Blutige Begegnungen von Diracdet (Teil 7 des Detektiv Conan-Noir Crossovers) ================================================================================ Prolog: Der Brief ----------------- Hallo an alle Lesenden, viel gibt es – nach der Kurzbeschreibung auf der Übersichtsseite dieser FF – nicht zu sagen. Ab dem nächsten Mal wird es dann aber auch gleich so richtig losgehen. ;) Also viel Spaß beim Lesen und bis in zwei Wochen. LG, Diracdet Blutige Begegnungen 'Der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.' George Bernard Shaw Prolog: Der Brief Die Dunkelheit legte sich langsam über die östliche Hauptstadt Japans. Während im Zentrum das künstliche Licht den Auftrag der Sonne übernahm, konnte in den Wohngebieten und Vororten Tokios keine Straßenlaterne darüber hinweg trügen, dass Helios' Flammenkugel gerade die andere Seite der Welt erhellte. Und nichts konnte den kleinen Jungen hinter dem großen Fenster, ebenso wie alle Leute, die unten noch vorbeiliefen, darüber hinweg täuschen, dass es Herbst wurde. 'Es wird wieder deutlich früher dunkel.' So sehr man noch die Tage genießen konnte, kurzärmelig dahin schlendern, ein leckeres Eis in der Stadt zu sich nehmen oder am Wochenende den Strand unsicher machen konnte... es war irgendwie auch kühler geworden. Was heiße Sommerabende waren, wurden warme Abende, laue Nächte. Es war die Zeit, die den meisten Menschen genau dafür am geeignetsten schien: genießen. Genießen, was war und nun zu Ende ging. Bis die unbarmherzige Zeit das wieder entriss, was einem wohlig gefiel. Genießen. Conan konnte es nicht. Ihm war im Moment überhaupt nicht nach genießen, egal welches Wetter er draußen vorfand. Seufzend wandte er sich vom Anblick der Straße ab und starrte in die schummrige Einrichtung des Schlafzimmers, welches er sich für gewöhnlich mit Kogoro teilte. Diesmal nicht, denn der Meisterdetektiv hatte sich für den Abend empfohlen und war dann lachend zum Mahjong verschwunden. Ihm merkte man auch nicht an, dass er zwei Tage zuvor bei einem großen Fall beinahe seine Tochter durch einen verrückten Industriellen verloren hätte. Erneut seufzte er, wenn auch etwas mehr melancholisch als deprimiert, mehr optimistisch, ohne völlig überzeugt zu wirken. Er war nun allein, in seinem kleinen 'Refugium der Ruhe', welches nicht wirklich eines war. Denn auch hier würde, früher oder später, öfter denn seltener, sie vorbei kommen und mal sauber machen müssen. Ran. Sie hatte tatsächlich ein solches Refugium, ihr eigenes Zimmer, in das quasi niemand ohne ihre Erlaubnis durfte, und das insbesondere nur für sie gedacht war. Wie so viele Familien in Japan, hatte auch hier der Nachwuchs, der künftige Stolz der Eltern diesen Luxus als einziges für sich in Anspruch nehmen dürfen, eine Räumlichkeit ganz für sich allein zu haben. Davon konnte er nur träumen, auch wenn dieser Traum bis vor nicht allzu langer Zeit real war... als er ein ganzes Haus für sich alleine hatte, eine Villa, sollte man wohl eher sagen. Und nun... hatte er den Körper eines Kindes, wie auch die einem Kind zustehenden Besitztümer. Eigentlich auch das nicht, schließlich war er nur Gast und musste dafür auch schon dankbar sein. Müde lächelnd schüttelte er den Kopf. Worüber machte er sich gerade wieder Gedanken, das hatte er doch alles abgehakt bereits! Es war Teil seines Lebens geworden, einige hinzunehmende Nachteile für eine Unachtsamkeit als Hobbydetektiv. Andere in seinem Berufsfeld hatten an solchen Fauxpas deutlich schwerer zu tragen... oder eben gar nicht mehr. 'Ran...' Wieder wurde ihm klar, warum er so nachdenklich vor dem Fenster stand und nach draußen gestarrt hatte. Wegen den Ereignissen der letzten Tage, wegen der Schifffahrt auf der Ocean Goddess. Remy Brefford, ein Chef der Soldats, für den das Wort Geheimnis auf dieser Welt offenbar nicht existierte, hatte ihm einen winzigen Blick, einen Spalt in Alices Kaninchenloch auf die Geschehnisse derselbigen gewährt. Auf die Mächte die sind, 'the Powers that be' , wie man sagt. Vermouth... sie hatte ihm verraten, was ihm in der Kette zu Mireille Bouquet und Kirika Yuumura fehlte, der tiefere Beweggrund, dass sie so 'besonders' waren. Noir... der Sensenmann in Menschengestalt, der leibhaftige Gevatter Tod, vor dem sich jeder, der den Namen je hörte, fürchtete. Ai wusste das vermutlich. So ergab es zumindest einen Sinn, dass sie zwar freigiebig über Les Soldats erzählte, aber bei den beiden irgendwie verschlossen blieb. Kein Wunder, das war noch mal... was ganz anderes... 'Und Sonoko... Sonoko Suzuki, eine Soldats?!' Er musste sich den Satz mehrmals im Kopf vorsprechen, um ihn zu realisieren. Sie war zu denen übergelaufen. Sie wusste über ihn Bescheid, über seine Identität, seine Methoden, sein... Motiv. War das ernst gemeint, dass sie letztlich nur deswegen Ran nichts sagte, weil sie wusste, warum er es nicht tat? Weil er um genau das fürchtete, was Ran tun würde, wenn sie es wüsste. Wozu sie in der Lage war in so einem Fall. Sonoko war die einzige Person, der er wirklich zutraute, diese Option bei Ran genau so einzuschätzen, wie er. Sie kannte Ran so gut wie er, besser als ihre Eltern, vielleicht... vielleicht sogar etwas besser als er selbst. Manche Eigenheiten einer Frau... kann halt auch nur eine andere Frau verstehen. So gesehen, eine sehr gut kalkulierte Wahl, wen Noir damals ansprach. Aber das war Ran immerhin alles unbekannt. Noch. 'Immerhin... tse. Wem spiele ich da was vor, außer mir selbst?', kam es zynisch aus seinem Unterbewusstsein. Diese ganze Schifffahrt hatte ihn eines lehren sollen. Es gibt kein immerhin mehr in Ran's Fall. Sie wusste Bescheid. Sie wusste von der Organisation, sie wusste von der Bedeutung Chris Vineyards, auch wenn sie, so hoffte er zumindest, sie scheinbar noch nicht richtig enttarnte. Noch war Sharon Vineyard tot für sie. Es war eigentlich nicht vorstellbar, dass sie immer noch aufrecht gestanden hätte, als er im Schiffsmuseum eintraf, wenn sie das zu dem Zeitpunkt auch nur ahnte. Es hätte sie stärker getroffen. Realistischer schien es, dass sie meinte, Chris sei tatsächlich die Enttäuschung in Sharons Leben, von der Letztere damals in New York sprach, gerade weil sie der Organisation beigetreten war, wovon Sharon dann vermutlich wusste. Mit dieser Interpretation beruhigte er sich zunächst. Vor allem aber..., was ihn am meisten verunsicherte, zeigte Ran genau das, was er befürchtete. Wozu sie fähig war, wenn es um etwas betreffend Shinichi Kudo ging. Sie hatte ein Diktiergerät versteckt bei sich. 'Eines, wegen dem ich noch mächtig Ärger habe. Danke, Sonoko!' Er schüttelte sich. Nicht dauernd ablenken lassen! Auch wenn es ihm übel aufstieß zu wissen, dass Rans Blick, wenn sie ihn seitdem ansah, immer etwas funkelndes, anschuldigendes hatte. Normalerweise verflog so was schnell bei ihr, aber in diesem Fall war es wohl, gerade weil er es war und wegen der Position des Diktiergerätes... 'Waah... nicht dran denken, nicht dran denken!' Er fokussierte sich angestrengt auf den eigentlichen Aspekt. Sie wollte Informationen beschaffen, ohne eine wirkliche Idee, wie, offenbar, und ihm diese zuspielen. Sie hatte Sonoko, als die ihr zu aufdringlich wurde, mit einem Karateschlag niedergestreckt. Ihre beste Freundin! Sicher, als Meisterin ihres Kalibers verletzte es Sonoko nicht... aber dennoch. Außerdem hatte sie eine offizielle Absperrung durchbrochen, um eine potentielle Mörderin im Alleingang zu stellen. Unwissend, unmerkend, dass sie jemand anderem damit direkt in die Falle lief. 'Verdammt!' Als er das Knirschen seiner Zähne hörte, gab er etwas dem Zorn nach und öffnete den Mund etwas weiter. „Du hast wohl Recht, Sonoko.“ Zögerlich und ungewöhnlich leise klang sein Stimmchen durch das Dunkel des Zimmers. Er wollte zwar nicht gehört werden, aber es erschrak ihn doch, wie erstickt es wirkte. Wie resignierend, aufgebend vielleicht? Sie hatte ihm recht gegeben, dass es besser wäre Ran nicht einzuweihen, weil sie sonst Dummheiten begehen würde. Das Problem war, sie war so weit bereits eingeweiht, von sich aus, dass sie nun schon Dummheiten beging, und eigentlich noch größere, weil sie eben nur die Hälfte kannte. Halbwahrheiten konnten gefährlicher sein, als die ganze Geschichte. Und nun... nun sollte er es ihr erklären. Sonoko hatte ihn tatsächlich damit erpresst. Sie würde es sonst tun, und zwar so, dass es kein 'Happy End' für sie und ihn geben würde. Und auch da musste er ihr recht geben. Wenn er es ihr nicht sagte, obwohl es nun besser für sie wäre, dann ging es nicht länger um ihre und seine Sicherheit, sondern um irgendeinen persönlichen Stolz, um die Angst davor, einen Fehler zuzugeben. So eine Person hatte Ran einfach nicht verdient und Sonoko würde ihr vermutlich das Herz brechen... aber sie würde sie retten. Das perfide, was Conan immer wieder übel aufstieß, er erwischte sich dabei, wie er ihr in dieser Argumentation nicht nur recht gab, sondern deswegen auch dazu tendierte, sie aufzugeben. Es Sonoko zu überlassen, zwischen die beiden einen Keil zu treiben, den er vielleicht vor langer Zeit selber hätte setzen sollen. Oder war das nicht auch einfach nur Feigheit davor, mit der Wahrheit herauszurücken? Immer wieder, schon früher, aber erst recht die letzten beiden Tage, wenn sie ihn so drohend ansah, Rechenschaft fordernd für einen Fehlgriff, im wahrsten Sinne des Wortes, der ihm eigentlich nicht anzulasten war, da rang er mit sich, ob er es nicht einfach sagen sollte. Und ließ dann doch wieder ab. Alle diese Informationen, Meinungen und Zwänge prasselten seit Mittwoch auf seinen Kopf ein und ließen ihm wenig Luft zum Nachdenken. Nachdenken über etwas anderes. Über den Fall. Den Fall der Organisation. Das Gespräch mit Vermouth hatte ihm eigentlich weit mehr Informationen gebracht, als er erwartet hatte. Abzuwarten blieb nur, ob sich nun alles so fügen würde, wie er vermutete. Und über den Fall... Noir. Er griff langsam an die Brustinnentasche seines Sackos. Direkt an der Brust hatte er ihn ständig bei sich. Den ominösen Brief von Noir. Wie gesagt, man wusste nie, wann Ran kam, sauber machte und womöglich den unbeschrifteten Umschlag fand und öffnete oder einfach auf den Schreibtisch ihres Vaters packte, überzeugt, es sei von einem Klienten. Was noch schlimmer wäre, konnte und wollte er sich nicht ausmalen. Aber merkwürdig war es schon. Es war Freitag Abend, er seit zweieinhalb Tagen wieder zurück von der Schifffahrt und im Besitz des Briefes – und er war immer noch ungeöffnet. Allein die Tatsache, dass er von Noir war, flößte ihm gegenüber dem Stück Papier ungemeinen Respekt ein. Beängstigend direkt. Allmählich wurde es nun immer drängender. Womöglich hatte er bereits viel zu viel Zeit verstreichen lassen, und der Inhalt war bereits veraltet. Hoffte er womöglich innerlich darauf, einfach, um einen kleinen Teil der vielen verteilten Lasten ablegen zu können? Es wäre beruhigender als die mit der Furcht vor dem Sensenmann in Person einer Französisch-Lehrerin. Langsam ging er zur kleinen Nachttischleuchte, setzte sich auf Kogoros Bett, machte es sich hell und öffnete behutsam den Umschlag, in dem sich ein einziger, handbeschriebener Zettel befand. Eine beeindruckend filigrane und verschnörkelte Handschrift, als sei die Schreiberin – dass es eine Frau war, schien ihm untrüglich und er erwartete ja auch den Brief einer Dame – aus einer anderen Zeit entsprungen und nur hierher gekommen, um dieses Schriftstück aufzusetzen. „Sehr geehrter Meisterdetektiv Shinichi Kudo, ...“ Hier stockte er schon. Déjà-vu? Das kam ihm irgendwie so bekannt vor. Ein Brief, der an Conan Edogawa zugestellt wurde, aber gerichtet war an Shinichi Kudo. Und zwar von einer blonden Mörderin aus einem anderen Land... Die Symmetrien waren schon erschreckend. Ironisch, wenn man bedachte, wie verängstigt Vermouth war, als sie hörte, dass die 'Jungfrauen mit den schwarzen Händen' in Japan wären. Conan blickte verunsichert zur Seite. 'Scheinbar, nur scheinbar, reden wir von ähnlichen Verhältnissen. Real aber ist Noir... ein ganz anderes Level.' Er schluckte einmal kurz, hob den Zettel wieder an und begann zu lesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)