Bis ans Ende der Welt von Flordelis (Das Schwert folgt stets dem Herzen) ================================================================================ Kapitel 25: Schutzlos --------------------- Dougal war tot. Cain spürte, wie die Magie des anderen verschwand, wie sie versuchte, sich verzweifelt an die Welt der Lebenden zu klammern, während sie unaufhörlich weiter zerrann, bis nichts mehr von ihr übrig bleiben würde. Er war mit Bedauern gestorben, ohne all seine Ziele erreicht zu haben und deswegen wollte die Magie, der mächtigste Teil seiner Seele, nicht loslassen. Er wollte beenden, was er geplant hatte, notfalls durch seine Verbündete Vena – aber Cain würde das nicht zulassen. Ohne Dougal war der Schutz seines Verstecks hinfällig, weswegen es ein Leichtes war, in die Festung einzudringen und dort im Innenhof zu warten, dass Vena zurückkehrte. Sobald der Zauber, der sie vor dem Verbrennen durch die Sonne bewahrte, ebenfalls erloschen war, würde sie hierher zurückkommen, um sich in ihrem Sarg auszuruhen und neue Kraft zu sammeln, damit sie nicht würde sterben müssen. Ihr Auftrag war immerhin noch nicht vorbei, auch wenn Cain nicht wusste, wie er nach dieser unerwarteten Planänderung lauten würde – und wer wollte außerdem schon gerne sterben? Sobald er sie aber erst einmal abgefangen hätte, wäre das alles auch vorbei. Ihr Tod würde Dougals letzte Magie aus dieser Welt tilgen – und er wäre Genugtuung für Cain. Bislang war sie seine einzige Feindin, die entkommen war, aber er würde schon dafür sorgen, dass dies nicht noch einmal geschah. Noch während er darüber nachsann, wie er das am besten und am Zufriedenstellendsten für ihn bewerkstelligen sollte, spürte er plötzlich die Aura einer weiteren Person. Als er den Blick hob, erwartete er, eine Fledermaus zu sehen, die wegen der Schmerzen durch die Luft trudelte, doch stattdessen entdeckte er einen fremdartigen Nebel, dessen weißliche Färbung ihn fast durchsichtig machte, so dass man ihn wirklich nur bemerkte, wenn man sich darauf konzentrierte. Erst im Schatten der Bäume verwandelte der Nebel sich in Vena, die torkelnd in Richtung des Grufteingangs wankte. Ich verstehe. Eine Fledermaus wäre zu anfällig gewesen, der Nebel allerdings nicht. Bevor sie die Gruft erreichen konnte, trat Cain auf den Weg, um sie aufzuhalten. Sie hob den Blick, so dass er sehen konnte, wie ihr kalter Schweiß auf der Stirn stand, was ihn mit einem ungewohnt zufriedenen Gefühl erfüllte. „Was willst du denn?“, fauchte sie. „Denkst du etwa, ich lasse dich damit davonkommen, mich aufhalten zu wollen?“ Sie runzelte wütend ihre Stirn, in ihren Augen flackerte dagegen Panik. „Das werden wir ein andermal klären. Jetzt will ich erst einmal schlafen.“ „Tja, ich bin aber hellwach.“ Kaum hatte er ausgesprochen, zog er bereits sein Kurzschwert hervor und stürmte auf sie zu. Mit einem uneleganten Fall zu Boden, wich sie diesem Angriff aus. Seinem darauf folgenden Tritt entging sie mit einer Rolle zur Seite. Als sie sich wieder aufrichtete, sah es so aus, als würde sie sich erneut verwandeln wollen – doch das Leuchten um ihren Körper erlosch sofort, ohne diesen verändert zu haben. „Dein Zauber wirkt wohl nicht mehr“, spottete Cain. „Bist du bereits derart schwach?“ Sie sah ihn wieder an, den Blick diesmal voll Zorn und Gier – er wusste, wonach sie gierte, würde das aber mit Sicherheit nicht zulassen. Mit ihrer letzten, verbliebenen Kraft, stürmte sie auf ihn zu, um ihn zu beißen, aber es erforderte nicht viel von ihm, dem zu entgehen. Ein knapper Schritt zur Seite genügte, um sie ins Leere laufen zu lassen, derart verkümmert waren ihre Reflexe bereits, stumpf geworden durch ihren immer schwächer werdenden Körper. Es amüsierte Cain auf ungeahnte Art und Weise, wie ungeschickt sie sich plötzlich anstellte. Fast schon glaubte er, endlich seinen Meister und dessen Wahl der Freizeitgestaltung verstehen zu können. Allerdings hatte sein Meister nicht mit jeder dieser Personen eine eigene Rechnung zu begleichen, im Gegensatz zu ihm an dieser Stelle. Vena stürzte zu Boden, sie keuchte leise und stieß gleich darauf ein Knurren aus. „Verdammt!“ Rauch kräuselte sich von ihrem Körper in die Luft und verriet, dass selbst der Schatten nicht mehr ausreichte, sie zu schützen. Sie wusste es ebenfalls und schleppte sich daher, mit vorgebeugtem Oberkörper, wieder in Richtung der Gruft, ungeachtet der Tatsache, dass Cain noch immer davorstand. Er könnte sie einfach abhalten, ins Innere zu kommen und dann warten, bis sie gänzlich verbrannte. Aber danach stand ihm im Moment nicht der Sinn. Also holte er mit dem Kurzschwert aus, trieb es ihr durch den Oberkörper und rammte es dann in den Boden, um sie dort festzuhalten. Nach einer größeren Anstrengung als das, stand ihm ebenfalls nicht der Sinn. Sie stieß ein erschrockenes Keuchen aus und hob den Blick, um ihn wütend anzusehen. Er hätte sich vor sie knien können, um mit ihr zu sprechen, aber statt sich derart für sie hinabzubegeben, erwiderte er ihren Blick von oben herab, damit sie auch in ihrem letzten Moment noch deutlich merkte, wie sehr er über ihr stand. „Niemand macht sich über mich lustig, auch du nicht.“ Ihre hasserfüllten Augen schienen ihn direkt zu durchbohren, aber das kümmerte ihn auch nicht weiter. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie komplett verschwunden war, er empfand dies als gerechte Strafe für ihr Verhalten. „Pff~.“ Sie begann leise zu lachen. „Ich habe nur die Tatsache ausgesprochen, dass du kleinen Mädchen nichts antun kannst – und das sieht für mich nun einmal deutlich danach aus, dass du interessiert an ihnen bist.“ Er versetzte ihr einen Tritt, der sie aufkeuchen ließ; das Schwert schnitt nach rechts, als ihr Oberkörper sich abrupt in die andere Richtung bewegte. Aber es imponierte ihm ein wenig, dass sie selbst in diesem Moment noch derart vorlaut sein konnte, statt um ihr Leben zu betteln. Andererseits wusste sie wohl auch, dass es nichts bringen würde und wollte deswegen nicht so ... untergehen. „Du wirst mich nicht betteln hören“, fauchte sie, als wären ihr seine Gedanken bekannt, weswegen er sich unwillkürlich fragte, ob sie ihn wohl so einfach durchschauen konnte. Aber natürlich ließ er sich das nicht anmerken. „Zu schade, dann muss ich mir ja nicht mal ein schlechtes Gewissen machen, dass ich dich sterben lasse. Das sollte dich doch stören, oder?“ Doch auf diese Provokation bekam er die eigenartigste Antwort, die es für ihn geben könnte:„Wenn ich erst einmal tot bin, kümmert mich das nicht mehr weiter.“ Sie war überraschend vernünftig für eine Feindin, wie er feststellte. Er bedauerte fast, dass sie keine weitere Zeit miteinander verbringen würden. Immer mehr Rauch stieg von ihr auf, kräuselte sich in den Himmel hinauf und verkündete, dass es nicht mehr lange dauern würde. Cain trat einen Schritt zurück und beobachtete, wie sie sich langsam aufzulösen begann. Es war nicht so als würde man einen Menschen dabei beobachten, langsam von innen heraus zu kochen, sondern als würde Papier Feuer fangen. Ihre weiße Haut schien plötzlich von innen heraus zu glühen, brach auf, als würde Lava herauskommen wollen, aber stattdessen breitete sich die Glut nur immer weiter aus, bis ihr ganzer Körper davon vereinnahmt war. Dieser ganze Prozess ging überraschend schnell vonstatten, aber sie schrie die ganze Zeit über, wie es von jemandem zu erwarten war, der einen solchen Vorgang durchmachte. Doch nicht einmal dieser Laut schaffte es, Cains Herz zu berühren. Er beobachtete, wie sie verglühte, bis sie schließlich vollständig zu Asche verfiel und es kümmerte ihn nicht weiter. All der grimmige Respekt, den er bis eben noch für sie empfunden hatte, war hinfortgeweht, genau wie die Asche, die in diesem Moment vom Wind ergriffen und fortgetragen wurde. Er sah ihr nach, bis sie vollkommen aus seinem Blickfeld verschwunden war und zuckte dann mit den Schultern. Dabei nahm sie Dougals letzte Hoffnung mit sich und ließ auch den noch verbliebenen Rest seiner Magie sterben. Für einen kurzen Moment musste er tatsächlich freudlos lächeln, aber es erlosch sofort wieder. Stattdessen trat er wieder einen Schritt näher und zog sein Kurzschwert aus der Erde heraus, um es wieder einzustecken. Es wird langsam Zeit. Ich muss mir überlegen, wie ich weiter fortfahren soll. Damit wandte er sich bereits ab und ging mit langsamen Schritten davon, ohne noch einen weiteren Gedanken an Vena zu verschwenden. Es gab zwar keinen Sinn mehr, dass er sich weiter um Tengaar kümmern sollte, aber sein Meister hatte ihn auch noch nicht zurückbeordert, also war der Auftrag noch nicht vorbei – und er würde sich bis zum Ende darum kümmern. Ailis mochte die Atmosphäre bei ihrer Rückfahrt nicht, was sie glücklicherweise von ihrer Angst vor dem Wasser ablenkte, sie aber viel zu besorgt sein ließ, was später wieder zu Kopfschmerzen führen würde, wie sie wusste. Tengaar hatte Hix' Arm umschlungen und klammerte sich an ihn, er schien vollkommen gelöst und einfach nur entschlossen, wieder heimzugehen. Die beiden Mädchen starrten mit leerem Blick in die Entfernung, was ein eindeutiges Zeichen dafür war, dass sie sich miteinander unterhielten und Fion war während des Navigierens vollkommen in seine eigene Welt versunken, vermutlich dachte er immer noch an Dougal. Ailis' Gedanken drehten sich allerdings bereits um etwas ganz anderes. Etwas, das sie vergessen hatte, das aber irgendwo tief in ihrem Gedächtnis immer noch vorhanden war und ihr nun etwas mitzuteilen versuchte, ohne dass sie es verstehen konnte. Es hatte etwas mit Tengaar zu tun, das war deutlich, aber worum es sich dabei genau handeln sollte, blieb ihr verschlossen. Dass ihr keiner der anderen dabei helfen konnte, dieses wichtige Thema zu erörtern, trug sie ihnen allen übel nach. Aber sie hoffte, dass die beiden Zwillinge zumindest darüber sprachen. Als Tengaar Ailis' wiederholten Blick zu bemerken schien, schmiegte sie sich noch ein wenig dichter an Hix und schmunzelte dabei. Es war ein wenig so, als wäre sie schutzlos, obwohl jeder von ihnen eigentlich wusste, dass sie das nicht einmal im Mindesten war. Schutzlos ... hum, woran erinnert mich das nur? Vielleicht wollten ihre Gedanken sie gar nicht an Tengaar erinnern, sondern an jemand anderen? Warum können sie sich dann nicht deutlicher ausdrücken? Doch mitten in diese Überlegungen hinein, erklang plötzlich Fions Stimme: „Wir sind gleich da. Dann werden wir uns ein Gasthaus suchen, um dort die Nacht zu verbringen, ehe wir euch nach Hause bringen, ist das in Ordnung?“ Tengaar nickte sofort und nach einem kurzen Moment schloss Hix sich dem an. Dabei wirkte es so, als hätte er die Worte nicht einmal wirklich mitbekommen und das brachte Ailis wieder auf einen anderen Gedanken: Vielleicht ist es auch nicht Tengaar, die hier schutzlos ist, sondern Hix ... was auch immer hier gespielt wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)