Die Augen der Nacht von Urbena ================================================================================ Kapitel 2: Szene 2: Im Wirtshaus -------------------------------- Die Augen der Nacht Szene 2: Im Wirtshaus Versteckt zwischen den dichten Bäumen und Tannen blickte der Graf dem Mädchen nach und wartete bis sie die Dorfstraße betreten hatte. Wenn es stimmte was sie ihm gesagt hatte, woran er auch nicht zweifelte. Dann war sie Sarahs Schwester oder besser Halbschwester. Mit einem Grollen erschien ihm das Bild des jungen Lebenshungrigen Mädchens. Ihre Sehnsucht nach Abenteuern, diese unschuldige lebensfrohe Art hatten ihn damals angezogen. Doch hätte er damals nur Ansatzweise geahnt wie es enden würde, er hätte Sarah nicht die Ewigkeit geschenkt. Wütend gab er dem Hengst die Sporen und lenkte es in Richtung Schloss. Noch wusste er nicht, was die Ankunft des Mädchens für ihn bringen würde. Nur dass ihr Duft ihn schon jetzt betörte, wenn nicht sogar stärker als der von Sarah damals. Dayana durchstrich das Dorf bis sie vor ein Haus gelangte indem es lautstark herging. Neugierig trat sie näher darauf zu, als plötzlich die Tür aufgestoßen wurde und eine Frau um die Fünfzig einen Mann resolut hinaus warf. „Mach das du nach Hause kommst“, schrie sie empört und hob die Faust. „Und schlaf im Stall, dann hat zumindest deine Frau ihre Ruhe!“ Das letzte klang nicht mehr ganz so grantig und der Betrunkene grinste schief, ehe er ein Nicken andeutete und davon schwankte. Kopfschüttelnd sah die Frau ihm nach, bevor sie sich umdrehen wollte um ins Wirtshaus zurück zukehren. Dabei aber inne hielt als sie Dayana entdeckte. „Kann ich Euch helfen?“, ihre Stimme klang schon wesentlich freundlicher und Dayana räusperte sich. „Ich hoffe schon, ich suche Chagal und man sagte mir hier wäre ich richtig.“ Sofort verdüsterte sich das Gesicht der Frau erneut: „Wer seid Ihr und was wollt Ihr von ihm?“ „Ich wüsste zwar nicht was es Euch angeht, aber Chagal ist mein Vater.“ Dayana runzelte die Stirn, schob ihre Kapuze zurück und blickte der Frau direkt ins Gesicht. Diese stolperte geschockt zurück und starrte Dayana an, als wäre sie ein Gespenst. „Bei allen Heiligen“, keuchend fasste sich die Frau an die Brust. „Sarah?!“ Überrascht verzog Dayana das Gesicht: „Nein, mein Name ist Dayana und ich komme aus Prag.“ Man musste kein Hellseher sein um zusehen das die Frau mit der Fassung rang, hastig winkte sie Dayana zu sich und führte sie ins Wirtshaus hinein. Dort blieb der jungen Frau beinahe die Luft weg, ein beißender Geruch stieg ihr in die Nase und hastig schlug sie sich die Hand vor Mund und Nase. Gegen den Würgereiz ankämpfend schaute Dayana sich um und entdeckte somit auch die Ursache dieses widerlichen Geruches. Über und Überall hing Knoblauch und der Teller, den eine Kellnerin an ihr vorbei trug, verströmte denselbigen. Die Frau lotste Dayana durch das Gewühl bis hin zu einer Treppe und schrie dann einem blonden Mädchen am Tresen zu: „Natalia wir haben einen neuen Gast. Ich bringe sie auf ihr Zimmer, du sorgst hier für Ordnung!“ Offenbar war die Forderung trotz des Lärmes angekommen und das blonde Ding nickte zustimmend, während ihr Blick kurz zu Dayana wanderte, dann aber von einem Gast abgelenkt wurde. Unwohl folgte Dayana der Wirtin die steilen Stufen hinauf. Denn was sie erst jetzt bemerkt hatte, alle Gäste hatten sie heimlich mit ihren Blicken verfolgt und schienen schier Sprachlos. Geradezu so, als hätte es hier noch nie einen Gast gegeben. Die Wirtin brachte sie ins obere Stockwerk, wo neben den Privaträumen auch die Fremdenzimmer untergebracht waren. In eines von diesem führte die Frau sie nun und blieb an der Tür stehen bis Dayana eingetreten war. Neugierig blickte diese sich um und nickte zufrieden. Zwar war das Zimmer mit einem Bett, einem Tisch und Stuhl, sowie einer kleinen Kommode einfach eingerichtet. Aber ihr sollte es reichen, von Prunk und Glitzer hatte sie genug. „Ich hoffe es gefällt Euch?“, die Frage war eigentlich überflüssig, denn in den Augen der Wirtin spiegelte sich eigentlich eine ganz andere Frage und so überging Dayana die laut gestellte. „Ihr schaut aus, als wolltet Ihr eigentlich etwas ganz anderes von mir wissen“, ernst schaute die junge Frau die Ältere an und nahm ihren Umhang ab, damit sie ihn über die Stuhllehne hängen konnte. Die Wirtin folgte ihr gänzlich ins Zimmer und verschloss die Tür. „Was nicht verwunderlich ist, oder?“, der bissige Unterton war nicht zu überhören, aber Dayana würde sich davon sicher nicht verschrecken lassen. „Ich habe nicht gelogen, als ich sagte dass mein Vater Chagal sei. Wenn Ihr einen Beweis braucht dann hätte ich…“ Die Wirtin winkte ab. „Ich glaube das wird nicht nötig sein. Du musst mich nicht überzeugen Kind, dein Aussehen sagt mehr als tausend Worte. Mein Mann war nie der treue Kerl, den ich dachte zu heiraten“, seufzend lehnte sich die Wirtin an die Tür und ließ die Schultern sinken. Dayana starrte die Wirtin verblüfft an. „Euer Mann? Chagal ist euer Mann?“ Die Wirtin nickte lahm. „Wobei war mein Mann, der korrekte Ausdruck ist. Er ist tot“, sie sprach es so leise aus, dass Dayana erst glaubte sie zu verhören. „Er wurde vor zehn Jahren bei dem Versuch unsere Tochter zu finden, von den Wölfen im Wald angegriffen und getötet.“ Die junge Frau spürte wie ihre Beine nachgaben und sie aufs Bett plumpste. „Aber das kann doch nicht sein“, ungläubig starrte sie die Wirtin mit großen Augen an. „Ihr müsste Euch gewiss irren.“ Die Wirtin lachte humorlos auf. „Wie könnte ich? An den Tag damals werde ich mich immer erinnern. Schließlich verlor ich meine Tochter und meinen Mann.“ Die junge Frau senkte schluckend den Kopf. „Eine Tochter?“ „Ja sie hieß Sarah und bedeutete mir alles. Sie glich dir bis aufs Haar“, erklärte die Wirtin. „Deswegen auch die Blicke unten im Gastraum“, so langsam begann Dayana zu verstehen. Die Wirtin nickte. „Ich bin auch noch ganz geschockt, diese Ähnlichkeit ist schon unheimlich.“ Nachdenklich hielt sie inne, dann tippte sie sich an die Stirn und sprach weiter: „Doch wo bleiben meine Manieren. Ich heiße Rebecca und führe dieses Hotel am Platz seid dem Tod meines Mannes alleine.“ Dayana nickte nur beiläufig, stumm starrte sie stattdessen auf ihren Rock. In ihrem Kopf drehte sich einfach alles. Nun war also nicht nur ihre Mutter tot, sondern auch ihr Vater. Das war mehr als sie fürs Erste verkraften konnte. Traurig kullerten die ersten Tränen über die ihre Wange und Rebecca strich sich unwohl die fleckige Schürze glatt. Aber was hätte sie dem Mädchen auch sagen sollen? Bitter presste die verwitwete Frau die Lippen zusammen und atmete tief durch. „Du solltest dich wohl besser ausruhen. Gewiss wird dir ein Bad helfen können, das findest du zwei Türen weiter.“ Und da von Dayana keine Antwort kam, verließ die Wirtin leise das Zimmer. Tief verborgen in den Wäldern erreichte Graf von Krolock sein Schloss. Am Eingang wurde er bereits von Koukol seinem buckeligen Diener erwartet. „Versorge das Pferd und komme danach sofort zu mir. Ich habe eine Aufgabe für dich“, damit drückte er ihm die Zügel in die Hand und betrat das kühle dunkle Schloss. Ihn selbst störte die Kälte schon lange nicht mehr, aber als er in das Kaminzimmer kam hielt er überrascht inne. Er wurde erwartet. Auf einen der Sessel saß Herbert, sein Sohn. Als dieser seinen Vater erkannte, stand er auf um ihn zu begrüßen. „Vater, welch eine Freude dich wieder zusehen“, dünn huschte ein Lächeln über das Gesicht des Grafen. Doch so schnell wie es erschienen war, so rasch verschwand es auch wieder aus seinem blassen Gesicht und machte stattdessen einer misstrauischen Miene platz. „Ich hätte nicht erwartet, dich so schnell wieder zu sehen Herbert. Wolltest du nicht die Welt erkunden?“, desinteressiert sah der Graf sich um, das Kaminzimmer wurde zum ersten Mal seit Jahren wieder von einem Feuer erhellt. Herbert stimmte ihm seufzend zu: „Das war tatsächlich mein Plan. Aber vor kurzem verspürte ich die Sehnsucht Euch wieder zu sehen.“ Der Graf hob spottend die Brauen, während sich sein Sohn wieder in den Sessel sinken ließ und elegant die Beine übereinander legte. „Gibt es was Neues im Dorf?“, neugierig sah er zu seinem Vater auf. Doch dieser schwieg, was Herbert Antwort genug war. „Erzähl wer ist es?“ Von Krolock knurrte unwillig, eigentlich hatte er nicht vorgehabt ein Wort über das Mädchen zu verlieren. Aber Herbert kannte seinen Vater lange genug um die Zeichen zu deuten. „Ein Mädchen also“, schlussfolgerte dieser auch prompt und klang dabei zu Tode gelangweilt. Was übrigens was heißen sollte, wenn man schon seit Ewigkeiten Tod war. Aber er hatte noch nie verstehen können, was sein Vater nur an diesen Geschöpfen fand. Frauen waren nervig und störrisch, wenn man sie beachtete hielten sie ein hin und wenn man sie ignorierte waren sie zutiefst beleidigt. Herbert bevorzugte die männliche Seite da allemal lieber. Trotzdem fragte er weiter: „Ist sie hübsch? – Gewiss ist sie das. Würde mich nicht mal wundern wenn sie Sarah ähnelt.“ Der junge Vampir konnte gar nicht so schnell reagieren, wie der Graf ihn am Kragen gepackt hielt und anfauchte: „Erwähne nie wieder diesen Namen!“ Sein Sohn hob beschwichtigend die Hände. „Verzeih Vater, ich wollte dich nicht verärgern“, Herbert sah ihm gelassen ins Gesicht. Trotz seiner Worte, spiegelten sich in seinen Augen keinerlei Schuldgefühle wieder und der Junge von Krolock wusste das sein Vater es auch wusste. „Doch scheine ich Recht zu haben. Nur wird sie es nicht gewesen sein. Wer also ist es, frage ich mich, die dich so verärgert?“ Ruckartig ließ der Graf von seinem Sohn ab und wandte sich ab. „Ich kenne ihren Namen nicht, aber sie ist ebenfalls Chagals Tochter. Daran gibt es keinen Zweifel, sie hat dieselben Augen wie…“, er hielt inne. Plötzlich vom starken Zorn erfasst ballte er seine Hände zu Fäusten. So häufig wie heute hatte er schon lange nicht mehr an Sarah denken müssen. Und wenn dieses Mädchen blieb würde es nur noch schwerer werden. Noch immer steckte die Erinnerung an ihren Duft in seiner Nase und zu gerne würde er davon kosten. Warum hatte er überhaupt gezögert? Es wäre gewiss eine Genugtuung für ihn, der Schwester dieses verräterischen Weibes das Leben auszusaugen. Es wäre zwar nur ein kleines Stück seiner unendlichen Rachsucht, aber es würde seine Wut garantiert einen winzigen Hauch mildern. Immerhin hatte dieses Falsche Biest seine blütenzarte Zuneigung mit Füßen getreten. So in seinen Gedanken schwelgend, bekam von Krolock die Worte seines Sohnes erst mit als dieser ärgerlich nach ihm rief: „ Vater du hörst mir gar nicht zu!“ Vorwurfsvoll schüttelte Herbert den Kopf, als sein Vater ihn mürrisch ansah. „Ich fragte ob du jemals daran gedacht hast, das Sarah nicht die Gesuchte für dich war, sondern vielleicht jemand anderes“, trotz des gefährlichen Aufblitzens in Krolocks Augen sprach der Vampir weiter. „Womöglich war Sarah nie die für dich Bestimmte. Um ehrlich zu sein hatte ich da ohnehin stets meine Zweifel. Sie war viel zu jung und Naiv. Ein wahres Kind“, verachtend schürzte Herbert die Lippen. „Willst du etwa andeuten ich hätte meine Zeit mit ihr vergeudet?“, das tiefe Grollen in der Stimme des Grafen war nicht zu überhören. „Das würde ich nie wagen. Betrachte die Zeit mit ihr als Spaßvertreib, das dürfte dir ja nicht allzu schwer fallen“, mit diesen Worten erhob sich Herbert um ein Bad zu nehmen. Nach der langen Reise fühlte er sich schmutzig und speisen musste er auch noch. Am besten einen jungen und kraftvollen Mann um die Zwanzig. An der Tür hielt er noch einmal inne. „Was diese Neue angeht. Spiel doch ein wenig mit ihr, wenn sie auch nichts taugt, kannst du sie immer noch jederzeit töten.“ Dayana kam gerade aus dem Bad, als ihr ein Mann den Weg versperrte. Mit einer gemurmelten Entschuldigung versuchte sie an ihm vorbei zu gehen, doch der Kerl blieb mitten auf dem engen Gang stehen. Missmutig schaute Dayana auf und runzelte die Stirn als sie durch das schwache Licht der Kerzen seinem Blick folgte. „Pass bloß auf das dir nicht gleich die Augen herausfallen!“, ärgerlich zog sie ihr Schultertuch enger um sich und der junge Mann löste ruckartig seinen Blick von ihren Brüsten die sich deutlich durch das dünne Nachtkleid abgezeichnet hatten. Verdutzt über ihren Anschnauzer starrte er in ihr Gesicht, ehe sich seine Miene verdunkelte. „Für ein Weib bist du ganz schön vorlaut. Deine Eltern haben wohl verpasst dir Manieren beizubringen“, die Stimme des Dunkelhaarigen vibrierte vor Ärger. Zuerst wollte Dayana ihm eine Unverschämtheit entgegensetzen. Entschied sich dann aber dafür das er es nicht Wert sei. „Wo lohnt sich gutes Benehmen, wenn der Mann einen nur als Stück Fleisch betrachtet?“, mit diesen Worten drückte sie sich an ihm vorbei und verschwand in ihr Zimmer. Drinnen atmete sie erleichtert aus und kramte schließlich in ihrer Rocktasche nach dem Medallion ihrer Mutter. Es war das letzte persönliche Stück das sie von ihr hatte mitnehmen können, bevor sich ihre Großeltern über den Rest hergemacht hatten. Seufzend ließ sie sich mit angezogenen Beinen aufs Bett nieder und zog die Kerze näher zu sich heran. Schließlich öffnete sie das zierliche Schmuckstück und betrachtete das lächelnde Gesicht ihrer Mutter. „Ach Mama, was soll ich denn jetzt machen? Vater ist genau wie du von uns gegangen, nun bin ich wirklich alleine“, schniefend fuhr sie sich mit dem Handrücken über die Tränenfeuchte Wange. Beim Gedanken daran zurück nach Prag zu gehen wurde ihr Übel. Dort warteten doch höchstens ihre Großeltern darauf sie reich zu verheiraten oder sie letztlich in ein Kloster zu stecken. Allein bei dieser Vorstellung kriegten sie keine zehn Pferde mehr zurück zu diesen Menschen. Warum auch? Sie hatten ihr immer deutlich zu verstehen gegeben das sie Dayana als Enkelkind für sich, als unwürdig betrachteten. Immerhin hatte sie keinen Vater mit angemessenem Stand vorzuweisen gehabt. Mit Wut im Bauch dachte die an die Erzählungen ihrer Mutter zurück. Daran wie ihre Großeltern ihre geliebte Mutter einst Hochschwanger davon gejagt hatten und sie nur wieder aufgenommen hatten, weil ein alter verwitweter Graf eine Frau gesucht hatte. Schwer atmend umfasste sie die Kette und ging zum Fenster durch das der Mond ins Zimmer schien. Schwach konnte Dayana die Umrisse des Waldes erkennen. „Ob ich ihn wohl wirklich wieder sehe? Ich hatte mich noch gar nicht bedankt“, verlegen grinste sie den Mond an. Bevor sie über sich selbst den Kopf schütteln musste. Wie konnte sie nur hoffen, einem Mann wieder zu begegnen, von dem sie noch nicht mal das Gesicht richtig kannte? Ihre Großeltern, diese zwei konservativen Personen, wären entsetzt gewesen. Hätten sie von diesem Fremden erfahren. Ihrer Ansicht nach, ging eine junge wohlerzogene Dame nicht einfach mit einem Unbekannten davon, auch wenn dies besondere Umstände gewesen waren. Dayana umfasste die Kette noch fester. Nein! Niemals würde sie nach Prag zurückkehren und bei ihren Großeltern um Hilfe bitten. Lieber würde sie die dreckigste Arbeit verrichten und auf der Straße schlafen. Wobei sie gerade ans schlafen dachte, müde unterdrückte Dayana ein Gähnen und ging zurück ins Bett. Rasch blies sie die Kerze aus und kuschelte sich ins Kissen, sie würde abwarten. Der nächste Tag würde gewiss ganz anders aussehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)