Lotosblütennacht von Frigg ================================================================================ Kapitel 13: Augenblick ---------------------- Seth wusste nicht, was er sagen sollte. Er starrte in Maras Augen. Natürlich wusste er, dass dieser Moment kommen würde, aber er hatte gehofft, noch bis zum nächsten Tag warten zu können. Seth streckte eine Hand nach ihr aus, als wollte er ihre Schulter berühren, schüttelte den Kopf und ließ die Hand wieder sinken. Er wandte sich von Mara ab und sah aus dem Fenster. „Seth, bitte. Sagt mir, was ihr über meine Eltern wisst und auch über das Zimmer.“, bat Mara. Seth seufzte. „Setz dich. Du gibst ja eh keine Ruhe. Ich werde dir also Rede und Antwort stehen.“ Er setzte sich und Mara tat es ihm gleich. Kurz überlegte Seth, wo er anfangen sollte. „Du weißt, ich kannte deinen Vater und der Pharao kannte ihn auch sehr gut. Wir waren sozusagen Freunde.“ „Aber wieso hat er mir nie etwas gesagt?“ „Iri wollte nicht, dass du mit dem Palastleben aufwächst. Er war der Meinung, dass die Machenschaften und Intrigen nicht gut für dich wären. Dein Vater war unser engster Freund und dementsprechend hatte er auch eine hohe Position hier am Hofe. Deine Mutter…Iri hat dir nie gesagt, was die gemacht hat, oder?“ Mara schüttelte den Kopf. „Er hat mir nie gesagt, was sie gemacht hat. Er sagte nur, ich würde ihr ähnlich sehen.“ Seth nickte. „Ich habe sie natürlich auch nicht kenne gelernt, aber ich dachte mir, dass er es dir nie gesagt hat. Deine Mutter, Nefer, war eine Begleitdame der Gottesgemahlin, also der Mutter unseres Pharaos. Sie war ihre Vertraute und hatte dementsprechend auch eine hohe Stellung hier.“ „Das heißt ja…“ „…dass du von hohen Persönlichkeiten abstammst.“, beendete Seth den Satz. Mara schluckte hart. Sie hatte alles Mögliche erwartet. Nur das nicht. „Der Pharao und ich, wir haben deinem Vater etwas versprochen. Sollte ihm je etwas zustoßen bevor du verheiratet bist, haben wir versprochen, dass wir uns um dich kümmern und beschützen würden.“ „Und jetzt?“ Mara sah von ihrem Schoß auf. „Du bist keine Sklavin mehr, sondern frei. Du kannst gehen wohin du willst oder auch bleiben. Tu was du willst.“ „Wollt Ihr, dass ich bleibe?“ Seth drehte sich zu ihr um. „Wie ich darüber denke, spielt keine Rolle.“ „Für mich schon. Ich möchte wissen, wie Ihr darüber denkt!“ „Na schön!“ Seth stand auf, umkreiste den Tisch und war mit wenigen Schritten bei Mara. Er beugte sich zu ihr herunter, schloss die Augen und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Der Kuss dauerte nur einen kleinen Augenblick. Dier kleiner Augenblick reichte aus, um Mara zu verwirren und ihr Herz schneller schlagen zu lassen. „Nun sage mir bitte, wie ich dich beschützen soll, wenn ich dich nicht einmal vor mir selbst beschützen kann?“, fragte er leise. Seth war so nah an Maras Gesicht, dass er ihren Atem spüren konnte. „Ihr wollte, dass ich gehe?“ Seth lachte. „Wenn ich wollte, dass du gehst, hätte ich dich dann eben geküsst? Wenn ich wollte, dass du gehst, hätte ich dich nicht in dem Gemach schlafen lassen, das eigentlich meiner zukünftigen Frau zustehen würde?“ „Was?!“ „Du hast schon richtig gehört, Blauauge. Du schläfst in dem Zimmer, welches meiner Verlobten zustand.“ „Wieso stand?“, fragte Mara vorsichtig. „Weil sie tot ist. Sie ist an einer Krankheit gestorben. Seit dem steht das Zimmer leer.“ „Tut mir leid.“, sagte sie leise. Seth winkte ihre Entschuldigung mit einer Handbewegung ab. „Was willst du nun tun? Bleiben oder gehen?“ Mara sah zu Boden und überlegte, was sie sagen sollte. „Ich…ich werde gehen…“, sagte sie langsam. Seths Augen weiteten sich kurz. Es war so kurz, dass man hätte meinen können, dass es eine Einbildung war. „Dann soll Jonou dir helfen deine Sachen zu packen.“ Seth wandte sich ab und sah wieder aus dem Fenster. „Ähm…ich wollte Euch fragen…ob…ob Ihr Jonou und den Jungen Marik nicht mir überlassen könntet…?“ Seth drehte sich nur mit dem Kopf um. „Was willst du denn mit einem Sklaven und einem Küchenjungen? Egal, nimm sie mit. Wir haben eh mehr Arbeitskräfte als wir gebrauchen können.“ Mara nickte. „Habt dank.“ „Ich werde dir auch zwei Pferde am Morgen zur Verfügung stellen.“ „Danke.“ Mara verließ Seths Gemach und ging in ihr eigenes, wo Jonou auf sie gewartet hatte. „Wo warst du so lange?“, fragte er und sprang von der Liege auf. „Ich habe etwas mit Seth besprochen.“ Mara legte den Ring und den Armreif auf die Kommode. Ihre Haare fielen ihr tief ins Gesicht. „Mara, was tust du da? Du darfst den Ring nicht ablegen!“ „Doch, kann ich. Ich bin frei und du und Marik, ihr beide werdet mich im Morgengrauen begleiten.“, gab sie kurz angebunden zurück. „Jonou, strecke deinen rechten Arm aus.“ Jonou streckte verwirrt seinen Arm aus. Mara griff nach seinem bronzefarbenen Sklavenring und zog ihn von seinem Arm. „Du bist frei. Ich will keine Sklaven an meiner Seite haben, nur freie Diener.“ „Danke…“, sagte er verwirrt. „Schon gut. Hilf mir, meine Sachen zu packen und dann hol Marik. Bei Sonnenaufgang verlassen wir den Palast.“ Jonou nickte. „Darf ich fragen, wohin wir gehen?“ „Fort aus dieser Stadt.“ Mara ging nicht weiter auf diese Frage ein, sondern suchte ein paar Sachen zusammen. Jonou merkte sofort, dass Mara nicht darüber sprechen wollte und ging stattdessen Marik holen. Seth stand noch eine ganze Weile am Fenster bis es an seiner Gemachstür klopfte. Ein anderer Diener, viel jünger als Jonou, trat herein und kündigte jemanden an, der Seth vollkommen unbekannt war und der mitten in der Nacht eine Audienz wollte. Seth war es egal und empfing den Fremden. Der junge Diener führte eine vermummte Gestalt in Seths Gemach. „Wer seid Ihr?“, fragte er sofort. Die vermummte Gestalt zog die Kapuze zurück. Es war ein junger Mann mit silbrigen Haaren und braunen Augen. Auf seiner Schulter saß ein Falke und blieb dort reglos sitzen. Seine Haut war nicht sonderlich gebräunt. „Meine Name ist Ryo. Ich habe gehört, dass sich Iris Tochter Mara hier aufhalten soll. Ich bin hier um sie abzuholen.“ „Und wer bist du, dass du dir erlaubst, hier in den Palast zu kommen, um meine Dienerin einfach so mitzunehmen!?“ „Iri hat sie mir zur Frau versprochen. Da er nicht gekommen ist, habe ich mich selbst auf den Weg gemacht. Ich weiß, dass Iri tot ist und seine Tochter soll sich hier im Palast befinden.“ „Wie bist du hier reingekommen?“ „Bei so viel Betrieb wie am heutigen Abend, war es ein Kinderspiel.“ „Auf so etwas, steht der Kerker! Wie dem auch sei…Mara ist frei und wird morgen den Palast verlassen. Ich will dir geraten haben, sie in Ruhe zu lassen und dorthin zurück zu kehren, wo du her gekommen bist. Sie wäre sowieso nichts für dich. Sie hat einen viel höheren Stand als du.“ „Tz…Iri hat sie mir versprochen!“ Seth packte Ryo am Kragen seines Umhanges. „Verschwinde aus dem Palast und kehre dahin zurück, wo du hergekommen bist! Das ist ein Befehl!“ Ryo seufzte ergeben. „Gegen den Hohepriester habe ich keine Chance. Dann gebt ihr bitte das hier mit.“ Der Falke erhob sich von Ryos Schulter, kreiste kurz um ihre Köpfe und setzte sich auf die Stuhllehne. „Einen Falken?“ Seth hob eine Augenbraue und ließ Ryo los. „Ja, damit kann sie Nachrichten auf dem schnellsten Weg versenden. Er ist treu und klug. Sein Name ist Kail. Bitte, gebt ihn ihr.“ Seth sah den Falken an, nickte aber Ryo an. „Mein Diener wird dich hinausführen.“ Ryo verließ den Palast. Er hatte zwar nicht sein Ziel erreicht, aber vielleicht war es auch besser so. Er würde schon eine andere Frau für sich finden. Er stieß das Pferd leicht in die Seite und es preschte los in die Nacht. Es war noch mitten in der Nacht, als Mara, Jonou und Marik das Gemach verließen und durch die Gänge gingen. Wie versprochen standen dort zwei Pferde, als sie in den Hof traten. Jonou ladete das Gepäck auf die Pferde und teilte sich ein Pferd mit Marik. Mara zog den Umhang über und die Kapuze ins Gesicht. Sie sah noch einmal zum Palast und nickte Jonou zu. „Willst du gehen ohne dich zu verabschieden?“, fragte plötzlich eine männliche Stimme. Der Pharao trat mit einem Diener und Seth aus dem Schatten. Der Diener hielt eine Fackel in der Hand und erhellte die umstehenden Personen. „Ich wollte niemanden wecken, mein Pharao.“, entschuldigte sich Mara, „Ach ja, hier ist Eurer Ring.“ Sie hielt dem Pharao den Ring hin. „Nein, behalt ihn. Damit werden dir alle Türen offen stehen. Egal, wohin du willst. Hier habe ich auch noch etwas für dich.“ Der Pharao reichte ihr eine Schriftrolle. „Was ist das?“ „Ein Schreiben. Damit hast du die Erlaubnis die Arbeit zu tun, die du willst und wirst entsprechend gefördert. Und, wenn wir uns wiedersehen sollten, brauchst du mich auch nicht mehr so förmlich anreden, wenn wir unter uns sind. Denn von heute an bist du eine Freundin und Vertraute.“ „Danke.“ Mara sah zu Seth. „Ich danke Euch, Seth, für alles und ich bin sicher, wir werden uns wieder sehen.“ Mara beugte sich ein Stück vom Pferd herunter zu Seths Ohr. „Ihr verdient jemanden an Eurer Seite, der eine ebenso hohe Stellung hat wie Ihr.“, flüsterte sie und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund. „Lebt wohl.“ Mara trieb das Pferd an, Jonou tat es ihr gleich und folgte ihr. Zusammen preschten sie durch das große Tor, dass sich auch gleich darauf wieder schloss. Die ritten im vollen Galopp durch die verlassenen Straßen. Erst als sie die Stadtmauern hinter sich gelassen hatten, hielt Mara an und sah zurück. „Ist was nicht in Ordnung?“, fragte Jonou. „Nein, alles ok. Es ist nur traurig.“ Er nickte. „Was hast du denn nun genau vor?“ Mara lächelte Jonou selbstsicher an. „Du wolltest doch Krieger werden, wie dein Vater, oder?“, fragte sie. Jonou nickte. „Ja, aber…“ „Dann werden wir sehen, dass du das auch wirst!“ „Aber wie?“ „Lass dich überraschen! Und aus Marik werden wir auch jemanden machen, der geachtet wird.“ „Mara, wie denn?“ „Na hiermit!“ Mara wedelte mit der Schriftrolle des Pharaos vor Jonous Nase herum. Sie steckte die Rolle schnell wieder ein und preschte durch die Wüste in den Süden Ägyptens. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)