Lotosblütennacht von Frigg ================================================================================ Kapitel 11: Der Junge aus dem Wüstendorf ---------------------------------------- Der Pharao saß auf einer Liege. Die letzten Strahlen der Sonne fielöen in seine Gemächer und färbten es in ein angenehmes rot und orange. Der Wind ließ die Vorhänge tanzen und brachte ein wenig Kühlung in das Gemach. Nachdenklich legte sich Atem auf die weiche Liege und aß ein paar Trauben. Die Erinnerungen von Mara machten ihn nachdenklich und er dachte über das Geschehene nach. Atem griff nach dem Weinbecherund trank etwas von dem süßen Honigwein, als ihm sein Hohepriester angekündigt wurde. Seth trat wie immer mit einer lässigen Eleganz auf und verneigte sich mit einem leichten Kopfnicken vor dem Pharao. „Ihr habt mich rufen lassen, mein Pharao?“ „Setz dich, Seth, setz dich.“ Atem deutete auf die zweite freie Liege. Etwas verwundert darüber, dass der Pharao ihn nicht wie sonst so höflich anredete, wie er es sonst offiziell tat, sondern vertraut duzte, was schon lange nicht mehr vorgekommen war, setzte sich Seth. Sofort ließ Atem einen weiteren Becher mit Wein bringen und schickte seine Diener mit einer Handbewegung fort. Atem wartete bis Seth etwas getrunken hatte und seine Anspannung nach ließ. „Seth, ich weiß, dass du sehr an Mara hängst, aber…“, Atem suchte die richtigen Worte, „…du tust weder dir noch ihr noch mir einen Gefallen damit, wenn du mit der Wahrheit nicht rausrückst. Wir haben ein Versprechen gegeben und das sollten wir auch einem Freund gegenüber halten.“ „Aber…“ Seth rang mit den Worten. Er wollte nicht, dass Atem glaubte, er würde etwas für Mara empfinden. „Leugnen ist zwecklos, mein lieber Freund.“ Atem tippste grinsend mit dem Finger auf sein Puzzle. „Ich habe alles genau gesehen.“ Seth nahm einen großen Schluck aus dem Weinbecher. Die Tatsache, dass der Pharao alles gesehen hatte, was in der Ruine passiert war, ließ jegliche Farbe aus Seths Gesicht weichen. „Ihr habt also schon mit ihr geredet. Verstehe.“ „Seth, wir sind unter uns. Rede mich also nicht so förmlich an, bitte.“ Der Hohepriester nickte. „Selbst als ich ihre Erinnerungen noch nicht kannte, wusste ich, dass du an ihr hängst. Du hast dich auch selbst verraten, als du ihr das Gemach neben deinem gegeben hast.“ Atem stand auf und ging auf die Terrasse, Seth folgte ihm stumm. „Wir beide wissen, wer ihre Mutter war und welche Stellung Iri und Nefer hier im Palast hatten. Mara hat ein Recht darauf, es zu erfahren.“ Die violetten Augen des Pharaos blieben auf Mara und Jonou liegen, die durch den Garten schlenderten. Seth folgte dem Blick, wandte ihn aber schnell wieder ab. „Iri war unser Freund. Er konnte es ihr nicht sagen, welche Stellung er und Nefer am Hof hatten. Er wollte Mara von diesem Leben fern halten. Er hielt es nicht gut, wenn sie mit den Intriegen und den Machenschaften in Berührung kam. Und wofür? Alles umsonst!“, sagte Seth und sah auf den Horizont. Atem seufzte. „Ich weiß. Er hat es uns selbst gesagt. Ich erinnere mich noch zu meiner Krönungsfeier, die wir drei nach den offiziellen Feierlichkeiten in meinem Gemach gemacht hatten. An diesem Tag bat er uns um ein Versprechen.“ Der Pharao dachte an diesen Tag vor drei Jahren zurück und wandte den Blick von Mara ab, die noch immer mit Jonou im Lotosgarten war. Er sah Seth an. Alles an dem Hohepriester wirkte plötzlich nicht mehr lässig elegant und erhaben stolz, sondern verzweifelt und voller Sorge. Atem konnte den traurigen Anblick seines Freundes nicht ertragen und legte ihm aufmundert eine Hand auf die Schulter. „Wenn du es nicht alleine kannst, Mara die Wahrheit zu sagen, dann werde ich dir natürlich helfen.“ Plötzlich grinste Atem Seth hinterhältig an. „Und wenn du nicht den Mut hast, ihr den Hof zu machen, werde ich es eben tun. Denn abgeneigt von ihr bin ich nicht!“ „Atem!“, stieß Seth empört hevor, „Wir haben nicht verpsorchen, uns an sie ran zu machen! Außerdem ist sie immer noch meine Sklavin!“ „Pharao!“, konterte Atem. Seth und Atem sahen sich einen Moment stumm an und lachten dann unwillkürlich los. „Du bist unmöglich, Atem!“, sagte Seth und ging wieder mit dem Pharao ins Gemach. Zusammen tranken sie noch bis in den späten Abend den süßen Wein. Mara und Jonou hatten beschlossen am frühen Abend im Lotosgarten spazierne zu gehen. Sie redeten miteinander und lachten. Jonou erzählte ihr einiges über sein früheres Leben und das Leben, was er jetzt führte. Mara hörte ihm interessiert zu. Jonou kam aus einem fernen Land, weit aus dem Osten. Das Land hieß Japan. Dort hatte man noch nie etwas von Pyramiden und Pharaonen gehört bis eines Tages die Armee eines Pharaos dort einmarschiert war, um das Land zu erforschen. Als sich dann heraus stellte, dass das Land brauchbares Gut hatte, hatte der Pharao erfolgreich gegen die Männern und Armeen des Landes gekämpft und Sklaven, Gold, Edelsteine, Stoffe und Samen für Früchte mitgebracht. Oft versuchten die Könige des Landes, die sie dort Kaiser nannten, ihre Gebiete zurück zu erobern, scheiterten jedoch immer wieder. Jonou hatte ein einfaches Leben geführt. Sein Vater war ein Feldherr gewesen und seine Mutter eine Priesterin, die Miko genannt wurde. Er war der Lehrling seines Vaters gewesen und hatte schon mit einigen Trainingsübungen begonnen. Doch eines Tages kam wieder die Armee des Pharaos und sein Vater zog in die Schlacht und starb dort. Die Armee drang auch in den Tempel seiner Mutter ein, töteten sie und plünderten diesen. Ihn ließen sie jedoch am Leben, um ihn nach einer monatigen Schiffsreise nach Ägypten als Sklave zu bringen und dem Pharao als Kriegsbeute zu schenken. Der Pharao hatte jedoch genug eigene Diener und Sklaven und schenkte ihn weiter an Seth. „Aber du sprichst doch fließend ägyptisch? Wie lange bist du denn schon hier?“, fragte Mara verwundert. „Lange.“, seufzte Jonou, „Ungefähr zwei Jahre oder so. Genau weiß ich das nicht.“ „Das tut mir leid.“ Mara konnte Jonou durchaus verstehen und fühlte mit ihm. „Schon gut.“, sagte er etwas verlegen und beide schwiegen sich an. Plötzlich fiel etwas laut krachend zu Boden. Mara und Jonou sahen erschrocken auf. Eine Hecke bewegte sich und merkwürdige Geräusche kamen daraus. Jonou stellte sich schützend vor Mara und ging vorsichtig auf die Hecke zu. Langsam näherte er sich und schob ein paar Zweige und Äste zur Seite. „Hä?“, entfuhr es ihm. Mara trat zu Jonou heran. „Was…ist das?“ In der Hecke lag ein zusammengerollter Teppich, der sich wandte, bewegte und erstickte Geräusche von sich gab. „Da ist jemand drin!“, stieß Mara hervor. Jonou packte den Teppich und zog ihn aus der Hecke. „Tritt ein Stück zurück. Man kann nie wissen.“ Mara tat wie Jonou es gesagt hatte und nahm ein wenig Abstand. Jonou öffnete das Seil, mit dem der Teppich zusammengebunden worden war und rollte ihn auf. Ein Junge lag darin eingewickelt. Seine Haut war braungebrannt und er trug ein einfaches langes Leinengewand. Seine Haare waren fast weiß. Er trug keine Sandalen oder sonstigen Schmuck. Er war fast im Mannesalter. Mara trat näher. „Alles ok mit dir?“, fragte sie vorsichtig. Der Junge sah erschrocken auf und starrte beide ängstlich an. „Keine Angst, wir tun dir nichts. Sag, wer hat dir das angetan?“ „Mein…mein Vater…“, stammelte er. „Wie heißt du? Ich bin Mara und das ist Jonouchi, aber nenn ihn ruhig Jonou.“ „Ich heiße Marik.“ „Und wo kommst du her?“, fragte Jonou. „Aus einem kleinen Wüstendorf. Meine Eltern sind nicht sehr reich.“ Jonou sah den Jungen wissend an und sah zu Mara. Stumm deutet er ihr, dass er ihr etwas sagen musste. Mara näherte sich Jonou, damit sie besser flüstern konnten. „Der Junge wurde ausgesetzt. Seine Eltern sind vermutlich zu arm, um ihn weiterhin zu ernähren.“ „Passiert sowas oft, dass…naja…“ Mara deutete zu dem Teppich und den Jungen. Jonou nickte. „Leider ja. Dieser Teil der Palastmauer wird wenig bewacht und viele schieben ihre Kinder hier ab. Meist werden sie in Säcken oder so gesteckt und dann wie ein altes Stück Stoff über die Mauer geworfen. Es ist ihnen egal, was dann aus ihrem Kind wird. Es gibt viele Gründe. Meist sie sind zu arm und hoffen, dass ihr Kind im Palast eine gute Anstellung findet als Diener oder so.“ „Aber wir können ihn nich einfach seinem Schicksal überlassen!“ Jonou seufzte. „Okay…wir nehmen ihn mit und fragen einen Priester, as wir mit ihm tun sollen.“ Mara nickte einverstanden. Sie nahmen Marik mit in den Palast. In der frühen Nacht kam ein Reisender auf seinem Pferd an der Stadtgrenze zum stehen. Seine Kapuze reichte ihm tief ins Gesicht. An dem wenigen Stück freie Haut, sah man wie blass er war. Seine Haut ähnelte Porzellan und seine Augen waren braun. Sein Haar weiß, jedoch war anfang zwanzig. Auf seinem Arm landete ein Falke und blieb friedlich darauf sitzen. Kurz streichelte er ihm über das Gefieder und ließ ihn wieder fliegen. Dann trieb er wieder das Pferd an und breschte den Hügel hinunter in die Stadt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)