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Tochter des Mondes

von

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Mondlicht

Es war bald Mitternacht. Schweigend lief ein junges Mädchen eine einsame Straße inmitten eines Wohnviertels entlang, die Hände tief in den Taschen vergraben. Hellsilbernes Mondlicht ließ die tiefen Schatten zu den Seiten der Straße hin verschwimmen. Das Mädchen spürte, dass dort in den Schatten etwas Dunkles lauerte. Doch es würde es nicht wagen, sie inmitten des Vollmondes zu attackieren. Noch war die Furcht vor dem Licht größer als das Verlangen nach ihr. Erst wenn der Durst Überhand nahm, würde es seine Zweifel vergessen. Doch bis dahin würde sie wieder zu Hause sein. Hoffte sie zumindest.

Das Mädchen griff nach dem Amulett um ihren Hals. Sie spürte seine Macht durch ihren Körper pulsieren. Nein, es war unmöglich, dass er ihre Tarnung durchschaut hatte. Womöglich beobachtete er sie nur und wartete darauf, dass sie etwas Verdächtiges tat. Wenn sie so tat, als bemerke sie ihn nicht, hatte sie nichts zu befürchten. Menschen konnten die Dunkelheit in den Schatten nicht spüren. Wenn sie zeigte, dass sie ihn wittern konnte, würde er sie sofort angreifen. Und das wollte sie unter allen Umständen verhindern.

Sie vermied es, sich umzudrehen und ließ den Blick stattdessen zu dem vollen Mond hinaufwandern. Sein Licht war es, das sie im Moment noch beschützte und gleichzeitig zu dem Opfer der Dunkelheit werden ließ. Doch nicht eine Sekunde in ihrem Leben hatte sie den Mond oder ihre Göttin dafür verflucht, zu existieren. Eher war es unbändiger Stolz, den sie in ihrem Herzen trug. Und in Momenten wie diesen auch Furcht. Auch wenn sie wusste, dass Selene sie beschützen würde.

Ein leises Maunzen war zu hören, als eine mittelgroße Katze mit langem weißen Fell vor ihr über die Straße lief. Sie blieb direkt vor dem Mädchen stehen und setzte sich dann, den buschigen Schwanz um die Vorderpfoten gelegt.

Das Mädchen funkelte die Katze widerstrebend an. Was machst du hier?

Das Tier hob seine Vorderpfote und begann mit lautem Schnurren sich zu putzen. Sag mir bitte nicht, dass du es nicht auch gespürt hast?, erwiderte die Katze in den Gedanken des Mädchens. Die bernsteinfarbenen Augen wanderten an dem Mädchen vorbei zu den Schatten hinter ihr.

Natürlich habe ich ihn bemerkt! Nur ist er sich noch unsicher, ob er angreifen soll.

Langsam ließ die Katze die Pfote wieder sinken und sah dem Mädchen in die Augen. Du hast noch viel zu lernen, Kataya.

In dem Moment flammte ein hellgoldener Schild um sie auf und Kataya spürte, wie etwas mit aller Macht dagegen prallte. Das Wesen gab einen markerschütternden Laut von sich, als habe es sich verbrannt. Noch immer war der Blick der Katze auf sie gerichtet. Er wusste bereits, was du bist, er wartete nur noch auf die richtige Gelegenheit. Du musst lernen, das zu unterscheiden.

Damit erhob sich die Katze majestätisch und schritt an Kataya vorbei, direkt auf das Schattenwesen zu, das außerhalb der goldenen Kuppel in der Dunkelheit lauerte. Noch immer hielt das Mädchen ihr Amulett fest umklammert.

Bist du bereit?

Kataya biss sich unsicher auf die Unterlippe, doch dann nickte sie. So oft hatte sie schon eine Konfrontation mit Dämonen gehabt, doch es machte ihr noch immer Angst, ihnen zu begegnen.

Der hellgoldene Schild flackerte kurz auf, dann fiel er klirrend ineinander, als das Schattenwesen mit seinen Klauen darüber fuhr. Seine Statur erinnerte an einen großen, hageren Menschen. Der Leib hing leicht vornübergebeugt; seine Gliedmaßen waren unnatürlich lang und ließen den Dämon noch dürrer erscheinen. Die Finger endeten in langen Klauen, die im goldenen Licht der Katze bedrohlich funkelten. Er taxierte Kataya mit seinen roten Augen und zeigte die langen spitzen Zähne. Ängstlich wich sie zurück, während sich die Katze fauchend zwischen den Dämon und ihren Schützling stellte. Hellgoldenes Licht schien von ihrem Fell auszugehen und das Schattenwesen wich tatsächlich vor diesem Licht zurück, ließ jedoch weiterhin den gierigen Blick auf Kataya ruhen.

Blitzschnell sprang Sola auf das Monster zu und verpasste ihm einen raschen Hieb mit der Pfote, ehe sie sich mit einem weiteren Satz aus der Gefahrenzone brachte. Ihr Gegner gab ein unwilliges Grollen von sich und ließ endlich von dem Mädchen ab, um sich der Katze entgegenzustellen. Sein Blick glitt suchend umher, doch die Samtpfote war schon längst wieder fort. Elegant umrundete sie ihren Gegner und stieß zu wie eine Natter, wenn er sie aus den Augen verlor. Seine Beine waren mittlerweile voller Striemen, aus denen eine dunkle Flüssigkeit quoll.

Dann war Sola plötzlich verschwunden. Der helle Schimmer, der von ihrem Fell ausging und der Kataya immer sagte, wo genau sich ihre Freundin im Moment aufhielt, war nirgends auszumachen. Auch der Dämon sah sich suchend nach seinem Gegner um. Er warf den Kopf hin und her, wobei er unablässig brüllte. Das Mädchen trat vorsichtshalber noch einige Schritte zurück.

Es war nur ein kurzes Rascheln zu hören, dann sprang die Katze von den Ästen eines nahen Baumes auf den Kopf der Kreatur. Noch während Sola im Sprung war, wandte sich der Dämon zu ihr um. Ihre schlitzartigen Pupillen weiteten sich vor Überraschung. Mit einem kräftigen Hieb seiner Klauen schleuderte er die Angreiferin von sich und ließ sie mit einem grässlichen Knacken gegen den Baum prallen.

Sola gab ein schwaches Mauzen von sich, ehe sie kraftlos an der Rinde gen Erdboden sank, wo sie reglos liegen blieb. Quer über die Brust war ein langer Schnitt zu sehen, aus dem sanft eine goldene Flüssigkeit auf den Boden floss. Ein Hinterlauf war seltsam verdreht.

Wie in Trance sah Kataya zu ihrer Freundin. Das konnte nicht sein. Wie war das möglich? Normalerweise ergriffen Dämonen schon die Flucht, wenn sie das Licht der Sonnenkatze spüren konnten. Wenn sie besonders hartnäckig waren, kämpften sie auch mal mit ihr, doch sie hielten es nie lang in Solas Nähe aus. Dass es einer schaffte, sie überhaupt anzufassen, war Kataya ein Rätsel. Doch nun kam er auf sie zu, die langen Zähne gebleckt.

"Dich will er haben", sagte der Dämon mit rauer Stimme.

Noch immer wich Kataya zurück. Was meinte er damit? Wollte er sie etwa gar nicht verschlingen? Aber was wollte er dann von ihr? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass das, was er mit ihr vorhatte, viel angenehmer war, als verschlungen zu werden.

Sie gab ein drohendes Knurren von sich, während sie mit noch immer weichen Knien zurückwich. Der Dämon beachtete es nicht. Sein höhnisches Grinsen machte ihr Angst. Wieder mit einem lauten Brüllen sprang er auf sie zu und Kataya spürte, wie sich die Welt um sie zu drehen begann. Dann sah sie nur noch schwarz.

Schattenaugen

Nur langsam zogen sich die dunklen Schatten aus Katayas Bewusstsein zurück. Ihr Kopf dröhnte. Was war passiert? Nur vage konnte sie sich daran erinnern, dass sie von etwas angegriffen worden war. Doch ein Kampf gehörte nicht dazu. Einzig das verschwommene Bild Solas tauchte in ihren vernebelten Gedankengängen auf. Wie sie reglos neben dem Baumstamm lag, während ihr das goldene Blut über das weiße Fell lief. Es glitzerte sanft im fahlen Licht einer Straßenlaterne. Das bisschen Gras um den Baum herum reckte sich gierig nach ihrem Blut, als wolle es es aufsaugen. Die Katze regte sich nicht. Sie lag einfach nur da. Nicht einmal ihr Brustkorb zeugte davon, dass sie noch am Leben war.

"Sola..." Es war weniger als ein sanfter Hauch, der ihre Lefzen verließ. Und doch konnte sie Schritte hören, die sich nun rasch auf sie zubewegten. Sie hallten leise, wie in einer Höhle.

"Kira! Sie wacht auf!"

Kataya stöhnte. Sie konnte nun die Schritte von jemand Zweiten hören. Der Witterung nach, mussten es Wölfe sein. Sie wäre also in Sicherheit. Doch wo war der Dämon?

Langsam öffnete sie die Augen. Wie sie gedacht hatte, war sie von zerfurchten Steinwänden umgeben. Weiter hinten konnte sie den Eingang sehen, durch den zartes Sternenlicht in die Höhle fiel.

Vor ihr standen zwei schwarze Wölfe. Der größere von ihnen hatte seltsame blaue Abzeichen an Läufen und Flanke, als würde er in Flammen stehen. Selbst die dunklen Augen wurden von hellblauem Fell umrandet, was die Seelenspiegel seltsam düster wirken ließen. Dazu hatte sie das Gefühl, als würde ein schwarzer Schleier in seinem Blick liegen, doch sie konnte sich auch irren. Die Höhle lag in dunkles Zwielicht getaucht und sie war noch nicht ganz wach, es wäre kein Wunder, wenn ihre Augen ihr einen Streich spielten.

Sein Begleiter hielt sich dezent im Hintergrund. Bis auf zwei kleine Abzeichen auf den Wangen, die an Dreiecke erinnerten, hatte er keine auffälligen Fellzeichnungen. Sein Pelz war stumpf und glanzlos, lag aber glatt an seinem Körper an.

"Wo bin ich?" Langsam hob sie den Kopf. Erst jetzt begriff sie, dass sie wieder ihre Wahre Gestalt angenommen hatte: Statt ihrem blauen Kapuzenpullover und ihrer Jeans wärmte sie nun dichtes Fell in der Farbe von Wasser, in dem sich der Mond spiegelte. Ein heller Schimmer ging von ihm aus, der ihm das Aussehen von flüssigem Silber gab. Das Symbol ihres Amuletts war nun auf ihrer Stirn zu sehen; im Moment stellte es einen weißen Vollmond dar. Wenn der Mond sich wandelte, würde auch ihr Zeichen sich verändern und bei Neumond schließlich für vierundzwanzig Stunden ganz verschwinden.

"Du bist in Sicherheit", antwortete der große schwarze Wolf und schenkte ihr ein Lächeln. "Sag mir: wie ist dein Name? Man hat dich ohnmächtig im Wald aufgefunden und nun möchte ich wissen, wo du herkommst?"

Kataya nickte ein wenig abwesend. Sie konnte sich nicht erinnern, ihre Gestalt gewechselt zu haben. Es war nur ihr selbst möglich, die Kraft aus dem Schutzamulett zu ziehen und so die Illusion um ihr Wahres Aussehen zu brechen. Verzweifelt durchwühlte sie ihre Gedanken, doch da war nur ein seltsamer schwarzer Nebel, der sich um ihre Erinnerungen gelegt hatte und ihr den Blick auf das Vergangene verwehrte. Nur das Bild ihrer verletzten Katze war geblieben.

"Ich... Mein Name ist Kataya", begann sie zögernd und richtete den Blick auf den Höhlenboden.

"Ich komme von weit her...".Es wäre wahrlich unklug, diesen fremden Wölfen die Wahrheit ihrer Herkunft zu erzählen. Zwar mochten sie in einer gewissen Weite Artgenossen sein, doch Kataya blieb argwöhnisch. Vertrauen hatte schon zu viele ihrer Rasse vor der Zeit gehen lassen. "Ich habe mich von meinem Rudel gelöst und bin auf Wanderschaft gegangen, in der Hoffnung, mich irgendwo einem anderem Rudel anzuschließen oder einen Partner zu finden und mein eigenes zu gründen."

Sie hielt inne. Ja, das hörte sich gut an. Wie die ganz normale Geschichte eines ganz normalen Jungwolfes, der die Welt kennen lernen wollte.

"Von welchem Rudel stammst du?", hakte der große Wolf nach und Kataya konnte seinen bohrenden Blick auf sich spüren. Wusste er, dass sie log?

"Ähm.. mein Rudel... Ihr Name... Sie heißen Lunarwölfe." Ihre Stimme zitterte ein wenig. Dieser schwarze Wolf machte ihr irgendwie Angst, auch wenn er den Anschein erwecken wollte, freundlich zu sein. Sie schluckte und wartete darauf, dass er sie noch mehr fragte, doch er blieb still und nach einer Weile wagte sie es wieder, aufzusehen. Er schien über etwas nachzudenken.

"Poison! Binge unserem Gast etwas zu Fressen. Sorge dafür, dass sie wieder zu Kräften kommt." Mit einem Lächeln wandte er sich wieder ihr zu, doch es war keine Wärme darin. "Willkommen bei dem Schattenrudel, Kataya."

Er drehte sich um und hielt auf den Ausgang zu, ehe sie ihn zurückhielt: "Warte! Du hast mir deinen Namen noch nicht genannt."

Der Schwarze hielt in der Bewegung inne und drehte sich dann langsam zu ihr um. Wieder hatte die junge Wölfin das Gefühl, einen dunklen Schatten in seinen Augen zu sehen.

"Mein Name ist Kira, Alpha des Schattenrudels." Damit wandte er sich endgültig ab und verließ den Unterschlupf.
 

Nicht einmal eine Stunde war vergangen, als der schwarze Wolf, den Kira Poison genannt hatte, wieder in der Höhle erschien. Mit den Fängen hielt er ein Kaninchen umklammert, bei dem Kataya das Wasser im Maul zusammenlief. Sie hatte gar nicht bemerkt, was für einen Hunger sie hatte.

Wortlos warf er ihr die Mahlzeit vor die Pfoten und verließ die Höhle dann wieder. Sie wartete noch, bis er verschwunden war, ehe sie hungrig die Zähne in das frische Fleisch grub. Der köstliche Geschmack von Blut füllte ihr Maul und sie riss gierig weiter große Brocken von der Beute. Viel zu schnell war von dem Kaninchen nur noch Knochen übrig, an denen sie nun herumkaute.

Nun einigermaßen gestärkt erhob sie sich und lief auf den Ausgang der Höhle zu. Ein kleiner Vorsprung war dort in den Fels eingelassen und bot Sicht über eine größere Waldlichtung. Es herrschte tiefe Dunkelheit, es musste weit nach Mitternacht sein. Der Mond war längst untergegangen. Nur einige Sterne vertrieben mit ihren zarten Licht ein wenig von der unendlichen Schwärze der Nacht. Ihr Licht verfing sich in ihrem silberfarbenen Pelz und wob einen ätherischen Glanz um sie. Unten schlichen einige Schatten im Schutz der Dunkelheit umher, wahrscheinlich waren es Wölfe des Rudels. Die Äste der Bäume flüsterten in einer sanften Brise miteinander. Ansonsten störten keine Geräusche die Nacht. Genüsslich schloss Kataya die Augen und hob den Kopf in den Himmel, als wollte sie heulen. Wie zum Gruße fuhr ihr der Wind durch den Pelz und zupfte verspielt an ihrem Fell. Aufmerksam lauschte die Wölfin seinem Lied. Sie mochte die Gedichte, die der Wind bisweilen in solch magischen Nächten sang.

"Du scheinst dich mit der Nacht verbunden zu fühlen."

Die Wölfin schreckte auf. Kira hatte sich neben sie gestellt und ließ seinen Blick ebenfalls über den Nachthimmel wandern, ehe er sich auf die Hinterläufe niederließ und den Kopf zu ihr drehte. Respektvoll neigte sie den Kopf vor dem Alpha, ehe sie seine Frage beantwortete. "Ja. Die Nacht zeigt uns Dinge, die wir mit bloßem Auge nicht sehen. In der Dunkelheit muss man sich auf andere Sinne verlassen, sonst wird das Auge nur allzu schnell getäuscht."

Sie ließ sich nun ebenfalls auf die Hinterläufe nieder und blickte wieder fasziniert in die Höhe. Es waren nicht ihre, sondern die Worte ihrer Mentorin und Freundin Sola gewesen, die sie eben ausgesprochen hatte. Die Sonnenkatze hatte sie gelehrt, sich in ihrem Element heimisch zu fühlen. Diese Worte voller Weisheit, die sie einst gesagt hatte, hatte Kataya tief in ihrem Herzen bewahrt, so wie alle ihre Lehren. Immer, wenn sie sich in einer Umgebung fremd oder verlassen fühlte, rief sie sie sich ins Gedächtnis. So wie jetzt.

"Es sind kluge Worte, die du da sprichst. Du sprichst von der Dunkelheit, als sei sie etwas Positives und nicht, als müsste man Angst vor ihr haben. Bist du dir sicher, ob das der Wahrheit entspricht? Die Macht der Finsternis vermag Grenzenlos zu sein." Der Ton des Wolfs war lauernd geworden, doch sie bemerkte es nicht, ebenso wenig den abschätzenden Blick, mit dem er sie nun musterte. Kataya war zu beschäftigt damit, über seine Worte nachzudenken. "Ich denke, die Dunkelheit an sich ist nichts Schlechtes. Sie kann mich vor neugierigen Blicken verstecken, doch vermag sie im Gegenzug auch meine Feinde vor mir zu verbergen. Angst habe ich vor der Dunkelheit nur, wenn sie mich zu verschlingen droht."

Kataya spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief, als sie darüber nachdachte. Mehr als einmal hatte sie in einer solchen Situation gestanden. Es machte ihr Angst, sich nur die Erinnerungen daran ins Gedächtnis zu rufen.

"Also scheinst du sowohl das Licht, als auch Schatten in dir zu tragen. Interessant..."

Das letzte Wort hatte Kira nur geflüstert. Doch es war der Satz davor, der Kataya wieder auf die Läufe springen ließ. Woher wusste er das mit dem Licht? Ahnte er etwas? Oder war es nur ein dummer Zufall? Angespannt musterte Kataya den schwarzen Wolf vor ihr, der noch immer Lächelnd vor ihr saß und es nun vermied, sie anzusehen und stattdessen auf die weitläufige Lichtung unter sich blickte. Nein, sein Blick war wissend, es war kein Zufall.

"Weißt du, ich habe gehofft, dass ich dich anders dazu bringen könnte, uns zu helfen. Doch leider seid ihr Mondwölfe viel zu misstrauisch." Er legte eine kleine Pause ein und sah sie nun wieder direkt an, wobei er sich nun ebenfalls wieder in eine aufrechte Position begab. Ein leichter Windstoß trug ihr die Witterung weiterer Wölfe in die Nase. Sie konnte überdeutlich ihre Schritte auf dem schroffen Fels spüren.

"Da du mir wohl kaum freiwillig etwas von deiner Kraft geben wirst, wird mir wohl nichts anderes übrig sein, als dich zu zwingen."

Aus der Dunkelheit um ihn herum lösten sich nun ein halbes Dutzend schwarzer Wölfe. Sie glaubte, die Wölfe zu erkennen, die sie schon zuvor auf der Lichtung gesehen hatte. Hinter ihr konnte sie noch mehr von ihnen spüren. Drohend gab sie ein lautes Knurren von sich, in der Hoffnung, dass er ihre Angst nicht bemerkte.

"Ich warne dich. Selbst Dämonen sind keine Gegner für uns. Glaubst du, deine Handlanger könnten mich zu irgendetwas zwingen?"

Ihre Stimme zitterte ein wenig und sie hoffte, dass es ungehört blieb. Doch der schwarze Wolf lachte nur.

"Natürlich. Ich zittere schon vor Angst. Ich vermute mal, aus diesem Grund lässt du auch deine kratzbürstige Freundin für dich kämpfen?"

Kataya glaubte, den Boden unter den Pfoten zu verlieren. „Sola...“

Hilflos scharrte sie mit den Vorderläufen über den Fels. „Was habt ihr mit ihr gemacht?“, verlangte sie zu wissen, doch Kira lachte nur. „Das wüsstest du wohl gern, was? Aber nein, ich verrate es dir nicht. Sehe es doch als kleine Motivation, dich nicht zu widersetzen.“

Wieder gab Kataya ein tiefes Knurren von sich, doch dieses Mal klang es bedrohlicher.

„Niemals!“

Die schwarzen Wölfe kamen nun näher. Mit einem Seitenblick erfasste die Wölfin ihre Positionen. Sie hatte noch nicht oft gekämpft. Meist reichte es, wenn Sola die Dämonen mit ihren Sonnenlicht vertrieb. Falls sie doch mal nicht da war oder wenn sie den Dämon nur zu Zweit besiegen konnten, hatte sie ihre wahre Gestalt angenommen und zusammen mit ihrer Freundin gefochten. Doch sie hoffte, dass ihre Kampferfahrung reichte, um mit den Wölfen hier fertig zu werden. Sie würde gewiss nicht Widerstandslos aufgeben!

Ihre Muskeln spannten sich, während ihre Gegner den Kreis allmählich enger zogen. Ihr Herz schlug hart gegen ihren Brustkorb.

Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin griffen sie an. Ohne zu überlegen rollte Kataya sich zur Seite, rappelte sich rasch wieder auf und machte einen Satz nach hinten. Ihre Lefzen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln, als die Angreifer mit lautem Jaulen frontal gegeneinander stießen. Einige hatten sich blutige Schnauzen geholt, doch sie erholten sich schnell wieder. Sie bereiteten sich vor, sich abermals auf die Mondwölfin zu stürzen und Kataya entgegnete ein angriffslustiges Knurren. Sollten sie nur kommen!

Ein schwarzer Rüde mit grauen Flanken machte einen Satz auf sie zu. Mit einem Seitensprung gedachte die Wölfin sich wieder außer Reichweite der Meute zu bringen, doch dazu kam es nicht. Zu spät bemerkte sie den Wolf, der sich unbemerkt von hinten angeschlichen hatte und ihr nun in die Flanke biss. Ihr Fang öffnete sich leicht und ein schmerzerfülltes Jaulen entkam ihrer Kehle. Blind Wut schnappte sie nach dem Angreifer, doch der Schmerz betäubte ihre Sinne. Die Zähne klappten ins Leere. Stattdessen bohrte sich nun ein weiterer Fang in ihren Hinterlauf, der sie abermals laut aufheulen ließ.

Kataya fuhr herum, versuchte wieder, nach dem Angreifer zu schnappen, doch vergebens. Sie schienen überall zu sein und zugleich nirgendwo.

Während die Wölfin sich gehetzt umwandte, spürte sie plötzlich ein erdrückendes Gewicht in ihrem Rücken. Verzweifelt führte sie einen weiteren Angriff aus und dieses Mal schmeckte sie den metallenen Geschmack von Blut, als sich die spitzen Fänge durch Fell, Haut und Muskeln bohrten. Sie entlockte dem Rüden auf ihrem Rücken ein schmerzvolles Aufheulen. Für einen Moment ließ der Druck auf ihren Rücken ein wenig nach, doch nur wenige Herzschläge später warfen sich zwei weitere Wölfe auf ihren zierlichen Leib und zwangen sie zu Boden.

Kataya hatte das Gefühl, als presse man ihr mit aller Macht die Luft aus den Lungen. Sie keuchte, doch noch immer ergab sie sich nicht. Wild schnappte sie um sich. Kiras hämisches Lachen erklang in ihren Ohren.

"Das ist also die berühmte Kampfkraft deiner Rasse. Ich muss sagen, ich bin wenig beeindruckt. Ich hatte mir ein wenig mehr von dir erhofft."

Ganz langsam trat er an sie heran und senkte seinen Kopf so nahe an sie herab, dass sein Atem sachte über ihr Gesicht strich. Noch immer waren ihre Lezfen drohend erhoben und ein leises, aber bedrohliches und zugleich auch ängstliches Knurren entrann ihrer Kehle.

"Es wird mir eine Freude sein, dein Gastgeber zu sein", sagte er mit einem süffisanten Lächeln. Kataya schnappte nach ihm, doch ihre Schnauze wurde mit einem kräftigen Pfotenhieb zu Boden gedrückt.

"Also wirklich, du wirst doch nicht unhöflich deinem Gastgeber gegenüber sein, oder?"

Wieder bewegte er sein Gesicht ganz nahe an ihres. Sein Fang war leicht geöffnet und zeigte die perlweißen Zähne. Mit aller Kraft versuchte sich Kataya zu befreien. Die dunkle Aura, die er ausstrahlte, machte ihr Angst. Er war das genaue Gegenteil von ihr, die pure Finsternis. Jede Faser ihres Körpers widerstrebte sich seine Nähe.

Endlich wandte er sich von ihr ab ab und sah wieder in den Sternenhimmel hinauf.

"Worauf wartet ihr? Ihr wisst, wohin ihr sie zu bringen habt."

Ehe sie protestieren konnte, packte sie jemand am Genick und schleifte sie den Hang hinunter. Durch den eisernen Griff völlig bewegungsunfähig, konnte sie nur ein leises Winseln von sich geben. Sie spürte nun überdeutlich den Schmerz an ihrer Flanke und in ihrem Hinterlauf, der sich wie Gift durch ihren Körper zog und ihre Kräfte raubte. Der weiche Grasboden, der nach einer Weile den Felsen ablöste, machte es nicht viel besser. Ihr war schwindlig und vor ihren Augen drehte sich alles.

Zum Glück war der Weg nicht weit. Auf der Rückseite des Felsens befand sich eine weitere Höhle, doch war diese eher ein Erdloch als eine warme Zuflucht. Ihre Eskorte brachte sie hier hinein und positionierte sich dann vor dem Eingang ihres Gefängnisses.

Kataya brach erschöpft zusammen. Der kühle Steinboden linderte ihre Schmerzen ein wenig. Doch das war es nicht, was ihr Sorgen bereitete. Sie war nun eine Gefangene. Die Gefangene dieses Wolfs, der offensichtlich hinter dem Angriff auf sie und Sola steckte. Ihr Blick glitt durch die Höhle, bis er an dem dunklen Sternenhimmel hängen blieb, den sie durch den Eingang sehen konnte. Ein düsterer Schatten hatte sich über das Firmament gezogen. Bald wäre es vollends dunkel.

Müde schloss Kataya die Augen, um dem Schwindel ein wenig Linderung zu verschaffen. Morgen, wenn der Mond aufging, würde sie ihm ihre wahre Stärke zeigen!

Spiel im Wind

Ein Rauschen ging durch die Blätter des Waldes. Leise flüsterten sie miteinander, als die sanfte Brise sie streichelte, die mit den Wölfen zog. Sie trieb das Rudel an und half ihm bei seiner Flucht vor den Schatten, die sich hinter ihnen auszubreiten schienen. Zugleich verteilte er ihre Witterung in alle Himmelsrichtungen. So würden sie die Wölfe des Wolfsdämonenrudels nur noch schwerlich aufspüren können.

Die Stimmung war angespannt. Immer wieder blickte Nowaki über die Schulter, nur um doch nichts zu sehen. Die anderen taten es ihr nach, wenn auch unbewusst. Trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit würden sie echte Probleme bekommen, wenn ihre Verfolger sie einholen würden. Einzig Kurosaki hielt den Blick starr nach vorne gerichtet, als wolle er zeigen, dass er als Alpha keine Angst hatte. Eine Aura aus Kraft und Ruhe, aber auch Sorge umgab ihn, doch vermochte er dies nicht an die anderen Rudelmitglieder weiterzugeben. Auch er hatte Angst, das konnte Nowaki wittern. Doch war es nicht die Furcht vor einem Angriff, sondern um das Wohl des Schattenrudels, das sich noch immer in den Fängen seines Bruders Kira befand. Im Moment konnten sie nicht mehr tun, als zu fliehen. Es wäre das Ende für alle, wenn Kurosaki starb.

Nowaki hörte den Wind leise flüstern, als wolle er ihr etwas mitteilen. Schon den ganzen Weg über zog er mit den Flüchtlingen und erleichterte ihnen das Laufen. Dabei war er so unauffällig, dass es dem Rest sicher noch nicht bemerkt hatte. Sie fragte sich, ob Shanon oder Red den Wind gebeten hatten, sie bei der Flucht zu unterstützen. Er war im Moment ihr einziger Verbündeter im Kampf gegen die Schatten.

Mit warmen Fingern griff er in ihr blaues Fell und spielte mit dem dichten Pelz. Vorsichtig drang er in ihre Gedanken ein, um sie weit fort zu tragen. Ihre Angst, ihre Sorgen blieben zurück; es blieb nur das Gefühl von Schwerelosigkeit und von unendlichem Frieden. Zuletzt hatte sie dieses Gefühl verspürt, als sie von der Klippe gesprungen und sich in die Obhut der Lüfte begeben hatte. In dem Moment hatte sie keine Angst gehabt. Es war vielmehr, als würde man einem alten Freund in die Arme springen. Die Zeit schien sich bis ins Unendliche zu dehnen, bis sie schließlich in das kalte Wasser des Flusses getaucht war. Hier war es genauso. Nur, dass sie eben nicht fiel. Und doch war es das gleiche Gefühl.

„Nowaki!“

Mit einem Ruck gab der Wind ihre Gedanken wieder frei. Sie schaute Shanon ein wenig verwirrt an, die nun genau neben ihr lief und sie offenbar nicht zum ersten Mal angesprochen hatte. Entschuldigend knickte Nowaki ein Ohr zur Seite. Auf Shanons Miene jedoch zeigte sich ein wissendes Lächeln.

„Es ist wunderbar, nicht wahr? Es lässt dich alle Sorgen vergessen.“

Wie um ihre Worte zu unterstreichen, umspielte eine leichte Böe die Pfoten der geflügelten Wölfin und wirbelten getrocknetes Laub auf. Auf Nowakis Lefzen stahl sich unwillkürlich ebenfalls ein feines Wolfslächeln. Irgendwie schien sie eine ähnliche Verbindung zum Wind zu haben wie Shanon und Red. Anders konnte sie das gute Gefühl nicht erklären, das sie trotz der hektischen Flucht hatte. Auch hatte sie vorhin Reds Stimme in der Luft gehört, von der Shanon behauptet hatte, sie sei durch Windmagie gesprochen und nur Windelementare Wölfe könnten sie hören. Gab es ein eindeutigeres Indiz als dieses?

„Ja. Ich wünschte, er würde uns auch dabei helfen, sie nicht nur zu vergessen, sondern auch etwas gegen ihre Ursache zu tun“, antwortete sie. Shanon jedoch stupste ihr aufmunternd in die Schulter. „Hey, das wird schon wieder. Wenn wir alle so ernste Gesichter machen, haben die Schatten schon Einzug in unseren Geist gehalten, ehe sie uns eingeholt haben.“

Ja, da hatte sie definitiv Recht. Im Moment jedoch vermochte der Verstand nicht ihr Herz zu erreichen. Es waren einfach zu viele Wölfe, deren Leben jetzt auf dem Spiel standen. Wie sollte sie da zuversichtlich sein?

Erneut knuffte Shanon ihr in die Schulter, dieses Mal jedoch weitaus stärker. Nowaki knickte fragend ein Ohr zur Seite, doch ihre Freundin wedelte nur mit der Rute. Weile Weile sah sie sie nur an. Dann warf sich Shanon mit aller Kraft gegen sie und sie fiel in einen Tornado aus Fell und Blättern. Durch die Überraschung noch völlig blind, schnappte sie wild umher, in der Hoffnung, einen Fetzen Fell zwischen die Fänge zu bekommen. Doch das gestaltete sich als schwierig, wenn man ein schweres Gewicht auf sich lasten spürte. Ein süßer Schmerz im rechten Ohr ließ sie schließlich aufjaulen. Unwillig strampelte sie mit den Läufen und ertastete Shanons Bauch, die sie nun versuchte, von sich wegzuschieben. Allerdings verstärkte sich dadurch nur der Druck auf ihrem Ohr.

„Was macht ihr da?“ Wie ein Messer durchschnitt die strenge Stimme des Alpha die Luft. Nowaki konnte aus den Augenwinkeln erkennen, dass die anderen angehalten hatten und Kurosaki nun auf sie zutrabte.

„Gahr nichzz“, nuschelte Shanon mit dem Ohr im Fang und noch immer heftig wedelnder Rute. Nowaki hingegen legte unterwürfig den verliebenden Lauscher an. Gleich würde es ein Donnerwetter geben. Sie hatten das Rudel aufgehalten, und das, obwohl ihnen die Verfolger im Genick saßen.

„Auf mit euch, aber schnell! Wir müssen weiter. Vor Einbruch der Nacht müssen wir sie abgehängt haben.“

Widerwillig ließ Shanon Nowakis Ohr wieder los. Nowaki quittierte das Nachlassen des Schmerzes mit einem wohligen Seufzer. Sie wollte sich gerade erheben, als sie abermals Gewicht auf sich spürte. „Nowaki spielen!“

„Wir sind wohl nicht die einzigen, die diese trübe Stimmung nicht mehr aushalten“, lachte Shanon, während sich Aslan mit wildem Geknurre an ihrem Pelz zu schaffen machte. Noch immer auf dem Rücken liegend versuchte Nowaki, nach dem Dreikäsehoch zu schnappen. Der wich jedoch mit vergnügtem Gebell jeder ihrer Attacken aus

„Zu Hilfe!“, rief sie und blickte sich nach Unterstützung suchend um. Das schien Nightwishs Stichwort gewesen zu sein. Laut knurrend rannte sie auf Nowaki und Aslan zu und stupste die Fellkugel ohne großen Kraftaufwand von ihrer Freundin herunter. Der Welpe war damit allerdings ganz und gar nicht einverstanden. Beleidigt schnappte er nach der Rute seiner Tante, die er auch prompt zu fassen bekam. Nightwish stieß ein unterdrücktes Jaulen aus und wandte sich dann an den ungehobelten Angreifer.

„Na warte...“, murmelte sie und schnappte nun nach Aslans Ohr. Dies wäre ihr auch gelungen, wäre Fire Sun nicht dazwischen gesprungen, die ihre Schwester mit herausfordernden Blick ansah.

Bald darauf war die schönste Balgerei im Gange, in der jeder Wolf versuchte, so viel Fell eines anderen wir nur möglich zwischen die Fänge zu bekommen. Alle neun Wölfe waren nur noch ein riesiges Knäuel aus Fell, das sich auf dem Waldboden vergnügt rangelte. Der Wind schütze sie und trug die Geräusche ihres Kampfes weit in den Himmel hinein, wo sie niemand hören würde.

Eine plötzliche Böe ließ jedoch Nowaki, Red und Shanon innehalten. Einige Blätter im Zentrum ihrer Lichtung wurden aufgewirbelt und hoch in die Luft getragen. Ein Ahornblatt landete direkt auf Nowakis Nase. Vergnügt schnappte sie danach, doch es wurde sogleich von dem nächsten Windstoß wieder davongetragen. Gierig verfolgte sie es mit den Augen. Und sie war nicht die einzige. Auch die anderen Wölfe hatte sich mittlerweile voneinander gelöst und hefteten den Blick auf das rotgoldene Blatt, das knapp außerhalb ihrer Reichweite durch die Luft segelte. Was das kleine Rudel jedoch nicht davon abhielt, dennoch nach dem Blatt zu springen und hinter ihm herzuhetzen. Fairerweise verzichtete Shanon auf den Gebrauch ihrer Flügel.

Nowaki schaffte es, sich nach ganz vorn zu drängeln und an Nightwish vorbei nach dem begehrten Spielzeug zu springen. Sie spürte schon, wie sich ihre Fänge um das kleine Blatt schlossen, als sie mitten im Flug von Red abgedrängt wurde, der sich mit einem schelmischen Grinsen dafür entschuldigte. Kurz bevor er jedoch das Blatt zu fassen bekam, wehte der Wind es wieder ein Stückchen höher, sodass der Windwolf sein Ziel verfehlte.

Nowaki preschte noch ein Stück vor, um Abstand zu ihren Konkurrenten zu gewinnen. Das rotgoldene Spielzeug war fest fixiert, jede seiner Bewegungen studiert. Als sie ihre nächste Chance sah, sprang sie abermals danach.

Plötzlich sah sie in einem Busch ein hellgoldenes Licht. Verdutzt hielt die Windwölfin inne und starrte mit aufgestellten Lauschern zu dem Strauch. Tatsächlich fiel Licht durch die dichten Zweige, wie ein Stern, der sich im Geäst verfangen hatte. Verdutzt kam der Rest des Rudels ebenfalls zum Stehen.

„Was ist das?“, flüsterte Nowaki Red zu, der direkt neben ihr stand, doch er schüttelte nur den Kopf.

Langsam ging Kurosaki auf den Strauch zu, die Rute bedrohlich erhoben. Was auch immer dort drinnen war, es würde seinem Rudel keinen Schaden zufügen! Als ihn nur noch zwei Wolfslängen von dem Strauch trennten, flackerte das Licht plötzlich auf und ein leises und geschwächtes Fauchen war aus dem Strauch zu hören. Kurosaki blieb irritiert stehen, nicht sicher, was er von dem ganzen halten sollte.

Einige Herzschläge später begann das Gebüsch zu wackeln und eine helle Gestalt kroch zwischen den Blättern aus dem Busch heraus. Neben ihr viel sanft das Ahornblatt zu Boden.

Für einen Moment musste Nowaki den Blick von dem blendenden Licht abwenden. Erst einige Herzschläge später spürte sie den fehlenden Schmerz in den Augen. Stattdessen fühlte sie eine angenehme Wärme, die sich in ihrem Körper ausbreitete und ihr das Gefühl purem Glücks gab, wie ein Spaziergang an einem sonnigen Herbstnachmittag. Ein wenig verwirrt sah sie zu den anderen, die eine ähnliche Erfahrung zu machen schienen. Einzig Kurosaki blickte noch unbeirrt in das helle Licht, in dem Nowaki nun einzelne Konturen erkennen konnte.

Eine schneeweiße Katze trat mit gesträubten Haaren aus dem Busch hervor. Sie gab ein bedrohliches Knurren von sich, welches von dem beeindruckenden Buckel unterstrichen wurde. Goldene Augen stachen aus dem hellen Pelz hervor und strahlten wie Sterne. Auf ihrer Stirn prangte eine ebenso goldene Sonne, von der das Leuchten auszugehen schien.

Schert euch bloß weg, ihr Flohsäcke!

Nowaki wich erschrocken zurück. Die Stimme, die gesprochen hatte, war direkt in ihrem Kopf! Als hätte jemand von außen die Wörter in ihre Gedanken gelegt. Verstört schüttelte sie sich. Offensichtlich war diese Katze dafür verantwortlich. Hoffentlich konnte sie nicht auch noch Gedankenlesen.

„Sag mir, wer und was du bist. Dann werden wir weiter unseres Weges gehen“, forderte Kurosaki mit kühler Stimme, als sei er ganz Herr der Lage.

Die Katze gab ein abfälliges Schnauben von sich. Natürlich. Und wenn ihr dann glaubt, dass ich eurem Rudelführer nützlich bin, schleppt ihr mich geradewegs zu ihm. Als ob ich euch dreckiges Dämonenpack nicht schon Meilen gegen den Wind wittern könnte. Ich weiß, was ihr mit Kataya gemacht habt. Betet besser, dass euer Boss sie am Leben gelassen hat. Sonst verpass' ich euch ein paar hübsche Narben. Glaubt mir, diese Krallen tun weh!

„Wir haben nichts mit Kira zu schaffen. Im Moment sind wir selbst Flüchtlinge. Du brauchst also nicht unfreundlich zu werden. Fangen wir also noch einmal bei dem Namen an...“

Nowaki erstaunte immer wieder, wie ruhig Kurosaki blieb, trotz der aufmüpfigen Katze. Ohnehin hatte er die einzigartige Fähigkeit, in allen Situationen einen kühlen Kopf zu behalten. Was ihn schlussendlich zum Alpha gemacht hatte. Bis Kira gekommen war...

Verstehe, ihr seid also Flüchtlinge. Also wirklich, ich habe schon bessere Ausreden gehört. Aber nun gut, ich will mal nicht so sein. Dann glaub ich euch eben. Zumindest fürs erste.

Endlich ließ die Katze den Buckel sinken und ließ sich auf die Hinterpfoten nieder. Langsam glättete sich ihr Fell wieder und sie begann mit äußerster Sorgfalt ihre Vorderpfote zu säubern. Mit unendlicher Geduld putzte sie sich damit über die Ohren und das Gesicht. Kurosaki stand noch immer reglos an Ort und Stelle und rührte sich nicht. Er wartete scheinbar darauf, dass die Katze noch etwas sagte. Die ließ sich jedoch gründlich Zeit. Erst als sie mit der äußeren Erscheinung ihres Gesichts zufrieden war, ließ sie sich zu einer Antwort herab.

Mein Name ist Sola. Was ich genau bin, werdet ihr schon noch herausfinden. Ich denke, dass wir uns verstehen werden, wenn wir uns auf den Weg zu diesem Irren machen.

„Bedaure, doch unser Weg liegt in genau entgegengesetzter Richtung. Es wird uns also nicht möglich sein, zusammen zu reisen. Daher wünsche ich dir alles Gute für deine weitere Unternehmung.“

Mit diesen Worten wandte sich der Alpha von der Katze ab, doch ihr lautes Fauchen ließ ihn innehalten.

Habt ihr Flohpelze überhaupt begriffen, um was es geht? Dieses Dämonenpack hat Kataya in seiner Gewalt. Eurer Rudel muss mir helfen, sie zu befreien. Ihr könnt sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen!

„Jetzt halte mal die Luft an! Du bist nicht die Einzige, die Familie und Freunde bei dem Wolfsdämonenrudel zurückgelassen hat“, warf Caprice plötzlich ein. „ Auch uns fällt es schwer, zu fliehen anstatt ihnen zu helfen. Doch wir wissen, dass wir ihnen im Moment keine große Hilfe sind. Es nützt keinem was, wenn wir jetzt auch in Gefangenschaft geraten.“

Ihre Läufe zitterten leicht. Kurosaki warf ihr einen bösen Blick zu, schwieg aber.

Sind Wölfe immer so oder gehört das zu einer geheimen Strategie? Als ob es um so etwas Nebensächliches wie „Familie zurücklassen“ geht! Habt ihr überhaupt eine Ahnung, was es bedeutet, wenn dieser Irre Kataya in seiner Gewalt hat? Die ewige Finsternis holen wird er! Und zwar eine, in der weder Mond noch Sterne scheinen, von der Sonne ganz zu schweigen. Dieser schwarze Schatten, der euch folgt, ist nur ein Vorgeschmack. Flüssiges Mondlicht ist nicht umsonst äußerst beliebt bei diesem Dämonenpack. Es macht diese Viecher viel zu stark. Wir sollten also zusehen, dass wir das Silberwölfchen da rausholen, bevor euer Kira sie leersaugt wie ein Blutegel.

Für einen Moment war es still um sie herum. Einzig das trockene Laub raschelte leise im Wind. Nowaki schwirrte ein wenig der Kopf. Wovon auch immer die Katze gesprochen hatte, die Windwölfin hatte im Gefühl, dass es wichtig war, ihr zu helfen. So wie es sich anhörte, hatte diese Kataya, von der die Katze gesprochen hatte, irgendetwas an sich, was Kira stärker machte. Und das sollte man unter allen Umständen verhindern.

Sie selbst war nicht dabei gewesen, als Kira das letzte Mal an der Macht war. Ihre Mutter war damals selbst gerade dem Welpenalter entwachsen. Sie und auch der Rest des Rudels redeten nicht gern über die Zeit, bevor Kurosaki gekommen und seinen Bruder die Macht entrissen hatte. Nowaki wusste, dass damals etwas vorgefallen sein musste. Doch was, das hatte man ihr bisher verschwiegen. Ihre Mutter hatte gemeint, das Rudel wolle vergessen, was Kira ihnen angetan hatte. Natürlich respektierte Nowaki ihren Wunsch, doch war sie natürlich neugierig. Die ganze Zeit über hätte sie gern gewusst, was damals passiert war. Dass sie es am eigenen Leib erfahren würden, hatte sie natürlich nicht geahnt. Und wenn es ihr möglich wäre, wäre sie lieber weiterhin im Dunkeln getappt, als dass diese Dinge geschahen. Hoffentlich waren ihre Familie noch am Leben, wenn sie wiederkehrten!

„Ich werde mit der Katze gehen.“

Die Windwölfin war selbst überrascht, als sie diese Worte aussprach. Doch es fühlte sich richtig an. Sie durften nicht weglaufen, wenn das Rudel sie brauchte!

Langsam trat Red auf sie zu. Unwillkürlich begann ihr Herz heftiger zu schlagen. Er blickte sie mit seinen klaren blauen Augen an. Die Seelenspiegel waren voller Sorge. Nowaki glaubte, darin zu ertrinken. Sie spürte, wie sie vergaß zu atmen, als würde sie unter Wasser gedrückt. Doch sie konnte nichts dagegen tun. Ihr Herz schlug so wild gegen ihre Brust, dass sie befürchtete, Red würde es hören. Doch er trat noch näher und vergrub dann die Schnauze in ihrem Fell. Sanft strich sein Atem über ihre Flanken und sie fühlte das tiefe Band der Zuneigung, das sie teilten. Sie hätte nie gedacht, dass ein Rüde es jemals schaffen würde, solche Gefühle in ihr auszulösen.

Obwohl es nur ein kurzer Augenblick war, erschien er ihr endlos. Sie wollte, dass er für immer so an sie geschmiegt dastehen würde.

„Ich werde dich nicht allein gehen lassen, Nowaki“, sagte er leise in ihr Fell. Seine Worte fanden nur schwer den Weg zu ihrem Verstand. Sie wusste nicht, was sie ihm darauf antworten sollte. Erst nach einigen Herzschlägen löste sie sich unwillig von ihm und sah nun ihm in die Augen. Noch immer schlug ihr Herz wie wild. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Zärtlich leckte sie ihm über die Schnauze. „Komm doch einfach mit mir. Ich brauch ja immerhin jemanden, der mich beschützt.“

Ein wölfisches Grinsen legte sich über Reds Gesicht. „Auf jeden Fall!“

„Hey, ich komm auch mit!“, rief Nightwish und wedelte mit der Rute. „Zu Zweit schafft ihr es nie gegen die Fieslinge.“ Sie warf einen auffordernden Blick zu ihrer Schwester, doch die schüttelte nur den Kopf. „Ich werde Aslan keiner unnötigen Gefahr aussetzen. Du musst ohne mich gehen, Nightwish.“

Die Schwarze sah ein wenig enttäuscht aus und ließ traurig die Rute hängen.

„Nun gut, dann werden wir uns in zwei Gruppen teilen. Ich werde nach den Rudeln der Umgebung suchen. Vielleicht werden Shantal oder Sunder uns helfen. Fire Sun, du und Aslan werdet mit mir kommen. Auch du, Shanon. Du kannst über die Windmagie mit dem Trupp in Verbindung bleiben, da Red mit Nowaki und Nightwish geht. Caprice und Stray, ihr kommt ebenfalls mit mir. Mailo, du wirst dich ebenfalls Nowaki und den anderen anschließen.“

Der Naturwolf verzog eine alles andere als glückliche Miene, als man ihn von seiner Gefährtin trennte. Natürlich war es durchaus vernünftig, dass sie der kampferfahrene Wolf begleiten sollte. Trotzdem schien es ihm gegen den Fellstrich zu gehen. Außer einem unwilligem Murren gab er jedoch nichts von sich.

Wundervoll, dann kann es ja losgehen!

Mit samtig wedelndem Schwanz trabte die weiße Katze an ihnen vorbei, den Kopf anmutig erhoben. Sie blickte sich nicht um, sie schien einfach davon auszugehen, dass man ihr folgte. Nowaki warf den zurückbleibenden Wölfen noch einen letzten Blick zu. Für eine richtige Verabschiedung blieb keine Zeit.

„Viel Erfolg bei eurer Suche“, sagte sie noch, ehe sie sich umwandte und dem erhobenen Schwanz der Katze folgte. Der Rest verabschiedete sich mit einem respektvollem Nicken dem Alpha gegenüber. Nowaki konnte die Blicke der anderen auf sich spüren, bis sie schließlich von dem Schatten verschluckt wurden und alles schwarz wurde.

Schwarze Sterne

Der Wald vor ihnen war in dunkles Dämmerlicht getaucht. Keine Sonnenstrahlen brachen durch das dichte Geäst der Baumkronen, wie es sonst zu dieser Tageszeit üblich war. Stattdessen schien sich ein dunkler Film auf Nowakis Augen gelegt zu haben. Die Umgebung erschien ihr nun seltsam unwirklich, wie ein Traum. Das spärliche Unterholz war vertrocknet und knisterte leise, wenn man darauf trat. Der weißen Katze, die weiterhin unbeirrt durch die Dunkelheit lief, schien das nichts auszumachen. Ihr Fell leuchtete wie eine Laterne und gab der Umgebung ein wenig Farbe zurück. Verwelkte Blumen blühten kurz auf, wenn das Licht sie streifte und ließen den Kopf wieder hängen, sobald es vorbeigezogen war. Auch bewegte sie sich völlig lautlos über den laubbedeckten Waldboden. Nowaki fragte sich, wie sie das anstellte. Aber dafür musste man wohl eine Katze sein.

Ihr dürft euch nicht zu sehr auf eure Augen verlassen, Wölfchen. Ihr seid zwar nicht so sehr darauf angewiesen wie diese Zweibeiner, doch ist es durchaus irritierend, wenn man nicht mehr weiß, ob das, was man sieht, wirklich wahr ist. Dämonen sind Meister der Täuschung. Ihr könnt sie nur dann mit ihren eigenen Tricks schlagen, wenn ihr schlauer seid als sie. Benutzt euren Verstand, so spärlich er auch vorhanden sein mag. Nur dann habt ihr eine Chance gegen sie.

Die Katze wusste offensichtlich, wovon sie sprach. Sie hatte wohl schon öfter gegen Dämonen oder was auch immer gekämpft. Ob Kira ein solches Schattenwesen war? So wirklich konnte sich Nowaki das nicht vorstellen. Zwar hatte sie ihn nur kurz gesehen, doch sie glaubte nicht, so etwas böses wie einen Dämon in ihm gesehen zu haben. Wobei ihre Erfahrungen mit dergleichen sich natürlich in Grenzen hielten. Doch musste eine Dämon in ihren Augen viel mehr von Bosheit zerfressen sein, als der Alpha des Wolfsdämonenrudels. Es gehörte schon mehr dazu, als brutal die Macht eines Rudels an sich zu reißen.

„Kann man einen Dämon töten?“, fragte Mailo leise.

Hört auf laut zu reden, ihr Amateure! Sie sind ganz in der Nähe, sie werden uns sofort bemerken, wenn ihr nicht still seid. Euer dämlicher Trick mit dem Wind hilft euch da auch nicht viel, da die sofort riechen, dass da Windmagie im Spiel war. Denkt euch einfach, was ihr sagen wollt, ich werde es dann aus eurem erbärmlichen Hirn herauspicken.

Aber nun zu deiner Frage. Ja, man kann einen Dämon töten. Doch es kommt ganz darauf an, wie mächtig er ist. Da dieser an das Blut eines Mondwolfs kommt, wird er im Moment ziemlich mächtig sein. Unsere einzige Chance bin im Moment ich, da Dämonen Sonnenlicht fürchten oder zumindest nicht mögen, da es sie schwächt.

Die Katze machte eine kleine Pause. Das ganze hörte sich durchaus plausibel an. Nowaki hatte sich schon gedacht, dass es sich nicht um normales Licht handelte, das die Katze da unfreiwillig von sich gab.

Im Moment werden wir ohnehin nicht viel machen können. Wir werden nur Kataya da rausholen und uns anschließend zurückziehen, bis die Macht durch das Mondlicht wieder nachlässt. Wenn wir Pech haben, kann das ziemlich lange dauern, insbesondere da dieser Dämon in Gestalt eines Wolfes unterwegs ist und die haben nunmal eine besondere Affinität zum Mond. Vorher ist der Dämon allerdings zu mächtig, als dass wir groß was anrichten könnten. Kommt also nicht auf die dumme Idee, eure Familienangehörigen mitnehmen zu wollen. Die machen uns nur unnötig langsam.

„Nur aus Interesse: Werden nur Dämonen durch dieses... „Mondlicht“ stärker? Oder gibt es noch andere Wesen?“, fragte Mailo völlig unvermittelt.

Die Katze blieb urplötzlich stehen, sodass Nowaki beinahe in sie hineingelaufen wäre. Sie kannte den Grund: Wer zwischen den Zeilen lesen konnte, wusste worauf Mailo hinauswollte.

Ich warne dich nur eine einziges Mal, Bursche... Die Stimme der Katze klang bedrohlich. Sie schien gar nicht bemerkt zu haben, dass Mailo seine Frage nicht in Gedanken gestellt hatte, wie sie zuvor noch gefordert hatte. Wer Kataya auch nur ein Haar krümmt, bekommt es mit mir zu tun. Ich habe es schon vorhin erwähnt: Diese Krallen tun verdammt weh. Und sie hinterlassen auch mehr als nur Narben.

Mailo schien nicht sonderlich beeindruckt von der Drohung, doch er fügte sich. „Verstanden“, sagte er leise.

Für einige Augenblicke blieb die Katze noch an Ort und Stelle stehen, bevor sie sich endlich wieder in Bewegung setzte.

Also, fahren wir fort. Zurück zu der Lektion, bevor mich dieser Schwachkopf aus dem Konzept gebracht hat. Wie gesagt werden wir nur Kataya da rausholen. Ich vermute, dass Kira sie am Leben gelassen hat, damit er immer wieder von ihrem Blut trinken kann. Er sieht nicht so aus wie ein dummer Dämon, der gleich alles auf einmal verschlingt und dann zwei Monate Macht hat, ehe er sich das nächste Opfer suchen muss. Er scheint mir ein kluger Taktiker zu sein. Das wird uns noch Schwierigkeiten machen aber nun gut. Mit dem Problem müsst ihr euch schlussendlich auseinandersetzen, nicht ich...

Plötzlich blieb die Katze wieder stehen. Doch im Gegensatz zu zuvor war ihr anmutiger Körper angespannt. Ihr Schwanz zuckte unruhig hin und her, während die Ohren aufgestellt in alle möglichen Richtungen lauschten. Langsam begann sich ihr Fell aufzustellen.

Aus den Augenwinkeln konnte Nowaki einen Schatten sehen. Doch ehe sie sich umdrehen konnte, sprang er schon auf sie zu.
 

Die graue Wölfin lag völlig ohne Regung in der hintersten Ecke der Höhle und hatte den Blick wachsam auf den Eingang gerichtet. Die silbrige Flüssigkeit, die zuvor noch aus ihren Wunden geflossen war, hatte sich nun kristallisiert und ließ den Pelz in den Farben des Mondlichts leuchten. Tatsächlich ging ein heller Schimmer von der Flüssigkeit aus, der die Höhle in schwaches Zwielicht tauchte. An den Wänden konnte man ein schwaches Lichtspiel erkennen, wie Licht, das sich im Wasser spiegelte und bizarre Formen auf Stein zu malen vermochte.

Sie hätte es eigentlich wissen müssen. Schon als sie zum ersten Mal in diese unheimlichen Augen geblickt hatte, hatte sie geahnt, dass mit dem schwarzen Wolf etwas nicht stimmte. Es war nicht einfach nur so, dass seine Taten böse Absichten verfolgten. Eine finstere Aura umgab diesen Wolf, eine nicht greifbare Bosheit, die sich wie schwarzer Nebel um ihn gelegt hatte und sämtliches Licht zu verschlingen drohte. Jetzt, wo sie darauf achtete, konnte sie auch die Dunkelheit in der Luft spüren. Sie machte ihr das Atmen schwer und raubte ihre Kraft. Und es verzögerte ihre Genesung.

Kein Sternenlicht drang durch den Eingang in die Höhle. Nur ihr Pelz brachte ein wenig Licht in ihr Gefängnis. Auch wenn es ihr eigenes war, so tröstete es sie. Sola hatte ihr einmal erzählt, dass sie die Finsternis nie zu fürchten brauche, da das Licht immer bei ihr war. Nicht einmal die dunkelsten Dämonen vermochten es, dieses Licht gänzlich zum Erlöschen zu bringen. Und doch fühlte Kataya sich einsam. Sie vermisste ihre geliebte Sonnenkatze. Sie sorgte sich um sie. Schon seit ihrem Erwachen kreiste nur das Bild der verletzten Sola in ihren Gedanken. Wo sie wohl war?

Das Geräusch schneller Schritte ließ Kataya aufhorchen. Wachsam stellte die Mondwölfin ihre Ohren auf und ihre Lefzen zuckten. Sie versuchte, sich halbwegs aufzurichten, doch ihr verletztes Bein knickte unter ihr weg. So setzte sie sich nur halbwegs auf und strafte den schwarzen Wolf, der soeben die Höhle betrat, mit einem missachtenden Blick.

„Wie ich sehe, bist du erwacht“, sagte er mit tonloser Stimme.

Kataya gab nur ein bedrohliches Knurren von sich, was angesichts ihres derzeitigen Zustands jedoch nur halb so furchteinflößend wirkte, wie sie es eigentlich beabsichtigt hatte. Amüsiert verzogen sich die Lefzen des Alphawolfs zu einem Lächeln. Selbst wenn die Wölfin es gewollt hätte, hätte sie Kira wohl nichts tun können.

Langsam kam er auf sie zu.

„Komm nicht näher!“

Die Fänge lagen nun blank. Sie meinte es ernst: Sollte er noch näher kommen, würde sie ihn zerfleischen, ganz gleich, wie viele Verletzungen sie an ihrem Leib trug. Die Haare in ihrem Nacken hatten sich steil aufgerichtet. Dieser Wolf jagte ihr Angst ein. Sobald er die Höhle betreten hatte, hatte sie seine bösartige Aura gespürt. Er war der Ursprung der schwarzen Wolken, die sich vor die Sterne geschoben hatten, um das Licht der Himmelsgeschwister auszusperren. Auch der Mond war irgendwo dort oben, außerhalb ihrer Reichweite. Seine Macht wurde von dem finsteren Nebel geradezu verschlungen. Doch er war unbestreitbar da.

Amüsiert verzog der schwarze Wolf die Lefzen und musterte sie abschätzend.

„Du brauchst keine Angst vor mir haben, Wölfin. Ich werde dich nicht töten.“

Er tat einen langsamen Schritt auf sie zu. „Auch werde ich dich nicht quälen, weil ich Freude daran habe. Ich brauche dich einfach nur. Und gesund und kräftig bist du mir mehr von Nutzen, also verstehe meine Gesten bitte nicht falsch.“

Voller Angst wich Kataya auf drei Beinen hinkend vor dem großen Wolf zurück. War er wirklich ein Dämon, wie sie vermutete? Oder war er nur ein bösartiger Wolf, der sich von ihrem Blut unbegrenzte Macht versprach? Der dunkle Schatten, der sich um sie herum ausgebreitet hatte und seine dunkle Aura sprachen für sich, doch mochte die Mondwölfin nicht recht glauben, dass ein Dämon hinter Kira steckte. Sola hatte ihr einst beigebracht, dass solche Schattenwesen üblicherweise sofort ihre Opfer verschlangen. Zwar waren sie ziemlich clever, doch ihnen fehlte das zukunftsorientierte Denken. Und so wie es aussah, hatte Kira durchaus vor, Kataya über einen längeren Zeitraum als seine Gefangene zu behalten. Wer war er also wirklich? Sie wusste nur, dass er abgrundtief böse war. Und er machte ihr Angst.

Mit der Rute fühlte sie die Wand im Rücken. Nun saß sie in der Falle. Noch immer lief Kira auf sie zu, ganz ohne Eile. Er wusste, dass sie ihm nicht entkommen konnte und kostete ihre Angst aus. Nur mit Mühe unterdrückte Kataya ein Winseln. Diesen Triumph würde sie ihm nicht gönnen!

Die Mondwölfin versuchte nun, an der Wand entlang Richtung Ausgang zu gelangen. So würde sie zwangsläufig für einen kurzen Moment dem schwarzen Wolf nähern, doch es war ihre letzte Chance. Mit ihrem verletzten Lauf würde sie ohnehin nicht weit kommen, doch hatte sie es dann zumindest versucht. Kira sah ihr nur dabei zu, und ließ sie gewähren. Er wusste, was sie vorhatte, doch er wusste auch, dass ihr Plan zum Scheitern verurteilt war.

Endlich erreichte sie den Ausgang der Höhle. Misstrauisch hielt sie inne und sah zu dem schwarzen Wolf. Was hatte er vor? Würde er sie einfach gehen lassen? Nein, er spielte mit ihr! Sie konnte es deutlich an seinem Blick sehen. Die Seelenspiegel verengten sich zu Schlitzen.

„Nur zu, versuche doch, vor mir zu flüchten“, forderte er sie auf. „Ich werde dich ohnehin wieder einholen. Was denkst du, wie weit schaffst du es mit deinem verletzten Lauf, bevor ich dich einhole?“

Wieder bleib Kataya stumm, nur das allgegenwärtige Knurren entkam ihrer Kehle.

Ohne Vorwarnung sprang Kira plötzlich auf sie zu. Die Mondwölfin hatte keine Chance mehr, darauf zu reagieren. Sie stieß ein lautes Winseln aus, als der schwere Leib des Wolfs sie mühelos rückwärts zu Boden zwang. Jetzt war sie ihm schutzlos ausgeliefert. Seine Pfoten gruben sich schmerzhaft in ihre Seite und hinderten sie am Aufstehen.

Ganz langsam näherte er sein Gesicht dem ihrem. Kataya war vor Angst völlig gelähmt. Ihr Atem ging unregelmäßig und das Herz schlug hart gegen ihre Brust. Seine schwarze Augen nahmen sie förmlich gefangen. Die Mondwölfin hatte das Gefühl, in der unendlichen Schwärze darin zu ertrinken. Gleich würde er sie verschlingen.

Von irgendwo her konnte sie eine leise Melodie hören. Sie hatte sie noch nie in ihrem Leben vernommen, doch sie kam ihr seltsam bekannt vor. Es hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. Ihr Herz schlug nun ruhiger und sie hatte das Gefühl, wieder denken zu können. Endlich vermochte sie es, sich von dem unheimlichen Blick zu lösen und den Kopf gen Himmel zu strecken.

Voller Kraft stieß die Mondwölfin ein lautes Heulen aus. Eine Weile schwebte die Melodie nur wie eine Glocke über den Wald, als würden die schwarzen Wolken das Lied reflektieren. Dann stoben sie auseinander.

Kira stieß ein lautes Winseln aus und sprang von Kataya hinunter, als habe er sich verbrannt. Das silberne Fell der Wölfin war in Mondlicht getaucht und ließ es hell schimmern. Noch immer heulte sie voller Inbrunst die Melodie aus ihrem Herzen. Irgendwie gab es ihr Kraft. Die Schmerzen in ihren Wunden ließen nach und ließen ein angenehmes Gefühl von Wärme zurück, das sich im ganzen Körper ausbreitete. Die Angst, die sie zuvor noch gelähmt hatte, schmolz dahin wie zarter Schnee im Sonnenlicht. Was blieb, war Geborgenheit, die sie sonst nur von Solas Nähe her kannte.

Als das Lied endete, blieb Kataya noch einige Herzschläge lang stehen. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sie aufgestanden war. Hellsilbernes Licht umspielte ihren zierlichen Leib. Hinter sich konnte sie Winseln hören, doch sie wandte sich nicht danach um. Sie hatte Wichtigeres zu tun.

Mit einem Satz sprang sie aus der Höhle. Die Wächter, die den Ausgang bewachen sollten, waren verschwunden. Gut so. Ohne weiter darauf zu achten preschte Kataya los. Sie wusste nicht, wohin, sie folgte einfach ihrem Gefühl. Am Ende des Weges würde jemand auf sie warten.

Blut

Ehe Nowaki reagieren konnte, spürte sie ein großes Gewicht, das sich mit aller Kraft gegen sie warf. Sie versuchte noch, nach dem unbekannten Angreifer zu schnappen, doch sie verlor den Halt und stürzte zu Boden. Ein wildes Knurren entfuhr ihr, während sie rasch versuchte, sich wieder aufzurichten. Sie konnte sehen, wie sich der Schatten abermals auf sie werfen wollte. Seine blutroten Augen jagten Nowaki einen Schauer über den Rücken. Auf seinen zottigen schmutziggrauen Pelz fiel dunkles Licht. Oder war es etwas anderes, was diesem Wolf eine so seltsam dunkle Aura gab?

Der Wolf sprang auf sie zu. Nowaki hatte keine Zeit mehr, sich aufzurichten. Stattdessen legte sie kampfbereit die Ohren an und fletschte die perlweißen Zähne.

In dem Moment flammte eine dünne hellgoldene Linie zwischen ihr und dem Wolf auf. Unfähig, seine Sprungrichtung noch zu ändern, schlug er gegen das Hindernis und gab ein lautes Winseln von sich, als habe er sich verbrannt. Tatsächlich stieg Nowaki die Witterung von versenktem Fell in die Nase.

Verdutzt richtete Nowaki sich auf und sah sich um. Die weiße Katze stand direkt hinter ihr, die Pfoten tief im Boden vergraben und den buschigen Schwanz steil aufgerichtet. Sie gab ein tödliches Grollen von sich, das der Windwölfin die Haare zu Berge stehen ließ.

„Wo habt ihr Gesindel sie hingebracht!?“, rief sie laut und grub die Pfoten vor Zorn noch tiefer in das weiche Erdreich. Das helle Licht, das sie sonst umgab, blendete nun fast. Feine Rauchwolken stiegen zwischen den Blättern auf und umspielten ihren zierlichen Leib.

Weitere Gestalten tauchten nun zwischen den Bäumen auf, doch hielten alle respektvollen Abstand zu der wütenden Sonnenkatze. Sie patrouillierten am Rand der goldenen Linie entlang und verschlangen die Wölfe in ihrem inneren mit gierigen Blicken.

Was hatte Kira ihnen nur versprochen, dass sie sie um jeden Preis fangen wollten?

Dann hörte Nowaki lautes Klirren wie das Zerbrechen von Glas und der Schutzschild löste sich von einem Herzschlag zum nächsten auf. Mailo zog seine Peitsche.

„Darauf habe ich nur gewartet! Let's Fetz!“

Die Waffe knallte durch die Luft und riss einem angreifenden Wolf die Flanke blutig. Davon ließ sich sein Gegner jedoch nur wenig beeindrucken. Die Fänge weit aufgerissen rannte er weiterhin auf den Naturwolf zu, der abermals mit der Peitsche angriff.

Nowaki hatte sich indessen zu der erschöpften Sonnenkatze zurückgezogen. Das Tier lag regungslos auf dem Waldboden und gab keinen Laut von sich. Hatte sie sich übernommen? Das konnte sich Nowaki nicht recht vorstellen. Eigentlich sollte sie erfahren genug sein, um solche Gefühlsausbrüche und die damit verschwendende Kraft unter Kontrolle zu halten. Andererseits wusste sie gar nichts über sie. Nur hatte sie angenommen, dass die Katze über Kampferfahrung verfügte. Immerhin hatte sie ihnen noch zuvor Tipps gegeben. Was hatte sie dazu bewogen, sich so gehen zu lassen?

Ein großer schwarzer Wolf mit gelben Blitzen an der Flanke trat auf sie zu. Die Lefzen waren zu einem höhnischen Grinsen verzogen. Um ihn herum war die Luft aufgeladen vor Spannung. Nowaki spürte, wie sich ihr Pelz aufrichtete.

„Komm ihr nicht näher!“, knurrte sie. Ihre Rute war steil aufgerichtet.

„Von deiner Freundin will ich auch nichts. Die ist eh hinüber. Dich will ich verbrutzeln!“

Wie um seine Worte zu unterstreichen, explodierte vor Nowakis Gesicht ein kleiner Blitz. Geblendet schüttelte sie den Kopf. Funkelnde Lichter tanzten ihr vor Augen. Sie konnte nichts mehr sehen!

Der kräftige Rüde warf sich auf sie und drückte sie zu Boden. Gleichzeitig durchfuhr Nowaki ein Schlag, der ihren Körper vor Schmerz unwillkürlich zusammenzucken ließ. Winselnd wollte sie das Gewicht von sich stoßen, doch der Wolf war zu kräftig für sie. Die Pfoten hielten sie eisern fest, während er weiter Elektroschocks durch ihren Körper jagte.

Verzweifelt wand sich die Wölfin unter ihm. Die Fänge griffen nach dem Vorderlauf ihres Gegners und tatsächlich bekam sie ihn zu fassen. Ein weiterer Schlag durchfuhr sie, doch sie ließ nicht los. Ihr Winseln war wildem Knurren gewichen, während sie immer fester zupackte. Sie hörte, wie der Elektrowolf aufheulte. Wütend strafte er sie mit weiteren Elektroschocks.

Schwarzes Blut lief Nowaki über die Schnauze. Es brannte unangenehm auf ihrer Haut. Mit dem Lauf in den Fängen warf sie den Kopf zurück.

Knochen knackten und zersplitterten unter der Wucht ihrer Attacke. Endlich ließ das Gewicht auf ihr nach. Mühsam versuchte sie, sich wieder aufzurichten. Doch ihre Muskeln gehorchten ihr nicht mehr. Sie zitterte am ganzen Körper. Nur schwerfällig gelang es ihr, wieder auf die Pfoten zu kommen. Die Läufe zuckten unkontrolliert. Es erforderte ihre ganze Willenskraft, stehen zu bleiben.

Ihr Gegner hatte sich mittlerweile auch wieder auf die Beine gekämpft. Seine rechte Pfote hing schlaff herab und tränkte den Boden schwarz. Weiß schimmerte der zerstörte Knochen unter dem Fell hervor. Noch immer hatte der Wolf das gehässige Grinsen im Gesicht, doch versuchte er gleichzeitig, den Schmerz zu überdecken.

„Nicht schlecht“, presste er zwischen den zusammengepressten Zähnen hervor. Sein Fell knisterte vor Wut.

Der Elektrowolf stürzte sich wieder auf sie. Dieses Mal gelang es Nowaki, mit einem Satz nach hinten auszuweichen und die Zähne des Angreifers ins Leere schnappen zu lassen. Doch konnten ihre schwachen Läufe ihr Gewicht noch nicht tragen. Bei der Landung entglitt ihr der rutschige Waldboden unter den Pfoten. Sogleich setzte Ihr Gegner nach.

Ein leichter Luftzug umspielte das Gesicht der Wölfin. Was dieser Elementarwolf konnte, konnte sie schon lange! Sie würde ihm zeigen, dass seine Elektroschocks nur keine Funken waren im Vergleich zu ihr. Leise flüsterte sie einige Worte in die Luft. Der Wind nahm sie ihr behutsam von den Lefzen und trug sie davon. Sogleich frischte die Brise auf und wurde innerhalb eines Herzschlags zu einem Orkan. Der überraschte Wolf wurde mitten im Sprung ergriffen und zu Boden geschleudert.

Nowaki nutzte die Zeit, um selbst wieder auf die Beine zu kommen. Noch immer zitterte sie am ganzen Körper. So schnell, wie er gekommen war, war der Wind wieder abgeflaut. Sie war selbst überrascht, wie stark sie war. Eigentlich hatte sie nur vorgehabt, die Flugbahn ihres Gegners zu manipulieren und sein Ziel verfehlen zu lassen.

Der schwarze Wolf kam ungewöhnlich schnell wieder auf die Pfoten. Er keuchte schwer. Endlich hatte er das siegessichere Grinsen abgelegt. Seine Seelenspiegel glühten vor Zorn. Gelbe Strähnen waren nun auf dem Pelz des Wolfs zu sehen. Das bedrohliche Knistern seines Pelzes war überallhin zu hören.

„Du Miststück!“, keuchte er. Seine Elektroattacken brachten ihm nichts, wenn er seinen Gegner nicht berühren konnte.

Zärtlich spielte eine vorbeikommende Brise mit Nowakis Pelz. Die Windwölfin genoss die Berührung. Sie spürte, wie ihr Körper aufhörte zu zittern.

Jetzt war es an ihr, den Elektrowolf anzugreifen. Das Laub unter ihren Pfoten wurde bei jedem ihrer Schritte hoch durch die Luft gewirbelt, während sie auf den Rüden zurannte.

Wild knurrend kam ihr der Wolf entgegen. Obwohl er schon geschwächt war, zuckten kleine Blitze um seinen Leib.

Kurz bevor die beiden ineinander rannten, bremste Nowaki ihren Spurt ab. Ihre Ohren wurden von der Wucht des Windes, der an ihr vorbeizog, nach vorne gerissen. Abermals verlor ihr Gegner den Boden unter den Pfoten und wurde gegen einen nahen Baum geschleudert.

Der Wolf winselte leise. Eine hervorstehende Wurzel hatte sich durch seinen Hinterleib gebohrt. Rasch färbte sich der Waldboden unter ihm schwarz. Sein Atem ging stockend.

„Glaubt nicht, dass ihr gewonnen habt“, presste er mühsam hervor. Das Knistern in seinem Fell war leiser geworden. Bald würde es für immer schweigen.

Erschöpft wandte Nowaki sich um. Im Moment stand es gut um sie. Ein halbes Dutzend Wolfskadaver lag über die Lichtung verstreut. Ihre Kehlen waren zerfetzt. Mit Erleichterung stellte die Windwölfin fest, dass keiner ihres kleinen Trupps unter ihnen war.

Mit blutiger Schnauze kam Red auf sie zugetrabt. Sein Leib war mit Striemen und kleineren Wunden übersät, doch ernsthafte Verletzungen schien er sich nicht zugezogen zu haben. Er grinste.

„Da müssen die sich schon etwas besseres einfallen lassen, als eine Handvoll Köter aus dem Hinterhalt angreifen zu lassen.“

Nowaki nickte abwesend. So viel Tod. Ihr wäre es lieber gewesen, man hätte die Wölfe nur kampfunfähig gemacht. Musste man denn gleich ein Leben beenden?

Ohne Vorwarnung sprang Red auf sie zu. Ihre Seelenspiegel weiteten sich ungläubig, als er mit den Fängen ihre Kehle packte.

„Red, was...?“

Sie fühlte etwas Warmes an sich hinablaufen. War es ihr Blut? Sie konnte es nicht sagen. Sie spürte keinen Schmerz. Nur eine seltsame Leere. Warum hatte er das getan? Wie konnte Red nur zum Verräter werden?

Die Läufe gaben unter ihr nach. Ihr trüber Blick wollte nicht von dem Wolf lassen, der noch immer eisern ihre Kehle umpackt hielt. Es lag keine Wärme in seinen Augen. Nur die Kälte, die ein Wolf empfand, der sein Rudel verraten hatte.

Sie hatte das Gefühl zu fallen. So sehr sie sich auch gegen die Ohnmacht stemmte, sie konnte den Schwindel in ihrem Kopf nicht überwinden. Mit jedem Herzschlag fühlte sie sich schwächer, als würde es ihre Kraft aus dem Körper pumpen.

Mit einem Seufzen schloss sie die Lider. Irgendwo in der Ferne hörte sie jemanden Heulen. War das Wulfin, die sie in die ewigen Jagdgründe rief? Es schien so. Helles Mondlicht streichelte ihre müden Augen. Ob ihre Zeit wirklich schon gekommen war? Sie war doch noch so jung! Aber es war müßig, sich darüber Gedanken zu machen.

Dann wurde es dunkel.
 

Mit weiten Sätzen jagte Kataya durch den Wald. Das Gelände war glücklicherweise recht eben und das Unterholz wuchs nur recht spärlich. Ihre Pfoten fanden fast von allein den Weg zwischen den Sträuchern und Büschen hindurch. Sie bewegte sich beinahe lautlos. Nur ab und an raschelte das lose Laub unter ihren Läufen.

Der Mond hing wie ihr Beschützer über den dichten Baumkronen des Waldes. Wie Speere aus Silber stach sein Licht durch das dichte Geäst. Kataya hatte das Gefühl, als würde der Wald aufatmen. Wie lange die schwarze Wolke wohl über ihm gelegen und alles Licht verschlungen hatte?

Ihr Weg führte an einen riesigen See vorbei. Das Wasser lag völlig reglos und sah aus wie schwarze Tinte. Einige tote Fische trieben an der Oberfläche; Das Mondlicht ließ ihre Schuppen schwarz glänzen. Ob das nur an der dunklen Aura des Leitwolfs lag?

Irgendwo weiter vorne konnte sie Kampflärm vernehmen. Ihr Gefühl trieb sie genau darauf zu. Doch was sollte sie dort? Sie sollte sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen. Es wäre nicht gut, wenn sie dort Partei ergriff. Doch irgendetwas in ihr ließ sie stur geradeaus rennen. Sie wurde dort gebraucht, warum auch immer. Zudem hatte ihr Gefühl sie noch nie getäuscht. Sie sollte sich die Situation zumindest einmal ansehen. Dann könnte sie immer noch entscheiden, ob sie sich ungesehen davonmachte und Sola suchte.

Der Geruch von Blut stieg der Mondwölfin in die Nase. Und sie hatte das Gefühl, dieselbe Aura zu spüren, mit der sich auch der schwarze Wolf umgeben hatte. Zwar war sie weitaus schwächer, doch Kataya konnte sie mit jeder Faser ihres Körpers fühlen. Dennoch wurde sie nicht langsamer. Ihr Instinkt, der sie nun um jeden Preis von diesem Ort fernhalten wollte, wurde zurückgedrängt. Da war noch etwas anderes gewesen. Etwas Vertrautes...

Erst kurz bevor sie die Lichtung erreichte, verringerte die Mondwölfin ihr Tempo. Einige Gestalten lagen reglos am Boden; Schwarzes Blut sickerte durch ihre zerfetzten Kehlen. Die Wölfe, die noch standen, kämpften erbarmungslos miteinander. Knurrend warfen sie ihre Leiber gegeneinander, um die Fänge im Fleisch des jeweils anderen zu versenken.

Dafür hatte Kataya keinen Blick übrig. Ihr Blick waren auf das kleine weiße Fellknäuel gerichtet, das bewusstlos im Zentrum der Lichtung lag. Das strahlende Licht, das sonst von ihrem Pelz ausging, war einen schwachen Glimmen gewichen.

Ohne lange zu überlegen stürzte die Mondwölfin auf ihre Gefährtin zu. Auf den ersten Blick hatte die Sonnenkatze keine äußerlichen Verletzungen. Doch was hatte sie dann so geschwächt? Hatte sie sich etwa übernommen? Das konnte Kataya sich nicht recht vorstellen. So unvernünftig war Sola nicht. Sie wusste, wie sie sich ihre Kräfte einteilen musste. Doch warum war sie dann hier inmitten der Lichtung zusammengebrochen?

Aus den Augenwinkeln sah sie etwas auf sie zukommen. Doch anstatt sich mit einem Satz in Sicherheit zu bringen, stellte sie sich zähnefletschend über ihre Freundin.

Der Angreifer hielt inne. Erst jetzt bemerkte Kataya, dass es sich um eine Fähe handelte. Ihr Pelz war von tiefschwarzer Farbe, nur an den Pfoten und am Schweifende ging es in ein dunkles Violett über.

„Wer bist du? Du siehst mir nicht wie einer von Kiras Anhängern aus...“

Kataya schnaufte. Sie waren hier mitten auf einem Kampffeld. Wollte die Wölfin etwa so etwas wie ein Kaffeekränzchen veranstalten?

„Mein Name tut nichts zur Sache. Was ist hier geschehen?“

Ein zweiter Wolf mit rotem Fell und schwarzen Abzeichen an den Flanken stellte sich dazu. Seine Schnauze war blutig vom Kampf, doch ansonsten schien er keine Verletzungen davongetragen zu haben.

„Wir waren in diesem Wald unterwegs und wurden aus dem Hinterhalt angegriffen. Diese Katze dort führte uns.“ Er wies mit der Schnauze auf die bewusstlose Sola.

Kataya nickte. Vermutlich hatte die Sonnenkatze sich Verstärkung geholt, um ihr zu helfen. Zärtlich schleckte sie ihr über den weichen Pelz.

„Du bist Kataya, nicht wahr?“, fragte die schwarze Wölfin völlig unvermittelt.

Die Mondwölfin blickte auf. „Ja, aber woher...?“

„Deine Katze hat uns gefunden. Sie meinte, du seist von einem Dämon gefangen genommen worden oder so. Aber wahrscheinlich hat sie sich nur Sorgen um dich gemacht.“ Sie legte lächelnd den Kopf schief. „Ich bin Nightwish.“

Der umliegende Kampfeslärm verebbte allmählich. Das Knurren wurde leiser, nur noch das leise Röcheln der Sterbenden war zu hören. „Mein Name ist Red“, sagte der andere Wolf abwesend, während er mit dem Blick die Lichtung absuchte. Schließlich blieb er bei einer blauen Wölfin hängen, die reglos am Boden lag. Ein grauer Rüde mit zahlreichen schwarzen Runen stand mit blutdesudelter Schnauze vor ihr.

„Nowaki!“



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von: abgemeldet
2013-10-13T11:41:26+00:00 13.10.2013 13:41
Du hast einen super Schreibstil. Schade, dass du nicht mehr weiterschreibst :(
Von:  Nickimitama
2011-06-21T15:47:23+00:00 21.06.2011 17:47


O:O OMG
wie kannst du nur! WIE KANNST DU JETZT AUFHÖREN!"!!!
Noch spannender gehts ja net.. mach weiter weiter weiter!!!! Das ist so abartig spannend!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Von:  Nickimitama
2011-06-21T15:47:23+00:00 21.06.2011 17:47


O:O OMG
wie kannst du nur! WIE KANNST DU JETZT AUFHÖREN!"!!!
Noch spannender gehts ja net.. mach weiter weiter weiter!!!! Das ist so abartig spannend!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Von:  Nickimitama
2011-02-19T00:50:50+00:00 19.02.2011 01:50
Hammer...hammer hammer hammer.... du sorry wegden der Kirassache ^^" in der stors merkt man richtig die Rätselei um ihn XD
dieses WE komm ich auf jedenfall dazu dir alles zu schreiben...hab einafch keine zeit gefunden. *knudel* weiter so^^
Von:  xRajani
2011-02-01T12:38:34+00:00 01.02.2011 13:38
Juhu!
Ein neues und schönes Kapitel. Und aww, ein schöner Titel! <3
Es gefällt mir ungemein, wie du die Szenarie von Kira und Kataya abgelenkt hast und stattdessen neuen Charakteren die Chance zu einem Auftakt verschafft hast, super gemacht.
Vor allem spürt man die erdrückende Stimmung des Rudels, die auf der Flucht sind. Dass jedoch zu viel Anspannung auf das Gemüt schlägt, war schön dargestellt. Die Balgerei fand ich sehr schön angelegt, hat viel vom guten Verhältnis des Rudels untereinander gezeugt.
Gepasst hätte noch ein fragliches Schmunzel von Kurosaki, als die richtige Balgerei im Gangen war. xD Zuerst zurechtweisen wollen, aber dann doch die Lockerung dulden. ^_^ Und weißt du was?
>„Was macht ihr da?“ Wie ein Messer durchschnitt die strenge Stimme des Alpha die Luft. Nowaki konnte aus den Augenwinkeln erkennen, dass die anderen angehalten hatten und Kurosaki nun auf sie zutrabte.
„Gahr nichzz“, nuschelte Shanon mit dem Ohr im Fang und noch immer heftig wedelnder Rute.<
Die Szene erinnert mich irgendwie an uns, an Akira und Asaki. x)

Der Übergang von Spiel zu ernsten Situation kam etwas abrupt, aber fand ich durchaus angemessen. Und lass dir gesagt sein, lass Sola richtig gut nach Katzenmanier schimpfen!! XD

Gruß,
Dein Schwesterchen
Von:  xRajani
2011-01-29T19:52:51+00:00 29.01.2011 20:52
Und das nächste Kapitel. <3

Der Einstieg in das Kapitel ist dir sehr gut gelungen, gefällt mir ungemein, wie der Alpha sich "einschleimt". Kataya macht auf mich wirklich einen sehr unsicheren und unerfahrenen Eindruck - so wie Sola es gesagt hat.
Den Übergang von Freundlichkeit zu Hinterhalt hast du sehr gut rübergebracht; die scharfen Beobachtungen und Bemerkungen Kiras gefallen mir gut, wie auch Katayas steigendes Unwohlsein. Dennoch tut mir Kataya Leid, rutscht von einem Unheil ins Andere.
Und schon wieder so ein böser Cliffhanger, den du gesetzt hast. Voll fies. D: Jedenfalls weißt du, was ich dir an dieser Stelle geraten habe, wäre das Beste, dann spannst du die Leser besser auf die Folter. ^_^

Gruß,
deine Schwestii <3
Von:  xRajani
2011-01-29T19:45:28+00:00 29.01.2011 20:45
Ja? Was soll ich sagen, liebe Schwester?
Der Prolog ist dir wirklich sehr gut gelungen, gefällt mir unglaublich gut. Besonders aber bin ich beeindruckt, wie du die düstere Stimmung hinbekommen hast. Den kurzen Kampf hast du gut beschrieben, wobei ich hoffe, dass Sola nicht tot ist. Es wäre wirklich schade um sie. D:
Ich hoffe, dass Sola nichts geschehen ist. Jedenfalls hast du einen guten Auftakt hinbekommen. Böser Cliffhanger!

Dennoch habe ich etwas zu meckern: mach die Gedanken, die Kataya zu Sola spricht - und umgekehrt - kursiv. So wird es dann besser abgehoben. Allgemein werden Gedanken dann besser abgehoben. ^^

Deine Schwestii <3
Von:  Lady_Shellshocked
2011-01-06T12:54:40+00:00 06.01.2011 13:54
Ich hab mir das gerade durchgelesen. Obwohl ich am Anfang leichte Probleme hatte das ganze zu verstehen, weil ich nicht geschnallt habe, dass Kataya sowohl Mensch- als auch Wolfform annehmen kann.
(Sie hatte plötzlich Fell und ich nur so: Moment, verwechsele ich gerade Charaktere. XD )
Ich finde es trotz dem verwirrenden Anfang total spannend. :D
<3
lg
Von:  Nickimitama
2011-01-05T11:27:08+00:00 05.01.2011 12:27
Kira hat mich anfangs zum übrlegen gebracht...aber seine Hinterlist am ende war ganz interesant... deine Wölfin erinnert mich starck an Midnight....einen Chara der noch nicht erschienen ist...aber der für Kira und Kurosaki mal sehr wichtig war ^^
Bin gespannt was jetzt kommt....bitte schnell weiter machen !!!!!!!!
Von:  Nickimitama
2011-01-04T21:49:34+00:00 04.01.2011 22:49
OMG..w.agnsinn....der helle Wahnsinn!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! du schreibst echt kalsse^^
großes Lob...... Die Welt meiner Story mit der der Menschen zu verbinden (Bzw die Zeiten zu mischen) ist ne klasse Idee...
Und dan auch pur fantasy
Bin tief beeindruckt
*verbeug*
mach schnell weiter!!!!!!!!


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