Bis ans Ende der Welt von Flordelis (Das Schwert folgt stets dem Herzen) ================================================================================ Kapitel 2: Wölfe in der Nacht ----------------------------- Wasser. Endlos, wohin auch immer er blickte. Es erstreckte sich in alle Himmelsrichtungen bis zum Horizont, ohne den geringsten Hinweis auf Land, ohne jedes Tier, das sich in Landnähe aufhielt und ihm damit neue Hoffnung gab, das rettende Ufer erreichen zu können. Seine Arme, aus denen langsam jedes Gefühl wich, hielten ihn bislang noch über dem Wasserspiegel. Er fürchtete den Moment, in dem sie ihre Funktion einstellen und er wehrlos untergehen würde, untätig dem immer schwächer werdenden Licht hinterhertrauernd. Ein Schrei holte ihn aus seiner Hoffnungslosigkeit und gleichzeitig aus seinem Traum. Aufrecht saß er im Bett, noch bevor er überhaupt wach war. Mit weit aufgerissenen Augen sah er sich im Zimmer um, bis sein Blick auf dem Nachbarbett hängenblieb. Tengaar lag zusammengekauert darauf – und weinte. Es war viele Jahre her, seit er sie zuletzt weinen gesehen hatte. Normalerweise war sie die Starke von ihnen beiden, diejenige, die stets einen kühlen Kopf behielt. Doch nun lag sie da... Erschrocken sprang Hix auf, stolperte dabei beinahe über seine Füße und kniete sich neben das andere Bett. „Tengaar, w-was ist los? Ist dir schlecht?“ Es war tatsächlich das erste, was ihm dazu einfiel. Sonderlich empathisch war er noch nie gewesen. „Nein“, brachte sie schluchzend hervor. „I-ich hatte einen Albtraum.“ Konnte ein solcher Traum sie wirklich dermaßen aus der Fassung bringen? Vielleicht war es auch nur die Wut darüber, dass er immer noch kein Krieger war, weswegen sie noch nicht nach Hause gehen konnten. Dann war es seine Schuld, dass es ihr so schlecht ging. „Was hast du geträumt?“ Unbeholfen strich er ihr über das Haar, doch sie wischte seine Hand grob beiseite. „D-du hast mich umgebracht! Du hast mich einfach mit deinem Schwert durchbohrt!“ Über diese Anschuldigung verwirrt blinzelte er mehrmals, die Worte schienen ihn selbst zu durchbohren. „W-warum sollte ich so etwas tun?“ „Keine Ahnung!“, schluchzte sie wütend. „Aber es war so echt, alles!“ Hix betrachtete sie betrübt. Warum träumte sie so etwas? Niemals würde er ihr etwas antun, besonders nicht so eine Tat. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, schon allein, wenn er daran dachte. Was ihn aber vielmehr beschäftigte war immer noch die Tatsache, dass der Traum sie dermaßen verstörte, dass sie weinte. Ihr Schluchzen klang so bitterlich, sein Herz wollte brechen. Noch einmal versuchte er, sie zu beruhigen, indem er ihr über den Kopf strich, doch wieder stieß sie ihn von sich. „Du sollst mich nicht anfassen!“ Erschrocken wollte er zurückspringen, da er aber kniete, landete er nur schmerzhaft auf seinem Hinterteil und stieß im nächsten Moment mit dem Rücken gegen sein Bett. Kein Laut entfuhr ihm dabei, sein Blick zeigte klar die Verwirrung, die diese Behandlung ihm verschaffte. „T-Tengaar?“ Das Gesicht in ihr Kissen vergraben, schluchzte sie weiter, ihre Schultern zuckten dabei unkontrolliert. Schweigend beobachtete Hix sie dabei. Am Liebsten wäre er ebenfalls in Tränen ausgebrochen, doch er riss sich zusammen. Im Moment hätte das keinem von ihnen geholfen. So plötzlich wie das Weinen angefangen hatte, so schnell hörte es auch wieder auf. Sie richtete sich auf und fuhr sich über die Augen, bevor sie sich an ihn wandte. Der Blick, dem sie ihm dabei zuwarf, ließ regelrecht sein Blut in den Adern gefrieren. Aller Hass der Welt schien darin zu liegen – und er konzentrierte sich einzig und allein auf ihn. „Das ist alles deine Schuld!“, kreischte sie plötzlich schrill. Sie sah ihm an, dass er die Anschuldigung offensichtlich nicht verstand, denn bevor er sich genug sammeln konnte, um nachzuhaken oder etwas zu erwidern, fuhr sie bereits mit unverminderter Lautstärke fort: „Nur wegen dir sind wir jetzt hier! Du hast mich nach Zexen gebracht!“ Dann ist der Grund für ihre Albträume irgendwo in diesem Land?, überlegte er, ohne etwas darauf zu sagen. „Aber ich werde nicht hierbleiben!“, rief sie plötzlich entschlossen aus, als sie aufsprang. Hastig fuhr sie in ihre weißen Schuhe. Bevor er sie aufhalten konnte, hatte sie bereits die Tür hinter sich zugeworfen. Er konnte nicht anderes tun, als ihr einen verständnislosen Blick hinterherzuwerfen, gefolgt von den Worten: „Aber es war doch deine Idee, nach Zexen zu kommen.“ Wutschnaubend ließ Tengaar das Gasthaus hinter sich. Dabei wusste sie selbst nicht so genau, was sie eigentlich wütend machte. War es Hix, der sie in diese Gegend geschleppt hatte? Oder dieser seltsame Albtraum, der sie nicht mehr losließ? Sie wusste es nicht, aber genaugenommen interessierte es sie im Moment auch nicht. Sie wollte einfach nur wütend sein, solange dieses Gefühl anhielt. Wie hatte Hix sie überhaupt hierher verschleppen können? Ihr Vater hatte ihr bereits die Erlaubnis, ihn zu heiraten, nach Ende des Dunan-Krieges erteilt, er war also schon als Krieger akzeptiert worden. Warum also mussten sie unbedingt noch weiter weg vom Dorf und ausgerechnet in dieses Land kommen? Nicht, dass ihr Zexen oder zumindest das, was sie bislang davon gesehen hatte, nicht gefallen würde, aber ihr einziger Traum war es, dass Hix ein Krieger werden und sie heiraten würde. Und nun, da dieser Traum in greifbare Nähe gerückt war, war er gleichzeitig so weit weg wie nie zuvor. Hix schien es wirklich mit allen Mitteln rauszögern zu wollen. Oder vielleicht wollte er sie inzwischen auch gar nicht mehr heiraten? Verdenken würde es ihm wohl kaum jemand. Während des Dunan-Krieges hatte sie oft genug mitbekommen, was andere Männer über sie und ihr Verhalten gegenüber Hix dachten. Aber keiner von denen wusste, wie schwer es mit jemandem wie ihm war! Er würde das neue Oberhaupt ihres Dorfes werden, er musste einfach der beste Krieger sein, wenn er sie heiraten wollte. Was sie wieder zu der Frage führte, warum er diese Hochzeit hinauszögerte. Es gab viele Möglichkeiten, die ihr einfielen, aber keine gefiel ihr. Schlimm genug, dass sie sich mit Hix und den unzähligen Dingen, die in seinem Kopf umhergingen beschäftigte, ihre Stimmungsschwankungen der letzten Zeit machten ihr selbst zu schaffen. Sie wusste nicht, wodurch sie ausgelöst wurden, aber im Grunde interessierte sie auch eher, wie sie diese wieder loswerden konnte. Bestimmt war auch das ein Grund, warum sich Hix in letzter Zeit so seltsam ihr gegenüber verhielt. Aber was sollte sie tun? Sie kannte ja nicht einmal die Ursache, wie sollte sie dann dafür sorgen, dass es wieder aufhörte? Unwillkürlich lief ein Schauer über ihren Rücken. Bei Tag war Vinay del Zexay wirklich ein wundervoller Anblick, aber nachts? Es befand sich niemand auf den Straßen, kein Licht brannte hinter den Fenstern, alles war wie leergefegt, als ob sie der letzte verbliebene Mensch in dieser Stadt wäre. Allein der Gedanke machte ihr Angst, weswegen sie hastig versuchte, an etwas anderes zu denken. Doch immer wieder kam ihr nur in den Sinn, dass sie möglicherweise die letzte Person wäre. Eine plötzliche Bewegung nahm ihr diesen Eindruck allerdings sofort wieder. Tief in ihre Gedanken versunken war sie zum Hafen gelaufen, von wo aus eine Seitenstraße zum Einkaufsviertel und dem Hauptplatz vor dem Ratshaus führte. Das sah aus wie ein kleines Mädchen. Neugierig, aber hauptsächlich, um sich auf andere Gedanken bringen, folgte Tengaar dem Kind. Sie entdeckte es schon bald wieder, ein kleines silberhaariges Mädchen, etwa sechs oder sieben Jahre alt, das vornehme Kleidung trug, also allem Anschein nach einer höheren Familie angehörte. Das Mädchen stand da und hielt Ausschau nach irgendetwas, das Tengaar nicht sehen konnte. „He, Kleine“, begann die junge Frau. „Was machst du so spät nachts hier draußen?“ Sie zuckte zusammen, wirbelte aber schon im nächsten Augenblick zu ihr herum. Die fliederfarbenen Augen musterten sie neugierig, doch sie antwortete nicht. Erst als Tengaar sie nach ihrem Namen fragte, schien das Mädchen seine Stimme wiederzufinden: „Chris Lightfellow.“ Aha, also wirklich etwas Höheres. „Und was machst du hier so spät, Chris? Solltest du nicht schon lange im Bett sein?“ Noch einmal warf das Mädchen einen Blick um sich, als ob sie die Antwort auf der Straße suchen würden. „Da war etwas...“ Wieder schwieg sie, doch diesmal weniger lang als zuvor. „Ein Wolf... oder so etwas Ähnliches. Ich habe es genau gesehen.“ „Und darum bist du so spät noch rausgekommen?“ Am Vormittag waren sie und Hix durch das Stadttor gekommen, das von zwei Soldaten oder Rittern bewacht worden war. Nachts war das Tor bestimmt geschlossen. Wie hätten Wölfe also hereinkommen können? Es erschien Tengaar vollkommen unmöglich. Doch Chris schien fest daran zu glauben. Wieder ging ihr Blick umher, nach dem suchend, was sie zu sehen geglaubt hatte. Tengaar wollte ihr gerade vorschlagen, sie nach Hause zu bringen, als sie plötzlich ein Knurren vernahm. Sie wollte sich nicht umdrehen, aus Angst, dass sich dann bewahrheitete, was sie befürchtete. Doch als sie schließlich ein zweites Knurren hörte, machte sie langsam auf dem Absatz kehrt. Das, was da hinter ihr stand, hatte tatsächlich Ähnlichkeit mit einem Wolf, allerdings schien er vollständig aus waberndem Rauch zu bestehen. Die roten Augen glühten in der Dunkelheit. Sie verspürte keine Angst vor diesem Wesen. In Dunan hatte sie oft genug gegen derartige Wesen gekämpft. Sie waren vielleicht nicht aus Rauch gewesen, aber in den Minen von Tinto war sie sogar Geistern begegnet – da würden ihr ein wenig Qualm doch nichts ausmachen. Nein, sie störte etwas anderes bei diesem Anblick. Wölfe, Wölfe, immer nur Wölfe!, dachte sie wütend. Ich kann die langsam nicht mehr sehen! Automatisch griff sie an ihren Gürtel – worauf ihr siedendheiß einfiel, dass ihre Messer noch beim Schmied waren. Gerade jetzt wo sie diese am Nötigsten brauchte! Wider besseren Wissens spielte sie mit dem Gedanken, zu fliehen. Wenn sie schnell genug war, würde sie es vielleicht bis zum Gasthaus schaffen. „Wusste ich es doch“, hörte sie Chris leise sagen. Das Gedankenspiel verpuffte sofort wieder. Sie konnte das Mädchen nicht allein hier lassen. Aber vielleicht konnte sie wenigstens diesem zur Flucht verhelfen. „Chris, ich werde den Wolf ablenken. Du läufst so schnell wie du kannst nach Hause, ja?“ Es dauerte einen kurzen Moment, bis eine Antwort erfolgte, vermutlich musste sie selbst erst einmal nachdenken, ob das für sie möglich war. Doch schließlich konnte Tengaar deutlich das eifrige Nicken spüren. „Ja!“ Es brauchte keine Frage, ob sie das schaffen würde, der entschlossene Tonfall, der in diesem einen Wort gelegen hatte, war genug Beweis. Tengaar müsste den Wolf also nur lange genug ablenken. „Gut, auf drei. Eins... Zwei...“ Plötzlich hielt sie inne. Ein weiteres Knurren erklang – doch diesmal hinter ihr. „Uhm...“ Chris zupfte an Tengaars Kleid. „Da sind noch zwei Wölfe. Aber aus der Nähe sehen sie gar nicht aus wie echte Wölfe, oder?“ Also ist es ihr auch aufgefallen. „Nur keine Sorge.“ Tengaar fand es gar nicht hilfreich, dass ihre eigene Stimme zitterte, während sie versuchte, das Mädchen zu beruhigen. Doch um in Panik zu geraten war später noch Zeit. Erst einmal musste sie zusehen, dass sie etwas gegen diese Wölfe tat. Gut, Waffen habe ich keine mehr. Aber meine Rune! Fast schon erleichtert sah sie auf ihre rechte Hand hinunter, wo die Mutter Erde Rune eingepflanzt war. Eine bessere Version ihrer Erde Rune, die sie zu Beginn des Dunan-Krieges getragen hatte. Blieb nur noch die Hoffnung, dass diese Rune auch tatsächlich etwas gegen diese Wesen ausrichten konnte. Sie hob die Hand – doch sie kam nicht mehr dazu, ihre Magie einzusetzen. Direkt nach einem erstickten Schrei von Chris, spürte Tengaar ein enorm schweres Gewicht in ihrem Rücken, das sie zu Boden riss. Schmerzen durchzuckten ihre Vorderseite beim Aufprall, wurden jedoch sofort von brennender Pein abgelöst, als die Krallen des Wolfs tiefe Furchen in ihrem Rücken hinterließen. Sie brauchte einen Moment, bevor sie begriff, dass sie selbst aus Leibeskräften schrie. Doch hinter den Fenstern blieb alles dunkel. Wie konnte es sein, dass niemand sie hörte? Angestrengt hob sie wieder den Arm. Die Rune leuchtete auf und warf den Wolf von ihr herunter. Das Wesen jaulte auf. Doch gerade als Tengaar sich aufrichten wollte, stürzte sich das Tier vor ihr auf sie und warf sie auf ihren Rücken. Ein weiterer Schrei entfuhr ihr bei dem Schmerz. Deutlich konnte sie die scharfen Reißzähne des Wolfs sehen, als er diese fletschte. In seinen Augen glaubte sie sehen zu können, dass er vorhatte, ihr die Kehle aufzureißen. Verzweiflung durchfuhr sie, mit ihren Armen versuchte sie, ihn wieder von sich herunterzustoßen, doch sie erntete nur weitere Verletzungen dafür. Ihre Rune reagierte nicht mehr, sie musste diesen Wolf also irgendwie alleine besiegen. Doch je mehr sie sich wehrte desto mehr Wunden erntete sie. Die Schmerzen und die wachsende Verzweiflung lähmten sie langsam. Ihr Inneres rief lautstark nach ihrem Freund, doch sie wusste, dass er nicht kommen würde. Mit Sicherheit saß er noch im Zimmer und fragte sich, was er falsch gemacht hatte. Das Maul des Wolfs näherte sich ihrer Kehle, ihre Kräfte ließen nach, sie schloss die Augen und gab sich dem unvermeidlichen Schicksal hin. Für sie schienen Stunden zu vergehen, doch nur den Bruchteil einer Sekunde später jaulte der Wolf über ihr auf, sein Gewicht verschwand. Doch Tengaar traute sich nicht, ihre Augen zu öffnen. Stattdessen krümmte sie sich zusammen, um die Angriffsfläche gering zu halten und ihre Kehle vor einem weiteren Angriff zu schützen. Hinter sich hörte sie dahertrabende Pfoten, aber bevor er sie erreichen konnte, jaulte er ebenfalls laut auf. Was immer da gerade vor sich ging, es schien den Wölfen zu schaden. Langsam öffnete sie die Augen. Für einen kurzen Moment war in ihr die Hoffnung aufgeflammt, dass Hix möglicherweise nach ihr gesucht hatte, doch als sie den Mann vor sich erblickte, erstickte sie wieder im Keim. Er stand mit dem Rücken zu ihr, so dass sie nur sein schulterlanges, schwarzes Haar erkennen konnte. Der dunkelgrüne Mantel offenbarte breite Schultern, in der rechten Hand konnte Tengaar einen Rapier erkennen. Chris kniete sich neben die Gefallene, die sich dem Mädchen sofort zuwandte: „Alles in Ordnung?“ Die Kleine nickte nur schweigend. „Kennst du diesen Mann?“, fragte Tengaar. Das Mädchen schüttelte sofort mit dem Kopf. „Ich habe ihn hier noch nie gesehen.“ Sie sah ihn auch zum ersten Mal und selbst wenn er ein Reisender war, war diese Zeit sehr ungewöhnlich für jemanden, der nur zufällig vorbeikam. Also wo kam er so plötzlich her und was machte er hier? Hastig verwarf sie den Gedanken, immerhin hatte dieser Mann sie gerade gerettet. Sie wollte aufstehen, um sich zu bedanken. Doch als er herumfuhr, traf sie ein Blick aus seinen kalten blauen Augen. „Bleib unten!“ Sein Stimme ließ sie im Sitzen erstarren, obwohl alles in ihr protestierte. Niemand kommandierte sie einfach herum, auch wenn er ihr gerade das Leben gerettet hatte. Aber schon im nächsten Moment hörte sie wieder das Geräusch von rennenden Wölfen hinter sich. Diesmal war es mehr als einer. Instinktiv senkte sie den Kopf und hielt sich die Hände darauf. Sie spürte eine Bewegung über sich, dann hörte sie wieder das schmerzerfüllte Jaulen. Schließlich war die Luft erneut erfüllt von Stille. „Du kannst jetzt aufstehen“, hörte sie die kalte Stimme sagen. Tengaar öffnete wieder ihre Augen. Die Wölfe waren verschwunden, hoffentlich endgültig. „Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?“ Langsam und vorsichtig stand sie auf. Ihr gesamter Körper rebellierte dagegen, ihre Beine drohten unter ihr wegzubrechen, ihr Magen drehte sich um, aber sie gab sich nicht die Blöße dem nachzugeben. Stattdessen wandte sie sich wieder Chris zu. „Du solltest jetzt heimgehen, Kleine. Und geh nicht mehr nachts raus, ja?“ Das Mädchen nickte heftig. Nach einem letzten Blick auf den Fremden und Tengaar lief sie eilig in Richtung Ratshaus davon. Die Rothaarige wandte sich dem Mann zu. „Vielen Dank für Eure Hilfe.“ Er sah sie nach wie vor kalt an. Hätte sie ihn unter anderen Umständen getroffen, wäre sie nie darauf gekommen, dass er ein Lebensretter, zumindest in diesem Fall, sei. Er wirkte mehr wie derjenige, wegen dem man erst in Gefahr geriet. Aber plötzlich hellte sich sein Gesicht auf, seine Züge wurden weicher, als er lächelte. Lediglich Besorgnis verschleierte seine Augen noch. „Ich bin froh, rechtzeitig gekommen zu sein.“ Obwohl seine Worte ehrlich zu sein schienen, stellten sich Tengaars Nackenhaare auf. Etwas stimmte mit diesem Mann nicht – und sie wollte nicht unbedingt herausfinden, was es war. Langsam ging sie an ihm vorbei, auch wenn ihr Körper sie wieder zum Anhalten bewegen wollte, ihr rechtes Bein ließ sich sogar gar nicht bewegen, so dass sie es ein wenig nachzog. Plötzlich kam der Boden auf sie zu – doch bevor sie aufschlug wurde sie von zwei starken Armen festgehalten. Ein vertrauter Geruch, der an Heimat erinnerte, umhüllte sie. Sofort kam ihr Hix in den Sinn, der von Ärger vernebelt wurde. Er lag bestimmt wieder in seinem gemütlichen Bett, während sie hier draußen beinahe umgebracht worden wäre! Dass sie selbst auch dort liegen würde, wenn sie nicht wegen eines Traums rausgerannt wäre, verdrängte sie dabei im Moment völlig. „Ihr solltet einen Arzt aufsuchen“, hörte sie die Stimme des Unbekannten wie durch einen Nebel hindurch. Sie wollte widersprechen, aber ihre Kiefer öffneten sich nicht, ein taubes Gefühl breitete sich rasch in ihrem Körper aus, selbst der Ärger auf Hix war verschwunden. Sie wollte nur noch schlafen. Kaum hatte sie das gedacht, fielen ihr bereits die Augen zu. Sie bemerkte nicht mehr, wie sie hochgehoben und von dem Fremden weggetragen wurde. Ihr letzter Gedanke galt Hix und seinem verwirrten Blick, kurz bevor sie aus dem Zimmer gestürmt war, dann versank alles in Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)