Das Rudel des Wolfes von Rejah (RL / SB) ================================================================================ Kapitel 7: Versuch ------------------ Versuch „Mein kleiner Werwolf.“ Remus‘ Herz blieb stehen, einfach so. Ein kurzer Ruck, als würde es in zwei geteilt, dann riss er sich los. Die Wärme, die sich zwischen ihren Körpern ausgebreitet hatte, verschwand so schnell wie sie gekommen war. Er starrte ihn an. Starrte in Blacks schwarze Augen, die ihn mit diesem Wissen konfrontierten. „Ich …“ Er sprach den Satz nie zu Ende. Remus drehte sich auf dem Absatz um, spürte den heißen Sand, der sich zwischen seine nassen Zehen grub, und rannte weg. Black folgte ihm nicht. Remus wusste nicht warum, und es war ihm auch herzlich egal. Er wollte ihn nie wieder sehen. Im Schatten seines Lieblingsbaumes blieb er stehen, holte Luft, die ihm plötzlich so heiß und feucht erschien, dass er zu ersticken glaubte. Es gab kein Entkommen, das wusste er. Black wusste Bescheid, und bald würde es die ganze Schule wissen. Das bisschen Vertrauen, das er ihm entgegengebracht hatte, war falsch gewesen. Er war selbst Schuld. Was hatte er sich auch darauf eingelassen? Seine Finger krallten sich in die Rinde des alten Baumes, bis es wehtat. War er einfach zu unvorsichtig gewesen? Hatte er einen Fehler gemacht, der Black gezeigt hatte, was er wirklich war? Doch der einzige Fehler, den er gemacht hatte, war auf Black einzugehen. Seine Finger glitten an der rauen Rinde hinunter und langsam lehnte er den Kopf dagegen. Er war auf einmal so müde. ~~~~~*~~~~~ Irgendwann war Remus es Leid unter dem Baum zu sitzen. Er fragte sich, was er nun machen sollte. Einfach nach Hause gehen? Früher oder später würde Black auch dort auftauchen – oder vielleicht war er schon längst da. Remus konnte ihn einfach nicht sehen. Es nutzte nichts, ob er da war oder nicht, er war auf jede Weise verloren. Etwas stimmte nicht. Remus hielt inne und starrte auf das Rapsfeld. Was war da falsch an seinen Gedankengängen? Langsam wanderte seine Hand hinauf zu seinem Gesicht, bis er, ganz vorsichtig, mit zwei Fingern seine Lippen berührte. Er hatte ihn geküsst. Zweimal. Wozu war das gewesen? Etwa als Entschuldigung? Black hatte schon immer etwas hundeartiges an sich gehabt, das ihn große Augen machen ließ, mit denen er einen gnadenlos von unten ansehen konnte. Aber das war es nicht. Die Art, wie er sich an ihn gepresst hatte – und die Art, wie er selbst erwidert hatte – Remus schoss die Röte ins Gesicht und auf einmal fühlte sich sein Körper schwerer an als sonst. Nein, er konnte definitiv nicht zurückgehen. ~~~~~*~~~~~ Er kam sich so dumm vor. Den Baumstamm im Rücken, die Knie angezogen und den Kopf auf selbige gelegt: So saß er schon seit Stunden. Die Sonne begann bereits unterzugehen, Remus sah ihr schweigend zu. Er wollte nicht nach Hause, aber genauso wenig wollte er abhauen. Er war zu vernünftig, um so etwas auch nur in Erwägung zu ziehen. Und so war er seit Stunden unschlüssig darüber, was zu tun war. Er hatte schon überlegt, Black mit einem Vergessenszauber zu belegen, doch es gab verschiedene Gründe, warum er das nicht tun konnte. Er würde sich schrecklich fühlen, ihm so etwas anzutun, wo er doch noch selbst an der ganzen Misere schuld war. Und außerdem wusste er nicht, wie lange Black dieses Wissen schon mit sich herumtrug. „Wusste ich doch, dass du hier bist.“ Er schrak hoch, glaubte für einen Moment es sei Black, doch es war nur sein Vater. Die Sorge stand in seinem Gesicht nur zu deutlich geschrieben. Er hockte sich vor ihn hin. „Was ist los? Es ist schon spät. Du kommst doch sonst immer Heim, bevor es dunkel wird.“ Sein Vater hob sein Kinn ein wenig an, damit er ihm in die Augen sehen konnte. „Black stand auf einmal völlig aufgelöst in der Tür. Ist irgendetwas zwischen euch vorgefallen?“ Remus schüttelte den Kopf. „Weißt du, du kannst mir alles sagen, alles was du willst. Aber vielleicht ist es besser, ihr macht das unter euch aus.“ Damit wollte er ihn hochziehen. „Nein!“ Überrascht sah sein Vater ihn an. Remus wich seinem Blick aus. „Ich meine … ja. Okay.“ Alles in ihm sträubte sich dagegen, aber er wusste nicht, was er tun sollte. Auf dem Nachhauseweg murmelte er ganz leise, sodass sein Vater es wohl nicht gehört hatte: „Es tut mir Leid.“ ~~~~~*~~~~~ Im Haus war es kalt. Normalerweise liebte Remus es, sich dort in diesen heißen Sommertagen abzukühlen. Dieses Mal fröstelte er jedoch. Sein besorgter Blick glitt die Treppe hoch. Dort oben musste Black sein. Er wollte sich ihm noch nicht stellen. „Jetzt geh schon.“ Sein Vater drückte ihn sanft nach vorne. „Aber Papa“, Remus senkte schuldbewusst den Kopf, „er weiß …“ Sein Vater schüttelte nur den Kopf. „Was auch immer passiert ist, er ist hierher zurückgekommen, oder? Und als ich ihn gesehen habe, sah er nicht wütend aus, eher … verzweifelt.“ Er legte Remus die Hand auf die Schulter, lächelte ihn an. „Er will sich sicher entschuldigen. Bewahre einen kühlen Kopf, dann wird schon alles gut.“ Einen kühlen Kopf bewahren? Black hatte sein größtes Geheimnis herausgefunden. Wie sollte er da ruhig bleiben? Trotz allem wusste er, dass kein Weg daran vorbei führte. Jeder Schritt, den er tat, kam ihm vor wie eine Meile. Oben angekommen fand er seine Tür nur halb geschlossen vor, ein Spalt war offen geblieben, aus dem ein Streifen helles Licht aus dem Zimmer in den dunklen Gang fiel. Remus schluckte und öffnete dann zaghaft die Tür. Was hatte er erwartet? Dass Black sich sofort auf ihn stürzen würde, oder dass er es bei seinem Anblick mit der Angst zu tun bekam und aus dem Fenster sprang? Natürlich nicht, sonst würde er nicht hier warten und ihn aus großen Augen anstarren. Es war Remus‘ Verstand, der das dachte. Der Rest von ihm wollte sich am liebsten auf dem Absatz herumdrehen und wegrennen. „Remus.“ Vorsichtig, als wäre Remus ein Tier, das man nicht verschrecken durfte, erhob sich Black von seinem Platz auf seiner Matratze, kam aber nicht auf ihn zu. Remus ballte die Fäuste, als einziges Äquivalent, dass ihm gegen das Wegrennen einfiel. Er versuchte, in Blacks Augen zu lesen – war da Angst? Oder Abscheu? „Es tut mir Leid.“ Black sah ihn immer noch an, mit diesen dunklen Augen. Remus war verwirrt. „… Leid? Wieso?“ „Ich habe dich wohl erschreckt.“ Einer von Blacks Mundwinkeln zuckte, ein kurzes Anzeichen eines Lächelns. Dann senkte er den Blick, besah sich Remus‘ Zimmer, sah nach draußen, sah ihn nur nicht direkt an. „Dabei wusste ich es schon lange. Nein.“ Er seufzte. „Das ist auch wieder nicht wahr. Sagen wir, ich habe es geahnt. Aber erst, als dein Vater dich in dieser Nacht wiederbrachte, wurde es mir klar. Es war offensichtlich.“ „Offen…sichtlich?“ Remus ließ das Wort auf seiner Zunge zerfließen, kaum fähig weiterzusprechen. „Wirst du Potter davon erzählen?“ „Nicht, wenn du es nicht willst.“ Black drehte den Kopf, sah ihm direkt in die Augen und biss sich auf die Lippe. Remus wandte sich ab, auf einmal ein seltsames Kribbeln spürend. Er merkte, wie Black näherkam. „Was soll das Ganze?“ Das Zittern, das er versucht hatte zu unterdrücken, gewann nun die Oberhand. Es war einfach zu viel für ihn. „Warum tust du das alles? Willst mein Freund sein, läufst mir sogar bis nach Hause nach und …“ Er brach ab, errötend. Black schwieg. Remus wusste auch nicht, was er hören wollte. Es war eine dieser Situationen, in die man sich irgendwie hineinmanövriert hatte und nicht mehr heraus kam. Eine dieser Situationen, von denen er hoffte, dass sie möglichst schnell vorbei sein würden, damit er einfach wieder so weiterleben konnte wie bisher. Aber dieser Tag hatte alles verändert. Noch nie hatte jemand sein Geheimnis erfahren. Es würde nie mehr so werden wie bisher. Plötzlich schlangen sich von hinten zwei braun gebrannte Arme um ihn herum. Er stieß einen erschrockenen Laut aus, doch Black zog ihn ohne Umschweife an sich und vergrub sein Gesicht zwischen Remus‘ Schulterblättern. „Black! Was – was tust du da?“ Und dann erinnerte er sich – nicht, dass er sich vorher nicht erinnert hatte, aber die Tatsache, dass Black von seiner Krankheit wusste, hatte es ihn einfach verdrängen lassen – er erinnerte sich, was Black unten am See getan hatte. Er wusste noch genau, wie es sich angefühlt hatte. Und jetzt diese Berührung. Er konnte ihn so deutlich spüren. Seinen ganzen Mut zusammennehmend, fragte er es nochmal. „Was tust du, Black?“ Black stieß ein kleines Lachen aus. Er spürte, wie es zwischen seinen Schulterblättern vibrierte. „Du bist vielleicht unerfahren, aber das kannst du dir doch auch selbst beantworten.“ „Du weißt genau was ich meine!“ Remus versuchte sich aus der Umarmung zu befreien, doch Black ließ nicht los. „Okay, dann anders. Warum tust du das?“ „Hmm … weil ich dich liebe?“ Gut, das brachte Remus schon für einen Augenblick außer Fassung. Dann erinnerte er sich, wen er hier vor sich – hinter sich – hatte. „Sagt derjenige, der eine Strichliste über seine Verflossenen führt. Hör auf mit diesen Spielchen!“ „Ich meine es ernst.“ „Du hast doch noch nie etwas ernst gemeint!“ Er riss sich los, doch Black schnappte seinen Arm und zog ihn wieder zu sich, ohne ihn jedoch wieder in eine Umarmung zu ziehen. „Dann ist es eben das erste Mal.“ Remus realisierte sofort, was er im Begriff war zu tun – ihn zu küssen, das dritte Mal. Er wollte sich wieder losreißen, doch Blacks Griff war eisern. Wut und Verzweiflung stiegen in ihm hoch und er tat das Einzige, was ihm in diesem Moment einfiel. Der Knall einer schallenden Ohrfeige hallte durch das Zimmer. Binnen weniger Sekunden war Remus zur Tür zurückgestolpert, vor Aufregung ging sein Atem ganz schnell. Black hielt sich die linke Wange, mit einem Ausdruck ungläubiger Verblüffung auf dem Gesicht. Dann grinste er. „Bin beeindruckt. Das hat sich noch nie eine bei mir getraut.“ Remus keuchte. „Weil ich kein Mädchen bin. Geht das in deinen Dickschädel rein, Black? Ich weiß nicht, ob du blind bist oder so, aber ich bin kein Mädchen!“ Die letzten Worte schrie er geradezu heraus. „Das weiß ich.“ Black ließ seine Wange wieder los, auf der sich ein roter Fleck auszubreiten begann. „Aber ich wollte es trotzdem tun.“ „Ich aber nicht!“ „Bist du dir da sicher?“ Da kehrte es wieder, Blacks Grinsen, das er für unwiderstehlich hielt, weil er sich für unwiderstehlich hielt. Und so war es ja auch, die meisten Mädchen in Hogwarts lagen ihm zu Füßen. Er kam wieder auf ihn zu – Remus wollte zurückweichen, konnte aber nicht, weil er die Tür im Rücken hatte. „Du bist so ein Idiot, Black. Dieses dumme Spiel von Potter ist dir zu Kopf gestiegen.“ „Vielleicht hat es damit angefangen.“ Blacks Lächeln verschwand und es trat ein Ausdruck in seine Augen, den Remus noch nie bei ihm gesehen hatte und den er nicht einordnen konnte. „Aber ich konnte nicht mehr aufhören, daran zu denken. Und … ich wollte es wieder tun.“ Remus erinnerte sich plötzlich daran, wie er eines Nachts ein Gespräch zwischen Potter und Black belauscht hatte. Black hatte sich verändert, so war Potters Meinung, und Black hatte gemeint, dass er sich komisch fühlte. Aber was hatte das bei ihm schon für eine Bedeutung? Und dann noch, wie er sich für ihn am See eingesetzt hatte, als Potter ihn mit einem einzigen Zauberspruch vor halb Hogwarts blamiert hatte. Wäre Black nicht Black, so hätte Remus sich zumindest eingestanden, dass er ihn mochte. Und mit dem, was Black jetzt getan hatte, wohl auch, dass er ihn mehr als nur mochte. Aber es war Black. Black, der Mädchenaufreißer. Black, dem alles egal war, solange er nur seinen Spaß hatte. Black, der sein Geheimnis aufgedeckt hatte und egal, was er auch sagte, wenn es zu seinem Vorteil war, würde er es verraten. Wie hätte er ihm vertrauen können? Langsam wanderte Remus‘ Hand in Richtung Türklinke. Sein Vater würde versuchen ihn aufzuhalten und früher oder später würde er hierhin zurückkommen müssen. Doch in diesem Moment wollte er einfach nur weg – weg von Black und weg von dieser Situation, die viel zu schwierig für ihn war. Seine Finger berührten das kalte Metall. „Halt!“ Black hatte realisiert was er vorhatte, überbrückte die letzten Zentimeter zwischen ihnen und hinderte ihn somit auch daran, sich umzudrehen und die Klinke hinunterzudrücken. Er packte ihn an der Schulter. „Hau nicht ab.“ Er starrte ihn an. Mit diesen schwarzen Augen. Wie ein Hund, nur diesmal nicht bettelnd. „Was muss ich noch tun, damit du mir glaubst?“ Remus schnaufte, antwortete aber nicht, sondern sah an ihm vorbei. Er konnte ihn einfach nicht direkt ansehen, er war viel zu nah. „Denkst du etwa immer noch über diese eine Sache nach? Dass ich herausgefunden habe, dass du – nun ja, was dein Problem ist?“ Während Black sprach, spürte Remus plötzlich eine leichte Bewegung an seiner Schulter. Blacks Hand, die ihn festgehalten hatte, glitt langsam an seiner Schulter und dann an seinem Arm hinab. „Glaubst du, ich habe das gesagt, um dich zu ärgern? Oder um dich zu erpressen?“ Seine Finger waren nun an seiner eigenen Hand angekommen, verharrten dort für einen Moment und glitten dann wieder hinauf. „Ich habe dir gesagt, dass ich James nichts verrate. Und das mein ich auch so!“ Wieder war die Hand oben. Und strich langsam wieder hinunter, dann wieder herauf. Es war ein beruhigendes Gefühl. Remus‘ Augen wanderten wieder zu Blacks Gesicht. Ein bisschen Wut war darin geschrieben, aber nicht allzu viel. Eher – Besorgnis? Auf jeden Fall ungewöhnlich. Die Berührung an seinem Arm wanderte wieder hinunter und verharrte einen Moment in Höhe seines Ellbogens. Dann glitt sie unter sein T-Shirt. „Hey, das geht zu weit!“ Augenblicklich war Remus zusammengezuckt und hielt Blacks Hand davon ab, sein T-Shirt noch weiter hochzuschieben. „So? Bis gerade eben scheint es dir aber noch gefallen zu haben.“ Die Andeutung eines Lächelns erschien auf seinen Lippen. „Das ist-“ Gar nicht wahr. Hatte Remus sagen wollen, doch damit hätte er wohl gelogen. Es hatte ihm gefallen, ja. Aber dann hatte Black ihn auf einmal noch mehr berührt, und es war so plötzlich gewesen und er – er hatte Angst gehabt. Purer Reflex, dass er zusammengezuckt war. Er war so etwas einfach nicht gewohnt. Oh Merlin, er war so etwas tatsächlich nicht gewohnt, und das mit seinen sechszehn Jahren. Die meisten mochten ihn nur als Streber und Bücherwurm kennen, doch er war doch auch nur ein Mann. Und auch wenn Black ein Idiot war, war er doch der Einzige – der Erste – der sich so viel Mühe für ihn machte. Als er vor einigen Tagen in der Stadt auf ihn getroffen war, hatte er auch so anders auf ihn gewirkt. Ohne Potter oder das Anhängsel Pettigrew erschien er ihm um einiges erträglicher. Kein Machogetue. Keine fiesen Sprüche. Nur sein wie üblich lebhaftes Verhalten, gemischt mit ein wenig liebenswürdiger Dummheit. „Remus.“ Black sah ihm fest in die Augen und Remus wusste, dass er im Begriff war, etwas sehr, sehr Peinliches zu sagen. „Versuch es doch wenigstens. Willst du-“ Remus hielt ihm den Mund zu. Black blinzelte verblüfft. „Ist ja gut. Halt endlich die Klappe.“ Remus spürte Hitze in seine Wangen aufsteigen. „Wehe, wenn du jemals auch nur ein einziges Wort zu Potter oder Pettigrew sagst! Wehe, wenn du mich auf den Arm nimmst! Und wehe, wenn du wieder so weit gehst, ohne mich vorher zu fragen! Und damit das klar ist, nicht auf dem Schulhof oder im Klassenraum oder auf-!“ „Heißt das ja?“ Black hatte sich befreit und grinste ihn breit an. In seinem übersprühenden Enthusiasmus hatte er mehr Ähnlichkeit mit einem Hund denn je. „Heißt das ja?“ Remus‘ Wangen brannten jetzt, aber er würde keinen Rückzieher machen. So gut er noch konnte, senkte er den Kopf langsam zu einem kaum wahrnehmbaren Nicken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)