Where nobody dies von Monsterseifenblase ================================================================================ Kapitel 2: ...ich hätte... -------------------------- ~.~ Als er die Augen wieder aufschlug, war es noch nicht ganz hell und sein Rücken tat ihm weh. Er wollte nach Hause. Tränen stiegen ihm in die Augen, aber er weigerte sich zu weinen. Nachdem er sich gestreckt hatte, richtete er sich auf und stellte fest, dass ein paar Grashalme auf seinem Bauch lagen und ihn scheinbar zugedeckt hatten, während er schlief. Jetzt, da er wach war, zogen sie sich eilig zurück und versteckten sich zwischen den anderen Gräsern. „Schon OK“, murmelte der Junge und kam sich im nächsten Moment albern vor. Die Grashalme kamen nicht zurück. Luca fuhr sich durch die Haare und schaute sich schließlich um. Alles war genauso wie am Vortag, eine große endlos wirkende Wiese, aber nirgends eine Tür, die einen Ausgang aus dieser Welt versprach. Entmutigt ließ er sich wieder nach hinten fallen. Wenn er in seinen Träumen schon schlafen und wieder aufwachen konnte, ohne dass es auch nur irgendein Zeichen davon gab, dass er vielleicht irgendwann einmal wieder in der Realität aufwachen würde, dann hatte er ein Problem. Er war gefangen in einer Welt, in der er nicht sein wollte, in die er einfach nicht hineingehörte. Jetzt rann ihm doch eine Träne über die Wange und beschämt wischte er sie weg. Er hatte Angst, dass jemand sehen könnte, dass er weinte. „Es ist nichts dabei, wenn man einmal traurig ist, weißt du das?“, hörte er auf einmal eine Stimme. Laila. Luca machte sich nicht die Mühe sich zu ihr umzudrehen. Er wollte sie nicht ansehen, nicht mit seinen tränengefüllten und geröteten Augen. „Und es ist auch nichts schlimmes, wenn man einmal weint“, fuhr sie fort und Luca wurde sauer. Sie hatte doch keine Ahnung und konnte ihm gewiss nicht sagen, was man tun durfte und was nicht. Sie wusste einfach gar nicht! Er musste groß sein, erwachsen, weil es niemand anderen mehr in seiner Familie gab, der es sein konnte. Er war der Letzte! Und genau deshalb musste er bedacht handeln, ein Mann sein, nicht weinen. Je mehr der Junge sich das einredete, desto mehr Tränen flossen ihm die Wangen hinab. „Was ist los?“, hörte er da wieder Lailas Stimme. Dieses Mal war sie ganz nah an seinem Ohr und es dauerte einen Moment, bis er registriert hatte, dass sie an seinem Arm hinaufgeklettert war und sich nun eine bequeme Sitzposition auf seiner Brust suchte. Er antwortete nicht. „Weißt du“, sagte Laila und biss in eine seltsam, rötliche Frucht, wie Luca sie noch nie gesehen hatte. „Meistens haben die Kinder einen Grund dafür, dass sie hier her kommen. Natürlich gibt es viele die immer wieder kommen, weil es ihnen Spaß macht, aber wenn sie das erste Mal hier sind, dann ist es meistens kein einfacher Wochenendausflug.“ Das Fruchtwasser rann der kleinen Fee jetzt am Kinn herab und Luca sah zur Seite. Er musste lächeln. Auf irgendeine Art und Weise erinnerte das kleine Lebewesen ihn an seinen vor einem Jahr verstorbenen Vater. Er hatte zwar nur vage Erinnerungen an ihn – damals war er schließlich noch sehr klein und überhaupt nicht erwachsen gewesen – aber die Art, wie Laila redete, ihre Wortwahl – all das ließ ihn an seinen Vater denken. Er vermisste ihn. Er hatte es zwar nie gesagt, weil er von Anfang an gewusst hatte, dass seine Großmutter sehr unter dem Unfall litt, aber tief in seinem Herzen vermisste er es mit seinem Dad in den Wald zu gehen, Stöcke zu schnitzen, Staudämme an kleinen Flüssen zu bauen und Drachen steigen lassen zu gehen. Aber das war ein Geheimnis, niemand wusste davon und so würde es auch bleiben. Erwachsene Männer dürfen schließlich keine Sachen vermissen, sie dürfen nicht weinen – nie, unter keinen Umständen – und sie dürfen auch nicht all zu lange trauern. „Was meinst du, wieso bist du hier?“, sein Blick wanderte zurück zu Laila, die erneut in die seltsame Frucht biss. „Weil ich irgendetwas falsch mache“, antwortete Luca ohne groß zu überlegen. Die Elfe verschluckte sich, hustete und brauchte eine ganze Weile, bis sie wieder ohne Probleme atmen konnte. „Bitte was? Du meinst du bist hier, weil du etwas falsch gemacht hast? Nein, nein, das kann gar nicht sein. Das ist doch kein Gefängnis hier!“ „Aber es ist ein Traum. Ein Traum von einer Welt, die gar nicht existiert und große Jungs dürfen nicht träumen! Das ist ein Zeichen von Schwäche, das hab ich gehört!“, verteidigte sich der Junge und wich dem stechenden Blick des kleinen Wesens aus. „Deine Welt muss schrecklich sein“, hörte er sie schließlich murmeln. Es dauerte eine Weile, bis die Worte ganz zu Luca durchgedrungen waren und als es soweit war, sprang er wütend auf, so dass Laila von seinem Bauch kullerte und gerade noch von den Grashalmen aufgefangen wurde. „Sie ist nicht schrecklich!“, schrie er sie an. „Es ist besser, als das alles hier“, er machte eine ausschweifende Handbewegung. „Meine Welt ist wenigstens real! Es gibt sie, sie existiert! Und ich will verdammt noch mal dort hin zurück.“ Wütend stampfte er mit dem Bein auf und bemerkte gar nicht, dass er schon wieder angefangen hatte zu weinen. „Aber all das gibt es doch auch“, murmelte Laila und strich zärtlich über einen der Grashalme. „Nein, tut es nicht! Verstehst du das denn nicht? Es ist alles ein Traum! Die gelbe Bettdecke war ein Traum, das Gras ist ein Traum und du bist auch nur irgendein dummer Traum!“ Schluchzend ließ sich der Junge wieder auf den Boden fallen und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Mhm...wenn das alles hier nur ein Traum ist, nichts weiter, warum kannst du es dann anfassen? Warum spürt man trotzdem die Berührung der Gegenstände auf seiner Haut...?“, fragte Laila leise und Luca schaute mit tränenüberströmtem Gesicht auf. Die kleine Elfe betrachtete gedankenverloren einen der dunkelgrünen Halme und strich zärtlich mit dem Finger darüber, so dass er sich genussvoll beugte. „Wenn das alles nur ein Traum ist, wessen Traum ist es dann?“, murmelte sie schließlich weiter und schaute dann auf. Luca direkt in die Augen. Der erwiderte den Blick ein paar Sekunden lang, dann schaute er zur Seite und ließ die Schultern hängen. „Wahrscheinlich meiner. Oder kann man im Traum eines Fremden gefangen sein?“, fragte er und Lailas Augenbrauen zuckte in die Höhe. „Ich glaube nicht“, sagte sie schließlich und ließ den Grashalm los. „Dann ist es meiner. Mein beschissener Traum!“, schluchzte Luca und vergrub sein Gesicht wieder in den Händen, um all das, was seiner eigenen Fantasie entsprang, nicht ansehen zu müssen. „Also, ich finde es ist ein schöner Traum.“ Der Junge verdrängte die Stimme und das, was die kleine Elfe gesagt hatte aus seinem Kopf und atmete tief durch. Er war erwachsen, er würde sich aus dieser dämlichen Situation befreien. Er würde sich selbst und seinen ollen Traum besiegen können. Mit zitternden Fingern wischte er sich über das Gesicht und versuchte es zu trocknen. Ohne Erfolg, aber es war ihm egal. Er stand auf und obwohl er noch ein wenig wackelig auf den Beinen war, schaute er streng und fest entschlossen zu Laila auf den Boden herab. „Komm, wir müssen den Ausgang suchen“, sagte er und bückte sich, um ihr die Handfläche hinzuhalten. Sie schaute ihn noch einen Moment skeptisch an, dann schien sie zu dem Schluss zu kommen, dass sie ihn auch weiterhin begleiten würde. Umständlich kletterte sie auf seine warme Haut, drehte ihm aber dennoch demonstrativ den Rücken zu und schaute in eine andere Richtung. Luca kümmerte sich nicht weiter darum, sondern stand auf, sah sich kurz um und ging los. Wohin wusste er selbst nicht, aber da er auch nicht wusste wo der Ausgang lag, war das vollkommen egal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)