Der Wächter des Drachen von Xanderle (Fortsetzung von "Drachenherz" und "Die Söhne des Drachen") ================================================================================ Kapitel 7: Himmel und Hölle --------------------------- Es war noch stockdunkel, als Kaori Ren schon aufgebracht in ihrem Schlafzimmer auf und ab rannte. Zur Hölle sollte er fahren! Dieses verdammte Ekel! Jetzt blieb er nicht einmal mehr ein paar Stunden. Was war sie eigentlich für ihn? Eine Deckstute? Sie schnaubte. Vermutlich war es ebendiese Frage gewesen, die sein noch kälteres Verhalten bewirkt hatte. Doch als er mitten in der Nacht seine Sachen zusammengesucht hatte, hatte sie Rot gesehen. „Ist das alles, was Du von mir willst?“, hatte sie gefaucht, und dabei auf sich und das Bett gedeutet. Hätte sie nur nicht gefragt! Mit einem „Ja.“ hatte sie ja fast gerechnet, aber dieses gleichgültige Schulterzucken ... „Ich hatte nie mehr in Aussicht gestellt.“ Ach ja? Bastard! Aber das würde er bereuen. Sie hatte keine Lust mehr ihr „Arrangement“, wie er es nannte, länger geheim zu halten. Das heutige Fest würde viel Platz für Klatsch, Tratsch und Indiskretion lassen. Und Kaori Ren würde diesen Platz zu nutzen wissen! Skrupel konnte sie sich nicht länger leisten. Seit dem Tod ihres Gatten war ihr Stern im Begriff zu sinken. Sie brauchte ein neues Trittbrett! Und wer wäre dazu besser geeignet, als Zukos ordenbehangener Musterknabe? Als Ehefrau von Takeru Nezu würde sie zwar ihren Titel einbüssen, aber an Ansehen gewinnen! Man munkelte ohnehin, dass Zuko seinem Günstling früher oder später einen Adelstitel samt Baronie vermachen würde. Kaori eilte zu ihrem Kleiderschrank und riss die Türen auf. Sie hatte keine Zeit zu verplempern. Ihr „Gerücht“ musste bis zum Abend unter die richtigen Leute gebracht werden. Natürlich vorsichtig, damit ihr kein Vorsatz nachgewiesen werden konnte. Büro Seiner Lordschaft, zwei Stunden später „WIE bitte?“ Ungläubig starrte Takeru seinen Herrscher an. Na ja, fast. Jeder anderer hätte jedenfalls gestarrt. „Bericht erstatten. Mündlich. Ganz einfach.“, wiederholte Zuko geduldig. „Verzeiht, Mylord. Ich soll die Prinzessin observieren?“ „Observieren klingt so negativ.“, mischte Lady Jin sich ein. „Ihr sollt ja nur ein Auge auf sie haben.“ „Jin, das hat er immer.“ „Dann erklär´s eben so, dass man es auch versteht.“ „Nun gut. Hauptmann, wir entdeckten Anzeichen, dass Aya großen Kummer hat. Und wir wissen nicht warum.“ „Na ja. Eigentlich schon. Wir denken, sie ist unglücklich verliebt.“ „Jin!“ „Oh nein. Hab ich das schreckliche Wort gesagt? Verliebt?“ „Wir wissen das doch noch nicht mit Bestimmtheit.“ „Ich schon!“ „Natürlich.“, murmelte Zuko und verdrehte die Augen. Er wandte sich dem Hauptmann zu und registrierte befriedigt eine steile Falte auf dessen Stirn. Sein Blutwolf schien ein ernsthaftes Problem zu haben. Vielleicht die eben erhaltene Information? „Ihr sollt nur ein wachsames Auge auf ihr Verhalten haben.“, fuhr Zuko fort. „Mit wem sie redet, wem sie aus dem Weg geht, wie sie sich verhält, wie oft sie den Mond anseufzt.“ „Mit Verlaub, Hoheit. Ich weiss nicht, ob dies angebracht wäre", antwortete Hauptmann Nezu derart ausdruckslos, dass nur einem überdurchschnittlich entwickeltem Gehör die Unwilligkeit in seiner Stimme auffiele. Die eigensinnige Furche auf seiner Stirn sprach jedoch Bände. „Ach", murmelte Zuko. „Inwiefern?“ „Ich habe ein ungutes Gefühl dabei, Eure Tochter zu bespitzeln.“ „Bespitzeln?“ Mylord schnalzte mit der Zunge. „Also bitte! Wer benutzt denn heutzutage noch dieses Wort?“ Der Offizier liess den gutmütigen Spott an sich abprallen und sah seinem Fürsten ruhig ins Gesicht. Dieser seufzte tief. „Du und Dein verdammtes Ehrgefühl, Takeru. Könntet ihr zwei nicht mal ausnahmsweise getrennte Wege gehen?“ „Ich fürchte nein, Herr.“ „Schön. Und wenn wir Euch nun bäten, uns - gesetzten Falls Ihr würdet zufällig bemerken, in welche Richtung die Neigungen unsrer Tochter driften - einen dezenten Hinweis zu geben? Wäre das ... akzeptabel für Euer Feingefühl?“ „Falls ich ihr damit helfen kann.“ „Falls?“ Zukos Augenbraue hob sich in mildem Erstaunen. „Denkt Ihr, wir könnten die Informationen fälschlich verwenden?“ „Das wollte ich damit nicht sagen.“ „Mhm. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wissen will, was Ihr damit sagen wollt. Wenn Ihr wisst, was ich damit sagen will.“ „Ja.“ Seiner Lordschaft entfuhr ein unfreiwilliges Lachen. „Also wirklich, Junge, Ihr seit unfassbar. Ihr bringt es sogar dann fertig loyal zu sei, wenn Ihr Euch weigert einer Bitte zu entsprechen. Ein bisschen zu viel Diplomatie auf dieser teuren Offiziersschule, hm?“ „Sire, ich bitte Euch, einen anderen mit dieser Aufgabe zu betrauen. Ich bin Prinzessin Aya zu sehr verpflichtet, um hinter ihrem Rücken zu agieren.“ „Ja. Scheint fast so.“, murmelte Zuko nachdenklich. „Und ich werde den leisen Vorwurf in Eurer Stimme wohlmeinend überhören.“ Der Hauptmann blickte stur geradeaus. Doch der Feuerlord liess sich durch diese mangelnde Kooperationsbereitschaft nicht beirren. Er vertraute auf die Abgründe der menschlichen Natur. Die Frage war geweckt worden und würde nun anfangen in Takeru Nezus Seele zu brennen. Und Zuko war sich sicher: Sein Blutwolf würde nicht eher ruhen, bis er herausfand, wem Ayas Herz gehörte. Und dann ... würde dieser Blutwolf Bauklötze staunen. Ein unmerkliches Lächeln umspielte die Mundwinkel des Erhabenen, als er ein „Ihr dürft wegtreten.“ in den Raum entliess. „Glaubst Du, er hat den Köder geschluckt?“, fragte Jin sobald sie alleine waren. „Mitsamt den Gräten.“ „Aber er sah mir nicht so aus, als ginge ihn das Ganze etwa an. Du denkst wirklich, er liebt sie?“ „Ja. Eigentlich hätte mir das schon früher klar sein müssen. Erinnerst Du Dich, als er angefangen hatte, in den Ställen zu helfen, wie er sich danach immer in der Nähe herumgetrieben hat?“ „Ja.“, sagte Jin leise. „Sobald man ihn ansprach war er verschwunden.“ „Wie ein Wiesel.“, bestätigte Zuko. „Dieser Junge hätte alles für uns getan. Er HAT alles für uns getan. Und ich glaube, er wusste auch ziemlich genau was er tat, als er sich über Aya warf.“ „Sein Leben riskiert?“ „Ja. Ohne mit der Wimper zu zucken. Als er später vor die Wahl gestellt wurde, zu studieren, oder Kage zu werden, war es genauso. Er hat nicht eine Sekunde lang überlegt. Er wollte schützen, was ihm lieb und teuer ist. Mich. Uns. Aya.“ „Aber heute wirkte er so ... unbeteiligt.“ „Tja. Verdammter, kaltschnäuziger Hund!“ „Zuko!“ „Kobold, Du weisst doch, dass ich diesen Kerl liebe wie mein eigen Fleisch und Blut.“ „Ach, deshalb ziehst Du so über ihn her.“ „Genau.“ „Fein. Aber warum hält er mit seinen Gefühlen, von denen DU so überzeugt bist, so hintern Berg?“ „Erstens, wie bereits erwähnt: Eiskalter Bastard.“ „Also ...“ „Was denn? Ist ihm antrainiert worden. Zweitens: Pflichtgefühl. Ist ihm in die Wiege gelegt worden. Drittens und vermutlich am wichtigsten: Er hält sich für unwürdig.“ „Unwürdig?“ „Ja, mein Herz. Takeru ist unbegreiflicherweise noch immer der Meinung, mir etwas zu schulden. Und genauso ist er immer noch der Meinung, nichts weiter zu sein, als ein kleiner Dieb, der nur das Glück hatte nicht verpfiffen zu werden.“ „Das kann doch nicht sein! Wie oft hat er Aya schon das Leben gerettet? Und nicht nur ihr ...“ „In seinen Augen wiegt es ein paar freundliche Worte und ein Hand voll Pfirsiche scheinbar nicht auf.“ „Aber ... Der arme Junge!“ „Ja.“, stimmte Zuko leise zu. „Der arme Junge.“ „Und wenn er sie liebt ...“ „Man kann kaum sagen, wer einem mehr leid tut, nicht wahr?“ „Nein. Über sieben Jahre Liebeskummer ... das ist ja sogar mehr als die sechs, die ich hatte.“ „Fünfeinhalb!“, korrigierte Seine Lordschaft automatisch. „Und ob Du´s glaubst, oder nicht: Ich habe durchaus auch gelitten.“ „Ja. Mit drei Konkubinen an der Backe war Dein Leidensweg wahrhaft steinig.“ „Dass Du mir das immer noch aufs Pfefferbrot streust.“ Er seufzte. „Tja, Erdvolkschädel sind eben so, mein Gebieter.“ Hauptmann Nezu ging indes durch die prächtigen Gänge des Palastes und verfluchte sich. Nicht, dass es noch nötig gewesen wäre. Der ewigen Verdammnis würde er ohnehin anheim fallen. Seine Mine war versteinert wie immer, doch die Gedanken hinter den harten Zügen drehten sich, wie so oft, im Kreis. Sie war also verliebt. Es machte keinen Unterschied. Durfte ihn nicht machen! Und doch ... Sein Herz scherte sich einen Dreck darum, was sein durfte und was nicht. Sie war verliebt. Verliebt und unglücklich. Dann galten ihre Gefühle womöglich einem blinden Narren, der diese Gefühle nicht erwiderte. Sie nicht zu lieben war als hätte die Wärme der Sonne keine Bedeutung. Sie war verliebt. Eifersucht, auf die er kein Recht hatte, zerfrass ein Herz, das ihm schon seit langer Zeit nicht mehr gehörte. Takeru mahnte sich zur Beherrschung. Alles was ihm zustand, war zu hoffen, dass die Prinzessin einen Mann erwählt hatte, der dessen auch würdig war; einen Mann, der diese unfassbare Huld der Götter auch verdient hatte. Alles was ihm zustand, war auf ihr Glück zu hoffen. „Hauptmann Nezu?“ Ein junger Soldat hastete den Flur entlang. „Ich habe eine Nachricht für Euch.“ Takeru runzelte die Stirn und musterte den Gardisten. „Von wem?“ „Äh ... Von Eurer Mutter.“ „Sehe ich so aus, als sei ich außer Dienst, Leutnant?“ „N ... nein.“ „Sie werden lernen müssen, dass Privates zu warten hat. Lernen Sie es schnell. Und legen Sie den Brief zu meiner Korrespondenz.“ „Jawohl, Sir! Verzeihung, Sir.“ Innerlich seufzend nahm Takeru seinen Weg in Richtung der Trainingshallen wieder auf. Dort zog er sich rasch um und begab sich dann zu einem abgelegenen, relativ kleinen Raum. Er wurde bereits erwartet. „Bitte entschuldigt die Verzögerung, Hoheit!“ Wie er trug auch Aya einen leichten, weissen Kampfanzug. „Natürlich. Es war nicht Eure Schuld, dass Ihr zu meinem Vater gerufen wurdet.“ Der Hauptmann nickte knapp. „Da Ihr den Luft-Kick hervorragend gemeistert habt, schlage ich vor, wir versuchen uns heute an der Dachsrolle.“ „Gut.“ „Begebt Euch bitte in die Grundposition.“ Zehn Minuten später waren Ayas Wangen gerötet. Ihr Puls raste und ihr Atem kam in gehetzten Stößen. Wie immer betete sie, der Hauptmann möge diese Symptome der Anstrengung zuschreiben. In Wahrheit war er selbst der Auslöser. Dies war die einzige Gelegenheit, zu der sie ihn wahrnehmen durfte. Sie konnte ihn ansehen; konnte sogar ab und an eine kurze Berührung erhoffen, wenn er einen Bewegungsablauf genauer demonstrierte. Sie hätte es zwar niemals zugegeben, aber es kam vor, dass sie um eine zweite Erläuterung bat, nur um ihre Sinne im Klang der tiefen Stimme zu baden, ohne den Inhalt seiner Worte zu erfassen; dass sie eine Bewegung falsch ausführte, um seinen Atem warm und prickelnd am Haaransatz ihres Nackens zu spüren, wenn er - dicht hinter ihr stehend - ihren Arm führte. Sie sog so viel von seiner Gegenwart in sich auf, wie sie vermochte. Diese eine Stunde war ihr Himmel. Der Hauptmann seinerseits war damit beschäftigt sich abzuschotten. Eisern versuchte er, die geschmeidige Gestalt zu ignorieren, ihren lockenden Duft, ihre sanfte Stimme. Er wappnete sich gegen den Schock zufälliger Berührungen; leugnete die Schauer, die ihn überliefen, wenn ihre Fingerspitzen flüchtig seinen Arm streiften. Er verleugnete ihre gesamte, liebreizende Gegenwart so gut er es vermochte. Diese eine Stunde war seine Hölle. Laboratorien des Feuerpalastes, am Nachmittag des selben Tags Wie immer, wenn ihr Gemahl eben einmal beschlossen hatte in ihrem Labor vorbeizusehen, wurde Pineria Tatzus Konzentration auf eine harte Probe gestellt. Sie unternahm den heldenhaften Versuch, ihn zu ignorieren, stellte das Mikroskop nach und drückte das Auge fester ans Okular. Es klapperte. Wo steckte er seine Nase denn JETZT wieder hinein? Na ja, egal! Außer ... „Stell das hin!“, rief sie erschrocken. „Freut mich auch, Dich zu sehen.“, murmelte Lu Ten lakonisch, behielt das große Becherglas jedoch in der Hand. „Um Gottes Willen stell das hin!“ „Was ist da drin?“, fragte er und beäugte das Gefäss misstrauisch. „Hatten wir nicht kürzlich eine Unterhaltung über gefährliche Chemikalien? „Wirklich? Ich ... äh, hatte nicht so genau hingehört.“ „Pipps!“ „Gute Güte, es IST nichts gefährliches!“ Sie nahm ihm das Becherglas aus der Hand. Zur Abwechslung war nun er es, der streng angefunkelt wurde. „Nur etwas, das man nicht bewegen sollte. Und Du hast eben das Ergebnis verfälscht! Jetzt sind die letzten dreissig Stunden für die Katz.“ Sein Argwohn machte augenblicklich der Reue platz. „Ähm ...“ „Gibt es auch einen Grund für Dein Kommen, oder wolltest Du nur meine Forschungen boykottieren?“ „Es tut mir leid, Fratz.“ DIESEM Blick hatte Pippa noch nie widerstehen können. „Fein.“, seufzte sie. „Die Ausflockung von Eiweisen ist ja nichts, das man nicht schon entdeckt hätte.“ „Könnte ein Kuss Dich beschwichtigen?“ „Vernünftige Menschen müssen nicht beschwichtigt werden.“ „Schade.“ „Nun ... küssen darfst Du mich natürlich trotzdem.“, stellte sie klar, während sie an seinem Kragen zupfte. Lu Ten, schon immer ein Mann der Tat, kam der Aufforderung ohne zu zögern nach. Als es klopfte, musste das eheliche Intermezzo leider unterbrochen werden. „Ja bitte?“, rief Pippa, mit leicht schwankender Stimme. „Ach Herrje, störe ich etwa?“, fragte Aya, als sie den Raum betrat. „Schwesterherz!", rief Lu Ten. „Was führt Dich her? Möchtest Du im feinen Schwefelduft schwelgen?“ Pippa trat ihm auf den Fuss. „Es riecht hier nicht nach Schwefel.“ „Ausnahmsweise.“, murmelte er. „Um ehrlich zu sein, Lu, habe ich schlimmeres vor.“, lachte Aya. „Deine Frau bräuchte ich.“ „Die da?“ „Mhm. Es sei denn, Du hast noch andere.“ „Also, ich weiss nur von dieser.“ „Fein. Dann genügt sie mir.“ Pippa hatte die Arme verschränkt und klopfte mit dem rechten Fuss auf den Boden. „Ich muss doch sehr bitten!“ „Na, na. Du wolltest doch vernünftig sein.“, sagte Lu Ten mit unbeweglicher Mine. „ICH bin vernünftig!“ „Siehst Du, deswegen denke ich ja auch, dass Du mir als Ehefrau durchaus reichen wirst.“ „Du!“ Eine kleine Faust tauchte vor der Nase des Prinzen auf. Er konnte sein schurkisches Grinsen nicht länger verbergen. „Soll ich Soldaten zu Deiner Unterstützung holen, Pippa, oder reichen Deine Eltern?“ „Meine Eltern?“ Aya lächelte und nickte. 
„Sind sie hier?“ „Ja.“ „Gute Güte! Warum hast Du das nicht gleich gesagt?“ Mit diesen Worten liess Pineria alles stehen und liegen (inclusive diverser Ehemänner) und hastete aus dem Raum. „Ja, Aya.“, spottete der stehen gelassene Gatte mit verschränkten Armen und schüttelte den Kopf. „Warum hast Du das nicht gleich gesagt.“ Seine Schwester blickte gen Himmel und zuckte mit den Schultern. „Was machen die Vorbereitungen für Kirams Gishki?“, fragte Lu Ten. „Oh, fast abgeschlossen. Wir müssen nur noch seine Armreifen holen, die Schärpe besticken und Zirah davon abhalten eine Protest-Demonstration zu veranstalten.“ „Oh je. Ist sie immer noch sauer, dass sie nicht mitmachen darf?“ „Ja.“ „Na ja. Nutzt ja nichts. Ist eben nur für Jungs.“ „Ja. SEHR hilfreich. Am besten versuchst Du sie mit eben diesen Worten zu beruhigen.“ „Hm ... ich denke, dass überlasse ich Dir.“ „Lu Ten?“ „Ja?“ „Ich hoffe, Du wirst von heute Abend einen höllischen Muskelkater kriegen.“ Der Kronprinz schnaubte. Er und Lee hatten die Ehre einen der Balken zu tragen, auf denen Kiram seine Akrobatik vorführen würde. „Bei dem Gewicht unseres kleinen Bruders, werden es zwei. Ich glaube, seine Knochen sind Blei-legiert.“ „Tja. Das tragen dieser Bürde ist eben ... wie sagtest Du doch? Nur für Jungs!“ In Lady Jins Arbeitszimmer hatten sich die Frauen der Familie eingefunden. Dies war eben der Teil, der nur für Mädchen war. Doch nicht alle `Mädchen´ waren auch damit einverstanden. „Oh nein! Zwingt mich nicht dazu! Ich werde es ruinieren!“ „Unsinn, Niha.“ Jin drückte ihrer Schwiegertochter Nadel und Faden in die Hand. „Aber ich kann das nicht. Die meisten Socken hat immer Maja gestopft.“ „DAS stimmt allerdings!“, warf Maja ein. „Es muss doch nur jede von uns einen einzigen Stich machen! Man wird es gar nicht sehen.“ „Na ja, aber ich bin doch nur angeheiratet.“ 
„Niha!“ WENN Jin streng dreinschaute, erzielte es durchaus Wirkung. „Es heisst `die weiblichen Mitglieder der Familie´. Dazu gehört ihr auch, also nimm jetzt diese Nadel und mach einen Stich.“ „Ja gut. Soll ich das Baby AUCH noch rausholen. Könnte ja sein, es ist ein Mädchen.“ „Dann lass es lieber drin!“, murmelte Zirah, das jüngste Kind des Herrscherpaares. „Als Mädchen darf man hier nämlich GAR nichts!“ „Schätzchen,“, seufzte Mylady. „Meine Nerven liegen an diesem Tag ohnehin schon blank. Könntest Du bitte aufhören, sie noch mehr zu strapazieren?“ „Ja. Toll. Damit alle Deinen SOHN bewundern können?“ „Du ...“ Jin stockte und presste die Lippen aufeinander. Dass das Kind ausgerechnet heute so schwierig sein musste. „Wenn Du Deinem Bruder kein Glück wünschen willst, dann VERLASS bitte den Raum!“, fauchte sie ungehalten. Aber sie hatte schliesslich erwähnt nervös zu sein, nicht wahr? Als Zirah die Tür hinter sich ins Schloss warf, sahen Ursa, Niha, Pippa, Maja und Zerfa ziemlich ratlos drein. Aya legte ihre Nadel zur Seite, stand auf und drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange. „Ich rede mit ihr.“, murmelte sie. „Ja.“ Jin blinzelte ihre Tränen weg. Was war nur los? Seit einer Woche hatte sie das Gefühl, als Mutter völlig zu versagen. „Sag ihr, dass ich´s nicht so gemeint hab.“ „Das weiss sie, Mama. Aber ich erinnere sie daran.“ Zirah sass unter dem großen, alten Kirschbaum in den inneren Gärten. Das tat sie meistens, wenn sie Kummer hatte, oder wütend war. Momentan traf beides zu. „Zirah?“ Eilig wischte Zirah ein paar Tränen weg. „Ach Floh.“ Aya setzte sich neben ihre Schwester und zog sie an sich. „Ich WÜNSCH ihm doch Glück!“, schniefte Zirah. „Mindestens so viel, wie jeder andere! Ich meine ... er ist mein Zwillingsbruder!“ „Natürlich tust Du das! Und Mama weiss das auch.“ „Warum hat sie dann ...?“ „Sie ist heute nicht sie selbst. Sie hat immer furchtbare Angst, wenn einer ihrer Söhne auf diesen Holzplanken herumhopst.“ „Ja!“, die Jüngere lachte freudlos. „Ihre SÖHNE.“ „Du kannst es ihr nicht verübeln, wenn sie froh ist, dass ihr das wenigstens bei ihren Töchtern erspart bleibt.“ „Ich könnte an diesem Tanz auch teilnehmen!“ „Ich weiss. Aber das ist nicht der Punkt.“ „Warum nicht?“ „Weil es eben Dinge gibt, die Zeit brauchen, um geändert zu werden. Traditionen jedenfalls ganz bestimmt.“ „Ha! Tradition! Während des Kriegs wurde dieser Brauch überhaupt nicht praktiziert.“ „Um so schlimmer. Der Sonnwendtanz ist eine Ehrerbietung an den Quell unsrer Energie und eine Erinnerung an unsere Wurzeln. Daran, dass das Feuer ein Lebensspender ist." „Und ich soll das alles nicht feiern, nur weil ich ein Mädchen bin?“ „Doch. Natürlich sollst Du es feiern! Aber wir haben andere Möglichkeiten.“ „Ja. Mit Fächern durch die Gegend wedeln!“ „Ach Zirah.“ Die Meisterin im Fächer durch die Gegend wedeln drückte ihre Schwester tröstend an sich. „Manchmal ist es schwer, nur ein Mädchen zu sein. Manchmal leichter. Ich für meinen Teil bin froh darum. Was hat die Feuernation denn so kriegerisch gemacht? Dieses männlich dominante Imponier-Gehabe. Frauen hätten es vielleicht anders gemacht.“ „Ja. Vielleicht.“ „Bei aller Emanzipation ... Männer und Frauen bleiben nunmal unterschiedlich. Und das halte ich auch für gut. Sonst wären die Wege, die die Menschen gehen immer die selben.“ „Yin und Yang.“, flüsterte Zirah, und sah auf ihre Hände. „Ja. Yin und Yang. Dank eines sehr fortschrittlichen Vaters dürfen wir beides leben, doch selbst das hat Grenzen.“ „Papa? Fortschrittlich?“ „Findest Du nicht? “ „Er ist der größte Traditionalist, den ich kenne.“ „Aber nur, weil in unseren alten Traditionen die Ehrfurcht vor dem verankert ist, was uns zu dem macht, was wir sind, Zirah. In der Zeit, als diese Bräuche missachtet wurden, wuchs die Arroganz der Feuernation, bis wir uns über andere erhoben. Vater hat erkannt, dass, indem wir die alten Werte wieder schätzen, wir dem Feuer wieder seinen ursprünglichen Platz im Gefüge der Elemente einräumen können. Nicht Zerstörung, sondern Lebenskraft. Für ihn waren die alten Traditionen der Weg in den Frieden.“ „Ja.“, gab Zirah leise zu. „Du hast ja recht. Aber ich würde die alten Bräuche auch gern ehren.“ „Aber das kannst Du doch.“ „Vom Zuschauerraum?“ „In diesem Fall ja, fürchte ich.“ „Na toll.“ „Das Leben wird immer Dinge bereithalten, die wir uns ersehnen. Aber nicht alle sind für uns bestimmt.“ Etwas an diesem Tonfall veranlasste Zirah, nach der Hand ihrer Schwester zu greifen. „Du meinst das Feuerbändigen, nicht wahr.“, fragte sie ungewohnt sanft. Aya drehte den Kopf zur Seite und nickte. Wie sehr sie es doch hasste, ihre Familie zu belügen ... Das Feuerbändigen. Dieser Wunsch war so unbedeutend, so läppisch im Vergleich zu ihren anderen Sehnsüchten. „Ach Aya ... dafür kannst Du so viele andere Dinge. Und Du ... Du ... na ja. Ich werde jedenfalls nie so schön oder anmutig sein, wie Du.“ „Diese Dinge sind doch nur äußerlich.“, flüsterte Aya. „Nein. Nicht bei Dir.“, antwortete Zirah schlicht. „Und ich werd jetzt aufhören, so eine Ziege zu sein und meinen Stich in diese Schärpe machen.“ „Danke, Floh. Und sei Mama nicht mehr böse. Du weisst, sie hat´s nicht so gemeint.“ „Ja. Bin ich ja gar nicht.“ „Das ist gut.“ Aya stand auf und half Zirah auf die Beine. „Und mach Deinen Stich ja gerade, sonst müssen wir alles wieder auftrennen.“ „Du ...“ Elf Stunden später Maja Koro stand im großen Festsaal, inmitten des bunten Gedränges und wusste gar nicht, wohin sie ihr Augenmerk richten sollte. Die Pracht und die strenge Etikette, die hier herrschten, verblüfften sie noch immer! Vor einem Jahr, auf der Hochzeit ihrer Schwester mit Prinz Lee (der offiziellen ... die eigentliche war ein wenig übereilt gewesen) war sie noch komplett überfordert gewesen. Im Frühjahr war die Familie wieder auf die Farm gezogen, um alles wachsen zu sehen, wie Lee es nannte. Mittlerweile liebte er es, in der fruchtbaren Erde zu wühlen. Kaum zu glauben, was für einen herzlich unbegabten Hilfsarbeiter er anfangs abgegeben hatte. Noch heute musste Maja kichern, wenn sie sich an seine ersten Melkversuche erinnerte. Vor acht Tagen waren sie an den Palast zurückgekehrt, denn heute war Sonnwend-Tag und Prinz Kirams Gishki, sein Initiationsritus. Außerdem hatte Lee, trotz aller Befriedigung, die ihm die Arbeit auf dem Bauernhof verschaffte, inzwischen ziemliches Heimweh gehabt. Er selbst würde es natürlich niemals zugeben, aber nach spätestens zwei Monaten zog es ihn immer hierher zurück. Er war eben ein Familienmensch, egal um welche seiner Familien es sich handelte. Da stand Maja also, inmitten schillernd gekleideter Damen und vornehmer Herren und nippte an einem Glaskelch. Der Sonnwendtanz , wenn man diese selbstmörderische Angeber-Akrobatik so nennen wollte, war vollzogen und nun dümpelten entspannte, belanglose Gespräche durch den Sonnensaal. Der neueste Klatsch wollte schliesslich verbreitet werden. Im Augenblick stachen Maja (vielleicht inspiriert durch die spärlich bekleideten, jungen Krieger, die am Tanz teilgenommen hatten) zum ersten Mal die vielen Wachen ins Auge. Sie standen in jeder Ecke des Saales und flankierten die acht großen Türen. Allesamt gutgebaute Burschen. Aber man wurde ja auch nicht mir nichts dir nichts Palastwache. Logisch. Es war also nur natürlich, dass die junge Dame nun begann, verstohlen die Auswahl zu beäugen. „Ja sag mal. Entdecke ich da eine Schwäche für Uniformen?“, spottete Kiku Fu. Sie war die Tochter des Konsuls, ungefähr gleich alt wie Maja und ungefähr ebenso keck. „Äh ... eigentlich nicht. Bisher zumindest.“ „Hier wirst Du sie bestimmt entwickeln.“ „Warum tragen eigentlich ein paar der Soldaten keinen Helm?“ „Ah, das sind die Kage. So haben sie die Umgebung besser im Blickfeld.“ „Kage?“ „Ein veraltetes Wort für Schatten. Sie sind die persönlichen Leibwachen. Die MIT den Helmen sind die Kanjio. Normale Mitglieder der Palastwache. Aber selbst das sind schon ziemlich tolle Jungs. Die Eliteeinheit des Militärs, sozusagen.“ „Kanjio?“ „Es bedeutet `Bollwerk´“ „Verstehe. Also ... nach Elite sehen sie auch aus.“, murmelte Maja, als ein besonders eindrucksvolles Exemplar an ihr vorüber schritt. Allerdings eins ohne Helm, mit Sandfarbenem, kurzem Schopf. Zwar sah sie nur die Kehrseite, aber die war ihrer Meinung nach mehr als sehenswert. „Oha! DAS ist Hauptmann Nezu!“, wisperte Kiku prompt. Sie klang, als erwarte sie eine Reaktion. „Nezu?“ „Ja! Sagt Dir der Name nichts?“ „Nezu, Nezu ... War das nicht irgendsoein Held?" „Takeru Nezu! Zukos Blutwolf! Der beste Kage seit elf Generationen!“ „Ach ja... Natürlich! Ich dachte immer, der wäre viel älter.“, flüsterte Maja, die es eindeutig noch nicht gewohnt war, lebenden Legenden über den Weg zu laufen. „Bist Du ihm bisher noch nicht begegnet?“ Fräulein Koro schüttelte den Kopf, während ihre Augen weiterhin an dem uniformierten Mannsbild klebten. „Nicht, dass ich wüsste. DER wäre mir bestimmt aufgefallen.“ „Dann hast Du Aya aber noch nicht allzu oft getroffen, wenn Du ihn jetzt zum ersten Mal siehst.“ Maja zuckte mit den Schultern. Sie musste ja niemandem auf die Nase binden, wie unwohl sie sich in Gegenwart der Prinzessin fühlte. Bisher war sie ihr eher aus dem Weg gegangen. Nicht, dass sie die Schwester ihres Schwagers nicht gemocht hätte. Es war quasi unmöglich, Aya nicht zu mögen. Doch Maja war es nunmal gewohnt, das hübscheste Mädchen der gesamten Umgebung zu sein. Und in Gegenwart von Lees Schwester kam sie sich vor, wie ein tollpatschiger Bauerntrampel. „Warum nennt man ihn eigentlich Blutwolf?", wollte Maja jetzt wissen. „Wenn Du seine seltsamen Augen siehst, weißt Du, warum.“, antwortete Kiku bereitwillig. „Eiskalt. Wie die eines Winterwolfs.“ Sie schauderte, halb verzückt „Es gibt niemanden, der effektiver wäre. Oder loyaler. Er reagiert auf Onkel Zukos leisetten Wink. Und natürlich passt der Name auch deshalb, weil Nezu gefährlicher ist als jede Bestie, wenn man sich einem Mitglied des Fürstenhauses in böser Absicht nähert." „Ja. Das glaube ich sofort“, murmelte Maja, immer noch dem dunkelblonden Offizier hinterher gaffend. Als er sich so drehte, dass sie ihn im Profil sehen konnte, seufzte sie entrückt. „Heilige Asche... Ich hab jedenfalls noch nie jemanden gesehen, der eine Uniform so vorbildlich ausfüllt, wie dieser Kerl!“ „Maja!“, kicherte Kiku. „Na ja ... meine Mutter hat schon oft erzählt, wie sich die Damen um Takeru Nezu früher förmlich gerissen haben. Aber dann ist das mit seinem Gesicht passiert. Wirklich eine Schande ...“ „Was denn? Was ist mit seinem Gesicht?“, wollte Maja neugierig wissen. „Herrje, ihr habt da aber wirklich hinter dem Mond gelebt. Das Attentat.“ Kiku verlieh ihrer Stimme eine dramatische Tiefe. „An Ayas sechzehntem Geburtstag hatten vier bewaffnete Männer es geschafft, sich hier einzuschleichen. Sie griffen gleichzeitig an, und Hauptmann Nezu hat sich im letzten Moment vor die Prinzessin geworfen. Dabei ... ratsch!“ Sie tat so, als harke sie sich mit den Fingern vom Haaransatz bis zum Unterkiefer. „Die Drillingsnarbe. Hast Du von DER auch noch nichts gehört?“ „Ich ... glaube nicht. Ist sie schlimm?“ „Na ja. Es verschönert einen Mann nicht gerade, wenn seine linke Gesichtshälfte von drei Klingen aufgeschlitzt wird.“ „Hm. Also ich finde die ein oder andere Schramme gar nicht so schlimm.“ „Ja, schon. Nur mir persönlich ist der Blutwolf sowieso ein bisschen zu grimmig. Aber es gibt genügend Frauen, die ihn noch immer äußerst attraktiv finden. Gräfin Ren zum Beispiel. Ich hab erst heute gehört, wie sie geschworen hat, seine Qualitäten in gewissen Bereichen würden den optischen Makel mehr als wettmachen.“ „Du meinst ... sie und er ...?“ „Aber ja! Kaoris Mann starb vor neun Monaten. Und erst vorhin habe ich gehört, sie geniesse nun schon seit längerem und in regelmässigen Abständen die ... Gesellschaft Hauptmann Nezus.“ Plötzlich schnappte Kiku nach Luft und straffte sich. „Prinzessin!“ Maja bekam bei diesem Tonfall automatisch ein schlechtes Gewissen. Als sie sich umdrehten, stand Aya vor ihnen. Groß, elegant, schön wie immer. Und so blass, dass ihr Porzellanteint fast durchscheinend wirkte. Kiku, die mit Aya zusammen aufgewachsen, versuchte hastig die Situation zu retten, denn wenn die Prinzessin eines nicht ausstehen konnte, dann war es diese Art sensationslüsterner Klatsch, der eben ausgetauscht worden war. „Aya, wir haben nur ...“ „Kiku, Deine Mutter möchte Dich sprechen.“, sagte Ihre Hoheit leise. „Dann ... sollte ich wohl zu ihr gehen.“ „Ja. Das solltest Du.“ So sah sich Maja plötzlich alleine mit ihrer Schwippschwägerin. „Ähm. Ein wirklich schönes Fest, Hoheit.“, brachte sie heraus. „Aya.“, murmelte die Prinzessin automatisch. „Nenn mich bitte nur Aya. Ich ... wenn Du mich entschuldigen würdest ...“ Fast überstürzt eilte sie davon und liess eine verunsicherte Maja inmitten des Sonnensaals einfach stehen. In der Tat war Ayas Tempo alles andere als gemessen. Sie rannte beinahe. Nur nicht ansprechen lassen! Nur nicht Halt machen. Sie musste weg hier! Raus! Sie strebte zu einer der etwas kleineren Türen. Hinter ihr befand sich für diejenigen, die dem Trubel des großen Sonnensaals entkommen wollten, eine weitläufige Orangerie, die gleichzeitig auch als Bibliothek genutzt wurde. Agni sei Dank war der Raum leer. Hastig schloss Aya die Tür und liess sich schwer atmend dagegen sinken. Durch die raumhohen Fenster schien der Mond, warf die eleganten Sprossen der Fenster als dunkle Pfade auf den Boden. Doch die Prinzessin nahm sein Leuchten nur als verschwommene, silbrige Schwaden wahr. Sie schloss die Augen und die dummen Tränen quollen über. Natürlich ging sie sein Privatleben nichts an. Natürlich lebte er nicht im Zölibat! Natürlich hätte sie es wissen müssen! Aber ... SIE? Kaori Ren? Diese Frau war ... nicht anständig. Sie war oberflächlich, überheblich, selbstverliebt, eitel und dumm. Kaori Ren kümmerte sich ausschliesslich um Kaori Ren. Diese Frau würde nie in der Lage sein, zu sehen, wer Takeru Nezu wirklich war. Aber eigentlich war es gleichgültig, wegen was für einer Person Aya weinte. Jetzt da sie ein konkretes Gesicht vor Augen hatte, war die Eifersucht da. So oder so. Quälend, brennend und unausweichlich. Sie presste ihr die Brust zusammen, nahm ihr die Luft zum Atmen. Warum konnte sie diese unangebrachten Gefühle nicht einfach abschütteln? Warum hatte sie in all diesen Jahren nicht gelernt, dagegen anzukämpfen? Warum? Warum war ihr wehes Herz nur so stur und unbelehrbar? „Hoheit?“ Aya ballte die Fäuste, als die tiefe Stimme gedämpft durch die Tür drang. Die Stimme, ihres beständigen, sie quälenden Schattens. Sie wollte nicht antworten. „Hoheit?“ Das Pochen an der Tür wurde nachdrücklicher. Weiteres Schweigen hätte das Öffnen dieser Tür zur Folge. „Ja?“ Obwohl die Tränen mittlerweile silbrige Bögen auf ihren Wangen hinterliessen, klang ihre Stimme ruhig. „Was ist mit Euch?“ „Mir war nur etwas warm, Hauptmann. Das ist alles.“ „Prinzessin, so kann ich nicht für Eure Sicherheit bürgen.“ Ihre Sicherheit. Es war das einzige, was diesen Mann interessierte. „Nur noch einen Moment.“ Erst musste sie die verräterischen Spuren ihres Schmerzes beseitigen. „So leid es mir tut, Hoheit, doch ich muss darauf bestehen, dass Ihr die Tür öffnet.“ Mit fliegenden Händen wischte Aya die Tränen fort, zwang einen tiefen Atemzug in ihre verkrampfte Brust, straffte sich und griff nach der Klinke. „Nun, nun, Hauptmann. Kein Grund gleich Eure Truppen zu mobilisieren. Ich brauchte nur ein wenig frischere Luft.“, murmelte sie spöttisch und wich geschickt dem forschenden Blick aus, indem sie ihren Ärmel zurechtzupfte. Weinen würde sie später. „Möchtet Ihr in die Gärten gehen?“, fragte ihr Kage pflichtbewusst. „Nein, es geht schon wieder.“ „Wie Ihr wünscht, Prinzessin.“ Gar nichts war, wie sie es wünschte, aber das ging niemanden etwas an uns so setzte sie eine neutrale Mine auf und flanierte wieder durch die Gäste, während die wachsamen Augen ihres Leibwächters sie für keine Sekunde verliessen. Hauptmann Nezu sträubte sich, aus dem eben Gesehenen die naheliegenden Schlüsse zu ziehen. Das konnte nicht sein! Noch gestern hätte er Stein und Bein geschworen, dass das was er eben beobachtet hatte, ein Ding der Unmöglichkeit sei. Sie und dieser Lackaffe Shouta? Normalerweise war Prinzessin Aya klug genug, um so oberflächliche, eitle Menschen als die Blender zu erkennen, die sie waren. Doch nun schien es plötzlich nur noch eine Erklärung für ihr Verhalten zu geben. Masaru Shouta. War sie nicht schon gestern in Gegenwart des Herzogs seltsam zerstreut gewesen? Nervös? Und heute sie während des ganzen Festes heiter und gelassen gewesen, bis Masaru vor ein paar Minuten eine der Hofdamen zum dritten Mal zum Tanz aufgefordert hatte. Zweifellos, weil er sich einbildete, damit Ayas Eifersucht schüren zu können. Das unbegreifliche war nur, dass diese überhebliche Taktik zu fruchten schien. Die Prinzessin war gerade im Begriff gewesen Kiku Fon anzusprechen, als sie plötzlich zur Salzsäule erstarrt war, die Hände so fest um ihren Fächer gekrampft, dass die Knöchel weiss hervortraten. Takerus Herz hatte es ihnen gleich getan, als er sah warum. Es war der Herzog, der in diesem Moment in Ayas Blickfeld tanzte, eine albern kichernde Mishi Pan im Arm. Nicht er! Das war alles, was Takeru zu denken im Stande gewesen war. Bitte nicht er! Dieser Geck? So dumm, eitel und arrogant. Der Kerl war es noch nicht einmal wert, die selbe Luft zu atmen, geschweige denn im gleichen Raum mit ihr zu sein! Doch die Art, wie Aya eben in die Orangerie geflohen war; die Feuchtigkeit auf ihren ebenholzfarbenen Wimpern. Einem Unbeteiligten wäre die steife Kopfhaltung und die unangemessen hastigen Schritte nicht auffallen. Aber Takeru Nezu war kein Unbeteiligter. Schon viel zu lange nicht mehr. Die Dämonen seiner kleinen, exquisiten Hölle feierten ihre jüngste Schwester, die Eifersucht, mit Begeisterung und trieben ihm ihre giftigen Klauen noch tiefer in die Seele. Vielleicht war es an der Zeit, zu gehen. Vielleicht sollte er diesen Himmel fliehen, der seine Hölle geworden war. Vielleicht sollte er endlich ablassen von seiner kleinen, goldäugigen Fee. Sie war der bei weitem unbarmherzigste seiner Folterknechte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)