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Never Been Kissed

Reita X Ruki, die Highschool & die verdammten Hormone.
von

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Every single day

Tadaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!

~Ich bin nicht geeignet für gute Disclaimer, aber es ist ja klar, dass sich jeder bei Gazette, SuG und den ganzen anderen selber gehört & ich damit sicher kein Geld verdienen kann XD

Die Story ist zum Anfang aus der Glee-Folge genommen & modifiziert, aber dannach ist alles aus meinem eigenen kranken Hirn entsprungen. *nicknick*

Und jetzt viel Spaß. :'D

Hoffentlich.
 

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Prolog – Every single day
 

Das erste, was ich morgens höre ist das Klingeln meines Weckers. Die meisten würden dann erwarten, dass ich knurrend die Hand auf das Teil schlage um mich dann noch mal umzudrehen, aber das hab ich eigentlich noch nie gemacht.

Sobald der Wecker klingelt, bin ich wach. Und meine Mutter hat in der Küche schon das Frühstück hergerichtet, also ist das schon mal ein guter Grund, überhaupt aufzustehen und mich von neuem dem schrecklichen Alltag zu stellen. Meine Mama kann ausgesprochen gut Frühstück machen. Für mehr reicht’s dann aber nicht. Sie ist wirklich eine der schlechtesten Köchinnen der Welt. Wenn ich mein Frühstück hinter mich gebracht habe, schleiche ich am Schlafzimmer vorbei, in dem mein Vater noch schläft, und führe die allmorgendliche Prozedur im Bad durch – Zähne putzen, Gesicht waschen, Haare kämmen. Wirklich nichts Spannendes. In den meisten Fällen höre ich dann, wie mein Papa aus dem Schlafzimmer getapst kommt, während die elektrische Zahnbürste in meinem Mund steckt und die Plaque entfernt. Nach dem Bad gehe ich wieder zurück in mein Zimmer und normal werfe ich dann diese unsagbar hässliche Uniform meiner Schule an.

Aber das ist heute zum Glück anders.

Heute ist uns erlaubt, in normalen Klamotten zu kommen. Ich weiß nicht genau, warum und vielleicht will ich es auch gar nicht wissen. Manchmal muss man Dinge hinnehmen und nicht hinterfragen. Mit dem Prinzip fahre ich manchmal ganz schön gut.

Mein Zimmer ist ziemlich klein und besteht praktisch nur aus einem Bett und einem Kleiderständer, auf den ich es irgendwie schaffe, alle meine Klamotten zu ‚verstauen‘ – und ich habe viele davon. Ich bin wie ein Mädchen. Ich brauche Klamotten um zu überleben. Wenn ich etwas sehe, muss ich es einfach haben! Ja, man könnte mich als Fashion Victim bezeichnen. Aber ich stehe dazu.
 

Nachdem ich mein Outfit für den Tag ausgesucht habe, schnappe ich meine Schultasche, die es sich immer in der gleichen Ecke meines Zimmers gemütlich macht, rufe noch ein „Auf Wiedersehen!“ ins Esszimmer und verschwinde dann ins Treppenhaus. Zur nächsten U-Bahnstation ist es von dem Haus, in dem ich wohne nicht allzu weit und die Fahrt zu meiner Schule dauert zum Glück auch nur zwanzig Minuten. Wenn ich aus der U-Bahn aussteige und den letzten Weg zur Schule laufe, kreuze ich die Wege meiner Freunde aus der Klasse und wir fangen an, über das ganze Zeug zu reden, über das Teenager in unserem Alter reden. Es ist nichts, was irgendwie anders bei uns wäre.

Eigentlich führe ich wirklich ein normales Leben, das schon fast langweilig in den Augen anderer erscheinen müsste.
 

„Hast du die Hausaufgaben für Mathe gemacht?“, fragt Kai, mein bester Freund, während wir zu unseren Spinten laufen.

„Ja, und sogar verstanden!“, gebe ich stolz zurück.

„Oooh du Streber!“

Ich überhöre Kais Kommentar und sage stattdessen:

„Du darfst abschreiben. Wenn du mir was von deinem Essen abgibst.“

Kai stöhnt genervt auf. Ich bin ein elender Schnorrer, weil ich zu faul bin, mir selber Essen zu machen. Meine Mutter lass ich das lieber nicht machen, die setzt sonst die Küche in Brand. Als ich meine Bücher im Spint zusammensuche, gibt er aber nach. Ich kenn ihn ja. Mir und meinem Charme kann man nicht widerstehen!

„Du solltest langsam lernen, dich mal selber zu versorgen“, sagt Kai, während ich die Tür zuschlage.

„Könnte ich, aber da müsste ich morgens ja noch früher aufstehen!“

Ich finde, das ist ein gutes Argument. Ich brauche meinen Schönheitsschlaf. Wenn ich nicht mindestens sieben Stunden in meinem Bett im Tiefschlaf befinde, dann bin ich am nächsten Tag wirklich unausstehlich. Und das will Kai ja auch nicht, schließlich kriegt er meine Laune dann am meisten ab.

„Dann müsstest du einfach zehn Minuten früher ins Bett gehen!“

Auch noch das. Mein armer Bio-Rhythmus!

„Ich könnte auch einfach weiterhin die Mathehausaufgaben machen und im Gegenzug dafür einfach was von deinem Bento bekommen“, sage ich und lächele Kai dann versöhnlich an.

Es war schon immer so, dass er der rational Denkende von uns war. Kai ist nicht unbedingt der spontanste Typ, dafür findet er für jedes Problem (außer in Mathe) auch eine Lösung. Und schlau ist er auch noch. Wirklich, neben ihm fühle ich mich dumm (außer in Mathe, da sind die Rollen komischerweise vertauscht). Kai und ich kennen uns seit der Grundschule und sind seit dem auch beste Freunde. Wir haben alles durch. Alles, was so eine tiefgehende Freundschaft eben ausmacht. In der Grundschule hatten wir die Lehrerin, die uns Lesen und Schreiben beigebracht hat, die wir abgöttisch liebten und verehrten. Unseren Nachbarn haben wir gern Streiche gespielt, als wir acht Jahre alt waren und haben deswegen oft Hausarrest bekommen, was wir natürlich immer ignoriert haben. Wir haben mit zwölf die ersten Pornos geguckt (natürlich verbotenerweise, wenn meine Eltern nicht da waren) und waren danach so verstört, dass man eigentlich echt Angst haben müsste, wir hätten danach nie wieder ein Sexualleben gehabt oder mit 14 die erste Zigarette geraucht und sind fast an einem Hustenanfall gestorben. Meine Güte. Was waren wir für schreckliche Kinder.

Aber ich schätze heute sind wir auch nicht besser. Kai ist der Vernünftigere von uns, was auch ganz gut ist, sonst würde ich wohl noch in Tod und Verderben rennen.

Also auch das ist so ziemlich normal in meinem Leben. Ich bin ein stinknormaler Teenager aus Tokyo, besuche eine ganz normale Schule und habe (ganz normal) einen besten Freund, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht.
 

Wir biegen um die Ecke zum Biosaal. Ich hasse Biologie, im Übrigen. Als wir den Gang entlang laufen, kommt er uns entgegen. Kai flüstert ganz schnell: „Weiterlaufen. Und nicht anschauen!“

Leichter gesagt, als getan.

Er kommt näher.

Und er sieht mich.

Er läuft auf uns zu und ich versuche, ihm irgendwie auszuweichen.

Ganz normal, wie jeder Teenager, der seine Mitschüler aus der Parallelklasse nicht kennt. Den Kerl? Ne, den kenn ich nicht, und er mich auch ni…

„Pass auf, wo du hinrennst, du Schwuchtel!“

Und wieder, wie jeden Morgen, stößt Akira im Vorbeigehen in meine Seite. Und wie jeden Morgen lande ich aufgrund der Tatsache, dass dieser Kerl viel stärker ist als ich, auf dem Boden, wahlweise drückt er mich auch ganz klassisch in Gangster-Manier gegen den Spint und warnt mich, sich ihm nicht zu nähern.

„Pass DU doch auf, wo DU hinläufst!“

Kai funkelt Akira böse an, der ihn aber gar nicht bemerkt, mir, der auf dem Boden liegt, einen abschätzenden Blick zuwirft und dann in den Schülermengen verschwindet. Kai zieht mich nach oben und ich klopfe mir den imaginären Staub von meiner neuen Jacke. Ganz so als ob es den Schmerz irgendwie verschwinden lassen würde.

„Wirklich, dieser Mistkerl!“, brabbelt Kai in seinen nicht vorhandenen Bart und ich schultere wieder meine Tasche.

Letztes Mal (also gestern) sind mir meine ganzen Bücher über den Gang geflogen bei seiner Attacke. Ich hab dazu gelernt – ich mach meine Tasche jetzt immer zu, wenn ich durch die Gänge laufe.
 

Das ist der Punkt, an dem mir jeden Tag schmerzlich bewusst wird, dass mein Leben vielleicht nicht ganz so normal ist wie das vom regulären 0-8-15-Teenager.

Vielleicht waren es die schlechten Pornos, die Kai und ich mit zwölf geschaut haben, aber ich finde absolut nichts an Frauen. Ich bin schlichtweg schwul. Schwuler als es Amsterdam, Einhörner und die Gummibärenbande je sein könnten.

Und Akira, dieser ‚Mistkerl‘, wie Kai ihn gern nennt, geht in meine Parallelklasse. Und er hat anscheinend ein megagroßes Problem mit dieser klitzekleinen Unebenheit in meinem ach so perfekt-langweiligen Leben. Er hasst mich. Und lässt es mich jeden Morgen von neuem spüren.

Ich weiß nicht genau, was ihn dazu veranlasst hat.

Aber ich habe das Gefühl, dass sein Leben einzig und allein daraus besteht, mir mein eigenes schwer zu machen. Es ist nicht mal der Fakt, dass er mich nicht mag – ich meine, das kommt im Leben vor und es muss mich echt nicht jeder mögen. Es ist der Fakt, dass er mich auf etwas reduziert und mich dafür bestraft, dass ich keine Frauen liebe. Er gibt sich nicht mal die Mühe, mich wirklich kennen zu lernen und sich dann zu entscheiden, ob er mich hassen kann.

Und das verletzt mich fast noch mehr als die blauen Flecken, die ich manchmal bei meiner Bekanntschaft mit den Spinten oder dem Boden bekomme.
 

Als Kai und ich unsere Plätze in Biologie einnehmen, ist der Schmerz von meinem Sturz wieder vergangen. Trotzdem hat Akira es wieder geschafft, meine eigentlich gute Laune gen Nullpunkt fliegen zu lassen.

„Du musst ihm einfach mal die Meinung sagen“, sagt Hana, die hinter uns sitzt und Kais Gezetere natürlich sofort richtig gedeutet hat.

Meine Klasse scheint kein Problem mit mir zu haben. Nicht mal die Jungs. Als ich lautstark verkündet habe, keiner von ihnen würde in mein Beuteschema passen, war die Sache wieder cool und sie konnten sich wieder unbeschwert mit mir zusammen im Umkleideraum für Sport umziehen.

„Sag ihm, dass du nicht auf ihn stehst, dann lässt er dich bestimmt in Ruhe!“, kommt auch sofort der Kommentar von Yuuto.

Könnte ich wirklich. Aber wenn ich auch nur in die Nähe von Akira komme, sorgt er dafür, dass ich wieder schmerzhaft auf Abstand gehe. Gott bewahre was passieren würde, wenn ich auch nur ein Wort an ihn richten würde, geschweige denn ganze SÄTZE. Kai könnte mich wahrscheinlich in einer Plastiktüte nach Hause tragen und meine Mutter könnte höchstens noch Gulasch aus den Überresten meiner selbst kochen. Wenn sie es könnte, natürlich.

Es ist einfach eine Sache, für die ich absolut keine Lösung finde. Denn was die anderen nicht wissen ist, dass Akira eigentlich – und es fällt mir schwer, das zuzugeben – sehr wohl in mein Beuteschema passt und meiner Meinung nach sogar einer der gutaussehendsten Kerle an der ganzen Schule, beziehungsweise der ganzen Stadt, ist.

Ich bin wohl sogar noch ein kleines bisschen masochistisch veranlagt, sonst würde ich sowas nicht sagen.

Nein. Mein Leben ist nicht perfekt und langweilig. Obwohl ich manchmal wünschte, es wäre so.
 

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Ich interessiere mich brennend für Meinungen! XD

I'll let my walls come down

HOLA!

~ uhu, da sind viele Favoriten & und auch Kommentare. :D

Find ich gut, dass die FF hier auch Anklang findet *.*
 

ja, da ich wieder gelangweilt bin, gibt's halt wieder ein Kapitel xD
 

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Kapitel 1 – I’ll let my walls come down.
 

Heute ist nicht mein Tag. Das sagt mir mein kaputter Regenschirm, der mir keinen Schutz vor dem niederprasselnden Regen gibt, meine Haare, die durch die Nässe in einem katastrophalen Zustand sind und mein Kopfweh, das mich seit ich einen Fuß aus dem Bett gesetzt habe, begleitet.

An solchen Tagen müsste man zu Hause bleiben und im Bett die Welt mal ohne einen weiterlaufen lassen. Aber ich unglaublich pflichtbewusster Schüler habe natürlich die Warnungen meiner Mutter ignoriert und bin trotz Nässe, Kälte und schlechter Laune losgezogen.

Jetzt sitze ich in Geschichte und höre mir zum gefühlten tausendsten Mal die Story von den Amerikanern an, die ihre Atombombe über Hiroshima abgeworfen haben und ganz viel Leid über unser Volk gebracht haben. Und in meinem Kopf scheint gerade auch eine Atombombe zu explodieren. Ich hasse mich für mein Streberdasein.

„Geh doch einfach heim, man!“, wispert Kai hinter seinem Geschichtsbuch hervor, während unser Lehrer, der kurz vor der Pension steht und mich immer ein bisschen an Muten Roshi aus Dragonball (ja, ich bin ein typischer japanischer Junge mit einem unglaublichen Mangakonsum, der meine Eltern in den Wahnsinn treibt. Pikachu ist mein Held. Und im Übrigen, Itachi ist sexy. Amen!) erinnert, seinen berühmt-berüchtigten Vortrag darüber hält, was die Atombombe so alles unserem armen Land angetan hat. Was die Atombombe aber meinem Kopf antut, das find ich noch viel schlimmer!

„Nein. Jetzt hab ich mich schon hier hin geschleppt!“, sage ich und merke, wie ich aggressiv werde, weil Kai nur die Augen verdreht und den Kopf schüttelt.

Schnauze, ich weiß selber, was ich kann und was nicht! Und ich mein, ich hab nachher noch die wichtigen Fächer, wenn man da einmal fehlt, kann man die nächste Woche damit verbringen, den Stoff nachzuholen. Und danke, darauf hab ich beim besten Willen keine Lust und auch gar keine Zeit!

„Das hilft dir aber auch nicht weiter. Geh wenigstens ins Krankenzimmer.“

„Nein, danke.“

„Du bist UNMÖGLICH!“

„Lass mich!“

Unsere kleine Auseinandersetzung bleibt zum Glück unbemerkt und schon läutet die Schulglocke, die sonst so angenehm in meinen Ohren klingt. Jetzt sorgt sie nur für eine weitere Detonation.

„Wirklich, Taka-san, du solltest zur Krankenschwester!“, mischt sich jetzt Hana schon wieder ein.

Wer hat der eigentlich gesagt, die soll ihre Meinung sagen? Immer, jedes verdammte Mal, gibt sie ihre Meinung ab, die kein Mensch braucht!

„Boar, lasst mich doch!“, fauche ich Kai und Hana an und schultere meine Tasche.

„Wir wollen dir ja nur helfen!“, schnappt Hana zurück, Kai hat die Hände in die Hosentasche gesteckt und versucht diplomatisch nichts zu sagen, aber sein Blick spricht Bände.

Er gibt Hana Recht und fällt seinem besten Freund damit praktisch in den Rücken. Verräter! Elender, feiger Verräter!

„Ja, schön. Danke. Brauch ich nicht!“, entgegne ich und verschwinde aus dem Klassenzimmer.

Der Gang zu meinem Spint ist die Hölle. Jeder Schritt verursacht ein schmerzliches Pochen, fast so, als würde jemand mit dem Vorschlaghammer gegen die Innenseite meiner Schädeldecke schlagen. Und die Schüler, die um mich rumwuseln, kichern und laut durch die Gänge brüllen, als wären sie im Stadion, machen das natürlich gleich viel besser. Noch fünf Meter. Dann habe ich es geschafft. Zumindest die erste Etappe. Mein Spint!

„Hab ich dir nicht gesagt, du sollst aufpassen, wo du hinläufst?!“

Obligatorisch bekomme ich den Ellenbogen in den Rücken, den ich nur zu gut kenne. Obligatorisch werfe ich Akira einen Blick zu, der nur wieder obligatorisch einen angeekelten Blick auf mich wirft, während ich versuche, nicht vor Schmerz loszujaulen. Klar, der hatte mir für meinen perfekten Scheißtag natürlich gefehlt!

„Pass du doch auf, wo du hinläufst!“, schnauze ich zurück.

Ich habe es leise gesagt, aber anscheinend hat der Kerl neben den gut ausgeprägten Oberarmen auch noch gute Ohren. Er war schon fast im Gehen, da dreht er sich noch mal um.

„Hast du mit mir geredet, Süßer?“

Das Wort ‚Süßer‘ spuckt er aus, als wäre es widerwärtig. Damit zeigt er mir, wie er mich findet. Ich verfalle in Schweigen und mein Kopf fühlt sich an, als wäre der nächste Weltkrieg ausgebrochen. Es brüllt, es pocht, es kratzt, alles, was irgendwie Schmerzen bereitet, hat sich zwischen Hirn und Schädel versammelt, um eine riesengroße Party zu feiern. Und jetzt kommt auch noch dieser behinderte, homophobe Mistkerl auf mich zu, packt meinen Blazer und drückt mich so gegen die Wand, dass die feiernden Parteien dort oben neuen Schwung in die Bude bekommen. Trotzdem sage ich nichts. Ich bin wie ein Samurai, ich kenne keinen Schmerz! Hoffe ich zumindest…

„Dann hab ich mich wohl verhört, oder?“

Nein, ich lass das unkommentiert. Der Klügere gibt nach. Mein Niveau ist doch viel höher als sein Nivea jemals sein wird! Mein Schweigen deutet er als ein Nein.

„Was für ein Glück für dich, dass ich mich wohl verhört habe, sonst würdest du wohlmöglich nicht mal mehr über den Tisch gucken können.“

Damit lässt er mich los und verschwindet in den Umkleideraum. Wahrscheinlich hat er jetzt Sport oder so.

Dieser.

Dieser!

Okay, das war’s. Aus! Schluss! Ich beende das! Eine Welle der Wut überrollt mich und trotz der Schmerzen, die mich gerade übermannen wollen, setze ich Akira nach und rufe sogar, so laut, dass einige Schüler, die ein paar Stufen unter mir sind, zusammenzucken:

„HEY!“

Akira scheint nichts zu hören und verschwindet im Umkleideraum. Okay. Da bleibt nur eins. Ich hau dem Kerl jetzt ordentlich in die Fresse, auch wenn ich danach mein Testament schreiben kann. Ich bin immer noch ein MENSCH mit WÜRDE! Genug ist genug!

Die Tür stoße ich so fest auf, dass ich selber von mir ein bisschen erschreckt bin. Wow, was Adrenalin mit meinem schmächtigen Körper anstellt! Akira schaut überrascht auf. Zum Glück ist er allein. Das erspart mir den sicheren Tod, wenn seine Klassenkameraden noch hier wären.

„Der Umkleideraum der Mädchen ist gegenüber, du musst dich in der Tür geirrt haben“, sagt er nur trocken und öffnet seine Schultasche, aus der er seine Sportklamotten holt.

Alles, was er tut, scheint mich zu verhöhnen. Egal, ob er mich mit Gleichgültigkeit, wie jetzt behandelt, beschimpft, demütigt oder schlägt. Alles, was er tut ist dafür da, mich in den Dreck zu ziehen.

„WAS genau ist eigentlich dein Problem?!“, keife ich und meine Schultasche landet neben mir auf dem Boden.

Akira knöpft sein Hemd auf und enthüllt eine Reihe wohldefinierter Bauchmuskeln. Nein. Das beeindruckt mich nicht. Pah!

Er scheint keine Anstalten zu machen, mir antworten zu wollen. Also noch mal, deutlicher:

„HALLO?! Ich REDE mit dir, du Arschloch!“

„Ich rede aber nicht mit dir!“, ist die Antwort, was mich noch wütender macht.

Ich gehe ein paar Schritte auf ihn zu. Er ist immer noch halbnackt, als würde er das mit Absicht machen und drauf warten, dass ich ihm ein Kompliment dafür gebe.

„Hör zu, weil ich wiederhol mich ungern, besonders, wenn ich mit solchen ignoranten und homophoben Vollidioten mit dir reden muss!“

„Bitte?!“, spuckt er mir schon entgegen und ich stehe jetzt so nah, dass er mich spielend leicht mit einem einzigen leichten Stoß gen Boden befördern könnte.

Die Hammer, Bohrer, Atombomben und Abrissbirnen feiern mittlerweile einen Siegeszug quer durch mein Hirn, aber ich ignoriere das so gut es geht.

„Du hast schon richtig gehört. Und du hörst besser noch genauer hin! Es besteht nämlich kein Grund für dich, Angst vor mir zu haben! Lass es mich einmal klar und deutlich ausdrücken, für dich: Du bist NICHT mein Typ!“

„Achso?“

Seine rechte Augenbraue, die der Sack sich bestimmt heimlich zupft, schnellt nach oben und selbst das führt er mit einer unglaublichen Menge an Verachtung für mich aus. Ich hasse diesen Wichser!

„Ich stehe nicht auf falsches Blond, schiefe Zähne und eine behinderte Stupsnase, wenn’s dich interessiert!“

Ich weiß nicht genau, was ich sage, denn alles scheint wie durch Watte zu sein, aber Akiras Gesichtszüge entgleisen komplett und er hebt seine Faust, die er mir drohend unter die Nase hält.

„Vorsicht, was du da sagst, sonst verarbeite ich deine Nase zu was ganz Anderem, Takanori!“

„Du willst mich schlagen? Gut, dann tu’s doch! Aber lass dir eins gesagt sein – egal, wie oft du auf mich einschlägst, es wird nichts daran ändern, wer und was ich bin!“

Ich fühle mich mutiger, als ich eigentlich bin, definitiv. Und es wird mich wohl sogar meinen Kopf kosten, denn Akiras Gesicht hat mittlerweile einen gefährlichen Rotton angenommen und seine Augen sehen noch gemeiner aus, als sie es sonst auch tun.

„Pass auf, was – du – sagst!“, würgt er hinter seinen zusammengebissenen Zähnen hervor und seine Faust ist nur noch Millimeter von meinem Gesicht entfernt.

„Tu’s endlich, du kannst die blöde Schwuchtel sowieso nie aus mir herausprügeln, genauso wenig wie ich die Intoleranz aus dir heraus….“

Meine Worte gehen unter. Während ich gesprochen habe, hat sich seine Faust bedrohlich gehoben und eigentlich hätte ich erwartet, dass mich diese binnen einer Sekunde zum Schweigen bringen wird. Stattdessen sind es seine Lippen, die sich an meine pressen und seine Hände, die sich in meinen Nacken gelegt haben und mir jede Fluchtmöglichkeit nehmen.

WAS

ZUR

HÖLLE?!

So schnell, wie das ganze angefangen hat, so schnell hört es auf. Akiras Augen, jetzt riesengroß und geschockt, fixieren mich, während er mich mit eben genau denselben Händen, die mich an ihn gedrückt haben, auf Abstand hält. Mir klappt die Kinnlade runter und ich vergesse zu atmen.

Hat er mich gerade – GEKÜSST?!

Er selber scheint auch ganz davon überrascht zu sein. Für eine Sekunde wirkt er ganz verzweifelt und dann schuckt er mich gegen die Spinte, die die Schüler für ihre Wertsachen zur Verfügung haben.

„So eine verdammte SCHEISSE!“, brüllt er dann, kickt seine Schultasche in eine Ecke und schnappt sich ein Hemd, das er sich dann eilig anzieht.

Kurz darauf, ohne sich noch mal umzudrehen, ist er verschwunden.

Mir tut alles weh.

Mein Kopf.

Mein Rücken.

Meine Lippen brennen.

Komplett fertig mit mir und der Welt rutsche ich an den Spinten auf den Boden und wünsche mir, die Welt möge sich auftun und mich verschlingen. Oh Gott, ich hätte wirklich im Bett bleiben sollen! Es herrscht Stille, die meinem Kopf nach dem Geschrei gut tut. Hier bleibe ich. Bis mich jemand findet… falls mich jemand findet. Spätestens die Putzfrau. Oder die nächsten Schüler, die sich hier bald einfinden werden.

„Meine Güte, was ist bei dir los?“

Natürlich, Kai. Ich sehe auf und er steht in der Tür, mit einem ganz verwunderten Blick auf dem Gesicht.

„Akira ist mir grade entgegengekommen und war ganz durch den Wind. Und ein Mädchen hat gemeint, du wärst ihm hier her gefolgt. Was ist passiert?“

„Die Apokalypse!“, wimmere ich und vergrabe mein Gesicht in den Händen.

Ja, das könnte man wirklich mit einer Apokalypse gleichsetzen. Ich wurde GEKÜSST. Von AKIRA! Kann da mal jemand bitte ein UNGLEICH dazwischen setzen, wie in Mathe? - Akira ≠ Kuss q.e.d. wäre da mein Vorschlag!

„Naja, die Welt dreht sich noch“, sagt Kai und setzt sich neben mich.

„Ich will sterben, Kai.“

„Neiiiin. Willst du nicht.“

„Doch.“

„Also mehr als dir eine reingehauen kann er ja wohl nicht gemacht haben!“

„Nein, hat er nicht.“

„Hast du ihm eine reingehauen und jetzt Angst vor der Rache? Ich glaub nicht, dass er Verbindungen zur Yakuza oder so hat, sei mal unbesorgt!“

„Herrgott, nein!“

„Was hat ihn dann so in Aufruhr versetzt?“

Ich traue mich kaum, diese vier Worte in den Mund zu nehmen. Das ist so surreal!

„Erhatmichgeküsst.“

„Äh, bitte? Ich hab’s nicht so verstanden…“

Kai hat im Gegensatz zu Akira schlechte Ohren. Gut, dass ich das hier und jetzt feststelle. Ich hasse mein Leben manchmal!

- Wieso ist man mit 16 eigentlich immer so verletzlich? Diese bescheuerte Pubertät, da hätte man sich echt was Besseres einfallen lassen können!

„Er hat mich… geküsst“, wiederhole ich und Kai scheinen gleich die Augen aus dem Kopf fallen zu wollen.

„WAAAS?!“

Ich erzähle im Schnelldurchlauf, was vorgefallen ist und als ich geendet habe, meint Kai:

„Oh. Oh je. Das scheint ja wirklich tiefer zu liegen, als ich dachte… ich dachte, er mag nur keine Schwulen...“

„Ja, super. Das hab ich auch schon rausgefunden!“

„Ich überlege mir was, aber erst mal müssen wir dich zur Krankenschwester bringen. Du bist so grün wie das Gras im Yoyogi-Park!“

Damit zieht er mich auf die Beine und nimmt meine Schultasche. Ich hake mich bei ihm ein (ja, ich weiß, das ist unmännlich. Fickt euch!) und lasse mich kommentarlos mitschleifen. Die Woche ist noch nicht mal ganz zur Hälfte rum und ich bin jetzt schon ein Wrack. Alles wegen diesem Vollidioten!
 

Der nächste Tag verläuft ähnlich schrecklich – mein Kopfweh ist zwar zum Glück weg, aber meine Laune hebt sich dadurch auch nicht merklich. Kai ist schon die ganze Zeit dabei, eine Lösung für mein Problem zu finden – obwohl ich der Meinung bin, die Sache einfach zu vergessen. Was, da war was im Umkleideraum? Sicher nicht! Ich kann mich an gar nichts erinnern!

Aber Kai findet, dass die Sache mit der Verdrängung nur alles schlimmer machen würde und setzt auf Konfrontation. Aber der Gedanke, dass ich Akira mit seinen Taten konfrontieren muss, ist mir ganz und gar nicht geheuer. Der Kerl ist unberechenbar, wie ich jetzt ja am eigenen Leib erfahren habe.

„Vielleicht kommt er auch von allein…“, überlegt Kai, als er mit mir an die Schlange steht, damit ich mir was zum Essen hole.

„Sicher nicht!“, sage ich, nachdem man mir mein Tablett mit dem üblichen Fraß vollgeladen hat und wir zu unserem Stammplatz gehen.

„Das weißt du doch nicht! Du wusstest ja auch nicht, was er tun würde!“

„Das ist aber was anderes. Der Kerl gibt keine Fehler zu. Der würde bestimmt auch sagen, dass ich ihn geküsst habe.“

Den letzten Part flüstere ich, schließlich muss ja nicht jeder mitkriegen, was passiert ist. Ich könnte mich sonst gleich an die Yakuza ausliefern und sie beten, mich um die Ecke zu bringen.

„Hmmmm…“, macht Kai und stochert mit seinen Stäbchen in seinem Bento rum. „Dann doch die Konfrontation?“

„Nie und nimmer“, antworte ich trocken und schiebe mir Reis in den Mund.

„Guuut okay. Dann eben nicht. Aber sag nicht, dass ich das nicht vorgeschlagen hätte!“

Nach der Mittagspause geht Kai schon mal vor zu Mathe und ich mache einen Abstecher zu meinem Spint. Hätte ich lieber nicht machen sollen. Denn plötzlich werde ich von hinten an der Schulter gepackt und ich kann den Arm Akira zuordnen.

„Was willst du denn schon wieder?!“, maule ich ihn an, während er mich unbarmherzig mit sich zieht.

Er sagt kein Wort, sondern öffnet die Tür zum Hausmeisterraum und befördert mich da hinein. Dann folgt er mir und schließt die Tür.

„Was soll denn das jetzt wieder?!“, fahre ich auf und stolpere im Dunkeln gegen einen Eimer.

Als das Licht angeht, muss ich erst mal gegen die Helligkeit blinzeln und als ich wieder etwas sehe, steht der Übeltäter meiner schlechten Laune vor mir, die Arme überkreuzt.

„Hast du mit irgendwem darüber geredet?“, fragt er dann gleich rundheraus.

„Nein“, lüge ich intuitiv, aber überzeugend.

Oh, wow! Ich bin normalerweise ein sehr schlechter Lügner! Glückwunsch!

„Das will ich auch hoffen!“

„Hast du etwa Angst um dein Bad Boy Image?“, frage ich spitz.

Herrgott, woher nehme ich den Mut, so frech zu ihm zu sein? Das wird mir eines Tages noch teuer zu stehen kommen…

„Du solltest eher Angst um dein Leben haben, wenn irgendwas davon rauskommt!“

Mit dem erhobenen Zeigefinger droht er mir, um die Dringlichkeit seiner Message zu unterstreichen. Ich beschließe, dass Akira mir eigentlich nur leidtun kann. Ich habe jeglichen Respekt vor diesem Menschen verloren. Und deshalb kann er mir mit der Drohung nicht wirklich Angst machen. Auch wenn ich es körperlich nicht bin, plötzlich fühle ich mich immerhin mal geistig überlegen. Strike!

„Jaa, nur keine Panik. Solange du nicht an ein Coming Out denkst, werde ich keinen Finger rühren!“

„Coming OUT?!“

Ich schiebe mich an ihm vorbei und meine:

„Schon richtig verstanden. Tschüss, Süßer!“

Damit lasse ich ihn im Hausmeisterraum mit den Eimern, Putzmitteln und Wischmopps zurück. Soll er doch jetzt noch mehr Hass auf mich schieben. Es ist mir ziemlich egal. Mit dieser ganzen Aktion hat er mir nur gezeigt, was für ein erbärmlicher Trottel er ist, der eigentlich nur mein Mitleid verdient hat. Wahrscheinlich nicht mal das. Es ist merkwürdig, was ein kleiner Kuss auslösen kann. Die Änderung der Nahrungskette zum Beispiel – Akira ist der böse Hai, der mich immer fressen wollte. Jetzt kann ich mich auch gut selber wehren.

Da muss ich glatt an diesen einen Film denken, indem ein Delfin einen Hai in die Flucht geschlagen hat, um irgendeinen dämlichen Fisch zu retten. Ach Gott. War meine Kindheit schön!
 

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Sodelle - jetzt seid ihr dran. Ihr wisst, was ich mein, meine Lieben! X'DD

Look a bit harder

ÖÖÖÖH! :D

Ich mag euch xDD

& weil ich das tue hau ich das nächste auch gleich raus. ^^"
 

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Kapitel 2 – Look a bit harder.
 

Es gibt Momente in meinem Leben, die ich unsagbar hasse. Ich hasse es, wenn ich zum Beispiel sonntags in meinem Zimmer sitze und zum hundertsten Mal den gleichen Manga durchlese, weil ich nichts zu tun habe, außer zu gammeln. Ich hasse es, sinnlos rumzugammeln. Vor allem an Sonntagen. Weil die läuten das Ende meines hart verdienten Wochenendes ein und erinnern mich daran, dass ich morgen wieder in diesen Hochsicherheitstrakt, genannt Schule, muss.

Sonntage sind einfach richtige Nulltage. Ich habe mal gehört, dass in Europa die Läden sonntags zu haben, was bedeutet, dass bei denen sonntags noch weniger geht als bei uns. Meine Güte, was machen diese Menschen den ganzen Tag nur?!

Seufzend rolle ich mich quer über mein Bett, um mich in eine bequemere Leseposition zu bringen. Die letzte Stunde habe ich meine Arme auf der Matratze abgestützt, den Manga gegen die Wand gelehnt. Das wird mit der Zeit anstrengend. Und dann vertiefe ich mich wieder in den finalen Kampf zwischen Naruto und Sasuke, lese zum hundertsten Mal den Satz „Du warst wie ein Bruder für mich!“ und zum hundertsten Mal…

BRIIIIIIIIIIIIIIIIIING!

Ich schrecke hoch und werfe aus Reflex das Buch aus der Hand. Hilflos sehe ich zu, wie es nach oben an die Decke geschleudert wird und dann auf meinem Gesicht landet. Mein Herz pocht wie wild und ich greife nach dem Handy, das ich neben mich gelegt habe und dieses unsagbar laute Geräusch von sich gegeben hat. Ich bin so schreckhaft!

Die SMS kommt von Takeru. Er will mich sehen. Klar will er mich sehen. Wenn er SMS schreibt, dann sind die meistens mit dem gleichen Inhalt: Er will mich sehen, er vermisst mich, er mag mich – zwischendrin haut er fünf Herzchen und Küsschen und freut sich dann immer, wenn ich zurückschreibe. Ohne Herzchen und Küsschen. So schwul bin ich dann auch wieder nicht. Takeru ist klein, blond, aufgedreht und sowas wie der klassische unterste Unteruke. Ich übertreib jetzt echt nicht. Ich will ja nicht von mir behaupten, ich wäre besonders männlich und würde nur so vor Testosteron strotzen, aber Takeru bricht immer wieder den Rekord. Wenn ich mich mit ihm treffe werden meine Augen immer ziemlich strapaziert. Seine bunten, engen Hosen, seine Kettchen, die ständig klimpern, wenn er einen Schritt macht, sein Haar, dass er sich täglich liebevoll in den neuesten Variationen richtet – das ist alles ein bisschen viel für mich. Hinzu kommt sein Lächeln, das mich irgendwie immer an Zahnpastawerbung erinnert. Eigentlich haben wir Japaner ja wirklich schrecklich schiefe Zähne, nur Takeru nicht. Der hatte noch nie eine Zahnspange, noch nie einen schiefen Zahn und bestimmt auch noch nie Karies, obwohl er ständig irgendwas Süßes kauft und es isst. Er lächelt und blendet mich damit. Eigentlich hasse ich solche Menschen.

Warum ich mich trotzdem immer wieder mit ihm treffe?

Ja, das ist ne sehr gute Frage. Irgendwie mag ich ihn. Er geht mir zwar unsäglich auf die Nerven mit seinem „Kawaaiiiiiiii~~~“ und seinem „Sugoiiiiii~~“, seinem Rumgehüpfe und seinem allgemein hyperaktiven Verhalten, aber er hat auch gute Seiten. Ich war einmal mit Kai irgendwo bei einem Konzert und war so betrunken (ja, Alkohol – auch ich weiß, wie man sich den beschaffen kann!), dass ich nicht mehr wusste wo oben und unten war. Kai hatte ich in der Menge verloren und dann stand Takeru plötzlich neben mir und war so fürsorglich, dass es schon fast weh getan hatte. Eigentlich wohnt er in einem ganz anderen Viertel als ich und hatte einen viel längeren Weg, aber er hat mich nach Hause gebracht und mich sogar sicher in mein Bett bugsiert. Dass er selber noch zwei Stunden brauchte, um nach Hause zu kommen, hatte ihn nicht gestört. Hauptsache, ich war sicher daheim.

Takeru sorgt sich immer um mein Wohl und versucht sein Bestes, um mich irgendwie sowas wie glücklich zu machen. Kai meint immer, ich soll mich mal endlich zusammenreisen und die Sache mit Blondie offiziell machen. Schließlich wäre ich lange genug Single gewesen und bräuchte mal wieder sowas wie ne Beziehung. Aber den Gefallen tu ich ihm nicht. Warum? – Ja, das wüsste ich manchmal auch gerne.

Da ich nicht vorhabe, den ganzen Sonntag hinter einem Manga zu verbringen, mache ich mit ihm den gleichen Treffpunkt und die gleiche Uhrzeit aus, die wir immer haben. Fünfzehn Uhr, Harajuku Station. An der Station legt jeder von uns den gleichen Weg zurück und dann entscheiden wir spontan, was wir machen. So läuft die Sache immer, wenn ich ihn sehe. Echt mal, alles in meinem Leben scheint eine Routine zu haben. Das ist ja schrecklich!

Seufzend rolle ich mich von meinem Bett und inspiziere meine Klamotten. Die Jogginghose muss dringend umgetauscht werden. Und das Shirt auch. Alles neu, und zwar jetzt!
 

Eine halbe Stunde später stehe ich in der Metro und verfluche meinen Entschluss, mich vor die Tür gewagt zu haben. Zu heiß. Definitiv! Da hilft nicht mal die Klimaanlage, vor allem nicht, wenn man zwischen einem übergewichtigem Engländer (Touristen – ich hasse sie) und einem extrem ekligen Japaner im mittleren Alter eingequetscht ist – der ist bestimmt einer von der Sorte, die heimlich Pornos gucken, wenn der Rest der Familie schläft. Oh Gott. Takeru muss wirklich viel zurückzahlen, um das wieder gut zu machen! Als die Harajuku Station kommt, drücke ich mich so schnell wie schon lange nicht mehr aus dem Wagon und hole erst mal tief Luft, bevor ich meinen Weg weiter antrete. Meine Fresse. Warum muss ich auch in der größten Stadt der Welt leben? Als ich mit der Masse mitlaufe, sehe ich schon wieder Millionen von Teenagern, die sich in ihre besten Sonntagsklamotten (hahahaha – meine Wortgewandheit mal wieder) geworfen haben und sich mit ihrem Look von der Masse abheben wollen, weil Rebellion ja mega cool ist. Viele von denen kenne ich (oh Gott, da winkt mir ja schon eine Decora zu und grinst mich über beide Backen an… ich hab mir nicht mal ihren Namen gemerkt), nicht, weil ich unbedingt aktiv in dieser Szene wäre, die Schande ins Elternhaus und Coolness bei den Freunden bringt, sondern weil ich wohl den gleichen Musikgeschmack wie die da drüben habe und allesamt auf Konzerten von irgendwelchen Indiebands wiedersehe. Ich war noch nie der Typ, der sich in eine Schublade hat stecken lassen. Umso schlimmer finde ich es, wenn man auf mich zukommt und fragt, wie ich meinen Visu-Look hinbekomme und wo ich die Klamotten herkriege. Tragisch. Einfach tragisch, das Ganze. Bevor ich von der Decora noch angesprochen werde, flüchte ich zum Ausgang, wo ich mich wie immer an den gleichen Fleck stelle und Takeru sehe ich schon von der Ferne. Oh Gott, heute hat er sich wieder ins Zeug gelegt!

Er trägt eine Ray Ban-Sonnenbrille mit rotem Rand und seine Haare hat er wachsen lassen. Braun sind sie mittlerweile auch. Sein Shirt ist weiß und zeigt genau so viel Haut, dass man sein Tattoo auf der Brust (nein, ich kann mir nicht erklären, wie er es ausgehalten hat, sich ein Tattoo stechen zu lassen – er ist die größte Heulsuse, die ich kenne) gerade so erahnen kann und seine Hose sprengt wieder jegliche Vorstellungskraft, beziehungsweise wieder alles, was ich je an seinen Beinen gesehen habe. Sie ist eng (sehr eng) und es sieht aus, als hätte er eigens ein Zebra dafür umgelegt. Die Nikes, die er anhat, sind wieder quietschbunt und leuchten bestimmt im Dunkeln. Und natürlich trägt er eine Tasche bei sich. Sie ist – bunt. Natürlich. Bunt. Gestreift. Sie strapazieren meine Netzhaut! Mit der werde ich ihn aber sicher nicht im Getümmel verlieren…

„Rukiii!“, schnurrt er in mein Ohr, als er mich erreicht hat und er wirft sich in meine Arme.

„Ich hab gehört, dass im Zoo ein Zebra fehlt. Jetzt weiß ich, wo es hin ist…“, sage ich und begutachte mir seinen Aufzug noch mal aus der Nähe, als er mich loslässt, weil die Hitze viel Körperkontakt einfach nicht zulässt.

Natürlich nimmt er das gleich übel und schiebt die Unterlippe vor, dann schlägt er mir gegen den Oberarm.

„Du bist gemein zu mir!“

Als Entschuldigung verspreche ihm ein Eis – das zieht immer, denn er liebt Süßigkeiten. Und Eis sowieso.

„Okay, lass uns gehen!“

Strahlend schnappt er sich meine Hand, verhakt unsere Finger miteinander und zieht mich dort hin, wo es seiner Meinung nach das beste Eis gibt. Auf dem Weg dorthin erzählt er mir von seiner Woche. Er geht auf eine andere Schule wie ich, dennoch hat er die gleichen Problemchen wie ich sie kenne. Die Lehrer nerven, die Mitschüler sind bescheuert und das Essen in der Mensa schmeckt nicht. Ich zahle ihm das Eis und mit dem Kommentar „Du rettest meine Woche!“ wendet er sich dem Sahne-Milch-Aroma-Zucker-Gemisch zu. Er steht total auf Vanille, übrigens.

„Ja, zu irgendwas muss ich auch da sein“, sage ich und mache mich selber über mein Eis her.

Das ist echt das Beste, was man bei dieser Hitze machen kann. Takeru sagt nichts, sondern lächelt mich nur an, so wie er es immer wieder mal macht. Das macht mich dann immer nervös. Ich hasse es, so angestarrt zu werden. Ich ziehe ihn weiter, obwohl ich keine Ahnung habe, wo wir eigentlich hingehen. Unser Weg führt uns vorbei an den Läden und Boutiquen und wir bleiben bei den Eingängen, aus denen die kühle Luft der Klimaanlagen auf die Straße strömt, immer etwas länger als es eigentlich nötig wäre, stehen. Meine Frisur hat sich mittlerweile auch wieder verabschiedet. Regen und Hitze. Das sind zwei Dinge, die mir meine Haare extrem übel nehmen. Takerus Haar sitzt natürlich perfekt. Was auch immer er anstellt, ich bin ganz schön neidisch!

„Was macht Kai eigentlich so?“, fragt Takeru, als er sein Eis aufgegessen hat.

Man sieht es ihm nicht an, aber der Kerl bringt das Zeug in Nullkommanichts runter. Und nein, natürlich setzt absolut nichts an ihm an!

„Ach ja, macht sich langsam. Mittlerweile kann er auch mal Bruchrechnen.“

Takeru lacht. Er hat ein ziemlich angenehmes Lachen, muss ich sagen.

„Meine Nachhilfestunden bringen was!“, sage ich, obwohl ich Kai eigentlich keine Nachhilfe gebe.

Ich scheitere doch schon regelmäßig, wenn ich ihm die Hausaufgaben erklären will.

„Vielleicht sollte ich dich auch mal für die Nachhilfe anheuern“, meint Takeru und grinst mich dabei an.

Er hat mehrere Arten, zu grinsen. Er hat sein breites Grinsen, wenn ihn etwas total freut – zum Beispiel, wenn ich ihm Eis kaufe. Dann strahlt er wie ein Weihnachtsbaum im Kaufhaus. Wenn er überlegt und sich dann etwas ausdenkt, hat er auch ein spezielles Grinsen und man weiß genau, dass ihm wieder irgendwas Grandioses eingefallen ist. Wenn ihm zum Beispiel einfällt, wie er seine neuen Schuhe mit seinem Lieblingsshirt kombinieren kann. Wenn er betrunken ist, dann hat er ein schiefes Grinsen drauf und das mag ich eigentlich am liebsten, da sieht er nämlich wie ein kompletter Trottel aus. Und dann hat er noch DIESES Grinsen. Und es ist dreckig. Es ist so dreckig, dass dir die nicht jugendfreien Gedanken, die in seinen Kopf schießen fast schon entgegenspringen. Und dann pirscht er sich an einen ran und zupft am Saum deines Shirts herum und dann kommt ein noch dreckigerer Kommentar.

In solchen Situationen möchte ich dann immer ganz schnell wegrennen, weil ich nicht damit umgehen kann. Aber dadurch, dass er meine Hand hält, ist Weglaufen die letzte Option, die ich habe.

„Du Mistkerl!“, fluche ich, als Takerus Hand ganz unauffällig unter mein Shirt rutscht und sein Kichern klingelt bedrohlich in meinen Ohren.

Und dann plötzlich sehe ich ein mir bekanntes Gesicht.

„Oh Shit!“

„Was bitte?“

Ich antworte Takeru nicht, sondern ziehe seine Hand unter dem Stoff hervor und drücke ihn in den Laden rein, vor dessen Eingang wir stehen.

„Ruki, was…?“

Der Laden stellt sich als Musikgeschäft heraus und ich springe direkt hinter ein Regal, nachdem ich mich von Takeru losgemacht habe. Der sieht verwundert zu mir, dann zum Eingang und folgt mir dann.

„Hast du nen Geist gesehen oder was?“, fragt er dann in einem Tonfall, als hätte ich nicht mehr alle Latten am Zaun (und vielleicht mag er da sogar nicht so ganz Unrecht haben).

„Ne, das nicht.“

Etwas viel Schlimmeres! Und zu meinem Bedauern kommt dieses Schlimmere geradewegs in diesen Laden rein!

„Verdammt“, zischele ich und ziehe Takeru zu mir runter.

Akira darf mich nicht sehen, sonst macht der mich noch in der Öffentlichkeit nieder!

Ohne die Uniform, mit gestylten Haaren und Muskelshirt sieht er natürlich noch besser aus als sonst. Wie ich ihn dafür hasse! Auf ewig! Takeru scheint zu verstehen und stößt genervt die Luft aus. Ich hab ihm schon oft von dem da erzählt und immer meint er, ich soll mich endlich mal wie ein Mann verhalten und dem Kerl mit hocherhobenem Haupt (ja, das war seine Ausdrucksweise!) entgegen treten, damit ich nicht ständig in die Opferrolle falle. Dann schaut er Akira an und befindet:

„Das Nasenband ist ja dämlich…“

Damit steht er auf und wandert im Geschäft umher – und mich lässt er hier stehen. Ja. Genau. Das Nasenband… warum zur Hölle trägt er ein Nasenband?!

„Na sieh mal einer an…“

Nein, ich bin absolut kein Glückspilz. Ich schaue nach oben und vor mir, in seiner ganzen Körpergröße aufgebaut, steht Akira und legt den Kopf schief.

„So ein Zufall!“, gebe ich zurück und stehe wieder auf.

So ein Scheiß, warum bin ich nur so klein und der so groß? In meinen Augenwinkeln sehe ich Takeru, der eifrig ein Regal durchstöbert und dann eine CD hervorzieht, die ihm anscheinend gefällt. Oh Gott, bitte, komm nicht auf die Idee, mich jetzt damit vollzuschwatzen… Zum Glück verschont er mich mit einem euphorischen Aufschrei und rennt gleich begeistert zur Kasse, was auch immer er sich da jetzt schon wieder ausgesucht hat.

„Suchst du vielleicht das?“

Erst jetzt bemerke ich, dass ich in der J-Pop Abteilung stehe und Akira zieht scheinbar wahllos eine CD hervor. Dann hält er sie mir unter die Nase und ich lese den Schriftzug TVXQ – und irgendwelche Schönlinge, halbnackt natürlich, haben sich auf dem Cover zusätzlich eingefunden. Jetzt muss ich mir ganz schnell was total Schlagfertiges einfallen lassen, um meine Ehre zu retten!

„Du musst doch nicht immer gleich von dir auf andere schließen!“

Akira, von dem ich eigentlich erwartet hätte, dass er mir gleich eine reinhaut, steckt die CD zurück und sagt, während er mir näher kommt:

„Du hattest schon mal bessere Sachen auf Lager, mein süßer Takanori.“

Auch wenn er mir jetzt seinen Atem ins Gesicht pustet und mich die Situation entfernt an die aus der Umkleidekabine erinnert, weiche ich keinen Schritt zurück. Takeru hat Recht, ich muss mal aus meiner Opferrolle rauskommen!

„Warts nur ab, ich hab doch erst angefangen“, entgegne ich spitz.

„Oh, wirklich? Na da freu ich mich aber schon auf morgen“, kommt es zurück und dann, bevor ich dem Kerl an die Gurgel springe, kommt Takeru ins Bild gehüpft.

„Rukiii, gehen wir, ich hab alles!“

In einem schlechten Manga würde seine glitzernde Aura die Gewitterwolken über den Köpfen vom Nasenbandträger und mir verdrängen. Akira weicht ein bisschen zurück und schaut Takeru an. Dann mich, dann wieder ihn.

„Ist das dein Freund?!“, fragt er dann geschockt und ihm entgleisen für eine Millisekunde alle Gesichtszüge und bevor ich weiß, was ich darauf sagen soll, fängt er sich wieder und er meint:

„Also, du enttäuschst mich jetzt schon ein bisschen. Ich dachte ja, du stehst auf MÄNNER.“

Das hätte er nicht sagen sollen. Alarmiert sehe ich den Jungen neben mir an. Aber die glitzernde Aura meines „Freundes“ scheint sich nicht zu verändern, er lächelt nur zuckersüß, dann geht er einen Schritt auf Akira zu, der sich mit seinem Kommentar wohl gerade superschlau findet.

„Schnucki, Nasenbänder sind auch nicht gerade sehr männlich.“

Und knallhart, bevor ich dazwischen gehen kann, hat Takeru seine kleine rechte Patschehand erhoben, mit den perfekt getrimmten Fingernägeln und zieht durch. Akiras Kopf schnellt wie in einem Hollywoodstreifen nach links und dieses verheißungsvolle Klatschen klingelt noch in meinen Ohren.

„Komm, wir gehen!“

Damit schnappt sich Takeru meine Hand und zieht mich nach draußen. Perplex sehe ich noch mal zurück und Akira hält sich ungläubig die linke Gesichtshälfte. Den Blick, den er mir zuwirft, spricht Bände: Das wirst du bereuen. Oh Gott. Ich bin tot! Ich kann mein Testament schreiben!

„Bist du denn komplett verrückt geworden?!“, keife ich Takeru an, der fröhlich grinsend die Straße weiterläuft.

Ich sehe zurück und in dem Moment kommt Akira aus dem Laden gestiefelt, purpurrot und stinksauer. Zu meinem Glück läuft er in die entgegengesetzte Richtung… trotzdem. Morgen kann ich nur unter Polizeischutz in die Schule gehen!

„Nein, man muss dem Kerl nur mal zeigen, wo’s langgeht!“

„Hättest du ihn nicht verbal fertig machen können?!“

„Nein, weil er dafür zu blöd ist!“, kommt es stur von Takeru und während wir laufen, lässt er meine Hand nicht los.

„Ich bin morgen tot, das ist dir schon bewusst, ja?“, frage ich dann und Takeru bleibt endlich stehen.

Er hat die Straße eingeschlagen, die zum Yoyogi-Park führt.

„Ach quatsch, der Kerl tut doch nur so, als hätte er was in der Hose! Der wird dich nicht anrühren!“

„Achso, weil er weiß, dass du mit deinen manikürten Krallen jederzeit bereit stehst und ihm die Augen auskratzen kannst?“, rutscht es mir böse raus und Takeru sieht mich beleidigt an.

„Gut, dann mach ich nächstes Mal gar nichts mehr für dich und du kannst gucken, wie du im Vollsuff nach Hause kommst!“

Okay. Ich bin der Böse. Gecheckt! Und was hat das eine mit dem anderen zu tun?!

„Du argumentierst wie eine Frau!“

„Und du bist ein kompletter Idiot!“

Meine Hand hat er losgelassen und die Arme verschränkt, als Zeichen seines Unmuts. Ich sollte lernen, mit meiner Meinung mal besser hinterm Berg zu bleiben. In solchen Situationen, vor allem, wenn man Takerus Gefühle „verletzt“, muss man klein beigeben. Sonst kann es wirklich sein, dass ich bei meiner nächsten Eskalation alleine dastehe und Takeru mir nicht hilft. Und dann wär ich aufgeschmissen. Ich seufze und lege den Kopf in den Nacken. Die Sonne prallt unerbittlich auf meinen Kopf und dann sage ich:

„Okay, Takeru. Du hast Recht.“

„Sag ich ja!“, kommt es kalt von ihm und er wirft mir über seine Sonnenbrille einen ebenso kalten, wenn nicht einen noch kälteren, Blick zurück.

In solchen Situationen können ihn nur Umarmungen beruhigen. Also trete ich von hinten an ihn heran und lege meine Arme um seine Hüfte.

„Tut mir leid.“

Für zwei Sekunden sträubt er sich noch, dann aber seufzt er und lehnt sich gegen mich. So bleiben wir für ein paar Momente stehen, bevor er sich umdreht und selber seine Arme um mich wirft. Oh Gott. Diese Hitze macht mich heut noch echt fertig.

„Ich kann es nun mal nicht leiden, wenn Leute dich so behandeln“, nuschelt Takeru gegen meine Schulter und vergräbt sein Gesicht dann in meiner Halsbeuge.

„Schon okay, Kleiner“, ist alles, was ich dazu sage.

Da hätten wir’s wieder. Alles, was er tut ist dazu da, mir zu helfen, mich zu verhätscheln und mich in Schutz zu nehmen. Eigentlich genau das pure Gegenteil von Akira mit seinem dämlichen Nasenband, von dem ich immer noch nicht weiß, warum er es offensichtlich in seiner Freizeit trägt. Und so nett das Ganze hier auch ist – Takerus Hitze gegen meinen Körper gepresst kann ich gerade echt nicht aushalten.

„Wie wärs, wenn wir uns noch mal ein Eis kaufen?“, frage ich und löse mich wieder von ihm.

Das quittiert er mit einem unzufriedenen Murren. Aber ich bleibe hart. Skinship bei diesem Wetter grenzt an Folter!

„Grüner Tee? Schokolade? Vanille?“

Beim Wort ‚Vanille‘ fängt er wieder an, zu strahlen, obwohl er vorher schon drei Kugeln verdrückt hat.

„Okay!“

Also, wieder alles in Ordnung. Wenn ich mit Takeru zusammen bin, glaube ich immer, wir führen uns wie ein altes Ehepaar auf. Takeru plappert fröhlich vor sich hin und ich höre zu – dann passt ihm etwas nicht und ich muss das Ganze wieder gutmachen. Im Gegenzug dazu werde ich von ihm mit all seiner Fürsorge überhäuft. Ich warte immer noch auf den Tag, an dem er bei mir vorbeikommt, wenn ich Grippe habe und mir Hühnersuppe kocht und sichergeht, dass ich gesund werde.

Ich weiß trotzdem nicht, was mich davon abhält, dieses feste-Beziehungen-Ding mit ihm einzugehen.
 

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Damit hätten wir Takerus Rolle jetzt auch enthüllt.

Aoi & Uruha und so kommen noch ein bisschen später. :'D

He'll probably kick my ass

Ihr seid lieb! :DD

Danke für eure Kommentare - und danke für die Favoriten :3
 

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Kapitel 3 – He’ll probably kick my ass.
 

Seit diesem verheerenden Sonntag warte ich eigentlich immer auf die Strafe, die mir Akira geben wird – aber irgendwie bleibt die aus. Ich habe ihn in den letzten Tagen weder gesehen, noch gehört und irgendwie kommt mir das fast noch suspekter vor. Ich mein, der Kerl hat doch nicht wirklich Angst vor Takeru? Als ich Kai die Sache erzähle, seufzt er auf.

„Ach, Takeru ist so ein Süßer!“

„Ja, super“, entgegne ich und schlürfe die Nudeln aus dem Teller.

„Schätzchen, das ist wahre Liebe!“

Als Antwort schlürfe ich die meterlangen Nudeln weiter und werfe ihm einen nichtssagenden Blick zu. Thema beendet!

„Okay. Dann eben nicht!“

Kai verschränkt die Arme und schiebt die Unterlippe vor, im nächsten Moment grinst er aber wieder. Was das angeht, ist er genauso schlimm wie Takeru, wenn nicht sogar noch schlimmer. Aber er darf dumm grinsen, er ist schließlich mein bester Freund. Takeru ist nur… äh. Ja. Lassen wir das lieber.

„Themawechsel!“

Kai wühlt in seiner Tasche umher und zieht dann einen Flyer hervor.

„Freitagabend, kein Eintritt und ich hab mir sagen lassen, dass die Band ziemlich gut sein soll.“

Mir wird das bedruckte Papier vorgelegt und ich werfe nur einen flüchtigen Blick drüber. Wenn was umsonst ist, dann bin ich sowieso dabei! Sparfuchs ist mein zweiter Vorname!

„Läuft!“, schmatze ich und Kai verzieht dabei leicht angewidert das Gesicht.

„Erst schlucken, dann reden!“

„Okay, Mama.“

Also steht schon mal meine Freitagabendbeschäftigung. Etwas, worauf ich mich freuen kann. Juhu!
 

Es gibt Dinge, bei denen lerne ich nie dazu. Jedes Mal, wenn ich auf irgendwelche Fächer lerne, denke ich mir „Nächstes Mal fang ich früher an!“ – und mach’s dann doch nicht. So ähnlich läuft es bei mir, wenn ich auf Konzerten bin und ich mir wieder durch meine altbekannten Connections den Alkohol besorge – jedes Mal wache ich am nächsten Tag auf und sage: „Nächstes Mal trink ich nicht so viel!“ – und mach’s dann doch nicht. Also ist es keine Überraschung, dass ich von dem Konzert nur den Anfang richtig mitkriege und ab der Hälfte ungefähr liege ich in Kais Armen und brabbele unverständliches Zeug vor mich hin. Was da auf der Bühne abgeht, kriege ich nur am Rande mit. Aber der Sänger ist geil. Das weiß ich – und wie ich das weiß!

„Glaubst du, der ist Single?“, frage ich, während ich versuche, nicht vorn über zu kippen.

Immer geht mein Gleichgewichtssinn flöten, wenn ich besoffen bin… immer!

„Ich glaube, du hast zu viel getrunken!“

„Könntest du mir mal meine Frage beantworten und nicht ständig vom Thema ablenken?“

Erschöpft lasse ich mich auf einen Stuhl fallen, den die Angestellten aus dem Club an die Seite geschoben haben. So, erst mal ne Pause… das Moshpit hat ich wirklich mitgenommen! Und allgemein wird grad alles so anstrengend, sogar das Reden!

„Ich glaube, du solltest nicht versuchen, bei dem zu landen. Du hast doch Tak…“

„Aaaaaaaaaaaaah!“, falle ich ihm ins Wort.

Muss er ständig von der Sache anfangen? Wenn’s so weiter geht, dann bringt der Kerl mich noch dazu, Takeru einen Heiratsantrag zu machen… sind Schwulenehen in Japan erlaubt?

Könnte ich den Geilen auf der Bühne heiraten?

„Hey, dürfte ich als Homo heiraten?“

Kai seufzt und massiert sich die Schläfen, ganz so, als sei ich gerade ziemlich anstrengend.

„Ich kann’s ja googeln!“

„Du hast Internet hier?!“

„Du bist bescheuert.“

Jaja, immer auf die Kleinen! Ich ziehe eine Schnute, dann rutsche ich auf dem Stuhl hin und her und befinde, ich brauch noch mal was zum Trinken. Aber als ich die Bar ansteuern will, macht mir mein Großhirn einen gewaltigen Strich durch die Rechnung und ich strauchele. Wie gesagt, alles ist so anstrengend plötzlich. Auch das normale Geradeauslaufen. Also setze ich mich wieder und Kai weigert sich, mir was zu holen. War klar. Der Spielverderber! Die Musik stoppt und der Geile auf der Bühne bedankt sich beim Publikum. Dann gehen sie von der Bühne. Och nö…

„Also ich würde sagen, wir gehen!“

„Aber…!“, beginne ich meinen Protest, der natürlich gleich im Keim erstickt wird.

„Nichts da, wir müssen die Bahn kriegen und in deinem Zustand dauert das sicher länger!“

Und damit werde ich mitgezogen.

„Kaiiiiiii, nicht so grob!“

Die frische Luft tut meinem Kopf ein bisschen gut, dennoch fühlt sich mein Gesicht immer noch ziemlich taub an, als ob man mir beim Zahnarzt die doppelte Portion der Betäubung gegeben hätte…

Und Kai hatte natürlich mal wieder Recht. Ich bin so dicht, dass ich meinen Rekord im Schlangenlinien-Laufen spielend breche. Manchmal versuche ich auch Ansätze eines Sitzstreiks, aber Kai zieht mich dann weiter.

„Ach, Kai-chan… hätte ich dich nicht! Ich wüsste gar nicht, was ich tun würde!“, plappere ich vor mich hin, als wir die U-Bahnstation erreichen.

„Hör jetzt auf damit, wir müssen seriös wirken!“

Um die Uhrzeit stehen einige Geschäftsmänner am Gleis, die gerade von den Überstunden kommen und ihre Aktentaschen müde unter die Arme geklemmt haben. Und natürlich andere Jugendliche, die von Konzerten nach Hause kommen. Oder eben aus einem Club.

„Naja, als ob wir jemals seriös wirken!“

Ich weiß nicht mal, wie ich es schaffe, ganze Sätze zusammen zu bekommen, aber ich bin ziemlich stolz drauf.

„Wenn du die Klappe halten würdest, dann schon!“

„Du bist gemein zu miiiir!“, wimmere ich, während wir uns an den Gleis stellen.

Die Geschäftsleute werfen mir einen Blick zu, dann schütteln sie die Köpfe und wenden sich ab.

Spießer. Absolute Spießer!

„So ende ich nicht!“, beschließe ich, lauter als ich eigentlich wollte.

„Ja, dann ist ja alles palletti!“

Ein durchfahrender Zug kommt und Kai zieht mich ein bisschen zurück, damit ich nicht im Vollsuff vor den Zug falle und mein Kopf über den Bahnsteig fliegt, so wie in Gantz. Baaaaam, und überall klebt Blut!

Die nächste Bahn ist unsere. Wir ergattern sogar noch einen Sitzplatz, hinter uns nehmen ein paar andere Kerle Platz und die Aktenidioten haben sich brav über den ganzen Wagon verteilt. Ich lege mich quer über zwei Sitze (ich nehm ja eh nicht viel Platz weg) und rolle mich ein. Das Ruckeln des Wagons macht mich ganz schläfrig.

„Das erinnert mich daran, als wir vom XJapan-Konzert gekommen sind. Du lagst da auch so da“, meint Kai wie ein alter Rentner.

Oh, ja, das war lustig! Da das Final in Tokyo ausverkauft war, wir die Kerle aber unbedingt live sehen wollten, haben wir uns kurzerhand Tickets für eine andere Show in irgendeiner anderen Stadt (deren Name mit natürlich entfallen ist) gekauft. Ungeachtet darauf, dass wir über vier Stunden mit dem Zug da hinfahren mussten. Und die ganze Strecke wieder zurück, gezeichnet von den Spuren des Konzertes und entsprechend müde.

„Und du hast über mich gewacht, damit wir nicht verpassen, umzusteigen!“

„Das war ganz schön hart!“

Ein Geschäftsmann hat seine Zeitung ausgebreitet und wirft mir einen angepissten Blick rüber, bevor er sich hinter der Schlagzeile wieder versteckt. Was auch immer, ich kann’s nicht lesen.

Die Fahrt über (und sie geht ziemlich lange) reden wir über das XJapan Konzert und über praktisch alles, was damit zu tun hat. Dann kommt die Station, an der ich aussteigen muss.

„Kommst du zurecht?“, fragt Kai, als ich mich erhebe.

„Ja, sicher.“

Mittlerweile fühle ich mich wirklich besser und klarer im Kopf. Oh Wunder! Als ich Kai überzeugt habe, dass ich sicher nach Hause finde, lässt er mich ziehen und ich steige mit drei der fünf anderen Jugendlichen aus. Ich setze ohne Umschweife den Weg zu meinem Bett an, das mich schon überdeutlich ruft. Morgen erst mal ausschlafen. Und dann Mama bitten, Frühstück zu machen. Und daaaaaaaann… ja, dann wird sich bestimmt Takeru melden und ich muss ihm wieder sechs Kugeln Vanilleeis zahlen. Oder sowas in der Art. Ich könnte auch endlich mal anfangen, mein Schulzeug zu machen… Ich biege in eine dunkle Seitenstraße ein, eine kleine praktische Abkürzung, die mir einige Minuten erspart. Angst hab ich eigentlich keine, denn hier geht absolut gar nichts. Hier sind ab acht die Bürgersteige hochgeklappt. Das Einzige, was einem um die Uhrzeit begegnen könnte ist eine streunende Katze und das war’s dann auch schon.

„Also ich sag, das ist der Kerl.“

Überrascht bleibe ich stehen und drehe mich um. Diese komischen Vögel von der U-Bahn. Bitte?

„Redet ihr über mich?“

Wie gesagt, ich bin furchtlos und cool. Und der Alkohol trägt dann auch noch seinen Teil bei. Die Kerle kommen näher. Oh, vielleicht hätte ich einfach weiterlaufen sollen… die sehen irgendwie gemein aus.

„Zufälligerweiße ja!“

Natürlich überragen sie mich in der Größe. War ja klar. Ich bin schließlich generell das Opfer.

„Du bist doch der Süße, der Reita hinterher stiefelt, oder?“

Ich beschließe, ruhig zu bleiben, auch wenn die Kerle mich jetzt umrundet haben und ich praktisch keinen Weg zur Flucht mehr übrig habe.

„Ich kenne keinen Reita!“

Wer soll das denn bitteschön sein? Hab ich jemals was mit einem Reita gehabt? Lass mal überlegen…

„Jetzt lügt er auch noch!“, meint der Größte von ihnen, der mich irgendwie an einen Yakuza-Boss erinnert.

Zumindest hat er diesen Blick drauf und ich würde mich nicht wundern, wenn er beim Hochkrempeln seiner Ärmel unzählige Tattoos enthüllen würde.

„Ne, tu ich nicht.“

Ich sollte dringend an meiner Schlagfertigkeit üben.

„Er tut doch nur unschuldig…“

Plötzlich zupft ein anderer an meinem Pulli herum.

„Nimm deine Griffel da weg!“

Ich schlage die Hand, die mir eindeutig zu nah kommt, weg. Jetzt wird’s langsam echt komisch!

„Aufmüpfig ist er auch noch!“

„ Keine Manieren hat der Kleine!“

„Sollen wir ihm die mal beibringen?“

Ich fühle mich, wie in einem schlechten Film. Die Art, wie die Kerle auf mich zukommen, erinnert mich an eine Dokuserie über Löwen, die auf Jagd gehen. Anpirschen, und dann zuschlagen.

„Jetzt mal ehrlich, Jungs, rafft euch mal!“

Meine Stimme fängt an, gefährlich zu zittern, was die drei Idioten da ganz lustig finden.

„Ich find’s immer so niedlich, wenn sie Angst kriegen!“

„Jungs, was macht ihr da?“

Kurz bevor der Erste meine Schulter gepackt hat, kommt ein Vierter dazu, der sein Gesicht mit einem Bandana verdeckt hat. Sag mal, dieser Blondton der Haare…

„Wir beschäftigen uns mit deinem Verehrer!“, antwortet der Yakuza-Typ und der Hässlichste (also, der ist wirklich hässlich!) nickt eifrig.

Der Neuzugang zieht diese mir bekannte Augenbraue hoch und als er mich wohl erkennt, zieht er die Stirn kraus.

„Was hattet ihr vor?!“

„Spaß haben?“

Bandana-Man verdreht die Augen, dann schlägt er dem Zweiten mit den vielen Piercings auf den Hinterkopf.

„Vollidioten!“

Dann packt er mich grob am Oberarm und zieht mich mit.

„Lasst mich machen, ich regel das!“

„Ooooooooooh! Gib’s ihm, Reita! Und zeig keine Gnade!“, höre ich noch, bevor ich um die Ecke gezogen werde.

Bitte?! Hilfe?! Was zur Hölle geht hier vor sich?!

„Hallo?! Hey! Lass mich los!“, keife ich und schlage wie ein Bekloppter auf den Arm, der mich fest im Griff hat.

„Aua, das tut weh, verdammt du Arsch!“

Und dann werde ich in eine andere Seitenstraße gedrückt und „Reita“ zieht das Bandana ab. Oh nein, oh nein… mein schlimmster Alptraum ist wahr geworden!

„AKIRA?!“

Oh Gott, jetzt krieg ich seinen gesamten Zorn zu spüren – die Tage, die er mir in der Schule aus dem Weg gegangen ist, hat er wohl für diesen Plan genutzt! Ich bin tot! Bestimmt prügelt er mich gleich windelweich… oder vergewaltigt mich… oder sonst was, was auch immer er sich in seinem kranken Kopf ausgedacht hat!

„Bist du denn komplett bescheuert?!“, fährt er mich böse an und wirft einen Blick um die Ecke.

„Ich bin bescheuert, weil ich NACH HAUSE laufe?!“

„Nein, du bist bescheuert, weil du alleine in einer dunklen Ecke herumschleichst!“

„Du bist nicht meine Mutter!“, fahre ich auf.

Also, irgendwas läuft hier doch komplett falsch. Wo bleiben die Schläge und/oder die Vergewaltigung, mit der ich vor zwei Sekunden noch gerechnet habe?!

„Nein, aber offensichtlich hab ich dir grad das Leben gerettet, sei mal dankbar dafür!“

„Also bitte, als ob die Kerle…“

„Doch!“, fällt er mir ins Wort und fügt hinzu:

„Ich kenn die besser als du. Die sind zu vielem fähig!“

„Pfffff!“

Akira sieht mich immer noch gereizt an, dann holt er einmal tief Luft und schnappt sich wieder meinen Oberarm.

„Was hast du vor?“

„Dich in Stücken nach Hause bringen, weil du offensichtlich nicht fähig bist, dich selber zu verteidigen!“

„Hey, ich war mal im Judo!“

„Das ist ja wunderbar…“

Unerbittlich zieht er mich weiter und mein ohnehin schon schmerzender Oberarm wird noch mehr malträtiert.

„Könntest du wenigstens meinen Arm loslassen? Ich renn schon nicht weg!“

„Nein, kann ich nicht.“

Ich öffne geschockt den Mund und will etwas entgegnen, aber meine Empörung sitzt zu tief. WIESO behandelt der Kerl mich immer wie ein Stück Dreck?! Ich mimosere weiter, in der Hoffnung, er würde irgendwann vor lauter Verzweiflung und blutender Ohren aufgeben, aber er bleibt hart. Okay, dann eben anders:

„Warum erzählst du, ich würde dir hinterher stiefeln, REITA?“

‚Reita‘ (was für ein bescheuerter Name ist das eigentlich?) sieht mich über die Schulter an und führt mich weiter.

„Ich erzähle gar nichts, Rukiiiiiii~“

Meinen Spitznamen schnurrt er fast noch besser als Takeru es tut. Das hat er bestimmt heimlich geübt!

„Ich hab dir nicht gesagt, dass du mich so nennen darfst!“

„Hab ich dir erlaubt, mich Reita zu nennen?“

„Warum trägst du ständig irgendwas, um deine Nase zu verdecken? Hast du Minderwertigkeitskomplexe?“

„Lenk nicht vom Thema ab!“

„Aber ist doch so, oder?“

„Du nervst!“

„Niemand hat dich gezwungen, meine Gegenwart zu ertragen!“

Das erste Mal entgegnet Reita… ääh, Akira nichts sondern zieht mich stur weiter, bis wir vor dem Hausblock stehen, wo ich wohne. Erst dann lässt er mich los. Ich reibe erst mal meinen Arm und nachdem ich ihm einen Todesblick zugeworfen habe, krame ich nach meinem Schlüssel.

„Du musst jetzt nicht zugucken, wie ich das Treppenhaus hochlaufe!“, keife ich ihn an.

Der soll bloß nicht glauben, dass er jetzt sowas wie ein Held für mich ist. Pah, nicht im Geringsten! Akira grinst, dann zieht er sich sein Bandana wieder über die Stupsnase und er sieht jetzt mit der Lederjacke und der zerrissenen Hose mindestens genauso fies und gefährlich aus wie die drei, die mich vor zehn Minuten noch umbringen wollten. Okay, vielleicht das nicht gerade, aber ich bin eine Dramaqueen und übertreibe eben gern.

„Du solltest besser auf dich aufpassen, Hübscher. Nächstes Mal bin ich vielleicht nicht mehr da, um deinen Hintern zu retten!“

„Du bist ein Arschloch!“, zische ich und verschwinde ins Treppenhaus.

Ich sehe noch, wie Akira im Dunkeln verschwindet, dann sprinte ich nach oben in den fünften Stock. Der Alkohol in meinem Hirn scheint komplett verflogen, dafür springen tausend Gedanken in meinem Kopf rum. Was zur Hölle war das für eine Aktion? Warum bin ich immer so ein Pechvogel und ziehe Vollidioten scheinbar magisch an? Warum versteckt Akira ständig seine Nase und warum hat er sich so einen dämlichen Spitznamen zugelegt? Warum treibt er sich mit solchen Gestalten rum? Warum, warum, warum… und Moment, noch irgendwie viel gruseliger ist die Tatsache, dass ich ihm nicht gesagt habe, wo er hinlaufen muss und er mich sicher durch die vielen Straßen in meinem Viertel gelenkt hat, bis vor die Haustür…

WARUM WEISS DER KERL, WO ICH WOHNE?!!
 

Oh Gott. Ich muss mit Kai reden. So schnell wie möglich!!
 

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*Schoko Bons dalass*

You've got the nerve

EYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYY! :D

Hallo. :3
 

Danke für die Kommentare! Q___Q

Und auch für die Favos! x)

Ich bin so gerührt *schnief*
 

Ich muss schnell machen, es warten viele viele Seiten in meinem Religionsordner auf mich, die ich lernen muss. x.x" *urgh*
 

Ehm. x.x"

Also lieber FF-Admin, der du die Macht über mich hast (:'D), ich wollt nur sagen, dass die Klammern, die sich in dem Kapitel irgendwie vermehrt finden, (was mir jetzt erst auffällt. Oo) keine Kommentare von mir selber sind... x.x"

Das gehört alles noch zum Ich-Erzähler... *hust*

~ ja, und auch die Leser: Keine Einschübe von mir - alles Einschübe von Ruki persönlich (... ehm. Ja. Ihr wisst, wie ich das mein. XD)
 

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Kapitel 4 – You’ve got the nerve
 

„Hmmmm…“

Kai und ich sitzen im Starbucks, ich mit einer fetten Sonnenbrille auf der Nase. Meine Augen reagieren heute extrem empfindlich auf Sonnenlicht. Besuch der Miezekatze. Nicht mal die Aspirin haben Wirkung gezeigt.

„Hmmmm…“

Kai tippt mit seinem Zeigefinger auf dem Deckel seines Mango-Frappuccinos und hat die Denkermütze aufgesetzt. Ich nippe selber an meinem Kaffee auf Eis und warte ab, bis Kai mal das Gehmmmmmme unterbricht und was Konstruktives zu meiner aktuellen Situation sagt. Schließlich habe ich nach Kriegsrat verlangt, in der Hoffnung er würde eine Lösung finden.

„Wenn ich Akira nicht kennen würde, würde ich sagen, der steht auf dich.“

„Abgelehnt“, gebe ich von mir.

Wenn vielleicht die Planeten in der richtigen Konstellation stehen würden, dann okay. Aber das passiert wohl erst wieder bei der nächsten Sonnenfinsternis. Oder wenn Weihnachten auf Ostern fällt. Und wir das als Buddhisten feiern. Also praktisch nie!

„Ja, aber spielen wir das Ganze doch einfach mal durch. Rein hypothetisch!“

Ich beginne mich zu fragen, ob Kai überhaupt weiß, was ‚hypothetisch‘ bedeutet, aber da krallt er sich meinen Donut, den ich mir zusätzlich gekauft habe.

„Hey, lass mein Essen!“

Ich teile ja gern, aber bei Essen hört der Spaß für mich auf – und beim Alkohol… aber sonst teile ich wirklich alles!

„Das bist jetzt du!“

Kai ignoriert mich. Mal wieder. Ich verschränke die Arme und lehne mich zurück. Okay. Ich bin also ein Donut. Was sagt uns das jetzt?

„Oookay“, mache ich skeptisch, weil Kai anscheinend eine Form der Bestätigung brauchte, dass ich ihm zuhöre, um fortzufahren.

„Was ist dieser Donut?“

„Fettig?“

„Neiiiiin…“

„Aber fettig ist er heute schon, das musst du zugeben!“

Kai seufzt auf, dann holt er tief Luft und startet einen neuen Versuch:

„Ja, aber warum hast du ihn gekauft?“

„Weil ich Donuts mag?“

„Gut. Und warum magst du Donuts?“

Was soll denn das jetzt eigentlich?! Ich beschließe, den Dummen zu mimen und schaue Kai nur so treudoof wie möglich an. Gib mir nen Tipp!

„Weil er süß ist, man!“

„Achso!“

Ja, stimmt. Ich mag süße Sachen. Vor allem Donuts. Mit viel Zuckerguss und am besten noch mit leckerer Füllung! Jammie!

„So, also. Wenn dieser Donut dich verkörpern soll…“, holt mich Kai wieder aus meinen Überlegungen zurück und wedelt mit dem runden Teigklumpen vor meiner Nase herum – dabei verteilt er Brösel über meine Hose.

„Pass auf, die ist neu!“

„Bleib bei der Sache!!“

„Jaaa, okay, schon gut!“

Also, Konzentration auf den Donut.

„Wenn dieser Donut dich verkörpern soll, was schließt du dann daraus?“

Ich überlege scharf. Also, fett bin ich nicht. Nein, ich hab einen schönen Astralkörper – also das schließe ich aus… dann bleibt ja nur noch…

„Ich bin süß?!“

„Riiiiichtig!“

Damit landet mein Donut wieder auf dem Starbucksteller und scheint mich von unten her anzugrinsen.

„Aber ich bin nicht süß!“, fahre ich auf.

Immer werde ich auf meine Größe reduziert! Das ist Diskriminierung! Mobbing! Eine Verschwörung!

„Jaja, ich weiß – aber vielleicht sieht Akira das ja andeeeers!“, flötet Kai und nimmt noch mal einen kräftigen Schluck von seinem Mangobrei mit Eiswürfeln.

„Welche Drogen hast du eigentlich genommen?“

„Sei nicht so engstirnig, lass den Gedanken zu! Du siehst gut aus und du bist, mit Verlaub, klein und wenn man dich nicht kennt, kommt man schnell in Versuchung, dich als eins der süßesten Dinge auf der Welt einzustufen. Jetzt kommt also Akira um die Ecke und sieht dich am 1. April, als du mit mir zum Spint gehst und deine Bücher schleppst und dich über unseren Stundenplan aufregst. Nehmen wir an, rein hypothetisch, GUCK MICH JETZT BLOSS NICHT SO AN, dass Akira sich… in dich… oh Gott, wenn du so schaust, trau ich mich gar nicht, das auszusprechen!“

Ich habe nämlich meinen Todesblick aufgesetzt. Was für ein Schwachsinn, was Kai da redet! Ich hab mich nicht über meinen Stundenplan aufgeregt! Und überhaupt, mir gefällt die Richtung nicht, in die das Ganze geht!

„Mach weiter, du hörst vorher ja eh nicht auf…“, sage ich dann und Kai macht im Plauderton fröhlich weiter, während er mit dem grünen Strohhalm versucht, die Eiswürfel, die nicht richtig zerhackt wurden, klein zu kriegen:

„Okay, also Akira hat sich wenigstens mal in dich verknallt und weiß nicht, wie er mit der Sache umgehen soll – weil wie wir alle wissen, war er bisher immer der Ladykiller und Macho. Dass er jetzt vielleicht sowas wie Gefühle für einen Jungen hegt, behagt ihm nicht. Deshalb versucht er, das Ganze zu überspielen, indem er dich piesackt. Nachdem dir aber die Hutschnur hochgegangen ist und du ihm gesagt hast, dass er nicht dein Typ ist, brennen ihm die Sicherungen durch und er küsst dich – nicht gewollt, aber das war alles Steuerung seines Unterbewusstseins und seine Triebe haben überhandgenommen.“

„Da hat jemand wohl heimlich Bücher von Freud gelesen!“

„Ne, aber unser Ethiklehrer hat mal davon geredet!

„Da muss ich geschlafen haben…“

„Ist ja auch egal, lass mich diese wunderbare These beenden!“

Ich seufze und lecke die Sahne von meinem Deckel ab, als Kai fortfährt:

„Jetzt, da du weißt, dass Akira sehr wohl auf Männer, beziehungsweise eher auf dich steht, kann er so wie bisher nicht mehr weitermachen. Und vielleicht macht er sich ja Hoffnungen, dass er vielleicht doch dein Typ werden könnte, wenn er nur nett genug zu dir ist. In der Schule kann er sich diese Blöße aber nicht geben und taucht nun mehr oder weniger zufällig in deiner Freizeit auf. Dadurch, dass er dich gestern vor seinen Freunden gerettet hat, erhofft er sich vielleicht, dass du ihm noch mal eine Chance gibst, aber natürlich kann er sich ein paar Sticheleien nicht verkneifen, denn eigentlich wehrt er sich noch gegen den Gedanken, schwul zu sein.“

Er schließt seine Rede, indem er die Hände bedächtig faltet und mich auffordernd anschaut. Ich lasse diese Worte durch meinen Kopf gehen.

Naja.

„Hört sich plausibel an, aber ich glaube, dass da andere Hintergründe mitspielen.“

Ich meine, wenn DER auf MICH stehen würde, Halleluja, den Tag müsste ich mir im Kalender ankreuzen! So viel Glück hab ich nicht. Ich bekomme in meinem Leben höchstens Takeru ab, der ewige süße Kerl, der nie erwachsen werden wird und mich bemuttert bis an mein Lebensende. Und ja. Das war’s. Ende der Geschichte!

„Dann tippe ich darauf, dass Akira ein kranker Mörder ist, der dich als Opfer ausgesucht hat, dir jetzt hinterherstalkt und sich mit dir anfreunden will, damit er irgendwann zuschlagen kann. Und dann vergräbt er dich im Wald und notiert seine Tat in einem Notizbuch, das er dann in einem Café liegen lässt und ein armer Zivilist...“

„Kann es sein, dass du ein kleines bisschen zu viel von den Horrorfilmen deines Dads gesehen hast?“

„Nö, ich hab da einen neuen Manga gefunden, der heißt ‚Goth‘ und es geht um…“

„Jaaaaa, okay!“, würge ich Kai zum zweiten Mal ab und dann schwingt die Tür auf, mit ihr kommt ein Schwall heißer Luft von draußen in den klimatisierten Raum.

Wir drehen uns um und es sind Takeru und Yuji, die sich mit uns hier verabredet haben. Wenn man vom Teufel spricht, oder besser gesagt denkt!

„Kein Wort zu Takeru“, flüstere ich Kai rüber, als die beiden uns entdecken und auf unseren Tisch zusteuern.

„Ich schweige wie ein Grab.“

Takeru wirft schnell seine Handtasche (heute in schickem Leder) auf den Stuhl, der neben mir steht und zieht mit Yuji los, um sich selber irgendwas von diesem überteuerten (aber extrem leckeren) Scheiß zu kaufen.

„Brav. Ich hab keine Lust auf ne Szene.“

„Wieso, du hast ihn doch nicht betrogen!“

„Kai!“

„Waaas denn?“

„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich nicht mit Takeru…“

„Jaja, das sagst du jetzt noch!“

Kai lehnt sich wissend zurück in seinen Sessel und grinst. Wie würde sich das Mangogepansche in seinem Gesicht eigentlich machen? Bevor ich zu einer Hetztirade ansetzen kann, kommen Yuji und Takeru schon wieder zurück, beide mit Getränken in der Hand. Takeru hat natürlich die Vanillacream gekauft. Und nuckelt jetzt zufrieden an seinem Strohhalm.

„Wie geht’s euuch?“, flötet er, als er sich neben mich auf den Stuhl gesetzt hat.

Yuji und Kai haben synchron die Beine übereinandergeschlagen, während ich ein „Ganz okay“ knurre. Als Kai auf Takerus fragenden Blick über meine Eskapade gestern berichtet, werde ich von diesem mit einem fast schon tödlichen Blick bestraft.

„Warum machst du sowas jedes Mal?“

„Mach ich doch gar nicht jedes Mal!“, verteidige ich mich.

Und außerdem, man ist nur einmal jung! Meine Leber verträgt sicherlich noch einiges!

„Naja, er hat’s ja überlebt…“, meint Yuji.

Ich mag den Kerl. Der ist so schön diplomatisch und ergreift nie Partei. Er ist ehrlich. Nicht so wie Kai, der mir ständig in den Rücken fällt oder Takeru, der immer was zum Nörgeln braucht.

„Geschieht dir Recht, dass du Kopfweh hast – und eigentlich sollte ich dir die gar nicht geben!“, mimosert Takeru und kramt in seiner Handtasche nach etwas.

Dann schmeißt er mir eine Tablettenpalette auf den Tisch.

„Da, sind die von meiner Mutter!“

„Du klaust deiner Mum Tabletten?“

„Die nimmt sie eh nicht!“, kommt es von Blondie (naja gut, jetzt ja eher Brownie, aber da gibt es zu viele Assoziationen zum amerikanischen Kuchenklassiker) zurück und um den Hausfrieden zu wahren bediene ich mich.

„Also, was steht heute an?“, fragt Kai dann in die Runde, als ich diese megagroße Killertablette (Zitat Takeru: „Stell dich nicht so an! Wer feiern kann, kann auch die Konsequenzen tragen!“) runter gewürgt habe.

Oh Gott, wie ich Tabletten hasse. Yuji und Takeru ziehen noch mal an ihren Getränken, dann meint Yuji:

„Heut soll ne Hanabi sein.“

„Oh Gott, neiiiin!“

Mein Aufschrei bleibt natürlich nicht unbemerkt und der Barista, der gerade die Tassen auf den umstehenden Tischen einsammelt, wirft mir einen überraschten Blick rüber. Uppsala!

„Ich wusste, dass er das nicht gut findet!“, meint Takeru dann und lässt seine imaginären Katzenöhrchen traurig hängen.

„Muss es denn wirklich Hanabi sein? Wär Kino nicht auch nett?“, frage ich.

„Aber Ruki, sei doch kein Spielverderber!“

Schon wieder! Da fällt er mir schon wieder in den Rücken! Echt mal, wenn man Kai als Freund hat, braucht man keine Feinde mehr!

„Aber…!“, fange ich an, dann sagt Kai:

„Guck mal, Takeru hat sich anscheinend so doll drauf gefreut, mit dir da hin zugehen!“

Immer schickt er Takeru als Druckmittel vor!

„Du kannst mich so nicht erpressen!“, antworte ich und verschränke die Arme vor der Brust.

„Ich fänd’s schön…“, höre ich es dann traurig von meiner linken Seite.

ARGH! Was soll denn die Scheiße wieder?! Ich sehe von Takeru, der mit der wenn-ich-traurig-gucke-wird-er-mir-aus-der-Hand-fressen-Schiene fährt zu Kai, der mich mit einem Psychologen-Lächeln begutachtet und zu Yuji, der sich wieder aus allem raushält und pfeifend Löcher in die Luft starrt.

Nein, ich bleibe stark.

Selbst, wenn Takeru jetzt ganz niedergeschlagen aufseufzt und seinen Kätzchenblick aufgesetzt hat.

Neiiin, ich lass mich davon gar nicht beeindrucken!

Alles nur Show!

Ach verdammt!

„Ich zieh aber keinen dämlichen Yukata an und wenn einer von euch auch nur auf die Idee kommt, selber einen zu tragen, klink ich mich aus dem Mist aus!“

Ein Triumphschrei geht am Tisch herum und ich kann nicht glauben, dass ich wirklich auf so ne bescheuerte Hanabi gehe… Hanabis sind in meinen Augen einfach nur unglaublich anstrengend. Überall nur Idioten. Angefangen bei den Touristen, die mit billigen Yukatas, die schlecht oder falsch gebunden sind, durch die Gegend ziehen und sich unglaublich cool finden, über die eingeborenen Idioten mit den dummen Yukatas bis hin zu den schreienden Kindern und zugehörigen Eltern. Und dann natürlich der Schwefelgeruch, der in der Luft hängt. War noch nie nie nie mein Ding!
 

Als wir am Austragungsort (Yoyogi-Park, wer hätt’s denn jetzt aber auch gedacht!) ankommen, sind die besten Plätze natürlich schon von turtelnden Pärchen besetzt. Ich ignoriere Takerus sehnsüchtigen Blick, den er diesen Menschen auf ihren Deckchen zuwirft und stapfe unbeirrt weiter. Auch, wenn er mich zur Hanabi gebracht hat, SO ende ich beim besten Willen nicht! Nee, da kann er noch so viel miauen und irgendwelche süßen Tierchen nachmachen, ich hab mir geschworen, nie auf einer Hanabi mit meinem Liebsten im Arm auf so einer dämlichen Decke zu liegen und dann in aller Öffentlichkeit mit einem Make Out anzufangen!

„Du solltest ein bisschen einfühlsamer sein!“, meint Kai, als Yuji mit Takeru losgezogen ist, um uns was zum Trinken zu holen.

„Was soll denn das heißen?“, knurre ich und lasse mich ins Gras fallen.

„Na das, was ich grade gesagt hab, du Idiot!“

„Ich BIN einfühlsam! Ich verfolge nur meine Prinzipien! Und außerdem bin ich verkatert!“

„Sollte man die Prinzipien nicht ab und zu über Bord werfen?“

„Nein“, meine ich bestimmt.

Dieser ständige Stress, dem ich unterworfen bin! Wann hört das endlich mal auf?

„Du bist ein sehr schwieriger Mensch!“

„Ich bin eben eine Herausforderung, damit müsst ihr leben!“, verteidige ich mich und bereue jetzt schon, dem ganzen zugestimmt zu haben.

Ich habe nämlich das Gefühl, dass Kai, Yuji und Takeru etwas ausgeheckt haben und ich bin sicher der Leidtragende. Ich beschließe, bei den ersten Anzeichen eines Verkupplungsversuchs das Weite zu suchen. Sollen die ihre dummen Feuerwerke doch zu dritt angucken! So, beschlossene Sache! Eine Weile sitze ich schmollend neben Kai und dann kommen Yuji und Takeru, die natürlich aufgrund meines Katers nur Wasser besorgt haben.

„In ungefähr ner halben Stunde soll’s losgehen“, meint Yuji beiläufig und ich unterdrücke mein Stöhnen.

Je früher das anfängt, desto schneller ist es vorbei! Können wir den ganzen Spaß nicht vorziehen?

Natürlich tut man mir den Gefallen nicht und ich tue einfach mal so, als würde ich dem Gespräch, das die anderen drei gerade führen, folgen. Die dreißig Minuten Wartezeit gehen überraschend schnell rum und nachdem die ersten Feuerwerkskörper gezündet wurden, kann ich die „Oooooh!“s und „Aaaaah!“s schon nicht mehr hören. Kommt schon, Leute, wird das nicht irgendwann mal langweilig? Ich seufze, was zum Glück unter dem Geräusch des nächsten explodierenden Imports aus China (ich bin ÜBERZEUGT, die Globalisierung schlägt sich auch hier nieder!) untergeht. Yuji und Kai sind ganz begeistert, als sich der Himmel rot färbt und es überall funkelt und blitzt. Takeru rutscht mittlerweile ganz auffällig unauffällig an mich heran und meine Alarmglocken schlagen an. Ding ding ding ding! Ich muss hier weg! Ich springe auf und Takeru sieht mich fragend an.

„Ich muss mal kurz telefonieren!“

Ja, das klingt bescheuert und nein, mir ist nichts Besseres eingefallen. Ich konnte noch nie mit guten Ausreden auftrumpfen, wenn es um sowas geht! Mit Takerus verwunderten Blicken im Rücken verschwinde ich in eine Ecke des Parks, in der nicht allzu viele Menschen rumstehen. Das erweist sich als schwierig, aber immerhin wird meine Hartnäckigkeit belohnt – ich finde einen Baum, unter dem sich noch nicht irgendwelche Pärchen die Zungen in den Hals stecken.

„Oh Gott, wie ich Hanabis HASSE!“, sage ich eher zu mir selber und verspüre den Drang nach einer Zigarette.

Ich hab ja eigentlich gedacht, ich würde aufhören. Aber ab und zu überkommt es mich eben doch.

„Ich auch, was für ein Zufall!“

„Waaaaaaaah!“

Ich hüpfe fast drei Meter zur Seite, als ich eine erschreckend bekannte Stimme neben meinem Ohr ausmachen kann. Akira. Schon wieder!

„Verfolgst du mich?!“, frage ich argwöhnisch und schaue mich um, weil ich glaube, seine Kumpanen könnten gleich aus den Büschen springen und mir an die Wäsche wollen.

„Die Frage ist doch eher: Verfolgst du MICH?“

Akira lehnt gegen den Baum, gegen den ich bis grade eben selbst noch gelehnt habe und friemelt eine Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche. Oh mein Gott! OH MEIN GOTT! Er hat Nikotin! Dieser Arsch! Ich muss ein bisschen zu sehnsüchtig auf die Packung Marlboro gestarrt haben, denn plötzlich fragt er:

„Auch eine?“

„Im Ernst?“

„So wie du mir die Zigaretten aus der Hand starrst, hab ich eben Mitleid mit dir bekommen.“

Eigentlich sollte ich nicht annehmen, weil das nur Triumph für ihn bedeutet. Aber die Strapazen der restlichen Tage und das Verlangen nach den kleinen Krebserregern sind stärker und merkwürdigerweise zündet Akira mir den Glimmstängel sogar mit seinem Feuerzeug an. Meine Güte. Aus dem soll mal einer schlau werden? Ich nuschele ein Danke, bevor ich einen tiefen Zug nehme. Oh ja, das tut gut!

„Wieder mit deinem Anhängsel da?“, fragt Akira und bläst den Rauch aus.

Ich kann mich immer noch nicht an dieses Nasenband gewöhnen. Mal ganz ehrlich, das sieht noch schlimmer aus als seine Nase selber. Obwohl ich die ja nicht schlimm finde – aber das darf ich seit der Aktion in der Umkleidekabine natürlich nicht zugeben. Ich darf allgemein nicht zugeben, wie umwerfend ich seine komplette Gestalt finde, sonst ist der letzte Funken meiner Ehre auch erstickt.

„Ja“, meine ich nur und der Kerl neben mir fängt an, zu lachen.

„Das hört sich aber total erfreut an!“

„Ich BIN erfreut, ja?“

„Deswegen hast du auch augenscheinlich die Flucht vor Barbie ergriffen“, stellt er trocken fest.

Da hat er mich… Verdammt!

„Barbie hat auch einen Namen!“

„Ich fand Barbie aber eher bezeichnend. Und du bist Ken!“

„Jetzt aber!“, schnappe ich empört nach Luft, aber Akira lacht immer noch amüsiert vor sich hin.

Und ich hasse ihn noch mehr dafür, dass er so eine unglaublich… unglaublich… na, wie heißt es noch gleich? – Ja, okay, sein Lachen ist sexy. Er ist so ein Mistkerl, wirklich!

„Ist das deine neue Schiene?“, frage ich, um das Thema zu wechseln, bevor ich noch in weitere Erklärungsnöte komme.

„Was?“

„Du schlägst mich nicht, du verzichtest auf das Wort Schwuchtel, du rettest mich vor deinen notgeilen und ekligen Freunden – fast könnte man meinen, du bist nett zu mir!“

Ich versuche, das so böse und zynisch zu sagen, wie ich es vermag. Schließlich soll er nicht denken, dass mir die Entwicklung gefällt. Okay, ja, es ist angenehmer, aber das heißt nicht, dass ich ihm jetzt dankend vor die Füße falle und ihn anbete! Akira nimmt wieder einen Zug und sieht dabei so verboten gut aus, dass ich ihm mit seinem Nasenband das Maul stopfen will. Mir gehen langsam die Beleidigungen für ihn aus! Er soll gefälligst damit aufhören!

„Ich dachte, das wird langsam langweilig.“

„Langweilig?“

„Ja, ist doch immer das gleiche. Es reizt nicht mehr, dich gegen deinen Spint zu schucken und dabei zuzusehen, wie du deine Bücher vom Boden aufsammelst. Ich brauch mal wieder Abwechslung!“

„Heißt das, du bist endlich mal erwachsen geworden?“

„Nicht so voreilig, Taka-chan!“

„Nenn mich nicht so!“

Akira geht gar nicht auf meinen Protest ein, sondern sagt, während er die Asche von seiner Zigarette ins Gras schnippt:

„Ich hab mir gedacht, ich probier mal was Neues.“

„Ach und das wäre?“

„Psychologie!“

„Du weißt doch nicht mal, wie man das buchstabiert!“, rutscht es mir unbeeindruckt raus.

„Du musst nicht gleich immer von dir auf andere schließen!“

„Das ist mein Spruch!“

Akira lacht schon wieder, während ich schon wieder sauer werde. Und ich weiß nicht mal, warum genau ich sauer werde.

„Du brauchst gar nicht so blöd zu lachen!“

„Genau das mein ich“, murmelt der Blonde neben mir in seinen nicht vorhandenen Bart und der nächste Feuerwerkskörper färbt den Himmel grün.

„Du musst dich deutlicher ausdrücken. Nicht jeder kann Gedanken lesen“, sage ich und nehme einen weiteren Zug von der Kippe.

Buff, jetzt ist der Park in blau getaucht. Passend zu Akiras Schuhen. Halt mal, was soll denn das jetzt?! Als ob es mich interessieren würde, welche Schuhe der trägt!

„Ich finde es im Augenblick interessanter, dich aus der Reserve zu locken!“

Ich werde noch wahnsinnig mit diesem Idioten!

„Was meinst du denn jetzt damit?!“, fahre ich auf und muss mich zusammenreißen, dass ich nicht gleich wie Rumpelstilzchen auf den Boden stampfe.

Ich muss Haltung bewahren – ich darf jetzt nicht schwach werden und mich so aufführen, wie ich es bei Kai oder bei einer Diskussion mit meiner Mutter tun würde. Wie würde das denn aussehen? Akira grinst, dann wirft er einen Blick über meine Schulter. Seine Augenbraue schnellt wieder nach oben, dann zieht er eine weitere Zigarette aus der Packung, die er mir dann hinters Ohr steckt.

„Erzähl ich dir wann anders.“

„HALLO?!“

Akira dreht sich zum Gehen um und reflexartig schnappe ich nach seinem Arm.

„Könntest du mir EINMAL ne richtige Antwort geben? Ich mein, ich verlang ja nicht sonderlich viel von dir, aber DAS ist doch das Mindeste, was du mal in deinem Leben tun könntest!“

„Alles zu seiner Zeit, mein Süßer!“

Spielend leicht befreit er sich von meinem Griff und dann wirft er mir praktisch aus dem Nichts sein Zippo zu. Immerhin sind meine Reflexe so weit ausgeprägt, dass ich es gerade noch fange. Welch idiotische Figur ich dabei abgebe, lasse ich mal unkommentiert.

„Das hol ich mir dann später wieder!“

Auf meiner Stirn steht wohl ein großes „WTF?!“, denn als er sich noch mal umdreht, lacht er, dann dreht er sich wieder um und hebt noch mal die Hand, bevor er ganz verschwindet. Kann mir mal einer sagen, was hier vor sich geht?!

„War das Akira?“

Jetzt weiß ich, warum der so schnell verschwunden ist: Takeru hat mich wohl gesucht und offensichtlich gefunden. Sonst würde er ja nicht neben mir stehen. Logische Konsequenz.

„Jo“, meine ich und stecke die Zigarette in meine Jackentasche.

Ich hab das Gefühl, dass ich die noch brauchen werde. Und dieses Feuerzeug dann wohl auch.

„Rauchst du schon wieder?!“

„Könntest du aufhören, ständig an mir rumzunörgeln?“, frage ich gereizt, aber im nächsten Moment tut’s mir Leid.

Schließlich kann Takeru ja nichts dafür, dass meine Laune durch mein Kopfweh extrem gedämpft ist. Gut, für die Hanabi kann er was. Da hätte er mich nicht hinschleppen müssen. Und dann fällt mir ein, dass Takeru ja auch beim Thema Rauchen extremst empfindlich ist. Ich seufze und als der wohl letzte Feuerwerkskörper den Himmel in gleich mehreren Farben erhellt, überwinde ich mich und lasse zum ersten Mal an diesem Tag wieder Körperkontakt zu. Ich nehme seine Hand und streichele über den Handrücken und ich bin mal wieder überrascht, wie zart und klein seine Hände sind. Ganz ehrlich, manchmal wäre er echt eine bessere Frau geworden.

„Lass uns gehen, die suchen uns bestimmt schon.“

Takeru nickt und drängt sich während des Rückweges an mich. Okay, ja, da ist das Klammeräffchen wieder. Aber ich muss jetzt mal wirklich wieder nett sein. Ich hab Takerus Geduld heute bestimmt schon arg auf die Probe gestellt. Kurz bevor wir die Stelle erreichen, wo ich die drei vorher allein gelassen habe, bleibt Takeru stehen.

„Was ist?“, frage ich ein bisschen blöd – wahrscheinlich hat der Alkohol von gestern ein paar Gehirnzellen zu viel getötet… auf jeden Fall fühle ich mich heut extrem dumm.

Takeru schaut mich nur an und ich kann nur erahnen, was in seinem Kopf vorgeht.

„Alles okay?“

Für einen Moment herrscht Stille und dann meint er:

„Ja.“

Und damit beugt er sich zu mir vor und legt seine Lippen auf meine Mundwinkel, ganz leicht und ganz schnell. Das Gefühl, das sich in meinem Körper ausbreitet, kann ich nicht wirklich einordnen.

„Ich will nur, dass es dir gut geht“, meint er dann ganz leise.

„Aaaah, er hat ihn gefunden!“

Kai und Yuji kommen herangetrabt und beglückwünschen Takeru dafür, dass er mich gefunden und wieder hier her gebracht hat. Kai fängt an, irgendeinen Vorschlag zu unterbreiten, aber ich höre nicht genau hin. Ich bin ganz durcheinander gerade. Gott, wie erbärmlich ich bin.

Als wir uns in Bewegung setzen, weiß ich zwar nicht, wo wir hingehen, aber ich bin mir sicher, dass die ganze Sache noch ganz schön lustig enden wird.

Falls Kai mit seiner Theorie recht haben sollte.

Was er sicher nicht hat.

Bestimmt nicht.

Glaube ich.
 

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Immer her mit den Meinungen ^^"

Ich lass euch was von meinem Mittagessen da *Reis + Thai-Curry-Huhn-Gemüse-Gemisch-das-keinen-wirklichen-Namen-hat hinstell* :3

Nen Guten! XD

Hello, hello!

& da bin ich auch schon wieder :D

Ich würd mich gern bei allen Kommentarschreibern persönlich bedanken, weil ich eure Kommentare so unglaublich nett find, aber grad bin ich eher nur aufm Sprung & muss gleich wieder los.
 

Nebenbemerkung: Klammern sind immer noch Einschübe von Rukis Gedankengängen - ich will mich wirklich nicht gegen die Regeln hier auflehnen, weil Klammern ja eigentlich ein Autorenkommentar anzeigen, aber ich hab die Story ja schon wo anders hochgeladen & die ganzen Klammern jetzt wieder gegen irgendwas anderes zu ersetzen wär einfach umständlich und ich hab grade auch nicht die Zeit, noch mal drüber zu lesen. Vergebt mir bitte. ;__;
 

Falls ich wieder ne Story poste, beachte ich das, ich schwörs! .__."
 

Und jetzt zum Eigentlichen:
 

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Kapitel 5 – Hello, hello!
 

Die neue Woche beginnt logischerweise mit dem größten Arschlochtag, den man erfinden konnte – dem Montag. Montage sind der reinste Horror. Nicht nur wegen Biologie oder dem Sportunterricht, in dem ich immer regelmäßig einen Fußball, einen Schläger oder das Körperteil eines Klassenkameraden in die Fresse bekomme, sondern weil es dann noch so lang bis zum Wochenende hin ist. Es ist also nicht verwunderlich, dass ich am Ende des Schultages immer komplett geplättet nach Hause komme.

Als ich den Weg zum altbekannten Hausblock einschlage, fällt mir sofort auf, was heute anders ist als sonst: Vor dem Eingang steht ein fetter LKW und heraus springen fleißige Arbeiter, die Möbel, Kartons und anderen Krimskrams ausladen und ins Innere tragen. Umzug! Etwas perplex stehe ich daneben und schaue mir an, was für ein unglaublich sperriges Sofa vier der Männer in Grauen Jacken mit dem Emblem der Umzugsfirma auf den Rücken hochhieven, als ein Kerl aus dem Haus spurtet und ganz schön fertig aussieht. Ich schätze ihn etwa auf mein Alter.

„Wenn Sie das Sofa fallen lassen, bringt Sie meine Mutter um, das wissen Sie?“, meint er dann und besieht sich die Szenerie.

Unter Ächzen und Stöhnen gibt einer der vier ein „Ja“ zu verstehen und dann schleppen sie den Möbelkollos zum Aufzug. Immerhin! – Wie kriegen die das Ding da nur rein?

„Vorsicht!“

Weil ich den Arbeitern hinterhergeschaut habe, ist mir gar nicht aufgefallen, dass ich komplett im Weg stehe. Erschrocken springe ich zur Seite und mit einem „Herzlichen Dank!“ und einem strahlenden Lächeln schiebt sich der Kerl mit einer Umzugskiste an mir vorbei. Ich beschließe, das Feld zu räumen und verziehe ich mich in meine Wohnung (ja, okay, in die Wohnung, in der ich mit meinen Eltern lebe).

„Bin daheim!“

Meine Schuhe landen in der Ecke und dann tappe ich ins Wohnzimmer, wo meine Mum ganz neugierig aus dem Fenster sieht und nach unten auf die Straße zum Umzugswagen gafft.

„Hallo, Schätzchen!“

Ja, ich werde von ihr immer noch wie ein Kleinkind behandelt. Aber gut, besser, sie erdrückt mich mit Liebe und Fürsorge als mich komplett zu ignorieren, wie es bei anderen der Fall ist.

„Spitzelst du schon wieder?“, frage ich und gehe in die Küche.

„Neiiiin! Ich guck nur raus!“

„Ja. Klar.“

Meine Mutter ist einer von den Menschen, die nichts Besseres zu tun haben, als den ganzen Tag aus dem Fenster zu schauen und zu beobachten, was unten auf der Straße abgeht. Wenn hier was passiert, meine Mum weiß sicher, was genau vor sich gegangen ist! Ihre Leidenschaft wurde sogar mal „belohnt“, als sie einen Raub bei uns in der Gegend beobachtet hatte. Sie hatte die Polizei gerufen und vom Opfer sogar eine Belohnung bekommen, weil der Täter geschnappt wurde.

Ja, meine Mutter ist eine Heldin.

Nicht wirklich.

Aber naja, man kann ja nicht alles haben. Ich werfe den Reiskocher an und suche nach irgendwas Anderem, was mit Reis ganz gut schmeckt.

„Ich hab aber auch Yakisoba gemacht!“, höre ich es aus dem Wohnzimmer.

„Sicher nicht, Mama!“

„Ich hab mich wirklich angestrengt!“

„Und genau dann wird’s am Schlimmsten!“

Ich hab ihr schon oft einen Kochkurs näher legen wollen, aber dafür ist sie zu stolz. Sie findet, ihr Essen schmeckt. Papa und ich finden das Gegenteil. Mit dem Unterschied, dass ICH das Essen immer boykottiere, mein anderer Elternteil nicht – er ist ein Feigling, daher will er den Hausfrieden wahren und gibt bei jedem Abendessen klein bei. Deswegen habe ich angefangen, mich weitgehend selber zu versorgen. Wenigstens auf dem Gebiet bin ich ein wenig selbstständig und würde sogar überleben. Beim Rest, wie etwa Putzen und Wäsche waschen wäre ich ein Versager.

„Oh, bevor ich’s vergesse!“

Meine Mutter hat sich endlich vom Fenster gelöst und ist ins Bad gespurtet, um da was zu holen. Das etwas entpuppt sich als Wäschekorb. Wortlos lässt sie den Korb auf den Boden fallen. Ich, der gerade Sojasoße aus dem Regal gefischt hat, schnalle.

„Neiiiin, Mama! Bitte! Nicht ich!“

„Sechzig Grad, Kochwäsche, ja?“

„Mamaaaaaaaaa!“

„Danke, Takanori!“

Und damit verschwindet sie wieder zum Fenster. Ich wurde mit Absicht ignoriert. Wie klar war das denn?

„Ich ess erst mal was!“, antworte ich pampig und warte darauf, dass der Reis gart.

„Kein Problem! Nur muss die Wäsche heut noch runter!“

Bla, bla, bla! Ich hätte nicht ans Wäsche waschen denken sollen, glaube ich. Feindselig starre ich den Wäscheberg im Korb an, der mich irgendwie auszulachen scheint. Haha, du Idiot! Na danke auch…
 

Als ich eine halbe Stunde später mental bereit bin, den Gang in die Waschküche anzutreten, hat Mama den Fernseher eingeschalten, worauf ich schließe, dass der Umzugswagen wohl weggefahren ist.

„Willst du nicht lieber die Wäsche…“, fange ich an, aber da kommt ein hartes „Nein!“ vom Sofa.

Gut. Okay. Sie soll sich aber nicht beschweren, wenn ihre Klamotten dann eingehen! Pfe! Genervt schnappe ich den Wäschekorb und schleppe die gefühlten zehn Kilo (mal ne Frage, wie viel Dreckwäsche kann eine dreiköpfige Familie eigentlich produzieren?!) zum Aufzug. Ich drücke die Taste, die „U“ anzeigt und der Aufzug setzt sich in Bewegung. Ich lehne gegen den Aufzug und ich trommele mit den Fingern gegen das Plastik des Korbes.

Hm, ich hätte Drummer werden sollen! Sogar Kai, der schon seit hunderttausend Jahren spielt, meint, dass ich Talent hätte! Plötzlich bildet sich in meinem Kopf zu dem Beat des Wäschekorbs ein Lied und ich fange an, die Melodie mit zu summen. Oh ja, ein Klassiker!

„Dore dake namida wo nagasebaaaa…“

Die Aufzugtür geht auf und ich befinde mich im Untergeschoss.

„Anata wo wasurareru darooo…“

Die Tür zur Waschküche kicke ich auf, wie James Bond. Man, ich bin sowas von cool! Der Wäschekorbe landet auf der Waschmaschine und ich öffne die Tür zur Wäschetrommel.

„Just tell me my life, doko made aruiteeee mite mo…“

„Namida de ashita ga mienaiiii!“

Mein Herz bleibt stehen und ich wirbele mit einem T-Shirt in der Hand herum. Was? Wo? Wer? Der Typ von vorhin steht vor mir, selber mit einem Berg Wäsche beladen. Oh Gott, ich hab ganz vergessen, dass hier noch andere Menschen leben! Der Kerl grinst mich an, dann sagt er:

„Hübsche Stimme hast du da!“

„Äh… danke?“, mache ich und beschließe, die Sache mit der Wäsche so schnell wie möglich zu beenden.

Meine Fresse, ist das PEINLICH!

„Machst du das öfter?“

Der Fremde ist mittlerweile zur eigenen Waschmaschine gelaufen und wirft die Wäsche in die Trommel.

„In der Waschküche singen?“, lautet meine sehr stupide Gegenfrage.

„Naja, der Ort ist mal egal.“

„Ääääh… najaaa…“

Nach einigem Überlegen sage ich, dass ich sehr wohl singe, nur eben bei geschlossenen Türen oder unter der Dusche. Was zur Hölle ist das eigentlich für eine Unterhaltung, die ich hier führe?

„Also schließe ich mal daraus, dass du… in keiner Band aktiv bist?“

Weil ich auch so aussehe, du Vollidiot!

„Nein, aber ich wüsste auch nicht, was das dich interessieren könnte!“, meine ich etwas reserviert und stelle die Waschtemperatur ein, „und außerdem ist das unhöflich, jemanden von der Seite anzuquatschen und sich nicht mal vorzustellen!“

Der andere lacht auf, dann sagt er:

„Du hast nicht mal Unrecht! Ich bin Aoi.“

Damit wird mir seine Hand unter die Nase gehalten und ich begutachte fünf perfekt in schwarz lackierte Nägel.

„Ruki“, meine ich und ergreife die Hand.

Sein Händedruck ist ziemlich fest und ich muss mich kurz zusammenreisen, nicht loszujammern. Ich bin ne Memme, mein Händedruck gleicht dem eines toten Fisches, also bitte sei vorsichtiger!

„Also, ich will ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen…“, fängt Aoi nun an und ich sage:

„Das bist du sowieso schon…“

„Ja gut, dann kann ich doch gleich weitermachen, oder?“

Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwie mag ich den Kerl. Ich nicke gnädig, um ihm zu verstehen zu geben, dass er weitermachen kann, mit was auch immer.

„Zufälligerweise spiele ich in einer Band, Gitarre, im Übrigen, und unser Sänger hat vor ner Woche beschlossen, auszusteigen. Und jetzt ziehe ich um und treffe zufälligerweise auf dich!“

„Willst du damit sagen, dass ich SINGEN soll?“

„Ja, doch!“

Aoi grinst mich übers ganze Gesicht an, aber ich bleibe skeptisch. Ich. Singen. In einer Band. Achso?

„Ich weiß doch gar nicht, ob das passt.“

„Ich weiß es aber, nach deiner Gesangseinlage! Glaub mir!“

Aois Ton lässt keine Widerrede zu und irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich hier nicht wegkomme, bevor ich ihm eine Zusage erteilt habe.

„Morgen gleich hätten wir eine Probe, ich könnte dich mitnehmen und dann könntest du mal reinschauen. Und die andern, die sind alle total in Ordnung. Uruha ist ein bisschen merkwürdig, aber nett. Und die anderen zwei tun auch niemandem etwas.“

„Wie beruhigend zu wissen!“

„Ja, find ich auch!“

Ich seufze. Es braucht eine Weile, bis ich mich dazu durchringen kann, zu sagen:

„Naja gut. Aber versprich dir nicht zu viel!“

Aoi fängt wieder an, zu strahlen und sagt:

„Okay, dann um fünf – in welchem Stock wohnst du?“

„Sieben“, sage ich knapp und dann noch, dass er bei ‚Matsumoto‘ klingeln muss.

„Alles klar!“

Aoi murmelt noch ein paar mal „Sieben. Matsumoto.“ vor sich hin und als er selber die Waschmaschine zum Laufen bringt, sagt er:

„Dann bis morgen!“

„Ja, bis dann!“

Aoi verschwindet und ich drücke auch selber auf ‚Start‘. Mein nützlicher kleiner Freund setzt sich surrend in Bewegung und jetzt ist die Stille, die in der Waschküche sonst herrscht, vollends vorbei.

Warte mal, hab ich echt zugesagt, mit einem mir komplett fremden Kerl zu einer Bandprobe zu gehen?

Ich muss von allen guten Geistern verlassen sein!!
 

Am nächsten Tag steht Aoi um Punkt fünf auf der Matte und klingelt Sturm. Mein Glück, dass ich allein bin, sonst hätte meine Mum Aoi wohlmöglich noch gezwungen, auf einen Snack reinzukommen und hätte versucht, Informationen aus ihm herauszuquetschen, die sie für ihren neuesten Klatsch und Tratsch brauchen kann, wenn sie mit ihren Freundinnen jeden Freitag im Café um die Ecke sitzt und Neuigkeiten austauscht. Aoi hat seinen Gitarrenkoffer in der rechten Hand und meint:

„Los geht’s!“

„Okay…“, mache ich, mit einem unguten Gefühl im Magen.

Das hier ist das wohl Verrückteste, was ich je getan habe. Aber gut, man lebt nur einmal – und wahrscheinlich ist das eh eine einmalige Sache. Ich und singen. Jaaa, genau und ich bin Jesus!

„Fahren wir nicht mit der Bahn?“, frage ich perplex, als Aoi nicht den Weg zur U-Bahnstation ansteuert.

Und auch nicht den zur Bushaltestelle. Er läuft schnurstracks durch die kleine Grünanlage vor dem Wohnblock, wo die Kinder aus dem Viertel gerne Fußball spielen.

„Nein!“

„Aber… warum?“

„Weil’s gleich um die Ecke ist!“

„Es gibt Proberäume hier um die Ecke?“

Da sieht man mal wieder, wie gut ich über das Viertel informiert bin, in dem ich seit meiner Geburt lebe. Was kommt als nächstes?

„Ja sicher! Es ist eigentlich nur ein leer stehender Raum in nem Keller, aber mit meinen Connections und Uruhas Charme konnten wir das so hindrehen, dass wir uns da drin ausbreiten konnten.“

Uruhas Charme. Aaaaahja. Ich lass das mal dezent unkommentiert und beschließe, die Sache einfach auf mich zukommen zu lassen. Wir laufen ungefähr zehn Minuten (naja, „gleich um die Ecke“ definiere ich aber anders, mein Lieber!), dann stehen wir vor einem anderen Hochhaus und Aoi zückt den Schlüssel. Ich folge ihm ins Treppenhaus, wo es nach Desinfektionsmittel riecht. Irgendwie gruselig!

„Der Geruch geht irgendwie nicht weg.“

Als hätte er meine Gedanken gelesen. Noch gruseliger!

„Riecht’s bei euch im Proberaum auch so?“

„Neee, da kann ich dich beruhigen!“

Ich folge Aoi die Treppen runter und dann stehen wir in einem langen Gang. Irgendwie fühle ich mich wie ein Hündchen, das seinem Herrchen hinterhertrottet. Aber gut, woher will ich auch wissen, wo dieser ominöse Proberaum liegt? Am Ende des Ganges zückt Aoi den Schlüssel ein zweites Mal und dann öffnet er die Tür.

„Willkommeeeeeen!“

Misstrauisch betrete ich das Territorium von Aoi und den mir noch unbekannten Anderen. Ein Schlagzeug, ein heilloses Durcheinander von Notizen und leeren Chipstüten, Verstärker, Mikrophone, eine Stereoanlage und ein Keyboard, das man wohl eher stiefmütterlich behandelt und in die Ecke platziert hat.

„Die anderen müssten eigentlich gleich kommen“, murmelt Aoi, als er auf die Uhr schaut, die über der Eingangstür hängt.

„Habt ihr schon mal dran gedacht, aufzuräumen?“, frage ich, als ich fast über einen Ordner stolpere, der wohl schon seit Jahren auf dem Boden liegt.

„Daran denken wir immer, aber keiner fühlt sich berufen, es zu tun.“

Okay, dann wär das auch geklärt.

„Würdest du dieses Chaos etwa aufräumen wollen?“

Aoi hat die Gitarre ausgepackt und dreht nun an einem Verstärker rum. Ich mache einen großen Schritt über eine Kreuzung aus Verstärkerkabeln und Stimmgeräten.

„Ne, wahrscheinlich nicht mal für Geld!“

„Dann weißt du, wie’s uns geht!“

„Hallöööööchen!“

Ich drehe mich um zur Tür und da steht der erste Bandmember: Er ist dunkelblond, groß und schlank und hat ziemlich hübsche Gesichtszüge. Als erstes erblickt er mich und er reißt seine geschminkten Augen weit auf.

„Ist das der Kerl, den du mitbringen wolltest?“

„Ja, genau!“

Aoi wirft die Gitarre auf ihren Ständer und beide kämpfen sich ihren Weg durch das heillose Durcheinander zu mir.

„Also, das ist Uruha.“

„Ach, der Merkwürdige mit viel Charme?“

Uruhas Augenbrauen schnellen nach oben und Aoi wird augenblicklich kleiner.

„Äh. Ja. Genau.“

„Ich bin doch nicht merkwürdig!“

Naja, muss ich dazu was sagen? Aoi jodelt:

„Wiiie auch immer, das ist Ruki!“

Mir fällt auf, dass Uruha ein ganzes Stück größer ist als ich. Wir schütteln uns die Hand, dann tänzelt Uruha zu einem anderen Verstärker. Während er das tut, plappert er:

„Aoi hat mich gestern noch angerufen und von dir erzählt. Dass wir gleich einen Ersatz für unsern Sänger finden, unglaublich!“

„Halt Mal, ich hab nicht gesagt, dass ich da gleich mitmache!“, stelle ich klar und Aoi wirft mir ein Mikrophon entgegen, das ich glücklicherweise fange.

„Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass wir dich so einfach gehen lassen?“, meint Uruha und wirft mir ein spitzbübisches Grinsen zu.

„Mach ihm keine Angst!“, fährt Aoi auf und dann geht die Tür ein zweites Mal auf.

Ein Blonder steht im Raum und er sieht ziemlich gelangweilt aus. Oder krank. Vielleicht auch beides.

„Hi.“

Das ist alles, was er sagt.

„Äh, ja, das ist Yune!“, sagt Aoi und stellt mich dann auch vor.

Yune, der sich hinter die Drums gesetzt hat, nickt mir kurz zu.

„Bitte, überschütte Ruki nicht mit deiner Freundlichkeit! Der Arme weiß ja gar nicht, wie er damit umgehen soll!“, frotzelt Uruha und wirft Yune einen bösen Blick zu.

Yune stößt nur die Luft aus und meint:

„Schlechter Tag, sorry!“

Ich gebe zu verstehen, dass das nicht schlimm ist. Schließlich bin ich bei schlechten Tagen nicht weniger assi.

„Dann fehlt nur noch unser Bassist und wir sind komplett!“, ruft Uruha und Yune packt seine Drumsticks aus.

„Solang der nicht kommt, können wir Ruki ja mal nen Song zeigen“, meint Aoi und kramt ein Blatt aus einem Stapel hervor.

„Gute Idee!“, pflichtet Uruha bei, Yune ist ruhig und trommelt ein bisschen auf seinen Drums herum.

Ich werde von den beiden Gitarristen eingekeilt und bekomme ein Blatt unter die Nase gehoben.

„Ray?“

„Japp. So heißt das gute Stück.“

„Danke, darauf wär ich nicht gekommen!“, antworte ich auf Aois unglaublich hilfreiche Aussage und Uruha lacht.

„Ich mag dich, du darfst wieder kommen!“

„Zu gütig!“

Aoi und Uruha beginnen, mir den Song beizubringen und begleiten dabei auf der Gitarre. Yune trommelt im Hintergrund mit und nachdem wir einen ersten Durchlauf geschafft haben, ruft Uruha:

„Oh Gott, Ruki! Du bist das, was wir gebraucht haben!“

„Also, äh…“, fange ich an, aber Uruha unterbricht mich sofort:

„Wart nur ab, bis Reita das hört! Der wird begeistert sein!“

Moment!

„Reita heißt euer Bassist?“

„Ja, sicher. Du wirst ihn mögen, er ist echt in Ordnung!“

Naja gut, vielleicht ist es ja nicht DER Reita. Es gibt bestimmt noch mal fünf Reitas hier in dieser Stadt, also sollte ich mal lieber nicht gleich den Teufel an die Wand malen.

Akira.

Neiiin, der ist doch bestimmt zu dumm zum Bassspielen.

„Eigentlich sollte er echt mal kommen, er ist schon ne viertel Stunde zu spät“, meint Aoi und aufs Stichwort wird die Tür aufgerissen und der Bassist steht abgehetzt im Türrahmen.

„Sorry – die – Bahn – Verspätung!“

Oh Gott.

Oh Gott.

OH NEIN!

„DU HIER?!“, rutscht es uns beiden gleichzeitig raus und Akira und ich starren uns an, als würden wir zum ersten Mal einen Menschen sehen.

„Ihr kennt euch schon?“, ruft Uruha begeistert und ich bin so geschockt, dass ich keinen Ton rausbringe.

Ich fühle mich, als würde mir grade jemand einmal kräftig in den Magen treten. Mit Stahlkappen. Das darf doch wohl jetzt nicht wahr sein!
 

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War natürlich total UNVORHERSEHBAR. X'D
 

Auf ein Neues, meine Lieben. ^^"

Bis dann :)

Fuck you very, very much!

BÄÄÄM - Danke für die Kommentare, ihr macht mich sehr sehr glücklich! :3 ♥
 

Es gilt wieder: (*blahblahblah*) ist kein Autorenkommentar.

Ich sollte mir das mit den Klammern beim nächsten Mal wirklich abgewöhnen. X'D

nyah, tut mir leid.
 

Uuuund los geht's!

Sorry für die Wartezeit, ich war schlichtweg zu beschäftigt zu posten. X_____X"

*mich verbeug*
 

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Kapitel 6 – Fuck you vey, very much!
 

„Das ist der Neue?“

Akira guckt verwirrt von mir zu Aoi und dann wieder zurück.

„Ja, ist er, und wenn ihr euch schon kennt, ist doch wunderbar!“, flötet Uruha – hätte er ein Körbchen mit Rosenblättern oder Glitzer, würde er damit wohl jetzt wild um sich werfen, um seiner Freude Ausdruck zu verleihen.

Reita alias Akira alias mein Fleisch gewordener Alptraum steuert den Verstärker an, der noch übrig ist und streift die Tasche mit seinem Bass von der Schulter.

„Ja. Total cool!“

Aoi legt den Kopf schief und fragt, an uns beide gerichtet:

„Könnt ihr euch etwa nicht leiden?“

Ich ringe um Worte – wie will man das aber gut beschreiben? Soll ich seinen Bandmitgliedern wirklich erzählen, wie der mit mir umspringt, wo sie doch offensichtlich so viel von ihm halten?

„Doch, ich war nur überrascht!“, kommt es schnell vom Bassisten.

Etwas zu schnell, finde ich. Er schnallt sich den Bass um und beginnt hektisch, an den Knöpfen des Verstärkers herumzufummeln.

„Eigentlich haben wir gar nicht sooo viel miteinander zu tun“, sage ich diplomatisch.

‚Reita‘ nickt bekräftigend.

„Wir sind nur in der gleichen Stufe!“

Aoi scheint uns das nicht ganz abzukaufen, dann fährt aber Uruha dazwischen:

„Komm Ruki, wir zeigen Reita wie gut du bist!“

„Ähä. Ja“, sage ich, als die Augen des Bassisten aufblitzen, als würde er Uruha nicht glauben, dass ich auch nur eine Note treffen könnte.

„Wir sind bei Ray, Reita“, sagt Aoi noch mal, bevor Yune mit den Sticks den Takt angibt.

Ich hole noch mal tief Luft und dann beginne ich, die erste Zeile des Songs zu singen. Dir zeig ich’s, du Arsch!
 

Eine Stunde später bin ich komplett ausgelaugt, aber nach der Kritik der anderen zu schließen war ich ganz gut. Sogar Yune hat sich zu ein paar Kommentaren herab gelassen.

„Ich find dich sogar besser als Ikaru“, sagt Uruha und lässt die Gitarre in seinem Koffer verschwinden.

Ikaru war wohl mein ‚Vorgänger‘. Schätzungsweise.

„Danke“, sage ich und helfe Aoi damit, den Kabelsalat aus Mikrophon- und Gitarrenkabel zu lösen.

„Also, wenn niemand was dagegen hat, dann hätten wir einen neuen Sänger, oder?“, fragt der Schwarzhaarige dann und Uruha ruft ein begeistertes „Jaaaa!“ aus – Yune packt die Sticks ein und meint „Sicher!“. Nur Reita ist still und wir schauen ihn alle an.

Der Bassist war gerade dabei, den Verstärker auszuschalten und hält in der Bewegung inne.

„Ich hasse es, wenn ihr gafft!“, blökt er dann und Uruha flötet:

„Was sagst du, Schätzchen?“

„Ist doch sowieso schon die Mehrheit!“

„Neiiin, wir wollen deine Meinung wissen!“

Reita stöhnt, als wäre das alles ziemlich anstrengend und dann scheint er in sich zu gehen. Ich tue so, als wär ich total mit den Kabeln beschäftigt. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie er mich beobachtet um wohl scharf das Für und Wider abzuwägen. Dann, nach einer halben Minute sagt er:

„Ruki ist wirklich gut. Wir wären schön blöd, ihn nicht zu nehmen.“

„Aaaah! Dann willkommen in unserer Familie, Ruki!“

Ich werde von Uruha in einen Klammergriff genommen und ich muss nach Luft schnappen.

„Meine… Rippen!“, röchele ich und Uruha lockert den Griff.

„Sorry, ich wollte meiner Freude nur ein Ventil geben!“

Aoi fängt an, zu lachen und Yune meint:

„Ja schön, dass wir wieder komplett sind. Aber ich geh jetzt – OHNE Umarmung, wenn’s geht, Uruha!“

Der Drummer ist zur Tür gesprungen und bevor Uruha ihn in den Schraubengriff (wirklich, woher hat dieser schmächtige Kerl diese Kraft?) nehmen kann, winkt er zum Abschied und verschwindet.

„Heut war er wirklich nicht gut drauf!“, gibt Aoi sein Statement ab und packt seine Gitarre in den Koffer.

Dann wirft er Akira den Schlüssel zu.

„Du bist nächstes Mal dran!“

Akira knurrt irgendwas von „Ich bin doch kein Hausmeister!“, aber das geht unter, weil Uruha plötzlich zu Aoi geschlichen ist und in einem Unschuldston, als wäre er die Heilige Mutter Maria persönlich, meint:

„Sag mal, hast du noch was vor?“

Aoi schultert seine Gitarre und Uruha grinst ihn breit an. Halt mal. Was genau geht hier vor sich?

„Nein, zufälligerweise nicht!“

„Wunderbar, ich auch nicht!“

„Wir gehen zu dir!“

Uruha nimmt den Gitarrenkoffer in die Hand und dann, mit einem „Man sieht sich daaann!“ sind beide durch die Tür verschwunden.

„Was zur Hölle?“, frage ich mich eher selber und Akira sagt:

„Gewöhn dich dran.“

„Was machen die jetzt?“

„Ist doch egal! Raus mit dir, ich muss abschließen!“

Ich gehe mit dem anderen raus und er schließt den Proberaum ab. Dann gehen wir die Treppen hoch und der Geruch von Krankenhaus steigt mir wieder in die Nase.

„Ich hab die Theorie, dass hier heimlich Nierenoperationen durchgeführt werden. Du weißt schon. Wenn man plötzlich mit einer Narbe am Bauch aufwacht und nicht weiß, was passiert ist.“

„Das ist krank!“, sage ich und der Blonde pflichtet mir bei.

Draußen auf der Straße biegen wir nach links.

„Ich wusste gar nicht, dass du singen kannst!“

„Ich wusste auch nicht, dass du Bass spielst!“

„Man lernt nie aus, Takanori.“

Akira kickt einen Stein zur Seite und dann sagt er:

„Also… Aoi und Uruha…“

„Sind die zusammen?“

„Nein. Nicht direkt.“

Der Bassist gerät ganz klar in Erklärungsnot, aber ich lasse ihn weiter hadern, weil es irgendwie lustig ist, ihn so zu sehen. Ihm scheinen die Worte auf der Zunge zu liegen, aber es macht den Eindruck, als hätte er Angst, sie laut auszusprechen.

„Sondern?“, frage ich und stecke die Hände in die Jackentasche.

Oh, Zigaretten! Da könnte ich jetzt eine gebrauchen! Akira wirft einen Blick auf mich, wie ich die Schachtel hervorziehe und mir eine Kippe zwischen die Lippen schiebe. Und dann platzt es aus ihm heraus, als hätte er nur darauf gewartet, irgendwem diese Worte an den Kopf zu werfen:

„Die sind nicht zusammen, aber schlafen miteinander! Das ist doch krank!“

Mir fällt fast die Zigarette aus dem Mund, weil ich so lachen muss. Was zur Hölle?!

„Du meinst ‚Friends with Benefits‘?!“

Sofort springen mir Bilder in den Kopf, wie Uruha und Aoi knutschend auf dem Sofa sitzen und sich langsam die Klamotten von den Körpern schälen. Oh mein Gott, dass es sowas WIRKLICH gibt!

„Das ist nicht lustig, man!“

„Doch, das ist es!“, widerspreche ich Akira und kann mich nur noch mehr über seinen Gesichtsausdruck amüsieren.

„Pfff…!“

„Hier, rauch eine und nimm die Sache nicht so schwer!“

Ich lache immer noch, als Akira aus meiner Schachtel eine Zigarette nimmt. Und dann fällt mir siedend heiß ein, dass ich nur sein doofes Zippo habe. Zeit, ihm das Teil zurückzugeben!

„Hier, das ist doch deins!“

Ich will ihm sein Eigentum in die Hand drücken, aber er zieht sie weg.

„Meine Schwulheit färbt nicht über Körperkontakt ab!“, antworte ich etwas pampig.

„Darum geht’s nicht!“

„Sondern?“

„Ich will das Ding noch nicht zurück!“

Das versteh ich jetzt nicht. Das ‚Ding‘ hat bestimmt eine Menge Geld gekostet und er will’s nicht zurück?

„Aber du hast doch…“

„Ja, ich hab ‚später‘ gesagt. Ich hab nicht gesagt, wann.“

Da wären wir wieder ins alte Muster verfallen. Er gibt mir keine klaren Antworten, ich werde sauer und rege mich unnötig über den Kerl auf. Mal ehrlich, da könnte ich doch gleich mit einer Wand reden, da würde ich genau denselben Effekt erzielen!

„Ach, du bist so doof!“, schnauze ich und stecke das Zippo zurück in meine Tasche.

Akira lacht vor sich hin und sein Grinsen sagt mir schon wieder, dass er mich für blöd verkauft.

Als wir vor meiner Haustüre stehen, krame ich den Schlüssel aus meiner Jackentasche und Akira sagt:

„Übermorgen um sieben ist die nächste Probe.“

„Okay“, meine ich nur knapp, weil ich schon wieder den Anflug von Hass verspüre, wenn ich sein Gesicht schon sehe.

Ich drehe mich um und will den Schlüssel ins Schloss stecken, als Akira sich schon wieder zu Wort meldet:

„Ich freu mich, Takanori.“

Vor lauter Schreck fällt mir der Schlüssel aus der Hand (war ja soo klar!) und ich starre den Blonden ungläubig an.

„Okay, jetzt mal ehrlich – bist das wirklich DU?“

Akiras Grinsen spricht wieder Bände, aber ich glaube nicht, dass ich mich darüber so freuen kann.

„Sicher. Ich tu’s ja wirklich. Das wird bestimmt lustig!“

Ja, vielleicht so lustig wie der Gang zum elektrischen Stuhl. Oder so lustig wie ein runder Geburtstag mit der gesamten buckligen Verwandtschaft. Oder so lustig wie der Ausbruch eines weiteren Weltkrieges. Ich komm aus dem Lachen gar nicht mehr raus!

„Was hast du vor?“, frage ich, misstrauisch geworden.

„Ich hab doch nichts vor, Kleiner!“

„Natürlich hast du was vor! Du willst mir doch nicht weismachen, dass du dich darüber freust, dass ich noch mehr Zeit außerhalb der Schule mit dir verbringen soll!“

„Wie gesagt – ich brauch Abwechslung.“

Dieser Kerl und seine Rätsel! Irgendwann, ich schwöre es, hau ich ihm seinen Bass über den Kopf!

„Man sieht sich, Süßer!“

Und damit dreht er sich um und verschwindet um die Ecke.

„Du ARSCH!“

Das hat er natürlich nicht mehr gehört. Aber ist doch so! Wie ein Nashorn schnaubend klaube ich den Schlüssel vom Boden auf und ramme ihn unnötig hart ins Schloss. Mistkerl, blöder!!
 

„Ich hasse mein Leben.“

Kai schaut von seinem Buch über den guten alten Stoffwechsel rüber zu mir.

„Haben sie dich gestern nicht gemocht?“

„Das nicht.“

„Also du bist in der Band?“

„Ja.“

„Woaaaar, voll cool!“

Kais Strahlelächeln scheint wieder die 1000-Watt-Marke sprengen zu wollen, aber heute kann mich nichts mehr aufmuntern.

„Weißt du, wer in der Band Bass spielt?“, frage ich rundheraus, aber ich warte nicht mal eine Antwort Kais ab und setze gleich nach: „Akira!“

Aufs Wort betritt eben besagter den Raum, der für die Schüler zum Lernen gedacht ist. Das Nasenband ist verschwunden und allgemein sieht er mit seiner Uniform wieder lieb und brav und unglaublich süß aus. Lasst mich ihn töten, JETZT!

„Willst du mich grad verarschen?“, flüstert Kai über den Rand seines Buches hinweg, aber ich enttäusche ihn mit einem Kopfschütteln.

Ich wünschte ja, es wäre so. So unauffällig wie möglich beobachten wir, wie Akira mit seiner Schultasche den Platz am Fenster belegt und sich sofort hinter seinem Physikbuch vergräbt. Dass der auch mal ernsthaft lernt… hätte ich ihm gar nicht zugetraut!

„Spielt er gut?“, fragt Kai ein bisschen ehrfürchtig.

„Ja, schon, aber was soll ich denn jetzt tun?!“

Ich erzähle Kai von dem Heimweg und Akiras Aussage und gestehe, dass ich das ganze gar nicht gut finde.

„Jetzt hör aber mal auf… er wird dich schon nicht umbringen!“

„Ja, aber… er ist die Inkarnation meines schlimmsten Alptraums!“

„Vielleicht ist er ja wirklich zur Vernunft gekommen – schließlich lässt er dich doch jetzt auch in Ruhe!“

Achso, die Sache im Yoyogi-Park weiß Kai ja auch nicht. Also, dann gebe ich ihm mal besser die ganzen Updates – als ich mit meinem Bericht fertig bin, hat Kai das Biobuch zur Seite gelegt und den Bleistift zwischen den Lippen.

„Was, wenn das nur leeres Gerede ist, um dich auf die Palme zu bringen?“

„Was, wenn er gerade an einem großen Coup plant, der mich mit einbezieht?“

„Was, wenn du einfach nur komplett paranoid geworden bist?“

„Kai!!“

„Entschuldigung, aber es ist doch wirklich so. Wart erst mal ab, was noch passiert. Dein Testament kannst du dann immer noch aufsetzen!“

„Du bist manchmal echt ein Arsch!“

„Danke, danke!“

Damit sieht Kai das Thema als beendet an und liest das Kapitel über Assimilation weiter. Sollte ich auch machen, aber irgendwie bleibt mein Blick auf Akira kleben, der sich gerade wie ein Gorilla im Zoo am Kopf kratzt und wie ein Irrer auf seinen Taschenrechner herumtippt. Also, ein Physikgenie scheint er nicht zu sein.

„Woar, ganz ehrlich, ich hasse ATP!“, murmelt Kai und versucht, das Schaubild auf Seite 91 mit all seinen Pfeilen und Beschriftungen zu verstehen.

Akira scheint von Sekunde zu Sekunde frustrierter zu werden. Mittlerweile kaut er auf dem Ende seines Füllers herum und blättert in seinem Ordner hin und her, in der Hoffnung, die Lösung würde ihm dort irgendwo entgegenspringen. Was sie nicht tut.

Deshalb klatscht er den Ordner zu und flucht im Stillen. Ja, so kennen wir ihn doch. Irgendwie amüsant. Man könnte ihm wirklich 90 Minuten lang zuschauen, wie er Physik lernt und es würde sicher nicht langweilig werden.

„Akira scheint ja wirklich sehr faszinierend zu sein, grad.“

Kais Bemerkung lässt mich hochfahren und ich stammele:

„W-was?“

„Vergiss es. Lern lieber!“

Ich plustere empört die Backen auf. Nein, der ist nicht faszinierend, wie kommt er nur drauf? Ich stoße genervt die Luft aus und schlage meinen Ordner für Biologie auf. Okay. Also. Ich war beim Blattbau. Cutikula, Epidermis, Palisadengewebe… blaaah! Ich zücke meinen Kugelschreiber und schnappe mir ein Blatt, das ich mit „Blattbau“ beschrifte. Ich glaub’s nicht, ich verschwende wirklich Blätter für so nen Scheiß!

Und jetzt geht auch noch mein Kulli leer!

„Hey, Kai, hast du noch nen Kulli übrig?“

„Nö, sorry.“

„Ach, so ein Scheißdreck!“

Frustriert werfe ich mich zurück in die Lehne. Ja toll, und was mach ich jetzt?

Plötzlich fliegt mir was an den Kopf.

„Aua!!“

Das Etwas, das mich unter Beschuss genommen hat, entpuppt sich als Kugelschreiber und an dieser Klemme, die ich in der Regel immer abbreche, ist ein gefalteter Zettel angeheftet. Verwirrt schaue ich auf und sehe in die Richtung, aus der dieses Mördergeschoss gekommen ist.

„Na sieh mal einer an!“, meint Kai und grinst.

Ich finde das absolut gar nicht lustig! Ich schnappe den Zettel und entfalte ihn.
 

1.) Hier ein Kulli, bevor du noch komplett durchdrehst.

2.) Vielleicht plane ich ja wirklich einen großen Coup, wer weiß das schon? ;D

3.) Ihr solltet leiser Reden, vor allem dein Gezeter hört man noch in Kyoto.

4.) Hast du noch Zigaretten? Ich könnt grad wieder ein bisschen Teer für meine Lungen gebrauchen!

~ In Liebe, die Inkarnation deines schlimmsten Alptraums <3
 

DIESER!!! Was hat der für Nerven?! Empört klappt mir die Kinnlade runter und ich verspüre den Drang, zu diesem Idioten rüber zu gehen und ihm sein Gesicht zwischen sein Physikbuch zu klemmen. Er hat sich zurückgelehnt und als er merkt, dass ich den Zettel gelesen habe winkt er mir fröhlich grinsend zu. Oh Gott, wie ich ihn hasse!

Ich tu’s wirklich!! Ich schnappe mir meinen Zettel mit dem „Blattb“ (für a und u hatte die Tinte halt eben nicht mehr gereicht) und benutze Akiras Kugelschreiber, um zu antworten.
 

1.) Dich hab ich gar nicht drum gebeten!

2.) Man lauscht nicht bei Fremden Menschen!

3.) Du übertreibst maßlos!

4.) Und selbst wenn würdest du keine kriegen!
 

Kai beäugt die ganze Aktion kritisch und schüttelt den Kopf. Dann murmelt er etwas von „Jaja, und dann will er mir weis machen, dass er nichts mit ihm zu tun haben will!“, was ich erst mal ignoriere. Kai ist sowas von im Unrecht! Ich mein, ich werde doch förmlich gezwungen, mich mit dem Blonden da am Fenster abzugeben… ich hab doch gar keine andere Wahl! Der Kulli fliegt wieder durchs Zimmer und landet auf Akiras Physikbuch. Schnell schnappt er sich den Fresszettel, den ich geschrieben habe und als er durch ist, wirft er mir einen hoch amüsierten Blick zu. Dann macht er sich ans Schreiben einer neuen Botschaft.

„Aber das sind keine Liebesbriefe, oder?“, fragt Kai dann besorgt.

„Um Himmels Willen, NEIN!“, mache ich entrüstet.

Schon allein der Gedanke… Akira und LIEBE? Da könnte ich gleich noch mal ne bezeichnende Gleichung aufstellen!

Akira = √(-Liebe) = keine Lösung, da Radikant negativ!

Danke. Nächstes Thema!

Zack. Da fliegt mir der Kulli direkt ins Mäppchen. Immerhin. Er kann zielen. Das ist ja schon mal etwas.
 

Du solltest lernen, schöner zu schreiben.

Und sei doch nicht gleich so aggressiv Schatz, hast du deine Tage?
 

Bevor ich antworten kann, klingelt es für die nächste Schulstunde und im Raum geht das allgemeine Stühlerücken los. Kai wirft seine Stifte in sein Mäppchen und die Bücher in die Schultasche. Als er fertig mit Einräumen ist, sieht er mich auffordernd an, aber ich hab noch nicht mal ans Einräumen gedacht.

„Geh schon mal vor, ich muss dem Arsch da hinten kurz sein Physikbuch ins Gesicht klatschen.“

„Übernimm dich nicht“, meint Kai mit hochgezogener Augenbraue und ich beginne, mein Zeug schon mal einzuräumen.

Am Schluss sind nur noch Akira und ich übrig und ich stapfe mit meiner Tasche auf der Schulter auf ihn zu. Schade, er hat seine Sachen auch schon weggeräumt. Dann muss ich ihn vielleicht mit meinen spärlichen Judo-Kenntnissen fertig machen.

„Du…!“, fange ich an, aber mir fällt gar nicht ein, was ich jetzt sagen könnte.

„Ja, ich hab dich auch lieb!“

„Du bist so ein unausstehlicher Kotzbrocken!“

Akira steht auf und beugt sich über den Tisch zu mir.

„Oh ja, gib’s mir. Da steh ich drauf!“

„Boar, halt’s Maul!“

„Hast du jetzt Zigaretten?“

„Bist du vielleicht irgendwie geistig zurückgeblieben?!“

Akiras Lachen klingelt in meinen Ohren und jagt mir einen Schauer über den Rücken. Aufhören! Stopp!

„Ja, vielleicht bin ich das. Vielleicht bin ich auch verrückt.“

„Ich hab gehört, dass Einsicht der erste Schritt zur Besserung ist.“

„Dann brauchst du auch noch viele Einsichten.“

Akiras Gesicht ist jetzt noch näher und ich fühle mich, als würde ich gleich unter meinem eigenen Gewicht zusammenbrechen. Und ich wieg ja nicht mal so viel…

„Und die wären?“

Ich versuche, unbeeindruckt zu klingen. Wie gesagt, ich habe keinen Respekt mehr vor dem!

„Willst du Tipps haben?“

„Ich werde jetzt sicher nicht vor dir auf die Knie gehen und darum betteln!“

„Der Gedanke reizt mich aber!“

Na toll, jetzt hab ich ihn wieder auf Ideen gebracht, herzlichen Glückwunsch!

„Vergiss es“, zische ich und Akira meint:

„Wir werden ja sehen.“

Und damit beugt er sich an mein Ohr und fügt hinzu:

„Barbie ist nichts für dich. Du brauchst nen richtigen Mann, der dich unter Kontrolle bringt.“

„DU!“, rufe ich geschockt aus.

„Das war der Tipp!“

Akira schultert seine Tasche und läuft dann zur Türe.

„Sei froh, dass ich dich nicht auf der Stelle töte!“

„Ach, als ob. Das würdest du nicht tun.“

„Was macht dich da so sicher?!“

Akira dreht sich noch mal um und sagt grinsend:

„Intuition. Man sieht sich dann morgen. Sei pünktlich, Süßer.“

Und weg ist er. Ich stürme hinterher, aber da steht Kai und schleift mich sofort zum nächsten Unterricht.

„Ich dachte, du wolltest ihm nur sein Buch ins Gesicht klatschen!“

„Dachte ich auch, aber der Kerl ist so widerlich!!“

„Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“

„Er ist ein Arsch! Und fertig!“

Als wir ins Klassenzimmer kommen, wird mir wohl ein bisschen klar, was Akira mit seinem Gerede über „Psychologie“ und „aus der Reserve locken“ meint. Jetzt macht er mich eben mit seinem Geschwätz und seinen widerlichen Anspielungen verrückt.

Ich habe das Gefühl, dass ich in meinem früheren Leben wohl ganz schön viel Scheiß gebaut habe, anders kann ich mir diese Strafe nicht erklären.
 

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Auf Wiederseheeeen *wink*

Tonight, make me unstoppable

WOAR.

Sorry. Das Update hat lang gedauert x___x

Viel Stress & ganz viel Bakterien, die grad in meinem Körper wüten, haben mich abgehalten. X__X

Tut mir wirklich leid.

Danke für die vielen Favos & natürlich die lieben Kommentare, die freuen mich immer sehr. :)


 

Wie immer gilt: (blahblahblah) - kein Autorenkommentar.

Hach ja.

Und irgendwie ist das Kapitel so überaus lang geworden. ö_ö
 

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Kapitel 7 – Tonight, make me unstoppable
 

„Meine lieben Kinder!“

Uruha, der bis vor einer Sekunde noch der Einzige war, der gefehlt hat, steht mit ausgebreiteten Armen und einem strahlenden Lächeln in der Tür. Ich habe mit Aoi die meisten Gerätschaften verkabelt, um Akiras Blicken ausweichen zu können, die mir schon wieder extrem auf die Nerven gehen.

„Ja, was gibt’s?“, fragt Aoi leicht perplex und steckt mein Mikro ein.

„Ich hab mal wieder meinen Charme spielen lassen…“

„… hast du deine Beine enthüllt?“

„YUNE!“

Aoi und Uruha bringen den Drummer mit ihrem Aufschrei jäh zum Schweigen und der andere hebt nur abwehrende die Hände.

„Okay, okay, ich bin ja schon ruhig!“

Uruha wirft Yune noch schnell einen bösen Blick zu, dann verfällt er aber wieder ins alte Muster und flötet:

„Wir haben in zwei Wochen einen Auftritt!“

Ein „Oooooh!“ geht durch den Raum aber mir schlägt die Panik irgendwie sofort erbarmungslos in meine Gedärme.

„Bitte was?!“

„Keine Angst, es sollen nur fünf Songs sein, weil noch vier andere Bands kommen, aber auf jeden Fall bekommen wir ne Gage, was bedeutet, dass wir endlich mal wieder neues Equipment kaufen können!“

Aber ich kann doch noch nicht mal fünf Songs! Hallo?!

„Ja, aber…“, fange ich an, weil ich merke, dass ich ja nur dieses Ray kann – und sonst sieht’s wirklich schlecht aus in meinem Inventar.

„Keine Panik, das kriegen wir hin!“, meint Aoi optimistisch.

„Ich glaube nicht, dass ich so schnell…“

„Doch, das geht schon, Ruki!“, mischt sich Reita jetzt ein und streckt mir einen Stapel Blätter entgegen.

Ich bin kurz davor, ihm übers Maul zu fahren, weil ich ihm meinen Spitznamen ja nicht angeboten habe, aber ich kann mich noch zusammenreisen. Ich lese die vier Titel, die mir gänzlich unbekannt sind, laut vor und Uruha meint:

„Ah, da hat unser Reita aber gute Songs ausgesucht!“

„Immer!“, meint der Bassist nur und Aoi meint, dass wir gleich ohne großes Lamentieren anfangen sollten, damit die Songs auch wirklich sitzen.

Und kaum zwei Minuten später versuchen Uruha und Aoi mir beizubringen, wie ich gewisse Songtextzeilen aus dem Song „Wife“ rüberbringen soll. Okay, auch wenn die beiden sich total um mich bemühen und alle irgendwie optimistisch sind, dass ich das wirklich kann, habe ich ein ziemlich ungutes Gefühl bei der Sache.
 

Zwei Wochen später sitze ich in einer sporadischen Garderobe (naja, Garderobe ist zu viel gesagt - es ist ein Raum mit Stühlen und einem dreckigen Spiegel, der mit Postern und Graffiti ‚verziert‘ wurde) und bin kurz davor, mein Abendessen, das Uruha von McDonald’s geholt hat, wieder auf demselben Weg rauszulassen, wie es reingekommen ist.

„Oh Ruki, woher hast du diese Jacke? Die ist so schick!“

„Sexpotrevenge“, murmele ich als Antwort auf Uruhas Frage und Uruha scheint zu merken, dass er mich damit nicht ablenken kann.

„Mach dir nicht so viele Gedanken, die Band, die grade spielt ist weitaus schlechter als wir!“, meint Aoi, der gerade mit Uruhas Lidschatten Amok läuft und das Zeug ziemlich unprofessionell auf seinem Lid verteilt und eher dem Waschbär aus Disneys Pocahontas gleicht.

„Herrgott, Aoi! So geht das nicht!“, fährt Uruha ihm dazwischen und reist ihm die Schminke aus der Hand.

„Ja, aber…!“

„Ich mach dir das!“

Uruha schnappt sich Abschminktücher, die er in seiner Tasche verstaut hat und macht sich daran, Aoi aufzuhübschen. Ich unterdrücke ein Stöhnen und werfe den Kopf in den Nacken. Oh Gott, diese Decke könnte man auch mal streichen.

„Und, was macht unser Goldkehlchen?“

Akira ist mit Yune in den Raum gekommen, die gerade beim Clubbesitzer waren, um zu fragen, wann genau wir jetzt drankommen.

„Übergibt sich gleich vor Aufregung“, ist die Antwort von Uruha (der im Übrigen knallhart Strapse trägt – jetzt verstehe ich auch, was Yune mit „Beine enthüllen“ gemeint hat, und ich muss zugeben, diese Beine sind nicht von schlechten Eltern!) und Akira wirft mir einen Blick zu, der sich irgendwo zwischen ‚hoch amüsiert‘ und ‚leicht besorgt‘ trifft. Aber ich tendiere eher zu ‚hoch amüsiert‘. Akira kennt das Wort „Sorgen“ nicht einmal und wüsste sicher nicht, wo man dieses Wort im Wörterbuch nachschlagen sollte – wohlmöglich kennt er nicht mal annähernde Synonyme dafür.

„Na, da hilft nur ne Beruhigungszigarette!“

Und damit schnappt er mich am Handgelenk und zerrt mich zum Hintereingang des Clubs. Ich bin so damit beschäftigt, Akira nicht auf die Stiefel zu kotzen, dass ich mich nicht mal zu einem müden Protest aufraffen kann, was ich natürlich GLEICH getan hätte!

„Wow, wir sollten öfters Auftritte haben, dann hältst du die Klappe!“

Als wir draußen stehen, steckt Akira mir eine seiner Zigaretten zwischen die Lippen und zieht ein Feuerzeug aus der Tasche.

„Du könntest auch dein Zippo haben!“, sage ich, seine vorherige (ziemlich unverschämte) Aussage ignorierend.

„Nö, noch ist keine Zeit dafür!“

„Wann ist Zeit dafür?“

„Das zeigt sich noch“, meint Akira und zündet sich selber eine Zigarette an.

Ich stöhne zum aber tausendsten Mal und lehne mich gegen die Wand des Clubs.

„Wir sind in ner halben Stunde dran.“

Diese Info lässt mich meine gesamte Luft, die sich in meinen Lungen befindet, ausblasen. Dann nehme ich einen hastigen Zug von der Kippe, in der Hoffnung, ich könnte mal mein Zittern kontrollieren.

„Jetzt beruhig dich mal!“

„Du hast leicht reden!“, entgegne ich schmollig und Akira sagt:

„Boar, Takanori. Stell dich nicht so an. Die Songs sitzen und ganz ehrlich, diese Stümper, die gerade auf der Bühne sind können NICHTS im Gegensatz zu uns! Was soll schon groß schief gehen?“

„Äh, VIEL?!“

Ich könnte die Texte vergessen, mich im Mikrokabel verheddern, die Töne nicht treffen, vor lauter Aufregung umkippen…

„Ach quatsch. Und wenn, dann tu einfach so, als wär das gewollt. Wir schnallen das dann schon.“

Ein weiterer Kippenzug. Der mich immer noch nicht beruhigt. Akira hat sich neben mich gelehnt und nach einer kurzen Stille meint er dann:

„ So schlimm wie bei meinem ersten Auftritt wird’s sicherlich nicht!“

„Ach?“

Neugierig geworden ziehe ich eine Augenbraue nach oben.

„Ich bin von der Bühne gefallen. Mein Bass war dahin und mein rechter Unterarm gebrochen.“

„Ääääääh…“

„War ganz lustig, weil ich so betrunken war, dass ich den Schmerz erst am nächsten Tag gespürt hab und meine Mutter mich aus dem Krankenhaus geholt hat.“

Eigentlich will ich nicht, aber ich pruste los und verfalle in Gelächter. Schon allein diese Vorstellung! Oh Gott, zu gut! ZU GUT!

„Seit dem trinke ich erst nach einem Auftritt…“

„Sehr weise, muss ich sagen!“

„Man lernt immer dazu!“

Als wir aufgeraucht haben, muss ich immer noch gegen das Lachen ankämpfen.

„Jaja, wenn’s mir schlecht geht, dann lachst du!“, meint Akira leicht beleidigt, aber man merkt, dass es eher aus Spaß gesagt wurde.

„Tschuldigung… aber… oh Gott!“

Einfach allein schon die VORSTELLUNG – wie gern wär ich dabei gewesen! Akira sieht auf sein Handy, das er in der Hosentasche hat und meint:

„Gut, genug geplaudert, wir sind bald dran.“

Meine gute Laune wird wieder ein bisschen gedämpft und ich verstumme. Akira zieht sein Bandana, das er zum Rauchen vom Gesicht gemacht hat, wieder über seine Nase, dann sagt er:

„Also, wenn du nicht ganz so blöd bist wie ich, dann wird das!“

„Seit wann gibst du vor mir Schwächen zu?“, frage ich.

Für einen Moment spiegeln Akiras Augen selbst Verwunderung über diese Tatsache wider, dann fängt er sich und meint:

„Bevor du dich auf der Bühne übergibst! Ich denk nur an das Allgemeinwohl!“

„Schon klar!“, sage ich und ich werde von Akira wieder in den Club geschoben.

„Das bleibt unter uns, dass das klar ist!“

„Ich schweige wie ein Grab!“

Wir kommen wieder in die Umkleidekabine, wo Uruha gerade den letzten Schliff an Aois Make Up verrichtet und Yune auf seinem DS Pokémon spielt.

„Und? Hat die Zigarette gewirkt?“, fragt Aoi, der gerade krampfhaft versucht, die Augen offen zu halten, weil Uruha mit seinem Kajal gerade zugange ist.

„Ich denke schon“, meint Akira und setzt sich neben Yune, um ihm Tipps zu geben, wie er gegen den nächsten Endgegner ankommt.

Zehn Minuten später stehen wir hinter der Bühne. Die beiden Gitarristen mit ihren Gitarren bewaffnet, Akira mit dem Bass und Yune mit seinen Drumsticks. Und ich versuche, cool zu bleiben. Da draußen ist zwar meine halbe Schule (dank Kais Promotiontour weiß mittlerweile jeder, dass Akira und ich in einer Band sind und heute diesen Auftritt haben. Erstaunlich, wie viele Leute plötzlich parat standen und meinten, sie würden sich DAS nicht entgehen lassen), aber egal. Und natürlich springt Takeru noch irgendwo rum, seinen halben Freundeskreis im Schlepptau, um ihnen zu zeigen, was für ein toller Kerl ich bin. Dann wird’s halt peinlich, ist doch egal.

Oh Gott.

Kann ich wieder nach Hause?

„Also, machen wir’s besser als unsre Vorgänger!“, ruft Aoi und es folgt ein typischer Urschrei der anderen, dem ich mich noch nicht anschließe.

Uruha und Aoi gehen vor und werden mit verhaltenem Applaus empfangen. Danach kommt Yune und bevor Akira auf die Bühne geht, sagt er:

„Wir schaffen das, Kleiner.“

Und weg ist er. Ich puste eine Strähne aus dem Gesicht und lasse die Worte kurz sacken.

Wir schaffen das, Kleiner.

Kleiner. Schaffen. Wir. WIR?

Seit wann gibt es ein Wir? Ich beschließe, dem später auf den Grund zu gehen und trete hinter einem Verstärker hervor. Und schon höre ich ein paar meiner weiblichen Klassenkameradinnen meinen Spitznamen schreien.

„Oh, oh, da hat einer schon Fangirlies!“, sagt Uruha, aber bevor ich antworten kann, gibt Yune mit den Sticks schon den Takt für’s erste Lied vor.

Okay. Noch mal tief einatmen.

Wir schaffen das.

Ganz klar!
 

Ich schwitze. Und bin komplett am Arsch. Aber dennoch, ich fühle mich gut. Sehr gut, sogar!

„Oh Rukiiiiii, du warst so guuut!“

Uruha springt mir, sobald er seine Gitarre in den Koffer geschmissen hat, um den Hals und drückt mir einen feuchten Kuss, gemischt mit Schweiß und seiner Spucke, auf die Wange.

„Ich könnt dich knutschen!“

„Das hast du grad!“, erwidere ich leicht angeekelt und reibe mir über die Stelle.

„Nicht, dass das hier in ne Vergewaltigung ausartet!“, meint Aoi und Uruha lässt mich endlich los.

Wir gehen zurück in die Garderobe, wo ich mich erst mal auf eine Wasserflasche stürze. Durst!

„Hey, ihr Arschlöcher!“

Akira kommt in den Raum gestürzt, Yune ihm lachend hinterher.

„Ja, was gibt’s?“

Uruha schält sich das durchschwitzte Shirt vom Oberkörper und bleibt erst mal mit ausgebreiteten Armen stehen. Irgendwie eklig.

„Ihr könnt mich doch nicht einfach so allein auf der Bühne stehen lassen!“

„Wieso nicht?“, fragt Aoi leicht blöd.

„Na, dreimal darfst du raten!“, lacht Yune.

Ich hab den Kerl noch nie lachen hören. Erinnert mich ein bisschen an eine Ente, wenn man mich fragt. Aber wer tut das schon? Irgendwie scheint bei allen der Groschen zu fallen, nur nicht bei mir, denn Uruha löst sich aus seiner Starre und meint:

„Nein? DIE schon wieder?“

„Genau DIE!“, gibt Akira muffig zurück und Uruha stimmt in Yunes hysterisches Lachen ein.

Aoi lässt sich gnädiger weiße herab, mir den Sachverhalt zu erklären:

„Da gibt es zwei Mädels, die überall da sind, wo wir spielen. Und sie haben es seit einem halben Jahr auf Reita abgesehen.“

„IMMER stehen diese Weiber in der ersten Reihe!“, regt sich der Bassist auf und lässt sich frustriert auf einem Stuhl nieder.

„Und IMMER wollen sie Reitas Aufmerksamkeit!“

„Und HEUTE wollten sie Autogramme auf ihre nichtexistenten Titten! Das ist KRANK!“

Bei dem Satz breche ich zum zweiten Mal an diesem Tag zusammen und liege vor Lachen fast auf dem Boden.

„Sei stolz, du hast Groupies!“

„Ihgitt!!“, ruft der Blonde auf Aois Aussage hin und schüttelt sich, als ob er den Gedanken an Sex mit den beiden so loswerden könnte.

Und dann fügt er hinzu:

„Nur weil DU nicht mit deinem Partner schläfst und dich durch die Welt hurst, heißt das noch lange nicht, dass ICH das tue!“

„Hey, jetzt aber halblang!“

Uruha wirft schützend die Arme um Aoi, weil der Kommentar wohl ganz klar auf ihr Beziehungsgeflecht gezielt hatte, aber der Schwarzhaarige scheint Akiras unverschämte Aussage nicht übel zu nehmen und meint nur trocken:

„Vielleicht solltest du’s mal ausprobieren. Macht Spaß!“

„Ach, halt dein Maul!“

Aoi und Uruha brechen wieder in Gelächter aus, dann beschließen sie, an die Bar zu gehen. Ich folge ihnen und lasse Yune und Akira allein zurück, weil ich irgendwie nicht Lust auf diese Laune hab.

„Reita ist ganz schön fies!“, stelle ich fest.

„Ist er’s zu dir nicht?“, fragt Aoi leicht hin.

„Doch. Aber ich dachte, zu euch sei er netter.“

„Ich glaube, er kann gar nicht nett sein“, sagt Uruha seufzend, aber Aoi meint:

„Lass ihn erwachsen werden, oder ne Freundin haben, dann sieht die Sache bestimmt anders aus!“

„Oh, da fällt mir ein!“

Uruha springt neben mich und sieht mich mit großen Augen an, mit einer Mischung aus Neugier, Faszination und Ehrfurcht, bevor er fragt:

„Hast du Reita schon mal ohne Nasenband gesehen?“

„Äh…“, mache ich und bleibe stehen.

Aoi scheint jetzt auch ziemlich interessiert und ich merke, dass ich hier nicht weg komme, ehe ich Auskunft gegeben habe. Also sage ich:

„Ja, ständig. In der Schule trägt er nie ein Nasenband oder so… und vorhin erst beim Rauchen hat er sein Bandana auch runtergetan…“

„Dieser ARSCH!“, ruft Uruha und Aoi grinst breit.

„Bin ich denn hier der einzige, der noch nie seine Nase gesehen hat?!“

„Naja, Yune ja auch nicht. Und ich weiß das nur, weil ich schon vor diesem Tick mit ihm befreundet war“, versucht Aoi den wohl gekränkten Uruha zu trösten, aber der knurrt nur und steuert jetzt noch zielsicherer die Bar an.

„Tick?“, frage ich etwas blöd.

„Jaaa, irgendwie hat er seit knapp zwei Jahren die Meinung, seine Nase sei so schlimm, dass er sie eben verstecken muss.“

Ich sage nichts, sondern fühle mich einfach in meiner Theorie mit den Minderwertigkeitskomplexen bestätigt. Sieeeg! Ich hab ein Druckmittel! Und was für eins!

„Aber sie ist ja eigentlich ganz niedlich, oder?“

„Äh…“

Niemals in meinem Leben würde ich laut aussprechen, dass Akiras Nase niedlich ist! Ich muss mir mein letztes bisschen Ehre erhalten!

„Also, ich hab definitiv schon schlimmeres gesehen“, sage ich dann, total diplomatisch, wie ich finde.

„Das versuch ich ihm auch immer zu sagen, aber irgendwie hört er nicht auf mich“, seufzt Aoi, aber kurz darauf meint er:

„Vielleicht solltest du mal…“

„ICH?!“

Zum zweiten Mal bleibe ich stehen und ernte von Aoi einen verwunderten Blick.

„Ja, wieso auch nicht?“

Ich will Aoi gerade ein „Weil der Kerl mich eigentlich hasst und wir eine ganz ganz schlechte Beziehung zueinander haben!“ entgegen schmettern, aber ich fange mich und sage sattdessen:

„Weil ich erst seit knapp drei Wochen was mit dem Kerl zu tun hab! Der hört doch nicht auf mich!“

Der Schwarzhaarige allerdings kichert vor sich hin, dann meint er:

„Wie lang man jemanden kennt hängt nicht davon ab, ob man ihm zuhört und seine Worte ernst nimmt.“

Oh Gott, ich bin in der Psychologenstunde gelandet. Erst Akira, der mir mit seiner „Jetzt probier ich’s mal mit Psüchologieee“-Methode auf die Nerven geht und jetzt Aoi, der neunmalkluge Sprüche draufhat.

„Was hat das denn jetzt zu bedeuten?“, frage ich argwöhnisch.

„Ach. Egal. Lass uns was trinken.“

Meinen Protest ignoriert Aoi und ich folge ihm, ohne eine konkrete Antwort zu erhalten. Uruha hat sich durch das Gewusel aus Menschen schon weit zur Bar vorgearbeitet. Er muss die Frau hinterm Thresen kennen, denn als ich ihn mit Aoi eingeholt hab, stellt er mir ein Glas mit ominöser Flüssigkeit hin.

„Ich muss diesen Schicksalsschlag jetzt mal im Alkohol ertränken!“, ruft Uruha theatralisch und dann stoßen wir an.

Kaum habe ich den ersten Schluck getrunken (WodkaBull. Wie schön, dass keiner mein Alter kontrolliert!), kommt Kai auf mich zugesteuert und ruft:

„Du!“

„Ja?“

Kai wirft sich um meinen Hals und dann höre ich, wie er begeistert ein „Oh Gott, das war so gut!“ ruft, was wohl auch an Aoi und Uruha gerichtet war, denn die beiden lächeln Kai fast genauso breit zurück an. Kai wird von Aoi gleich in ein Gespräch gewickelt und Uruha und ich zucken nur die Schultern, bevor wir einvernehmlich den nächsten Schluck nehmen. Also, wo Kai ist… dann ist ja eigentlich…

„Rukiiiiii!“

… Takeru auch nicht weit. Zum zweiten Mal klammert sich jemand an mich und zum zweiten Mal muss ich aufpassen, nichts von dem guten Alkohol zu verschütten. Vorsicht, das ist kostbar! Hinter Takeru stehen die ganzen anderen Leute, Yuji, ein paar Kerle aus meiner Klasse, Hana und auch Chiyu, der auch irgendwie mit Takeru befreundet ist – nur Gott weiß, woher er den kennt, denn er ist schon etwas älter und drückt nicht mehr die Schulbank. Er arbeitet in einem Plattenladen und manchmal, wenn ich bei ihm einkaufe, gibt er mir CDs umsonst. Natürlich nicht oft, aber manchmal schon. Ich werde von Takeru mit Komplimenten überhäuft und auch die Leute aus meiner Klasse sind immer noch „total geflasht“ (ja, Anglizismen machen auch nicht vor den Japanern Halt).

„Ich hätte nie von dir erwartet, dass du so gut singen kannst!“, haucht Hana ehrfürchtig.

Naja. Singen ist immer so relativ. Wenn man diese Mischung aus Brüllen und dem eigentlichen Singen so bezeichnen will, okay.

„Äh. Ja. Danke.“

Ich weiß gar nicht, wie ich mit dieser ganzen Aufmerksamkeit umgehen soll und just in diesem Moment kommen Yune und Akira zu uns. Akira hat das Bandana durch sein bekanntes Nasenband getauscht, sieht Takeru und versucht, sein Grinsen zu verbergen.

„Hallöchen!“, macht er dann und Takeru gibt nur ein kühles „Hi“ von sich, ehe er sich wieder an meinen Arm klammert und mir dermaßen amouröse Blicke zuwirft, dass ich glaube, gleich von einer Tonne Herzchen erschlagen zu werden.

Akira setzt sich neben Aoi, der Hana schon die ganze Zeit von oben bis unten betrachtet. Die missbilligenden Blicke von Uruha scheint er zu ignorieren. Und Uruha, der das wohl merkt, stößt genervt die Luft aus und bestellt sich den nächsten Drink.

„Wie lang probt ihr schon?“

Chiyu hat sich neben mich gestellt und sieht mich lächelnd an und auch Yuji hat sich jetzt ganz interessiert dazugestellt.

„Ich bin erst seit drei Wochen dabei“, gebe ich zu und ernte von Yuji anerkennende Blicke.

Und damit werde ich von Chiyu und Yuji in ein Gespräch gezogen, in dem es um Songs, Proben, Gitarren, Verstärker und noch mal Proben geht. Takeru begleitet das Ganze mit bewundernden Blicken, die er für alle von uns übrig hat, weil wir so viel Fachwissen haben. Pff. Als ob ich Fachwissen hätte. Nachdem der Gesprächsstoff aus ist, kommt Hana auf mich zu und meint:

„Ich muss gehen – man sieht sich am Montag in der Schule!“

Und damit umarmt sie mich flüchtig, bevor sie mit ihrer Freundin (die ich nicht kenne) verschwindet. Okay. Seit wann bin ich jetzt so eng mit der befreundet? Alter, da muss man einmal auf der Bühne stehen, und schon hat man neue Freunde! Wie verkommen ist unsere Gesellschaft?

„Hey, Ruki!“

Aoi schnappt meinen Arm, der frei ist und zieht mich aus Takerus Klammergriff zu sich her. Danke, Kumpel, langsam war’s echt Zeit, wieder Blut in diesen Arm zu kriegen!

„Kennst du die?“

„Ja, die geht in meine Klasse!“

Aoi zieht eine Augenbraue in die Höhe und so tut es Uruha, der wohl schon die ganze Zeit angepisst ist, dass er von Aoi keineswegs Aufmerksamkeit bekommt.

„Du willst jetzt nicht fragen, ob er für dich ne Nummer klar machen kann?!“, rutscht es Uruha dann geschockt heraus, aber der andere Gitarrist scheint von der Idee ganz und gar nicht abgeneigt.

Akira und Yune, die die ganze Szene zusätzlich beobachten, können sich ein Kichern bei Uruhas absolut schockierten Blick nicht verkneifen und ich stammele nur:

„Äh… also… ich kann sie ja fragen…“

„Würdest du?“

Aois Lächeln erinnert mich plötzlich an das von der Grinsekatze aus Alice im Wunderland. Wieso assoziiere ich eigentlich immer nur Tiere aus Disneyfilmen mit Aoi?!

„Wenn du willst?“, sage ich unsicher und Uruha rollt mit den Augen, bevor er sich sauer Zigaretten aus seiner Hosentasche friemelt.

„Woar, danke! Du hast was gut bei mir!“

Ich nicke nur gnädig, die giftigen Blicke Uruhas ignorierend, die er abwechselnd mir und Aoi zuwirft.
 

So geht der Abend dahin, die nächste Band spielt und danach begeben sich eigentlich die Meisten nach Hause. Auch Takeru, der den ganzen Abend nicht von meiner Seite gewichen ist. Ist auch besser so, dass er gegangen ist – Akiras unglaublich eindeutige Blicke, die er mir die ganze Zeit zugeworfen hat, haben mich noch fast in den Wahnsinn getrieben!

Jetzt sitze ich neben Uruha, während Aoi, Yune und Akira losgezogen sind, um die letzte Band genauer unter die Lupe zu nehmen, an der Bar. Uruha hängt schon bei seinem vierten Drink (und ich glaube, der Wodkaanteil wurde von Glas zu Glas größer…) und scheint schon halb im Delirium zu sein. Was ein Grund ist, ihn jetzt mal lieber zu beobachten, bevor er noch vom Barhocker fliegt und sich das Genick bricht.

„Aoi ist so ein Arsch!“, lallt er dann, ganz unvermittelt und ich schrecke hoch, weil ich eigentlich nicht erwartet hatte, dass Uruha überhaupt noch irgendwas sagt.

„Ähm. Also…“, mache ich, aber Uruha unterbricht mich, als ob er mir gar nicht zuhören würde:

„Diese dumme Hure soll bloß die Finger von ihm lassen! Die ist doch bestimmt schon vom Markt, so wie die von diesen Idioten aus deiner Klasse angegafft wurde!“

Joar, das stimmt. Hana kann sich meistens vor stupiden Annäherungsversuchen nicht retten, weil sie so unglaublich niedlich und unschuldig aussieht. Und jeder steht auf sowas. Außer ich natürlich.

„Ich dachte, ihr seid nicht zusammen…“, sage ich dann und Uruha wirft mir einen bösen Blick zu, ganz so, als hätte ich ihn an was ganz Dummes erinnert.

„Das ist mir auch bewusst, nur ist die nichts für ihn!“

„Würd ich’s nicht besser wissen, würd ich sagen, dass du eifersüchtig bist.“

„Nein, bin ich nicht!“, streitet Uruha die Sache ab, einen Tick schneller, als es eigentlich normal wäre.

„Bist du dir da ganz sicher?“

„Ja, bin ich!“

„Hundertprozentig?“

Ich lehne mich ein bisschen zu ihm rüber, wie bei einem Verhör, um ihn aus der Reserve zu locken. Wenn ich einmal nen Braten gerochen habe, dann lass ich auch nicht locker. Ich bin wie Sherlock Holmes! Für einen Moment ist Uruha still und stürzt dann den Rest seines Wodkas herunter. Dann knallt sein Kopf auf den Tisch und er jammert:

„Okay, okay! Ich bin mir NICHT hundertprozentig sicher!“

Wusst ich’s doch! Innerlich klopfe ich mir für meine unglaublichen Menschenkenntnisse auf die Schulter, dann lege ich einen Arm auf Uruhas Rücken und sage:

„Ist doch nicht schlimm. Ich bin auch immer eifersüchtig, wenn ne dumme Bitch an Kai hängt, die ihn einfach nicht verdient hat. Freunde wollen ja schließlich immer nur das Beste für den anderen.“

„Neiiin, Ruki, darum geht’s doch gar nicht!“

Uruha setzt sich wieder auf und schaut verwundert in sein Glas, indem nur noch die Eiswürfel vor sich hinschmelzen.

„Also geht’s um mehr.“

Ich muss gar nicht aussprechen, um was genau es geht, denn selbst Helen Keller würde checken, was hier abgeht. Uruha nickt nur frustriert, dann sagt er:

„Bitte, Ruki, gib ihm die Handynummer nicht!“

Bevor ich antworten kann, sind die andern wieder zu uns gestoßen und beschweren sich über den schlechten Sound.

„Die haben noch nie was von nem ordentlichen Soundcheck gehört, die Stümper!“, sagt Akira und wirft sich neben mich auf den freien Barhocker.

„Meine Güte, Uruha, willst heute noch dein Abendessen loswerden oder im Krankenhaus landen?“, fragt Aoi, als er Uruhas leeres Glas begutachtet.

„Kann dir doch egal sein!“, schnappt der Gitarrist und ich wende mich gleich ab, um in die Sache nicht reingezogen zu werden.

Dumme Idee. Jetzt schaue ich Akira direkt ins Gesicht, der fragt:

„Hast du ne Zigarette?“

„Bin ich etwa dein Kippenautomat oder was?“

„Zick nicht rum, ich hab dir vorhin eine von meinen gegeben.“

Knurrend händige ich eine meiner Zigaretten aus. Damit wären wir Quitt. Allerdings nur bis zur nächsten Rauchersession, wie ich befürchte. Seufzend nehme ich selber eine Zigarette und greife schon automatisch nach dem Zippo, das sich schon seit Wochen in meiner Jackentasche befindet.

„Ich befürchte, wenn du das wieder zurückwillst, ist es leer“, sage ich, als unsere Zigaretten angezündet sind und wir beide synchron den ersten Zug genommen haben.

„Nicht so schlimm, kann man nachfüllen.“

„Kann man?“, frage ich doof und begutachte das Feuerzeug eingehend.

„Nur glaub ich nicht, dass du das je hinkriegst. Frauen und Technik verträgt sich nie.“

„Ach… halt’s Maul!“

Ich stecke das Ding wieder zurück und Akira kichert vor sich hin, ganz amüsiert von seinem unglaublich tollen Kommentar.

„Jaja, lach nur!“

„Ich wurde heute eines Besseren belehrt!“, fängt Akira dann an und zieht meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn.

„Ach? Du bist belehrbar?“

„Ja. Ich hab dich so beobachtet, während Barbie an deinem Arm hing. Neben der siehst du richtig männlich aus, was ich eigentlich nie erwartet hätte!“

„Wenn das deine Art ist, Komplimente auszuteilen, dann solltest du daran noch mal üben!“, sage ich trocken und nehme einen Schluck vom Wodka.

Dann trink ich mir die Situation eben schön. Ich schiele nach links, wo Uruha gerade von Aoi gehindert wird, aufzustehen und Diven-like den Raum zu verlassen. Aoi scheint gar nicht zu verstehen, was den anderen so aufregt, und versucht es gerade mit „Komm schon, sag mir doch, was du hast!“ und der Nummer mit dem in-den-Arm-nehmen-bis-sich-die-Frau-beruhigt (wie man es immer in den Hollywood-Schnulzen macht), aber Uruha wehrt sich mit Händen und Füßen und wird von Moment zu Moment zickiger. Ganz klar. Der ist gekränkt. Bis auf’s Blut.

„Ist Uruha immer so?“

„Nö. Nur, wenn er nicht genug Aufmerksamkeit von Aoi kriegt.“

„Und das ist wann?“

„Naja, wenn er ihm nicht jede Stunde die Zunge in den Hals steckt. Oder so.“

Neben mir kommen die beiden Gitarristen in Bewegung und Aoi zieht Uruha ohne Erbarmen raus an die frische Luft. Wir sehen den beiden hinterher, bis sie aus unserem Sichtfeld sind. Yune selbst erhebt sich auch und verschwindet in der Menschenmenge. Okay. Toll. Jetzt bin ich auch noch mit Akira allein!

„Ich hab das Gefühl, dass Uruha was von Aoi will“, sagt der dann, als er sich abgewendet hat und von der Frau (Sayuri ihr Name – sie ist die Cousine von Uruha und arbeitet hier jeden Freitag. Ich denke mal, nur durch sie hat Uruha den Auftritt überhaupt organisiert) einen Drink bekommt, den er im Nullkommanichts herunterstürzt.

„Das Gefühl hab ich auch.“

„Ich hab ihm ja gleich gesagt, dass die Sache mit ‚Ich schlafe doch nur mit Aoi‘ böse endet. Aber er wollte ja nicht hören!“

„Hm“, mache ich und als auch mein Glas leer ist, werden die gleich von Sayuri ausgetauscht.

„Geht auf’s Haus!“, sagt sie und zwinkert uns zu.

Wir bedanken uns und legen gleichzeitig die Köpfe in den Nacken.

Das Ganze wiederholt sich mehrere Male, bis ich anfange, mit meinem eigentlich größten Feind tiefgehende Gespräche zu führen und wir über Gott und die Welt reden. Über die schreckliche Gesellschaft, die verdorbene Jugend, Zukunftsängste und was weiß ich noch alles, was einem als desorientierter Teenager in den Sinn kommt – und irgendwann, als wir fast keine Zigaretten mehr übrig haben und Sayuri schon öfters Drinks „auf’s Haus“ zu uns geschoben hat, liegen wir sogar fast auf dem Thresen, weil wir plötzlich alles unglaublich lustig finden. Ich glaub’s nicht, ich hab Spaß – und das mit diesem Kerl! Dann, als ich gerade wie ein Irrer über einen total dummen Sparwitz von Akira lache, sehe ich, wie Aoi und Uruha wieder an die Bar kommen, Uruha scheint immer noch nicht ganz zufrieden, aber beruhigt.

„Jungs, wir gehen“, ruft Aoi gegen den Lärm und wir meinen, dass wir noch ein bisschen bleiben.

Ich mein – es gibt Alkohol umsonst, wer geht da schon früh nach Hause?

„Aoi, hast du noch Zigaretten?“, fragt Akira, der mit Schrecken festgestellt hat, dass seine Schachtel leer ist.

Aoi verdreht die Augen, knallt uns dann aber seine angebrochene Packung auf den Tisch.

„Teilt sie euch gut ein!“

„Dankeeeee!“, rufe ich begeistert ,weil auch ich schon ziemlich schwarz sehe, wenn ich einen Blick in meine Schachtel werfe und dann gehen die beiden Gitarristen ab in den Backstagebereich, um ihre Gitarren zu holen.

Danach sind wir wieder allein und wir driften wieder in unsre ultralustige Welt ab, fern von der Realität, in der wir uns gerade befinden.

„Taka-chan, ich muss dir was sagen!“

Ich hab aufgegeben, ihm das Taka-chan abzugewöhnen. Er meint, mein Spitzname wäre blöd (… aber seiner! Als ob der besser wär!) und Takanori zu lang. Daher das. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass er es unglaublich lustig findet, mich zu verniedlichen. Machtspielchen und so.

Bevor ich sagen kann, dass er mir ja keinen Heiratsantrag machen soll, dreht der Bassist sich um 45 Grad mit dem Barhocker und sitzt mir jetzt praktisch gegenüber. Dann sagt er, total unverblümt:

„Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass du seit Ewigkeiten von einem extrem ekligen Kerl in der Ecke da drüben angestarrt wirst?“

„W-WAS?!“

„Wenn du jetzt hinguckst wird’s auffällig.“

Mein Kopf landet auf dem Thresen, wie Uruha es vor knapp einer Stunde selber gemacht hat. Warum immer ich?

„Du solltest mit ner Tussi rummachen, dann wird sein Interesse bestimmt abflachen!“

„Ihgitt!“, mache ich angeekelt.

Nie und nimmer! Davor geb ich mir lieber die Kugel!

„Wieso, Sayuri würde bestimmt gerne aushelfen!“

„Nein, danke! Dann soll er starren. Ich weiß, dass ich schön bin, ich kann’s ihm nicht verübeln!“

Oh yeah, jetzt pack ich wieder mein unglaubliches Selbstbewusstsein aus! Demonstrativ schnappe ich mir Aoi’s Menthol Zigaretten (besser als gar nichts) und zünde mir sie mit Akiras Feuerzeug an.

„Kannst du mir vielleicht nen Tipp geben, wie lang ich das Ding behalten kann? Ich find’s so schön praktisch!“

„Ich weiß es selber nicht“, gibt Akira sich blöd und tut es mir gleich: Zigarette aus der Packung, aber sein Feuerzeug ist leer.

„Komm mal her, ich brauch Feuer.“

Ich habe nicht mal Zeit, sein Zippo aus der Tasche zu fummeln, da schnappt er sich meinen Nacken und zieht mich zu sich rüber. Hilfeee?

„Was…“, nuschele ich, aber dann checke ich, dass er die Kippe an meiner eigenen anzünden will.

Oh Gott, sein Gesicht ist wieder viel zu Nahe.

Das Anzünden dauert ewig – der Alkohol macht alles schwer, und als wir es doch geschafft haben, den Glimmstängel anzumachen, kippe ich vornüber in Akiras Arme.

„Nicht so stürmisch, Süßer!“

„Argh, halt dein Maul!“, knurre ich, aber ich hab immer noch nicht genug Gleichgewichtssinn und kann mich daher nicht aus seinen Armen befreien. Ich ziehe die Luft scharf ein – verdammt, warum riecht der auch noch gut?

Herrgott, ich dummes Opfer! Schluss damit!! Langsam setze ich mich wieder auf und meine:

„Oh Gott, das ist so mühsam!“

„Ja, versteh ich voll und ganz“, meint Akira, aber ich bin mir nicht mal sicher, ob er das so ernst meint.

Eine viertel Stunde später beschließen wir sogar, endlich heimzugehen. Yune haben wir nicht mehr gesehen, aber Akira meint, das wär keine Seltenheit. Der Kerl ist sowas von komisch, meiner Meinung nach. Wir sagen Sayuri auf Wiedersehen und dann verschwindet Akira kurz hinter der Bühne, um seinen Bass zu holen. Ich warte draußen und erblicke den Kerl, der wohl schon die ganze Zeit starrt. Ich schätze ihn auf Mitte 20, tätig als Straßenstricher um sein Heroin zu verdienen. Zumindest sieht er so aus. Baaaaaah. Hätte da nicht mal ein Geiler vorbeikommen können? Ich mein, wenn mich hübsche Männer anstarren, dann ist das ja wirklich schmeichelhaft… aber bei sowas? Ich hab so ein Pech in meinem Leben!

„Der Typ geht einfach gar nicht!“

Akira ist neben mir aufgetaucht und bevor ich ihm mit einem „Ja“ antworten kann, schiebt er mich aus dem Club, indem er den Arm um mich legt und bestimmt die Richtung angibt.

„Siehst du, jetzt war’s wieder gut, dass ich da war!“, brüstet er sich dann sogleich, als wir uns vom Club entfernt haben.

„Bilde dir da mal nichts drauf ein!“, antworte ich und vergrabe die Hände in den Taschen meiner Jacke.

Akira kichert amüsiert, dann sagt er:

„Wehr dich doch nicht immer so!“

„Ich habe guten Grund, mich gegen dich zu wehren!“

„Gut, da hast du wohlmöglich Recht.“

Wir steigen in die Bahn, die gerade kommt. Als wir sitzen, begleitet von ein paar anderen Leuten, die um die Uhrzeit eher schlafend in den Sitzen hocken, fällt mir eine unglaublich brennende Frage ein:

„Wo wohnst du eigentlich?“

„Kennst du das Mitsui Garde Hotel?“

„Äh. Ja.“

„Gut. Da in der Nähe dann.“

„Halt mal, dann sitzt du in der falschen Bahn“, stelle ich fest, nachdem ich überlegt habe.

SO betrunken bin ich noch nicht, um nicht zu wissen, in welche U-Bahn er eigentlich steigen müsste!

„Ne, stimmt schon.“

„Aber die fährt in die andere Richtung - zu mir nach Hause!“

„Weiß ich.“

Akira hat seinen Bass neben sich gelehnt und schaut mich jetzt unverwandt an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank und dass sein Vorhaben wohl klar auf der Hand läge. Und langsam, wirklich langsam, macht es bei mir Klick.

„Oh nein, du begleitest mich NICHT nach Hause! Ich kann auf mich selber aufpassen!“

„Das hab ich gesehen!“

„Das waren deine blöden Freunde!“

„Ob sie meine blöden Freunde waren oder nicht, spielt da keine Rolle!“

„Du behandelst mich wie ein Kind!“

Akira stößt genervt die Luft aus, dann sagt er:

„Jetzt ist es sowieso zu spät.“

„Wieso machst du das?“

Ich verschränke die Arme und versuche, nicht allzu sehr zu schielen. Oh man, die Feinkoordination. Die geht immer viel zu schnell auf Urlaub.

„Weil ich es will“, sagt Akira dann bestimmt und sieht aus dem Fenster.

Ich bin still und lehne mich fassungslos zurück in den Sitz. Unglaublich. Einfach unglaublich!
 

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Ich muss ins Bett. X____X

*ins Taschentuch rotz*

Gute Nacht und bis zum nächsten Mal!

Hoffentlich bin ich da fitter. X__X

Sorry seems to be the hardest word

BAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAH.

Ich bin so schlecht. Wirklich. Sorry.

Der Stress. Ich. Oh Gott, dieses dämliche Abitur sollte schon vorbei sein! X___X
 

Danke, danke, danke, danke, danke, danke für die Kommis & die Favos und ich find euch alle sehr toll. Q___Q
 

Eventuelle Klammern sind wie immer kein Autorenkommentar. LOL.

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Kapitel 8 - Sorry seems to be the hardest word
 

Ein pinker Zettel. Pink. PINK! – Ich buchstabier das noch mal, damit auch jeder kapiert, was das für ne Farbe ist, die mir da entgegenspringt: P I N K!

„Oh, schau mal, Ruki!“

Kai zeigt auf das Etwas, das an meinen Spint geheftet wurde. Ich stehe ganz geschockt davor und habe irgendwie Angst, mir diesen Zettel genauer anzusehen.

„Ich will das nicht anfassen!“, sage ich dann bestimmt.

Kai seufzt, tut es aber selbst für mich: Er reißt den Zettel weg und entfaltet ihn. Dann fängt er an, zu lachen.

„Rukiiii, du hast eine Verehrerin!“

„Nein!“, rufe ich aus und werfe die Arme in die Luft, als würde ich mich ergeben.

Das kann nicht sein, JEDER weiß, dass ich schwul bin! Wirklich! JEDER! Ausnahmslos! Kai meint „Doch!“ und dreht den Zettel um. Ich sehe mich selber, als Bleistiftzeichnung und drüber steht in Schnörkelschrift „Dreaming of You.“ – Oh Gott, darf ich mal schnell kotzen gehen?!

„Steht ein Name drauf?“, frage ich matt und vergesse, dass ich eigentlich nur schnell mein Mathebuch holen wollte. Jesus, hab doch Erbarmen mit mir!

Ah shit, das war die falsche Religion…

„Ne, gar nichts. Aber ist doch süß!“

„Ja, in etwa so süß wie meine Mutter, wenn sie wieder ihre Wechseljahr-bedingten Anfälle hat!“

„Ach Gott, jetzt stell dich nicht so an!“

Ich ziehe mein Mathebuch aus dem Spint und danach gehe ich mit Kai zum Mitagessen. Doch, ich stelle mich an!

„Kai, du musst schauen, ob irgendeine Tussi starrt! Dann kann ich dieses große Missverständnis aus dem Weg räumen!“, sage ich dann, als wir mit unserem Essen auf unserem Stammplatz sitzen, während Kai immer noch die Zeichnung mit meinem realen Ich vergleicht.

„Also, dein Haar hat sie so wunderschön hingekriegt!“

„Ja, toll“, sage ich und stopfe mir Reis in den Mund.

„Das kommt bestimmt, weil du jetzt ein Rockstar bist. Die ganze Stufe redet von dir und Reita und der Band und wie gut ihr seid.“

„Nennst du ihn jetzt auch schon beim Spitznamen?!“

„Ja, wieso auch nicht?“

„Weil er bescheuert ist!“

Kai antwortet nicht, sondern zuckt nur die Schultern und hält die Zeichnung gegens Licht.

„Die hat bestimmt gute Noten in Kunst!“

„Woar, ist doch egal!“

„Willst du denn nicht wissen, wer dahinter steckt?“

„Nur, um der zu sagen, dass ich nicht auf Weiber stehe!“

„Sei nicht so herzlos!“

„Doch!“

Noch mehr Reis, der seinen Weg in meinen Magen findet und Kai hat sein Bento immer noch nicht angerührt. Die Zeichnung scheint gerade all seine Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Gerade will ich fragen „Sag mal, isst du das noch?“, aber da wird plötzlich ein kiloschwerer Ordner neben mir auf den Tisch geknallt und ich schrecke hoch.

„Gut, dass ich dich hier finde!“

Akira setzt sich ohne Umschweife neben mich und ich meine nur:

„Ja, ich freu mich auch total, dich zu sehen.“

Natürlich sarkastisch. Ist ja klar. Akira nickt Kai zu, der lächelnd zurücknickt, bevor er sich wieder dem pinken Zettel widmet und genauestens auf verräterische Spuren untersucht.

„Was genau hast du vor?“, frage ich den Blonden dann rundheraus.

„Ich muss mit dir Shoppen gehen.“

„BITTE?!“

Akira zieht sein Handy hervor und zeigt mir eine SMS von Aoi:
 

Hey, geh von dem Geld neues Equipment kaufen und bring’s zur Probe mit. Danke!
 

„Und was hat das mit mir zu tun?“, frage ich blöd, bevor ich mir die nächste Portion Reis und Bohnen (ja, unglaublich nahrhaft und lecker mal wieder!) zu Gemüte führe.

„Glaubst du etwa, ich schlepp das Zeug alleine?“

„Aber wieso ich?“

„Weil du gerade in mein Sichtfeld gelatscht bist und ich sicher keine SMS an Yune oder Uruha verschwenden werde.“

„Soll ich mich jetzt geehrt fühlen?“

„Nö, davon hab ich nicht geredet.“

Ich stoße die Luft genervt aus und plötzlich meint Akira:

„Was ist das pinke Ding da eigentlich?“

Kai schreckt hoch, dann meint er strahlend:

„Ruki-chan hat eine Verehrerin!“

Bevor ich ihm den Wisch aus der Hand reißen kann, hat ihn Kai an Akira weitergegeben. Der begutachtet die Zeichnung mit eiserner Miene, dann kann er sich aber nicht mehr halten und bricht in Gelächter aus.

„Komm schon, wie blöd ist die?! Bei dir sieht man doch aus zehn Metern Entfernung, dass du auf dem anderen Ufer Party machst!“

„Danke?!“, keife ich, aber das tut Akiras guter Laune keinen Abbruch.

„Ich finde, die hat deine Wangen nicht getroffen!“

Und damit wagt er es, meine Wangen zwischen Daumen und Zeigefinger zu nehmen und zu sagen:

„Da hat sie die Wirklichkeit ein bisschen arg verzerrt!“

„Du Arsch!“

Ich schlage seine Hand weg und reibe mir über die Stelle, die er gerade in seinem Klammergriff hatte.

„Jaja, ich dich auch.“

Damit steht er auf und gibt mir eine Uhrzeit und die U-Bahnstation, an der ich mich zu befinden habe.

„Ich hab nicht mal gesagt, ob ich will!“

„Ich hab dich ja auch nicht gefragt, ob du willst.“

Mir klappt wieder vor Empörung die Kinnlade runter.

„Also, Ladies. Ich geh dann. Man sieht sich“

Und damit verschwindet er wieder.

„KAI!“, rufe ich empört, aber mein bester Freund kann nichts anderes tun, als dumm zu grinsen.

„Ihr führt euch auf wie ein altes Ehepaar, weißt du das?“

„Du sollst mich eigentlich unterstützen, du Idiot!“

„Okay, mach ich dann nächstes Mal!“

„Ach, vergiss es, machst du doch eh nicht!“

Frustriert kreuze ich die Arme vor der Brust und wäge meine Überlebenschancen ab, wenn ich NICHT am von Akira festgelegten Treffpunkt stehe. Aber eine kurze Überschlagsrechnung macht klar, dass die sehr gering ist und sich kontinuierlich nahe Null bewegt. Sauber! Genervt greife ich zur Cola, und plötzlich sagt Kai:

„Was, wenn das gar kein Mädchen ist?“

„Wie meinen?“

„Na. Wenn das hier“, damit wedelt er mit diesem widerlichen Zettel vor meiner Nase herum, „nicht von einem Mädchen, sondern einem Jungen kommt?“

„Der ist PINK! Das schließt einen Jungen aus!“

„Takeru würde dir bestimmt pinke Liebesbriefe schreiben!“

Ich will was erwidern, aber irgendwie würde alles, was ich jetzt sage, auf eine Beleidigung Takerus rauslaufen. Lassen wir das lieber, so böse bin ich nicht. Ich mag ihn ja schließlich doch.

„Siehst du, da hab ich dich!“

„Aber es ist nicht Takeru, es sei denn, er hat sich zwischen der ersten Stunde und der Mittagspause in unsre Schule gebeamt!“

„Naja, von Takeru hab ich ja auch nicht geredet…“

Damit lehnt er sich zurück und legt die Fingerspitzen aneinander, wie Burnes von den Simpsons es immer tut. Ich ziehe die Augenbraue hoch und kann seinem wohl total genialen Gedankengang nicht folgen.

„Du musst dich jetzt mal kurz gaanz unauffällig drehen.“

Zweifelnd, ob die Idee jetzt gut ist, drehe ich mich um und der erste, der meinen Blick kreuzt ist Akira, der bei seinen Klassenkameraden sitzt und wohl hochspannende Themen bespricht.

„Willst du, dass ich dich heute wirklich noch umbringe, oder was?!“, zische ich dann, sobald ich wieder zurückgeschnellt bin.

„Wenn ich mit meiner Theorie recht behalte…“

„… was du sicher nicht tust…“, werfe ich ein und schmolle.

„Wenn ich recht behalte, dann ist DIESE Theorie auch nicht gerade abwegig!“

Und damit landet mein Bleistift-Ich auf dem pinken Untergrund auf meinem Mathebuch.

„Okay, egal, was du für Drogen nimmst, NIMM WENIGER!“

„Ts, ts, ts!“

Kai schnalzt mit der Zunge, dann sagt er:

„Aber du musst schon zugeben, sein Verhalten ist HÖCHST VERDÄCHTIG!“

„Sag ich ja, aber keiner will mir glauben, dass der nur nett tut und mich dann bei Gelegenheit töten wird!“

„Das glaube ich nicht, es sei denn, er tötet dich aus Liebe.“

Bevor mein Kopf schmerzhaft auf dem Tisch landet, beginnt Kai wieder, seine Theorie, die er damals im Starbucks aufgestellt hat, zu vertiefen, aufgrund der Sachen, die ich ihm alle heute Morgen erzählt habe:

„Er bringt dich nach Hause, obwohl er in einer anderen Richtung wohnt. Hinter der Bühne geht er mit dir eine Rauchen und erzählt dir irgendwelche Stories, um dich zu beruhigen. Und, was du wohl nicht mitgekriegt hast, auf der Bühne klebt sein Blick auf dir und sobald Takeru auch nur einen Millimeter zu nah an dir dran war, habe ich Anzeichen der Eifersucht bei ihm entdeckt. Also, wenn DAS nicht ein Beweis ist, dann weiß ich auch nicht mehr!“

„Er bringt mich nur nach Hause, um mich über den Heimweg über fertig zu machen und mich blöd dastehen zu lassen. Und er meinte selber, dass er nur sichergehen will, dass ich nicht ins Publikum kotze. Soviel dazu! Und das mit Takeru hast du falsch interpretiert, weil er mir gesagt hat, dass er mich neben Takeru nur männlicher als sonst fand – also nix mit Eifersucht oder so nem Scheiß – HALLO, hörst du mir zu?“

„Er guckt rüüüber!“

„KAI!“

Kai zuckt ertappt zusammen, aber er ist multitaskingfähig, was bedeutet, dass er mir natürlich zugehört hat. Daher antwortet er:

„Aber Schätzelchen, das ist doch alles nur Tarnung!“

„Ich geb dir gleich Tarnung!“

„Er versteckt sich doch nur hinter dieser Fassade, das musst du einsehen. Nicht jeder kann problemlos akzeptieren, schwul zu sein!“

„Ach, sei ruhig! Du nervst!“

Für einen Moment herrscht Stille, dann sage ich:

„UND ÜBERHAUPT! Akira und malen – ja, sicher! Der benutzt nen Bleistift höchstens, um ne Parabel in ein Koordinatensystem zu zeichnen!“

„Stille Wasser sind tief – hätten wir erwartet, dass er dich jemals KÜSSEN wüde?“

„Hätte ich erwartet, dass du so ein Trottel bist, hätt ich mich nie mit dir angefreundet!“

„Ich geb’s auf…“

„Na endlich!“

Kai beäugt mich für ein paar Sekunden, dann sagt er:

„Naja, du hast ja Takeru!“

Und damit duckt er sich vor der Zeichnung, die ich zerknüllt habe und nach ihm geworfen habe.

„Ich hasse dich!“
 

Gegen fünf stehe ich dann also an der Station und warte missgelaunt auf Akira. Dank dem Deppen hatte ich daheim nicht mal Zeit, mich nach der Schule halbwegs annehmbar für die Außenwelt zu machen. Ich bin erstaunt, dass ich überhaupt Zeit hatte, meine Uniform gegen Zivilklamotten zu wechseln. Ungeduldig puste ich mir eine Strähne, die nicht sitzt, aus dem Gesicht. Wehe ihm, er kommt nicht. Wehe!

„Du siehst so herrlich verloren aus!“

Akira steht ganz plötzlich neben mir – woar, der hat Ninjaskills! Ganz klar, sonst würde der nicht immer plötzlich und lautlos auftauchen!

„Könntest du mich einmal normal begrüßen, mit einem ‚Hallo‘ oder so?“

„Normal ist doch langweilig.“

„Ja stimmt, normal wäre, dass du mal das hässliche Ding aus deinem Gesicht nimmst!“

Damit deute ich auf sein Nasenband und er schickt mir nur einen Todesblick rüber.

„Lass uns gehen.“

Ich folge ihm raus auf die Straße in einen Laden, der alles hergibt, was das Musikerherz begehrt.

„Warum hat Aoi dich eigentlich geschickt?“, frage ich, als Akira mir eine Packung Plektren in die Hand drückt.

„Weil ich das Geld habe.“

„Bist du für die Finanzen verantwortlich?“

„So in etwa.“

Ich unterdrücke mein „Oh je“, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass er jemals sorgsam mit Dingen wie Geld umgeht, gerade noch so und folge in einen Raum, indem man nur Gitarren finden kann. Einen Gang weiter befinden wir uns in der Abteilung mit den Tretpedalen.

„Aois ist kaputt…“, murmelt Akira und kratzt sich nachdenklich am Kopf, weil er wohl überlegt, welches von den vielen Dingern der Gitarrist braucht.

Irgendwann schnappt er sich eins und belädt mich wieder damit.

„Okay, ich verstehe ja, dass du nicht alles allein schleppen willst, aber ich bin nicht dein Packesel!“

„Pscht, ich muss mich konzentrieren!“

Bitte? Auf was muss er sich denn konzentrieren?!

„Schon mal was von nem Einkaufszettel gehört?“

„Brauch ich nicht.“

Achja. Das merke ich.

„Ruf mich, wenn du nen Sklaven brauchst!“, sage ich und entferne mich. Dann setze ich mich auf einen Verstärker von Marshall und starre Löcher in die Luft.

Pff. Wie der mich heut wieder behandelt, unfassbar! Langsam glaube ich, dass der Kerl eine bipolare Störung hat. Anders kann ich mir das alles nicht erklären – erst behandelt er mich wie ein Stück Dreck, dann rettet er mich quasi, dann wird er wieder fies, im nächsten Moment ist er nett und dann, kaum schaut man für einen Moment weg, ist er wieder scheiße zu mir. Oh Gott, das bereitet mir Kopfschmerzen! Frustriert stütze ich meinen Kopf mit einer Hand und betrachte die Plektren, die mit unglaublich kitschigen Pandabärchen und Kätzchen verziert sind. Die sind bestimmt für Uruha.

„Sooo!“

Akiras Stimme durchreist die Stille (wir scheinen die einzigen hier) und ich sehe unbeeindruckt auf.

„Nimm das mal.“

Zack – neue Gitarrensaiten in verschiedenen Stärken und ein Packen von billigen Drumsticks landen auf meinem Schoß.

„Geh nicht weg!“

„Nene. Keine Angst“, antworte ich und beobachte Akira, wie er von Raum zu Raum tigert und geschätzte hundert Päckchen mitgehen lässt. Und ich habe schon eine Ahnung, wer das tragen wird… Eine halbe Stunde später gehen wir zur Kasse und lassen ganz schön viel Geld liegen, aber anscheinend hat Akira das schon erwartet und als alles in Tüten verpackt ist, geht es darum, das Zeug heil in den Proberaum zu bringen.

„Nimm du das.“

Ich bekomme die Tüte mit dem vielen Kleinzeug in die Hand gedrückt und er selber nimmt die mit den ganzen technischen Geräten. Ich bin irgendwie froh, dass ich das Leichte bekommen habe. Auch wenn mich das als Pussy dastehen lässt. Die dritte Tüte nehmen wir zusammen und wir schleppen uns zur U-Bahnstation.

„Siehst du ein, warum ich dich mitgenommen habe?“, fragt Akira, als wir uns durch die Menschenmassen schlängeln.

„Ja, irgendwie schon…“

Allein wäre ich wohl arg verloren gewesen. Und selbst Akira, der ja sonst alles kann (seiner Meinung nach natürlich, die meiner selbstverständlich NICHT entspricht) hätte damit auch Probleme gehabt.

„Uruha hätte nur rumgejammert, wie schwer die Sachen wären“, erklärt Akira dann.

Gut, das kann ich sogar irgendwie nachvollziehen, dass man Uruha lieber nicht für solche Aufgaben bestimmt.

„Und Yune?“

„Der geht mir grad auf den Sack.“

„Und was ist der Grund?“

„Musst du immer alles wissen?“

„Dann musst du eben nicht davon anfangen!“

Akira setzt die Tüte in seiner linken Hand ab, als wir am Gleis stehen und auf die nächste Bahn warten.

„Ist egal. Manchmal gehen mir Menschen einfach auf die Nerven, ohne einen bestimmten Grund.“

„Das weiß ich!“

Mein Kommentar war ganz klar auf seine Schikanen, die noch bis vor ein paar Wochen Teil meines Alltags waren, abgezielt. Akira bleibt ruhig und starrt wie ein Irrer auf die Anzeigetafel, als hätte er noch nie was Schöneres gesehen. Klar. Bei sowas wird er wieder kleinlaut. Vollidiot!

Es ist eigentlich komplett paradox. Ich stehe hier mit dem Jungen, der mir mein Leben regelmäßig zur Hölle gemacht hat, und warte auf die Bahn, die uns dort hin bringt, wo wir nachher noch zwei Stunden zusammen proben werden. Was zur Hölle?! Wenn ich mir das jetzt mal so durch den Kopf gehen lasse, ist das fast wie aus einem schlechten Film.

Bevor ich noch weiterdenken kann, fährt die Bahn ein und wir schieben uns in einen Wagon. Natürlich kriegen wir keine Sitzplätze mehr und wir quetschen uns mit der Menge einfach irgendwie rein. Ich stehe mit dem Rücken zu den anderen Fahrgästen, Akira mir gegenüber lehnt an der Wand des Wagons. Die Tüten haben wir zwischen uns gestellt. Für zwei Minuten sagen wir nichts und ich hänge wieder meinen Gedanken nach.

„Was eigentlich, wenn wir das falsche Zeug gekauft haben?“, frage ich dann, eingekeilt zwischen Geschäftsmännern und anderen komischen Leuten.

„Dann darf Aoi mit dem Zeug zurückgehen und umtauschen“, kommt es trocken von Akira.

„Läuft das immer so bei euch?“

„Ja schon. Ich mein, wem nicht passt, was ich kaufe, der geht dann eben selber und fertig!“

Ich will gerade fragen, warum man dann nicht gleich jeder selber losgeht, aber mir bleiben die Worte im Hals stecken.

Der Grund dafür liegt buchstäblich klar auf der Hand. Oder zumindest bei einer Hand, die mir gerade definitiv zu nah kommt und weder mir noch Akira gehört!

Ich hab ja schon oft von diesen Kerlen gehört, die in der U-Bahn lauern und die Enge der oft überfüllten Wagons nutzen, um Hand an arme hilflose Schüler zu legen – aber äh… HALLO? Solche widerwärtigen Kerle gibt es tatsächlich?! Da ich nicht weiß, was ich jetzt genau tun soll und wie ich mich aus dieser äußerst unangenehmen Situation befreien kann, drücke ich mich so weit wie es geht weg, aber keine Chance – noch ein Schritt weiter und ich liege in Akiras Armen. Nach rechts und links sind die Fluchtwege versperrt. Kurzum, ich bin in einer echten Scheißsituation.

„Ist was?“, fragt Akira und zieht die Augenbraue hoch, als ich mit offenem Mund dastehe und vor lauter Schock gar nicht weiß, was ich tun soll – nö, ich werde hier grad nur von irgendjemandem begrabscht. Sonst alles paletti, danke der Nachfrage! Sobald der Kerl dann anfängt, in meine Hose zu packen, meld ich mich noch mal!

Und dann geht alles so schnell, dass ich gar nicht wirklich mitkriege, was eigentlich passiert. Akiras Blick wandert an mir nach unten, dann reißt er die Augen auf und mich an der Hüfte zu sich. Danach schiebt er mich zur Seite und stellt sich vor dem Kerl auf (Mundschutz trägt er – natürlich, von Tarnung hatte ich’s heut ja schon oft), der wohl selber grad nicht mitgekriegt hat, dass seine Grabschaktion aufgeflogen ist und Akira ruft, so laut, dass es auch wirklich jeder mitkriegt:

„Sag mal, hast du eigentlich nichts besseres zu tun, als dich an Minderjährigen zu vergreifen, du Wichser?!“

Ich schlage die Hände vors Gesicht und ein undefinierbarer Laut geht durch die Runde. Ich glaube, teils wegen Akiras… sagen wir mal sehr unverblümten Ausdrucksweise und wohl auch teils wegen der Unverschämtheit, die dieser Mundschutzträger besitzt, seine Hände an die Kehrseiten Minderjähriger zu legen.

„Krieg ich auch mal ne Antwort?!“

Als der andere immer noch nichts sagt und von den Umstehenden mit bösen Blicken bestraft wird, meint Akira, immer noch kein Phon leiser als vorher:

„Gut, dann sag nichts, du Feigling. Aber eins schwör ich dir – leg deine Hände noch einmal an meinen Freund und ich verarbeite dich zu Hackfleisch, ist das KLAR?“

Eine Mutter hält ihrem Sohn die Ohren zu, der ganz bewundernd zu dem Blonden schaut und leuchtende Augen hat. Ja, der findet das cool. Unter den Umständen, dass Akira wirklich mein Freund wäre, fände ich das auch total cool und würde ihm wahrscheinlich danach zu Füßen liegen und Mist schwafeln à la „Wenn du bei mir bist, muss ich nichts fürchten!“ und danach würden wir nach Hause gehen und wilden Sex haben… aber dem ist nicht so, deshalb muss ich meinen Protest unterdrücken und gezwungenermaßen gute Miene zum bösen Spiel machen. Als der Kerl mit dem Mundschutz, ganz eingeschüchtert, minimal nickt, lässt Akira von ihm ab und stellt sich vor mich. Ich muss mich zusammenreißen, nicht loszuschreien was zur Hölle ihm eigentlich einfällt, aber ich glaube, eine Grundsatzdiskussion würde hier nicht viel bringen. Zumal dann diese unglaublich bodenlose und hanebüchene Tarnung als Pärchen auffliegen würde. Als ich gerade was sagen will, dreht Akira sich noch mal zu dem Übeltäter um und sagt:

„Nicht mal gucken, Arschloch!“

Ich werfe der Mutter mit dem Sohn einen entschuldigenden Blick zu, die schon wieder ganz empört nach Luft geschnappt hat, dann sage ich:

„Ist ok!“

„Nichts ist ok!“

Ich sehe, wie die Umstehenden sich die Hälse nach uns verrenken, also fange ich an, zu flüstern. Muss ja nicht jeder mitkriegen, dass ich jetzt gleich ganz frauentypisch versuche, meinen „vor Beschützerinstinkt rasenden Freund“ (das ich nicht LACHE! Und NEIN, die Sache mit dem Sex reizt mich nicht… nur minimal… aber das zählt nicht!) zu beruhigen.

„Ist doch nichts passiert, komm wieder runter!“

Akira, von dem ich eigentlich erwartet hätte, dass er gleich wieder mit „Wäre ICH nicht da gewesen, dann…“ anfängt, wirft nur noch mal einen warnenden Blick über die Schulter, bevor er seufzt und wohl erst jetzt realisiert, was er da eigentlich gerade gesagt hat – er wird leicht rot unter seinem Nasenband und vermeidet es, mich direkt anzusehen. Ja. Ne. So ein Trottel. Hätte er sich doch vorher überlegen sollen, was er da immer anstellt! Der schaltet nie sein Hirn ein!

Aber jetzt sind wir hier schon drin in der Nummer und für die nächsten zehn Minuten kommen wir hier auch nicht mehr raus. Ziemlich verfahren, das Ganze. Ha. Der war gut! Verfahren!

„Aber Mama, er ist so cool!“, höre ich den kleinen Jungen sagen und ich muss anfangen, zu grinsen.

„Du darfst dir deine Haare trotzdem nicht blond färben!“

Kinder können so süß sein!

„Ich weiß, dass ich cool bin“, murmelt Akira und unterdrückt selber sein Grinsen.

„Du verdirbst nur die Jugend“, entgegne ich und boxe ihm in die Seite.

Wenn schon Pärchen, dann richtig. Und mal ehrlich, mein Stolz ist schon längst über Bord gegangen. Ohne Schwimmflügel. Ohne Rettungsring. Und liegt wahrscheinlich schon am Boden des Pazifiks und wird von Haien angenagt.

„Oh entschuldige. Ich besser mich.“

„Das tust du doch eh nicht!“

Akira stützt einen Arm neben meinem Kopf ab (gäbe es einen Alarm für klassische Adaptionen aus schlechten Filmen, JETZT würde er losgehen) und sagt:

„So viel hältst du also von mir.“

Nein, neiiiin – er nähert sich nicht meinem Gesicht. Das bilde ich mir ein. Das muss eine Fatamorgana sein.

„Das weißt du so oder so!“, sage ich gedämpft und hole tief Luft, um meinen rasenden Puls zu unterdrücken.

Das war ein Fehler. Mein Puls beruhigt sich überhaupt nicht, weil ich jetzt komplett eingelullt von seinem Duft bin, den ich immer noch keinem Parfum zuordnen konnte (nicht, dass ich danach gesucht hätte oder so – aber ich hab mir schon Gedanken gemacht… um… ehrlich zu sein – oh Gott, ich bin so behindert!).

Hör auf, du Arsch! Hör auf, so verdammt gut auszusehen, auch mit diesem Ding im Gesicht! Und hör auf, mich so anzugrinsen! Und… ARGH hör einfach auf zu existieren!

„Das verletzt mich, Süßer.“

Bloß nicht schwach werden. Vielleicht könnte ich dadurch noch mal auf Tauchgang gehen und den Rest meines Stolzes zusammenkratzen und bergen und das Schlimmste verhindern. Nur noch zwei Stationen. Dann bin ich gerettet. Das würde dem so passen, dass ich ihm jetzt in die Arme falle und sein Frauchen mime! Das ist nur wieder irgendein Machtspielchen, das er gewinnen will. NICHT MIT MIR! Die Runde geht an mich, aber sowas von!

„Tut’s nicht“, antworte ich hart.

„Woher willst du das wissen?“

„Ich kenn dich.“

Nicht wirklich, aber ich muss ja im Hinterkopf behalten, dass wir ja ein bescheuertes Pärchen sind, das sich jetzt ganz verliebt turtelnd ärgert um sich nachher nur einen Kuss zur ‚Versöhnung‘ zu geben. -- OH GOTT, ICH MUSS HIER RAUS!

Eine Station. Gleich hab ich es geschafft. Wenn ich durch diese Tortur hier nicht die Erleuchtung von Buddha persönlich bekomme, dann weiß ich auch nicht mehr weiter! Akiras Gesicht ist jetzt so nah, dass ein Ruck der U-Bahn ausreichen würde, um die minimale Distanz zwischen unseren Lippen zu überbrücken. Ich muss was tun, um die Sache zu entschärfen!

Kurzerhand, ohne wirklich nachzudenken, schiebe ich ihn mit einer Hand an seiner Brust abgelegt weg und meine:

„Nicht in der Öffentlichkeit. Nachher verleitest du den Kleinen noch dazu, schwul zu werden!“

Und in diesem Augenblick kommen wir an unserer Station an. Schneller als mein eigener Schatten schnappe ich die Tüte und quetsche mich raus, Akira kommt mir hinterher. Als die Bahn abgefahren ist, bleibt Akira stehen und meint sauer:

„Passiert dir sowas öfter?!“

Ich selbst verlangsame meinen Schritt und warte dann darauf, dass er mich einholt.

„Nein. Solche Sachen passieren mir nur, wenn du dabei bist!“

Wie ein Fluch – Akira ist mein Fluch! Der Bassist überlegt für eine Sekunde, dann meint er überheblich:

„Ist ja klar. Ich bin der Einzige, der dich vor potentiellen Vergewaltigern schützen kann. Die andern haben’s eben nicht drauf!“

„Wieso behandelst du mich ständig wie ein Kleinkind, das nichts hinkriegt?“

Ich nehme den zweiten Henkel von der Tüte, die wir zusammen getragen haben (dummes, schweres Dreckzeug!) und dann stapfen wir die Treppen hoch. Bis zum Proberaum sind es jetzt noch knappe fünfzehn Minuten zu Fuß.

„Nichts liegt mir ferner als das!“, beteuert Akira, aber ich nehme ihm das irgendwie nicht wirklich ab.

„Ja klar und ich bin Jesus!“

„Eher die Mutter Maria, mein Schöner.“

„Hör auf damit, ich bin kein Mädchen!“

„Aber wirklich männlich bist du ja auch nicht!“

Okay. Das war’s. Wütend schnaubend schicke ich ihm einen Todesblick zu, dann lasse ich den Henkel der Tüte los, die wir zusammentragen und laufe voran.

„Hey, was wird das, Missy?!“

„Trag den Scheiß doch allein!“

„Takanori, komm sofort zurück und hilf mir!“

Ich werfe einen Blick zurück über die Schulter. Akira hat sichtlich Schwierigkeiten, beide Tüten, die gefühlte fünfzig Kilo wiegen, zu tragen.

„Warum um alles in der Welt sollte ich dir jetzt diesen Gefallen tun, wo du dir schon den ganzen Tag wieder Dinger leistest, die mich nerven?“

Der Blonde verstummt.

„Und dass du mir diesen Grabscher vom Hals gehalten hast entschädigt noch lang nicht all das, was du getan hast!“

So. Nämlich. Ich sollte mich mal wieder dran erinnern, was für ein übles Arschloch er war, wie er mich immer fertig gemacht hat und jetzt glaubt, ich wäre sein Held, nur weil er mir einmal nen Grabscher und einmal seine Freunde vom Leib gehalten hat! Pah! So leicht bin ich nicht zu kriegen! Gerade will ich mich umdrehen und weiterlaufen, da meldet sich der Spast mit dem Nasenband wieder:

„Willst du ne Entschuldigung?“

„Das wäre das MINDESTE, was man von dir erwarten könnte, du Trottel!“

„Okay. Dann tut’s mir leid.“

Achso und er glaubt, dass das reicht?

„Was tut dir leid?“

Ich habe mich wieder umgedreht und schaue ihn auffordernd an. Akira stößt genervt die Luft aus. Das scheint ihm wohl Probleme zu bereiten.

„Dass ich ständig neue Sachen finde, um dir auf die Nerven zu gehen.“

„Und?“

„… dass ich dich ständig beleidige.“

„Und?“

Wenn schon, dann richtig! Akira scheint in seinem Gedächtnis zu graben und dann stößt er wohl auf die unangenehmste aller Sachen. Er seufzt und schaut zuerst auf den Boden, bevor er ganz schnell sagt:

„… dass ich dich immer Schwuchtel genannt hab… und dass ich dir offensichtlich weh getan habe…“

Oh Gott, diese Genugtuung, die durch meinen Körper fließt! Was für ein Gefühl! SIEG!

„Okay, ich hab alles, kannst du mir jetzt… bitte… wieder helfen?“

„Warum denn nicht gleich so, mein Großer?“, frage ich neckisch und grinse breit, als ich wieder meinen Henkel nehme.

„Pff.“

„War’s so schwer?“

„Ach. Sei ruhig.“

„Aber das war ein erster großer Schritt! Ich bin sehr stolz auf dich!“

„Hm.“

„Weißt du, das war der erste Schritt in ein besseres Leben, als guter Mensch!“

„Takanori…?“

„Ja, Akira?“

„Ich will mich nicht noch mal bei dir entschuldigen, wenn du gleich Aois neues Pedal an den Kopf kriegst. Also sei ruhig.“

Ich bin ruhig. Aber mein Grinsen will trotzdem nicht weichen. Höhöhö! Der Punkt geht an mich, definitiv!
 

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It's your turn! :'D

Can you keep a Secret?

*reinspazier*

HALLOOOOHOOOOOOO!

Leute, Leute, Leute. Danke für die Reviews, DANKE für die Favos! :D

Und danke, dass ihr die langen Wartezeiten nicht übel nehmt. Eigentlich muss ich ja praktisch nur einmal copy & paste machen, aber bis ich mich zwischen all dem Lernen aufraffen kann... das dauert. x_x"

Aber zum Glück ist das alles in drei Wochen vorbei und ich hab wieder n Leben (bzw... ein virtuelles Leben xDDD).
 

Hier das neue Kapitel, mit gewohnten Klammern, die wieder nichts Weiteres als Rukis Gedankengänge darstellen. Höhö. X.x"
 

Ein dunkles Familiengeheimnis wird gelüftet! *Trommelwirbel*

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Kapitel 9 – Can you keep a secret?
 

„Ruki, hast du ihre Handynummer?“

Können diese Kerle auch einmal einfach nur ‚Hallo‘ sagen? Ich sehe von dem Kabelsalat auf (dank Akira, der natürlich keine Bedienungsanleitungen liest, haben wir hier nämlich ein heilloses Durcheinander aus Kabeln fabriziert, was ich jetzt logischerweise beseitigen muss. Dem Bassisten fehlt dazu die Feinmotorik) und erblicke Aoi und Uruha, die zusammen aufgekreuzt sind. Uruha steht ein bisschen hinter dem anderen Gitarrist und zwingt sich zu einem Lächeln. Ich lächele zuckersüß, dann springe ich auf und zücke einen Zettel, mit einer Handynummer.

„Höchstpersönlich von ihr diktiert bekommen!“, betone ich.

„Hast du gesagt, dass die Nummer für Aoi ist?“, fragt Akira, während Aoi ganz glänzende Augen bekommt, als er den Zettel überreicht bekommt.

„Japp“, antworte ich mit der ehrlichsten Stimme, die ich aufbringen kann.

Was Aoi nicht weiß – die Nummer auf dem Zettel ist bis auf die Vorwahl eines bekannten Netzanbieters frei erfunden und nicht vergeben. Hab ich selber ausprobiert. Ich konnte einfach nicht nach ihrer Nummer fragen, nachdem Uruha so darunter gelitten hat. Das hätte mein Herz einfach nicht verkraftet!

„Ruf doch gleich mal an!“, sage ich und Aoi ziert sich ein bisschen.

„Die hat grad eh nichts zu tun, also mach!“, dränge ich und Uruhas Miene wird von Sekunde zu Sekunde härter.

„Hm… naa gut…“

Langsam tippt Aoi die Nummer in sein Handy ein und drückt dann, nach einem kurzen Blick auf mich, auf die grüne Taste. Uruha, der gerade seine Gitarre auspacken wollte, starrt ganz gebannt auf Aoi, der plötzlich eine Schnute zieht.

„Die Nummer gibt’s gar nicht!“

Für einen Moment herrscht Stille. Aoi vergleicht die Nummer auf seinem Display mit der auf dem Blatt und befindet sie für richtig. Uruha kriegt ganz große Augen und dann meint der blonde Bassist, der gerade hinter einem Verstärker hervorgekrochen ist:

„Tja, das nenn ich mal ne Abfuhr. Die will ihre richtige Nummer nicht rausrücken!“

„Sowas!“, meine ich entrüstet und Aoi zerknüllt den Zettel.

„Pff. Was für ne Bitch!“

Arme Hana. Dabei weiß sie doch gar nichts davon. Aber man muss im Leben einfach Prioritäten setzen – entweder man tut was fürs Bandklima oder man tut was für den egoistischen Gedanken einer einzelnen Person. Da ich ein harmoniebedürftiger Mensch bin, hab ich mich fürs Erste entschieden, auch wenn Hana dadurch jetzt das Image einer dummen „Bitch“, um es mal mit Aois Worten auszudrücken, aufgedrückt bekommt.

„Hat nicht sollen sein!“, sage ich theatralisch und um mein gespieltes Mitgefühl zu unterstreichen, klopfe ich Aoi auf die Schulter.

Nur nicht auffallen, lautet jetzt die Devise. Uruha hat’s natürlich geschnallt. In einem unbemerkten Moment Aois flüstert er mir zu:

„Du bist unglaublich! Ich hab was gut bei dir!“

„Schon recht“, gebe ich gedämpft zurück und genau in dem Moment kommt Yune herein und wird zur Begrüßung von Akira mit den neuen Sticks beworfen.

„Hier, Yune!“

„Du bist so scheiße, Reita!“, mault der Drummer, als er sich die schmerzende Stirn (Volltreffer) reibt.

„Wenn du nicht fangen kannst, kann ich doch nix dafür!“

Und damit beginnt wieder die geschäftige Bandprobe für die nächsten zwei Stunden, in denen wir das neue Equipment einstellen und bis auf die Nieren testen.
 

Die nächsten Wochen in meinem Leben vergehen ziemlich ereignislos –die Sommerferien zu kurz, die Arbeiten zu viel, der Stress wieder unglaublich groß. Inmitten meines extrem langweiligen Alltags schleichen sich dann eben noch die Bandproben und die gelegentlichen Auftritte ein – und eben auch Akira, der es versteht, mir durch die ein oder andere Aktion eben doch noch den letzten Nerv zu rauben. Immerhin, er hat dazu gelernt. Er entschuldigt sich wenigstens danach gleich und das so überzeugend, dass ich dem Arsch nicht mal mehr so sehr böse bin. Eigentlich ist das falsch von mir, ich weiß. Aber naja, ich bin froh, dass er überhaupt mal ein bisschen Besserung zeigt. Vielleicht, so zumindest meine Theorie, braucht er nur noch ein paar kleine Anschubser, um zu einem normalen Menschen zu werden. Immerhin hab ich’s schon mal so weit gebracht, dass er manchmal sowas wie Reue zeigt – erst vor drei Tagen hat er sich allen Ernstes bei Uruha entschuldigt. Unser Gitarrist ist ihm vor Begeisterung natürlich sofort um den Hals gesprungen und hatte beteuert, dass er ihm großzügig vergebe. Also ich finde, ich habe unglaublich gute Arbeit geleistet.
 

Als ich eines wunderschönen Oktoberdienstags nichtsahnend den Gang entlang schlendere, kommt mir irgend ein komischer Kerl entgegen, beladen mit Blättern.

„Ruki-san?“, fragt er ehrfürchtig und bleibt vor mir stehen.

Öh. Der redet mit mir?!

„Ja?“, frage ich, nachdem ich mich umgesehen habe und befinde, dass er wirklich mich gemeint hat.

„Ich bin ein Klassenkamerad von Akira.“

„Und jetzt?“

Schickt der Idiot seit Neuestem Boten, um mit mir in Kontakt zu treten oder wie? Plötzlich werden mir die Blätter, auf denen ich den Simplex-Algorithmus (mein Lieblingsthema!) erkennen kann, unter die Nase gehoben.

„Er ist krank und war heute nicht in der Schule – ich hab aber einen Termin am Mittag und kann ihm die Sachen nicht geben!“

Er sieht mich ganz verzweifelt an und ich schnalle, was das Ganze mit mir zu tun hat.

„Ich soll ihm die Sachen geben?“

„Du bist meine letzte Hoffnung! Wenn Akira das Zeug nicht kriegt, bin ich tot!“

Wieso habe ich das Gefühl, dass nur keiner bei dem Spasten vorbeigehen will? Ich seufze auf.

„Was hat er denn?“

„Ich weiß nicht… ich glaube Grippe…“

Hm ja, ich kann mir vorstellen, dass er da ziemlich ungehalten ist… obwohl… wenn er schwach und krank in seinem Bett liegt… hey, da fallen mir so viele Dinge ein, die ich tun könnte, ohne dass er mir gleich wieder über’s Maul fährt!

„Okay, ich mach’s.“

Der Kerl strahlt mich an, drückt mir die Blätter in die Hand und bedankt sich tausendfach mit Verbeugungen. Kein Thema. Eine gute Tat am Tag! Und dann sammele ich bestimmt wieder ganz viel gutes Karma! Haha!
 

Nach der Schule und einem Telefonat mit Aoi (ich muss ja schließlich wissen, wo genau der Kerl wohnt), befinde ich mich auf dem Weg zu unserem sterbenskranken Bassisten und freue mich irgendwie drauf, ihn leidend anzutreffen. Wie gut das wird!

Was ich nicht erwartet hätte ist, dass er in einer Gegend wohnt, in der sich die Leute noch Häuser mit Garten leisten können. Also kombiniere ich, dass seine Eltern schon mal reich sind. An der von Aoi angegeben Hausnummer entdecke ich auch sofort das Klingelschild mit „Suzuki“ und klingele erbarmungslos Sturm. Raus aus den Federn, Schätzchen! Genug geschlafen, hier kommen die Algorithmen und sie freuen sich schon riesig auf dich!

„Oh Gott, was machst du denn hier?!“

Als ich Akira erblicke, muss ich mir ein Lachen verkneifen. Seine Nase ist so rot wie die von Rudolph dem Rentier, seine Haare stehen wirr in alle Richtungen ab und er hat einen Abdruck von seinem Kissen im Gesicht. Passend dazu befindet er sich im Arbeitslosen-Assi-Look, was bedeutet: Schlabbershirt und alte Jogginghose.

„Ich bringe frohe Botschaft!“

Damit drücke ich mich an ihm vorbei, werde meine Schuhe los und werfe meinen Rucksack gleich hinterher.

„Wurdest du von Heiji geschickt?“

„Keine Ahnung, irgendein Klassenkamerad“, antworte ich.

Akira seufzt, dann versucht er, seine Haare wieder einigermaßen in Form zu bringen.

„Naja. Lieber du als der Trottel.“

„Oh, das sehe ich als Kompliment!“

„Gewöhn dich nicht dran!“

Damit folge ich ihm hoch in sein Zimmer und da bin ich wirklich neidisch –er hat sogar einen Schreibtisch hier stehen und immer noch genug Platz, um ein Regal mit Fernseher und Playstation zu haben! Und dann kann man hier immer noch RUMLAUFEN! Woar… wenn ich an mein Kabuff denke, in dem gerade mal mein riesiges Bett und mein Kleiderständer Platz findet…

„Tja. Das hast du nicht, stimmt’s?“, rotzelt Akira, bevor er ein Taschentuch zückt und lautstark schnäuzt. Eklig!

„Du solltest in deinem Zustand lieber nicht so frech werden, ich könnte deine Hühnersuppe vergiften!“

„Die kocht mir nur meine Mutter, und sonst niemand!“

Er wirft sich wieder schlapp auf sein Bett (immerhin, es ist nicht so groß wie meins!) und sagt dann:

„Okay, Kleiner. Was hast du dabei?“

„Tolles Zeug!“

Ich zücke die Arbeitsblätter, auf denen sich die Algorithmen tummeln und der Kranke stöhnt nur.

„Ich hasse Mathe!“

„Wie kann man nur?!“

„Das geht gut!“

Kopfschüttelnd setze ich mich auf den Schreibtischstuhl und drehe mich einmal im Kreis.

„Ach, ihr Banausen. Mathe ist so toll!“

„Ja für Freaks wie dich vielleicht.“

„Hey, vorsichtig!“

Akira verstummt, dann sieht er aus seinem Berg aus Kissen zu mir auf. Ach herrje, so wie er jetzt aussieht, kriegt man richtig Mitleid mit ihm!

„Desweiteren hab ich noch Biologiezeug dabei. Und noch irgendwas andres, das sieht nach Physik aus.“

„Hättest du nicht auch mal was Gutes bringen können?“

„Was wäre das?“

„Nichts mit Schule!“

„Pff. Jetzt bleib mal realistisch!“

Plötzlich, als Akira mir antworten will, hören wir, wie unten die Haustür aufgeht. Der Blonde sieht überrascht auf und murmelt dann:

„Aber… Mama arbeitet doch noch!“

Beim Wort ‚Mama‘ muss ich mich zusammenreißen, nicht zum zweiten Mal loszuprusten. Akira benutzt das Wort?! IM ERNST?! Das hätte ich nicht erwartet!

„Warte mal schnell.“

Eine Sorgenfalte hat sich auf seiner Stirn gebildet und dann springt er auf und raus aus dem Raum. Ich bleibe allein zurück. Ähm. Okay? Was soll das jetzt? Für einen Moment herrscht Stille, dann höre ich die Stimme eines älteren Mannes:

„Oh. Ich dachte, du wärst in der Schule.“

„Es ist sechs Uhr, da ist die Schule aus!“

Hm. Eigentlich sollte ich ja nicht gucken. Aber… ach… meine Neugier! Langsam stehe ich auf und luge aus der Tür, die Akira offen gelassen hat und ich sehe, wie er am Treppenabsatz steht und ins wohl elterliche Schlafzimmer blickt. Ich folge dem Blick und sehe durch die dort offen stehende Tür einen Mann Mitte 40, der mich erschreckenderweise an Akira erinnert – zumindest hat er den genau gleichen Blick drauf. Okay, das ist der Vater, definitiv!

„Und was machst du jetzt?“, fragt Akira genervt und hat die Arme vor der Brust verschränkt, als sein Papa den Schrank aufmacht und Klamotten in eine Tasche wirft.

„Die letzten Sachen holen, was soll ich sonst tun?“

Das hört sich ja wirklich… unglaublich toll an. Irgendwie bekomme ich das Gefühl, dass die Situation hier nicht für Leute gedacht ist, die mit dieser Familie nichts zu tun haben. Also mir. Zum Beispiel. Ich wette, Akira tötet mich dafür. Wieso muss ich auch immer zur falschen Zeit am falschen Ort auftauchen? Herrgott. Ich hasse mich! Akiras Vater, der wohl seine Ausräumaktion beendet hat, schultert die Tasche, drückt sich an seinem Sohn vorbei und geht die Treppen runter. Akira folgt ihm. Und ich setze nach, automatisch, bleibe aber am Treppenabsatz stehen. Oh Gott, ich werde sterben, wenn ich nicht gleich zurück ins Zimmer verschwinde!

Ich sehe, wie der Herr des Hauses (naja, oder auch nicht…) in seine Manteltasche greift und einen Schlüssel auf die Kommode legt.

„Ach, das war’s dann also?“, fragt Akira kalt, bekommt aber keine Antwort.

Der andere zieht seine Schuhe an und als er die Tür öffnet, bricht es aus seinem Sohn heraus:

„Sag mal, du Arsch, hast du GAR NICHTS zu sagen?! Ich weiß ja nicht, aber ich bin immerhin noch dein verdammter Sohn!“

Die Haustür geht auf und Akiras Vater steht auf der Schwelle. Bevor er sie zu macht, sagt er noch:

„Tut mir leid, Akira.“

Und mit der Tür, die ins Schloss fällt, wird es wieder dunkel.

„Tut’s dir gar nicht, Wichser!“, knurrt der Blonde und setzt sich frustriert auf den Treppenabsatz.

Okay. Okay. Ganz ruhig. Ich muss weg. Ich habe hier definitiv Dinge gesehen, die nie an die Öffentlichkeit geraten dürfen. Langsam bewege ich mich die Treppen runter und als ich auf Akiras Stufe bin, sage ich:

„Ich glaub, es ist besser, wenn ich gehe.“

„Hm“, kommt es nur von unten und fast noch langsamer gehe ich auf meine Schuhe zu.

Wenn Akira vorhin kein Bild des Elends abgegeben hat, dann aber jetzt – er sitzt auf der Treppe, den Kopf in die Hände gestützt wie ein Kind, das man einfach irgendwo vergessen hat und jetzt ganz verloren auf Hilfe wartet.

Wartet er auf Hilfe?

Ist er im Moment dieses kleine Kind, das auf irgendwen wartet und hofft, wieder sicher nach Hause zu kommen?

Ich weiß nicht warum, aber ich lasse meinen Rucksack, den ich gerade wieder geschultert habe, zurück auf den Boden fallen und gehe schnurstracks auf Akira zu. Ich setze mich neben ihn, und erst dann sieht er auf.

„Wolltest du nicht gehen?“

„Soll ich gehen?“

Automatisch, ohne nachzudenken, was für verheerende Konsequenzen ich daraus ziehen muss, lege ich eine Hand auf seiner Schulter ab und streichele mit meinem Daumen darüber. Und dann bekomme ich eine Antwort:

„Nein.“

„Dann bleibe ich.“

Und plötzlich, ohne Vorwarnung, liegt der Blonde in meinen Armen und schnieft. Völlig überrumpelt murmele ich ein „Ist schon okay…“, bevor ich meine Arme um seinen bebenden Körper lege.

„Nicht, dass du denkst, ich heul jetzt!“, schnieft er hastig, weil er wohl merkt, dass das an seinem Badboy-Image kratzen kann.

„Ich würde nie im Leben auf die Idee kommen!“

Es dauert eine ganze Weile, bis Akira seine Schniefer unter Kontrolle gebracht hat und nicht mehr von aufkommenden Tränen durchgeschüttelt wird, die er zurückzuhalten versucht. Normalerweise sagt man bei sowas ja Sachen wie „Lass es ruhig raus, es ist okay, zu weinen“, aber bei Akira würde ich da bestimmt auf taube Ohren stoßen. Daher sage ich die ganze Zeit über nichts, sondern versuche, ihn durch diesen unglaublich doofen Elterntrick wieder zu beruhigen - ich wiege ihn hin und her und komischerweise kommt nicht mal ein Protest von ihm. Als er seinen Kopf hebt (meine Schulter kann bezeugen, dass er sehr wohl geheult hat – aber ich sage mal trotzdem nichts. Image und so!), sieht er aus, als hätte er fünf Tage nicht geschlafen.

„Du solltest dich wieder ins Bett legen.“

Damit ziehe ich ihn an der Hand hoch und bugsiere ihn zurück in sein Bett. Ich selber setze mich auf die Bettkante und Akira zieht sich die Bettdecke bis unters Kinn. Und dann beginnt Akira, mich über diese merkwürdige Situation gerade aufzuklären – und er redet lang. Ich hab ihn noch nie so lang reden hören, und vor allem hab ich ihn noch nie so ernst gesehen. Die ganze Sache begann wohl vor zwei Jahren, als die Überstunden seines Vaters unnatürlich viel wurden. Frau und Sohn hatten sich anfangs nichts dabei gedacht, aber durch ein paar Unvorsichtigkeiten kam raus, dass die Überstunden nicht im Büro abgehalten wurden, sondern in der Wohnung der Sekretärin, hauptsächlich im Schlafzimmer. Eben der Klassiker. Akiras Mutter war natürlich extrem verletzt, gab ihrem Mann aber die Chance, sich noch für seine Familie zu entscheiden. Schlussendlich entschied er sich für seine Sekretärin und gegen seine Frau und damit auch gegen seinen Sohn. Akira, der seinen Vater bis dato eigentlich immer als Held (ja, das hat er so gesagt!) gesehen hatte, traf das wahrscheinlich fast noch heftiger als seine Mutter, die den Kerl dann aus dem Haus gejagt und die Scheidung eingereicht hatte. Seitdem kommt er immer wieder mal vorbei und sucht peu a peu seine Sachen zusammen, vorzugsweise zu Zeiten, in denen keiner daheim ist und er niemandem unter die Augen treten muss. Akira hätte die Möglichkeit, ihn alle zwei Wochenenden zu besuchen, aber er weigert sich. Erstens, weil er keine Lust darauf hat, das Wochenende mit der Frau zu verbringen, die praktisch die Wurzel allen Übels ist und zweitens, weil er immer noch extrem verletzt ist und das sich so schnell wahrscheinlich auch nicht ändern wird.

„Ich will mit dem Arsch nichts mehr zu tun haben! Und dass er heute den Schlüssel dagelassen hat zeigt, dass er jetzt bestimmt nie wieder kommt. Und das ist auch gut so!“, schmollt er, während seine Augenlider immer schwerer werden und ich aufmerksam zugehört habe.

Gott, da kann ich ja froh sein, dass meine Mutter nur nicht kochen kann und meinen Vater ab und zu mal mit dem Nudelholz durch die Gegend jagt, wenn er einen Kochkurs erwähnt.

„Wissen die anderen davon?“, frage ich und meine damit natürlich Uruha, Aoi und Yune.

„Nur das Nötigste.“

„Was ist das Nötigste?“

„Dass mein Vater seine Sekretärin vögelt und meine Eltern deshalb geschieden sind.“

Ich stoße die Luft aus. Das ist einfach beschissen. Ich schaue auf meine Hände, die ich auf der Matratze abgelegt habe und überlege, was ich darauf jetzt antworten soll.

„Takanori?“

„Hm?“

„Ich bin ziemlich müde.“

Ja, nachm Heulen bin ich das auch immer.

„Kein Thema“, sage ich und will gerade aufstehen, da werde ich aber zurückgehalten.

„Halt, wer hat gesagt, du sollst gehen?“

„Aber du willst doch schlafen, oder?“

Ich werde an der Hand wieder zurückgezogen und zurück auf die Matratze befördert. Meine Güte, was für Medizin hat Akira heute geschluckt?

„Ich hasse es, allein zu sein, ehrlich gesagt…“

Die Art, wie er das ins Kissen genuschelt hat und wie er meine Hand zudrückt veranlasst mich dazu, ihm zu glauben. Er mag mich wahrscheinlich schon oft angelogen haben, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich heute zum ersten Mal erfahre, wie Akira eigentlich wirklich tickt.

„Ist in Ordnung.“

Ich setze mich wieder an meinen vorigen Platz und als der Blonde ein „Danke“ nuschelt, ist er schon fast im Halbschlaf. Mein „Bitte“ hört er schon gar nicht mehr und bald schon liegt seine Hand schwer in meiner, die ich aber nicht loslasse.

Er will ja nicht allein sein. Dann lass ich ihn auch nicht allein. Ich bin ja kein Assi.
 

Es vergeht ungefähr eine halbe Stunde, in der ich Akira beim Schlafen zusehe (wenn man ihn so sieht, könnte man glatt meinen er wäre der liebste Mensch der Welt – wie der Schein doch trügt!) und über das Geschehene nachdenken kann. Meine Gedanken sind ziemlich wirr und springen hin und her, vom ersten Tag, an dem ich Bekanntschaft mit ihm (und seinem Ellenbogen) gemacht habe bis zu diesem Moment, in dem ich seine Hand halte und praktisch den Psychologen gemimt habe. Ich komme zu keinem wirklichen Fazit, weil ich irgendwie zu verwirrt bin, aber mein Gedankengang wird sowieso gestört – die Tür geht plötzlich auf und eine Frau, die ich natürlich gleich als Akiras Mutter erkenne (die Nase – die hat er von ihr!), steht im Raum. Als sie mich sieht, blinzelt sie verwirrt.

„Hallo?“, macht sie und ich meine gedämpft, um ihren Sohn nicht zu wecken:

„Matsumoto Takanori. Ich hab Ihrem Sohn das Schulzeug vorbei gebracht.“

Ich verzichte mal auf die Verbeugung, weil das sonst nur unnötig kompliziert werden würde. Ihr Gesicht hellt sich auf und dann meint sie, ebenso leise wie ich:

„Takanori? Akira hat mir schon viel von dir erzählt! Eigentlich redet er ständig von dir…“

Auf meinen verwunderten Blick hin, fügt sie schnell hinzu:

„Nur Positives! Keine Angst!“

Ach ja? Na, das wär ja mal was ganz Neues! Bevor ich nachhaken kann, hält sie den Schlüssel, der von Akiras Vater auf der Kommode zurückgelassen wurde, hoch und fragt:

„War er vorhin da?“

Ich nicke und meine:

„Aber viel hat er nicht gesagt.“

„Das hab ich mir fast gedacht“, meint sie und steckt den Schlüssel in die Hosentasche ihrer Jeans.

Irgendwie scheint sie vorauszusetzen, dass ich komplett über alles Bescheid weiß. Naja gut, ich tu’s ja, wenn Akira nichts ausgelassen hat, aber irgendwie find ich das trotzdem merkwürdig. Sie lehnt sich gegen den Schrank, der neben der Türe steht und fragt dann nach dem Wohlbefinden ihres Sohnes, während sie ihn kritisch beäugt.

„Naja, Fieber hat er und er schläft seit einer halben Stunde…“, versuche ich, so genau wie möglich Auskunft zu geben.

„Das ist auch das Einzige, was er eigentlich machen kann… ich bin mal unten und koche.“

„Sie können kochen?!“, rutscht es mir ungläubig raus und als ich merke, was ich da gesagt habe, schlage ich mir die Hand vor den Mund.

Akiras Mutter, die sich gerade zum Gehen bewegte, kichert und sagt:

„Natürlich, müssen das Mütter nicht können?“

„Meine kann es nicht…“, gebe ich zu und frage mich, warum ich sowas überhaupt erzähle.

Geht doch sie eigentlich nichts an, was meine Mutter kann und was nicht, oder?

„Du kannst gern zum Essen bleiben, wenn du willst.“

Mit einem letzten Blick auf uns Jungs geht sie wieder aus dem Zimmer und schließt leise die Tür hinter sich.

„Sie lügt!“

Ich schrecke hoch, als ich Akiras Stimme höre.

„Was zur HÖLLE?!“, japse ich, mit einer Hand an meinem Herzen.

Der Kranke, den ich eigentlich schlafend gewusst hatte, öffnet langsam die Augen.

„Ich rede nicht ständig von dir! So ein Gerede!“

„Erschreck mich ja nie wieder so, klar?“, sage ich etwas lauter und lasse langsam Akiras Hand los, die schon ganz verschwitzt ist.

„Ich werd’s versuchen. Versprechen kann ich nichts.“

War klar, dass so ne Antwort kommt. Ich seufze, dann werfe ich einen Blick auf die Uhr. Es ist kurz vor Sieben – oh mein Gott, höchste Zeit, nach Hause zu kommen! Meine Mutter wird mir den Kopf abreisen!

„Okay, da deine Mutter jetzt da ist, kann ich ja gehen, oder?“, frage ich und rutsche vom Bett runter.

Akira antwortet nicht, sondern streckt sich erst mal ausgiebig, bevor er sich halb aufsetzt.

„Wie gesagt, du kannst auch zum Essen dableiben.“

„Schon okay, meine Mutter tötet mich, wenn ich nicht bald heim komme…“

„Dann eben nicht! Du verpasst aber was!“

Gnah. Schnauze!

„Mach deine Hausaufgaben und kurier dich aus“, sage ich und zeige auf die Blätter, die auf seinem Schreibtisch liegen.

„Ich mach nie Hausaufgaben“, antwortet der pampig und schlägt die Decke zurück, um selber aufzustehen.

„Liegen bleiben!“

Klar, ich sag ihm „auskurieren“ und er steht auf! Einmal sollte er auf mich hören!

„Aber du gehst doch!“

Ich drücke den Patienten unbarmherzig zurück in die Laken und sage:

„Ich find schon noch raus, keine Panik.“

„Da will man einmal nett sein!“, beschwert Akira sich, als ich die Decke wieder über seinen Körper werfe.

„Du musst noch lernen, wann nett sein angebracht ist.“

„Ach, sei ruhig!“

„Ich bin schon weg!“

Als ich an der Zimmertür stehe, höre ich nur noch ein „Danke“ und als ich mich umdrehe, hat Akira sich unter seiner Decke vergraben. So ein Kind!

„Bitte. Kein Thema“, sage ich laut, dann gehe ich aus dem Zimmer und schließe die Tür.

Hossa! Jetzt aber schnell nach Hause! Ich stürme die Treppen runter und zu meinen Schuhen. Wenn ich mich beeile, dann kriege ich vielleicht noch den Bus und dann könnte ich schon in einer halben Stunde daheim sein.

„Du gehst?“

Akiras Mutter ist aus der Küche in die Garderobe gekommen und ich hab’s natürlich nicht mitgekriegt. Familiengene! Die Suzukis können sich lautlos anschleichen, ohne bemerkt zu werden!

„Äh, ja, meine Mutter wartet sicher… schon… mit ihrem Essen… auf mich…“

Mein Ton wird von Wort zu Wort beigesterungsloser (hm, gibt’s dieses Wort überhaupt?), was die Frau zum Lachen bringt.

„Naja gut. Dann will ich dich nicht festhalten!“

Ich verbeuge mich kurz, dann ziehe ich meine Schuhe an und schultere meine Tasche.

„Danke noch mal, Takanori.“

Ich drehe mich zu Akiras Mutter um, die mich warm anlächelt. Meine Güte. Genau SO stelle ich mir die perfekte Mama vor! Sie ist hübsch, sie lächelt immer, sie ist sympathisch, sie kann kochen, sie kümmert sich um ihre Kinder… ach man!

„Ich hab Akira nur Hausaufgaben gebracht…“, meine ich verwundert.

Daran ist ja eigentlich nichts Besonderes. Das sehe ich eher als eine Selbstverständlichkeit an. Ich bin so ein wohlerzogener Kerl!

„Ach, das meine ich gar nicht…“, meint Akiras Mutter verschmitzt, dann wirft sie einen Blick auf die Treppe, um wohl zu schauen, ob ihr Sohn auftauchen könnte.

Als sie das gecheckt hat, lehnt sie sich zu mir rüber und meint:

„Du merkst das wahrscheinlich nicht, aber ich als Mutter schon…“

„Ähm… was denn?“

„Ich weiß nicht genau, wie du das machst, aber du tust Akira ziemlich gut.“

Baaaamm – es ist das Gefühl, das man haben muss, wenn man von einem fahrenden Zug erfasst wird. Zack und weg!

„Ich versteh nicht ganz…“, gebe ich zu und werfe jetzt auch einen panischen Blick gen Treppe.

„Er ist viel ruhiger geworden. Und das liegt sicher nur an dir.“

„An m-mir?“

Da muss eine Verwechslung vorliegen! Als ob ich einen Einfluss auf den kranken Idioten einen Stock höher hätte!

„Ja, an dir. Guck nicht so ungläubig! Ich kenne meinen Sohn!“

Ich traue mich gar nicht, ihr zu widersprechen, denn sie hat ja Recht – in diesem Punkt zumindest mal.

„Dafür wollte ich nur mal danke sagen…“

„Äh, ja bitte… ich… geh dann mal.“

Ich verbeuge mich noch mal und Akiras Mutter sagt, jetzt deutlich lauter:

„Komm gut heim und danke für’s Vorbeikommen!“
 

Draußen auf der Straße muss ich erst mal meine Gedanken ordnen, während ich zur Bushaltestelle sprinte. Ich habe das Gefühl, dass die Familie Suzuki gerne in Rätseln spricht, weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was „Er ist viel ruhiger geworden“ zu bedeuten hat. Okay, Akira hab ich nie als sehr leise oder sowas in der Art eingeschätzt, aber - HÄ? Völlig außer Atem springe ich in den Bus, der kurz davor war, seine Türen zu schließen. Als mein Pulsschlag und meine Atmung wieder normale Ausmaße angenommen hat, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und wähle Kais Nummer.

„Bist du jetzt erst wieder daheim?“, meldet er sich geschockt.

„Kai, ich muss zu dir. Dringend.“

„Gottes Willen, hat er etwa zugeschlagen?“

„Nein… das heißt… ja… aber… ach, ich erzähl dir das, wenn ich bei dir bin, ja?“

„Ähm. Klar. Aber… es ist alles in Ordnung, oder?“

„Ja, bei mir schon.“

„Aber…?“

„Ja, das kommt nachher! Ich bin auf dem Weg!“

„Okay, ich sag meiner Mutter, sie soll dir was vom Essen aufheben.“

Erst jetzt bemerke ich, dass mein Magen extrem knurrt.

„Ich liebe dich, Kai!“

Eine alte Dame neben mir sieht mich geschockt an.

„Ach, ich dich doch auch, mein Hasi!“

„Bis gleich!“

„Bis gleich!“

Damit lege ich auf. Kriegsrat, JETZT SOFORT!!
 

__________________________________________________
 

... tada!

Ihr wisst ja, wo die Meinungen hinkommen. ^_^

Bis zum nächsten Mal! ♥

Young Girl, you're out of your mind

WTF. Hab ich wirklich am 22.02. das letzte Mal gepostet?

Ihr dürft mich verprügeln. *mich bereitstell*

~Okay, ich hoffe, euch geht's allen gut. Auch wegen dieser Japan-Sache. Ich hoff, keiner von euch hat wen da drüben oder so. Q_Q
 

JUT. Also.

WER WILL, DER KANN MIR FÜR DONNERSTAG UND MONTAG DIE DAUMEN DRÜCKEN!

-da schreib ich Wirtschafts- und Matheabitur. X'DD
 

(blah) -> mal wieder kein Autorenkommentar.
 

Viel Spaß! ♥
 

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Kapitel 10 – Young girl, you’re out of your mind
 

Die Suppe, die mir Kais Mutter noch mal warm gemacht hat, stellt meinen Magen zufrieden und während ich sie brav auslöffele, schildere ich Kai den gesamten Krankenbesuch. Natürlich lasse ich ein paar Details aus Akiras Erzählung draußen, weil es sich nicht richtig anfühlt, diese Sache brühwarm wie die Suppe in meiner Schale weiterzuerzählen. Auch, wenn es Kai ist, dem ich blind vertraue. Kai hat die Denkermütze aufgesetzt und meint danach:

„Meine Güte, Ruki, meine Theorie verstärkt sich einfach nur noch!“

„Bleib realistisch, verdammt!“

Kai dreht sich auf seinem Stuhl, was er immer macht, wenn er nachdenkt.

„Also ich find’s realistisch! Schau mal, den armen Kerl macht die Sache augenscheinlich ziemlich fertig und du bist wohl der Einzige, wenn ich mal ein bisschen in die Worte seiner Mutter rein interpretieren darf, den er an sich ran lässt! Der vertraut dir, sonst hätte er dir das doch nicht erzählt!“

„Das passt aber alles nicht zusammen!“, rufe ich trotzig und verteile Suppe auf meiner Hose.

Egal, muss eh in die Wäsche.

„Ich bin kein Psychologe, aber ich beharre drauf, dass die Sache mit dir VOR dem Kuss eine Art Schutzmechanismus war.“

„Aber warum macht er mich trotzdem ständig fertig? Warum macht er trotzdem so weiter?“

„Hatte nicht Uruha mal gesagt, dass Akira zu jedem so ist?“

Ich schweige. Okay. Der Punkt geht an Kai. Ich puste mir eine Strähne aus dem Gesicht (ich sollte mal wieder zum Friseur…) und setze die nun leere Schüssel auf den Nachttisch. Dann werfe ich mich zurück in Kais Bett und der Duft von frisch gewaschener Wäsche steigt mir in die Nase. Das ist immer so bei Kai. Egal wann ich komme, es riecht immer nach diesem Frühlingsduft, mit dem dieses Waschmittel immer wirbt.

„Wir sollten abwarten, was die Zeit so bringt.“

Ich stöhne. Ich will nicht abwarten, ich will wissen was hier vor sich geht!

„Der Kerl macht mich fertig!“

„Ach Schatzilein!“

Kai springt von seinem Stuhl und legt sich neben mich. Dann wirft er die Arme um mich und drückt mich fest an sich.

„Sieh das nicht so eng. Wer weiß, vielleicht geht das ja jetzt schneller, als du denkst!“

„Was macht dich da jetzt so sicher?“

„Wenn man einmal angefangen hat, jemandem sein Herz auszuschütten, dann kann man auch nicht mehr so schnell aufhören damit.“

„Hm.“

Ich kuschele mich an Kais Brust (ich darf das, ja?!) und atme einmal tief durch. Er riecht komplett anders als Akira, irgendwie süßlicher.

„Schau mal, wir haben schon so viel Zeug hingekriegt – dann kommen wir hinter dieses Geheimnis auch noch!“

„Okay, Sherlock.“

Kai lacht, und ich kann nicht anders, als einzustimmen. Ich glaube Kai. Bestimmt finden wir bald eine Lösung für das Ganze hier.
 

Zwei Tage später laufe ich mit Aoi zum Proberaum. Heute war er ausnahmsweise mal nicht vorher bei Uruha, was eigentlich auf ein Wunder deutet. Aber wahrscheinlich werden die beiden noch nach der Probe genügend Zeit für sich haben…

„Glaubst du, Reita kommt heute?“, frage ich, als wir an der kleinen Parkanlage vorbeilaufen.

„Ich hab ne SMS bekommen, er kommt“, meint Aoi und steigt über eine Pfütze – es hat bis vor einer halben Stunde noch geschüttet wie verrückt.

„Geht’s ihm besser?“

„Ja scheint wohl so. Oder zumindest fühlt er sich so fit, dass er eine Bandprobe durchhalten kann.“

Irgendwie glaube ich Aoi nicht so ganz, weil ich den Bassisten als einen von der Sorte einschätze, der sich zu Dingen, die ihm wichtig sind (was die Band zweifellos ist), sogar tragen lassen würde.

„Wie ging’s ihm denn am Dienstag?“

„Ach. Nicht so blendend. Fieber und so. Das komplette Programm eben“, sage ich und Aoi zieht die Luft scharf ein.

„Iih, das hört sich ja nicht so gut an.“

„Aber ich schätze mal, seine Mum pflegt ihn wieder gesund!“

„Oh jaaa! Mai macht die beste Hühnersuppe der Welt!“

„Du hast die schon mal probiert?“

„Ja, und die war mega! Ich wünschte, meine Mutter könnte so kochen!“

Ha. Da sind wir ja schon mal zu zweit. Aoi und ich betreten den Proberaum, während wir uns lauthals über die nicht vorhandenen Kochkünste unserer Mütter streiten. Das erste, was ich sehe, ist Akira, der seinen Mundschutz gerade rückt.

„Oh, unser Todkranker!“, begrüßt ihn Aoi dann auch gleich, was Akira nur mit einem unverständlichen Murmeln beantwortet.

Uruha und Yune sind auch schon da und während Aoi seine Gitarre auspackt, hole ich mir ein Mikro aus der Box, die wir in der Ecke stehen haben. Als ich zurücklaufe, bleibe ich kurz bei Akira stehen und frage:

„Geht’s dir gut?“

„Ja, Fieber ist weg. Ich huste nur noch wie ein altersschwacher Mann.“

„Ich mein nicht nur das“, sage ich schnell und leise, was eigentlich nicht nötig ist, denn Uruha und Aoi machen Lärm für einen ganzen Kindergarten.

Akira schaut auf und durch den Mundschutz kann ich nicht sehen, was für einen Gesichtsausdruck er drauf hat.

„Ja. Alles in Ordnung.“

„Gut.“

„… ja.“

„Würden die Damen dann bitte ihren Kaffeeklatsch beenden?“, kommt es von Yune, der sich schon wieder genervt gibt.

„Uruha hat angefangen!“, verteidigt Aoi sich und ich gehe schnurstracks zu meinem Mikroständer, ohne Akira noch mal anzusehen.

Ich glaube ihm trotzdem nicht, dass er kein Fieber mehr hat. So viel besser als am Dienstag sieht er nämlich nicht aus. Aber gut, wann sagt der Kerl mir schon mal die Wahrheit? Ja gut, wenn er mich beleidigen will, dann. Und wenn er besoffen ist. Okay. Aber sonst…?

„Ist egal wer angefangen hat, wir müssen mal endlich den Song fertig kriegen!“

„Wo er Recht hat, hat er Recht“, sage ich und Uruha und Aoi sind endlich ruhig.

Nachdem wir zwei Stunden lang an unserem neuen Song gebastelt haben, wird Akira von Yune der Schlüssel in die Hand gedrückt.

„Du bist dran.“

„Jo.“

Aoi und Uruha haben ihre Gitarren mittlerweile auch geschultert und verabschieden sich.

„Ich geh noch zu Uruha. Du findest ja heim!“

„Immer doch – viel Spaß euch“, antworte ich.

Uruhas Augen blitzen auf und er wirft mir einen Blick zu, der sowas wie „Werde ich sicher haben!“ aussagen soll. Ich sehe den beiden nach und überlege, ob Uruha jemals mit der Sprache rausrücken würde, was Aoi angeht. Aber meine Gedanken werden durch einen Hustenanfall Reitas unterbrochen.

„Meine Güte, geht’s?“, frage ich, als Akiras Kopf schon ganz rot ist und ihm die Tränen aus den Augenwinkeln laufen.

„Geht – gleich – wieder“, würgt er und ich nehme ihm seinen Bass ab.

„Du hättest gar nicht hier her gehen sollen!“, sage ich vorwurfsvoll und packe sein Instrument ein, während der Blonde sich langsam von seinem Anfall erholt.

„Pff. Wegen Husten bleib ich doch nicht daheim!“

Reflexartig fühle ich seine Stirn – ha. Erwischt! Wusste ich es doch! Ich könnte die perfekte Krankenschwester sein!

„Von wegen. Du hast wieder Fieber!“

„Als ich daheim losgegangen bin, war ich fit!“

Ich stemme die Hände in die Hüften und fühle mich wie eine Mutter, die ihren Sohn beim Kekse klauen erwischt hat. Mein Blick scheint aber Wirkung zu zeigen, denn plötzlich druckst Akira:

„Ja okay. Dann hab ich halt Fieber. Und jetzt?“

„Du bist so ein Trottel! Wenn ich dich noch einmal mit Fieber hier aufkreuzen sehe, dann schick ich dich wieder nach Hause!“

„Ist ja süß, wie du dich um mich sorgst!“

„Ach, Schnauze!“, keife ich und drücke meinem Gegenüber den Bass in die Hand.

Akira lacht vor sich hin, dann geht er mit mir raus und der, der eigentlich ins Bett gehört, schließt den Raum ab. Wir gehen schweigend nebeneinander her, ich nach Hause, er zur U-Bahnstation.

„Meine Mutter fragt, wann du wieder kommst.“

„Sie scheint mich zu mögen!“, meine ich.

„Wahrscheinlich würde sie dich vom Fleck weg adoptieren…“

„Und dann hätte ich DICH als Bruder? Nein, da lehne ich dankend ab!“

„Gut, das gleiche denke ich nämlich auch!“

Immerhin sind wir uns bei einer Sache einig. Wenn schon alles andere immer in Diskussionen ausartet. Ist ja auch mal ganz nett, finde ich!

„Hast du schon rausgefunden, wer dir diese wunderschöne Zeichnung geschickt hat?“

„Nein. Ich versuch’s grad mit der Technik der Verdrängung. Wird das einfachste sein!“, antworte ich und mein Wohnblock kommt in Sichtweite.

„Ohje, du Herzensbrecher!“

„So ist das Leben!“, sage ich und bin ein bisschen von meiner Kaltherzigkeit überrascht.

Aber gut – es stimmt ja auch! Die Ische muss doch wissen, dass ich anders ticke. Weil… ich mein… wenn man selber nicht weiß, dass ich homo bin, dann erfährt man es spätestens von einem anderen. Das weiß man einfach. Das ist Allgemeinbildung!

Wir bleiben vor dem Klotz aus Beton, in dem ich lebe stehen und auf der Treppe drehe ich mich noch mal zu Akira um. Mir kommt eine ziemlich idiotische Idee in den Kopf, aber nach dem, was passiert ist, könnte man das eigentlich versuchen.

„Können wir eine Vereinbarung treffen?“

„Was springt für mich dabei raus?“, fragt der Bassist und seine Augen blitzen neugierig auf.

War klar, dass man so seine Aufmerksamkeit bekommt.

„Keine Lügen mehr.“

Mein Gegenüber verstummt und scheint mich nachdenklich anzusehen. Nach einer Weile sagt er:

„Okay.“

„Gut. Dann hast du mich heute zum letzten Mal angelogen?“

„Ja.“

„Warum kannst du nicht immer so schnell in Dingen zustimmen, die ich vorschlage?“

Ich sehe sein breites Grinsen unter dem Mundschutz – ich spüre es förmlich.

„Weil ich es mag, wenn du dich aufregst.“

Ich stoße nur genervt die Luft aus. War klar.

„Jetzt weiß ich wenigstens, wo ich dran bin.“

Akira lacht, dann meint er:

„Gut, dann geh ich mal mein Fieber loswerden.“

„Und vorher gehst du nicht aus dem Haus.“

„Okay, Mama.“

Mit einem letzten Blick über die Schulter verschwindet er und ich gehe selber hoch in die Wohnung. Also gut. So einfach hätte ich mir das jetzt auch nicht vorgestellt.
 

Am Montag darauf bin ich gerade auf dem Weg zum Biosaal, als ich Akira endlich mal wieder in der Schule und in Uniform antreffe. Er scheint immer noch leicht angeschlagen, aber im Vergleich zum letzten Dienstag sieht er schon wieder richtig lebendig und frisch aus.

„Hey, Kleiner“, begrüßt er mich und packt mich am Oberarm, um mich aus dem Schülerpulk an die Seite zu ziehen.

„Äh, ja, was gibt’s? Müssen wir wieder Verstärker kaufen gehen?“

„Nein, keine Panik.“

„Um was geht’s dann?“

Akira sieht sich kurz um und als er wohl findet, dass kein Mensch da ist, der das nicht hören sollte, sagt er:

„Wir haben doch dieses ‚Nicht mehr Lügen‘-Ding am Laufen.“

„Ja. Haben wir.“

„Gut. Dann hab ich ne Frage.“

Sein Blick sagt mir, dass er darauf brennt, eine Antwort zu hören und irgendwie wird mir ganz mulmig bei der Sache. Was könnte denn für ihn so wichtig sein, um es von mir zu hören?

„Schieß los“, gebe ich mich cool und rücke noch mal meine Schultasche zurecht.

„Wegen letzten Dienstag – weiß jemand davon?“

Ich verstumme für einen Augenblick und dann sehe ich Kai um die Ecke biegen. Mein bester Freund sieht uns, und bleibt stehen. Dann springt er zur Seite, dort, wo er glaubt, dass wir ihn nicht sehen können. Vollidiot. Ich sehe zurück zu Akira und beschließe, mich an die Abmachung zu halten. Oh je, dafür werde ich bestimmt Schläge kassieren.

„Ich hab mit Kai drüber geredet.“

„Warte… Kai ist der, der ständig mit dir rumhängt und der rumposaunt hat, das wir einen Auftritt haben, oder?“

„Kai ist mein bester Freund! Und ich hab ihm gar nicht alles erzählt!“, füge ich schnell hinzu, in der Hoffnung, Akiras Wut nicht mit geballter Kraft abzukriegen.

„Und das Ding… du weißt schon, was ich mein…“

Akira nickt mit rotem Kopf in die Richtung der Umkleidekabinen. Aaah ja. DAS Ding!

„Das weiß er auch.“

Akira verstummt und scheint nachzudenken. Hoffentlich hat er einen guten Tag… bitte, bitte, bitte! Mein Blazer ist frisch gebügelt!

„Er kann aber wirklich die Klappe halten bei sowas. Ich kenn ihn!“, versuche ich, die Sache zu rechtfertigen und dann fällt mir ein, dass ich das eigentlich gar nicht brauche.

Man kann sich ja denken, dass ich armer Teenager bei so einer Sache jemanden brauche, mit dem ich darüber reden kann! Und wenn es schon meine Eltern nicht sind (ahahaha, als ob!), dann immerhin Kai! So! Nämlich! Basta!

„Was ist mit Barbie?“

Das letzte Wort hat einen leicht aggressiven Unterton, den ich nur zu genüge von ihm kenne.

„Ob ich Takeru was erzählt hab?“, rutscht es mir ungläubig raus.

„Ja, genau. Ob du dieser Tussi irgendwas erzählt hast.“

„Er weiß von gar nichts. Er würde durchdrehen, würde er wissen, dass du ihm zuvor gekommen bist.“

Kaum habe ich das gesagt, schlage ich die Hand vor meinen Mund. Ich bin so eine Klatschtante, ey! Akiras rechte Augenbraue schnellt schon wieder nach oben und er fragt:

„Ich dachte, er ist dein Freund?“

„Bin ich denn hier bei nem Verhör oder was?“

„Du hast mit diesem Ding angefangen, also antworte mir!“

Ich hasse meine spontanen Ideen. Wirklich. Die geben irgendwie nur Nachteile für mich!

„Nein, er ist nicht mein Freund. Wahrscheinlich will er schon. Nur hab ich keine Lust.“

„Ach SO ist das also?“

Ich nicke nur und verschränke die Arme vor der Brust. So. Haben wir jetzt alle Unklarheiten beseitigt, kann ich jetzt zum Unterricht gehen?

„Guuuut. Das war eigentlich schon alles.“

„Haben wir jetzt öfter solche Verhöre?“

Akira grinst leicht überheblich dann meint er:

„Nur wenn du willst, Kleiner. Ich geh dann mal.“

„Du bist so ein Arschloch“, sage ich, als er an mir vorbei geht.

„Lass dir mal was Neues einfallen“, antwortet er und verschwindet in der Schülermenge.

Ich sehe auf den Punkt, an dem ich Akira das letzte Mal gesehen habe und bin tief in Gedanken versunken, als Kai plötzlich neben mir auftaucht.

„So, jetzt starrst du ihm schon hinterher?“

„Ach, halt die Klappe, Kai.“

„Um was ging denn euer wahnsinnig interessantes Gespräch?“

Ich kläre ihn in drei simplen Sätzen auf, dann sagt er:

„Du hast ihm also praktisch gesagt, dass du noch Single bist?“

„Ja, und jetzt?“, blöke ich.

„Ach, nur so. Jetzt schöpft er bestimmt neue Hoffnung. Du bist doch nicht vom Markt und so!“

„Kai, bitte… kannst du einmal aufhören, in meinem gerade nicht vorhandenen Liebesleben herumzuschnüffeln?“

„Ich frage mich gerade, wie Takeru das eigentlich findet…“

„Du hörst mir überhaupt nicht zu, stimmt’s?“

„Hä, was?“

Ich stöhne entnervt, dann gebe ich Kai einen Schlag auf den Hinterkopf.

„Trottel!“

„Autsch!“

Kai nimmt mir das zum Glück nicht übel, aber bevor er irgendwas sagen kann, renne ich in eine jüngere Schülerin rein, der vor Schreck die Bücher aus dem Arm fallen.

„Oh, das tut mir leid!“, rufe ich und das Mädchen (noch nie gesehen in meinem Leben, schätzungsweise geht sie in die erste Klasse) schaut ganz verschrocken zu mir herauf.

Als sie mich sieht, werden ihre Augen ganz groß und sie stammelt:

„Äh… das… das… ist schon okay…“

„Warte, ich helf dir!“

Meine Güte, ich bin so ein Gentleman! Sie protestiert und versucht, vor mir all ihre Bücher aufzulesen, aber da hab ich selber schon einige ihrer Sachen eingesammelt. Darunter auch verschiedene Hefte.

„Das wäre nicht nötig gewesen!“, fiept sie und Kai kann sich ein Kichern nicht verkneifen.

„Doch, ich bin doch kein Arsch!“, antworte ich hart und halte ihr die Hefte entgegen.

Schüchtern nimmt sie sie entgegen und bedankt sich mit einer etwas zu tiefen Verbeugung.

„Danke, Ruki-san!“

Eh?

„Du kennst mich?“

Sie wird augenblicklich wieder rot und verbirgt ihr Gesicht hinter ihrem schwarzen Haarvorhang und dann meint sie:

„Jeder kennt dich doch...“

„Achso?“

„Ja, alle reden von dir – du bist doch in dieser Band, die so viele Auftritte gerade bekommt…“

Kai flötet ein „Unser kleiner Rockstaaaar!“ und ich stoße ihm in die Rippen.

„Alle finden dich cool“, haucht sie, mit hochroten Wangen und ich weiß grade nicht, ob ich heulen oder lachen soll.

„Ähm… ja… das ist ja… echt cool“, bringe ich gedehnt hervor, dann sage ich:

„Du solltest besser aufpassen, wo du hinläufst. Ich muss dann mal weiter…“

Und damit verschwinde ich und lasse die Arme stehen, die ihre Bücher und Hefte fest an ihren Brustkorb (nein, ich hab keine Oberweite ausmachen können. Tut mir leid!) drückt. Kai läuft mir hinterher.

„Ich wette, die haben heimlich einen Fanclub von dir!“

„Urgh.“

„Also den Umgang mit Fans solltest du noch mal üben!“

„Solang die nicht mit Autogrammen kommen, sind die mir egal!“, gebe ich von mir und betrete mit Kai den Biosaal.

„Oh Ruki, schön dass du da bist!“, begrüßt mich Hana und ich lasse mich auf den Platz vor ihr nieder.

„Ich wusste gar nicht, dass meine Anwesenheit so wichtig ist!“

„Ich muss dir was geben!“

Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachte ich, wie sie in ihrem Block rumsucht und dann einen Briefumschlag hervor zieht.

„Eine aus der Ersten hat mir den gegeben, mit der Bitte ihn an dich weiterzuleiten!“

Auf dem Umschlag prangt mein Name mit drei Herzchen am Ende und ich stöhne auf. Kai quietscht.

„Oh, wie süüüß!“

Damit reißt er Hana den Brief aus der Hand und öffnet ihn.

„Ich dachte, der sei für Ruki…“

„Ich bin der Verwalter seiner Fanpost!“, gibt Kai zurück und seufzt dann auf.

„Hello Kitty Briefpapier!“

„Oh Gott, bitte, töte mich!“, wimmere ich und werfe meinen Kopf in meine Arme, die ich auf dem Tisch abgelegt habe.

„Du solltest vielleicht mal einen Rundgang machen und bekunden, dass du nicht auf Frauen stehst…“, sagt Hana.

„Oh, Ruki, sie findet dich wunderschön!“, sagt Kai und liest den Stuss weiter, „und wie gefühlvoll du singst beeindruckt sie zutiefst!“

„Boar!“

Jetzt mal ehrlich – was soll der Scheiß?

„Ihr Name ist Mikiko!“

„Wunderschön…“

Könnte da nicht wenigstens… Mike oder so stehen? Oh man, wieso immer ich?!

„Schau doch mal, sie hat dich als Chibi gemalt!“

„Noch schlimmer!“

Ich glaube, ich gehe gleich nach der Schule in ein Tattoostudio und lasse mir groß auf die Stirn „HOMO“ stechen… Prävention nennt man sowas!

„Schon lustig, wie Ruki plötzlich beliebt ist, vor allem bei den Mädels!“

„Noch lustiger ist, dass ich das gar nicht will!“, antworte ich auf Hanas Aussage und begutachte den Brief, auf dem mir zehntausend Hello Kitties Küsschen, Herzchen und Rosen entgegenwerfen.

Würde ich auf Frauen stehen, okay. Dann wäre das alles ja sehr schmeichelhaft. Aber die beißen sich an mir doch die Zähne aus. Da gibt es einfach Dinge, die die eben nicht haben. Und ein Mann eben schon. Und – bah. Wenn ich nur dran denk… nein, nein!

„Wie willst du vorgehen?“, fragt Kai.

„Mir das Wort ‚Homo‘ auf die Stirn tätowieren lassen“, antworte ich und schiebe den Brief achtlos in meine Schultasche.

Wird dann daheim entsorgt. Nachher taucht der Brief noch bei Leuten auf, die den nie lesen sollten… Akira, zum Beispiel. Gott, der würde mich so fertig machen, wenn er das lesen würde… Besser so!

„Gibt’s auch Alternativen?“

„Ruki braucht einfach nur nen Freund. Dann wissen alle, dass er erstens Mal nicht mehr zu haben ist und zweitens schwul.“

„Tolle Idee, Hana. Kannst du mich bitte nem Geilen vermitteln, der mir guten Sex gibt?“

„Ich wusste, dass es dir nur um das geht!“, meint sie scherzhaft.

„Aber… vielleicht ist der ja gar nicht so weit weg!“, wirft Kai ein und ich bekomme irgendwie Kopfweh.

„Ach wirklich?“

Wenn er Hana jetzt was erzählt, bringe ich ihn um! Ich erwürge ihn mit der Schlingpflanze, die unser Biolehrer hier in diesem Raum pflegt! Und dann kippe ich ihm Slazsäure ins Gesicht, die im Chemiesaal nebenan gelagert wird!

„Natürlich. Wo die Liebe hinfällt und so!“

„Okay, können wir das jetzt bitte beenden?“, fahre ich dazwischen, aber dann kommt sowieso der Lehrer mit dem Klingeln der Schulglocke herein, was mir einige Überzeugungsarbeit abnimmt.

Jetzt hab ich erst mal für die nächsten 90 Minuten Ruhe und kann mir überlegen, was ich anstellen muss, um meine verdiente Ruhe vor diesen Hormonschleudern zu bekommen. Böse sein. Das wär ne Idee. Ich helfe einfach keinem mehr, seine Bücher aufzuheben. Ich laufe nur noch mit Sonnenbrille durch die Gegend und bin unfreundlich. Und dann mache ich in der Mensa einen Aufstand, wenn mir das Essen nicht schmeckt – weil ich bin ja jetzt ein ‚Rockstar‘ und so!

Leider finde ich keine wirkliche Lösung für mein wunderbares Problem und auch nicht, als ich in Sport wie ein Irrer über die Tartanbahn rase, um eine halbwegs passable Note im Laufen zu ergattern. Was ich natürlich nicht tue, weil ich ein motorischer Spast bin, der über seine eigenen Füße stolpert, wenn’s ums Ganze geht. Von wegen ich würde über die Bahn laufen wie eine Gazelle – wie ein Elefant auf Speed trifft‘s schon eher!

„Ich bin einfach nicht sportlich!“, maule ich, als ich umgezogen bin und auf Kai warte, der sich gerade das Shirt vom Oberkörper schält.

„Du musst ja nicht alles können!“

Sagt der Richtige, der immer eine Eins in Sport bekommt. Gut, dann bitte nächstes Thema!

„Ich muss noch kurz zum Schließfach, weil ich mein Geschichtsbuch mit nach Hause nehmen muss!“, sage ich und stehe auf.

„Okay, ich warte dann vor der Schule, ja?“

Kai grinst wieder, ich nicke und dann verschwinde ich aus der Umkleidekabine (die mir im Übrigen immer wieder dieses unglaublich merkwürdige Bauchgefühl gibt), in der es nach Schweiß und zu viel Männerdeo riecht und bin froh, dieser Hölle entkommen zu sein. Dann steuere ich meinen Spint an, zum gefühlten Millionsten Mal in meiner Karriere als Schüler.

Oh Gott.

Oh Nein.

Jetzt… man!

Ein gelber Zettel. Fünf Meter vorher bleibe ich stehen und betrachte das Ding misstrauisch. Dann mache ich vorsichtig einen Schritt, als würde mein Spint gleich explodieren, wenn ich zu nah dran käme. Meine Güte, muss ich bescheuert aussehen. Noch mal ein Schritt. Und noch mal. Jetzt bin ich da. Noch mal tief durchatmen. Ich bin bereit. Falls da jetzt aber draufsteht, dass XY ein Kind von mir will, dann geh ich weinen.
 

Kai ist in Ordnung.
 

Ein tonnenschwerer Stein der Erleichterung fällt mir vom Herzen, als ich Akiras Schrift erkenne. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich so über eine Nachricht von ihm freuen würde!

„Na dann ist ja gut!“, sage ich eher zu mir selber und reiße den Post-It-Zettel vom Spint, dann stecke ich ihn in meine Jackentasche.

Da wird er jetzt wohl ein paar Wochen rumgammeln. Ich könnte meine Taschen mal leeren, da kommt bestimmt viel Zeug raus – von Ein-Yen-Stücken bis zu irgendwelchen Spickzetteln, ich hab ein großes Sortiment da drinnen! Schnell fische ich mein Buch aus dem heillosen Chaos, das in meinem Spint herrscht, dann schließe ich ab und beeile mich, nach draußen zu kommen. Freiheit!

Der Montag wäre wieder geschafft!

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Sorry, das hat alles nur Lückenfüller-Charakter.

Die große Bombe kommt im nächsten Kapitel.

Und nein, da müsst ihr nicht so lang warten.

Wirklich, ich bin so schlecht >___>
 

Gott ey. Ich hass mich selber :'D

How can a fistfight be romantic?

ALTER DA GLAUBT MAN, MAN HAT NACHM ABI ENDLICH MAL RUHE UND ZEIT UND DANN KOMMEN DIE NOCH MAL MIT ARBEITEN?

Ich erschieß mich ey. ö__Ö
 

>_>

Hier das nächste Kapitel und ICH LIEBE EUCH FÜR EURE UNGLAUBLICH LIEBEN KOMMENTARE & DIE GANZEN FAVORITEN! ♥
 

LOL okay, es ist spät, ich sollte ins Bett.
 

... und es tut mir so leid für Yune.

ICH HOFFE ER KANN MIR VERGEBEN! ;____;

(okay, ihn interessiert der Scheiß hier sicher wenig, aber ich hab schon n schlechtes Gewissen, dass ich es so enden lassen... musste... whatever. Vielleicht wollt ich auch einfach nur mal nen mega-coolen Reita raushängen lassen.)
 

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Kapitel 11 – How can a fistfight be romantic?
 

Dienstage finde ich eigentlich auch immer scheiße. Zumindest, weil das Wochenende immer noch so weit weg ist. Man kann sagen, dass meine Laune erst ab Mittwoch eigentlich steigt. Aber Dienstage haben ja seit neuestem die Angewohnheit, dass wir Bandproben haben, es sei denn, einer von uns liegt mit Fieber im Bett - neiin, das war keine Anspielung! Als ich um fünf die Tür zur Wohnung hinter mir schließe, stolpern Aoi und Uruha die Treppen runter, als hätte ich sie gerufen.

„Oooh, Ruki! Wir wollten gerade klingeln!“, flötet Uruha und nimmt mich in den Arm.

Irgendwie darf das nur Uruha. Irgendwie macht er das auch nur. Yune nennt uns immer Hanni und Nanni, in Anspielung auf unsere sexuelle Ausrichtung auf das gleiche Geschlecht. Und ich muss ihm eigentlich auch ein bisschen Recht geben. Es liegt wohl wirklich an dem Fakt, aber Uruha und ich verstehen uns oft auch ohne Worte und wissen immer gleich, was der andere will. Aoi, soweit ich das jetzt mal kombiniert habe, ist schließlich nur bi. Und Yune und Akira strotzen ja nur so vor Testosteron. Ist ja klar, dass Uruha und ich uns sofort aufeinander stürzen und sowas wie ‚beste Freundinnen‘ werden, oder?

Natürlich wird er nie meinen Kai ersetzen können!

„Ist ja nett, dass ihr an mich gedacht habt“, sage ich, als wir die Treppen runtergehen und raus auf die Straße.

„Immer! Hast du uns schon mal böse erlebt?“

„Nur wenn ihr eure Beziehungsprobleme während der Probe auslebt“, sage ich scherzhaft und Aoi schnappt:

„Pföh! Das sind keine Beziehungsprobleme, das sind normale Diskussionen!“

„Jaaaaa..“, mache ich einfach nur und hoffe, dass das Gespräch damit beendet ist.

„Heut ist er nicht besonders gut drauf, du musst ihm verzeihen“, erklärt Hanni und ich nicke verständnisvoll.

Ich habe Uruha mal gefragt, in einem unbeobachteten Moment natürlich, wann er denn vor hat, die Sache mit Aoi zu klären, aber ich bin auf taube Ohren gestoßen. Feigling! Absoluter Feigling! Auf dem restlichen Weg quatschen wir über dies und das, nichts wirklich Wichtiges und auch nichts über die Band eigentlich. Sinnloses Gerede eben, dem man keine Beachtung schenkt.

„Oooh, Reita war schon da!“, ruft Uruha, als die Tür zum Flur des Proberaums aufgeht.

„Pünktlich wie die Maurer!“

„Was ist denn das für ein Spruch, Aoi?“, fragt der andere Gitarrist und Aoi meint:

„Kennst du den nicht?“

„Nein?“

Ich seufze, dann überhole ich Uruha und stoße die Tür auf.

„Hallo--- äh.. JUNGS?!“

Warte mal, was geht denn hier ab?!

Aoi, Uruha und ich bleiben kurz wie angewurzelt stehen, und schauen perplex dabei zu, wie Akira und Yune auf dem Boden rumrollen. Und dann höre ich ein:

„Du WICHSER!“

Und Akira hebt seine Faust und trifft Yune knallhart im Gesicht, der versucht, den anderen selber zu erwischen.

„Woaaar, STOPP!“

Aoi und Uruha haben ihre Gitarren auf den Boden fallen gelassen und sind losgesprungen, um die beiden auseinander zu zerren.

„Was genau geht hier vor sich?!“

„Lass mich dem Hurensohn die Fresse polieren! Der hat’s nicht anders verdient!“, schreit Akira wütend und versucht, sich aus Aois Klammergriff zu befreien.

Yune lacht nur höhnisch, was Akira noch wilder macht und wieder kurz davor ist, ihm den Kopf abzureißen. Yunes linkes Auge wird von Akiras Treffer augenblicklich dick und auch der andere hat einige Spuren im Gesicht.

„Beruhig dich mal, man!“

„Sag mir nicht, was ich tun soll!!“

„Pff, wie ein Kind!“, meint Yune, der von Uruha abgeschirmt wird.

„Du kannst gleich keine Kinder mehr zeugen, du Arschloch!!“

Okay, so wird das nichts. Während Yune Akira immer noch belächelt, was den Bassisten noch wütender macht, als er sowieso schon ist, beschließe ich, die Sache mal zu entschärfen. Intuitiv trete ich an Akira heran und sage:

„Raus mit dir!“

„BITTE?!“

„Raus! Wir gehen eine Rauchen!“

Ich packe ihn am Oberarm, so fest wie ich es eben kann, und ziehe ihn aus Aois Armen nach draußen. Während wir den Gang entlang gehen, flucht Akira unerbittlich weiter.

„Ich bring den um!“

Als wir draußen an der Treppe stehen, ziehe ich Zippo und Schachtel hervor und strecke dem anderen, der vor Wut zittert, einen der Krebserreger entgegen.

„Das wirst du schön bleiben lassen!“

„Der hat’s verdient!“

„Und du musst dann ins Gefängnis.“

„Das wär’s mir wert!“, sagt er und nimmt hastig einen ersten Zug.

Ich selber stecke mir ebenso eine Zigarette an und warte dann ab, bis Akira aufhört, auf und ab zu tigern und mit Schimpfwörtern Amok zu laufen. Er braucht ganze zwei Zigaretten, bis er sich beruhigt hat und ich einen Versuch starte, die Umstände dieser unglaublich männlichen Prügelei zu erfahren.

„Okay. Weswegen hat Yune den Tod verdient?“

„Weil er das größte Arschloch ist, das auf dieser gottverdammten beschissenen Welt herumläuft!“

„Gut… und warum ist der das größte Arschloch auf dieser gottverdammten beschissenen Welt?“

„Ist doch egal!“

Trotzig nimmt er einen weiteren Zug von der zweiten Zigarette, die auch schon wieder zur Hälfte aufgeraucht ist und wendet sich ab.

„So egal kann’s nicht sein, wenn ihr euch wie die Neandertaler auf dem Teppichboden des Proberaums rumwälzt und euch die Schädel einschlagt!“

„Du musst dich da aber nicht drum kümmern!“

Arschloch! Okay, wer nicht will, der hat schon! Ich schnaube, dann sage ich:

„Gut. Schön. Dann eben nicht!“

Beleidigt durch diese Abservierung nehme ich einen letzten Zug meiner Zigarette und trete sie dann aus. Dann stehe ich auf und will gerade reingehen, als die Tür aufgeht und Yune herauskommt. Als er uns sieht, grinst er wieder, sieht mich an, dann den anderen Blonden und sagt:

„Viel Spaß noch mit deiner Schlampe, Reita!“

„Du kleiner… ich brech dir alle Knochen!!“

Yune ist schon zwei Meter weitergelaufen und Akira will sich grad auf ihn stürzen, da werfe ich reflexartig meine Arme um seinen muskulösen Oberkörper. Oh Gott, das ist reiner Selbstmord, aber irgendwer muss ihn doch aufhalten!

„Tu’s nicht!“

„Lass mich los!“

„Nein, tu ich nicht!“

Akira strampelt noch einmal, aber als Yune dann um die Ecke gebogen ist, wird er wieder ruhig und wir verharren für ein paar Sekunden in dieser unglaublich… ähm… merkwürdigen Position. Ich spüre, wie er seine Muskeln wieder entspannt und dann sagt:

„Du bist im übrigen die Schlampe, die er meinte.“

Wieder so ein merkwürdiges Gefühl, das ich nicht einordnen kann.

„Deswegen haust du ihm eine runter?“, sage ich, nah an seinem Ohr.

Wie gut, dass ich eine Stufe höher stehe, sonst wär das außerhalb meiner anatomischen Fähigkeiten.

„Weil du keine Schlampe bist!“

Ich bin kurz davor, ihn mal noch mal dran zu erinnern, dass er bis vor kurzem nicht viel mehr als „Schwuchtel“ für mich übrig hatte und das Schlampe vielleicht sogar fast ein Kompliment wäre, aber ich lasse es.

„Wie kommt er drauf?“, frage ich stattdessen und lege mein Kinn auf seiner Schulter ab und laufe in Versuchung, meine Nase in seinen Klamotten zu vergraben und für immer so stehen zu bleiben. Er riecht so verdammt gut. Ich mein, ich hasse mich ja wirklich dafür, aber ich hab noch nie was vergleichbares gerochen – Wieso straft man mich immer mit sowas?

„Können wir das verschieben?“

„Auf welchen Zeitraum?“

„Einfach nur auf später.“

Ich merke, dass ich hier nicht weit komme, also lasse ich ihn los und trete einen Schritt zurück.

„Dann lass uns reingehen.“

Ich schnappe die Zigarettenschachtel, die ich auf dem breiten Geländer gelassen habe und Akira folgt mir wieder zurück in den Proberaum, wo Aoi und Uruha unschlüssig auf dem Sofa sitzen und ganz belämmert aus der Wäsche schauen. Vor allem Uruha scheint ganz durch den Wind zu sein. Als wir die Türe hinter uns schließen beginnt eine unangenehme Stille, bis Aoi sich aufrafft und sagt:

„Also… Yune kommt nicht mehr.“

„Ist er selber gegangen?“

„Ich hab ihn rausgeschmissen“, antwortet der Schwarzhaarige und Uruha schnieft.

„Besser für ihn und seine Knochen!“, keift Akira und Uruha lässt einen weiteren Schniefer von sich verlauten.

„Was hat er gesagt?“

„Dummes Zeug“, ist die knappe Antwort und Uruhas Unterlippe fängt an, bedrohlich zu zittern.

Ich will gerade los und ihn in den Arm nehmen, da kommt mir Aoi aber schon zuvor und zieht ihn an seine Brust. Uruha wirft seine langen Arme um den anderen und dann sage ich:

„Ist Uruha etwa auch eine Schlampe?“

„Woher…?“, fängt Aoi an und der andere Gitarrist sieht mich aus glasigen Augen an.

„Ich bin auch eine. Und wenn ich eine bin, dann ist Hanni auch eine, ist doch logisch! Zwillingsschwestern! Das sind die Familiengene!“

Ich entlocke der Runde einen Lacher und dann sage ich:

„Jetzt kommt schon, heulen wir jetzt wegen so einem Spasten oder wie?“

Ich ernte Zustimmung und irgendwie fühl ich mich dadurch gut. Und plötzlich fühlt man sich ganze zwei Zentimeter größer!

„Jetzt haben wir trotzdem keinen Drummer mehr“, sagt Reita und setzt sich auf seinen Verstärker.

„Und da denkt er schon wieder ans Geschäft!“, sagt Aoi und Uruha lacht wieder.

„Ja was denn? Das ist nur ein Fakt!“

„Schon recht, Rei!“

Es folgt eine weitere Stille und dann meint Uruha, immer noch in den Armen Aois liegend:

„Kennt jemand von euch nen Drummer, der GUT ist? Also, ich kenn nur Stümper!“

„Das ist das Problem. Yune ist ein Tier am Schlagzeug…“, seufzt Aoi und Akira stimmt knurrend zu, mit einer ordentlichen Portion Widerwillen.

Und da fällt mir jemand ein.

„Ich kenne wen.“

Drei Augenpaare richten sich auf mich und ich sage:

„Ähm… Kai spielt Drums und das schon seit einer Ewigkeit…“

„Aaah, dein kleiner Freund? Der mit dem Atomgrinsen?“, fragt Uruha und setzt sich sofort auf.

Ja klar, wenn’s um Jungs geht, dann sind seine Lebensgeister wieder geweckt!

„Jaaaa, genau der…“, antworte ich und frage mich, ob Kai diese Beschreibung gut finden würde.

„Dann bring ihn doch zur nächsten Probe mit!“

„Soll ich?“

„Ja klar!“

Uruha hat wieder für alle gesprochen und duldet absolut keine Widerrede. Aber anscheinend wollen die anderen beiden auch gar nicht rumdiskutieren. Wir beschließen, die Probe ausfallen zu lassen – erstens geht ohne Drummer sowieso nur wenig und zweitens braucht Uruha jetzt ganz viel Liebe, am besten von Aoi, damit er das mit der Schlampe verdauen kann. Also bietet sich wieder das praktisch alte Bild: Akira und ich bleiben zurück und heute find ich das noch unangenehmer als sonst.

Der Bassist schwingt sich von seinem Verstärker, dann gibt er mir den Schlüssel zum Proberaum und meint:

„Du bist dran.“

„Okay.“

Akira steht vor mir, die Hände in den Hosentaschen vergraben und ziemlich unschlüssig, was er jetzt tun soll. Immerhin, mir geht’s nicht besser. Ich hasse solche Momente – in Filmen läuft das dann meistens immer geschmeidig ab, da bringt der Held der Geschichte nämlich irgendeinen coolen Spruch und alle lachen. Aber ich bin kein Held und habe auch keinen Souffleur neben mir stehen, der mir mein Drehbuch ins Ohr flüstert. Und Akira schon dreimal nicht. Was für ein Scheiß!

„Sorry, dass das jetzt so gelaufen ist...“, beginnt Akira und murmelt dann, „.. aber der Kerl hatte einfach mal ein paar Schläge verdient. So, wie der immer von dir und Uruha geredet hat.“

„Sehr ritterlich von dir“, antworte ich und boxe ihm gegen den Oberarm, „trotzdem will ich nicht, dass sich irgendwer wegen mir prügelt. Und Uruha auch nicht. Wir brauchen unsere rosarote Welt, in der sich alle lieb haben und Händchen haltend über eine Blumenwiese hüpfen, das müsstest du doch wissen!“

Ah, da hab ich grandios in die Klischeekiste gegriffen! Akiras Augen blitzen auf und bevor ich reagieren kann, zieht er mich in seine Arme und vor lauter Schock bleibt mir nichts anderes übrig, als meine Arme um seinen Körper zu werfen, sonst fliege ich noch megamäßig auf die Fresse. Dann sagt er:

„Gleichzeitig muss aber jemand auf euch aufpassen. Vor allem auf dich, du brauchst besonderen Schutz!“

„Pff, als ob!“, maule ich schwach und versuche, nicht allzu offensichtlich an seinem Shirt zu riechen, wie ein Hund der eine läufige Hündin beschnuppern würde.

Hier spricht der Captain der MS Niveau: Wir sinken! Oh Gott, meine Gedankengänge sollte mal irgendjemand stoppen!

„Das war ernst gemeint!“

Zum Glück muss ich ihn grad nicht anschauen, sondern schiele über seine Schulter an die Wand gegenüber.

„Ich weiß. Ich kann ja schließlich nicht auf mich selber aufpassen und könnte jede Minute von wem anders vergewaltigt werden!“

„Ganz genau!“

Boar, ne jetzt. Ich sollte ihm mal ein Buch schenken, eine Art Ratgeber, wie man mit Menschen redet. Und zwar so, dass man nicht gleich als Vollidiot, Kleinkind oder Arschloch hingestellt wird. Da haben wir noch ganz schön viel Arbeit vor uns!

„Prügel dich trotzdem nicht mehr. Sowas ist scheiße.“

Akira geht ein paar Schritte zurück und löst die Umarmung. Dann sieht er mich an, zieht seine Mundwinkel in die Höhe und fährt mir durch meine nicht sitzende Frisur.

„Alles, was du willst, Kleiner.“

Ich frage mich, wie ehrlich er das jetzt gemeint hat und nicke einfach nur stumm. Mein Gegenüber schnappt sich den Bass und folgt mir raus auf den Flur.

Als ich den Proberaum abschließe, weiß ich nicht genau, was ich von dieser ganzen Sache halte – und kann mir auch keinen Reim drauf machen, als ich endlich daheim bin und eigentlich schon ein bisschen Zeit zum Verdauen hatte.
 

„Oh Gott, ich weiß nicht, Ruki…“

Kai steht vor dem Proberaum und hat einen ganz besorgten Blick drauf.

„Das wird, und jetzt ist sowieso noch keiner da!“

Ich schließe auf und Kai folgt mir in den Raum. Dann sieht er sich um und scheint wohl das Gleiche zu denken, was ich beim ersten Mal dachte.

„Nein, hier wird nicht aufgeräumt“, sage ich dann.

„Oh… das wollte ich gerade fragen…“

Ich habe eine halbe Stunde an Kai ranreden müssen, bis er sich zu einem Probelauf hat überreden lassen. Das war ein ganzes Stück Arbeit, und ich bin ziemlich stolz, dass ich ihn doch erweichen konnte!

„Okay, und was soll ich jetzt tun?“

„Ähm. Schlagzeug spielen?“

„Das weiß ich auch, du Depp!“

Kai steigt hinter das Drumset und zückt seine Sticks. Wahrscheinlich will er das Ganze schnell hinter sich bringen, damit er wieder abhauen kann. Nix da!

„Ja sorry!“, mache ich, dann schnappe ich mir das Mikro und stelle den Ständer dazu auf, der wohl bei der Prügelaktion mit den beiden Streithähnen gen Boden gesegelt ist.

ICH stelle das Zeug nämlich immer ordentlich hin!

„Kannst du dich noch an was von unseren Auftritten erinnern?“

„Ein bisschen…“

Kai kratzt sich mit einem Stick am Kopf und zieht eine Schnute.

„Hm… nur dunkel…“

„Ja, dann mach doch da was!“

Kai stößt die Luft aus, dann nimmt er seine Sticks und inspiziert erst mal das Drumset.

„Ganz schön am Arsch!“, urteilt er dann.

„Ja, Yune ging mit dem Ding nicht sonderlich pfleglich um…“

„Sieht man… wenn er so ein Kerl ist, wie das Drumset aussieht, dann bin ich froh, ihn nicht wirklich gekannt zu haben…“

Irgendwie hat er da Recht. Ich höre die Tür zum Flur knallen und dann Schritte. Und just in diesem Moment fängt Kai an, auf das Drumset einzuhauen wie ein Irrer. Ich kenn ja nicht viele Drummer auf dieser Welt, aber Kai haut mir jedes Mal das Hirn weg – wenn er einmal anfängt, dann hört er so schnell nicht wieder auf und haut einen Beat nach dem anderen raus aus diesem Ding, hinter dem ich mich hoffnungslos verloren fühlen würde. Kai müsste wahrscheinlich nicht mal hinsehen. Der Beat erinnert mich an den aus ‚Shiwase na hibi‘ und als ich gerade das Mikro anschalten will, stehen Aoi und Uruha im Raum, die Augen auf Kai fixiert, der die Drums unbarmherzig verdrischt. Meinen Gruß hören die beiden nicht – entweder, sie sind zu sehr abgelenkt von Kais Drumaktion oder sie hören mich nicht. Könnte allerdings auch eine Mischung aus beidem sein. Plötzlich, als er merkt, dass er beobachtet wird, hört er schlagartig auf, beide Sticks in die Höhe gehoben.

„Wer hat gesagt, du sollst aufhören?“, ruft Uruha vorwurfsvoll und Kai stammelt:

„Äh... ich...“

„Du bist mega gut!“, unterbricht der Gitarrist dann auch sofort wieder mit glänzenden Augen und Aoi und ich verdrehen synchron die Augen.

„Findest du?“, fragt Kai und versucht, das Grinsen zurückzuhalten.

„Ja, total!“

Kennt ihr diese Mangas, in denen die Hauptfiguren immer fast vor Freude weinen, die Fäuste vor die Münder geballt haben und dumm gucken? - Genau SO sieht Uruha gerade aus.

„Danke...“

Kai weiß gar nicht, was er sagen soll und Aoi meint:

„Wie lang spielst du denn schon?“

„Oh. Seit Ende der Grundschule ungefähr...“, gibt Kai nachdenklich Auskunft und dann kommt Akira rein, mit dem Kommentar:

„Und, hat Uruha schon ein Machtwort gesprochen?“

„Er ist guuuuuut!“, haucht der eben Erwähnte ehrfürchtig und Kai muss noch mal anfangen, seine Künste unter Beweis zu stellen.

„Also SO gut bin ich ja dann auch nicht...“, murmelt er, bevor er wieder reinhaut und Akiras Augenbraue wandert langsam, wie so oft, nach oben.

„Bitte, bitte, nehmen wir ihn!“, quängelt Uruha und Aoi wirft Kai einen entschuldigenden Blick zu, der mit so viel Lob gerade nicht wirklich umgehen kann und sich nur mit hochrotem Kopf hinter dem Schlagzeug versteckt.

„Von mir aus!“, meint Akira großzügig und Aoi gibt auch gleich sein OK.

„Aaaah, Kai, willkommen!“

Als Uruha um das Drumset herumgewuselt ist, um Kai eine Umarmung zu geben, sage ich:

„Gewöhn dich dran.“

„Ehm... okay?“, ist alles, was Kai hervorbringt und dann holt Aoi Uruha wieder zurück auf den Boden der Tatsachen, damit der endlich mal beginnt, seine Gitarre auszupacken.

Am Ende der Bandprobe ist Kai ganz belämmert und ich sage, während ich das Kabel des Mikros feinsäuberlich zusammenräume:

„Uruha drückt so seine Liebe zu anderen aus!“

„Ja, das hab ich mir aus deinen Erzählungen schon gedacht“, sagt Kai und hilft mir dabei, halbwegs Ordnung zu schaffen.

Die anderen sind schon gegangen, aber ich mein, den Schlüssel kann ich auch zweimal haben. SO viel Arbeit macht das ja jetzt auch nicht wirklich.

„Tja. Damit wärst du jetzt auch Teil unseres lustigen Haufens“, stelle ich dann fest, als wir auf der Straße sind und ich mir eine Zigarette anstecke.

„Das wird bestimmt lustig!“, grinst Kai und steckt mich mit seinem hundertmillionen Watt Grinsen an.

„Langweilig jedenfalls nicht“, gebe ich zurück und nehme den ersten tiefen Zug.

„Jetzt kann ich mich meiner Studie an Reita voll und ganz widmen!“

Ich bleibe geschockt stehen.

„Bitte WAS FÜR EIN DING?!“

„Beruhige dich, ich will doch nur für dich herausfinden, was bei dem Kerl vor sich geht. Und da kommt mir die Band gerade entgegen!“

Freudig, wie ein verrückter Professor reibt er sich die Hände und läuft dann fröhlich weiter.

„Untersteh dich!“, fauche ich und setze nach.

„Was denn? Ich beobachte ihn doch nur!“

„Genau das meine ich!“

„Vor was hast du eigentlich Angst, Ruki?“

„Vor seinen Fäusten!“

Kai stößt genervt die Luft aus und meint dann:

„Ich glaube, über das Stadium sind wir schon längst hinaus!“

„Achso?! Ja dann hab ich ja noch mehr zu befürchten, wenn er mich irgendwann im Yoyogi-Park vergräbt!“

„Du bist ein Trottel.“

Ich kicke einen Stein vor meinen Füßen weg und schmolle.

„Bin ich gar nicht!“

„Ruki, ich versuch doch nur, dir zu helfen.“

„Ja schon klar, aber du musst die ganze Sache nicht noch komplizierter machen!“

Kai legt einen Arm um meine Schulter und drückt mich an sich.

„Aber nicht doch!“

Irgendetwas sagt mir, dass ich ihm da nicht wirklich vertrauen kann. Er hat das Feingefühl eines Elefanten... ach, was rede ich da... einer gesamten Elefantenherde!

„Lass mich einfach machen.“

„Kein Wort zu Akira!“

„Nie im Leben würde ich auf so etwas kommen!“

„Bei dir kann man nie wissen“, antworte ich trocken.

Wir verabschieden uns und mit einem sehr sehr mulmigen Gefühl im Magen betrete ich das Treppenhaus. Oh je. Was hab ich mir da nur wieder eingebrockt, kann mir das mal einer sagen?
 

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BETT!!! W_______W



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Kommentare zu dieser Fanfic (84)
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Von:  Shikami
2014-08-14T17:56:15+00:00 14.08.2014 19:56
oh super tolle ff, ich mag den stil wie du schreibst und die story liebe ich auch, hab mich echt in die geschichte verliebt <3
schade finde ich es schon iwie das es nicht mehr weiter geht (ich persönlich bin auch nicht wirklich ein fan von offenen enden) und natürlich hätte ich gerne gewusst wie sich die band und ruki's & reita's etwas andere "beziehung/freundschaft" entwickelt, aber damit muss ich wohl leben ;)

auf jede fall war das eine der schönsten fanfic's, die ich jeh gelesen hab :)
Von: abgemeldet
2011-09-25T20:26:44+00:00 25.09.2011 22:26
WARUM????

warum hast du diese superlustige und tolle ff abgebrochen???
>____<
Von: abgemeldet
2011-04-26T18:35:26+00:00 26.04.2011 20:35
Ein tolles Kapi^^
Endlich ist Kai bei ihnen**
Auch wenn mir das mit Yune doch ein bisschen leid getan hat xDD
Auch fand ich das so toll von Reita das er sich für Ruki eingesetzt hat..
Auf jedenfall wieder einmal ein tolles Kapi und ich freue mich schon auf`s nächste^^
Von:  shedira
2011-04-15T20:18:43+00:00 15.04.2011 22:18
Verdammt..... mir fällt jetzt erst auf, dass ich noch gar keinen Kommentar geschrieben hab.... ^^"
SORRY!!!

Dafür aber jetzt:

Yay, Kai ist endlich da ^^
Das find ich jetzt toll!!! =)

Und Reita ist sooooo knuffig!! Süß, wie er Ruki und Uruha verteidigt!! ♥
*ihn knuddel*

Ich freu mich schon voll auf das nächste Kapitel!!!
^_____^

LG
Von:  SuGlover
2011-04-08T23:43:53+00:00 09.04.2011 01:43
neues kapiiiiii :D
reita ist toooooll~ wie er uruha und ruki verteidigt *-*
aber wieso sagtd er denn schlampe? D: ich will den ganzen ablauf wissen *-* xD
ich hätte yune auch am liebsten für sein grinsen vrprügelt >.<
aber jetzt ist kai in der band :D yaaaaay! *-*
haha mal gucken ob sich reita beobachtet vorkommt ;D
i-wie werde ich das gefühl nicht los das kai den bandraum aufräumen wird xD dann ist dort alles schön sauber *-* bestimmt wenn er dran ist mit raum abschließen oder so xD oder er kommt mit muffins am nächsten tag an :'D
das kapi war toooooll~ *-*
freue mich schon wenns weiter geht :D
LG SuGlover =)
Von: abgemeldet
2011-04-08T19:31:48+00:00 08.04.2011 21:31
yaaaaaaaaaaaaaaa kai ist dabeiii!!!!!!!!!! *freufreufreu*

wie süß, dass rei sich für ruki prügelt *__* ich musste die stelle 2mal lesen :DD (und yune mochte ich von anfang an nicht...)
Von:  Rei_
2011-04-08T18:21:32+00:00 08.04.2011 20:21
aaaawww rei&ruki <333 ich hätt rei ja nicht mehr losgelassen :DDD
juhuuu kai is dabei :DD woah freu ich mich aufs nächste kapi...bin ja mal gespan´nt wies mit rei&ruki weitergeht...und was kai machen wird ;DDD
<3 maRii
Von:  Astrido
2011-04-08T10:44:35+00:00 08.04.2011 12:44
süß. der vergleich mit hanni und nanni ist wirklich süß.
obwhl ich iwie nich mehr das gefühl hab, reita würde ruki hassen. immerhin haben die sich in diesem kapitel allein 2x im arm gehabt, nicht?
aber ich finds lustig, dass er meint, sich aus ehrgefühl mit yune prügeln zu müssen.

ich finds auch gut, das mein liebling jetzt mit dabei ist. kai is so knuffig.

lg
mayu
Von:  Toffelchan
2011-04-08T08:34:04+00:00 08.04.2011 10:34
sehr geil. hanni und nanni xD der vergleich ist guuut~
und mittlerweile verstehe ich uruha immer besser, dass er aoi nichts sagt.
ich war selber in der situation, dann hab ich was gesagt und seit dem ist es aus xD naja ich hoffe aber, dass es für uruha positiv ausgeht, wiel ff und so. sollte gut enden >0< ♥

ich liebe deinen humor <3 sag ich immer wieder gerne XD
es macht spaß deine kapitel zu lesen ♥ *Q*

reita ist soooooo coool xD <3333~~~~ wie er ruki und ruha verteidigt. süß von ihm *__*~

schön, dass auch endlich kai in der band ist :3 ~

ich freu mich, wenn das nächste kapi kommt *____________________*~

lg
toffel
♥~
Von:  Ruki_
2011-04-08T07:24:47+00:00 08.04.2011 09:24
hanni und nanni, geil xDD"
ich mag deinen schreibstil total gerne, es macht einfach spaß deine story zu lesen^^
und ich freu mich jedes mal riesig auf ein neues kapitel^^
nur weiter so!
LG
Ruki_


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