Zwischen Büchern und Brot von SessyFuchs (Fortsetzung zu "Bei Regen Im Park") ================================================================================ Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Kapitel5 „Hey Mama, wie wäre es, wenn ich dich und Vater nächstes Wochenende besuchen käme?“ Marius hatte sein Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt, während er seine frisch gewaschenen Kleider zusammenlegte und in seinen Schrank einsortierte. „Ach Schätzchen, das wäre wunderbar“, schwärmte seine Mutter am anderen Ende der Leitung. „Ich habe dich wirklich lange nicht mehr gesehen. Weißt du, ich werde extra für dich etwas Besonderes kochen. Hmm…“ Sie überlegte und es entstand eine kurze Pause „Was isst du denn gerne? Ich komme mir gerade irgendwie wie eine Rabenmutter vor; weiß nicht einmal, was das Lieblingsessen meines Sohnes ist!“ Marius musste grinsen. Aus irgendeinem Grund hatte seine Mutter eine neue Seite entwickelt oder zeigte ihm diese Seite nun zum, ersten Mal. Und aus einem noch bizarreren Grund hatte diese Seite eine verdammte Ähnlichkeit mit Carlos, seinem liebenswürdigen und doch sehr verrückten Mitbewohner, der viel zu viele Peinliche Sachen über ihn wusste. „Mir eigentlich egal was du kochst, Hauptsache weder ich noch Carlos müssen dafür in der Küche stehen. Ich mag es zu kochen, aber irgendwann möchte man ja doch wieder einmal bekocht werden.“, antwortete er ihr. „Aber hast du denn kein Lieblingsessen? Es muss doch etwas geben, das du besonders magst. Am Ende koche ich etwas, was du nicht ausstehen kannst…“ Seine Mutter war immer noch besorgt. „Du warst so lange nicht mehr zu Hause, da möchte ich, dass du dich wohlfühlst.“ „Mama“, widersprach Marius lachend „Eineinhalb Monate sind nicht sonderlich lang.“ „Für mich schon.“ Marius hob nur eine Augenbraue und faltete eine seiner schwarzen Stoffhosen so, dass sie keine hässlichen Falten haben würde, wenn er sie wieder aus dem Schrank nahm. „Weißt du Marius, irgendwie ist mir nie richtig klar gewesen, dass du einmal nicht mehr da sein könntest.“ Schnaubend schüttelte Marius seine Kopf „Das war jetzt ziemlich unglücklich formuliert.“ „Ach was, ich denke ja nicht das du tot bist, es ist nur so, dass du nicht mehr um mich herum bist. Ansonsten warst du immer da wenn ich von der Arbeit kam oder ich konnte mir zumindest sicher sein, dass du innerhalb der nächsten Stunde auf tauchen würdest. Gerade jetzt frage ich mich, ob alles anders wäre, wenn du noch kleinere Geschwister gehabt hättest.“ „Ich als großer Bruder? Das glaubst du doch selber nicht?“ Marius war baff. Nie hätte er gedacht, dass seine Mutter solche Gedanken mit sich herum tragen könnte. „Glaub es oder nicht, aber ich denke, dass du einen wunderbaren großen Bruder gemacht hättest.“ Man konnte das Lächeln seiner Mutter beinahe schon hören. „Überleg doch nur: Eine kleine Schwester, die darauf vertraut von dir von allem Bösen beschützt zu werden oder ein kleiner Bruder, dessen Vorbild du bist...“ „…oder der sich für seinen homosexuellen Bruder schämt.“, unterbrach Marius sie ruhig. Katharina japste. „Homosexuell? Heißt das, du hast es dir endlich eingestanden?“ „Was heißt hier eingestanden? Ich habe von Carlos gehört, dass du schon lange denkst, dass ich schwul bin.“ Seine Mutter überhörte den Vorwurf in seiner Stimme. „Bist du es?“ Marius blieb für einen Moment die Luft weg. Mit dieser Dreistigkeit hätte er jetzt wirklich nicht gerechnet. „Hey Dominik, bring mal die Vollkornbrote in den Laden!“ „Geht klar Chef!“ Dominik griff sich den Korb mit den Broten und machte sich auf den Weg in den Laden. Mit der Schulter drückte er die Verbindungstür auf und stellte den Korb hinter der Theke auf den Boden. „Hi, Dome“ Janina lächelte ihn zuckersüß an. Momentan waren keine Kunden im Laden „Hi“ Dominik achtete nicht weiter auf sie und räumte die Brote in die Regale ein. „Du kommst in letzter Zeit häufiger nach vorne. Liegt das vielleicht an mir?“ Sie kicherte verhalten und Dominik verdrehte die Augen, während er weiter einräumte. „Tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich wurde vom Chef geschickt, weil Konstantin Urlaub hat.“ Konstantin hatte mit Dominik die Ausbildung als Bäckereifachkonditor angefangen und flirtete ständig mit Janina. Diese allerdings, gab sich nicht mit ihm zufrieden und machte sich abwechselnd an verschiedenen Kunden und Dominik ran. Heute war anscheinend noch kein passender Kandidat bei ihr im Laden aufgetaucht. Als Dominik mit dem Einräumen fertig war, drehte er sich um und wollte wieder in die Bachstube gehen, doch Janina trat ihm in den Weg. „Bleib doch noch ein Weilchen“, schnurrte sie „es ist doch eh gerade keiner hier, da kannst du mir auch Gesellschaft leisten.“ „Gesellschaft leisten? Wie stellst du dir das vor? Ich muss doch auch noch arbeiten.“ „Ach komm schon“ Dieses auf und zu ihrer Augen sollte wohl ein verführerischer Augenaufschlag sein „Nein, ich geh wieder zurück, ich hab da noch eine halbfertige Torte stehen.“ Er drehte sich um und ging wieder durch die Tür. Janina ließ er einfach stehen. Bevor er Marius wiedergetroffen hatte, war er ab und zu im Laden geblieben um sich mit den Verkäuferinnen zu unterhalten, aber seit Janina sich immer an die Kunden ranmachte und Marius ebenfalls in ihr Beuteschema fiel, war ihm die Lust danach vergangen. Immer, wenn er in der Backstube war und die Ladenklingel hörte, befürchtete und hoffte er zugleich, dass Marius käme. „Was für ein Wunschdenken!“, schalt er sich selber in Gedanken „Als ob Marius wieder hier hin wollte, jetzt da er weiß, dass ich hier arbeite.“ Kurz vor Feierabend am Freitag, was bei ihm so zwischen zwei und drei Uhr nachmittags war, kam Janina nach hinten. „Duhu? Dominik?“ Er verdrehte die Augen und sah vor seiner Arbeitsfläche auf, ohne aufzuhören diese zu putzen. Dominik wollte pünktlich weg um sich mit Carlos zu treffen. Dass er dabei noch eventuell auch Marius treffen könnte, spielte dabei keine geringe Rolle.“Was?“, fragte er dementsprechend genervt. Kurz zuckte Janina zurück, straffte aber dann die Schultern. „Hast du Lust mit mir was essen zu gehen?“ Sie strich sich auffallend langsam mit den Fingern durch den Pferdeschwanz „Ich hab jetzt Schluss und da du jetzt auch frei hast, dachte ich…“ „Falsch gedacht!“, unterbrach Dominik sie „Ich bin bereits verabredet, tut mir Leid“ ‚Tut es nicht‘. Janinas Augen verengten sich kaum merklich „Verabredet? Mit deiner Freundin?“ „Nein.“ Er vermied es extra eine ausführlichere Antwort zu geben. Erstens wollte er gleich weg und zweitens musste Janina ja nicht alles wissen. So blieb es offen, ob er nun eine Freundin hatte oder nicht. „Mit wem denn dann?“ Sie ließ nicht locker und rückte sogar noch ein Stückchen näher. Dominik verringerte den Abstand sofort wieder. „Mit meinem Freund“ „Deinen Freund?!“ Geschockt riss Janina die Augen auf und vergaß sogar für einen Moment verführerisch zu wirken. Dominik genoss ihre Fassungslosigkeit, stellte es aber dann richtig. „Japp, ich habe schon ewig nichts mehr mit meinem besten Kumpel unternommen und heute haben wir endlich mal beide Zeit.“ „Ach so“ Die junge Frau war sichtlich erleichtert „und ich dachte schon…“ „Was dachtest du?“ „Ähm…“ Sie wurde rot und senkte verlegen den Blick auf die Tischplatte „ich dachte nichts besonderes, ist ja auch egal, du hast ja keine Zeit. Bis morgen dann.“ Und schon war sie verschwunden. Ein Grinsen stahl sich auf Dominiks Gesicht. Die war er erst mal los. „Nanu?“ Carlos hob erstaunt seine Augenbrauen „Was machst du denn schon hier?“ „Ich hatte früher frei und dachte mir, ich hole dich ab.“ „Du bist also nur wegen mir von deiner Arbeit direkt hier hin ohne dich um zu ziehen, nur damit du mich eine Viertelstunde bevor wir uns treffen wollten abholen kannst?“ Carlos legte bedeutungsschwer den Kopf schief und sah von unten zu seinem besten Freund herauf. „Ja…“ Dominiks Antwort klang eher nach einer Frage und seine Wangen verfärbten sich leicht. „Und Marius hat rein gar nichts damit zu tun?“, bohrte der Blonde weiter nach. Der Rotton vertiefte sich. „Du wirst mir eh nicht glauben, selbst wenn ich es verneinen würde“ „Da hast du recht“ Carlos grinste „Du hast übrigens Pech; Marius ist nicht da.“ „Wirklich?“ Die Enttäuschung war Dominik ins Gesicht geschrieben „Wo ist er dann?“ „Was weiß ich“ Carlos trat von der Tür weg und gab Dominik so die Chance ins Haus zu kommen. „Ich glaube er ist bei… Katharina! Genau, er wollte Katharina besuchen.“ „Katharina?“ Dominik fühlte, wie eine leichte Eifersucht in ihm hochstieg. Sein Freund bemerkte den speziellen Unterton in seiner Stimme und musste sich das Lachen verkneifen. Das war seine Revanche dafür, dass er ihn als Vorwand benutzte um Marius zu sehen. „Ja, er sagte mir, er hätte sie schon lange nicht mehr gesehen und würde sie vermissen.“ Carlos rückte seine Brille zurecht, drehte sich dann um und ging in sein Zimmer um in seinem Schrank nach den Bowlingschuhen zu kramen „Warte kurz, ich bin gleich fertig.“ Dominik lehnte sich im Flur gegen die Wand und schloss die Augen. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass es doch noch vieles, über das er nicht Bescheid wusste. Die elementaren Dinge – ja, aber die persönlichen… vielleicht hatte Marius eine Freundin – eventuell diese Katharina? – oder er war verliebt. Stöhnend rutschte der junge Mann an der Wand herunter bis er auf den Boden saß und mit den Kopf gegen die Wand schlug. „Geht es?“ Neugierig aufgrund des dumpfen Knallens streckte Carlos seinen Kopf aus dem Zimmer und kicherte belustigt „So lange, dass du verzweifeln musst habe ich jetzt auch nicht gebraucht.“ Er schulterte die Sporttasche und trat vor Dominik, um ihm seine linke Hand entgegen zu strecken. Sein Freund ergriff sie. „Ich bin so ein Idiot!“ Carlos Augenbrauen wanderten synchron nach oben „Wusste ich schon länger. Warum jetzt speziell?“ Dominik versuchte ein schiefes Grinsen „Weil ich nur an mich gedacht habe und nicht an Marius.“ Mit einem Ruck ließ er sich hochziehen und verharrte einen Augenblick um sein Gleichgewicht wieder zu erlangen. „Es ging mir immer nur darum, dass ich in ihn verliebt war. Wie es ihm bei der ganzen Sache ging, war mir im Grunde egal. Klar; ich hatte befürchtet, dass er ein Trauma haben könnte, aber dabei ging es mir nicht um ihn: Meine Angst war eigentlich nur, dass er mich deswegen nicht mehr sehen wollen könnte.“ „Und wie kommst du jetzt mitten in meinem Flur zu dieser Erkenntnis?“ Carlos nahm seine Jacke von der Garderobe und aus der Schlüsselschale neben der Tür seinen Haustürschlüssel. Mit einem Wums landete die Sporttasche auf den Boden und er zog sich die grüne Jacke an, bevor er die Haustür öffnete und seinem Freund mit einer Handbewegung aufforderte nach draußen zu gehen. Brav folgte Dominik und wartete bis Carlos neben ihm stand, bevor er sich zusammen mit ihm auf den Weg zu Bushaltestelle machte. „Als du mir eben gesagt hast, dass Marius bei einem Mädchen ist, bin ich plötzlich eifersüchtig geworden. Ich hab echt gedacht: ‚Was soll die Scheiße? Er darf nicht zu irgendeiner Tussi gehen, er gehört mir!‘ Da ist es mir auf einmal klar geworden. Ich bin ein verdammter Egoist!!“ Er lachte bitter auf „Kein Wunder, dass er nichts mit mir zu tun haben will.“ „Hilft es dir, wenn ich sage, dass alle Menschen egoistisch sind? Vor allem, wenn sie verliebt sind…““So sollte es aber nicht sein!“, unterbrach Dominik Carlos heftig „Ich sollte mir mehr Gedanken um ihn machen und nicht um mich!“ Er wurde lauter „Liebe sollte doch selbstlos sein! Ich sollte nur das Beste für ihn wollen, egal wie weh es tut!“ „Liebe ist wie ein freies Radikal.“, erklärte Carlos nüchtern „Sie bricht die Menschen auf und macht sie reaktionsfähig, damit sie ihr Gegenstück suchen.“ „Das heißt nichts anderes, als dass die Liebe Menschen verletzt, die dann wiederum andere Menschen verletzen.“, schnaubte Dominik wütend „Am besten wäre es, wenn diese Reaktion gar nicht stattfinden würde!“ „Dann entsteht aber nichts neues.“, hielt Carlos entgegen. Inzwischen waren sie an der Bushaltestelle angekommen und er warf einen Blick auf den Fahrplan. „Wir haben Glück, in drei Minuten kommt einer. Was bring es, sein ganzes Leben als einsames Vinylchlorid zu verbringen? Man ist zu nichts nutze! Erst nach der Reaktion wird man zu einem Polymerisat.“ „Ich will aber kein Polymerisat sein. Mir geht es mit meiner Doppelbindung ganz gut. Ich umarme mich lieber selbst, als mit meinen Händen nach anderen zu greifen und ihnen dabei weh zu tun.“ „Toller bildlicher Vergleich!“ Carlos war begeistert „Das muss ich mir merken! Allerdings hat deine Argumentation eine Fehler: Es ist nicht zwingend dann anderen dabei weh zu tun. Die meisten Moleküle wollen reagieren und streben sogar danach.“ „Das kann ja sein“, hielt Dominik dagegen und seufzte „aber was, wenn das Molekül, mit dem ich reagieren will, bereits eine Bindung eingegangen ist? Dann muss ich die Bindung aufbrechen und das will ich nicht!“ „Katharina ist Marius‘ Mutter.“ Es wurde still. Langsam drehte Dominik seinen Kopf zu seinem besten Freund, die Augen weit aufgerissen. „Mutter?“ Carlos nickte nur und schob seine Brille, die dabei ein wenig verrutscht war, wieder zu recht. Bis der Bus ankam sagte keiner von ihnen etwas. Schweigend stiegen sie ein und zeigten dem Fahrer ihre Fahrkarten. Dominik setzte sich in den nächsten freien Zweiersitz und starrte aus dem fenster. Carlos nahm neben ihm Platz. „Ich hätte es wissen müssen“, hörte Carlos nach einiger Zeit von seinem Freund „Dr. Katharina Klipp, Zahnärztin, Praxis in Schental, Eulenport 17, verheiratet mit Joachim Klipp, Facharzt für Allgemeinmedizin, Praxis in Schental, Naunburerstr. 4 – das waren beinahe die ersten Informationen, die ich über Marius gesammelt hatte. Ich bin wirklich ein Idiot!“ „Nein“ Bestimmt schüttelte Carlos den Kopf „du bist nur verliebt.“ „Das ist noch schlimmer…“ oOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOo Und wieder Ende für dieses Mal^^ Wer außer mir mag Carlos' seltsame Chemievergleiche? bzw. Wer weiß, auf welche spezielle Reaktion er anspielt? Genug Hinweise sind ja drin^^ Bis zum nächsten Mal, was (hoffentlich) ziemlich bald sein wird^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)