstigt war sie es nun, die den Jungen anstarrte.

„Es blieb nicht ganz unbemerkt, dass die Organisation mich im Auge hatte.“, begann Shinto ruhig und sachlich. So ganz anders, als noch bis eben. Weil alles bis eben... nur Spiel war.

„Daher dachte ich mir, dass ich das Ziel sein würde. Aber bei einer Aktion, solange ich geschützt war von der Sicherheit, wären einfach zu viele Faktoren im Spiel, zu viel... Kollateralschaden womöglich.“

„Deswegen... der Park?“

„Sicher. Hier wäre es mit den Wachleuten zu auffällig, aber ohne konnte man gut in der Menge untertauchen. Der ideale Zeitpunkt für euch, um mich zu entführen. Also hab ich euch die Möglichkeit gegeben und so getan, als wollte ich, als normaler Junge mir im Park die Zeit vertreiben. Ein 'Danke Schön' von der Organisation wäre vielleicht angebracht.“ Sie rührte sich kurz, als wollte sie einen Schritt näher kommen, wurde aber sofort von den Gewehren der Söldner zurück gedrängt.

„Bitte. Wir können diese Unterredung zwar gerne weiter führen, aber nehmen Sie doch Ihre Waffe runter, sonst wird sie beim nächsten Zucken mit samt Ihrer Hand abfallen.

Ach ja, und warten Sie nicht auf Verstärkung.“

„Was?“

„Ihre Kollegen. Die anderen Lagerhäuser sind ebenfalls besetzt. Und mittlerweile, noch bevor Sie eine Nachricht gesandt haben, haben wir die Verbindung unterbrochen.“ Augenblicklich ließ Chianti den Arm sinken, holte hastig ihr Telefon raus und starrte geschockt auf die Anzeige.

'Kein Netz. SMS konnten nicht verschickt werden.'

Ihr Atmung hatte etwas hohles bekommen, als sie um Luft rang. Etwas leeres, verbrauchtes, was Shinto auch in ihren vergrößerten Augen las, als sie ihn wieder ansah.

„Du... du hast... alles voraus gesehen?“

Er nickte stumm.

„So ziemlich. Darum der Park. Die Lagerhäuser kennen Sie besser als wir und niemand schöpft Verdacht, weil die Pläne für den Park schon länger existieren, als Sie uns auf der Pelle liegen.“

„Die Granate?“

„Einer der Sicherheitsleute, der mich kennt, hat sie in meinem Auftrag rein geschmuggelt und mir gegeben. Ein Gefäß zu besorgen war also mein Anliegen.“

„Aber... wann hast du... das Mädchen?“

„Tja, ich hätte die Granate fast nicht rein packen können wegen Ran. Wäre sie bei mir geblieben, wäre es wohl schwieriger geworden. Insofern, danke, dass Ihr sie vertrieben habt und ich die Vase noch schnell füllen konnte, während ich herkam. Sie sollte eh nur zum Notfall dienen, sollten Sie... etwas voreilig reagieren.“

Innerlich nagte eine unglaubliche Ahnung an Chianti, die sie einfach nicht auszusprechen vermochte.

„Dieses Mädchen... sie hätte also fast deinen Plan...“

„Das wohl nicht, schließlich war sie nicht auf eurer Seite. Ich hatte aber eigentlich erwartet, jemanden zu treffen, der mich anspricht. Einen Spion von euch, der auskundschaften sollte, ob ich ahnte, was ihr vorhattet. Nicht, dass so eine Person mir gefährlich hätte werden können, ich war vorbereitet.“

'Kir! Sie war der Trumpf... den Noir ausgeschaltet hat. Noir hat uns in diese Falle gelockt!'

Kirikas Worte wurden in ihrem Kopf allmählich zur Migräne, ein immer lauter werdender Strom an Prophezeiungen, die sich zu bewahrheiten schienen. Heute würde sie sterben. Ihr Bewusstsein setzte einen Moment aus, gab der unterbewussten Angst vor Noir nach, die sich dann in dem Anblick Shinto's manifestierte. Er brachte ihr den Tod. Auf die eine – direkt durch die Schützen – oder die andere Weise – indirekt, wenn man sie 'nur' verhaften und dann verurteilen würde. So oder so, das Todesmädchen hatte recht behalten. Diese Erkenntnis schließlich überfiel sie und ließ sie die Waffen strecken.
 

„Sagen Sie...“, begann Shinto erneut, als Chianti ihm keine Antwort mehr geben wollte.

„Ich würde gerne auf meine Frage zurück kommen.“

„Welche Frage?“, meinte sie nur monoton, desinteressiert.

„Woher wissen Sie, wer ich wirklich bin? Das ist nicht unbedingt... offensichtlich, meine ich.“

„Ach... du weißt es nicht... hm...hmhm... hah hahahahaahahah.“ Es begann eine kurze Lacharie, die den Eindruck erweckte, Chianti sei verrückt geworden. Das Lachen des verzweifelten, der die Welt nicht mehr verstand. Der sie aber auch nicht mehr ändern konnte und dem nichts blieb, als über sie zu lachen.

Als sie sich wieder beruhigte, senkte sie den Kopf, schüttelte ihn mit geschlossenen Augen, ließ den Schmetterlingsflügel vor Shinto's Auge wandern.

„Du brauchst nicht alles zu wissen, Kleiner. Akzeptiere, dass auch du Grenzen hast. Sagen wir einfach... wir haben ungeahnte Quellen.“

„Quellen?“
 

„Sie hat schon Recht, Shinto.“, tönte es plötzlich aus Richtung vom Hintereingang der Halle, an der sich ein dunkler, nicht auszumachender Schatten zeigte. Einer der Söldner erhob das Wort.

„Herr Kanin. Achtung, Männer, der Boss!“

Chianti und Shinto blickten beide schockiert in Richtung der Tür, die halb offen stand.

„Diese Leute haben tatsächlich einen ähnlichen Fall in ihren eigenen Reihen. Unabhängig davon, bin ich sehr stolz auf dich. Dein Plan hat mehr als nur ausgezeichnet funktioniert und wir können es nun gemeinsam zu Ende bringen...

mein...

Sohn.“

(Un-)blutige Begegnungen?

Hallo liebe Lesenden,
 

ich hoffe, der Nikolaus hat euch Dienstag eine kleine Freude gemacht. Vielen Dank für die Kommentare zum letzten Kapitel! ^______^

Ich bin doch sehr positiv überrascht, dass die Identität Shinto's noch für einiges an Erstaunen gesorgt hat. Aber gut, war ja auch explizit eine falsche Fährte gelegt worden. ;p

Um es gleich vorweg zu nehmen, er ist wirklich sein ehelicher Sohn und heißt Shinto Kanin. Ich sag es nur, weil das zwar auch nochmal angesprochen, aber nicht im Umfang diskutiert wird. Es gibt also keine außereheliche Beziehung und Vaterschaft, die hier vertuscht wurde, sondern... na, das werdet ihr ja lesen.
 

Tja, wie immer bei meinen Aufklärungskapiteln... sie sind laaaang und doch... ich glaube fast, dieses hier ist recht kurzweilig. Um es auf den Punkt zu bringen, die Aufklärungen sind über die Handlung verteilt, welche wiederum doch etwas mehr... wie soll ich sagen, ein Versuch Richtung 'Action' sind. Man sieht es dem Kapitel an, es hätten auch drei sein können, aber ich wollte auch meine Ankündigung beibehalten und bis Weihnachten die Geschichte fertig online stellen.
 

Darum hier also der Abschluss der Scharade um Shinto (Ajusawa) Kanin und die Frage, wie blutig die Begegnungen wirklich wurden. Wenn ihr also zum Fall selbst Fragen habt, euch etwas nicht klar wurde oder so, fragt ruhig nach, denn dazu wird danach nicht direkt mehr etwas kommen.
 

Also, genug gelabert, ich wünsche euch viel Spaß beim lesen, einen schönen Dritten Advent und bis zum nächsten Mal.
 

LG, Diracdet
 


 


 

Kapitel 22: (Un-)blutige Begegnungen?
 

„Sie?“ Nicht nur Kogoro, auch die FBI-Agenten, der Kommissar sowie Kanin und seine Leute staunten nicht schlecht, als aus dem Gebüsch niemand anderes als Rena Mizunashi hervor kroch. Ihr Gesicht zeigte Schürfwunden, ihre Kleidung war von Dreck beschmutzt und jeder bemerkte sofort den länglichen Riss an ihrem rechten Bein, welches stark blutete und das sie nur hinter sich her schleifen konnte.

„Los, aufmachen!“, fuhr der Gründer des Parks seine Leute an, die umgehend einiges Kleingerät heraus holten, um den gerade erst installierten Zaun zu zerschneiden.

„Warten Sie, Frau Mizunashi, wir sind sofort bei Ihnen!“, rief er ihr noch zu, als er schon bemerkte, wie Kogoro und Jodie unabhängig voneinander den Zaun zu erklettern versuchten.

„Überanstrengen Sie sich nicht, Herr Mori. Ich muss das regelmäßig wiederholen, um meine Fitness zu beweisen.“

„Hey, so alt, wie ich aussehe, bin ich auch noch nicht.“, meinte er nur abweisend, fügte aber in seinen Bart murmelnd noch hinzu,

„... das sind bloß die Zigaretten und der Alkohol...“

Etwa gleichzeitig kamen alle vier damit bei der Reporterin an, hoben Sie hoch und lehnten Sie an einen Baum in der Nähe. Rena keuchte lautstark, und selbst die FBI-Agenten waren nicht sicher, ob sie nur die erschöpfte spielte, oder es wirklich war.

„Was ist mit Ihnen passiert? Sie waren verschwunden! Ihre Kollegen...“

„Schon gut, Herr Kanin. Ich denke, Miss Mizunashi wird sich uns gleich erklären, wenn Sie ihr die Zeit zum Atmen geben.“ Ein zwiegespaltenes Gefühl beschlich ihn. Zum einen war er doch in Zeitnot, sie mussten möglichst schnell der Organisation hinterher. Jede Verzögerung war in Kanins Sinne und sicher nicht in ihrem. Andererseits, das plötzliche Auftauchen von Kir war doch auch kein Zufall. Im Gegenteil, sie hatte ganz sicher auf diese Begegnung hingewirkt.

'But why?'

„Es... es tut mir Leid.“, keuchte Sie langsam, nachdem man ihr etwas Wasser verabreicht hatte.

„Ich bin nur... ich wollte...“, sie fasste sich an die Stirn, wischte etwas Schweiß beiseite.

„Ich war auf der öffentlichen Toilette... und dann war noch etwas Zeit. Da bin ich... dem Weg gefolgt der davon in diese Richtung hier her führt. Recht tief in den kleinen Wald.“

Kurz flacketer es in Kanins Augen auf; er ahnte, was passiert war.

„Oh mein Gott, doch nicht etwa der künstliche Teich?“

„Sie meinen... zukünftiger... künstlicher Teich, Herr Kanin?“, korrigierte sie ihn verkrampft, ihr Bein sanft streichelnd.

„Künstlicher Teich?“, hakte Shiratori nach.

„Der Bereich ist noch nicht ganz fertig. Deswegen waren dort auch noch nicht alle Wege so vorbereitet, aber unpassierbar ist es nicht. In der Mitte soll ein künstlicher Teich hin, die Lichtung wurde geschaffen und die Erde bereits ausgehoben, aber der Teich noch nicht gefüllt.“

„Sprich, im Moment ist da ein riesiges Loch, in das Menschen einfach so hineinfallen können, weil noch keine Warnschilder da sind.“

„Es ging ziemlich schnell. Ich wollte mich noch an einem Baum festhalten, hab mir gleich die Hand mit aufgeschürft, bin beim Sturz mit dem rechten Bein an einem Ast hängen geblieben, der mir diese... argh... ich glaube mein Knie ist ernsthaft beschädigt.“

Shiratori wählte den Notdienst und rief die Polizisten am Eingang an, um einen Transport für Rena Mizunashi ins nächste Krankenhaus zu bringen.

„Und warum haben Sie sich nicht gemeldet, Rena?“, wollte Kogoro die Fortsetzung wissen.

„Mein Handy ist beim Sturz zerschellt.“ Sie holte ein paar Brocken Plastik und Elektronik aus ihrer Hosentasche und ließ sie aus ihrer Hand auf den Boden rieseln.

„Natürlich fiel mir das erst auf, als ich aufgewacht bin. Ebenso wie, dass ich nicht mehr laufen konnte und es zunächst nicht so erschien, als könnte ich aus dem Loch kriechen...“

Sie nahm noch einen Schluck Wasser.

„Nachdem aber meine Stimme heiser war vom rufen, und in der Mitte des Waldes mich niemand hörte, habe ich mich genau daran gemacht.“ Der Kommissar blickte sie mit großen Augen an.

„Sie sind mit diesem Bein aus einer Kuhle gekrochen, die mehrere Meter tief war?“ Eigentlich wäre das der Moment, in dem James und Jodie hätten eingreifen sollen, um die offensichtlich erfundene Geschichte aufrecht zu erhalten, aber im Blick der Noc-Agentin war so ein Funkeln, als meinte sie das durchaus ernst. Sie konnte so etwas tun, sie war 'tough' genug für so eine Aktion, bei der andere kläglich gescheitert wären.

„Was man alles schafft in Angst, ist doch immer wieder beeindruckend, was Herr Kommissar?

Ich bin daraus gekrochen und dann noch bis hier hin. Da ich die Orientierung verloren hatte, bin ich einfach geradeaus gekrochen... immer weiter. Bis hier zum Zaun. Und da waren Sie, glücklicherweise.“

Zufrieden wirkte Shiratori nicht, aber dann fiel sein Blick auf seine Uhr.

„Na schön, die Kollegen werden gleich mit einer Trage kommen, Sie abzuholen, aber wir waren gerade unterwegs zu einem... wichtigen Fall...“

Er stockte, als sie ihn keuchend ansah, in ihren Augen etwas analysierendes, verstehendes. Sie senkte kurz den Kopf.

„Schon gut... Sie müssen los, es geht nicht anders... aber... lassen Sie mich bitte nicht allein hier. Ich war genug allein eben... ich... möchte bitte einen Schutzengel für den Rest des Tages.“

Der Beamte und der Detektiv starrten sie verwirrt an, wie auch Hideichi Kanin. Lediglich bei Jodie und James fiel der Groschen, was die merkwürdige Formulierung sollte.

„I stay with you.“, meinte Jodie hastig, beugte sich noch mehr zu ihr runter.

„Aber, Agent Starling.“

„Sorry, Sir. But women gotta stick together. Ich bleibe hier. Sie werden ohne mich schon zurecht kommen. Heute war sowieso nicht ein Tag für große Beiträge meinerseits.“ Rena musste ein Schmunzeln unterdrücken. 'Da sind Sie nicht die einzige...'

Shiratori sah unsicher zu Black rüber, der aber nur stumm nickte und sich wieder Richtung Lagerhallen begab.

„Na schön. Sie kümmern sich um sie, Agent Starling.“
 

„Also, wie sind Sie aus der Toilette entkommen?“, fragte Jodie mit ernstem Ton nach, als sich die übrigen entfernt hatten.

„Nicht dank Ihnen, Starling.“, meinte sie leicht pikiert mit ironischem Grinsen.

„Verzeihung... ich wollte damals... nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen und meine Anwesenheit als FBI-Mitarbeiterin preisgeben.“

„Hat ja toll geklappt, wie man sieht... Sie wissen schon, dass Kanin plant, die Organisationsmitglieder zu töten?“ Von Jodie kam keine Antwort, nur ein lautloses zustimmen, weshalb sie fortfuhr.

„Eine Soldats hat mich befreit, wer sonst? Sie sollten wissen, dass die in letzter Zeit hier wohl vermehrt rumlaufen.“

„Them and someone... more dangerous.“ Leicht abwesend verfiel Jodie in Gedanken, kam immer wieder auf James' seltsames Verhalten den Tag über zurück.

„Hm?“

„Ach nichts. U-Und wer genau hat Sie nun befreit.“

„Ich weiß es nicht... ein Mädchen, dass ich nicht kenne. Sie meinte nur ich müsse mich beeilen, die Polizei etwas aufhalten und Sie da rausholen.“

„Wegen Ran. Sie durfte mich nicht sehen, weil Sie glaubt, ich hätte das FBI verlassen. Apropos, guter Trick, mit dem Engel auf Ran zu verweisen. Ich wusste nicht, dass Sie diese Bezeichnung von ihr kannten.“

„Kam auch von dieser Soldats. Die kennen halt... alle Geheimnisse.“
 

'Und das ist auch besser so, Agent Hondo.' Sonoko blickte kurz unter dem übergroßen Hut vor, wandte sich aus ihrem Versteck ab, schickte noch eine SMS an Kirika zur Antwort und ging dann mit leicht zittrigen Händen Richtung Parkmitte.

'Bitte, Shinichi. Pass auf Ran auf!'
 

Die Leuchtrakete von Shinto konnte angesichts der aufkommenden Dunkelheit und der hohen Fenster in der oberen Etage in allen drei Hallen gut wahrgenommen werden. Das eigentliche Zeichen für die Söldner in den übrigen Lagern, in denen er sich nicht befand, den jeweiligen Agenten zu stellen und dann zu eliminieren, sowie daraufhin seine Leiche zu beseitigen, um die Spuren zu verwischen. All dies geriet nun, durch Kirikas und Mireilles Anwesenheit etwas aus dem Zeitplan und stiftete mehr Unruhe und Verwirrung als gewollt.

Was sollte man mit dem ungebetenen Gast machen, der sich auf die 'Feier' geschlichen hatte? Versuchen, sie weiterhin zu verscheuchen um dann weiter zu machen wie bisher als wäre nichts geschehen? Die Geheimhaltung gegenüber der Organisation war eh schon geplatzt, auch wenn aufgrund des Störsenders diese nicht ihre Kollegen kontaktieren konnten. Es wäre also immerhin noch möglich. Nur ließ sich keine der Frauen so richtig vergraulen, auch wenn Kirika ihre beste Darbietung als verängstigtes Mädchen gab.

Sie einfach töten? Es waren unschuldige Frauen, die durch einen unheimlich dummen Zufall hier aufgetaucht waren und Kanin hatte bei der Planung und Besprechung dieser Aktion immer auf die besonders kriminellen Subjekte hingewiesen, die Zielscheibe waren. Ohne seine explizite Zustimmung wollte keiner der Söldner das Feuer eröffnen. Und das merkte man ihnen an. Ein Schmunzeln durchzog die Korsin im Inneren.

'Exakt, wie du gesagt hattest, Shinichi. Diese Leute können ohne ihren Chef keine eigenen Entscheidungen fällen. Jetzt liegt es an dir, dafür zu sorgen, dass es so bleibt.'

Ihr Blick wurde durch das Licht der Rakete in Richtung der Fenster gelenkt, wo sie zielsicher zwei der Söldner anstarrte, und trotzdem so tat, als würde sie sie nicht bemerken.

„Wirklich, noch so ein schönes Feuerwerk!“, meinte sie ganz euphorisch, klatschte symbolisch in die Hände.

„Wollen... wollen Sie es sich nicht ansehen, Mademoiselle? Hier drinne kriegen Sie doch gar nichts davon mit.“, versuchte ihr Gegenüber noch einmal sie zu einem friedlichen, unblutigen Verlassen des geplanten Tatorts zu bewegen.

„Aber warum sollte ich?“ Sie wandte sich freundlich lächelnd wieder zu ihm, aber die Freundlichkeit nahm durch die langen Schatten in ihrem Gesicht etwas düsteres an, dass er nicht richtig deuten konnte. Etwas unnatürliches, unmenschliches.

„Na, warum nicht, diese Feuerwerke aus dem Park...“

„Sind wunderschön und sehenswert, ja. Aber das war kein Parkfeuerwerk, es ist doch erst 16:40 Uhr.“ Eine weitere Nuance schienen die Schatten länger zu werden und nun wurde ihm klar, woran sie ihn erinnerten: ihr Gesicht bekam einen diabolischen, dämonischen Touch. Eine gruselige Fratze, die ihn erschaudern ließ.

Zitternd zog er seine Pistole aus der Seitentasche und richtete sie auf Mireille.

„Sie sind keine einfache Französin!“

„Stimmt, ich komme nicht vom französischen Festland, wenn Sie meinen Akzent meinen.“

„Klappe und keine Bewegung!“, schrie er, als sie ihm näher kommen wollte.

„Wer sind Sie?“

„Was nun, Klappe halten oder erklären?

Und nebenbei... Ihre Waffe, die ist gefährlich. Sie können damit jemanden verletzen. Zum Beispiel sich selbst, oder einen Ihrer Kollegen.“

Einen Augenblick schien er über ihre Worte nachzudenken, seine Konzentration minimal fahren zu lassen und im nächsten war Mireille aus seinem Blickfeld verschwunden.

„Hinter dir!“, rief einer der anderen, doch noch bevor er sich umdrehen konnte, spürte er ein furchtbares Stechen in der Seite, begleitet von einem gedämpften Knall. Aus seiner Erfahrung kannte er die Intensität: Mireille hatte mit ihrer Pistole ihm direkt in seine Seite in die kugelsichere Weste geschossen. Der Schmerz war immer noch höllisch, wenn halt auch nahezu ungefährlich für den Westenträger. Es genügte, dass Mireille ihm auch noch seine Waffe aus der Hand schlug, diese aufnahm und mit ihr drei Söldnern, die genau in ihrer Richtung positioniert waren – vor den anderen war sie im Augenblick durch den Körper von deren Kollegen geschützt – die Waffen aus der Hand zu schießen.

„Wer...“, röchelte der Mann sich die Seite haltend.

Mireille lächelte ihn kurz finster an.

„Der Sensenmann.“ Dann fasste sie dem hilflosen Schützen auf die Schulter, und drückte sich mit einer kräftigen Bewegung auf diese drauf.

„Verdammt, feuert endlich!“, brachte er noch vor Schmerz verkrampft heraus.

Im nächsten Moment stand sie auf seinen und griff nach einer der herunter hängenden Ketten, drückte sich von ihm weg und schwang sich daran durch die halbe Halle, Richtung Treppe. Einige Schüsse fielen, verfehlten aber das bewegliche Ziel, während Mireille mit der Waffe des ersten Söldners zwei weitere entwaffnete, bevor sie den nächsten akrobatischen Akt einlegte, und sich, offenbar nach Belieben, zwischen den einzelnen Geländergruppen hindurch hangelte. Mit einem Mal blieb sie plötzlich stehen, kniete sich hin und hielt ihre Waffe ausgestreckt nach links. Direkt an Korns Kopf. Dieser erstarrte kurz.

'Woher... Bis eben konnte ich ihren Bewegungen doch noch folgen. Sie muss beim letzten Sprung abrupt die Richtung gewechselt haben, dass ich sie aus den Augen verlor. Verdammt, ist sie schnell geworden!' All das wollte er sich eigentlich nicht anmerken lassen, aber es beeindruckte ihn zu sehr, welche Perfektion diese alte Bekanntschaft erlangt hatte.

„Ein Wort der Warnung, Korn!“, meinte sie drohend, ohne sich auch nur zu ihm umzudrehen.

„Wenn du einen von ihnen tötest, werde ich persönlich eine Kugel für deinen Kopf übrig lassen.“

„W-was... aber...“ Sie entsicherte ihre Pistole.

„Was willst du eigentlich?“

„Das sagte ich doch schon.“, meinte sie nur lächelnd.

'Ja, natürlich sagtest du das. Du willst, dass ich überlebe. Warum auch immer.'

„Soll ich also hier ruhig sitzen bleiben?“

„Du findest den Ausgang doch alleine, oder?“

Ihr Blick wanderte leicht nach oben. Ihr folgend fand er ein großes altes Fenster.

„Mhm...“
 

Ein unruhiges Raunen ging durch die Reihe der Schützen in der mittleren Halle. Die genaue Beziehung zwischen Shinto und Herrn Kanin war auch ihnen bisher nicht bekannt gewesen, auch wenn der eine oder andere eine gewisse Ahnung geäußert hatte, unter der Hand.

Der Junge sah flüchtig in Richtung der Geräusche, beachtete sie aber kaum. Etwas unbehaglich waren sie ihm trotzdem.

'Warum musstest du es aussprechen, Papa? Das gibt doch nur Ärger mit den Medien.' Chianti ließ es einigermaßen kalt, wusste sie schließlich, wer Shinto Kanin eigentlich war. Innerlich suchte sie noch nach einer Option hier rauszukommen. Aber die bot sich ihr nicht. Es waren schlichtweg zu viele Söldner und sie selbst zu sehr in der Mitte der Halle. Jede ihrer Bewegungen wurde auf's schärfste überwacht und im Fall der Fälle mit Kugeln unterbunden.

Ihre Zähnen knirschten so laut, dass auch Shinto kurz wieder zu ihr sah. Ihre Blicke trafen sich, woraufhin beide sich an die Aussage Hideichi Kanins erinnerten. Die Scharfschützin wandte sich zuerst an ihn.

„Moment! Woher wissen Sie von unser...“

„Auch ich habe meine Quellen, Werteste. Und die haben die ganze Zeit ziemlich intensiv nach der Antwort auf unsere Frage gesucht.

Raten Sie mal, wo sie fündig wurden?“

„Was?! Wann hast du das denn gemacht, Papa?“ Ein lauter Ausruf des Erstaunens, begleitet von einer gewissen Missgunst, durchhallte das Lagerhaus.

„Shinto, alles weißt du noch nicht über meine Methoden.

Aber, um zu der Frage zurück zu kommen... Chris Vineyard.“

Erneut hörte man einiges raunen von den Anwesenden, insbesondere den Söldnern, welches noch lauter wurde, als Chianti überdeutlich zusammen zuckte.

„Chris... Vineyard?“ Shinto sagte der Name nichts.

„Eine Schauspielerin, mein Sohn. Nicht unbedingt was für dich in deinem Alter, weshalb du sie wahrscheinlich noch nicht kennst. Sie ist die Tochter einer anderen Schauspielerin, Sharon Vineyard, einer echten Hollywood-Legende, die bedauerlicherweise bereits verstorben ist. Sie war in der Lage ihre Tochter so weit abzuschirmen, dass es bei genauerer Betrachtung einigen Leuten in den Sinn gekommen wäre, es hätte sie nie gegeben. Praktisch nie wurden beide gleichzeitig zusammen gesehen, obwohl sie die offizielle Tochter war.“
 

Akai blickte Conan, der neben dem Hintereingang stehend bis eben mit seinem Stimmentransposer Hideichi Kanin imitierte, nachdenklich an.

'Einige Leute? Du meinst uns, Kudo. Das heißt, es gab also wirklich immer schon zwei. Dann war das damals... keine Illusion. Aber... was ist dann vor einem Jahr passiert? Wer ist das jetzt, der als Vermouth rum läuft? Wenn es Sharon wäre und meine Vermutung richtig, wie es Bouquet nahe legte...' Seine Hand verkrampfte kurz bei dem Gedanken, wie viel vor langer Zeit hätte verhindert werden können.
 

„Also war es ähnlich, aber doch anders als bei uns.“, kommentierte der Erbe des Kanin-Imperiums verwundert.

„Das wesentliche ist, dass es funktionierte, die Welt zu täuschen, Shinto. Bis hin zum FBI, welches auch noch mit dieser Organisation eine offene Rechnung hat. Über das haben wir auch letztlich die Bestätigung unserer Informationen erhalten.“

„Das FBI?!“ Chianti schluckte unsicher, drehte sich vom Jungen, der sie neugierig anstarrte, weg.

„Was ist, Kleiner?“, gab sie mokiert zurück, als sie seinen Blick auf ihrem Rücken brennen spürte.

„Diese Schauspielerin... ist eine von ihnen?“

„Tse... beide waren es mal, die ältere wollte aber irgendwann nicht mehr.“ Sie schüttelte sich am Ende des Satzes. Wie konnte sie sich dazu hinreißen lassen, ein anderes Mitglied zu verraten, selbst, wenn es sich um jemanden wie Vermouth handelte, die ihr zuwider war? Wütend biss sie sich mit Kraft auf die Lippen, um wieder zur Besinnung zu kommen, wandte sich dann wieder zu ihm mit einem todesmutigen, leicht verrückt wirkenden Lächeln, als wäre ihr in diesem Moment alles egal.

„Aber dein Vater hat schon recht. Der Fakt alleine, dass das FBI nicht sicher war, ob es beide überhaupt gab, genügte uns, als wir von dir erstmals erfahren hatten, trotz der offiziellen Aussagen über Kanins Kinderlosigkeit, in der Richtung weiter zu bohren.

Sag, Shinto... was ist das eigentlich für ein Gefühl, anonym für die Eltern zu sein, nur um im Hintergrund nach Papas Wunsch privat zum Wirtschaftsgenie ausgebildet zu werden? Keine Freunde zum spielen, oder zum mit ihnen zur Schule zu gehen, keine großen Geburtstagsfeiern, sondern alles im stillen, kleinen Kämmerlein, kaum Kontakt zu Menschen außerhalb der Grenzen eures Anwesens. Nicht einmal bei deiner Geburt war dein Vater offiziell dabei, sondern nur als Assistenzarzt verkleidet und maskiert.

Ja... wir haben das kleine Provinz-Krankenhaus gefunden, in dem du geboren wurdest. Zugegeben, Kanin wusste schon damals, wie man den Medienrummel umging und selbst die Schwangerschaft seiner Frau geheim halten konnte. Auch wenn er damals noch nicht so berühmt war, wie heute. Doch als er vor einem Jahr indirekt die Bombe platzen ließ mit seinen Plänen, da wurden wir aufmerksam. Kanin war vorher doch nicht als solcher Visionär bekannt.“

„Das ist eine Lüge!“, konterte die Stimme Hideichi Kanins aus dem Hintergrund, woraufhin Chianti kurz zusammen zuckte.

„Wie eine Lüge?“

„Sie wurden nicht wegen der Qualität der Pläne aufmerksam, sondern... weil sie offen gegen Sie gerichtet waren, nicht wahr?“, dröhnte es donnernd, überzeugt, selbstsicher bis zum Ende. Etwas war ihr allmählich nicht mehr geheuer mit dem Geschäftsführer. Wieso zeigte er sich nicht? Und wieso klang er weniger wie ein Geschäftsmann, der einfach seine Informationen hatte, und mehr wie ein... Detektiv? Ein Schlüsse ziehender Kriminologe, der die Fakten selbst analysierte? War das nicht genau die Aufgabe Shintos?

„Die Pläne beinhalteten, in erster Instanz, Gebäude wie dieses hier, welches Ihnen öfters für Ihre Deals dienen. Reißt man sie ab, wird sich die Öffentlichkeit nicht groß wundern, während Sie mit Ihren Machenschaften wörtlich aus der Stadt gedrängt werden. Sicher, es gibt immer leer stehende Lagerhäuser in Tokio, das lässt sich nicht ganz abstellen, aber je weniger, desto wahrscheinlicher und öfter werden diese mal kontrolliert und folglich gefährlicher. Umgekehrt waren diese hier so schön abseits gelegen, was sich ja mittlerweile durch den Kanin-Park schon erledigt hatte. Die großen Verbindungen per Schiff und U-Bahn, die komplexen Wohngebiete, die die Stadt etwas entspannen würden, sind ziemliches Gift, wenn man Waffenhandel und Drogenschmuggel mit organisiert.“

„Tse... Sie hätten es kaum deutlicher machen können mit den Plänen, ja. Aber auf eine Kooperation wollten Sie sich ja auch nicht einlassen. Die Konsequenzen davon sieht man jetzt.“

Sie betrachtete die Söldner, die auf sie zielten, sowie den grinsenden Jungen vor sich, seufzte kurz.

„Lassen Sie mich raten. Als Krönung haben Sie nun noch vor, eine Gruppe von Kriminellen, die Sie mit Ihren Leuten aufgespürt und dingfest gemacht haben, der Presse vorzuführen und sich damit zum Volksheld empor zu schwingen. Erbärmlich!“

„Finden Sie?“, hakte Shinto neugierig nach, woraufhin das Lächeln auf seinem Gesicht noch breiter wurde, während Akai und Conan kurz die Luft weg blieb.

'Wie kalt ist er denn in seinem Alter?'

„Was meinst du damit?“

„Dieser Plan mit der Vorführung ist bei näherer Betrachtung gleich in zweierlei Hinsicht schlecht.“, begann der Junge, wurde dann aber von seinem vermeintlichen Vater fortgesetzt.

„Über die Meinung in der Bevölkerung kann man diskutieren, so viel man will, rechtlich ist das hier Lynchjustiz, Freiheitsberaubung, Haltung einer kleinen Privatarmee, Täuschung der anwesenden Behörden. Ich denke, die Gerichte werden eine solche 'Krönung' sicher nicht als Entschuldigung gelten lassen. Zumal ich so gute Beziehungen zur Polizei habe, dass ich diese hätte direkt anrücken lassen können. Oder gleich den japanischen Geheimdienst.“

„Aber... wieso dann... überhaupt...“

„Die Kehrseite der Publicity.“, antwortete nun wieder der kleine Erbe.

„Wie Papa schon sagte, die PR in der Bevölkerung mag toll sein, ist aber weniger entscheidend in diesem Fall. Wichtiger ist die Reflexion in der japanischen Unterwelt. Mein Vater würde zu einem offenen, erfolgreichen Kämpfer gegen selbige hoch gehoben werden. Er konnte drei Agenten der Organisation festnehmen, während die Polizei noch nicht einmal wusste, dass diese existierte und die Geschehen in diesem Land kontrollierte. Und er hat sie nicht getötet...

Wie würde da wohl die restliche Mafia in Japan reagieren?“

Chianti schluckte unsicher.

„Exakt. Sie würden wissen, dass er eine zu harte Gangart vermeiden wollte, dass er nicht skrupellos wäre... Dass er erpressbar wäre.

Er hat eine Frau, und wie die Welt dann nach dem heutigen Tag im anderen Fall wüsste, auch einen Sohn. Wir hätten nie wieder Ruhe vor Ihnen!“, schrie er ihr mit einem Mal entgegen, scheuchte die Scharfschützin aus ihrer Lethargie wie eine unsanft geweckte Katze.

„Will man offen so mächtige Verbrecher bekämpfen, kann man sich keine solche Schwäche, keine Lieben leisten. Da bleibt man besser Single wie Sherlock Holmes es war. Ansonsten ist man schon auf verlorenem Posten.“
 

Akai blickte kurz zu dem Jungen, der seinen Blick hinter seinen Haaren und seine Lippen hinter dem Stimmentransposer versteckte. Trotzdem blieb ihm seine Emotion in diesem Augenblick nicht verborgen. Eine geballte Faust, die zu verkrampfen schien, während sie regungslos an seiner Seite hing, war alles, was er benötigte, um das Wort, um welches seine Gedanken kreisten, zu erraten.

'Ran.'

'Es ist nicht unmöglich, Kudo. Du kämpfst ja auch nicht offen, sondern im geheimen. So wie Holmes, um Watson zu schützen.'
 

„Nein, es war leider keine Option, angesichts dieser Konsequenzen da...

Wir werden Sie töten. Hier und jetzt. Und niemand wird es je erfahren.“
 

„Shinto?“

„Äh, ja, Papa?“ Wie gut Shinichi Kudo seine Gefühle unter Kontrolle hatte, den Plan nicht zugunsten einer moralischen Diskussion zu riskieren, die ihm sichtbar auf den Lippen brannte, beeindruckte den FBI-Agenten.

„Komm dann bitte her. Du willst doch nicht den Schützen im Weg stehen, wenn wir diese Konkurrenz eliminieren. Außerdem könnte deine Tasche Blutflecken abbekommen.“

„Mhm? Aber ich dachte, ich könnte...“

„Shinto?“ Er fragte genau so ruhig, nur eine Winzigkeit deutlicher, und der Junge verstummte.

Er sah kurz zu Chianti, verschränkte dann beleidigt die Arme und wandte sich ab.

„Na schön, ich komme.“

Ohne sich nochmal zu ihr umzudrehen, schritt er los, begleitet von einem uninteressierten

„Leben Sie wohl.“ Chianti sah ihm kurz geschockt hinterher. Das sollte noch ein kleiner Junge sein? War er einfach noch zu 'unreflektierend', trotz seines Wissens, dass er den Tod gar nicht ernst nahm? Oder eher so abgebrüht? Mit sieben Jahren?! Er machte ihr, der gestandenen Schützin, mehr Angst, als die Söldner. Ein kalter Schauer wehte ihr über den Rücken.

Noirs Prophezeihung! Die tiefere Wahrheit, die ihr nun allmählich bewusst wurde, wurde für Chianti nur noch übertroffen von der Ironie:

Noir hatte sie nicht getötet. Diese Leute würden es tun.

Noir hatte auf sie geschossen, dabei ihr Gewehr ruiniert, dass sie ihr anderes nehmen musste.

Noir hatte noch einmal auf sie geschossen, und ihr zweites Gewehr zerstört.

Noir hatte ein drittes mal geschossen, aber verfehlt. Weshalb sie ihre Pistole noch hatte... und herkam.

Noir hatte sie nicht getötet. Diese Leute würden es tun.

'Sie... sie hat versucht, mich zu retten?!'

Sie konnte nicht anders, der Gedanke brachte sie zum schmunzeln. Ein verzweifeltes, dem Wahn gleiches Lächeln, angesichts unwirklichen Realität. Diese absurde Scharade hätte sie überleben können, hätte sie ihrer 'Kollegin' mehr vertraut, als ihrer eigenen Intuition. Die eigentliche Falle für Shinto Kanin hatte dieser selbst von vorne bis hinten durchschaut und gegen sie eingesetzt. Alle 'Tests', um ihn zu locken, hatte er bestanden, weil er auf sie vorbereitet gewesen war. Ihre Anstrengungen hingegen... waren sinnlos.

Und nun...

Sie sah Shinto nicht, wie er zum Hintereingang ging, hörte nur seine Schritte, wie er sie allein ließ, in der Mitte der mittlerweile kaum noch beleuchteten Halle, umringt von Gewehren, die sie jeden Moment töten würden.
 

Bis...

„Halt, wer... mhm?!“ Noch bevor Shinto wusste, wie ihm geschah, als er die Tür erreichte und die zwei unbekannten Leute sah, hatte Akai ihn hoch gehoben und ihm den Mund zugehalten, bevor Conan ihn mit dem Narkosechronometer in den Schlaf beförderte.

Der eine Junge blickte wie paralysiert auf den anderen, riss dann aber, im letzten Moment, bevor er einnickte, die Augen auf.

Akai hatte seine Hand bereits weggezogen, weshalb eine kurze Silbe noch seine Lippen verließ

„Con...“

Conan zuckte unsicher zusammen.

'Er ist wirklich schlau. Rans Umschreibungen müssen genügt haben, dass er mich erkannte.'
 

Der plötzliche, hörbare Schrecken Shinto Kanins sorgte, wie erhofft, für einen Moment Unruhe und Verwirrung im Lagerhaus.

„Wer ist da? Antworten Sie. Sofort!“, kam es von einer der Stimmen, weit weniger sicher, als man es vom potentiellen Anführer einer Gruppe Söldner vielleicht erwarten sollte.

'Dachte ich's mir!', schmunzelte Conan überzeugt.

Chianti, die ebenfalls von dem unerwarteten Ausruf des Jungen in die Realität zurück geworfen wurde, witterte sofort ihre Chance und rannte ohne Ansatz los Richtung Vordereingang.

„Stopp!“, rief ein anderer der Söldner und feuerte zielsicher direkt vor ihre Füße. Diese zuckten einen Moment zurück, worauf gleich zwei weitere vor ihr von links und rechts über den Boden donnerten und eine tödliche Schranke aufzeigten. Bis hier hin und nicht weiter!

Ein Schweißtropfen rann ihr über die Stirn, als sie sich wieder umdrehte und signalisierte, sie würde stehen bleiben und tun, wie ihr geheißen.

'Wie sich doch... die Blickwinkel ändern, wenn etwas Zeit vergeht. So musste sich, wenn nicht der Bengel, zumindest dieses Mädchen, Ran Mori, vorhin gefühlt haben.'
 

„Dein Plan, Chianti mit dem Überraschungsmanöver aus dem Gebäude rauszuholen, hat doch nicht ganz geklappt, Kudo.“, stellte Akai missmutig flüsternd fest.

„Nicht ganz, aber meine Vermutung stimmte. Diese Leute sind kein wirkliches eigenes Einsatzkommando, welches ausgebildet und trainiert wurde. Kanins Plan war völlig von Shinto entwickelt, und ohne ihn wirken sie alle schnell kopflos. Ich denke, wir sollten einen zweiten Versuch wagen.“

„Nochmal, wer sind Sie?“, rief der Söldner deutlich lauter und ungehaltener. Auch Chianti fing an, sich über die eigentliche Identität der anonymen Person zu wundern, die ihr gerade versucht hatte zu helfen. Es war doch die Stimme von Hideichi Kanin, die sie gehört hatte.

'Vermouth?!', schoss es ihr kurz durch den Kopf. Aber die war doch auf Sonderurlaub auf eigenen Wunsch. Weder war sie eingeplant oder eingebunden in die Pläne... noch machte es Sinn, dass sie so aus dem Nichts auftauchte und das Wissen über Kanins Plan besaß. Auch wenn es den Punkt über ihre eigene Beziehung zur Organisation erklärt hätte.

'Da hätte sie uns doch direkt informieren können, während das hier viel zu gefährlich für alle Beteiligten ist.'

Bei zweiter Überlegung bedachte sie, dass Kanin ja auch nicht wie Kanin sprach, es also für Vermouths Verhältnisse ein schlechtes Schauspiel war.

'Nun ja, von uns kann keiner Stimmen imitieren... aber das geht ja auch mit technischer Hilfe.'

„Wir schießen.“, kam es noch lauter.

„Das sollten Sie unterlassen, wenn Sie nicht für den Tod des Sohns Ihres Bosses verantwortlich sein wollen.“, kam es schließlich mit einer dunklen Stimme, die keiner ausmachen konnte.

„Was wollen Sie?“

„Lassen Sie die Frau laufen! Sie soll zu uns kommen, dann lassen wir den Jungen gehen.“ Ein ziemlicher Bluff, wie Conan wusste. Er würde dem Jungen nichts tun, und letztlich musste Akai im Alleingang Chianti ausschalten – er selbst durfte sich besser nicht sehen lassen in ihrem Blickfeld.

Eine kurze Weile war Gemurmel zwischen den Söldnern zu vernehmen.

„Lassen Sie sich nicht zu lange Zeit. Bevor jemand von Ihnen hier ist, um uns außer Gefecht zu setzen, ist der Junge dreimal tot!“ Zeitdruck war für Leute ohne Kontrolle wahres Gift, welches Sie in berechenbare Fehler trieb.

„Das können Sie vergessen. Wenn wir die Frau zu Ihnen schicken, welche Versicherung haben wir, dass Sie dann den Jungen nicht töten, bevor wir bei Ihnen sind?“

Ein deutliches Lächeln auf Conans Lippen signalisierte seine Überzeugung, gewonnen zu haben.

Er holte den kleinen Sender heraus, mit dem er seine Stimme vom Transposer an entfernten Orten erklingen lassen konnte und heftete ihn an die Wand neben der Tür.

„Sie soll nicht hier her kommen, sondern zum Vordereingang gehen. Dann schicken wir den Jungen wieder rein. Dann muss sie auch erst um das Gebäude rum, um zu uns zu kommen, und wir wären in einer vergleichbaren Situation. Also?“
 

„Was hast du vor, Kudo?“, fragte Akai flüsternd, aber auch drängend.

„Ich laufe um das Gebäude herum, passe Chianti ab und werde sie mit meinem letzten Fußball nieder strecken, so dass wir sie fest nehmen können. Sie bleiben hier, damit die Söldner die Silhouette haben und Sie auf Shinto aufpassen können.“
 

„Einverstanden!“, gab der offenbare Leiter der Gruppe nach einer Weile zurück. Damit begab sich Conan unverzüglich auf den Weg um das Lagerhaus herum.

„Gehen Sie los!“, kam unsanft der Befehl zur Schützin, die noch einen Moment unsicher Richtung Hintereingang starrte, bevor sie sich umwandte.

'Das ist keiner von uns. Dieses Verhalten vorhin war... das eines Detektivs. Doch nicht etwa... jener Detektiv, von dem Gin dauernd spricht.'
 

Conan wollte gerade um die letzte Ecke biegen, als er erschrocken davon zurück zuckte.

'Nein! Das darf doch nicht wahr sein! Bitte... nicht!'
 


 


 

Mit dem ersten Schritt hinaus spürte Chianti plötzlich eine kräftige Hand sie am Arm nach rechts ziehen. Noch bevor sie es überhaupt realisierte, beugte dieser Arm ihren Oberkörper nach vorne und sie bekam einen Kniestoß in die Magengegend, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Die Luft blieb ihr wörtlich weg und sie schmeckte Blut im Mund, als ihre rechte Hand gewaltsam so weit verdreht wurde, bis sie ihre Waffe vor Schmerz fallen ließ. Nun rebellierte ihr Körper, wollte aufschreien, doch dann drückte eine Hand sich fest auf ihren Mund, während der zweite Arm der Person, die sie in Beschlag nahm, ihren rechten Arm ihr auf den Rücken presste.

„Mhm... Hmmm...?“

„Halten Sie die Klappe, verdammt!“, fauchte ihr eine junge, weibliche Stimme entgegen. Im Augenwinkel erkannte sie schockiert die Person, die sie hinter der Stimme vermutete.

'Ran Mori?!' In ihrem Kopf begann es wie verrückt zu arbeiten. Sie war doch zurück gekommen, hatte sich am Eingang des Gebäudes versteckt gehalten und ihr aufgelauert! Der Tritt eben war ein gezielter und im langjährigen Training gereifter, und das hatte sie auf die harte Tour lernen müssen. Die schmerzhafte Bestätigung von Gins Drohung.

'Im Nahkampf bist du ihr unterlegen, Chianti!' So recht wollte sie es nicht wahrhaben, einer 17-jährigen Karatekämpferin nicht das Wasser reichen zu können. Schließlich hatte auch sie Nahkampfausbildung, hatte verschiedene Techniken erlernt, um sich zu verteidigen und sich dabei nicht auf eine Disziplin verlassen zu müssen, in der es immer eine Bessere gab. Aber hier kam noch das Überraschungsmoment und ihre eigene Verwirrung über die Ereignisse von eben hinzu. Und dennoch...

'...dieser Tritt! Ich kann kaum atmen, so heftig war das. Mein Bauch brennt vor Schmerz! Jemand ohne Training wäre einfach umgefallen und so schnell nicht mehr aufgestanden. Sie ist verdammt gut.'

„Sie werden nicht wieder entkommen!“

„Mhm!!“, presste Chianti um ihr Leben bangend und mit dem Kopf Richtung Halle zeigend, hervor.

„ Und Sie werden auch nicht von diesen Leuten erschossen!“

„Mhm?“

„Sie und die anderen von Ihnen werden vor Gericht gestellt, wo Sie für Ihre Verbrechen bezahlen werden!“ Eine unnatürliche Wut glimmte in Rans Augen auf, die selbst dem Blick vorhin, als sie von Shinto getrennt wurde, nicht richtig glich. Da war etwas... persönliches darin, was Chianti auffiel.

'Weiß sie etwa etwas von uns? Haben wir ihr... schon mal was angetan...'

„Kommen Sie schon und sein Sie still, dann nehme ich auch meine Hand weg.“ Damit schubste sie sie vor sich her vom Gebäude seitlich Richtung Park weg.
 

'Ran! Oh nein. Sie hat Chianti genau gesehen. Jetzt kann es nicht mehr verleugnet werden...' Sein Gewissen versuchte ihn zu beruhigen. Chianti wollte er auch so festnehmen und wenn es sicher passieren würde, wäre Ran vermutlich außer Gefahr. Akai könnte als Zeuge für die Ereignisse im Lagerhaus herhalten und sie wäre damit für eine Belastung vor Gericht unnötig, womit die Organisation keinen besonderen Groll gegen sie hegen dürfte.

Aber dennoch... allein die Tatsache, wie nahe Ran nun der Agentin war und wie deutlich sie sich eingemischt hatte, sogar andeutete, sie zu kennen! Es war eine ganz oder gar nicht Angelegenheit geworden. Chianti würde auf die eine oder andere Weise heute 'unschädlich' gemacht werden oder Ran wäre in größerer Lebensgefahr als Shinichi Kudo, der immerhin offiziell tot war. Und das schmeckte ihm überhaupt nicht.

Und dann war da noch dieses Gesicht!

'Bitte, Ran! Verrate dich nicht. Deute bloß nicht an, dass du irgendeine Verbindung zur Organisation hast und...'

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er von der Hinterseite der anderen Lagerhäuser zerbrechendes Glas hörte.

'Jetzt schon? Verdammt, ich muss mich beeilen!'

Sie Kopf zuckte wild hin und her zwischen dem hinteren Bereich, in dem Akai nun allein war mit dem bewusstlosen Jungen, während Korn und Gin gerade flohen, und Ran auf der anderen Seite, die gerade ungeschützt mit Chianti weg lief.
 

„Verdammt, was willst du?“; quetschte Chianti hervor, als sie wieder reden konnte, dafür nun beide Arme eng verschränkt auf dem Rücken hatte und die Folgen von Rans Kniestoß allmählich ihren gesamten Bauch- und Brustkorb zu erfassen schienen.

„Sagte ich doch, Sie zur Polizei bringen. Weg von Shinto, den Sie töten wollten und weg von diesen Soldaten oder was die waren, die versuchten, Sie zu töten.“

„Dann werden womöglich aber die Kanins, die sich des gleichen Verbrechens schuldig gemacht haben wie wir, entkommen, Mädchen.“

„Jedes Verbrechen muss bestraft werden, und keines darf man wegen eines anderen einfach ignorieren. Gehen Sie schon weiter!“, drückte sie sie vorwärts. Ein nagender Gedanke, den Chianti aufwarf, das wusste Ran. Aber ohne ihr Eingreifen wären beide entkommen, so war zumindest eine Person gestellt worden und noch niemand getötet.

'Außerdem... mit dieser einen Person kann ich Shinichi helfen. Er wird diese Organisation überführen und dafür sorgen, dass sie ihrer gerechten Strafe zugeführt wird.' Ein schwaches Lächeln hatte sie noch übrig, nach diesem bereits anstrengenden Tag.

„Was ist da noch, Ran?“, meinte die Scharfschützin nach einem Moment der Stille neugierig.

„Hm?“

„Was genau hast du gegen uns?“

„Ich mag keine Verbrecher, allgemein.“

„Ist es wegen der Sache mit deinem Vater von damals.“ Sie konnte sich den kurzen, vielsagenden Blick des Schocks nicht verkneifen, der Chianti aber genügte.

„Um Herrn Mori geht es also nicht. Vielleicht dann... um den kleinen Jungen, der bei euch... argh!“

Ran verschränkte ihre Arme noch mehr und auch der Druck wurde fester. Sie hatte den Nerv getroffen! Aber dieser Junge... war ihr bis heute eigentlich unbekannt. Allein Gin hatte ihn heute mal erwähnt, und wenn er auftauchen sollte, dass man ihn sich ansehen wollte.

'Der Junge, der dabei war, als Wodka gestellt wurde und Caipirinha ihn töten musste. Und genau wie diese Mori war er am Abend vor Caipirinhas Tod bei ihm...

Wäre es möglich, dass... dieser Junge... dieser Detektiv ist?!'
 

Mit einem Mal brachen Schreie los, oder genauer, schwache Schreie, die weder Ran noch Chianti wahrnahmen, so sehr waren sie auf ihre Begegnung fokussiert, wurden mit einem Mal laut und aus den beiden anderen Hallen stürmten Söldner mit verstörtem Blick und Panik in den Augen davon.

„Was zum...“
 

„Hilfe! Was ist das für ein Dämon?“
 

„D-Dämon?“ So sehr sie sich es verkneifen wollte, das Wort erschrak Ran nun einmal und ihre Konzentration machte eine kurze Pause. Kurz, aber länger als die ihrer Gegnerin. Chianti riss sich mit aller Kraft und den Schmerz mit zusammen gebissenen Zähnen ignorierend aus Rans Griffen und lief einfach nur geradeaus los.

„H-Halt!“, aber sie war so schnell, dass man von Todesangst ausgehen musste.

„N-nein... nein.“ Ihre Hand verkrampfte, als Ran realisierte, dass ein dummes Wort ihre vielleicht größte Chance, einen von der Organisation festzunehmen, soeben vereitelt hatte. Die Söldner rannten an ihr vorbei, registrierten nicht die einsame Kämpferin auf dem Feld, die der Niederlage ins Auge blickte.

Nur aus der Ferne sah ein kleiner Junge, wie sie innerlich verkrampfte vor Verzweiflung über ihre eigene Dummheit. Nur konnte er ihr nicht helfen. Nicht so. Stattdessen musste er nun Chianti hinterher und sie aufhalten, koste es, was es wolle! Um Rans Leben zu schützen.
 

'Ich muss hier weg. Ohne Waffe habe ich gegen dieses Mädchen keine Chance. Aber viel wichtiger...' Sie wandte sich einmal um, betrachtete die vielen Söldner, die selber flohen und sie kaum noch wahrnahmen.

'Dämonen? Aus zwei von drei Lagerhäusern? Noir ist wohl noch gefährlicher... Was zum...'

Dann sah sie ihn, hinter der Wand gekauert, alles zielsicher beobachtend. Ein kleiner Junge, dunkelhaarig, mit Brille, genau der Beschreibung Gins entsprechend. Und er wirkte...

„...als wüsste er, was hier vor sich geht.“

Er drehte seinen Kopf in ihre Richtung, doch sie wandte sich vorher ab.

'Das ist er... das ist Conan Edogawa! Und er muss auch eben Kanin imitiert haben. Er ist der Detektiv, der uns verfolgt!'
 

„Stehen geblieben, Polizei!“, kam es plötzlich aus Richtung des Parks, was Chianti, nur noch mehr beschleunigen ließ, während die Söldner fast Hilfe suchend sich an die Behörden wendeten, die auf sie zugestürmt kamen. Kommissar Shiratori, wie auch Agent Black und Kogoro zogen ihre Waffen, auch wenn letzterer sie gleich wieder einsteckte, als er seine Tochter erkannte, zu ihr rannte und sie in die Arme schloss. Ein Gefühl der Geborgenheit machte sich in ihr breit, begleitet von leichten Tränen, die endlich einen Kanal suchen durften.

„Shh... was hast du denn, Mausebein? Was machst du überhaupt hier?“

„Ich... ich wollte ihm helfen, Paps. Aber... ich habe versagt!“

„Wem... wem wolltest du helfen, Ran?“

Sie sah ihn mit roten Augen an. Als die Anspannung nun verflog, konnte sie ihre Enttäuschung ebenso wenig zurück halten wie ihre Tränen.

„Shin... Shinichi.“, quälte sie hervor, mit einem Moment dazwischen, als hätte sie nach der ersten Silbe etwas anderes sagen wollen.
 

„Bleiben Sie stehen!“, befahl der Kommissar mit ausgestreckter Pistole, woraufhin die Söldner auch tatsächlich anhielten und ihre Hände zum Zeichen der unbewaffnet sein erhoben.

„Chef?“, meinte einer der beiden Sicherheitsleute zu Hideichi Kanin.

„Ganz ruhig... das ist... was geht hier eigentlich vor sich?“
 

„Herr... Kommissar... Herr Kanin, Sir?“, begann einer mehr schlecht als recht und man sah den Vorstandschef sich leicht verfärben, als er so direkt erkannt und angesprochen wurde.

„Was ist passiert?“, hielt Shiratori ihn davon ab, sich vorher zu rechtfertigen, und dem Mann dabei den Mund zu verbieten.

„Diese... Diese Frau!“ Black zuckte kurz, und konnte sich schon fast den Rest der Geschichte denken.

„Welche Frau?“

„Eine junge, blonde Frau, Französin. Sie kam plötzlich rein und dann... sie war kein Mensch! Kein Mensch kann so präzise eine Waffe bedienen, oder sich so bewegen wie sie. Das ist unmöglich. Sie muss irgendein... Dämon sein.“

„Bei uns war es ebenfalls eine junge Frau, aber Japanerin, und sie... sie hat mit uns nach belieben gespielt. Sie wusste, wo und wann wir schießen würden, hat in der Dunkelheit unsere Verstecke und unsere Waffen gefunden, als hätte sie den genauen Winkel einfach gehört aus den Schüssen zuvor. Sie war nicht aufzuhalten. Alle unsere Gewehre hat sie zerstört.

Ein Dämon, ein Teufel, ein...“

„Der Sensenmann!“, ergänzte der erste wieder.

„So nannte sie sich. Ich hatte sie gefragt und sie sagte, sie sei der Sensenmann.“

„Alle... Waffen, meinten Sie, wurden zerstört?“, erkundigte sich der Kommissar nochmals mit zusammen gekniffenen Augen.

„Äh... ja... also bei uns sicher. Bei euch?“

„Bei uns auch...“

„Dann... würde ich Sie alle bitten, die Hände hoch zu nehmen. Sie sind verhaftet wegen versuchten Mordes an einer Zivilistin, den Sie soeben gestanden haben und vermutlich auch wegen, auf dem Niveau wie Sie es beschrieben haben, illegalen Waffenbesitzes. Ach ja... Herr Kanin, Sie dürfen dann auch gleich mal erklären, was eine kleine Privatarmee auf Ihrem Grundstück zu suchen hat, und warum deren Leute Sie 'Sir' nennen, als wären Sie ihr Geldgeber?“

„Was... aber...“ Nur kurz schien Kanin wirklich von der Frage überrascht, fasste sich aber sofort wieder, wusste er sich doch sicher.

„Ich bitte Sie, Herr Kommissar. Ich kenne diese Leute nicht, bin ihnen aber vermutlich aus den Zeitungen und dem Fernsehen bekannt. Und heute hier die Eröffnung des Parks, der meinen Namen trägt. So ein kleines Wort dürfen Sie nicht ernst nehmen!“ Der Söldner, der sich verplapperte, hatte sich bereits hinter seine Kollegen zurück gezogen und diese beteuerten natürlich Hideichi Kanin auch nur als prominenten Geschäftsmann erkannt zu haben, keine Beziehung zu ihm zu pflegen.
 

„Vielleicht hätte Ihr Sohn das etwas anders gesehen, Herr Kanin.“, durchbrach die drohende dunkle Stimme Akais das Szenario. Auch Ran sah kurz auf, als sie diese so vertraute Tonlage wahrnahm.

'Er... schon wieder?!'

Der Agent trat mitten durch den Vordereingang der mittleren Halle hinaus. Hinter sich ließ er eine Erfahrung, die er vielleicht nie hatte haben wollen: zu erleben, wie Noir, nachdem sie je eine Halle an Söldnern entwaffnete, zusammen eine zweite auseinander nahmen und ihm damit den Weg für den großen finalen Auftritt frei machten. Dann verschwanden sie wieder, durch den Hintereingang, noch bevor Akai beim Vorderausgang angekommen war, etwa ein Dutzend bewusstlose Söldner übrig lassend.

Die Schützen aus den beiden anderen Hallen, wie auch die Polizei stutzten gleichermaßen, über das selbe Wort in Akais Satz.

„Wie, mein Sohn? Ich weiß nicht, wovon...“ Er wollte sich gerade wieder heraus reden, als die Söldner zur Seite traten und Akai durchließen, den bewusstlosen Jungen reglos in seinen Armen tragend. Der Anblick, begleitet von der Angst, etwas schlimmeres sei passiert, war für den einen Moment zu viel für einen Vater, um sein Kind zu verleugnen.

„Shinto?!“, schrie er laut, mit Verzweiflung darin, rannte an allen vorbei zum Agenten, riss ihm den Jungen aus den Armen und nahm ihn sanft in die seinen.

„Sag doch etwas, Shinto, na los... bitte!“

„Er schläft nur, Herr Kanin. Tief und fest, wie man merkt. Dieses Kind hier wurde heute von Scharfschützen durch Ihren Park gejagt. Zusammen mit dem Mädchen da drüben, welches es bezeugen kann. Ebenso wie ich.“ Er zeigte seine FBI-Marke vor, steckte sie dann wieder ein und erzählte weiter.

„Ich habe den Jungen, Ihren Sohn Shinto, beobachtet, wie er dieses Gebäude betrat, in welches er offiziell von diesen Scharfschützen gedrängt wurde. Hier versteckten sich die Söldner, die Sie angeheuert hatten, nicht zum Schutz, sondern, wie Shinto selber gestand, mit der Intention diese zu töten.

Zwar sind durch äußere Einwirkungen und etwas Pech uns diese Verbrecher entkommen, aber Ihre Söldner und deren zerstörte Waffen sind noch hier.“ Kanin trat einen Schritt zurück, drückte den kleinen Jungen noch etwas näher an sich, als fürchtete er, Akai würde ihm seinen Sohn wegnehmen.

„Das sind Spekulation, Herr... Akai. Selbst als FBI-Agent steht Ihr Wort gegen das des Jungen und meins. Es gibt keinen Beweis, dass wir von uns aus etwas hier organisiert hätten.“

Ein schwaches Lächeln zog sich über die Lippen des Agenten.

'Genau, wie du es voraus geahnt hattest, Kudo. Sowohl seine Reaktion auf Shintos reglosen Körper, als auch die Verleumdung. Nun gut, beenden wir endlich diese Scharade.'

„Doch, Herr Kanin, es gibt einen Beweis. Weil Sie, oder genauer Shinto, etwas zu viel des Guten gewollt hatten. Ich rede von der Blendgranate, die Shinto in seiner Tasche, und dann in der Vase, die er vorher im Park gekauft hatte, aufbewahrte. Sie diente als Zeichen, dass die Söldner sich ihr Versteck verlassen sollten. Die Schützin, die in der gleichen Halle wie der Junge war, hatte sie zerschossen und damit die Blendexplosion ausgelöst. Bei so einer Explosion verbinden sich die Gase in der Granate sehr leicht mit der lockeren Tonverbindung. Die Scherben der Vase, die eindeutig Shinto zugeordnet werden können, weil die Vase einmalig war und er beim Kauf so eine Show darum abzog, so wie der daran haftende Staub der Granate lassen sich nachweisen.

Wollen Sie immer noch leugnen, dass Sie hier nichts geplant hatten?“
 

Der alte Mann blickte vom Agenten auf seinen Sohn, dann auf die anderen Söldner, den Kommissar und schließlich wieder zu Shinto. Dann nickte er stillschweigend ab. Der Kommissar wandte sich zu ihm, während Black seinen Agenten zur Seite nahm.

„Good Job, Shuichi.“, flüsterte er, wenn auch mit leicht ernster Miene. Immerhin hatten Sie keinen der Organisationsmitglieder erwischt.

„You shouldn't thank me, Sir. The evidince was his idea.“

„I thought so... and where is...“

„Gone.“

„Huh?“

Akai lächelte verstehend.

„He's doing, what he does best. Finding out some truth, that we'll probably never gather.“

„Say... you know now, who... they are?“

Aber Akai schwieg nur und wandte sich ab.
 

Chianti rannte mit voller Kraft durch wildes Gebüsch hindurch in großem Bogen Richtung ihrer geparkten Viper. Ein irres, aber auch selbstsicheres Lächeln zierte ihre Lippen.

„Ich weiß es, ganz sicher. Deswegen ihre Zuneigung zu dem Jungen. Diese Mori muss die Verbindung zu Conan Edogawa gesehen haben. Ein zweites Genie. Und wegen unserem Auftauchen hat Sie vermutet, dass er wie Edogawa hinter der Organisation her ist und sie ihm auf den Fersen. Natürlich, damals, als wir Mori töten wollten, hatten wir gedacht, er würde uns belauschen. Und dieser Junge hatte uns vom Gegenteil überzeugt... als wüsste er, was wir wollten... als wäre er derjenige, der uns belauscht hatte. Manchmal sieht man echt den Wald vor lauter Bäumen nicht. Er, der bei Wodkas Tod, und kurz vor Caipirinhas Tod dabei war.

Und über Vermouth scheint er auch Bescheid zu wissen. Viel zu gut sogar. Allmählich ergibt alles einen Sinn.

Nein, kein Zweifel. Dieser Junge ist der Detektiv, der uns dazwischen funkt. Er ist der...“

Ein Schuss durchbrach ihren Lauf, ein Pistolenschuss, der zwar gedämpft, aber immer noch laut genug war, dass sie den Knall zuerst wahrnahm, bevor sie den neuen Schmerz in der Bauchgegend spürte. Blut quoll aus ihrem Mund, als sie sich umdrehte, um ihren Scharfrichter noch zu sehen.

„Na... Todesmädchen, hast du mich doch noch...“

Unmittelbar danach fiel sie zu Boden, verlor das Bewusstsein.
 

„Chianti! Chianti!!“, schrie sie Conan an, der nur eine Minute später, dem Schuss folgend, bei ihr eintraf, zog am Kragen ihres Overalls. Kurz erwachte sie nochmal, sah ihn so nah.

„De... Detektiv... Conan... Edogawa, nicht wahr?“, brachte sie hustend hervor.

Er wollte sie zur Ruhe bringen, aber die Wunde war längst zu groß und zu viel Blut war verloren. Sie würde sterben.

„J-Ja...“

„Du... verfolgst uns?“ Er nickte stumm.

„Lass es, Kleiner. Du verschwendest nur dein Leben.“

„So wie Sie Ihres. Wer hat auf Sie geschossen, Chianti?“

Ihr schon im Delirium befindliches Bewusstsein war dabei, endgültig den Geist aufzugeben, so dass sie ihm nur noch wenige Worte ins Ohr hauchen konnte. Er drückte sie an seinen.

„... argh... es... war... mh... n-“ Aber das entscheide Wort blieb aus und sie schloss die Augen.
 

Als die Polizei sie etwa zehn Minuten später fand, kamen sie zu spät. Der kleine Junge, der Chianti in ihrem letzten Augenblick des Lebens beiwohnte, war längst verschwunden.
 


 

Conan musterte die Halle mit Verwunderung. Das war früher keine Lagerhalle im einfachen Sinne gewesen, mehr ein Bürogebäude. Mit den vielen, gleichmäßig verteilten Fenstern und vielen Räumen definitiv viel besser für die Schützen geeignet, die Ran und Shinto durch den Kanin-Park jagten, als die Lagerhallen auf der Nordseite, in denen Shinto sie gestellt hatte.

„Das meinte sie wohl mit... 'irgendwo dort'.“

Dann zeigte sich ein langer Schatten am anderen Ende, ein Schalter betätigte Licht, so dass er sie wieder ganz sehen konnte.

Mireille Bouquet.

Eine wahre Noir.

„Bonsoir, Shinichi Kudo.“

„Guten Abend... Noir.“

Noir's Auftrag

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zum 23. Kapitel von 'Blutige Begegnungen'. Zunächst wie immer ein ganz herzliches Danke schön für die Kommis zum letzten Kapitel! Ich nehme es mal so hin, es hat wohl einigermaßen mit der... 'Action', so man es so nennen will, geklappt. Im Fall von Chiantis Tod wiederhole ich nochmal, was ich letztes Mal schon meinte: das letzte Wort ist in diesem Fall noch nicht gesprochen und selbiges wird noch laaaaaaange hin sein... ;-p
 

So, damit zum jetzigen, lang erwartenden, klärenden Gespräch mit Mireille Bouquet. Ein Kapitel, das mir, ganz ehrlich, nicht so gut gefällt, wie ich es mir erhofft hatte. -.-

Puuh... mal vorweg für diejenigen, die das Ende von Noir nicht kennen: SPOILER-ALARM!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Hier wird viel über dieses Ende und die Hintergründe aus Noir erzählt. Für die, die es kennen, ist es vielleicht mehr eine recht lang gezogene Exposition dessen, was sie schon wissen. Wenn auch einiges neues dazu kommt und das Motiv Noir's ja noch als vordergründige offene Frage steht.

Obendrein kann ich die Ähnlichkeiten zum Gespräch mit Vermouth auf der Ocean Goddess, die ja schon am Anfang im Brief beschworen wurde, nicht verleugnen.

Ich sag ja, nicht gerade mein Meisterwerk, dieses Kapitel... -_-

Wobei, ganz soll es das auch nicht sein. Dies ist eben nicht, wie bei Vermouth, der triumphale Auftritt des Meisterdetektivs, wie er eines der großen Mysterien der Organisation enträtselt. Er wird seine Momente haben, das nehme ich vorweg, aber im großen und ganzen wird die aktive Person in diesem Kapitel Mireille sein. Und das auch begründet.
 

Schließlich noch eine Bemerkung zum Ende dieses Kapitels: ich sage dazu nächste Woche im Epilog noch einiges. Also nur mit der Ruhe, wenn euch vielleicht eine ganze Menge Fragen mit einem Mal kommen sollten bei diesem Ende.
 

Nun denn, ich wünsche euch trotz des auf mir selbst rumhacken noch einiges an Lesespaß mit diesem Kapitel, dann eine schöne Woche und einen wunderschönen vierten Advent.

Wir lesen uns dann zum... ruhigen, wenn auch stürmischen Zeiten entgegen blickenden Finale nächste Woche.
 

LG, Diracdet
 


 

Kapitel 23: Noir's Auftrag
 

Conan legte den Kopf etwas schief, als er Mireille einen Schritt näher trat und ihr Gesicht damit in einem der Lichtkegel von der Decke besser sah. Auf ihrer rechten Wange war ein langer, dünner, roter Strich zu erkennen.

„Doch nicht... unbesiegbar?“, meinte er leicht verdutzt, wenn auch etwas übermütig. Sie schmunzelte, schloss abwertend die Augen.

„Ich hatte mich einen Moment zu lange mit Korn unterhalten. Da war meine Konzentration nicht voll da.“

„Sie hatten noch Zeit sich zu unterhalten?“

„Wir sind alte Bekannte.“, gab sie lächelnd zu, bewusst in Kauf nehmend, dass sich der kleine Junge fast verschluckte bei dem Schock.

„Und wenn man sich so lange nicht gesehen hat, hat man sich halt einiges zu erzählen.“

„S-sie, Sie und Korn... Was hatten Sie miteinander zu besprechen?“, brach es aus ihm heraus. Er suchte so lange schon nach einem Zugang zur Organisation und diese Frau meinte, sie hätte vorhin, umzingelt von zehn oder mehr bewaffneten Söldnern, kurz mit einem ihrer Mitglieder geplaudert?!

Mireille lächelte ihn unschuldig an, legte die Hand störrisch in die Seite. Innerlich verkrampfte er kurz, seine Hände ballten sich zu Fäusten. Es war sinnlos, sie würde ihm nicht antworten und er hatte beim besten Willen nicht die Mittel, sie dazu zu zwingen.

Resignierend atmete er kurz durch.

„Na schön... wo ist Kirika Yuumura?“ Er wandte sich fragenden Blickes um. Es gab ein paar dunkle Ecken, in denen sie sich verstecken konnte, allerdings sah er keinen logischen Grund dafür. Eher noch könnte sie hinter ihm sein, damit beide ihn umzingelten, aber zumindest das hatte er überprüft und konnte sich sicher sein, dort niemanden anzutreffen.

„Kirika wollte an diesem Gespräch nicht direkt teilnehmen. Sie ist also nicht hier.“

„Warum nicht? Geht es... um sie?“

„Gewissermaßen.“ Wollte er es eigentlich so genau wissen, musste er sich fragen. Er war nun hier, aufgrund ihrer Einladung, hatte, mehr schlecht als recht, bei einer Aktion der Organisation und einer gegen sie eingegriffen, aber er fühlte sich kein bisschen wohl. Er wollte nicht hier sein. Nicht wegen dieser Einladung.

Er war hier, aber eigentlich aus einem anderen Grund.

„Chianti!“, rief er plötzlich aus, als einen Moment Stille ihn sich besinnen ließ.

„Was ist mit ihr?“

„Wieso haben Sie sie getötet?“ Ein schwaches Zucken ging durch Mireilles Augen, als sei es eine Überraschung für sie.

„Oder Ihre Partnerin, ist mir eigentlich egal!“ Es kochte alles in ihm hoch, was sich in Wut angestaut hatte, seit er Chiantis Leiche verließ.

„Sie hätten sie einfach anschießen können, dass sie nicht weiter laufen konnte, sie selbst festsetzen, oder auch nur stellen, wenn Kirika angeblich sie schon so beeindruckt hatte, wie Akai erzählte. Ich war doch quasi direkt hinter ihr!“

„Vielleicht, um deine Freundin und dich zu retten, Kudo.“

„Ich weiß, worum es ging, verdammt nochmal!“, brüllte er kopflos, zog sich einen finsteren Blick der Attentäterin zu, der ihn nach einiger Zeit zur Raison kommen ließ.

„Ich weiß, dass es um Ran ging, ich habe alles miterlebt und war deswegen auch Chianti nachgelaufen.“, meinte er dann mit schwer Stimme.

„Aber zu langsam.“

„Nein, ich musste einen Umweg nehmen, um Ran und den anderen aus dem Weg zu gehen. Aber ich hatte bereits aufgeholt.“

„Sicher? Ist es dir dieses Risiko wert gewesen, um Ran's Leben?“

„Ich würde niemanden töten, auch nicht für Ran!“

„Ich weiß, deswegen frage ich.“

Conan stockte etwas, betrachtete die Frau, die mittlerweile ihre Arme vor sich verschränkt hatte, als wartete sie auf eine Erklärung, die er ihr schuldete und nicht umgekehrt.

'Seltsam... was soll das? Sie tut förmlich so, als würde ich ihr... Unrecht tun?!'

„Haben Sie...“

„Was denkst du, Shinichi?“

„Wer sonst?“ Sie zuckte unschuldig mit den Schultern, als ahnte sie nicht die Antwort, die Wahrheit. „Sie glauben wirklich, Sie wüssten alles, oder?“, tat er gespielt beleidigt, während in seinem Kopf ein Sturm wütete, der nicht locker ließ mit bohrenden Fragen.

'Es kann doch unmöglich... schon wieder! Genau wie auf der Ocean Goddess. Irgendetwas stimmt doch da nicht!'

„Nein, um deine Frage, die du wahrscheinlich mittlerweile vergessen hast, zu beantworten.“, fuhr sie ihm zwischen die Gedanken.

„W-was?“

„Ob ich glaube, ich wüsste alles. Nein. Les Soldats kennen die Zusammenhänge, die großen, die Beziehungen der Menschen untereinander. Daher auch ihre Geheimnisse. Auf dieses Wissen habe ich Zugriff, mehr aber auch nicht. Wie sich die Menschen individuell entscheiden, das unterliegt nicht meiner Kenntnis.“

„Wieso antworten Sie dann nicht auf so eine einfache Frage wie eben? Warum sagten Sie vielleicht, wenn Sie es ganz genau wissen? Das hat doch nichts mit einem Test für mich in diesem Fall zu tun. Sie waren doch heute hier, um unschuldiges Blutvergießen zu verhindern.“

„Glaubst du das, Shinichi? Dass ich nur deswegen hergekommen bin?“

„Deswegen haben Sie gerade Kir eingesperrt.“ Nun musste Mireille kurz stocken.

„Die Organisation weiß zwar nichts über ihre Identität, aber sehr wohl über ihre Fähigkeiten. Insbesondere auch, dass sie in der Lage ist, spontan als Lügendetektor herzuhalten. Sie hat das auch bei mir einmal schon gemacht, es funktioniert also. Die Organisation hatte Kir nicht nur mit herbestellt, um die Kameras davon abzuhalten, sie auf's Bild zu bekommen. Kir sollte bewusst Shinto in die Arme laufen, und ihn begleiten. Als alleine umherlaufender Junge und sie eine bekannte Dame des Fernsehens, die ihn nach Hause bringt, das würde kaum auffällig sein und sie hätte ihn aushorchen und heraus finden können, ob er ihre Pläne durchschaute und es eine Falle war.

Kir war der Trumpf der Organisation, welcher gestochen und vermutlich beide Kanins das Leben gekostet hätte. Deswegen haben Sie sie aus dem Spiel genommen.“

„Respekt.“, gestand Mireille leicht überrascht.

„Sie war einfach ein zu unberechenbares Risiko. Schließlich muss Agentin Hondo ja ihre Tarnung aufrecht erhalten, weshalb nicht klar ist, wie weit sie gehen würde, um daran festzuhalten. An ihren Händen klebt bereits Blut, Shinichi, und ich meine nicht das ihres Vaters.“

„Und Sie... wie viel Blut haben Sie an Ihren Händen kleben?“, gab er bockig zurück und vergaß, dass er selbst niemals gegeneinander aufwiegen wollte, wer mehr Menschen getötet hatte.

„Willst du die Zahl wirklich wissen?“

„... Nein.“, kam es nach einer Weile, in der seine Augen leicht flackerten. Soviel zur Frage, die ihn diesen Morgen beschäftigte.

„Ich hatte ja Gelegenheit, über Sie nachzudenken. Auftragsmörder sind nun mal keine gewöhnlichen Attentäter, und trotz einer vielleicht großen Anzahl Opfer nicht mit Massenmördern und schon gar nicht mit Amokläufern zu vergleichen. Sie suchen sich Ihre Opfer auf und beseitigen präzise diese und niemanden sonst. Geben Sie es ruhig zu, so ein brachiales Vorgehen, wie es Kanin, aber im umgekehrten Fall auch die Organisation geplant hatten, ist Ihnen ein Stück weit zuwider.“

Sie schmunzelte, ließ die Argumente förmlich auf ihrer Zunge zergehen.

„Ja. Auch wenn du nicht zu ideell von mir denken solltest, Shinichi.“

„Keine Angst, das tue ich ganz sicher nicht... Mörderin.“

„Hm...“ Sie legte kurz die Finger ans Kinn, winkte dann aber ab.

„Dass es keinen Sinn hat, mit dir darüber zu diskutieren, hatten wir ja schon geklärt, also lassen wir das. “

„Auch wenn es mich ehrlich gesagt etwas verwundert.“ Ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen deutete an, dass er ganz sicher noch nicht fertig war und dass er sich in der Position glaubte, noch etwas erfahren zu dürfen.

'Na schön, Shinichi. Dann fang mal an.'

„Was verwundert dich?“

„Dass Sie zur Mörderin geworden sind. Sicher, Sie hatten Mafiosi als Eltern, aber... gerade die wurden doch auch getötet. Und damals waren Sie noch ein halbes Kind. Ich hätte eher erwartet, dass Sie das davor abschreckt.“

„Du solltest bei all deinen Idealen halt nicht über andere richten, deren Geschichte du nicht kennst.

Abschrecken? Ja, das trifft es so ungefähr, als ich meine Mutter das letzte Mal sah, wie sie vor meine Augen verstarb.“ Eine deutliche Bitterkeit zeichnete sich in ihrer Stimme ab.

„Wie... Sie waren dabei?“ Dann waren seine Analysen vorher falsch. Es musste tatsächlich Rache sein, die sie trieb.

„Ach... das wusste Agent Starling also nicht? Hätte ich mir ja denken können. Ich habe die Schüsse gehört, auch wenn ich den Mörder damals nicht sah. Da ich diese Geräusche aber schon damals kannte, ahnte ich, es war etwas passiert und lief so schnell ich es in dem Alter konnte, zu meinen Eltern. Mein Vater war bereits tot, während meine Mutter mir noch ein paar letzte Worte mit auf den Weg gab.

Sie sagte:
 

'Es mag richtig sein, dass Liebe Menschen töten kann. Aber Hass kann niemals Menschen retten.'
 

Damals verstand ich das noch nicht, ich war einfach zu jung. Später erst habe ich gelernt, mit dem Groll gegen den Mörder und die Hintermänner umzugehen, ihn nicht zum Bestimmer meines Handelns zu machen. Sonst wäre ich nie so weit gekommen.“

„Sie waren also anfangs auf Rache aus, wurden zum Auftragskiller, änderten das aber. War wohl auch besser, immerhin war es kein gewöhnlicher Attentäter, der gegen Ihre Eltern Hass empfand.“

„Mhm... es war ein von Les Soldats geschickter Killer, richtig.“

„Noir? Ich meine... Ihr Vorgänger?“ Sie schmunzelte.

„Wie man es nimmt.“ Er legte verständnislos den Kopf schief, ging seine Gedanken nochmal durch. Er musste mit seiner Vermutung recht haben, aber würde sie es so einfach zugeben?

„Warum sind eigentlich Ihre Eltern damals überhaupt bei den Soldats in Ungnade gefallen, Mademoiselle Bouquet? Sie waren es doch, die Ihrer Familie die Macht über Korsika gaben.“

„Oh, die kleine Shiho muss dich wirklich gut unterrichtet haben, was?“ Unbestimmt lachte sie kurz auf, als sei sie sich nicht ganz sicher, was sie sagen sollte.

„Oui, die Soldats hatten da entscheidenden Beitrag dran, das kann man nicht leugnen. Auch wenn man es ab einem gewissen Punkt vergisst. Wenn man erst mal weit genug aufgestiegen ist in der Hierarchie, läuft das alles von alleine. Aber irgendwann forderten die Soldats ihren Tribut dafür. Oder genauer, einen größeren als normal.“

„Sie.“ Sie hob erstaunt die Augenbraue, legte nun selbst den Kop schief.

„Das dürfte dir das kleine Mädchen aber nicht verraten haben.“

„Es gab gewisse Indizien. Allgemein werden Noir und Les Soldats immer getrennt voneinander betrachtet, so viel ist mir aus Miss Jodies Aussagen mittlerweile auch klar. Aber alle Soldats und auch die Organisation scheinen da durchaus Verbindungen zu ziehen. Und der Name legt ja auch eine gemeinsame Herkunft aus Frankreich nahe. Mamoru Ietasu nannte Sie 'Die Jungfrauen mit den schwarzen Händen', ein Name, den ich noch nie gehört hatte, der aber Vermouth direkt auf Noir brachte. Noir sind keine eigenständigen Killer, sie sind die Attentäter der Soldats selbst.

Sie sind...“

„Die schwarzen Hände der Soldats, exakt. Bravo.“

Sie holte Ihre Taschenuhr aus der Jacke raus, besah sich das Deckblatt, welches Noir symbolisierte.
 

„Noir, das ist ein Name,

Ein Schicksal aus alter Zeit.

Zwei Jungfrauen, die den Tod beeinflussen.

Ihre dunklen Hände hüten,

den friedlichen Schlaf des Neugeborenen.
 

So lautet der eintausend Jahre alte Spruch, mit dem damals die ersten Noir ins Leben gerufen wurden. Unmittelbar nach der Gründung der Soldats.“

„Wenn Sie nun Noir sind, mussten Sie irgendwann von den Soldats für diese Position ausgewählt wurden sein. Und das, gepaart mit ihrem besonders vehementen Verleugnen, eine Soldats zu sein, ließ mich zu diesem sinnigen Schluss kommen, zumindest seit ich wusste, dass Sie Noir sind.“

„Ganz recht hast du nicht. Der Name 'Noir' wurde wegen seines Rufs in der Unterwelt vielfach missbraucht von Leuten, die nicht mal wussten, dass es Les Soldats gab. Die 'wahren Noir' wurden immer von Les Soldats selbst bestimmt, ja. Und ich war damals eine der Kandidatinnen. Nur sahen das meine Eltern nicht so.“

„Sie lehnten es ab, ihre Tochter an die Soldat zu geben, dass diese zu Noir ausgebildet würde und mussten deswegen sterben.“ Einmal mehr sah er sich mit dem Gedanken konfrontiert, die Motive eines Mordes sich vor Augen zu führen und dabei auch Mitgefühl zu empfinden, selbst wenn er die Tat niemals gut heißen konnte. Mafiapaten und Mörder hin oder her, aber offenbar waren auch die Bouquets einfach ganz normale Eltern gewesen. Sie hatten ihre elterlichen Pflichten erfüllen wollen und damit unweigerlich den eigenen Tod gewählt... Er sah zu Mireille, die immer noch die Uhr betrachtete, einen tief melancholischen in die Ferne gerichteten Blick aufgesetzt.

„Und das alles scheinbar vergebens. Schließlich sind Sie ja doch zu Noir geworden, wenn auch scheinbar auf eigenen Wegen.“

„Tja... dem Willen der Soldats zu entkommen stand damals nicht in meiner Macht. Ich hatte mein Schicksal nur hinaus gezögert. Mein Onkel, der mit mir als einziger unserer Familie fliehen konnte, war, wie sich später heraus stellte, ebenfalls ein Soldats. Er hatte mich, meine Rachegelüste schürend, in diese Ecke gedrängt. Wobei... wahrscheinlich wäre es auch ohne ihn so gelaufen.“

„Moment!“ Conan blickte verwirrt aus seinen Gedanken auf.

„Was meinen Sie mit 'damals'?“ Nachdem Mireille einen Augenblick ihre eigenen Worte reflektierte, trat ein breites Grinsen in ihr Gesicht.

„Das hast du doch selber schon gesagt. Ich bin keine Soldats, und auch Kirika nicht. Wir sind mittlerweile unsere eigenen Herren.“

„Aber... Brefford...“

„Du hast es nicht bemerkt, so wie es niemand bemerkt hat. Man konnte es von außen nicht bemerken.“

„Was, was bemerkt.“

„Vor vier Jahren... da hat sich die Welt für einen Augenblick nicht weiter gedreht, könnte man sagen. Damals haben Les Soldats vor Noir die Waffen gestreckt.“

Er trat unweigerlich einen Schritt zurück, als brauchte er einen neuen Fokuspunkt. Was hatte sie da gerade gesagt? Les Soldats hätten... gegen Noir gekämpft? ... Und verloren?? Nein, das konnte es nicht sein. Er suchte nach einem anderen Blickwinkel, seine Gedanken anzuordnen. Und fand ihn in der Uhr.

„Sie meinen mit Waffen gestreckt, dass Sie die 'alte' Noir, die Ihre Eltern getötet hatte, selber ermordeten.“, versuchte er sich zu retten

Nun musste sie wirklich lachen, sehr zu Conans Unzufriedenheit.

„Wie kommst du nun wieder darauf?“

„Na, wegen der Uhr. Sie sagten, Sie haben sie von Ihrer Mutter. Es handelt sich dabei also um eine letzte Erinnerung, aber dennoch ist sie nicht repariert, obwohl das doch bei dem Glas kein Problem wäre. Sie erinnert ganz direkt an den Tod Ihrer Mutter. Wäre sie vorher kaputt gegangen, hätten Ihre Eltern sie einfach heile gemacht, wäre es danach passiert, hätten Sie sie umgehend repariert, allein schon aus der eigenen Scham über Ihr Missgeschick mit diesem kostbaren Erbstück. Sie ist beim Tod von Madame Bouquet selbst kaputt gegangen, wie auch immer und Sie haben Sie so erhalten.

Aber nicht zu ihrem Tod.“

Mireille zog deutlich eine Augenbraue hoch.

„Sondern?“

„Die Uhr zeigt ein Symbol, welches ganz eindeutig Noir zugeordnet werden kann: zwei Jungfrauen mit Schwertern. So wie Sie Ihre Mutter beschreiben, wonach sie nicht wollte, dass Sie Noir werden, hätte sie Ihnen niemals dieses Erbstück anvertraut, welches sie vermutlich bei der Tat bei sich hatte, sonst wäre sie nicht kaputt gegangen. Gleichsam hätten Sie als Kind dann nicht die Uhr mitgenommen als Erinnerung. Dafür waren Sie doch noch zu sehr Kind, um in so einem Moment besonnen zu handeln...

Eigentlich ist die einzig realistische Version die, dass die Uhr beim Tod von Madame Bouquet in die Hände des Mörders fiel. Aus denen Sie sie später wieder her holten.“

„Nun... diese Person hat mir die Uhr zwar freiwillig zurück gegeben, aber ansonsten liegst du richtig. Und ich gebe zu, ich bin beeindruckt, wie du das aus dem Bisschen an Information heraus kitzeln konntest.“ Sie lächelte kurz freundlich aber auch leicht überheblich.

„Ich weiß auch, wer dieser Mörder war.“

„Oh, jetzt bin ich gespannt.“

„Diese dritte Person, die Sie und Kirika dauernd erwähnen, aber über die Sie nie ein Wort verlieren wollen. Chloe!“

„Non.“, gab sie eiskalt zurück, ließ Conan verstummen.
 

„Wie... nein?“

„Nein, im Sinne von Chloe war nicht die Mörderin meiner Eltern.“ Seine Augen zuckten nur kurz. Eigentlich war er so ziemlich überzeugt, hatte die zweite Variante schon verworfen.

„Aber sie war doch auch eine Noir.“ Nun musste Mireille kurz zucken.

„War sie, ja. Merkt man das aus unserer Art, wie wir... nicht über sie reden?“

Er nickte stumm.

„Du hast schon teilweise nicht Unrecht. Es gab drei Kandidatinnen für die zwei Noir: Kirika, Chloe und mich. Und wir waren alle drei an diesem unheilvollen Tag im Hause meiner Eltern...“ Ein düsterer Schatten schien ihr Gesicht in etwas zwielichtiges zu tauchen, als sich Conans Hände verkrampften. Nun ging er nicht, er fiel einen Schritt nach hinten.

„Nein... nein, das kann nicht sein. Wollen Sie sagen...“

„Ja, Shinichi Kudo... der Mörder meiner Eltern, die Person, die mir die Uhr zurückgegeben hat, als ich ihr das erste Mal begegnet war... ist Kirika.“
 

„Aber Kirika war damals...“

„Acht Jahre, wie Chloe. Ich war nicht das Nesthäkchen, sondern die alte Dame unter uns.“

„Es war das Anwesen eines Mafiapaten, es gab viele Sicherheitskräfte, das wurde auch in den Zeitungsartikeln von damals angesprochen: mindestens ein Dutzend Leute wurden erschossen. Wollen Sie mir erzählen, Kirika konnte mit acht Jahren schon so gut...“ Das finstere Lächeln auf Mireilles Lippen beantwortete es für ihn. Eiseskälte umfing seinen Körper bei der Vorstellung dieses Mädchens.

„Kirika war schon immer das Genie unter den Kandiatinnen. Wenn eine den Titel Noir verdiente, dann sie, auch wenn sie ihn nie wirklich haben wollte. Ihre Eltern wurden offensichtlich viel früher überredet und sie länger ausgebildet, wie auch Chloe. Nur Kirika ist ein absolutes Naturtalent. Ihr gelingt im Nahkampf wie an der Pistole einfach alles. Chloe war die emsige Schülerin, die immer zu Kirika aufblickte und sie verehrte, versuchte, ihr zu folgen. Naja...“, sie schloss die Augen, sah eine Weile ins ferne Nichts, „Ich war, aufgrund der Entwicklungen um meine Eltern, nicht einer solchen Ausbildung unterzogen wurden. Ich war vor viereinhalb Jahren, als Kirika auftauchte, gewissermaßen die zurück gebliebene Anfängerin, ausrangiert auf einem Abstellgleis in Paris. Wie es Brefford mal formulierte, eine ausgezeichnete Killerin, aber Welten unter ihrem eigentlichen Potential.

Und ja, Kirika konnte mit acht Jahren die Sicherheit auf dem Familienanwesen Bouquet übergehen und ein Dutzend Leute töten. Es war für die Obrigkeit der perfekte Test für ihre junge Soldatin.“ Nun kam die Verachtung zum Vorschein, die Mireille und mit Sicherheit auch Kirika für die Methodik, mit der sie 'erwählt' und ausgebildet wurden, übrig hatten.

„Und wieso wurden Sie dann zur Noir und nicht Chloe? Oder genauer gesagt, warum ist Chloe... gestorben?“

„Etwas lief schief. Etwas, weswegen ich heute hier bin. Weswegen wir, Kirika und ich, dich aufgesucht haben, deine Fähigkeiten testeten und du nun hier herkommen solltest.“

Nun wurde er hellhörig. Sollte er endlich erfahren, was seine Rolle in diesem ganzen, von Noir aufgezogenen Theaterstück sein sollte? Warum... sie scheinbar einen Detektiv suchten?

„Ich höre.“

„Kirika hatte einen Unfall, bei dem....“
 

„Halt!“, unterbrach sie ein lauter, aber heiserer Ausruf aus einem dunkelsten Winkel einer Ecke.

'Sie war also doch hier!.'

„Kirika...“

„Ist schon gut, Mireille...“, sagte sie in ihrer ruhigen, emotionslosen Tonart. Ihr Bild aber glich einem von widersprüchlichen Gefühlen getriebenen Kind ohne Herkunft und Ziel. Ein Bild, welches Conan sehr viel mehr mitnahm, als er sich selbst eingestehen wollte. Und eines, welches er sehr bald verstehen sollte.

„Ich... wollte es Mireille überlassen, es auszusprechen, ich wollte mich davor drücken. Es tut mir leid, dass ich so feige war, Mireille. Und es tut mir leid, dass ich mich so vor dir versteckt habe, Shinichi.“ Sie verbeugte sich mit vor sich ineinander verschlungenen und verhakten Händen.

Verunsichert konnte der Junge nichts anderes tun, als es abzunicken. Was wollte sie nur von ihm?

„Es ist richtig... ich hatte einen Unfall bei einem Auftrag vor etwa 5 Jahren. In den Annalen der Teitan Schule wird eine längere Krankheitspause, kurz bevor ich mit Mireille Japan verließ, dokumentiert sein. Auch wenn weder die eigentliche Ursache, noch die Folgen dort zu finden sind.“

„Folgen?“

„Ich... ich habe bei dem Unfall... mein Gedächtnis verloren. Vollständig... und bis heute dauerhaft.“ Er zog kurz die Luft ein. Ein Mädchen ohne Herkunft und Ziel. Ihr Bild vom trauernden, einsamen Mädchen war auf einmal sehr real geworden.

„Eine extreme Form der retrograden Amnesie. Mittlerweile kann man davon ausgehen, dass ihre Erinnerungen selbst niemals wieder kommen werden.“, erklärte Mireille die medizinischen Details, für die ihre Partnerin und Freundin im Moment nicht den Nerv hatte.

„Der Grund, dass ich danach Mireille aufsuchte, war die Uhr, als Hinweis auf sie. Mireille selbst war, wie du richtig vermutet hast, aufgrund von Chloes und meiner Anwesenheit aufs Abstellgleis geschoben wurde und wusste bis dato nichts über die Hintergründe und Hintermänner des Falls ihrer Eltern. Ich erzählte ihr von meinem Gedächtnisverlust, und von der Uhr, bat ihr meine Hilfe an, ihre und meine, uns beiden nun unbekannte gemeinsame Vergangenheit zu ergründen.“

„Moment, aber Kirika Yuumura gab es auch schon vorher an unserer... Schule.“

„Der Name war schon immer falsch, Shinichi. Als ich meinen Eltern entrissen wurde, wurde direkt mein Name geändert und alle Verbindungen zu ihnen dauerhaft gekappt. Ich habe keine Ahnung, wer sie sind... Die Soldats haben alle Informationen darüber gelöscht aus der Geschichte.“

„In der Folge...“, übernahm Mireille, als sie merkte, wie Kirika doch Probleme bekam beim sprechen,

„... hatten nun wir zwei als 'Noir' uns zusammen getan, was die kurze Phase vor vier Jahren beinhaltete. Les Soldats sind auf uns aufmerksam geworden, auf unsere Pläne und nutzten das wiederum... als Training.“

„Training?“

„Sie haben unsere Aufträge mit gesteuert und dafür gesorgt, dass wir zusammen mehr als einmal ziemlich an unsere Grenzen gehen mussten; und darüber hinaus. Sie wollten uns testen. Und wir haben bestanden.“ Er sah sie etwas verständnislos an, aber auch neugierig. Er konnte nicht leugnen, dass ihn die Geschichte von Noir interessierte, wenn aus keinem anderen Grund, als dem des Verständnisses für ihre Motive.

„Bestanden... im Sinne von Sie wurden die 'wahren Noir', wie Sie es nannten?“

„Nein... eigentlich das nie. Zumindest nicht im Sinne der klassischen Bräuche der Soldats. Chloe beanspruchte diese Position und wurde dabei von Altena gestützt.“

„Wer ist Altena?“

„Nicht ganz so wichtig. Du weißt doch von dem Anwesen in den Pyrenäen, von welchem wir hier hergekommen sind. Das war bis vor vier Jahren ein Kloster der Soldats und Altena ihre vorstehende Priesterin. Sie hat Kandidatinnen zu Noir geweiht, sie zu 'wahren Noir' gemacht und wollte mit Chloe und Kirika als ihre treuen Hände sich an die Spitze der Soldats setzen.“ Sie sah seinem schiefen Blick an, dass er gerade meinte, sich verhört zu haben.

„Ja, auch bei den Soldats gibt es ganz banale Intrigen und Machtkämpfe. In diesem Fall der Senat um Brefford gegen die Hohepriesterin, die eine der wahren Noir auf ihrer Seite hatte.“

„Also hat Brefford Sie wieder ins Spiel gebracht.“

„Gewissermaßen, wenn auch erst nachdem klar wurde, dass Kirika und ich ein recht gutes Team bildeten. Es endete, um dich nicht mit allen Details zu quälen, dass Chloe versuchte mich zu töten, weil ich ihre Position an der Seite Kirikas streitig machte, woraufhin Kirika Chloe tötete.“

„Und dann noch diese... Altena.“

„Die notwendige Bedingung von Brefford. Altena, die eine Gefahr für den Senat darstellte, eliminieren, damit Kirika und ich von den Soldats weg konnten.“

„Und das haben die dann auch gemacht?“

„Wir haben Sie vor die Wahl gestellt.“ Er erschrak als er ein blitzartiges Funkeln in Mireilles Augen wahrnahm, welches sich auch in Kirikas kurz zeigte.

„Sie haben uns dann als Ausgleich für meine Wohnung in Paris, die sie zerstört haben, dieses Kloster als Anwesen angeboten, wo wir auch die letzten vier Jahre gelebt haben.“
 

„Schön. Das verrät mir aber immer noch nicht, warum Sie jetzt auf einmal hier sind? Und was genau wollen Sie von mir? Kommen Sie endlich auf den Punkt!“ Er tat so, als hätte ihn diese kurze Zusammenfassung der Vergangenheit der beiden Frauen eher gelangweilt, nur Zeit gekostet, aber man sah die Wahrheit in seinen Augen.

„Wir sind hier, weil wir von dir gehört haben, Shinchi Kudo. Von einem jungen Detektiv, der sich mit gewissem Erfolg gegen die Organisation durchsetzt. Allein das ist bemerkenswert. Aber viel wichtiger ist, du hast gesehen, wozu sie fähig ist und gibst nicht auf. Und du kannst sogar... verlorenes Wissen wieder beschaffen.“

„Verlorenes... Wissen?“ Was sollte das nun wieder heißen? Verloren gegangenes Wissen, an das man offiziell nicht mehr ran kam...

„Vermouth?!“, schrie er förmlich aus, als es ihm klar wurde. Mireille nickte ab.

„Brefford hatte dich zunächst nur als sehr guten Detektiv beschrieben, aber wir mussten wissen, ob du zu mehr in der Lage warst. Die Wahrheit über Vermouth und ihr Motiv waren der perfekte Test, da es eh in deinen 'Interessenbereich' fiel. Ich hatte mit ihm vor der Schifffahrt gewettet, du könntest das Motiv finden, genauer einen Beweis, der sie überführt. Und der Wetteinsatz war so etwas wie die Vollmacht, dich zu engagieren.“

„Also ein Fall? Ein Fall für einen Detektiv, wenn Sie über das Wissen von Les Soldats verfügen? Jetzt bin ich wirklich verwirrt. Sie sagten doch, dass Les Soldats alle Geheimnisse kennen.“

„Nicht ganz...“, meinte sie selbstironisch.

„Les Soldats kennen alle Geheimnisse, können aber auch Informationen erschaffen... oder vernichten.“ Ein tiefer, ernster Ton schang auf einmal mit.

„Und genau da liegt das Problem. Sie können zu gut sein. Zu vollständig. Wenn Sie etwas Wissen wirklich ausradieren wollen, ist es danach auch faktisch weg. Hat aufgehört zu existieren, hat nie existiert. Sie haben über ihre 1000 Jahre Lebensdauer geradezu Orwell'sche Perfektion darin erlangt, endgültig Wissen zu vernichten. Ich rede über Dinge, die mindestens so gut, wenn nicht besser versteckt sind auf der Welt, als die Tonbänder von Elena Miyano...“

„Und so ist es auch...“, begann Kirika nun doch wieder, auch wenn etwas zutiefst trauriges in ihrer Stimme steckte, was sie blockierte.

„... mit meiner Vergangenheit.“

Conan wandte sich erschrocken in ihre Richtung. Feuchtgkeit funkelte an ihren Augenrändern.

„Ich sagte es doch. Sie haben meine Vergangenheit ausgelöscht, bevor ich mein Gedächtnis verlor. Niemand, auch der Senat der Soldats nicht, kennt meinen wahren Namen. Kirika Yuumura ist mein einziger Name, auch wenn er falsch ist. Dieses Wissen ist offiziell verloren gegangen. Vernichtet worden. Und bis vor kurzem gingen wir davon aus, dass es unmöglich wäre, es wieder zu beschaffen.“ Nun begann je Auge bei Kirika eine einzelne Träne diese zu verlassen.

„Ich möchte dich bitten, Shinichi Kudo, ob du meine wahre Identität, die mir die Soldats vor so langer Zeit genommen haben, heraus finden könntest?“

Steif gefroren stand Conan da und beobachtete die surreale Szene, die sich ihm bot. Die beste Profikillerin der Welt, die durch Mireilles Erklärung ihm nur noch unheimlicher erschien, bat ihn, einen Detektiv mit sehr hohen Idealen, unter Tränen um die Enträtselung ihrer Vergangenheit. Er wusste gar nicht, wo er eigentlich ansetzen sollte. Er war sich nicht einmal ganz sicher, was er antworten sollte. Wollte er für eine Mörderin einen Auftrag erledigen? Konnte er ihr diese Anfrage ausschlagen, ihr das Recht auf Wissen über ihre Familie, ihre Eltern vorenthalten, wegen seiner Meinung zu ihr? Konnte er überhaupt ablehnen, wohl wissend, dass er zwischen zwei bewaffneten Profikillern stand, die ihn ohne mit der Wimper zu zucken, umlegen konnten und die Ablehnung eine von ihnen psychisch extrem belasten würde?

Er zögerte, was anderes fiel ihm einfach nicht ein, auch wenn er genauso gut ahnte, dass es ihn der Antwort nicht näher brachte.

„Du willst es nicht wirklich tun, oder, Shinichi? Einem Mörder helfen.“, forderte ihn Mireille geradezu heraus, als es ihr zu lange dauerte.

„Nein, ich... ich weiß einfach nicht...“

„Vielleicht hilft es dir ja, wenn ich sage, dass ich durchaus gut für diesen Auftrag zahlen kann.“

„Es geht mir nicht um Geld.“, meinte er direkt beleidigt, als hätte er so eine banale Phrase nicht von ihr erwartet.

„Oh, ich bitte dich, Shinichi! Ich wäre nicht hergekommen, wenn ich glauben würde, dich mit Geld locken zu önnen. Ich besitze etwas, dass dich wesentlich mehr interessieren dürfte.“ Sie holte das kleine, längliche Päckchen aus ihrer Tasche, welches dort den Tag auf seinen großen Auftritt harrte, und warf es dem verdutzten Jungen zu.

„Was... was ist das?“

„Na, mach es auf, dann weißt du's. Ich pflege im Voraus zu zahlen.“
 

„Halt stopp, Kudo!“, unterbrach ihn Ai jetzt doch. So lange blieb sie immer wieder still, als er die Geschichte des Sonnabends wiedergab. Nun aber konnte sie nicht anders, einer absurden Ahnung folgend.

„Was für ein Päckchen? Was war da drinne?“ Er lächelte schwach, aber deutlich, stand von der Couch in seinem Wohnzimmer auf und ging an einen kleinen Schrank. Er wühlte ein wenig zwischen den inneren Schubladen, und holte schließlich besagtes Kästchen, eine Art Schatulle, hervor.

Zum erstaunen aller anderen, die ihm gegenüber saßen und lauschten, überreichte er es Ai mit einem kurzen: „Du weißt, was es ist.“.

Ran, Heiji, Professor Agasa und Kazuha beugten sich um das kleine Mädchen, während es mit zittrigen Hände die Plastikschatulle öffnete.

'Nein!'

Zeitenwende

Hallo liebe Lesenden,
 

willkommen zum Abschluss von 'Blutige Begegnungen'! Allen, die bis hier her sich durchgearbeitet haben, erstmal Gratulation für die Zeit, die ihr mir geopfert habt und ganz herzlichen Dank dafür. Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht und ich habe mit Rechtschreibung, Ausdruck und inhaltlichen Fehlern nicht für zu viel Verwirrung gesorgt. XP
 

Insbesondere will ich natürlich allen fleißigen Kommi-Schreibern und Favo-Einträgen, welche ich hier kurz alphabetisch liste bedanken, für ihre Mühe und Treue. Ganz, ganz großes Danke schön!
 

AsukaNakamura95

Bad_Boys_Takouji

Claire

ConanKudo

Diclonius01

fahnm

Hannako_Usumaki

Holmes_Watson

Kaito_Kid_Kudo

Kikili

Lyn

matze3

Nuadize

Phinyx

R3I

Shelling__Ford

shinichi_4ever

secret91

Varlet

Vertschl
 

Euch allen nochmals ganz herzlichen Dank für alles!

^/////___________/////^
 

Zum letzten Kapitel also. Ich hatte es auf Anfrage wohl erwähnt. Die Geschichte des Samstags im Kanin-Park spielt natürlich vor den Ereignissen von 'Licht und Dunkelheit'. Es handelt sich um einen Rückblick, eine Erinnerung, die der von seiner Amnesie genesende Conan seinem staunenden Auditorium erzählt. Ran hat ihn ja das letzte Mal überführt und will nun halt auch wissen, was ganz genau passiert. Mit allen Konsequenzen, die einige Kommischreiber bereits ansprachen.

Was Kazuha angeht, so wird auch noch ein wenig dazu gesagt – nur so viel, da habt ihr auch etwas Anteil dran. ;]

Aber... die großen Gefühle sind noch nicht... noch nicht wieder, wenn man das Ende von 'Licht und Dunkelheit' bedenkt, an der Zeit. Hier geht es um Vorbereitung des weiteren Vorgehens. Ein bisschen Anspielung auf das, was dann in der nächsten FF beginnt.
 

Was mich eigentlich bereits zur schlechten Nachricht bringt. ich gehe nicht davon aus, nächstes Jahr genug zum schreiben zu kommen, um die nächste Geschichte schon online stellen zu können. Tut mir Leid, aber ich möchte dann mir doch lieber die Zeit nehmen, bevor ich was verqueres zusammen schreibe und das euch so vorsetze. Daher lege ich mich fest, die neue FF kommt erst 2013. Sorry. *VorGiftpfeileninDeckunggeht*

Dafür ein anderes Versprechen. Es wird endlich überarbeitet. Eine neue Politur auf die alten FFs gebracht, Rechtschreibung und besonders bei den ersten Ausdruck mal angepasst, dass die Reihe insgesamt kohärenter wird. Der Inhalt soll sich nicht ändern. Kleinere Inkonsistenzen werde ich versuchen, zu korrigieren, aber mit großen muss ich leben, sonst ändert sich die ganze Geschichte.

Aber das wird diesmal wirklich kommen.
 

Was direkt die nächste Frage aufwirft. Wer möchte bei der nächsten FF wieder regelmäßig benachrichtigt werden, schreit bitte 'hier'! Oder besser, ihr sagt per Kommi, GB-Eintrag oder ENS Bescheid und ich notiere mir das dann. Das gleiche gilt auch für die Überarbeitungen. Da werde ich es so halten, erst die ganze FF zu überarbeiten und dann ein Kapitel pro Tag hochzuladen, so dass ich dem/-derjenigen dann zum ersten Kapitel schreiben würde und dann kann er es nach Wunsch verfolgen.
 

Puuh, das wäre genug der Vorbetrachtungen und Anmerkungen, der Epilog wartet. Ich wünsche euch noch einmal viel Spaß beim lesen, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch und für die jenigen, die wir uns erst bei der neuen FF wieder lesen sollten, ein erfolgreiches Jahr 2012. Dass euch die Maya mit ihrer Jahrtausendwende nicht verschlingen. ;pppp
 

Viele liebe Grüße,

Diracdet
 


 


 

Epilog: Zeitenwende
 

Ai bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu. Auch die anderen waren sprachlos, wenn auch mehr aus Verwunderung.

„Was... ist das?“, fragte schließlich Kazuha von der Seite. Unsicher griff sie in Richtung der Schachtel nach einer der kleinen Kapseln, die wie die Vitamintabletten ihrer Mutter aussahen. Erschrocken über die Hand, die sie peripher wahr nahm, zuckte das kleine Mädchen in die andere Richtung, während sie ihrerseits mit der Hand ausholte und Kazuha auf die Finger klopfte, wie eine Mutter, die ihrem unartigen Kind die Süßigkeiten verbieten wollte.

„Bist du wahnsinnig?!“, schrie sie aus, würgte damit eine ähnliche Reaktion der Osakerin ab.

„E-entschuldige...“ Dann fing sie sich wieder, fühlte sich trotz allen, worauf sie Heiji 'vorbereitet' hatte, seit dem Abend nach dem Ende des Künstlerfalles, etwas unwohl dabei, von einem kleinen Kind belehrt zu werden. Ja, kein kleines Kind, aber wer sie genau war, hatte er ihr auch nicht verraten, als sie ihn zur Rede gestellt hatte wegen der Beziehung Ran-Conan, die ihr so auffällig geworden war. Shinichi gab ihm, erstaunlicherweise, relativ unbesehen das OK dazu. Er brauchte Heiji, wie ihm aus seinen wieder kehrenden Erinnerungen deutlich wurde, in nächster Zeit intensiver, und Kazuha würden sie so leicht nicht los werden. Sie hatte ein zu wachsames Auge über Ran, und auch Conan wegen der Ereignisse um diesen Fall, als dass sie einfach ablassen würde.

So wusste sie nun ein wenig darüber, was Shinichi widerfahren war und wem er gegenüber stand. Nicht viel, und doch schon weit mehr als Conan eigentlich bereit war, preiszugeben. Nichts, das wirklich beruhigte, auch nicht im Vergleich zur Unwissenheit über seinen Verbleib, den Ran sonst immer eingestehen musste, aber doch irgendwie... ein Lichtblick.

„Entschuldige!“, wiederholte sie diesmal mehr störrisch.

„Aber was ist das, wollte ich nur wissen.“

„Gift.“, gab Conan ruhig zu Protokoll.

„Das Gift, welches mich geschrumpft hat.“

„... verjüngt...“, warf Ran nach einem Augenblick der Stille, in dem alle diese Aussage verarbeiteten, ein. Als Conan sie daraufhin verwundert anstarrte, wandte sie den Kopf nach unten, erklärte sich monoton, leicht hastig, hibbelig:

„Wenn ein Erwachsener schrumpft, hieße das, seine Proportionen blieben die gleichen, er würde also wie eine kleinere Version von sich aussehen. Kinder haben aber andere Proportionen, zum Beispiel, weil der Kopf dann schon nicht mehr wächst. Folglich würde ein geschrumpfter Mensch sofort als unnatürlich auffallen. Wenn man aber wie ein normales Kind aussieht, ist man stattdessen verjüngt.“

„... Mamoru?“

„Mhm...“, meinte sie nur, als wollte sie nun zu viel Worte vermeiden, die sie sie eben gebrauchte.

„Wer ist Mamoru?“, aber Ai würgte Heijis Anfrage kopfschüttelnd ab.

„Du hast... das ist eine Originalverpackung für das Apoptoxin, wie es in der Organisation rumgegeben wird. Das haben Les Soldats nicht hergestellt. Woher kommt diese Packung, Kudo?“

Erneut. Erneut mussten Ran und Kazuha irgendwie zusammen zucken, als Ai ihn ohne mit der Wimper zu zucken, Kudo nannte. Dass weder Heiji noch der Professor eine Reaktion zeigten, deutete an, dass sie es wohl so gewohnt war, wenn sich niemand 'unwissendes' in der Nähe befand.

„Die Frage hatte ich auch gestellt, aber es ist eigentlich ganz einfach. Woher wohl hatten sie sie, ohne dass die Organisation es mitbekam?“

Ai überlegte einen Moment, bevor sie es schockiert realisierte.

„Der Park damals?!“ Conan nickte mit ernstem Blick.

„Wodka hatte eine solche Dosis mit und die war verschwunden, als Herr Akai ihn durchsuchte.“

„Aber damals waren doch keine Soldats bei ihm... so weit wir wissen.“, meinte Ran, die sich an diesen Fall noch genau erinnerte. Der Fall, nach dem sie sich sicher war, Conan sei Shinichi und der sie letztlich in diese Lage brachte.

„Mireille Bouquet wollte es mir nicht verraten, aber rückblickend gab es schon eine Person, die noch vor Herrn Akai Wodka berührt hatte.“

Beide Frauen, die damals dabei waren, überlegten kurz, ließen dann ihre Kinnlade offen nach unten fallen.

„Nein, Shinichi, das kann nicht sein! Nicht sie, sie ist keine von diesen Soldats!“

„Es ist aber die einzige Option. Wenn man alles Unmögliche ausgeschlossen hat, ist das, was übrig bleibt, so unwahrscheinlich es klingt, die Wahrheit.

„Darf man mal fragen, wen ihr meint?“, hakte jetzt auch wieder Heiji nach.

„Inspektor Sato. Sie wollte Wodka zuerst verhaften, nachdem ihn Conan damals ausgeknockt hatte. Sie nahm ihm die Waffe noch ab und wollte ihm wohl Handschellen anlegen, als Shuichi Akai kam und die Verhaftung übernahm. Sie hätte Gelegenheit gehabt, wenn sie wusste, wonach sie suchte, das Gift zu entfernen. Aber, abgesehen davon, dass das vor Mireille Bouquet's Ankunft war, auch wenn sie schon auf dem Weg war... sie ist auch so eine so sehr idealistische Polizistin. Dass sie sich den Soldats unterwirft, wirkt irgendwie...“

„Unglaublich.“, meinte Ran, die sich allmählich wieder beruhigte und setzte. Schlimm genug, was sie bisher erfahren musste, was Conan aus seinen eigenen Erinnerungen und einer Besprechung mit Jodie im Nachhinein zu diesem Fall noch entnehmen konnte. Und was er womöglich verheimlichte...

Sie sah ihn kurz an, wandte sich wieder ab.

'Sonoko... ist eine von ihnen. Er meinte, sie wollte mir damals helfen, aber... dafür... Sonoko!' Angst umfing sie. Angst um ihre beste Freundin, die vermutlich viel zu viel für sie geopfert hatte von ihrem weiteren Leben, ohne es recht zu bedenken.

'Du hättest es nicht tun sollen!'

Er hatte, was sie nicht wusste, einige Details zu Vermouth ausgelassen, den Glauben aufrecht erhalten von der Tochter als 'Haupttäter' auszugehen. Dennoch, im Sinne der Argumentation, wie die Organisation Shinto durchschaute, und weil Ran es selber mitanhörte, wusste sie nun auch, dass selbst Sharon Vineyard – ihr Idol Sharon, der sie vor einem Jahr noch begegnete – einst bei dieser Organisation war!

'Aber... sie hat aufgehört. Das heißt, sie hatte noch etwas gutes in sich und wollte sich bessern. Sie ist nicht so böse. Aber ihre Tochter... deswegen wusste sie genau, wie übel die Typen waren, mit denen sie sich rumtrieb... arme Sharon.'
 

„Du hast also angenommen, Shinichi?“, sprach der Professor endlich die Frage aus, die alle beschäftigte.

„Eigentlich... nicht richtig...“

„Hä...?“

„Ich war, genau wie ihr, erstmal sprachlos, bin dann auf die Frage der Herkunft gekommen. Und dann... dann gingen sie einfach.“ Alles blickte ihn mit weiten Augen, steif wie Statuen an, verwirrt, wie er an dem Abend auch war.

Einmal tief durchatmend rekapitulierte Conan das Ende des Gesprächs.
 

Er war immer noch dabei, innerlich mit dem Gedanken, Inspektor Sato sei eine Soldats, klar zu kommen. Unsicher starrte er auf die Kapseln, die er so lange suchte. Die Sache war schon eindeutig: wenn er jemals eine Möglichkeit bekommen wollte, wieder normal zu werden, brauchte er das Gift. Er musste es seiner Entwicklerin zurück bringen, damit sie ein dauerhaftes – kein limitiertes – Mittel dagegen machen konnte. Und hier war es auf dem Silbertablett.

Aber... von Noir? Es war wie seine Frage von vornherein, durfte er einen Auftrag für Mörder annehmen, durfte er ihn ihnen verwehren, weil sie Mörder waren? Und er musste Mireille eines gegenüber eingestehen. Wenn es ein Lockmittel für ihn gab, so hatte sie es definitiv gefunden. Er suchte eine klare Argumentation dagegen oder dafür. Wenn er einen Grund hätte, es abzulehnen, würde er es tun, aber... änderte es in diesem Fall überhaupt irgendetwas? Sie blieb eine Mörderin, unabhängig davon, wie er sich entschied, die Organisation wurde dadurch nicht mehr oder weniger gefährlich und musste weiterhin notwendigerweise zerschlagen werden.

Ja, letztlich... hatte Sato auch nicht getötet, um an die Kapseln zu kommen, Caipirinha hatte Wodka im nachhinein erschossen. Es gab einfach kein treffendes Argument, zumindest kein rechtliches. da waren noch seine Ideale. Die allerdings sagten ihm auch, dass er Mördern nicht einfach so seine Dienste versagen konnte, so wie er auch nicht ihren Tod wollte.

Und doch... es war nicht nach seinem Geschmack, das als Bezahlung anzunehmen.
 

Mitten rein in diese Gedankenkette fuhr ihm Mireille mit einem schwachen Lächeln.

„Ich sehe schon, du brauchst längere Zeit, es dir zu überlegen. Wir gehen dann mal.“

„W-was??“ Aber Kirika war bereits an ihm vorbei geschritten, folgte Mireille in Richtung des Eingangs, von dem die Korsin kam.

„Wenn du dich entschieden hast, kannst du ja Bescheid sagen.“, meinte sie noch leicht ironisch.

„Halt mal, was ist mit den Kapseln... wenn ich nein sage?“ Eine Frage, die er innerlich verfluchte, aber er sprach sie mit fester Stimme aus. Er musste es wissen.

Mireille drehte sich nicht mal um, sondern winkte nur mit einem Arm ab.

„Was sollte ich mit diesem Gift anfangen? Das gehört nicht zu meinen Spezialitäten und Les Soldats könnten an das Gift jederzeit rankommen, wenn sie daran Interesse hätten.

Behalt's ruhig.“

„Ach ja...“, setzte sie nach einem Moment des Überlegens nochmal an.

„Folge uns bitte nicht, der Tag war auch für uns lang genug, wie für dich. Wir brauchen keine weiteren Spielchen mehr.“
 

„Das war's?“

„Mhm...“, nickte er ab.

„Also... ist es ein Geschenk, egal, ob du annimmst oder nicht?“ Er lächelte in sich hinein, senkte den Kopf etwas nach unten.

„Ja, so könnte man es sehen.“

„Du machst es trotzdem, oder, Shinichi?“, stellte Ran in seinem kaum wahrnehmbaren Blick fest.

„Hm... sie hatte vermutlich auf etwas ganz anderes spekuliert. Die Formulierung als Auftrag mit Bezahlung ist wohl eher so etwas wie eine offizielle Darstellung gegenüber den Soldats. Sie sagte ja, dass diese nicht unbedingt ein Zusammentreffen wünschten.

Sie hatte mich mit etwas anderem längst geködert.“

„Der Fall selbst!“ Es war Ran, die es sagte, aber Ai und Heiji ging der gleiche Gedanke durch den Kopf.

„Eine vollkommen ausradierte Vergangenheit hier irgendwo in Japan, ein Rätsel, dessen Protagonist zwar vorhanden ist, aber im Prinzip nichts drum herum, faktisch keine Hinweise, und der um eine Antwort bittet... ihr wisst, wie mich solche Probleme nicht loslassen.

Das wusste sie, ganz sicher. Ich würde diesen Fall aus eigener Neugier ohnehin bearbeiten. Und hätte ich eine Lösung, spräche vermutlich auch nichts dagegen, wenn ich sie Kirika verraten würde.“

„Verstehe. Damit ist es technisch mehr wie zwei unformelle Gesten, ein Geschenk von der einen Seite, ein paar Informationen von dir, aber nach außen wirkt's wie'n Geschäft. Diese Frau ist wirklich mit allen Wassern gewaschen, Kudo.“

Er schmunzelte verlegen.

„Klar, Hattori, das dachte ich mir auch schon, seit ich sie als Attentäterin sah. Aber auch jenseits dessen und selbst mit dem Namen Noir im Hinterkopf hört sie nicht auf, mich zu erstaunen...“

Er sah etwas unsicher zur Seite, fasste sich an den Kopf, der zwar seit zwei Tagen nicht mehr bandagiert war, aber noch mit einem öfters zu erneuernden Kühlpflaster behandelt werden musste.
 

„Also...“, setzte er an, als Ruhe eintrat, in Richtung Ai, die kurz stutzte.

„Was meinst du, Ai, wie lange brauchst du für das Gegengift?“

„Machst du es dir da nicht etwas zu einfach, Kudo?“, gab sie nur leicht pikiert zurück.

„Du wirst nie ein Wissenschaftler, für dich ist das alles Zauberei, die jeder mal schnell könnte, wenn er die richtigen Zutaten hat. Gib's zu!“

„N-nein... ich meine... du sagtest doch, mit dem Gift und dem, was du schon alles durch den Bai Ganr Schnaps herausgefunden hast...“

„Sicher... es ist möglich. Aber ich kann nicht einfach sagen, komm in einer Woche, Kudo!“ Sie fuhr sich über die müden Augen, rieb etwas daran starrte erneut auf die Kapseln.

„Ich muss erst wieder die genaue Zusammensetzung und chemische Struktur zurück verfolgen, dann die Wirkung, die das temporäre Gegenmittel auf diese Substanz, Beziehungsweise auf vom Gift zurück entwickelte Zellen hat, rekonstruieren und daraus dann mir überlegen, wie ein dauerhaftes Gegenmittel wirken müsste. Das müsste ich dann an sich erst entwickeln und schließlich wieder synthetisieren, um genug für dich herzustellen.

Wohl gemerkt, unter der Annahme, dass der Bai Ganr auch als Basis für ein dauerhaftes Gegengift taugt. In der Wissenschaft ist die Summe der naheliegendsten Schritte zum Ziel nicht immer der naheliegendste Weg.“

Er blickte sie tief an, ließ sie nicht aus den Augen. Er wollte eine Antwort, über deren Verbindlichkeit konnte man später reden. Ermüdet ließ sie den Kopf vor sich auf den Tisch fallen.

„Du bist unmöglich, Kudo. Gib mir bis Jahresende. Drei Monate... das sollte genügen, wenn es einigermaßen klappt.“

„Oh Danke, Ai!“ Nicht Conan fuhr vor Freude hoch, sondern die Person, die sie aus ihrer Position anhob und fest in die Arme schloss, sie sanft an sich drückte. Ran. Ai spürte, wie auf ihrer rechten Schulter, auf der Rans Kopf lastete, etwas Feuchtigkeit sich bemerkbar machte.

'Ran...' Schon wieder! Schon wieder diese Umarmung wie im Krankenhaus, als Conan mit der Amnesie erwachte. Was wusste sie damals über sie? Was wusste sie... von Shinichi? Seit diesem Abend und seit seine Erinnerungen so relativ schnell wieder kehrten, hatte sie viel Zeit mit ihm verbracht, sich vieles erklären lassen. Unter vier Augen. Nur sie beide. Niemand anderes wusste, was genau besprochen wurde hinter der verschlossenen Tür zu Rans Zimmer. Auch nicht Kogoro, den man immer mit 'Diskussionen über Conans Vergangenheit, um seine Erinnerungen wieder zurück zu erlangen', abgewimmelt hatte.

Einer der Gründe, weshalb auch Kazuha noch skeptischer wurde. Zu einem Problem, welches mit einem radikalen Schnitt behoben wurde.

'Irgendetwas in diesen Gesprächen... da muss etwas gewesen sein, von dem sie nicht wollen, dass wir es erfahren. Nur was? Und warum?'
 

„Moment, Shinichi!“, unterbrach der Professor mit einem Mal nachdenklich.

„Wenn du von diesen Frauen nur das Gift gekriegt hast, woher kommt dann das Buch?“ Alle sahen wieder auf, und blickten zum kleinen Jungen, der selbst kurz überlegte.

„Stimmt, '1984'! Du hast es ja auch am Sonnabend Abend mitgebracht.“

„Sie meinten doch, ich sollte so raus gehen, wie ich reingekommen war und ihnen nicht folgen. Da lag es am Eingang auf dem Boden. Ebenfalls eingepackt, dass es nicht schmutzig wurde. Vermutlich hatte Kirika es dort hingelegt, nachdem ich ankam und sich dann von hinten an mich ran geschlichen.“

„Und wozu soll das gut sein?“

„Wegen des Falles. Mireille Bouquet beschrieb die Fähigkeit der Soldats, Informationen aus der Welt zu radieren, wörtlich als 'orwellsch'. Also so wie in 1984, was von George Orwell stammt, in welchem durch konstante Neuformulierung der Geschichte die Wahrheit Stück für Stück entrückt wird. Ich denke, wenn ich eine Lücke in der Methodik der Soldats finden will, wäre dieses Buch ein guter Ansatz. Ich muss sie ja erstmal verstehen.“

„Und was ist mit deinem Eintrag?“ Agasa war mit dieser Antwort nicht wirklich zufrieden.

„Mein Eintrag? Oh, das... ach, das war doch nur ein kleines Gekritzel.“ Ai blickte ihn schief an.

„Gekritzel mit Kuli in einem Buch? Und dann nur ein einziges Wort, und dann noch so ein spezielles wie 'Gin'?“

Ran stockte kurz auf. Von dem 'Gekritzel' wusste sie noch nichts, aber bei dem Namen wurde sie dann doch hellhörig. Etwas, das sowohl Heiji als auch Ai auffiel.

„Der Absatz... er hatte mich halt an Gins verschlagene Art erinnert. Er arbeitet auch immer daran, die Wahrheit nach außen so hinzustellen, dass die Organisation nicht enttarnt wird, das ist alles.“

Er lächelte unsicher, was gleichbedeutend damit war, dass er log. Ai stieß übel der Magen auf in ihren Gedanken.

'Für so was bräuchtest du keine Notiz. Schon gar nicht so unauslöschlich und positioniert. Was kann so bedeutend an diesen Zeilen gewesen sein, dass du... eigentlich alle Vorsicht bei der Vertuschung deiner Aktion fallen gelassen hast? Irgendetwas stimmt hier doch ganz und gar nicht!'
 

„Und, Kudo?“, warf Heiji dann ein in die aufkommende, unangenehme Stille.

„Wann verrätst du's uns endlich?“

„Was verraten denn? Ich habe euch alles gesagt!“

„Ja ja, wer's glaubt, dass du mal alles ausspuckst.“ Ein Ausspruch, der bei aller Ironie auch deutlich machen sollte, dass Heiji sehr wohl wusste, dass es noch ein paar Ungereimtheiten in der Geschichte seines Kollegen und Freundes gab, die dieser auch erklären konnte, es aber aus welchen Gründen auch immer, nicht tat.

„Aber das meinte ich nicht. Du wusstest, dass das Gegengift nicht Morgen fertig sein würde. Gleichwohl kannst du als Conan scheinbar noch immer frei rumlaufen, während Shinichi Kudo definitiv Probleme hätte damit. Du wirst also in der Zeit, die unsere Wissenschaftlerin für das Gift aufwendet, versuchen müssen, der Organisation das Handwerk zu legen, oder nicht?“

Er sah ihn eine Weile erstaunt an, atmete dann aber resigniert aus.

„Manchmal vergesse ich wohl, wie gut du analysieren kannst, Hattori. Ja... ich habe mir schon ein Weile den Kopf zerbrochen, wie ich das anstelle.“ Er wandte sich um zu den anderen.

„Ich bin es als Detektiv gewöhnt zu reagieren. Verbrechen geschehen und ich kläre sie auf. Wenn ich sie im entstehen erkenne, versuche ich natürlich sie zu verhindern, aber das ist vergleichsweise selten der Fall. Aber von vornherein kann ich halt nicht die Menschen verurteilen, wenn sie noch nichts falsches getan haben.

Wie mir in diesem Fall aber, sowohl das FBI, als auch Noir noch einmal klar machten, funktioniert dieser Ansatz bei der Organisation nicht. Sie machen im Normalfall keine Fehler bei ihren Aktionen. Alles ist bis ins Detail ausgearbeitet. Man muss sie aus dieser Ruhezone raustreiben, sie zu ungewöhnlichen Aktionen zwingen, dann machen sie auch Fehler. Und genau das habe ich vor zu tun.“
 

„Du willst also nicht es Sherlock Holmes gleich tun und auf den Fehler warten, mit dem du sie überführst?“ Ein bitteres Lächeln ging durch Ais Lippen.

„Ist besser so. Solch einen Fehler begeht die Organisation nicht und auch bei Sherlock Holmes war es halt nur die Einbildung Arthur Conan Doyles. Es hat keine reale Bedeutung.“ Sie konnte grausam sein, wenn sie sich sicher fühlte. Aber diesmal schlug ihm ein so siegessicheres Lächeln von Conan entgegen, dass sie Angst vor ihm bekam.

„Was... hast du... hast du etwa einen solchen Fehler gefunden??“

In Schweigen gehüllt stand er auf, die bohrenden, leicht verstörten Blicke seiner Zuhörer ignorierend, ging zum benachbarten Tisch und holte eine Zeitung hervor, legte einen bestimmten Artikel auf den Tisch.

„Dort fange ich an.“ Ai zitterte kurz.

'Whisky!'

„Du willst dort... anfangen?“ Eine verwirrte Skepsis stand in Heijis Gesicht.

„Mhm... ja. Deswegen hatte ich auf deine Hilfe gehofft. Du hast da ja auch Zugang...“

Dann stand er wieder auf, ging, Heiji hinter sich her schleifend, los.

„Ach, Herr Professor? Sie wollte ich dazu auch noch etwas fragen.“
 

„Er lügt.“

„Auch schon gemerkt?“, meinte Ran, als sie sich die Kapseln, mit denen alles begann, noch einmal aus der Nähe ansah.

„Erstaunlich, nicht?“, bemerkte Ai nachdenklich von der Seite.

„So eine kleine Kapsel, und sie bringt mehr als ein Leben so durcheinander. Wäre es nicht gewesen... wäre... ich nicht gewesen...“

„Wäre Shinichi damals gestorben, Ai! Ich muss dir danken, dass deinetwegen sein Übermut ihn nicht getötet hat.“ Ran wollte gar nicht erst den Gedanken aufkommen lassen, dass Ai sich die Schuld dafür gab, was passiert war. Allerdings hatte sie sich damit verraten.

„Du weißt also, wer ich bin?“ Kazuha betrachtete die beiden Frauen, die einander undurchschaubare Blicke zuwarfen, lange. Es glich einem Schauspiel auf der Bühne, dem sie beiwohnte.

'Die beiden... ist da etwas?'

„Nicht genau. Jemand anderes, ein Soldats, wie sich heraus gestellt hat, hatte mir angedeutet, wer du wohl bist und Shinichi es bestätigt. Du hast als Wissenschaftlerin für die Organisation gearbeitet und das Gift entwickelt.“ Innerlich verkrampfte es in dem kleinen Mädchen.

'Shinichi, wie leichtfertig gibst du diese Informationen preis?'

„Aber ich kenne deinen richtigen Namen nicht. ...Weder deinen, noch den deiner Schwester.“

Erschrocken blickte Ai hoch in die traurigen Augen der Oberschülerin. Na toll, was sie ausgerechnet von ihr nie haben wollte: Mitleid.

„Du... du würdest ihn mir nicht zufällig verraten, oder?“ Einen Moment zögerte sie, winkte dann aber ab.

„Ai... Ai Haibara. Belassen wir es dabei. Manche Informationen... sollte man einfach nicht offen austeilen, egal, ob derjenige eingeweiht ist, oder nicht.“ Ran erstarrte zuerst ein wenig vor Enttäuschung. Dann fing sie sich wieder, und ließ sich in die Couch sinken.

„Schon gut... ist vielleicht... auch besser so. Ich habe heute schon genug Informationen aufgenommen.“

„Sonoko?“ Sie nickte stumm.

„Ran!“, rief sie Kazuha von der Seite in Trance an.

„Sie ist doch deine beste Freundin! Du kannst doch nicht...“

„Ich weiß, Kazuha. Sie bleibt auch meine beste Freundin. Aber... wie soll ich mich ihr gegenüber verhalten? Ich glaube sie hat... sich in furchtbare Gefahr begeben um mir zu helfen und nun... Ich habe Angst um sie. Und morgen werde ich ihr wie jeden Tag gegenüber treten. Soll ich etwa gute Miene zum bösen Spiel machen? Ich will ihr doch helfen!“

'Sie wusste es also noch nicht... richtig?' Unsicherheit überkam Ai. Vorhin, als Conan sie erwähnte, war sie ruhig geblieben, hatte nur verkrampft gelauscht. Danach dachte sie, die Rolle der Tochter des Suzuki-Chefs sei ihr bekannt gewesen. Aber die war es offenbar nicht. Oder?

'Was wird hier eigentlich gespielt, Kudo?'
 

„Sie hat sich nicht verändert.“ Es war, als konnte Ai ihre Zunge nicht im Zaum halten. Mag es der traurige Blick Rans gewesen sein, der sie dazu brachte, es auszusprechen, aber sie tat es... unwillentlich. Sie sprang von ihrem Platz auf und starrte energisch dem Mädchen vor sich in die Augen.

„Wie... nicht verändert?“

„Du verwechselst Les Soldats mit der Organisation, hinter der Shinichi her jagt. Sie holen sich keine... Mitarbeiter, die dann zu Mördern werden und ihr Leben dafür umkrempeln.

Les Soldats holen sich... Optionen. Du hast es doch gehört, der Polizist, der den Eingang überwachte und vermutlich ein anderer, der Noir die Waffen zugeschoben hat. Es sind trotzdem ernsthafte Polizisten... sie ändern sich nicht.

Und genauso wenig ändert sich Sonoko. Gemessen an dem, was sie schon alles getan hat, hat sie vielleicht ihren Zweck erfüllt und wird nie wieder von ihnen belästigt. Aber ungeachtet dessen, Ran, sie wird... dich brauchen. Oder nicht?“

„Sie... braucht mich?“ Eine Weile blickten sich beide erneut an, wobei Ai die Information suchte, die sie erhoffte.

„Mhm... ja... du hast recht, sie braucht mich.“

'Es war also eine Lüge. Aber wieso?'

„Na bitte. Also solltest du morgen ihr normal gegenüber treten und die Freundin sein, die Sonoko benötigt.“ Damit nahm sie die Schachtel mit den Apoptoxin-Kapseln und verschwand in Richtung Labor.

„Ich muss mich wohl mal um... Weihnachtsgeschenke kümmern.“

Ran sah ihr schweigend, mit zusammen gekniffenen Augen hinterher, während Kazuha ihre Hand von der Seite drückte.
 

Dass es an jenem einen Tag noch einmal Sonne gab, war glücklich getroffen. So saßen beide auf der Außenterrasse des Restaurants, Mireille mit einem Tee und einem Stück Kuchen, der Mann ihr gegenüber mit steifem Blick in seinen schwarzen Kaffee starrend.

„Warum hast du gelogen, Mireille?“

„Was genau meinst du...“ Sie sah ihn bei der Wortwahl lange an, zögerte noch.

„...Korn.“

„Kir.“

„Ihr hättet eine Riesensuche veranstaltet, wenn ich gesagt hätte, sie wäre noch am Leben. Sie war halt meinen Plänen etwas im Weg. Aber eine fähige Person muss man nicht einfach eliminieren.“

„Aber Scotch und Chianti habt ihr erledigt.“

„Sie waren am falschen Ort zur falschen Zeit. Da konnte man nichts machen. Allerdings hatten wir auch in Gin und dich mehr Vertrauen, als in die beiden.“

„Trotzdem ungewöhnlich für eine Attentäterin wie dich, so... zu selektieren. Kir hätte dich immerhin sehen können.“

„Versucht doch, uns zu nahe zu kommen, wenn's euch stört.“

„Wir werden uns hüten. Allerdings hat der Boss gemeint, ihr würdet uns auch nicht mehr in die Quere kommen. Warum nicht?“

„Wir haben unsere eigenen Pläne. Kommt uns nicht in die Quere, dann werden wir euch nicht vernichten. C'est la vie.“ Sie trank ruhig einen Schluck Tee, genoss ihn eine Weile.

„Du hättest doch den Tee nehmen sollen, der ist ausgezeichnet.“

„Was ist mit dem Detektiv? Ihr habt zwei Häuser kontrolliert, aber bei Chianti war jemand, der Kanins Stimme nachgemacht hatte und wenn man den Aussagen der Söldner glauben darf, kannte er Vermouth... ziemlich gut sogar.“ Sie schwenkte die Flüssigkeit in der Tasse hin und her, zog fast hypnotisch präzise Kreisbahnen mit dem gespreizten Finger.

„Mhm... ja, das war er, der Detektiv.“

„Er weiß also über sie Bescheid?“

Unweigerlich musste sie lachen.

„Was ist so komisch?“

„Deine Befurchtung, er könnte 'etwas' über 'ein Mitglied' wissen.

Nein, Korn. Dieser Detektiv weiß mittlerweile mehr über die Organisation als die meisten ihrer Mitglieder, mein lieber. Und wirklich helfen mussten wir ihm dabei auch nicht. Er wird... euer Untergang sein.“

„Überschätzt du ihn da nicht? Es gab viele gute Leute, die sich an uns die Zähne ausgebissen haben.“

„Deswegen schmunzele ich. Ihr habt... keine Ahnung, was euch erwartet. Einen letzten kleinen Hinweis, einen Schupser in die richtige Richtung, habe ich ihm noch gegeben. Das wird genügen.“

„Für was?“ Sie antwortete nicht, nahm noch ein Stück Kuchen mit der Gabel und aß gemütlich weiter.
 

„Etwas passt nicht ins Bild.“, begann Korn schließlich als er merkte, dass er nichts mehr von ihr hören würde.

„Inwiefern war Chianti am falschen Ort zur falschen Zeit?“

„Das musst du alleine heraus finden.“

„Das mit Kir hatte mich auf den Gedanken gebracht, den ich auch schon hatte, weil ihr uns aus der Falle am Ende raus geholt habt. Du wolltest dem Detektiv... gefallen. Wolltest du etwas von ihm?“

„Vielleicht. Wie gesagt, unsere eigenen Pläne.“

„Dann kann man bei Scotch vielleicht noch von einem tragischen Missgeschick reden, das FBI und die Polizei anwesend und alles, aber Chianti war alleine auf der Flucht und ohne Waffe. Der Detektiv womöglich ihr auf den Fersen. Warum habt ihr sie erschossen? Das kann nicht im Interesse dieses Detektivs gewesen sein.“

„Du bist doppelt so lange wie ich im Geschäft, Korn. Du kennst alle Tricks und Kniffe, auch wenn du mittlerweile zu alt sein dürftest, um sie zur Perfektion auszuführen. Und du kennst alle Motive, warum ein Schütze seine Waffe benutzt.

Sag du mir die Antwort.“

„Das ist es ja, es gibt kein Motiv aus deiner Sicht.“

„Dann hast du die Antwort gefunden. Und nun, lebe wohl. Und viel Glück, du wirst es von nun an gebrauchen können.“

Damit legte sie ein paar Scheine für das Essen auf den Tisch, wandte sich ab und ließ einen verwirrten Agenten alleine am Tisch zurück.

'Ja... dann habe ich die Antwort wohl... es kommen ungemütliche Zeiten auf die Organisation zu.'
 

Fortsetzung folgt...



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Von:  Bluehearts
2016-08-03T14:48:04+00:00 03.08.2016 16:48
Hallo Diracdet,

super Geschichte/ FF bis hier hin, ich habe jetzt bis hier hin die ganze Reihe durch gelesen und fand sie bis hier hin super. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung. Schreibe mir bitte eine ENS, wenn der nächste Teil Online geht.

LG Bluehearts!
Von:  Shelling__Ford
2013-10-15T14:28:20+00:00 15.10.2013 16:28
Hi Diracdet,

Dann wollen wir mal in die letzte Runde gehen ;D

Nun Korns gedanken sind nicht ganz abwegig... irgendwie arbeitet Conan ja in der Tat mit Noir zusammen... auch wenn ich nicht glaube das ihn das gleich skupellos macht... auch wenn der Gedanke irgendwie bitter aufstöst das muss ich zugeben.

Dieses kleine hin und her zwischen Korn und Mireille hat mir auch sehr gut gefallen, schön gemacht mit ihrem Scheinbaren dessintresse und dem Spiegel ;D
Intresannt... sie sind also da um in diesem Fall die Organisation vor den Söldnern zu warnen... dennoch bezweifle ich das es alles ist was Noir da zu suchen hat.

Gut das Shinto der Sohn von Kainin war, war ja eigentlich klar, dennoch bin ich gespannt wie sich diese Doppelte Falle jetzt weiter entwickelt und was es mit dem kleinen auf sich hat, nur gut das ich gleich weiterlesen kann ^__^

Ha! wusst ich doch das Rena nicht Tod ist, dafür hast du dich viel zu sehr um dieses Thema gewunden ;P
Aber das Sonoko mit den Soldates zu schaffen hat bekomm ich noch immer nicht ganz in den Kopf ^^, sie ist einfach schwer so vorzustellen *lach*

Mhm... also steckt nun Conan hinter Kanin... ich frag mich nur was oder wen sie für seine Siluette benutzen. Aber ein wirklich verzwickter und ausgeklügelter Plan das muss ich schon zugeben... alles rund um die Frima und Shinto... der kleine brauch wohl mal ne gute Lektion von den Detektiv Boys um mal wieder zu sich zukommen ^^,

Ran das war sooooo klar sie musste ja auftauchen und wortwirtlich die Sache in die Hand nehmen ^^,
Böööse Schlussfolgerrung Chianti... ganz böse. Und ausgerechnet Noir funkten indirekt dazwischen... und müssen das Chaos wohl dann auch wieder beseitigen.. das is ja wirklich schön schief gelaufen, und man muss es wohl irgendwo so sagen das es Rans Schuld ist.

'Es mag richtig sein, dass Liebe Menschen töten kann. Aber Hass kann niemals Menschen retten.'
Is das aus Noir? Schön jedenfalls ^-^ und natürlich auch passen zu Conan.

Oookay... also Noir hat sich ein wenig erklärt, auch mir jetzt und es ist jetzt auch durchaus verständlich, ich dachte mir schon das es auf einen derartigen gefallen hinaus laufen würde... auch wenn ich zugegeben nen wenig Angst habe das in den nächsten Storys noch mehr Noir dann im Vordergrund steht, nichts gegen deinen Cross, aber ich bin nu eben doch nen eingefleischter Conan fan ^^,

Ahh jetzt bin ich wieder drin, ich hatte mich erst gewundert was der Zeitsprung auf einmal soll, aber das mit seinen Kopfbandagen hat mich wieder in die Spur gebracht. Was in dem Päckchen ist war allerdings vorraus zu sehen *gg*

Da hat er ja jetzt ganz schön was vor sich der gute Shinichi, ich bin gespannt wie er das Anstellen will... die Organisation Stürzen und so wie aussieht auch noch das Geheimnis um eine Noir aufdekcen. Tja... mal sehen ob der gute das Gegengift dann noch je brauch bzw. nehmen kann. Ran scheint das ja alles recht gut zu verkraften, gut Sonoko vielleicht nicht aber das wäre auch geklärt. Was mir immenoch irgendwie mehr Magenschmerzen macht ist Sato... ich bin mir recht sicher das du mit ihr auch noch was vor hast. Auch wenn mir ihre Rolle so auch schon gut gefallen hat, darauf wäre ich nie gekomen das geb ich zu.

Ich bin gespannt wies weiter geht! Auch wenn ich eher auf einen höheren Conan Anteil hoffe das kann ich wohl nicht Leugnen.

Viel Erfolg noch beim schreiben der Vortsetzung ^^

Ganz liebe Grüße,
deine Shelling__Ford




Von:  Shelling__Ford
2013-10-15T12:59:06+00:00 15.10.2013 14:59
Hallöchen Diracdet,

also auf zur nächsten Runde.

Jetzt steht Ran also wirklich auf ihrer Abschussliste, und ausgerechnet Gin ist es der Chianti klar macht das sie nicht zu unterschätzen ist, bisher ist ja noch mal alles gut gegangen Dank Conan aber ausgestanden ist die Sache ja noch nicht.

Das Akai nen wenig Neugirig ist bezüglich den Soldates is mehr als verständlich finde ich, manchmal wundere ich mich selbst das Conan nicht mehr Fragen an die beiden hat, auf der anderen Seite würde er sie wohl onehin nicht beantwortet bekommen.

Die Idee den Schützen so indirekt die sicht zu nehmen find ich ziemlich gut ^.^ auch wenn da ja ganz schön Power hinter stecken muss um nen ganzen Baum zum Wackeln zu bekommen. Auf jedenfall sehr Originell und nen wenig verwirrend für die Organisation *lach* denn Fussbalspielen haben sie Akai wohl auch noch nicht gesehen (auch wenn ich zugegeben nen wenig dran zweifel das ihm dieser Schuh in igrend einer art und weise passen könnte ^^, )

Die Begegnung mit Noir hast du wie ich finde sowohl aus Conans als auch aus Akais sicht sehr gut beschrieben, man konnte sich gut in die beiden hinein versetzten.

Tja soviel dazu... bisher scheint eigentlich nichts zu laufen wie geplant kann das sein? Die Organisation hat das Problem das sie einfach kein Schussfeld bekommt, Akai kann nicht raus und Noir muss auch noch eingreifen. Ich muss sagen das hast du echt geschikt eingefädelt. Obwohl ich ja mal schwer davon ausgehe das der Paln des Jungen doch irgendwo nen Hacken hat, wenn du es schon so expiziet erwähnt hast von wegen was "normale Menschen" machen können.

Also ich muss gestehen diesen Kanin verstehe ich noch nicht ganz, Black wusste was er sagen musste um ihn zu beruhigen bzw. ihm Vertauen abzuluchsen, da ist aber doch noch mehr dahinter..

Ich muss gestehen das sie da Ran nicht gleich umgebracht haben wundert mich dann doch ein wenig... ich mein sie hat sie ja offensichtlich gesehen und kann als Zeugin aussagen, zwar nicht genau wer und wie aber dennoch eigentlich eine Gefahr für die Organisation. Auch wenn mir der Streit zwischen Shinto und ihr sehr gut gefallen hat. Ha! Tränen *grins* ich dachte mir fast das du ihn so "Auffliegen" lässt, eben doch nur nen Kind ;D nen kleiner Junge dem kommen in so Situationen eben schon mal die Tränen.
Ahh also ist Ran doch zum Abschuss frei, hätte mich auch gewundert wenn nicht.

Das is natürlich fies... gleichzeitig zu schießen... aber ich habe mir schon gedacht das Akai da Noir anstiften wird zu helfen, hat ja auch geklappt bisher... allerdings wars das ja auch noch nicht, nicht zu letzt hat Korn ja auch noch seine Waffe...

Das Gespräch zwischen ihm und Mireille war auch intressant... auch wenn ich gestehen muss mehr verwirrend als aufschlussreich ^^, für meinen Geschmack war Korn da auch nen wenig zu gesprächig, so kenn man ihn sonst gar nicht. Aber offensichtlich haben die ja eine gemeinsame Vergangenheit.

Das Shinichi sich dagegen aufgelgt einfach einen Mord hinzunehmen oder gar zu wählen wer sterben soll und wer nicht hat mehr sehr gut gefallen. Allerdings war auch hier das gespräch von ihm und Mireille nur teilweise aufschlussreich, zwischendurch dachte ich sogar mal sie wären eigentlich schon am ende des Gespräches angekommen ^^, es war für mich persönlich schwer den beiden zu folgen das muss ich wohl zugeben.

Ich bin jedenfalls gespannt wie Shinichi das noch verhindern will!

Bis demnächst,
Liebe Grüße Shelling__Ford


Von:  Shelling__Ford
2013-10-11T15:20:36+00:00 11.10.2013 17:20
Hey Diracdet,

Auf zur nächsten Runde ^^

Das du Ran erkennen lässt wie die Situation für Shinichi in letzter Zeit war hat mir sehr gut gefallen. Denn es ist doch wirklich so, auch wenn er es nicht zeigt das er unter einer Enormen anspannung steht, jeden Moment könnte ihnen einer auf die Schliche kommen und alles wäre aus und vorbei. Da die Scharade des fröhlichen Grundschülers weiter aufrecht zu erhalten ist wohl mehr als ansträngend.

Ran wird langsam wirklich gefährlich kann das sein? Ich meine jetzt nicht unbedingt für die Organisation aber immer mehr für sich selbst. Ich mein natürlich ist es von ihr zu erwarten das sie Hilft und nicht länger von der Seite aus zu schaut, aber ob das wirklich so gut ist wage ich momentan ein wenig zu bezweifeln.
Und der kleine als Firmenchef *lach* irgendwie hab ich das ja Geahnt ;D

Ein Wald? Ich mein die Idee so dem Scharfschützen zu etgehen ist vielleicht ja nicht verkehrt, aber ist die Organisation ja auch schon drauf gekommen. Aber mal ganz blöd gefragt, meist du einen Wald-Wald oder nur ein Wäldchen in irgendnem Park?

Die Sache mit Scotch ist natürlich sehr geschickt... auch wenn ich gestehen muss das ich nicht ganz nachvollziehen kann warum sie anders sein soll als alle anderen Mörder, sie ist gut natürlich... aber dennoch.... wahrscheinlich fehlt mir da einfach der Sinn für Noir. Ihr Motiv aber hatte ich mir schon gedacht ^.^ das es einfach nur darum geht das FBI los zu werden um die nicht auch noch in der Quere zu haben.

Tja... das nennt man wohl Pech... genau das was Shinichi die ganze Zeit versucht hat, nämlich Ran aus allem raus zu halten is nu in die Hose gegangen ums mal salopp zu sagen. Sie haben sie gesehen und nun im Vesier, da holt er sie so leicht nicht wieder raus.
Das allerdings Akai nichts von dem APTX weiß wundert mich schon... irgendwie hätte ich ihm zugetraut das er es rausbekommt, zumindest grob irgendwie...

Shinichis Gedanken haste finde ich sehr schön beschrieben, ganz klar das er sich jetzt die Schuld gibt, ich glaube das ist wirklich das Schlimmste was passieren kann, eben das Ran in den Blick der Organisation gerät, von da an sind alle Optionen offen die dieses Horrozenario für ihn nur noch erweitern. Ich weiß womit du mit Sonoko darauf raus wolltest... die jedoch in seinem "Tagtraum" erscheinen zu lassen war für meinen Geschmack ein wenig zu viel. Aber es ist eben auch manches einfach nur Geschmackssache ;D
Auch wenn es ja stimmt, wenn sie nicht wüssten das es Ran ist hätte sie noch eine Chance, aber wenn ich mich nicht irre hatte doch nicht zu letzt Gin sie Identifiziert oder?

Mhm... okay... also nu läuft die Organisation in eine Falle? Na da bin ich ja mal gespannt... es wird wirklich immer verzwickter das muss ich zugeben.
Auch wenns mir irgendwie gefällt das sie wegen Noir ins schwitzen gerät, auch wenn ich immer wieder raus komme wieso Noir beide Seiten im Vesier hat, um die Balance zu wahren schön und gut, dennoch scheint mir das alles sehr abstakt.

Man O.o Shiratori dreht ja voll auf... da bin ich aber gespannt was du für ihn jetzt noch vorgesehen hast. Ahh so er weiß über die Soldates bescheid... kein wunder das er die richtigen Schlussfolgerrungen ziehen kann.

Ach ja... vielleicht noch eins in dem Kapitel (14) waren vielleicht nen paar sehr viele Sprünge, auch einige die sich auf das Vorherige beziehen, war vielleicht ein wenig verwirrend ab und an ^^, aber das nur mal so formell.

Blöde frage... aber auf die Idee das Feuerwerk einfach Abzublasen kommt niemand? Ich mein das würde es wohl erheblich schwerer machen unbemerkt zu schießen...wenn man es überhaupt noch so nennen kann nachdem sogar die Polizei einigermaßen weis was sache ist. *lach* aber Kogoro is gut, so nah dran an der Warheit die einfach zu irre ist als das man es glauben kann ;D

Ahh aber mit dem letzten Satz machste mich natürlich sehr neugrig ^.^ wer damit wohl gemein sein könnte!

Bis zu den nächsten 5 ! Ganz liebe Grüße, deine Shelling__Ford


Von:  Shelling__Ford
2013-10-09T15:35:32+00:00 09.10.2013 17:35
Hey Diracdet,

also das ist jetzt schon sehr Gruselig! Ich war grade am Kommi schreiben als deines Reingeflattert kommt dabei wollt ich noch vor dir Kommentiert haben T//T Egal nu is es so...

Ich hoff es is Okay wenn ich nach jedem fünften Kapp nen Kommentar schreib (bei der nächsten gibts natürlich auf jedes wieder eines) aber anders passts glaub ich Zeitlich einfach nicht und eins am Ende ist ja beinahe Unmöglich *lach*

Also hier Kapitel 6 bis 10

Sieht ganz so aus als würde Noir sogar das FBI nervös machen wenn man sich Black da so anhört. Und der Ist ja eigentlich nicht ganz unerfahren wenn es um Kriminelle geht, dennoch da rät er seinen Mitarbeitern dannn doch zur Vorsicht... wohl nicht ganz ohne Grund. Was mich ein wenig Überrascht hat muss ich gestehen war der Redeanteil von Akai... irgednwie hatte ich ihn weniger Gesprächig im Kopf, aber wahrscheinlich ist das auch eher wenn noch wer anders dabei ist als wenn er nur unter seinesgleichen ist.

Aber ein Junge wie Conan? Jetzt bin ich ja mal gespannt und Gin lekt doch glatt die Aufmerksamkeit seiner Leute auf Mori und nicht zu letzt auch Conan, zumindest erwähnt er ihn. Die Tatsache das Conan bei Kid ziemlich präsent ist und dann aber bei den Morden im Hintergund bleibt ist in der Tat verdächtig. Was mich alleridngs gewundert hat ist das Gin ihn gerne "Kennenlernen" würde... ich weiß ja noch nicht wie du dir das genau gedacht hast, aber das er einfach so auf den Knirps zu geht kann ich mir eigentlich eher schwer vorstellen, grade wenn man bedenkt das sie sich eigentlich Versteckt halten wollen... na ich bin jedenfalls mal gespannt!

Ahhh es passt Mireille also nicht wirklich das dieser Junge jetzt bei Ran ist? Wohl weil sie weis das die Org. es auf ihn abgesehen hat und sie Ran lieber in Sicherheit weiß, schließlich will sie ja etwas ganz bestimmtes von Shinichi, soviel is mir wohl klar bisher, da ist es wichtig das alles um ihn herum erst einmal intakt bleibt.

*lach* Ran ist echt hartneckig und bringt damit alle in helle Aufregung ^^, wenn die wüsste.

Na das is ja Super ^^, jetzt ist die Polizei auch noch zusätzlich abgelenkt vom FBI ( ich nehm mal an zu der Zeit wo du die FF geschrieben hast kannten die beien Parteien sich noch nicht als solche?) Auf jedenfall wissen die jetzt das da etwas größeres auf sie wartet als nur die verschwundene Reporterin.

Ahh also war es wohl Kirika die da ein Auge auf Chianti geworfen hatte und kein Freundliches wohl... ob sie wohl einschreiet wenn es wirklich ernst wird? Bisher haben wir sie ja noch nicht wirklich in Aktion geshene.

Jetzt bin ich allerdings verwirrt... das Sharon ihre Eltern bei einem Feuer verloren hat is das ne Tatsache? Oder von dir erdacht? Nicht das ich da was im Manga vergessen hab. Jedenfalls finde ichs echt intressant das hinter dem Bran damals noch mehr stecken soll! Wer weis... vielleicht ist dem wirklich so.

Aber erst mal wieder zu dem kleinen.... das er wie Conan ist kann ich irgendwie noch nicht ganz glauben... dann wären sie Ai und ihm schon lang auf die Schliche gekommen, vielleicht einfach nur ein super Intelligentes Kind. In jedmfall weiß es aber drum und auch das er besser den Mund halten sollte und nicht noch weiter in der Öffentlichkeit hervor stechen sollte.... DAS wiederrum erinnert natürlich wieder an Conan ;D nicht zu letzt ist sein Verhalten ja auch ein Grund warum Ran nicht los lässt. Den kleinen Vortag den sie ihm da hält finde ich echt schön, besonders wenn man bedenkt für wen der eigentlich gedacht wäre ^^, wenn ich das mal so sagen darf. Und als Bedingung dafür das sie bleiben darf will er was über Conan wissen... ich bin ja mal wirklich gespannt was es mit dem Kleinen auf sich hat.

Möp. Also noch bin ich jetzt nich allzu viel schlauer, (auch wenn mir das hin und her zwischen Black und Conan gut gefallen hat ^-^) aber ich hätte nun wirklich gerne gewusst was mit Joides Eltern ist, bzw. was es wirklich damit auf sich hatte.

Also Black weiß definitiv mehr als er preis geben will... auch wenn es ja schon seltsam ist zu sehen wie er um das Leben seiner Agens bittet...

Insgesammt jagt mir diese ganze Noir geschichte immer noch einen Schauer über den Rücken. Auch wenn ich ebenso gestehen muss das es es für mich manchmal ein wenig schwer macht dem ganzen zu folgen, deine Story ist ja eh schon sehr Komplex, wenn man sich da mit einem Part nicht auskennt ist es glaub ich nicht ganz so einfach eigene Vermutungen an zu stellen.

Der Schuss von Kirika war allerdings schon sehr cool! Eine Warnung an Chianti auch wenn die ja absichtlich daben geschossen hat so geht sie doch auf Nummer sicher und lässt die Organisation dann auch gleich wissen mit wem sie es zu tun haben... denn offensichtlich ist es ja nicht ihre erste Begegnung wenn sie direkt Schlussfolgern können wer zu dieser Übermenschlichen Tat im stande ist.

Ich bin jedenfalls sehr gespannt ^.^

Bis demnächst,
LG
Shelling__Ford
Von:  inori_chan
2013-07-06T14:13:18+00:00 06.07.2013 16:13
Dieser Teil und das Ende waren echt spannend und interessant^^
Ich bin froh, dass ich diese FF jetzt erst lese, sonst müsste ich noch ein ganzes Jahr auf die Fortsetzung warten :)
Wäre nett, wenn du mich benachrichtigen könntest, wenn es weiter geht, ich freu mich schon :D
LG inori_chan^^
Von:  R3I
2012-01-03T13:23:10+00:00 03.01.2012 14:23
Geniales Ende einer genialen FF!
Aber es macht mich schon etwas traurig zu hören, dass es erst 2013 weiter gehen soll! Ein Jahr warten? Und wenn man nach den Maya's geht, wirds nie ein Jahr 2013 geben. Wir werden also nie erfahren wie Kirikas richtiger Name lautet! :( ^^
Müssen wir wirklich so lange ausharren oder gibt es doch noch eine Möglichkeit das wir im Verlauf des Jahres eine ENS erhalten mit der Neuigkeit das es doch schon früher weiter geht? Ich hoffe darauf und ich würde mich freuen eine ENS zu bekommen, egal wann es weiter geht! ;)
Bis dahin
Grüße R3I

PS: Ich wünsche noch ein Gesundes Neues Jahr!
Von:  ConanKudo
2011-12-27T15:00:13+00:00 27.12.2011 16:00
HI.
Es ist wie ich hoffte.
Ein super Spannenedes Ende dieses Teilabschnitts deiner FF.
Ich bin echt Neugierig wie es weiter gehen wird und vor allem wann.
Aber keine Sorge ich kann warten.
Fällt mir bei derer FF zwar schwehr aber es geht.
Wür dmich freuen wenn du mich kurz benachrichtigst wenn es dann weiter geht. Aber das ha ich dir ja auch schon mal gesagt.
Also auf bald und dann hoffentlich wieder mit einem ganu so spannenden Teil 8 des Crossovers.
Ich bin auf jedenfall wieder dabei.
Bis dann
Deine ConanKudo/Ramona
Von:  fahnm
2011-12-23T00:00:48+00:00 23.12.2011 01:00
Also doch.
Ich wusste es.
Der Epilog war Klasse.
Leider wirft er wieder Fragen auf die meine Neugier wecken.
Ich bin schon sehr auf den Nächsten Teil gespannt.^^
Von:  Diclonius01
2011-12-22T23:28:59+00:00 23.12.2011 00:28
Es war also doch das APTX!
Schöner Epilog und schöne Überleitung zu nächsten!

Ich freu mich schon auf den nächsten Teil! :D

Grüße,
Diclonius01


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