Über den Weg der Liebe und deren Umwege von Schlomo-chan ================================================================================ Kapitel 2: Klare Worte - Und der lange Weg zum Glück ---------------------------------------------------- Kapitel 2 Klare Worte - Und der lange Weg zum Glück Rastlos glitt sein Blick über den Horizont, doch kein Schiff wollte sich erbarmen in den Hafen zu steuern und kein einziges Boot brachte Wolfram nach Hause. Yuuri seufzte leise, als er die Arme, die er auf dem Fenstersims abgestützt hatte, von dem kalten Stein erhob. Bis jetzt hatte Yuuri immer noch darauf gehofft, dass Gwendal einen Scherz gemacht hatte, doch den ganzen Tag über hatte er keinen Blondschopf gesehen. Weder beim Essen, dass er lieber hatte umgehen wollen, noch bei dem Rundgang durchs Schloss, den er mit Greta gemacht hatte um so Sofina zu entkommen. Er mochte die junge Frau wirklich, jedoch nachdem Gwendal ihm offenbart hatte, dass Wolfram ohne ihn zu fragen auf eine Erkundungsreise gegangen war, war Yuuri jegliche Lust auf fröhliches Beisammensein vergangen. Denn genau das hatte er in Sofinas Augen lesen können, als diese am Tisch ebenso von Wolframs Taten erfuhr. Natürlich war ihr Wolfram, als Yuuris Verlobter, ein Dorn im Auge gewesen, aber so offensichtlich, wie sie sich über die Abreise des Blonden gefreut hatte, war es wider jeglicher Höflichkeit gewesen. Für sie war es ein Konkurrent weniger, den sie glaubte vertrieben zu haben, doch für Yuuri war es eher als wäre ein Teil von ihm gegangen. Was an sich schon sehr merkwürdig war, denn bisher hatte er sich nie sonderlich weit auf Wolfram eingelassen, dachte er zumindest. Nie hätte Yuuri gedacht, dass ihm die Abreise des Älteren solche Sorgen bereiten würde. Sie waren Freunde, das konnte keiner bestreiten. Sie waren auch mal verlobt gewesen oder immer noch, wer wusste das schon, aber bisher hatte Yuuri nie einen Gedanken daran verschwendet, wie es wäre, wenn sich Wolfram wirklich einmal von ihm abgewandte. Es war nicht ganz das, was Yuuri sich gewünscht hatte. Zwar hatte er diese Verlobung nie gewollt, doch es war nie in seinem Interesse gewesen, dass Wolfram ihm gänzlich aus dem Weg ging. Gern hätte Yuuri so weitergemacht wie bisher, nur halt ohne diese Verpflichtung zwecks der Verlobung. Alles rein platonisch. Er wäre der König und Wolfram ein Krieger, der irgendwann eine schöne Frau heiratete und ebenso schöne Kinder zeugte. So wäre das normal. Doch was war hier in diesem Land schon normal. Yuuri ballte seine Hände zu Fäusten als er versuchte das Bild von einem fröhlich lächelnden Wolfram aus seinem Kopf zu bekommen, der seinen Arm um seine Frau gelegt hatte und mit ihr die zwei Kinder beobachtete, die zufrieden im Garten tollten. Warum tat es weh? Warum musste er ausgerechnet jetzt an sein Bett zurückdenken, dass auch diese Nacht wieder leer sein würde? Zugegebenermaßen war es nicht gänzlich leer, denn noch immer kuschelte sich Greta jede Nacht an ihn, wenn sie im Traum von Wolfram redete, doch es war einfach nicht das Gleiche. In den letzten Nächten saß er oft wach im Bett, einen Arm um Greta gelegt, die sich Wärme suchend an ihn geschmiegt hatte und starrte auf die leere Seite, auf der sonst Wolfram gelegen hatte. In diesen Nächten war es nicht Sofina, an die er dachte, sondern an Wolfram und das Gefühl, dass ihm etwas fehlte. Jetzt hatte er endlich, was er wollte und war immer noch nicht glücklich. Warum nur? Warum machte es ihm so zu schaffen. Ein kühler Luftzug glitt durch das Fenster im Turm, in den er sich wieder verzogen hatte um den Anderen im Schloss zu entkommen. Ständig hatten ihn an diesem Tage die Blicke verfolgt, die noch schlimmer als jemals zuvor schrien, wo denn Wolfram an seiner Seite wäre. Oder bildete er sich das nur ein? Vielleicht wurde er jetzt wirklich paranoid. Aber eines konnte Yuuri nicht leugnen. Ohne Wolframs Gezeter und Wutausbrüche, war das Leben im Schloss bei Weitem nicht so anstrengend. Das war doch gut, oder nicht? Zumindest sollte es gut sein, doch irgendwie fehlte es Yuuri. Er konnte nicht bestimmen, was ihm genau fehlte, doch eines der Dinge, die er vermisste, war definitiv das Feuer, dass in Wolframs Augen gebrannt hatte. In den vergangenen Tagen hatten sie immer mehr von dieser Kälte angenommen. Eine Gleichgültigkeit im Blick, die Yuuri noch immer frösteln ließ, wenn er daran dachte. Jetzt war es platonisch, das war doch gut. Irgendwann konnten sie sicher auch wieder Freunde sein. Einfach Freunde... Warum konnte er nur sich selbst nicht einmal Glauben schenken, wenn er darüber nachdachte? Das Entzünden der Lichter im Hafen gab Yuuri das Zeichen dafür, dass es Zeit war wieder nach unten zu gehen. Sicher hatten alle bereits nach ihm gesucht, denn er hatte niemandem gesagt, wohin er gegangen war. Er hatte einfach nur ein wenig in Ruhe über alles nachdenken wollen. Letztendlich hatte es ihm nicht viel gebracht, außer einer immer größeren Verwirrung in seinem Herzen, die bald drohte sein ganzes Denken zu überschatten, aber zumindest hatte er wirklich versucht über diese ganze Sache nachzudenken. Wann Wolfram wohl zurückkommen würde? Der weitere Abend war ohne größere Vorkommnisse von statten gegangen, bis auf den Moment, als Sofina Yuuri allein im Saal abpasste, wo dieser gerade nachdenklich aus dem Fenster in den Hof gestarrt hatte. Das gemeinsame Essen war bedrückend gewesen, denn noch immer lag die Entscheidung Wolframs auf den Gemütern der Anderen und selbst Greta hatte es nicht vermocht die Stimmung mit ihrem Lachen zu heben. Die Einzige, die sich ein wenig über die ganze Sache freuen konnte, lief nun auf Yuuri zu und schlang sanft ihre Arme um Yuuri. Es war ihre Chance weiter an den jungen König heran zu kommen. Mit großen Augen blickte sie zu Yuuri hinauf, während sie versuchte die aufkeimende Eifersucht im Keim zu ersticken. „Yuuri, schau doch nicht so. Da denke ich glatt, dass du dich nicht freust, wenn ich da bin.“, flötete sie fröhlich, während ihr Blick weiter auf den Mann an ihrer Seite gerichtet war. Yuuri bemühte sich höflich um ein sachtes Lächeln, während er versuchte ein wenig Abstand zu gewinnen. Diese direkte Nähe zu einer Frau war er nicht gewohnt, was sich deutlich bemerkbar machte, als er versuchte sie sanft wegzudrücken. „Nein, so ist es nicht.“, versuchte er zu schlichten, während er sich mühevoll aus ihrer Umarmung wandte. Es war ihm fast unangenehm, als er in die Augen der jungen Frau blickte. Nicht einmal Wolfram hatte ihn bisher einfach so umarmt, außer im Schlaf, aber das war etwas ganz anderes. Doch je länger er Zeit mit Sofina verbrachte um so besitzergreifender schien diese zu werden und trat wieder einmal über die unsichtbare Schwelle, die Yuuri zu fremden Personen aufrecht erhielt. Eigentlich sollte es ihm gefallen, wenn sich eine Frau an ihn schmiegte, wenn er ihre Brüste an seinem Körper spüren konnte und ihre zierliche Gestalt bei ihm wusste, doch irgendwie erfüllte es ihn einfach nur mit Scham. Da war einfach kein gutes Gefühl. War sie einfach nicht die Richtige? Während er ihren durchaus schönen Körper musterte, sein Blick über die schlanke Taille hinauf zu ihren Brüsten und schlussendlich zu ihrem Gesicht wanderte, musste er erschrocken feststellen, dass er sie mit Wolfram verglich. So wie er Wolfram am ersten Tag erblickt hatte. Stolz und schön. Sofina war eine schöne Frau, eine wirklich schöne Frau, aber ihr fehlte das, was Yuuris Blicke immer wieder auf Wolfram lenkte. Diese Anmut und der stolze Blick, der Yuuri damals zu einem Duell herausgefordert hatten und der stierende Blick sobald eine Frau nur in Yuuris Reichweite gekommen war. Ein trauriges Lächeln huschte über Yuuris Gesicht. Jetzt stand eine bezaubernde Frau vor ihm, die auch noch Interesse an ihm zeigte und er dachte an Wolfram! Das war doch verrückt. „Yuuri! Denkst du immer noch an deinen Diener?! Was willst du von ihm?! Ich bin eine Frau! Ich bin eine vom Stand deiner angemessenen Frau und er ist ein Nichts. Ein Diener! Ich weiß deinen Platz als König wenigstens zu schätzen! Er ist nichts und er wird nie Etwas sein!“ Wütend blickte die junge Frau zu ihm auf, während Yuuri das Gefühl hatte, ihr Zorn würde jegliche Zuneigung in ein tiefes schwarzes Loch ziehen, auf dessen Grund niemals ein Lichtstrahl jemals diese Gefühle erreichen würde. War das wirklich das, was sie dachte? Und wo bitte kam diese Feindseligkeit plötzlich her? Bisher hatte sie immer gelächelt und war freundlich gewesen, doch diese Augen, die ihm entgegenblickten, hatten nichts mit der liebenswürdigen Ausstrahlung gemein. Er wusste, dass es nicht gut war, eine Frau zu reizen, doch der Blick, der ihm zugeworfen wurde, hatte er ihn wirklich verdient? Und überhaupt, was hatte sie gerade gesagt? Wolfram war ein Nichts? Und sie wäre seinem Stand angemessen? Wütend zog Yuuri die Augenbrauen zusammen. „Wolfram ist kein Nichts! Wolfram ist ein toller Mensch, der bis jetzt immer zu mir gehalten hat und dem ich vertrauen kann! Er hat mich noch nie verraten und er ist mein Freund und kein Diener!“, konterte er erzürnt, während ihre Blick ängstlich zurückwich. Tränen füllten ihre Augen, während sie schützend die Arme vor die Brust hob. Erschrocken über die eigene Lautstärke, trat Yuuri einen Schritt zurück. „Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht anschreien.“ Es hatte ihn einfach nur so wütend gemacht, dass sie so abfällig über Wolfram gesprochen hatte. Das alles entsprach doch einfach nicht der Wahrheit. Wolfram war so viel mehr als ein Diener. Er hätte der Dämonenkönig sein können und er hätte Yuuri schon längst verraten können, doch er hatte es nie getan. Wolfram hatte sich das Vertrauen des Königs hart erarbeitet und mit der Zeit hatte sich Yuuri sogar an den Umstand gewöhnt, dass Wolfram mit ihm zusammen das Bett teilte und nie hatte Wolfram mehr versucht. Er würde Wolfram den nackten Rücken zukehren, wenn dieser ein Messer in der Hand hätte, mit dem er ihn innerhalb weniger Sekunden erstechen könnte, so viel stand für Yuuri fest. An diesem Vertrauen gab es einfach nichts zu rütteln. Niemals würde er es hinnehmen, dass jemand Wolframs Ehre in den Dreck zog. Doch genau in dem Moment, als die ersten Tränen über Sofinas Wangen kullerten, bereute Yuuri seine harschen Worte. „Verzeih, ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.“, sagte er dann sanfter. Ehe er noch einen Schritt auf sie hatte zugehen können, hatte sie auf der Stelle kehrt gemacht und war aus dem Zimmer gerannt. Was Yuuri nicht sehen konnte, war das siegessichere Lächeln, dass ihre Lippen umspielte. Überfordert blieb der junge König allein im Thronsaal zurück, während die schwere Tür laut ins Schloss fiel. Was hatte er nur getan? Bis gestern war noch alles in Ordnung gewesen. Sie hatten gelacht und waren sich ein Stück näher gekommen, doch nun hatte er die Frau, die an ihm interessiert war zum Weinen gebracht. Wieso hatte er auch seine Gefühle nicht im Zaum halten können? Wieso hatte es ihn so unsagbar wütend gemacht, dass sie so abfällig über Wolfram redete. Natürlich war es nicht schön, wenn jemand so über die eigenen Freunde sprach, aber das war es nicht gewesen. Hätte sie so über Conrad geredet, hätte er ihr in Ruhe erklären können, dass sie falsch lag, aber gerade eben bei dem ohnehin angespannten Thema „Wolfram“ war es einfach mit ihm durchgegangen. Es schmerzte ihn, denn obwohl Wolf einfach gegangen war, hatte er es nicht verdient, dass man so über ihn redete. Obwohl Wolf ihn die letzten Tage immer kühler behandelt hatte und nicht mehr bei ihm geschlafen hatte, konnte er ihm trotz allem noch immer vertrauen, oder nicht? Auf seinem Weg durch das ruhige Schloss, blieb er kurz vor dem Raum stehen, aus dem er immer noch Stimmen hörte, doch er wollte für den Moment einfach niemanden sehen und so zog es ihn in seinen Raum zurück, wo er die ruhigen Atemzüge Gretas im Bett vernahm. Er ging zu ihr hinüber und setzte sich vorsichtig auf die Kante des Bettes, bevor er ihr sanft über den Kopf strich. Normalerweise hatten immer Wolfram und er sie zusammen ins Bett gebracht und von jedem hatte sie noch einen gute Nacht Kuss, doch heute hatte nichts von allem bekommen. Er beugte sich zu Greta hinab um ihr einen sanften Kuss auf die Stirn zu hauchen. Es tat ihm Leid, dass der heutige Tag so aus dem Ruder gelaufen war und das vor allem Greta die war, die am Meisten darunter zu leiden hatte und eigentlich nichts daran ändern konnte, noch nicht einmal etwas dafür konnte. Yuuri legte sich neben seine Tochter und schloss sie sanft in die Arme, bevor sein Blick zu der leeren Hälfte des Bettes glitt, auf der sonst Wolfram genächtigt hatte. Ein leises Seufzen lenkte Yuuris Aufmerksamkeit auf Greta, die ihn Sekunden später aus verschlafenen, traurigen Augen anblickte. Es war dem jungen König, als könnte Greta bis auf die tiefsten Stellen seiner Seele blicken, als sie leise ein „Ich vermisse Wolfram.“ murmelte. „Ich auch.“, gestand Yuuri leise, als er Greta fester an sich zog. Es fühlte sich einfach nicht richtig an, dass Wolfram nicht hier war. Vor allem nicht, weil er gegangen war, ohne ein Wort zu sagen. Hasste er Yuuri wirklich so sehr? Diese Erkenntnis traf Yuuri härter als er je erwartet hätte. Was wäre, wenn es der Situation entspräche? Was wäre, wenn Wolfram ihn wirklich hasste und er deswegen gegangen war? Vielleicht hatte sich Yuuri getäuscht und er hatte sich gar nicht distanziert, weil er eingesehen hatte, dass die Verlobung ein Versehen war, sondern weil er Yuuri dafür hasste, was er tat? Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er ungläubig den Kopf schüttelte. Nein, das war bestimmt nicht wahr. Aber was, wenn doch? Zum ersten Mal an diesem Tag überkam Yuuri das unbändige Gefühl, mit jemandem reden zu wollen, doch wer? Greta war zu jung und Conrad... Yuuri war sich unschlüssig, ob er wirklich mit Conrad darüber reden wollte. Er konnte ihm sonst alles anvertrauen, doch der Schmerz saß zu tief, als dass er wirklich hören wollte, dass es dem wirklich entspräche, dass Wolfram ihn hasste. Mit einem von Wolframs Brüdern zu reden, schied definitiv aus. Also blieb eigentlich nur eine Person, mit der er sich trauen würde über so etwas zu reden oder besser gesagt, um Rat zu fragen. Denn so viele ungeklärte Fragen, die gerade in seinem Kopf herum schwirrten, wie sollte er da einen klaren Gedanken fassen um zu entscheiden, wie er Sofinas Verhalten einschätzen sollte? Das war das i-Tüpfelchen auf dem ganzen Berg angestauter Emotionen, der Yuuri dazu bewegte, sich ins Bad zu schleichen, wo er langsam in das Wasser stieg. Er würde zurück sein, bevor ihn jemand vermisste. Zufrieden stellte er fest, dass seine Mutter noch immer das Badewasser in der Wanne stehen ließ, wenn er weg war. Tief einatmend, kam er in der kleinen Wanne zum Sitzen. Sofort holte ihn die familiäre Ruhe ein, die ihn begleitete, seit er geboren worden war. Hier war seine Familie und sein Rückzugspunkt an dem er einfach Yuuri sein konnte und wo keiner von ihm erwartete irgendwelche komischen Dinge zu unterzeichnen, von denen er keine Ahnung hatte. „Jemand zu Hause?“, rief er immer noch leicht angeschlagen von der Stimmung, die ihn hier her begleitet hatte, nachdem er sich trockene Sachen übergezogen hatte. „Yuu-chan?!“, trällerte ihm die fröhliche Stimme seiner Mutter entgegen. „Schön, dass du wieder da bist. Bist du allein? Ist niemand von den anderen hübschen Männern bei dir?“ Heiter wie immer stand sie am Fuße der Treppe und betrachtete ihren Sohn, der langsam die Treppe hinunter stieg. Liebevoll wurde er in eine mütterliche Umarmung geschlossen. „Hätte ich gewusst, dass du kommst, hätte ich etwas zu essen gemacht!“ Lächelnd wandte er sich aus der Umarmung und war dankbar für das Stückchen Normalität, dass ihn hier einzuholen schien. Hier war noch alles so, wie es sein sollte und bei Weitem nicht so kompliziert wie in der anderen Welt. Sein Blick wurde traurig, als er an das Chaos zurückdachte, dass er fabriziert hatte. „Yuu-chan, du schaust wie sieben Tage Regenwetter! Was ist los? Erzähl es deiner Mama!“ Kurzerhand wurde er am Arm gepackt und ins Wohnzimmer geschliffen, wo sie ihren Sohn auf das Sofa verfrachtete, eine Decke über ihm ausbreitete und in der angrenzenden Küche verschwand um Kakao zu kochen. Das Geräusch von klirrenden Tassen und der Geruch von heißer Milch erfüllte Yuuri mit einem Stück Sicherheit, dass eben nur eine Mutter einem Kind bieten konnte. Genauso musste es Greta gegangen sein, als er sich vorhin zu ihr ins Bett gelegt hatte. Yuuri war zwar in dem Sinne nicht die Mutter, doch irgendwie zählte das doch trotzdem. Immerhin hatte sich Greta bisher nie beklagt, dass sie zwei Väter hatte. Wobei die Betonung wohl eher auf hatte lag. Aufmerksam lauschte seine Mutter der Geschichte, die ihr Sohn zu erzählen hatte und nickte ab und an verständnisvoll, während sie an anderen Stellen seufzend den Kopf schüttelte, ehe sich ein Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete. „Also wirklich, Yuu-chan. Der arme Wolfram. Dabei hatte ich schon ein Kleid ausgesucht, was er an eurer Hochzeit tragen würde!“ - „Mu-Mutter!“, entgegnete Yuuri schockiert, als er unterbrochen wurde. „Es heißt Mama, Yuu-chan. MA-MA!“ Ihr Blick wurde sanfter, als sie eine Hand auf Yuuris Kopf legte und so ein Gefühl auslöste, dass Yuuri nur noch selten spürte, nachdem er König geworden war. Nämlich das Gefühl, einfach ein Sohn zu sein und noch gar nicht so erwachsen, wie alle es von ihm erwarteten und vor allem das Gefühl, dass er selbst ebenso viel Halt brauchte, wie er zu geben bereit war. In der anderen Welt brauchte das ganze Land seinen Halt und im Gegenzug hatte er diesen unbewusst immer von den Menschen um ihn herum im Schloss gefordert, doch vor allem von Conrad, Greta und von Wolfram. Mit Wolfram Reise ohne Abschied war ihm einer dieser wichtigen Pfeiler entrissen worden und er kannte Sofina bei Weitem noch nicht so gut, als dass sie nur annähernd hätte Wolframs Platz einnehmen können um ihm halt zu bieten. Sowieso war sich Yuuri nicht mehr sicher, ob sie es jemals konnte, wenn sie so über seine Freunde dachte. „Was soll ich machen? Ich bin total verwirrt. Einerseits wäre es doch toll, wenn ich eine Frau hätte, aber andererseits vermisse ich jede Nacht Wolfram mehr an meiner Seite.“ Überrascht blinzelnd wurde er aus zwei immer größer werdenden Augen angeblickt. „Ich schlaft zusammen jede Nacht? Gibt es da noch Sachen, bei denen du deine Mama um Rat fragen möchtest? Ich kann dir sicherlich helfen, Yuu-chan!“ Irritiert blickte er in ihre strahlenden Augen und fühlte sich für einen Moment missverstanden, bis er wirklich begriff, was im Kopf seiner Mutter vor sich ging. Seine Wangen färbten sich tief rot, als er einen großen Schluck des warmen Kakaos nahm, bevor er antwortet. „Es ist nicht so wie du denkst. Er hat sich einfach immer in mein Bett gelegt und das ist zur Gewohnheit geworden, mehr hat das nicht zu bedeuten!“ Peinlich berührt blickte Yuuri in seine Tasse. Was seine Mutter schon wieder dachte, war wirklich ungeheuerlich. Bis heute hatte Yuuri noch nicht einmal gewusst, wie sehr er Wolfram vermissen würde und wie sehr ihn seine abweisende Art verletzen würde und vor allem hatte er nie für möglich gehalten, dass der Gedanke weh tun würde, dass Wolfram nicht mehr bei ihm sein wollte und seine Mutter dachte an so etwas. Verrückt. Sie waren doch beide Männer. „Außerdem sind wir beide Männer!“, warf er dann noch immer mit glühenden Wangen ein. Seufzend legte seine Mutter den Kopf schief, ehe sie ihn etwas strenger anblickte. „Yuu-chan. Ich dachte ich hätte dich besser erzogen. Heutzutage ist es doch nichts schlimmes, wenn zwei Männer sich lieben. Daran ist doch rein gar nichts schlimm. Liebe ist Liebe! Und wenn du wirklich so anders darüber denkst, dann bin ich wirklich enttäuscht von dir.“ Yuuri schluckte hart, als er dem prüfenden Blick seiner Mutter ausgesetzt, über ihre Worte nachdachte. Eigentlich hatte er Wolfram immer als schön empfunden, daran gab es auch keinen Zweifel, aber alles andere was das körperliche anging... er hatte es ja noch nicht einmal mit einer Frau getan, wie sollte er dann über so abwegige Dinge nachdenken, es mit Wolfram... Mit tief rotem Kopf versenkte er sein Gesicht in der Decke, in die er sich gekuschelt hatte. „aahhh...“, fluchte er dann schließlich. „Das ist doch jetzt gar nicht das Problem. Was soll ich jetzt nur machen?“ Liebevoll wurde er in den Arm genommen, als seine Mutter leise zu ihm sprach. „Wichtig ist, dass du mit der Person zusammen bist, der du vertraust und die du liebst. Es ist die Person, für die dein Herz schlägt, wo deine Gedanken sind und die Person, die du dir an deiner Seite wünschst. Wenn diese Sofina nur einen dieser Punkte nicht erfüllt, will ich sie nicht an deiner Seite wissen... Sollte Wolfram alle diese Punkte erfüllen, ist es egal, ob er auch ein Mann ist. Liebe kennt keine Grenzen, verstehst du das, Yuu-chan?“ Aufmunternd lächelnd, streichelte sie ihm sanft durchs Haar. „Außerdem steht das Kleid, dass ich ausgesucht habe Wolfram sicherlich viel besser, denn er sieht im Kleid einfach hinreißend aus, genauso wie du früher.“, schwärmte sie fröhlich, bis Yuuri peinlich berührt aufsprang. „Mir stehen keine Kleider! Ich bin schließlich ein Mann.“ Mit diesen Worten war er die Treppe hinauf gestürmt und hatte sich dem Strudel ergeben, der die Welten verband. Also wirklich, was dachte sich seine Mutter nur. Und wie konnte er nur glauben, dass es ihm helfen würde mit ihr zu reden. Sie bekam kein Gespräch hin, in dem sie nicht solche komischen Sachen sagte! Doch als er im Schloss aus der Wanne stieg und die ersten Sonnenstrahlen bereits durch die Wolken brachen, kehrten seine Gedanken augenblicklich zu seinem Bett und somit zu Greta und Wolfram zurück. Er spürte wie gut die Ablenkung getan hatte, die ihm seine Mutter hatte zukommen lassen. Vielleicht wusste sie einfach nur genau, wie sie es anstellen musste um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen als er auf das Wasser blickte. „Danke, Mama.“ Im Laufe des Tages, der sich als sehr anstrengend herausstellte, wenn einem eine komplette Nacht Schlaf fehlte, kehrten seine Gedanken immer wieder an die Worte seiner Mutter zurück. Eine Person, der man vertraut, die man liebt und die man sich an seiner Seite wünscht. Und das Herz soll auch noch für die Person schlagen. Ganz schön viel auf einmal. Doch irgendwie fiel es Yuuri, trotz seiner Müdigkeit leichter, sich auf den Tag und die Menschen um ihn herum zu konzentrieren, als es noch am vorherigen Tag der Fall gewesen war. Er hatte das Gefühl, dass sich einige Fragen klären würden, wenn er sich nicht zu sehr von seiner Trauer über Wolframs Abreise mitreißen ließ. Vielleicht könnte er so Sofina, die am heutigen Tage wieder strahlend lächelnd auf ihn zu getreten war und sich für ihre Worte entschuldigt hatte, eine Chance geben die Frau an seiner Seite zu werden. Und dann, wenn hier alles geklärt war, konnte er bei Wolfram weiter machen. Yuuri hatte das Gefühl es wirklich schaffen zu können. Es vergingen ein paar sonnige Tage, in denen Yuuri mehr und mehr sein Lächeln zurück gewann. Er genoss die Zeit, die er mit Greta und mit Sofina verbrachte und bemerkte anerkennend, dass sie den Abstand um den er sie gebeten hatte, einhielt. Es war sehr viel angenehmer für Yuuri, wenn sie nicht ständig an ihm klebte oder irgendwelche Wunder von ihm erwartete. Ihre Gesellschaft war wirklich angenehm. Doch die harte Realität holte ihn immer dann wieder ein, wenn er abends zu Greta ins Bett stieg und seine Gedanken zu Wolfram wanderten. So sehr er es auch schaffte sich tagsüber auf Sofina, eine Frau, zu konzentrieren, so extrem prallte die Wahrheit nachts wieder auf ihn ein. Yuuri fühlte sich in Sofinas Nähe wirklich wohl, seit sie den Abstand zu ihm einhielt, doch genau das war der Punkt, der Yuuri nachdenklich stimmte. Denn jedes Mal, wenn er einen Arm um Greta legte, schrie in ihm eine Sehnsucht, die Hand ausstrecken und Wolframs warmen Körper berühren zu können. Er mochte Sofina wirklich gern auf Abstand, doch Wolfram wollte er erschreckender weise näher bei sich wissen... er wollte ihn berühren können, wenn er Halt brauchte. Noch immer war sich Yuuri nicht darüber im Klaren, ob das eine Erkenntnis war, die ihm gefallen wollte. Wie jeden Abend, breitete er seine imaginäre Liste in seinem Kopf aus, auf der er kleine Kreuze verteilte. Sofina hatte bisher erst ein Kreuz, weil er sich vorstellen konnte, sie als Frau zu heiraten. Und Wolfram... Wolfram hatte sein Vertrauen und Yuuris Gedanken schwirrten ständig um den Blondschopf und wenn Yuuri ehrlich war, musste er ihm letztendlich auch ein Kreuz dafür geben, dass er Wolfram an seiner Seite wissen wollte. Doch das hatte nichts zu sagen. Greta wollte er auch an seiner Seite wissen oder Conrad oder Gwendal. Einfach alle, die ihm etwas bedeuteten. Machte dann wirklich die Gesamtheit aller Punkte den Unterschied? Aber Yuuri konnte nicht sagen, dass er Wolfram liebte, woher sollte er das auch wissen. Bis auf Schwärmereien hatte er in seinem jungen Leben noch nie erlebt. Und wirkliches Herzklopfen hatte er auch bei Sofina nicht. Das einzige Mal, dass ihn wirklich ein Anblick fast umgeworfen hätte, war damals bei Wolfram, aber das jedoch, schob Yuuri auf die Tatsache, dass er einfach noch nie so einen schönen Mann zuvor gesehen hatte. Wer sagte überhaupt, dass er seine Auswahl auf die Beiden beschränken musste? Argh, das war doch zum Verrückt werden. Warum bezog er Wolfram überhaupt so in die engere Wahl? Er hatte doch bis jetzt immer darauf gehofft, dass die Verlobung gelöst wurde und nun führte er tatsächlich Liste, ob Wolfram alle Punkte erfüllen konnte. „Wolfram.“, seufzte er leise, bevor er langsam völlig übermüdet einschlief. Es vergingen noch zwei Tage, ehe Sofina die Heimreise antrat. Sie müsse sich auf den großen Ball vorbereiten, hatte sie gesagt, weshalb Yuuri sie entgeistert angeblickt hatte. Ball? Das war ja etwas ganz Neues! Oder, nein, vielleicht doch nicht, bemerkte er, als er auf das große Plakat aufmerksam gemacht worden war. Ja, es war möglich, dass er es schon einmal erblickt hatte, doch so wirklich wollte es ihm nicht in den Sinn kommen. Sein Kopf war voll von Kreuzen, Häkchen, Radierungen und erneuten Vermerken. Kein Wunder, dass er langsam das Gefühl hatte, dass sein Kopf platzen würde. Der Ball würde in zwei Wochen statt finden und alle großen Leute der verbündeten Nationen, waren eingeladen. „Wolfram?“ Überrascht richteten sich die Blicke aller Anwesenden auf den jungen König. Niemand hatte seit Wolframs Abreise je den Namen des jüngsten Sohnes in Gegenwart Yuuris in den Mund genommen und ihn nun von eben jenem zu hören, fühlte sich für alle seltsam vertraut und doch gleichzeitig so fremdartig an. „Wird Wolfram auch kommen?“ Detaillierte Yuuri seine Frage noch einmal, nachdem er weiterhin von allen angestarrt wurde, als hätte er gerade etwas gesagt, das so unglaublich war, dass es einer weiteren Bestätigung bedurfte. Bedrückt wurden Blicke gesenkt, ehe Conrad aufstand und ihm sanft zulächelte. „Wir dachten, es wäre besser diese Entscheidung Euch zu überlassen, Majestät, nachdem auch Sofina anwesend sein wird.“ Es war Greta, die ihre Stimme erhob, als Yuuri nachdenklich von einem zum Anderen geblickt hatte. „Yuuri, ich würde mich freuen, wenn Wolfram dabei wäre. Ich vermisse ihn.“ Liebevoll schloss er die Arme um seine Tochter, die auf ihn zu getreten war und erinnerte sich an das geborgene Gefühl zurück, dass ihm seine eigene Mutter geschenkt hatte. „Ich weiß. Ich vermisse ihn auch.“ „Dann frag ihn ob er auch kommt!“, bat Greta aus großen Augen. „Ich meine, nur wenn du das auch willst, Yuuri.“, fügte sie dann jedoch an, als sie den Kampf bemerkte, der sich hinter Yuuris Augen abspielte. Die Freude über den Gedanken, dass Wolfram vielleicht wirklich seine Einladung annehmen würde, kam Hand in Hand mit der Angst davor, dass Wolfram ihn abweisen würde. Noch immer befürchtete Yuuri, dass Wolfram nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, denn bis heute kam von eben jenem nichts weiter als trockene Berichte seiner Erkundungen. Jedoch allein Greta sollte für Wolfram doch Grund genug sein, an dieser Feierlichkeit Teil zu nehmen, egal was zwischen ihnen jetzt war, oder nicht? Ein Blick in die traurigen Augen seiner Tochter, bestärkte seinen Entschluss. Er würde Wolfram einladen. Doch dieser Entschluss war leichter gefasst als umgesetzt. Über eine Stunde saß Yuuri bereits im Arbeitszimmer und überlegte, wie er die Einladung für Wolfram am Besten verfassen sollte. Von harschen Befehlen, über die Anspielung auf Greta bis hin zu einer förmlichen Einladung war alles dabei gewesen und diese Entwürfe landeten allesamt zerknüllt auf dem Boden. Nichts erschien Yuuri als passend genug, als aussagekräftig genug. Er konnte schließlich schlecht schreiben, dass er vermisst wurde, denn das würde vielleicht doch Hoffnungen wecken, die Yuuri vielleicht nicht bereit war zu erfüllen, falls Wolfram ihn doch nicht hasste. Doch allein die Tatsache, dass er nicht wusste, wie jener empfand, machte Yuuri schier verrückt. Er musste mit Wolfram reden. Er musste wissen, ob dieser ihn hasste. „Ich würde mich freuen, wenn du kommst.“, schrieb Yuuri schließlich leise vor sich hinmurmelnd und steckte den Zettel zusammen mit einem kleinen Flyer in ein Couvert. Wenn er diesen Entwurf nicht abschickte, würde er wohl nie etwas hinbekommen und letztendlich hätte Wolfram gar nicht die Möglichkeit noch rechtzeitig hier zu erscheinen. Wie sollte Yuuri dann jemals wieder Greta in die Augen sehen? Außerdem war der Satz doch in Ordnung. Er war beiläufig und doch persönlich und er ließ nicht so viel Spielraum. Oder etwa doch? Gerade als die Brieftaube das Schloss verlief, versuchte Yuuri sie noch einmal einzufangen um den Brief wechseln zu können, doch er war zu langsam. Der weiße Vogel verschwand mit schnellen Schlägen seiner Flügel am Horizont. Seufzend blickte der junge König der Taube hinterher. Warum war es ihm eigentlich so wichtig, wie es klang, was Wolfram las? Er wusste nicht einmal wie lange er hier gesessen hatte und sich den Kopf darüber zerbrochen hatte, dass Wolfram auch ja kommen würde und noch immer verspürte er eine Angst tief in sich, dass Wolfram nicht erscheinen würde. Traurig blickte Yuuri der Taube hinterher. Er vermisste Wolfram wirklich und das war eines der Gefühle, die er nicht mehr leugnen konnte. Er vermisste einen Mann. Sehnsucht machte anscheinend keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. Mit errötenden Wangen begann Yuuri die weggeworfenen Briefe zu entsorgen. Sehnsucht. Wie kam er nur auf so etwas. Je näher der Tag rückte und je länger keine Antwort von Wolfram kam, wurde Yuuri nervöser. Seine Nächte waren kurz und seine Gedanken waren bereits vor dem Aufwachen und noch nach dem Einschlafen bei Wolfram. Was war nur dieses Kribbeln in seinem Magen, wenn er daran dachte, dass Wolfram vielleicht wirklich kommen würde? Freute er sich so sehr darauf, ihn endlich wieder zu sehen? Es waren bereits fast 5 Wochen, wo er nichts von Wolfram gehört hatte, außer dessen Berichte, die er ohne jegliche Grüße, außer für Greta, verfasst hatte. Wolfram musste einfach kommen! Am Tag des großen Festes, war Yuuri die Anspannung ins Gesicht geschrieben und während am Hofe schon fast Wetten abgeschlossen wurden, wem dieser Gesichtsausdruck wohl galt, ob Sofina oder Wolfram, füllte sich das Schloss mit Gästen, die nach mehr und mehr Aufmerksamkeit des jungen Königs verlangten. Yuuris Blick jedoch ging ständig zur großen Tür oder durch die großen Fenster hinaus auf den Hof um irgendwo einen Blondschopf zu erblicken, der seinen Aufruf erhört hatte, was dazu führte, dass er nur beiläufig bemerkte, dass Sofina sich wirklich hübsch gemacht hatte für diesen Abend. Ihr wallendes Ballkleid ließ sie fast schweben, als sie irgendwann frustriert von Yuuris geistiger Abwesenheit begann mit ihrem Vater zu tanzen um so die Gunst des Königs zu erlangen. Doch mit jeder Minute, die verging und kein Wolfram den Raum betrat, wurde Yuuris Blick ein wenig trauriger. Auch die langen Predigten von Günther, wer die Herrschaften alle waren, die sich hier einfanden, konnten Yuuris Gedanken nicht von den grünen Augen ablenken, die er so sehr wünschte zu erblicken. Nachdem er zwei Wochen Zeit gehabt hatte, in Ruhe über seine Gefühle nachzudenken, empfand er es mittlerweile nicht einmal mehr als sonderbar oder schlimm, dass er Wolfram vermisste. Seine Erklärung lag einfach darin, dass er Wolfram so sehr vertraut hatte und er nicht wollte, dass es einfach so vorbei war. Außerdem überwog der Schmerz an den Gedanken, dass Wolfram ihn vielleicht doch hassen würde, über dem unsicheren Gefühl, warum er sich so sehr nach dem anderen sehnte. Yuuri seufzte tief, als er erneut seine Augen nach blonden Haaren suchend über die Menge gleiten ließ. Sein Herz setzte für einen Moment aus, als er kurze, blonde Haare erblickte. Ohne auf die anderen zu achten, drängte er sich durch die umstehenden Menschen, die ganze Zeit darauf bedacht diesen blonden Hinterkopf nicht aus den Augen zu verlieren. „Wolfram...“, brachte er erleichtert hervor, als er das Handgelenk der Person vor ihm ergriff. Erst zu spät bemerkte er, dass diese Person kein Mann, sondern eine Frau mit blonden Haaren war. „Verzeihung!“, murmelte Yuuri verlegen, als er sich mit errötenden Wangen entfernte. Wie peinlich! Er hatte sich so sehr gewünscht, dass Wolfram hier herkommen würde, dass er ihn schon mit einer Frau verwechselte. Sehnte er sich so sehr danach den Anderen zu sehen? Deprimiert ging er auf die geöffneten Glastüren eines Balkones zu. Ja, er hatte gehofft, dass Wolfram kommen würde. Er hatte gehofft, dass dieser ihn nicht hasste und er hatte gehofft, dass Wolfram in dieser Nacht endlich wieder in seinem Bett schlafen würde. „Yuuri!“, sprach ihn eine fröhliche Stimme von der Seite an, gerade als er auf den Balkon treten wollte. Sein Blick glitt zu Sofina, die mit pikiertem Blick zu ihm aufsah. Ihr Lächeln passte nicht zu dem was ihre Augen sprachen, denn ihr Blick sprach von Nichtbeachtung und von Empörung über den jungen König. Doch eigentlich hatte Yuuri gerade keinen Nerv sich mit ihr zu befassen und umso dankbarer war er, als Gwendal Sofina bei der Hand nahm und sie um einen Tanz bat. So grimmig Gwendal ihn auch immer ansah, er wusste immer, was zu tun war um Yuuri zu helfen. Dankbar lächelnd nickte er Gwendal zu, als er aus den Augenwinkeln eine blonde Person den Raum betreten sah. Nein, noch einmal würde er nicht den selben Fehler begehen. Nicht noch einmal würde er diese Enttäuschung verspüren wollen, sich auf Wolfram zu freuen und dann festzustellen, dass dieser doch nicht gekommen war. Es tat einfach viel zu sehr weh. So sehr er es auch versuchte zu unterdrücken, die Hoffnung keimte in seinem Herzen und seine Hände fest zu Fäusten geballt, drehte er sich noch einmal um. Yuuris Herz schlug ein paar Takte schneller, als er das Profil des Älteren erkannte. „Wolf..“, seufzte er erleichtert, während er betrachtete, wie Wolfram fröhlich Greta in die Luft warf. Yuuris Blick glitt musternd über den blonden, jungen Mann, der ihm in seiner Festtagesrobe noch ein wenig erwachsener vorkam als zu dem Zeitpunkt, als er ihn verlassen hatte. Yuuris Herzschlag wollte sich auch nicht beruhigen, als Wolfram sich instinktiv endlich in seine Richtung wandte und ihre Blicke sich trafen. Ein Schaudern durchlief Yuuris Körper, als er dem intensiven Blick des Blonden stand hielt. Der junge König konnte nicht annähernd beschreiben, welche Emotionen gerade auf ihn einprasselten, als Wolframs Anblick ihm nach scheinbar unendlich langer Zeit ein Lächeln auf die Lippen zauberte. „Wolfram.“, formten seine Lippen, während eine Last von Yuuris Schultern genommen wurde und ihm wieder die Chance gab, zu strahlen. Wolfram hasste ihn also doch nicht, stellte Yuuri beruhigt fest, als dieser sein Lächeln erwiderte. Gerade wollte er auf den lang ersehnten Heimkehrer zugehen, als er an die Hand genommen wurde. Eine junge Frau bat den König um einen Tanz und so gern er in diesem Moment einfach zu Wolfram gegangen wäre, er wusste, dass es unhöflich wäre, die Frau einfach abzuweisen. Während er mit ihr tanzte, glitt sein Blick immer wieder zu Wolfram, der erst am Buffet eine Kleinigkeit aß, während Yuuri feststellte, dass dieser immer wieder prüfend zu dem tanzenden Paar blickte und dann lächelnd Yuuris Blick erwidernd auf den Balkon zu steuerte, auf den sich Yuuri noch vor ein paar Minuten hatte zurückziehen wollen. Noch einmal kreuzten sich ihre Blicke, bevor Wolfram auf dem Balkon verschwand. Yuuris Herz schlug bis zum Hals, als seine Nerven Impulse an sein Hirn sandten, die ihn dazu aufforderten, Wolfram zu folgen. Und noch während er sich von seiner beiläufigen Tanzpartnerin löste und Sofina links liegen ließ, machte er ein weiteres Kreuz in seinem Kopf. „Die Person, für die mein Herz schlägt.“, dachte er lächelnd bei sich, als er mit klopfendem Herzen auf den Balkon zu schritt. Noch nie hatte er sich so darüber gefreut jemanden wieder zu sehen. Definitiv war dieses Kreuz bei Wolfram korrekt platziert. Jetzt fehlte nur noch ein Kreuz bei der Liebe. Was, wenn er die ganze Zeit ein wenig verliebt gewesen war und es nie bemerkt hatte, weil er so sehr darauf gebohrt hatte, dass sie beide Männer waren? Was wäre, wenn er über diesen Aspekt einmal hinwegblickte? Er betrachtete die schlanke Gestalt Wolframs, wie er an der Brüstung stand und der Wind sanft in seinen Haaren wehte. Die feingliedrigen Hände waren auf das Geländer gestützt und der Blick in die Ferne gelenkt. Wenn man darüber hinwegsah, dass sie beide Männer waren, war Wolfram wirklich atemberaubend schön. Keine Frau an diesem Abend konnte es auch nur annähernd mit dieser Ausstrahlung aufnehmen. Hieß das nicht, dass er wenigstens ein wenig in Wolfram verliebt war? Sein Herz schlug bis zum Hals, seine Gedanken kreisten ständig nur um den Anderen und wenn er daran dachte, dass dieser vielleicht an diesem Abend wieder an Gretas und seiner Seite im Bett schlafen würde, überrollte ihn eine ungeheure Welle des Glücks. „Mama, ich glaube ich weiß jetzt, was du gemeint hast.“, flüsterte er leise, bevor er auf den Balkon hinaus trat, wo er sich neben den Älteren stellte, der seinen Blick nicht von der Ferne löste, sondern einfach die Ruhe genoss. Noch einmal glitt Yuuris Blick prüfend über Wolframs Profil, doch sein Herzklopfen stellte sich nicht ein, nein, das Gegenteil war der Fall. Sein Herz schlug mittlerweile so hart gegen seine Brust, dass er Angst hatte, Wolfram würde es hören können. Yuuri wandte seinen Kopf in die Richtung, in die Wolfram blickte und spürte, was dieser wohl fühlen musste. Es schien, als wäre der ganze Lärm von der Musik und der feiernden Leute weit entfernt. Es war fast so, als wären sie hier draußen in ihrer eigenen Welt. Niemand sprach ein Wort, aber Yuuri wusste, würde Wolfram ihn hassen, würde er ihn nicht so an seiner Seite akzeptieren. Da jedoch Wolfram noch immer kein Wort verloren hatte, geschweige denn sich bewegt hatte, wurde Yuuri bewusst, dass es an ihm war, den ersten Schritt zu tun. Doch was sollte er sagen? 'Hey, schön dich zu sehen?' Nein, das klang viel zu banal für das, was wirklich in ihm vorging. Wie sollte er Wolfram nur verständlich machen, was er selbst nicht einmal in Worte fassen konnte? Aber Wolfram wartete auf eine Reaktion oder nicht? Ja, Yuuri hatte sich entschieden. Gegen Sofina, für Wolfram. Denn dieses Kribbeln in seinem Körper verspürte er nur, wenn Wolfram bei ihm war. Genauso die Ruhe, wenn er nachts bei ihm lag und die Sicherheit, wenn er auf Reisen sein Begleiter war. Er wollte Wolfram an seiner Seite haben. Selbst wenn er ein Mann war! Nur wie sollte er das sagen? Halt suchend legte er die Hände auf das Geländer und blickte weiter in die Ferne, während Wolfram mit einer Engelsgeduld auf Yuuris nächsten Schritt wartete. Der Blonde empfand es eigentlich schon als fast niedlich, denn er spürte die Unruhe in dem jungen König. Doch nein, diesen Triumph würde er bis ins Letzte auskosten. Er hatte so lange gekämpft und hatte sich sogar entgegen seinen Gefühlen zurückgezogen und dabei riskiert, dass diese Sofina Yuuri letztendlich für sich gewann, doch Conrad hatte bei allem wohl Recht behalten. Mit gemischten Gefühlen dachte Wolfram an die Zeit vor seiner Abreise zurück. Lange hatte er geflucht und immer wieder einen weiteren Kampf mit seinem älteren Bruder gefordert, bis dieser ihn schlussendlich zur Seite genommen hatte um mit ihm darüber zu reden, wie er sich die nähere Zukunft vorstellte. Und Wolfram hatte Conrad alles erzählt. Seine Ängste, seine Wünsche und seine Hoffnungen, die fast alle durch Sofina zerstört wurden und über den Schmerz, den er verspürte, wenn er Sofina und Yuuri zusammen sah. Conrad hatte ihm verständnisvoll zugehört, überrascht über die Ehrlichkeit und die Offenheit mit der Wolfram über seine Gefühle sprach. Alarmiert hatte er ihm eine Hand auf die Schulter gelegt. „Wolfram..“, hatte er dann gesagt. „... wenn Yuuri diese Verlobung wirklich von den tiefsten seiner Seele nicht wollen würde, hätte er befehlen können, sie zu lösen. Er ist der König, oder nicht? Aber er hat es bis heute nicht.“ Das waren die entscheidenden Worte gewesen, die Wolfram dazu veranlasst hatten, ein wenig Abstand einzuräumen, um so auf die Chance zu hoffen, dass Yuuri von allein auf seine Gefühle kommen würde. Hätte Yuuri seine Gefühle für ihn nicht erkannt, dann wüsste Wolfram zumindest, woran er wirklich war, so schmerzhaft es auch gewesen wäre. Doch Yuuris Blick vorhin, als er ihn auf dem Ball erblickt hatte, war doch eindeutig gewesen oder hatte er sich das nur eingebildet? Und auch, dass keine Minute vergangen war, ohne dass Yuuri nach ihm gesehen hatte... Dass er allein schon diese Worte in dem Brief geschrieben hatte, das konnte doch nicht alles vergebliche Hoffnung sein. Genauso, dass Yuuri noch immer keine Worte gefunden hatte, die ihn einfach banal als Freund, schön dich zu sehen, abgestempelt hatten, war doch gut, oder nicht? Es kostete Wolfram all seine Beherrschung weiter zu schweigen. Yuuri musste den ersten Schritt tun. Wolfram musste endlich wissen, wie viel Hoffnung er sich noch machen durfte... Es dauerte schier eine Ewigkeit, bis Yuuri, ohne die passenden Worte zu finden, verlegen kurz auf Wolframs Hände schaute, eher er seinen Blick wieder in den Himmel wandte. „Wolfram... ich..“, begann er völlig planlos. Es gab so vieles was Yuuri durch den Kopf ging, so viele Gefühle, die ihn bewegten und doch war das alles nicht annähernd das, was die Gesamtheit beschreiben würde, die er verspürte, seit er vor ein paar Minuten Wolfram wiedergesehen hatte. Er hatte das Gefühl endlich wieder vollständig zu sein. Ein Lächeln legte sich auf Wolframs Lippen, als er seine Hand leicht anhob, um sie dann sanft auf Yuuris zu legen und ihre Finger ineinander zu verhaken. Er hatte es einfach nicht mehr ausgehalten. Yuuris Worte genügten ihm und er hoffte inständig, dass er die Zeichen nicht falsch gedeutet hatte. „Hast du es endlich verstanden?“, fragte Wolfram leise, als er seinen Blick von der Ferne löste und sanft lächelnd seinen Blick zu Yuuri wandte. Dessen Herz zersprang fast in seiner Brust, als er sich ihrer Hände bewusst wurde, diese funkelnden grünen Augen auf ihn gerichtet wurden und er diese ersten Worte von Wolfram vernahm. Unfähig etwas Sinnvolles zu formulieren, überschwemmt von einem Glück, dass er noch nie gespürt hatte, nickte er nur leicht, ehe sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen zauberte. „Ja.“, sagte er mit fester Stimme, was ihn selbst in dieser jetzigen Verfassung überraschte. Es war ein 'Ja' gewesen, dass sich so tief auf ihm heraus gekämpft hatte, dass Yuuri es nicht mehr leugnen konnte. Es würde nicht von heute auf Morgen alles einfach werden, aber zumindest soweit konnte er selbst sich und nun auch Wolfram seiner Gefühle sicher sein. Sie blickten sich noch einen Moment tief in die Augen, während ihre Blicke mehr als tausend Worte sprachen, das tiefe Funkeln darin betrachtend, ehe sie ihren Blick wieder in den Himmel richteten und ihre Finger ein wenig fester verhakten, als eine Sternschnuppe vom Himmel fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)