kyoosha - learning by doing von ivy-company (AoixKanon) ================================================================================ Kapitel 47: Wie man verletzt ---------------------------- Ein ganz großes Dankeschön für eure reviews ^__^ mittlerweile sinds 300 davon.. leute, ihr seid verrückt! >____< schön zu sehen, dass ihr so mitfiebert! Das is wirklich wirklich toll!! Heute haben wir ein nicht ganz so fröhliches Kapitel für euch, wie man an der Überschrift erkennen kann. Trotzdem wünschen wir viel Spaß beim Lesen ^^ ______________ Kapitel 47 Wie man verletzt „Zehn Tage“, wiederholte Reita erneut und dieses Mal ergaben die Worte für Kanon Sinn. Auch wenn er sich wünschte, es wäre anders. „In zehn Tagen ziehst du aus.“ Am liebsten hätte Kanon Reita das Grinsen aus dem Gesicht gewischt. Ihm war absolut nicht zum Lachen zumute. Er konnte doch nicht einfach ausziehen! Er konnte sich doch nicht einfach so rauswerfen lassen! Er wollte nicht gehen. Kanon konnte keinen klaren Gedanken fassen und Aoi schien es wohl ähnlich zu gehen, denn keiner von beiden reagierte, als Reita mit einem fröhlichen „Ich bin dann mal weg“ die Wohnung verließ. Die Tür war schon ein paar Sekunden ins Schloss gefallen, als sich der Gitarrist wieder rührte und Kanon den Bass zurückgab. „Machen wir morgen weiter, okay?“ Der Angesprochene nickte nur und nahm das Instrument entgegen, um es daraufhin in sein Zimmer zu bringen und dort zu verstauen. Während er es in den zugehörigen Basskoffer legte, strich er gedankenverloren über die Saiten, auf denen Aoi gerade gespielt hatte. Er wollte noch viel öfter solche Momente mit dem Älteren erleben, aber wenn er ausziehen musste, dann würde das schwierig werden. Und auch die anderen kleinen Momente. All die kleinen Rituale. Er wollte nicht, dass sie einfach nur in seiner Erinnerung vorhanden waren. Kanon spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete, den er aber mit großer Mühe herunterschluckte, als er hörte, wie aus dem Wohnzimmer die Klänge einer Gitarre zu hören waren. Aoi war noch da. Er musste sich zusammenreißen. Und endlich wieder zurückgehen. Der Ältere schien auch nicht sonderlich angetan von Reitas Entscheidung zu sein, was Kanon zumindest ein bisschen aufmunterte. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie seine Laune gewesen wäre, hätte Aoi einfach gleichgültig zugestimmt. Dieser saß jetzt auf der Couch mit seiner eigenen Gitarre und spielte ein Lied, das Kanon zwar kannte, aber in dieser Wohnung noch nicht so oft gehört hatte. Discharge. Der Bassist konnte sein Gesicht zwar nicht sehen, da Aoi mit dem Rücken zu ihm saß, aber die Art, wie der Ältere spielte, und allein schon die Liedwahl ließ eben genau darauf schließen, dass ihn Reitas Entscheidung auch nicht gerade kalt ließ. Kanon blieb neben dem Sofa stehen und hörte dabei zu, wie Aoi seine Wut mit dem Song herausließ. Er hatte nicht die Kraft sich wieder neben den Älteren zu setzen, geschweige denn dieses anzusehen. Denn das würde bedeuten, dass Aoi ihn auch ansehen würde. Und er würde wahrscheinlich die Verzweiflung in Kanons Augen finden und sie würden reden müssen. Kanon wollte nicht reden. Er wollte die Zeit zurückspulen und Reita für immer in sein Zimmer einsperren. Er wollte die Lebensfreude zurück, die Aoi und er sich die letzten Tage geteilt hatten. Plötzlich stand Aoi auf und zog dann ruckartig das Kabel seiner Gitarre aus dem Verstärker. Kanon wusste nicht einmal, ob das Lied schon zu Ende gewesen war oder nicht. Dafür hatte Aoi zu hektisch gespielt. Fast schon abgehakt. Kanon hatte den Älteren noch nie so spielen hören. Doch die Art wie Aoi seine E-Gitarre beinahe vergewaltigt hatte, war nichts gegen den Blick, den er Kanon jetzt über seine Schulter hinweg zuwarf. Der Jüngere konnte darin so viel sehen und doch nichts. Schmerz, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, aber auch Verschlossenheit. Das Letzte tat wohl am meisten weh. „Ich muss dir wohl gratulieren. In zehn Tagen hast dus endlich geschafft. Reita hält dich nicht mehr weiter gefangen und du bist frei.“ Aoi hatte Kanon bei den Worten wieder den Rücken zugedreht. Die Stimme sollte neutral klingen, aber der Bassist konnte den bitteren Hohn heraushören. Und der Tonfall löste eine Gefühl in Kanon aus, das er bis jetzt nie mit dem sanftmütigen Gitarristen in Verbindung gebracht hatte: Wut. „Du glaubst also wirklich, dass mich das freut?“ Kanon versuchte das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Es war eine Mischung aus Zorn und Enttäuschung. Verstand Aoi ihn wirklich so wenig? Wenigstens schien der Ältere die Regung in Kanons Stimme zu hören, denn er drehte sich nun ganz dem Jüngeren zu, welcher seine beiden Fäuste geballt hatte aus Angst sonst loszubrüllen oder zu weinen. Vielleicht auch beides. „Ist doch so“, antwortete der Ältere und zuckte leicht mit den Schultern. Sein Blick ging an ihm vorbei. Wahrscheinlich zum Fenster raus. Jetzt konnte Aoi ihn noch nicht mal ansehen, wenn er mit ihm sprach? „Deshalb hat Reita dich doch hergeholt. Wieso solltest du dich nicht freuen, dass er mit dir fertig ist? Hat dich ja lange genug gequält.“ Kanon biss die Zähne zusammen. Seine Fingernägel bohrten sich in seine Handflächen. Diese Art, in der Aoi sprach, machte ihn verrückt! Wütend! Seine Stimme wurde lauter. „Toll! Dann kann ich ja auch gleich gehen! Scheint dir ja egal zu sein!“ Auch der Gitarrist schien sich nicht mehr wirklich unter Kontrolle zu haben. Aber zumindest sah er ihn jetzt an, während seine Stimme ebenfalls lauter wurde. „Wenn du gehen willst, dann geh halt! Scheint dir ja auch nicht viel dran zu liegen hierzubleiben!“ Kanon konnte immer noch diese Dinge in Aois Blick lesen. Und Wut. Aber er konnte nicht einschätzen, auf wen der Ältere wütend war, und in seiner eigenen momentanen Verfassung hatte er auch gar nicht den klaren Kopf dafür. Einen Moment zögerte Kanon noch. Sah Aoi an. Aber er konnte diesem wütenden Blick nicht lange standhalten, also drehte er sich um, schnappte sein Handy vom Esstisch und fünf Sekunden später hörte er die Wohnungstür hinter sich zuknallen. Wütend stapfte er die Treppe runter. Das konnte Aoi nicht mit ihm machen! Er hatte wirklich geglaubt, der Ältere würde ihn verstehen, aber da hatte er sich wohl gewaltig getäuscht. Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr Kanon Reitas Beschluss wirklich traf. Er wollte nicht ausziehen. Nicht so bald. Und Aoi hatte das anscheinend absolut nicht verstanden. Und selbst wenn er es verstanden hatte, dann zeigten seine Worte doch, dass ihm nicht sehr viel daran liegen konnte, Kanon das Gefühl zu geben, ihn zu verstehen. Am liebsten hätte Kanon losgeschrien! Aber das kam hier auf der Straße dann doch nicht so gut. Vor allem weil man ihn von Aois und Reitas Wohnung aus noch sehen konnte und er wollte sich nicht die Blöße geben. Kanon starrte vor sich auf dem Boden und versuchte seine Atmung unter Kontrolle zu halten. Er wollte schreien. Er wollte weinen. Er wollte weg und doch zurück. Er wusste nicht, was er wollte. Also lief er weiter. Kanon hatte keine Probleme mehr, sich in dem Viertel zurecht zu finden. Ein paar Mal war es sogar schon passiert, dass er Reita und Aoi auf Abkürzungen hingewiesen hatte, die diese selbst noch nicht kannten. Er kannte sich hier aus. Er fühlte sich hier zu Hause. Und ein Teil von ihm war inzwischen auch wirklich hier zu Hause. Wie hatte er nur so dumm sein und das zulassen können? Teruki hatte ihn gewarnt, aber da war es schon zu spät gewesen. Noch dümmer war allerdings der Glaube gewesen, dass Aoi diese Entwicklung bemerkt, sie vielleicht sogar befürwortet hatte. Und dennoch stand er 20 Minuten später wieder vor dessen Haus, was er fälschlicherweise auch als sein zu Hause betrachtet hatte. Kanon starrte das Gebäude finster an als könnte es etwas für seine jetzige Lage. Er war sich nicht sicher, was er machen sollte. Er bezweifelte, dass eine weitere Runde seine Wut verblassen lassen würde. Je mehr er nachdachte, desto frustrierter wurde er. Aber zurückgehen? Was dann? Weiter streiten? Auch das schien ihm keine gute Alternative. Sein Blick wanderte die Hausfassade hoch und blieb dann an einem ihm sehr bekannten Fenster hängen. All seine Muskeln spannten sich an. Aoi stand da und schaute ihn einfach nur an. Hatte der Ältere ihn die ganze Zeit beobachtet? Hatte er die ganzen 20 Minuten dort gestanden? Der Gitarrist unterbrach ihren Blickkontakt und Kanon war schon darauf gefasst, dass der Ältere vom Fenster verschwinden würde. Stattdessen zog er sein Handy aus der Tasche und hielt es sich dann ans Ohr. Kanon schaute nicht auf sein Display als sein Handy anfing zu klingeln, sondern ging direkt dran. Er wusste schließlich, wer dran war. „Bist du immer noch wütend?“ Keine Begrüßung. Keine Reue in der Stimme. Nur diese kalten Worte. „Ja“, antwortete Kanon ohne lang nachzudenken. Er starrte Aoi durch das Fenster an, doch er konnte keine Reaktion erkennen. Erst nachdem einige Sekunden lang niemand etwas gesagt hatte, fragte der Jüngere: „Du?“ Er bekam Aois Zögern genau mit. Letztendlich kam dann aber doch ebenfalls ein ausdrucksloses „Ja“ aus dem Hörer. Kanon musste zugeben, dass er insgeheim gehofft hatte, der andere wäre nicht mehr sauer. Dass er ihm die Tür öffnete und ihn wieder in die Wohnung ließ. Einen Schlüssel hatte er in seiner Wut nämlich nicht mitgenommen. Er hatte gar keinen Schlüssel mitgenommen! Auch nicht den für seine eigene Wohnung. Und auch kein Geld. Es blieben ihm also nur zwei Möglichkeiten: Entweder er lief noch weiter völlig planlos durch die Gegend oder er bat Aoi ihn reinzulassen. Beides irgendwie nicht gerade tolle Aussichten. „Was hast du denn eigentlich für einen Grund sauer zu sein?“, fragte Kanon schließlich, den Blick noch immer auf die Gestalt am Fenster gerichtet. Wenn Aoi so wenig daran lag, dass er hier blieb, dann hatte er doch wirklich keinen Grund auf irgendwas sauer zu sein. „Ich dachte, du würdest vielleicht wenigstens ein bisschen Freude daran haben, hier zu wohnen. Aber dass du einfach so abhaust…“ „Warte mal!“, unterbrach ihn Kanon. „Wer hat mich denn praktisch rausgeworfen?!“ „Reita!“ „DU hast gesagt, ich soll gehen!“ „Ich hab gesagt, du sollst gehen, wenn du gehen willst!“ Kanon wusste daraufhin nichts zu sagen. Da schob ihm Aoi jetzt auch noch die Schuld in die Schuhe?? Wütend drückte er auf den roten Hörer seines Handys und starrte dann wieder zum Fenster. Der Gitarrist ließ seine Hand ebenfalls sinken, rührte sich aber sonst nicht. Der Jüngere fühlte sich wieder so wie zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Tür zugeknallt hatte. Wütend. Und gleichzeitig so als würde er gleich anfangen zu Weinen. So sauer war er noch nie auf Aoi gewesen. „Verdammt!“, fluchte er leise nach ein paar Sekunden und wählte dann dessen Nummer aus seinem Adressbuch aus. Es war die Erste. Aus dem Hörer war das Tuten zu vernehmen, aber Aoi rührte sich anfangs nicht. Erst nach dem vierten Tuten wurde abgenommen und er führte die Hand wieder an sein Ohr. Kanon versuchte die Erkenntnis zu unterdrücken, dass er selbst den Anruf wohl nicht entgegengenommen hätte, wären ihre Rollen vertauscht gewesen. „Glaubst du wirklich, ich will gehen?“, eröffnete Kanon das Telefonat sofort. Es folgte eine Stille, die ihn nur noch wütender machte. Das Schweigen zeigte dem Bassisten, dass Aoi sich scheinbar gar nicht wirklich Gedanken darüber gemacht hatte, was Kanon wollte und was nicht. War er dem Älteren wirklich so egal? Wenn ja, dann war Aoi ein Heuchler. „Glaubst du wirklich, dass ich mich nicht wohl gefühlt hab? Glaubst du, ich habe nicht gerne morgens mit dir Kaffee getrunken und mit dir vorm Fernseher Abend gegessen? Mit dir geredet und mich von dir aufmuntern lassen?“ Kanon merkte, wie seine Augen nass wurden, doch es war ihm egal. Sollte Aoi doch sehen, wie sehr er ihn verletzte. Wenn Aoi noch nicht einmal gemerkt hatte, dass Kanon ihre gemeinsame Zeit genoss, war das nicht ein Zeichen dafür, dass seine Gefühle dem Älteren eigentlich egal waren? Ein Zeichen dafür, dass ihre ganze Beziehung nur eine reine Wunschvorstellung war? „Glaubst du wirklich, dass mir die letzten Wochen egal waren?“, flüsterte Kanon ins Handy und versuchte eine Regung in Aois Gesicht zu sehen, soweit das von seinem Standpunkt aus möglich war. Zwar sah der Gitarrist geschockt aus. Doch eine Antwort auf seine verzweifelte Frage bekam Kanon nicht. Vielleicht bildete er sich den überraschten Gesichtsausdruck ja auch nur ein. Kanon versuchte sich zusammenzureißen. Es war in Ordnung wenn Aoi ein paar Tränen sah, doch er konnte jetzt nicht völlig vor dem Gitarristen zusammenbrechen. Egal, wie sehr ihm die Stille schmerzte. „Wenn das so ist, dann hab ich hier wohl wirklich nichts mehr zu suchen.“ Kanon wandte sein Blick von dem Haus ab, was er fälschlicherweise als sein zu Hause betrachtet hatte, und drehte sich zum Gehen um. „Was? Warte! Wo willst du hin?“, fragte Aoi plötzlich überrascht. Kanon fühlte sich aber nicht in der Lage sich darüber zu freuen, dass Aoi endlich reagierte. „Miku wohnt nur ein paar Stationen entfernt. Vielleicht kann ich ja bei ihm schlafen.“ „Was?! Das ist doch schwachsinnig! Komm hoch und dann können wir reden.“ Der Jüngere lachte bitter. Jetzt auf einmal also? „Danke Aoi, aber ich brauch dein Mitleid nicht.“ „Das ist kein Mitleid! Ich…“ Wieder betätigte Kanon den roten Hörer, doch dieses Mal hatte er nicht vor zurückzurufen. „Kanon!“ Das laute Rufen ließ ihn kurz zusammenzucken. Scheinbar hatte Aoi jetzt das Fenster geöffnet. Er hatte nicht vor sich umzudrehen, um seine Annahme zu bestätigen. Er lief weiter. „Bleib hier!“ Er ging weiter. „Ich will nicht, dass du gehst, Kanon!“ Er blieb stehen. Aber umdrehen konnte er sich nicht. Es war dieser Satz. Und die Art, wie Aoi seinen Namen ausgesprochen hatte. Wie er nach ihm gerufen hatte. Er konnte sich nicht umdrehen, aber weitergehen konnte er auch nicht. Er stand hier auf der Straße, einige Meter vom Eingang entfernt, und konnte sich nicht rühren. Kanon wollte nicht gehen. Aber ein Teil seines Verstandes und auch seines Herzens war der Meinung, dass es besser wäre. Trotzdem zuckte er erneut kurz zusammen, als er Aois Stimme hinter sich hörte. Näher. Und wieder sein Name. Anscheinend war der Ältere kurzerhand zu ihm runtergerannt und stand nun vor der Haustür. Eine Tatsache, die es Kanon nicht wirklich leichter machte, weiterzugehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)