Bis ans Ende der Welt von Flordelis (Das Schwert folgt stets dem Herzen) ================================================================================ Kapitel 22: Wieder vereint -------------------------- Hix' Geduld erschöpfte sich nicht oft. Normalerweise waren es immer andere, deren Geduldsfaden er strapazierte, bis dieser riss. Besonders bei Tengaar war er es gewohnt, dass sie ihm ein genervtes Schnauben zukommen ließ, sobald er nicht das tat, was sie wollte oder – was häufiger vorkam – er dafür zu viel Zeit benötigte. Doch an diesem Tag war er es, der sich kurz davor sah, entweder ein lautes Stöhnen, ein genervtes Seufzen oder sogar ein Knurren von sich zu geben. Der Grund dafür war Ailis, die sich an dem Essen gütlich tat, das in diesem Gasthaus angeboten wurde. Es war keines von jenen, das in einer Stadt stand, sondern eines mitten auf dem Feld, um Reisenden Unterschlupf zu gewähren, da der Weg zwischen Westpalast und Stormfist doch recht weit zu sein schien. „So etwas gab es früher noch nicht“, hatte Rim erklärt. „Aber nach dem falenischen Zivilkrieg wurden sie errichtet. Vermutlich, weil es praktischer ist, wenn man nicht mit einem Boot auf dem Feitas reisen will oder kann.“ Er hatte verstanden, dass der Feitas ein Fluss war, der durch das ganze Land führte – und an dessen Ufer sich auch dieses Gasthaus befand – weswegen es einfacher war, mit einem Boot zu reisen, als zu Fuß. Aber da sie nach jemandem suchten, mussten sie laufen, da immerhin die Möglichkeit bestand, ihr so unterwegs zu begegnen und Hix hoffte, dass das bald geschehen würde. Was er aber nicht verstand war die Frage, weswegen Ailis seine letzten Ersparnisse in diesem Gasthaus für ihr Essen ausgeben musste – und wie sie es schaffte, derart viel hinunterzuschlingen. Besonders in einer Zeit wie dieser, in der ihm das Essen geradezu im Hals steckenblieb. Dabei war die Antwort so einfach, wie er wusste: Ihr lag nun einmal nichts an Tengaar, ihm dagegen schon und der Gedanke, dass ihr möglicherweise gerade in diesem Moment etwas zustieß, war zu viel für ihn. „Ich finde, wir sollten langsam aufbrechen“, bemerkte er daher ungeduldig, während Ailis gerade noch den Rest von ihrem Teller kratzte, als wäre sie kurz vor dem Verhungern, obwohl die bereits geleerten drei Platten vor ihr, eine andere Geschichte erzählten. Allerdings, flüsterte da eine Stimme in seinem Inneren, kann es ja sein, dass das Öffnen des Portals sie Kraft gekostet hat. Ich weiß ja nicht, wie Magier mit solchen Dingen umgehen. Entgegen seiner Befürchtung, nickte Ailis und schob den nun leeren Teller von sich. „Ja, ich denke auch, dass wir langsam weiter sollten. Aber...“ Der Hauch eines schlechten Gewissens schlich sich auf ihr Gesicht, sie zog die Schultern hoch, als würde sie sich damit vor ihm verstecken können, da Hix' Miene sich bereits in unguter Vorahnung verfinsterte – zurecht, wie sie ihm gleich darauf bestätigte: „Ich weiß eigentlich gar nicht so genau, wo Dougal sich eigentlich versteckt... gemeinsam mit Tengaar.“ Hix' Kopf ruckte in Rims Richtung, damit diese ihm versicherte, dass sie es sehr genau wusste, aber sie wirkte genauso überfordert. „Das ist eigentlich eher die Sache von Fion“, erklärte sie, um Entschuldigung heischend. „Er weiß, wo sich Dougals Verstecke befinden.“ Plötzlich kam er sich doch reichlich naiv vor. Er hätte vielleicht nicht so vehement darauf bestehen sollen, sofort loszureisen – aber wenn er nur ein wenig gezögert hätte, wäre er niemals losgezogen, würde nun in einem Gasthaus in Zexen sitzen und zitternd darauf warten, dass irgendjemand zurückkehrte, obwohl er davon überzeugt war, dass es nicht eintreten würde. So aber war er nun in Falena und egal wie gering die Chance war, dass er Tengaar über den Weg laufen würde, er musste sie nutzen. „Wir werden sie schon finden“, sagte er daher überraschend zuversichtlich. „Egal wie groß Falena ist, irgendwo muss sie ja sein.“ Rim lächelte zufrieden über seine Worte und wandte sich an Ailis. „Kannst du sie nicht auch aufspüren? Oder zumindest Fion? Das dürfte doch eine Kleinigkeit für dich sein.“ Ihrer einschmeichelnden Stimme schien Ailis nichts abschlagen zu können. Stolz schlug sie sich gegen die Brust. „Aber natürlich! Überlasst das nur mir!“ Nachdem Hix – mit einem innerlichen Seufzen – sein letztes Geld ausgegeben hatte, um zu zahlen, verließen sie das Gasthaus, worauf sich ihnen die Krähe wieder anschloss und entfernten sich auf Ailis' Anweisungen von diesem, damit sie würde beobachten können, während sie versuchte, Tengaar oder Fion aufzuspüren. Sie folgten dem Feitas flussaufwärts, bis Ailis überzeugt war, dass niemand sie stören oder auch nur beobachten könnte, dann scheuchte sie ihre beiden Begleiter beiseite, um genügend Platz zu haben, wobei sich der Kriegerlehrling irritiert fragte, was sie eigentlich genau plante, wenn sie schon derart viel Raum dafür benötigte. Zu seiner Verwunderung verharrte sie bewegungslos an einem Fleck, die Augen geschlossen, das Gesicht dafür so konzentriert wie er es noch nie bei ihr gesehen hatte. Je mehr Zeit verging, desto mehr spürte er, wie machtvolle Schwingungen von ihr ausgingen, erst schwach und undeutlich, aber bald immer stärker und auch klarer. Es war eine ähnliche Energie, wie jene, die von Dougal ausgegangen war, als Hix ihn durch die Messingburg verfolgt hatte. Aber die von Ailis war wesentlich freundlicher, wärmer, wenngleich sie immer noch ein bedrohlich fremdartiges Gefühl für ihn darstellte. Ob sich die Menschen damals alle so gefühlt hatten, wenn sie es mit Magiern zu tun hatten? Während er wieder einmal Verständnis für die furchtsamen Menschen aufbrachte, die gegen die Magier angegangen waren, stellte er fest, dass sich ein sanftes Glühen auf Ailis' Haut bildete, ihre Haarspitzen sogar zu knistern begannen, beides Eindrücke, die ihn zurückweichen und mit dem Gedanken spielen ließen, ob er nicht vielleicht doch lieber fliehen sollte. Es war Rims ruhige Art, während sie das betrachtete, die ihn von dieser Panikreaktion abhielt. Und ehe er sich's versah, war das Spektakel bereits vorbei und Ailis kehrte zu ihrem normalen Verhalten zurück. „Ich konnte Fion orten“, verkündete sie strahlend. „Und ich bin ziemlich sicher, dass er ebenfalls weiß, wo ich bin. Er wird bestimmt bald hier sein.“ Doch ehe Hix fragen konnte, wie es um Tengaars Aufenthaltsort bestellt war, hörte er bereits eine fast schon vergessene Stimme hinter sich: „Bald ist ein wenig untertrieben.“ Mit einem letzten Versuch Fions, gab das magische Konstrukt, das Cain erschaffen hatte, endlich nach und erlaubte es den beiden Gefangenen damit, den Raum wieder zu verlassen. Voller Freude riss Zahra die Tür auf und trat bereits über die Schwelle, als fürchtete sie, der Zauber könne jeden Moment wieder einsetzen und sie erneut einsperren. Fion folgte ihr ein wenig langsamer. Nicht nur zehrte die eingesetzte Magie an seinem Körper, er war noch dazu hungrig und auch müde und es überraschte ihn, dass Zahra weder das eine noch das andere zu sein schien, obwohl sie ihm sonst am meisten mit derartigen Bedürfnissen in den Ohren lag. Andererseits war er auch dankbar dafür, dass es gerade heute anders war, denn das hätte er nicht auch noch ertragen. Wie er erwartet hatte, war von Tengaar keine Spur mehr auszumachen. Sie musste die Stadt verlassen haben. Wenn sie inzwischen im Hafen von Spinacks war, konnte sie nun überall sein, wie er wusste. Der Weg war zwar weit und nicht ungefährlich, aber sie war eine Kämpferin, sicher schreckte sie das alles nicht ab, so dass er nicht hoffen konnte, sie zitternd unter irgendeinem Felsen zu finden, wo sie Schutz vor den Monstern gesucht hätte. Einmal, bei einem anderen Mädchen, mit dem Dougal dasselbe versucht hatte, war es tatsächlich so gekommen – aber am Ende hatte Fion sie nur zurückgebracht, damals war ihm noch nicht klar gewesen, was sein Bruder mit ihnen tat. Diesmal aber war sein Ziel, das Mädchen zu töten, wenn er es fand, aber inzwischen machte er daraus lieber ein falls er es fand. „Was jetzt?“, fragte Zahra. „Warum stehst du nur hier herum? Sie kann nur zum Hafen gegangen sein, wir sollten uns beeilen. Oder kannst du sie woanders spüren?“ „Genau genommen...“ Er hielt inne, obwohl es ihm bereits eine Weile bewusst gewesen war, nur dass er keinen Gedanken daran verschwendet hatte. „Ich spüre sie nicht. Entweder sind meine Sinne dafür nicht fein genug“ – auch wenn er es hasste, sich das eingestehen zu müssen – „oder Dougal hat sie möglicherweise wieder erwischt.“ In diesem Fall hatte er sie sicherlich bereits wieder in seine Burg gesperrt – oder sie zu einem seiner anderen Verstecke gebracht, vielleicht sogar eines, das Fion nicht einmal kannte – und würde sie bis zur nächsten Möglichkeit, seinen Versuch zu wiederholen, nicht wieder nach draußen lassen. Falls das wirklich so sein sollte, war für Fion alles verloren und er konnte nur hoffen, dass Dougals vorwitziger Plan erneut misslang. „Vielleicht hat Cain sie wieder mitgenommen“, erwiderte Zahra. „Er ist sicher auch sehr gut darin, Spuren zu verwischen und immerhin ist er ihr ja gefolgt, nicht wahr?“ Diese Alternative gefiel Fion wesentlich besser, weswegen er sich gedanklich lieber darauf konzentrierte. „Du hast recht. Bestimmt hat er sie erwischt und irgendwohin gebracht, damit sein Meister sich weiter amüsieren kann.“ Mit Abscheu dachte er an den Magier, der vermutlich gerade vor sich hinschmunzelnd beobachtete, wie all jene Parteien, die nach Tengaar suchten, nicht mehr so recht wussten, in welche Richtung sie sich wenden mussten. Das würde vermutlich so lange gehen, bis er sich langweilte und dann würde eine Änderung eintreten, die es der Handlung erlaubte, voranzuschreiten. Und in dem Moment, in dem er das dachte, spürte er, wie etwas regelrecht nach seiner Seele zu greifen schien. Es war die Magie einer anderen Person, die nach etwas zu suchen schien und deswegen als Energiewelle ausgesandt wurde. Aber sie war nicht kalt wie die von Cain und sie war auch nicht so melancholisch wie jene von Dougal, nein, sie war warm und gehörte eindeutig einer Person, die er kannte. „Ailis ist in Falena.“ Zahra blickte ihn überrascht an, aber ehe sie etwas sagte, konzentrierte sie sich auf ihre Rune und stieß dann einen gleichzeitig erschrockenen als auch erfreuten Schrei aus. „Und Rim auch! Sie sind beide nach Falena gekommen!“ Während sie sich offen darüber freute, verdüsterte sich Fions Laune dadurch nur weiter. Die beiden hatten nicht auf ihn gehört, also war vermutlich auch Hix bei ihnen, der ihnen allen nur ein Klotz am Bein sein würde, ganz zu schweigen davon, dass es seine Mission, Tengaar zu töten, nur unnötig erschweren würde, immerhin wollte er nicht auch noch den Kriegerlehrling umbringen müssen. Wäre er allein gewesen, hätte er das Dreiergespann daher einfach ignoriert und sich lieber auf die Suche nach Cain gemacht, aber da Zahra unbedingt darauf bestand, ihre Schwester wiederzusehen, konnte er das nicht einfach ablehnen. Also öffnete er, reichlich widerwillig, ein Portal, das sie direkt zu den anderen bringen sollte und dabei natürlich erfolgreich war. Wie er befürchtet hatte, war Hix ebenfalls anwesend, was nun aber nicht zu ändern war. Viel wichtiger war für ihn in diesem Moment etwas anderes, das er aus dem nicht weit entfernten Wald spüren konnte und ihn geradewegs zu verspotten schien – aber darum würde er sich noch kümmern. Mit langsamen Schritten näherte er sich der Gruppe. „Ich konnte Fion orten“, verkündete Ailis strahlend. „Und ich bin ziemlich sicher, dass er ebenfalls weiß, wo ich bin. Er wird bestimmt bald hier sein.“ „Bald ist ein wenig untertrieben“, warf Fion ein. Noch ehe die anderen sich ihm zuwenden konnten, stürmte Zahra auf Rim zu und umarmte sie bereits so heftig, dass ihr sichtbar die Luft wegblieb. Ailis sah glücklicherweise von einer Umarmung ab und Hix schien ohnehin fast schon ein wenig schuldbewusst, gleichzeitig war da aber auch ein trotziges Flackern in seinen Augen zu sehen. Fion konnte es nur allzugut verstehen, weswegen er eigentlich nicht weiter darauf eingehen wollte, aber... „Ailis, warum hast du nicht auf mich gehört?“ Sie lächelte entschuldigend. „Hix wollte unbedingt... und er kann sehr überzeugend sein, weißt du?“ Wenn man den Kriegerlehrling ansah, konnte man das zwar nicht so wirklich erkennen, aber Fion wusste, dass selbst Mäuse geradezu unentdeckte Kraftreserven freisetzen können, wenn sie sich in einer Notsituationen befinden und für Hix musste es genau so ausgesehen haben. „Schon gut“, sagte er daher, ehe der eigentlich Schuldige für Ailis' Vergehen das Wort ergreifen konnte, es war deutlich, dass er bereits überlegte, wo er anfangen sollte. „Du suchst nach Tengaar, das kann ich gut verstehen.“ „Weißt du, wo sie ist?“, fragte Hix hoffnungsvoll. In knappen Worten erklärte Fion, dass sie die Gesuchte aus Dougals Fängen befreit hatten und sich dafür nun in der Gewalt von Cain befand, was bei Ailis zu einem Frösteln führte, das derart intensiv war, dass sie sogar die Arme um sich schlingen musste. Hix sah sie fragend an, aber der Blick, mit dem sie antwortete, war deutlich genug, um zu sagen, dass sie es später erklären würde. Offensichtlich verstand er das tatsächlich, denn weder hakte er weiter nach, noch hielt er den Blickkontakt aufrecht und sah stattdessen lieber wieder Fion an, der nun mit der nächsten Nachricht aufwarten konnte: „Aber sie ist gar nicht so weit, wie ihr vermutlich glaubt. Ich kann Cains Magie deutlich spüren und sie kommt aus diesem Wald.“ Während Hix vor Aufregung fast die Luft anhielt, deutete Fion zum nahegelegenen Wald hinüber, so dass sich alle in diese Richtung drehten, Rim und Zahra tauschten bereits Mutmaßungen auf, wie sie am besten vorgehen sollte und eine davon war es, dass die Gruppe sich aufteilte, was Fion äußerst gelegen kam. Er wusste, es gab nur noch eine Chance, um seinen Plan durchzuführen. Er musste sich von den anderen trennen – und dann musste er Tengaar finden, bevor es Hix gelang. Tengaar hätte vor Wut am Liebsten laut geschrien und gegen den nächstbesten Baum getreten, so lange, bis entweder dieser nachgegeben oder ihr Fuß zu sehr geschmerzt hätte, auch wenn sie wusste, dass letzteres eher der Fall gewesen wäre. Allerdings war ihr keines von beidem möglich. Cain hatte ihr nicht nur die Hände auf dem Rücken festgebunden, sondern sie mit dem Oberkörper auch an einem Seil befestigt, das wiederum von dem hohen Ast eines Baumes hing, so dass sie nicht einmal den Boden unter den Füßen spürte. Und zuguterletzt hatte er – damit sie nicht nervte, wie er gesagt hatte – sie auch noch geknebelt, also musste sie sich darauf beschränken, ihn wütend anzufunkeln, was ihn allerdings nicht weiter zu stören schien. Er saß auf einem Felsen, die Beine fest auf dem Boden, den Oberkörper vornübergebeugt und wirkte angespannt, nicht so als würde ihm das alles irgendwie Spaß machen, sondern als hoffte er, dass alles bald vorbei war und er wieder dorthin gehen konnte, von wo er gekommen war. Unter anderen Umständen hätte Tengaar vielleicht Mitleid entwickelt, aber so konzentrierte sie sich viel lieber auf ihre Wut ihm gegenüber, da er sie in diese Situation, in der sie sich wie ein lebender Köder fühlte, überhaupt erst gebracht hatte. Dort, wo das Seil um ihren Körper spannte, brannte die Haut bereits, was ihren Zorn nur weiter anfachte, aber selbst ihr ersticktes Fluchen und ihr wütendes Strampeln brachten ihn nicht aus der Fassung. „Du verletzt dich noch, wenn du so weitermachst“, sagte er. „Und das wollen wir doch nicht, oder?“ Nur allzugern hätte sie ihm entgegengespien, dass er keine Ahnung hatte, was sie wollte, aber da das nicht ging, fuhr er einfach selbst fort: „Und dein Liebster will dich sicher auch nicht verletzt sehen, wenn er erst einmal hier ankommt.“ Abrupt hielt sie inne. War Hix etwa wirklich in Falena? Sagte er die Wahrheit? Oder log er sie an? Der realistische Teil ihres Gehirns sagte ihr, dass es nicht möglich war, dass Hix ebenfalls hier war, aber der andere, der romantische und verträumte Teil, entgegnete, dass es sehr wohl möglich war. Wenn sie mittels eines Zaubers hierher befördert worden war, musste das für ihn ebenfalls gegangen sein und damit war ihre Hoffnung, dass er sie retten würde, nicht vergebens gewesen. Er müsste sie nur noch finden... in einem fremden Land... während sie in einem Wald an einem Baum hing. Aber trotz der Auswegslosigkeit vertraute sie darauf, dass er kommen und sie retten würde, sogar vor diesem Cain, dessen Motivation sie nicht ganz nachvollziehen konnte und der ihr gegenüber auch kein Wort davon verlor, warum er das tat. „Ich habe gesehen, wie dieser Kerl“ – er spie das Wort aus, als würde er die gemeinte Person verabscheuen – „Dougal verletzt hat.“ Er muss Landis meinen... Tengaar runzelte ihre Stirn über dieses plötzliche Thema, von dem sie nicht wusste, wohin es führen würde. Glücklicherweise fuhr er direkt fort: „Soweit ich weiß, verfügt er über keine Heilmagie. Ich frage mich ja, was er wohl gerade deswegen tut.“ Zum ersten Mal wirkte er fast wirklich amüsiert, als bereitete ihm die Vorstellung eines verletzten Dougal, der versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, tatsächlich Vergnügen, was Abscheu in Tengaar auslöste. Wie konnte ein Mensch sich nur so sehr am Schmerz anderer erfreuen? Aber ihr blieb keine Zeit, sich in die Wut hineinzusteigern, denn der Klang eines Glöckchens verriet ihnen beiden, dass sie nicht mehr allein waren. Cain sprang sofort von seinem Felsen auf, legte eine Hand auf den Griff seines Schwertes und sah sich angespannt in alle Richtungen um. Ein leises Kichern erklang, gefolgt von einer süßlichen Stimme, die Tengaar noch nie zuvor gehört hatte: „Oh, das musst du dich nicht mehr lange fragen. Ich werde euch einfach beide zu Dougal bringen – denn wenn ich mit dir fertig bin, Eisherz, wirst du um unsere Gnade betteln!“ Obwohl Tengaar noch niemanden sehen konnte, stürmte Cain in eine bestimmte Richtung vor, zog in einer fließenden Bewegung sein Kurzschwert und griff gleichzeitig damit an. Tatsächlich ertönte ein dumpfes Geräusch und als endlich etwas sichtbar wurde, erkannte Tengaar, dass die Klinge auf ein Schild aus Licht geprallt war, erstellt von einer jung aussehenden, in Schwarz gekleideten Frau mit weißem Haar, das zu zwei Pferdeschwänzen gebunden war. Als Cain ausholte, um noch einmal anzugreifen, ließ sie das Schild verschwinden und verwandelte sich in eine schwarz-rote Fledermaus, um den Standort zu wechseln und dabei seinen wiederholten Schwertschlägen graziös auszuweichen. Tengaar hatte das Gefühl, ihr Innerstes würde gefrieren. Wieder fiel ihr die Gruft in Dougals Burg ein, die sie nicht hatte betreten wollen, nachdem sie gewusst hatte, was sich darin befand. Dougal hat sie wirklich hinter mir hergeschickt... Faolan hat nicht gelogen. Zu allem Überfluss schienen weder Cains Schwerthiebe, noch seine Magie diesen Vampir auch nur ansatzweise zu treffen. Da überraschte es Tengaar nicht weiter, dass die jung aussehende Frau mit einem siegessicheren Grinsen wieder vor ihm erschien. „Oh Eisherz, vielleicht hättest du mehr Zielübungen veranstalten sollen. Aber du hast deine Chance verpasst und die Höflichkeit gebietet es, dass ich mich vorstelle, ehe ich dich beiße: Mein Name ist Vena und du wirst mein nächster, unfreiwilliger Blutspender sein!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)