Vampirzwillinge von Samara05 (Sind nicht eher die Menschen Bestien?) ================================================================================ Kapitel 1: Discobesuch ---------------------- „Marc! Nun komm schon... sag ja! Bitte...“ Mein bester Freund packte mich an meiner Jacke und schüttelte mich durch, als könne er so meine Zustimmung erzwingen. Genervt befreite ich mich aus seinem Griff. „Man, Rick, warum willst du mich heute unbedingt in diese neue Disco schleppen? Ich hatte dir schon letztens gesagt das mich so etwas nicht interessiert...“ „Aber Marc, du kannst doch nicht die ganze Zeit nur zu Hause hocken. Junge Menschen wie wir sollten sich amüsieren. Wann warst du denn letztes Mal aus?“ Ui, da hatte er mich erwischt. „Hm, keine Ahnung aber...“ „Nichts aber!“, unterbrach mich Rick: „ich hol dich um 20 Uhr ab. Bis dahin hast du dich discofertig angezogen und keine Ausreden!“ Er schnappte sich seine Jacke und verschwand aus der Haustür bevor ich überhaupt Widerworte geben konnte. Na toll, jetzt musste ich mich auch noch darauf vorbereiten. Denn so wie ich ihn kenne lässt Rick nie Ausflüchte gelten. Wirklich, ich hatte es mal ausprobiert. No Chance... Dabei meinte er es aber nur gut mit mir. Nach seinem Geschmack bin ich viel zu oft allein und er meinte, auf Dauer könnte das doch nur Schaden. Keine Ahnung ob er Recht hatte. Schließlich war ich es gewohnt allein zu sein. Und das war ich ständig, bevor ich Rick kennen lernte. Durch ihn lernte ich auch andere Menschen meinem Alters kennen. Okay, ich geb’s zu. Es ist ein schönes Gefühl, mit anderen Menschen zusammen zu sein, statt im Wohnzimmer vor dem Computer rum zu hocken. Und dann kam die Steigerung. Rick fing vor 2 Wochen an darüber zu reden mich mal in eine Disco mit zu nehmen. An sich ja nichts weltbewegendes. Aber wenn man so viele Leute nicht gewohnt war, kann es schon unangenehm sein, glaube ich. Von allen Seiten von schwitzenden Leibern eingeschlossen, die laute Musik und die Hitze... Stopp! Jetzt stellte ich es mir schon schlimmer vor als es wohl in Wahrheit ist. Aber wie gesagt, ich hatte wohl keine andere Wahl als mitzumachen. Als ich auf meine Armbanduhr sah, war es schon 19.10 Uhr. Es war wohl Zeit mein Outfit raus zu suchen. Meine Wohnung war nicht besonders groß. Ein Schlaf-, Wohn-, Bad-, und Esszimmer. Vier Zimmer klingt nach wenig aber dafür sind die Zimmer schön, gemütlich und preiswert. Ich ging in mein Schlafzimmer und steuerte direkt meinen dunkelbraunen Kleiderschrank an. Trotz meiner zurückgezogene Lebensweise war der Schrank bis oben hin voll. Was nur zeigte, wie anstrengend eine Shoppingtour mit Rick war... Ja, auch Männer müssen mal einkaufen. Ich wühlte in den ganzen Sachen und zog anschließend eine schwarze, enge Jeans mit Schlitzen in den Hosenbeinen und ein ärmelloses schwarz-weißes T-Shirt heraus. Zufrieden mit der Wahl schmiss ich alles auf mein Bett, dann beugte ich mich über mein Nachttisch und öffnete die Schublade. Ein dunkelblaues, klitzerndes Halsband wurde sichtbar, was ich auch mit aufs Bett legte. Als ich alles zusammen hatte, zog ich mich aus und ging duschen. Dabei rieb ich mich mit Shampoo ein, das köstlich nach Kirschen roch. Frisch geduscht zog ich die neuen Sachen an und war bald ausgehfertig. Es war jetzt kurz vor 20 Uhr und Rick müsste bald an der Tür stehen. Jetzt erst kroch langsam Nervosität in mir hoch. Wie würde es wohl in der Disco sein? Ich hatte schließlich keine Ahnung wie es in einer Schwulen-Disco aussah... Und ja: ich bin schwul! Endlich klingelte es an der Tür und ich sprang schnell von meinen Sessel, ging zu selbiger und öffnete sie. „Na, Marc. Bist du soweit? Können wir los?“, fragte Rick und musterte mich. Grinsend meinte er: “Schlecht siehst du schon mal nicht aus. Wärst du mein Typ wäre ich nicht abgeneigt mit dir ins Bett zu steigen.“ „Idiot!“, sagte ich nur und blickte ihn nun meinerseits an. Ricks lange Beine steckten in einer Lederhose und seine Bauchmuskeln wurden durch das Muskelshirt betont. Seine kurzen braune Haaren waren zu Stacheln aufgegeelt, wobei ich schwarze Strähnchen entdeckte. Alles in Schwarz. „Du siehst auch nicht schlecht aus, aber sag mal warum sollte ich unbedingt nur schwarze Sachen anziehen?“ „Weil von der Disco das Motto *Sonnenfinsternis* ist. Eh du fragst, ich war selbst noch nicht drin. Ist auch erst vor sieben Tagen neu eröffnet wurden und ein Freund von mir meinte, es wäre der Hammer dort. Und keine Sorge, wenn dir jemand zu nahe tretet werde ich mit ihm mal an die frische Luft gehen und...“ Ich hörte ihm nicht mehr zu, während wir zu seinem Wagen gingen und einstiegen. Wenn Rick mal ein Thema gefunden hatte, konnte er auch stundenlang davon erzählen ohne Luft zu holen. Wir fuhren wohl so eine halbe Stunde als wir wieder hielten. Ich stieg aus und sah mir kritisch das herunter gekommene Gebäude an, das außerhalb der Stadt auf einsamen Geländer stand. Es war still. „Sind wir hier richtig?“, fragte ich Rick zweifelnd. Er lachte: „Lass dich nicht von dem Äußeren täuschen, Marc.“ Er öffnete die Eingangstür und wir gingen hinein. Sofort schlug uns laute Musik entgegen und ich hätte wohl schreien müssen, wenn ich Rick was sagen wollte. Viele junge Menschen drängten auf der Tanzfläche, auf der ich mich plötzlich wieder fand. Es waren ausschließlich Männer die ich sah, oh ein Wunder. Ich sah wie mein Freund schon anfing die Jungen in seiner Nähe zu beobachten um jemanden zum tanzen auszusuchen. Als er kurz zu mir blickte, zeigte ich erst mit dem Fingern auf mich und dann auf die dunklen Nischen außerhalb der Tanzfläche. Mir wurde nämlich das Gedränge langsam zuviel und wollte mich deshalb in einer ruhigen Ecke, eine Etage weiter oben, wie ich sah, zurückziehen und erst mal alles beobachten. Rick nickte. Er hatte verstanden. Schnell drängte ich mich durch die Menge und schob mich durch die jungen Männer. Manche zwinkernden mir zu oder sprachen mich an. Ich tat aber so als hätte ich nichts mit bekommen, lief weiter und dann eine Treppe hoch. Erleichtert erreichte ich eine leere, kleine, dunkle Sitzecke und ließ mich nieder. Ich bestellte mir von einer Frau mit knappen Rock eine Cola-Wodka, lehnte mich zurück und sah mich um. Rick hatte recht gehabt, der Laden hier war nicht schlecht. Ich war zwar noch in keiner anderen gewesen, aber der Raum war groß. Wer tanzen wollte, konnte auf die Tanzfläche und hier in den Nischen war es gemütlich und angenehm kühl. Gut fand ich, das die Musik nur gedämpft hier oben an kam. Ich versuchte in den anderen Nischen zu spähen und als ich eng verschlungene Leiber erahnte, schaute ich schnell wieder weg. Meine Wangen färbten sich rot und ich versteckte mich schnell hinter meiner Cola-Wodka. Hm, ich hatte zwar gesagt das ich schwul bin, aber hatte in diesen Dingen noch überhaupt keine Erfahrungen. Ich hatte nur gemerkt das ich mit Frauen nichts anfangen konnte und Rick meinte nur dazu, das ich mich doch bei dem eigenen Geschlecht mal um sehen sollte. Anfangs zeigte ich ihm einen Vogel. Ich und schwul...? Nie im Leben! Aber dann beobachte ich doch, gegen meinen Willen, Männer, die ich während meiner Besorgungen z.B. beim Einkaufen begegnete. Und wirklich etwas regte sich in mir. Nicht das, was wohl manche jetzt dachten! Ich meinte damit Interesse. Als ich den Mut fand und Rick dies beichtete, meinte er nur: „Cool, dann sind wir schon mal zu zweit.“ Und schon kurz danach kam er mit der Schwulen-Disco an. So in Gedanken, merkte ich nicht wie sich jemand mir gegenüber hinsetzte. Ich schrak erst auf als sich dieser jemand räusperte und hob meinen Blick. Ich sah in ein gutgeschnittenes Gesicht mit schwarzen Augen. Schwarze Augen? Man der ging wohl voll mit dem Motto *Sonnenfinsternis*, dass er sich sogar schwarze Kontaktlinsen einsetzen ließ. Ich ließ mein Blick weiter wandern. Lange, glatte Haare vielen bis zu dessen Hüfte. Gebändigt von einem Haarband. Er trug ein langärmeliges Oberteil auf dem ein Totenkopf abgebildet war und eine Hose mit Stiefeln. Erübrigt sich zu erwähnen das alles schwarz gehalten war, oder? Lächelnd ließ er meine Musterung zu, bevor er fragte: „Gefällt dir was du siehst?“ Sofort lief ich rot an und das Lächeln wurde zum Grinsen. Ich fing an zu stottern: „Ich... ich wollte nicht so starren.“ „Ach Kleiner, für sowas musst du dich nicht gleich schämen.“, sagte er amüsiert. Sofort war mein Kampfgeist wieder da. „Ich bin nicht klein! Und wer bist du überhaupt das du dich ohne zu fragen einfach zu mir setzt?“ Kurz sah er mich an, dann stand er auf. „Hallo, hast du was dagegen wenn ich mich zu dir hin setze?“, fragte er als wäre er gerade erst angekommen. Ich konnte nur verdattert mit dem Kopf schütteln. Der junge Mann nahm es einfach als Antwort auf seine Frage und nahm Platz. Jetzt hatte er wieder ein Grinsen drauf und ich war immer noch sprachlos. Plötzlich lachte er los und mir wurde bewusst wie irritiert ich wohl im Moment aussehen musste. Langsam wurde ich wütend. Ich wollte was sagen aber da kam er mir zuvor: „Entschuldigung, ich wollte dich nicht so verwirren. Ich sah dich nur so allein hier rum sitzen und wollte mal sehen ob du Gesellschaft brauchst.“, sagte er im sanften Ton und ich vergaß sofort meine Wut. „Ähm... ja danke. Ich war wohl nur so überrascht plötzlich jemanden vor mir zu haben.“ „Kein Problem. Übrigens mein Name ist Samir und deiner?“ „Ich heiße Marc und bin eigentlich mit meinen Freund Rick hier, aber er flirtet wohl im Moment mit jemanden.“ „Und was ist mit dir? Warum suchst du dir niemanden?“, fragte er mich. „Nun...“, ich blickte an ihm vorbei, denn seine klaren schwarzen Augen bohrten sich tief in meine. Irgendwie war mir das unangenehm. „Nun, eigentlich wollte ich mich erst mal umgucken, da ich zum ersten mal hier bin.“ „Hm, meinst du, du wärst zum ersten mal hier in dieser Disco oder meinst du, du bist zum ersten mal in einem homosexuellen Laden?“ Überrascht sah ich wieder in seine Augen und gegen meinen Willen rutschte die Antwort heraus: „Zum ersten mal in einer Schwulen-Disco...“ Entspannt lehnte sich Samir zurück, wobei er mich unverwandt ansah. Irgendwie erinnerte mich sein Blick an Raubtieraugen. Unwirsch warf ich den Gedanken weg und konzentrierte mich auf das Gespräch. Samir lächelte wieder, als hätte er etwas gehört was ihm amüsierte. „Irgendwann ist immer das erste mal. Sag mal, hast schon einen Freund oder schon mal einen gehabt?“ „Nein, ich habe und hatte noch keinen Freund. Ich wüsste auch nicht was es dich angehe!“, langsam gingen mir die Fragen doch auf die Nerven. Entwaffnend hob er seine Hände. „Sorry, wenn ich jetzt zu aufdringlich war.“, entschuldigte er sich sogleich. Samir winkte der Disco-Kellnerin und bestellte für mich noch einen Cola-Wodka. Kurz sah ich auf meinen, der schon ausgetrunken war ohne das ich es bemerkte. Lächelnd drehte er sich wieder zu mir um und winkte ab als ich bezahlen wollte. „Geht auf meine Kosten.“, meinte er nur. „Ähm... danke.“, und nahm einen kleinen Schluck. Er beobachtete mich dabei, wobei man ihm deutlich ansah das er über etwas nach dachte. Plötzlich erhob er sich, ging paar Schritte und setzte sich dicht neben mich. Überrascht verschluckte ich mich an den Alkohol und musste husten. Beruhigend klopfte er mir auf den Rücken und half mir somit wieder zum Atem zu kommen. Es brannte etwas in meiner Kehle. Endlich schaffte ich es zu fragen: „Was wird denn das?“ Samir sah mich nur seltsam an und fragte nun seinerseits: „Würdest du gerne mal wissen, wie sich ein Kuss von einem anderen Mann anfühlt?“ Für dem ersten Moment sah ich ihn sprachlos an. Einen zweiten Moment bekam ich nicht. Aufeinmal war sein Gesicht sehr nah an meins und ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Es zu lassen? Ihn weg schupsen? Zuschlagen? Doch dann spürte ich seinen Mund auf meinem. Ich nahm seine warmen Lippen wahr, wie sie sich mit sanften Druck gegen meine pressten. Es war ein aufregendes Gefühl. Plötzlich spürte ich wie sich mein Gegenüber versteifte und sich mit einer schnellen Bewegung von mir löste. Er drehte sich um und spähte zum Eingangbereich. Ich war noch zu benommen von dem Kuss und bekam somit die Spannung in der Luft nicht mit, denn mir wurde gerade bewusst was passiert war. „Hey, was sollte das denn? Wenn du das noch einmal machst, dann...“ Ich verstummte erschrocken als Samir sich mir zuwand. Seine Augen schienen zu glühen und ein gefährliches Flackern war zu erkennen. Ich wusste nicht wie er es machte, aber von einen Moment zur anderen stand er wieder dicht vor mir und ich prallte vor Überraschung zurück und knallte dabei mit meinem Kopf an die Wand hinter mir. „Wir werden uns wiedersehen!“, flüsterte er mir ins Ohr, wobei es mehr nach einer Drohung als Versprechen klang. Ich spürte wie sich bei mir eine Gänsehaut bildete. Ich wollte was sagen, aber plötzlich konnte ich ihn nicht mehr sehen. Irritiert blinzelte ich und blickte mich um. Ich konnte gerade noch erkennen wie Samir sich, elegant wie eine Raubkatze, durch die Menschenmenge bewegte, in Richtung Hinterausgang. Ein Aufruhr im Eingangsbereich lenkte mich ab. Ein grauhaariger Mann, vielleicht mitte 50. Lebensjahr, drängte sich unsanft durch die Menge. Die jungen Menschen, die weg gerempelt wurden, protestierten laut und bewarfen den Mann mit Schimpfwörter. Kurz blieb der Grauhaarige stehen und schaute umher. Und ich war mir sicher das seine Augen vor Zorn blitzen als sein Blick am Hinterhausgang hängen blieb. Als ich selbst in die Richtung blickte, sah ich wie Samir dem Mann einen spöttischen Handwink schenkte und dann aus dem Club verschwand. Der Grauhaarige schrie vor Wut und versuchte nun noch schneller den Hinterausgang zu erreichen, aber die Discobesucher stellten sich ihn im Weg und ich glaubte nicht das er ganz ungeschoren raus kam. Verwirrt hatte ich das zugesehen. „Was geht hier vor?“, flüsterte ich. Kapitel 2: Der Tag danach ------------------------- Freut mich das es euch gefällt. Hier ist der 2te Kapitel: ----------------------------------------------------------- Verschlafen lag ich im Bett. Es musste wohl schon auf die Mittagszeit zu gehen, aber ich war im Moment zu faul um aufzustehen. Rückblick Gestern in der Disco wollte ich nicht mehr länger bleiben, obwohl dann in dem Eingangsbereich wirklich eine Prügelei entstand. Ich hatte Rick gesucht und überredete ihn zu verschwinden. Erst war er gar nicht erfreut, da er sich gerade mit einem Braunhaarigen unterhielt. Aber als wir draußen waren hörten wir Polizeisirenen die schnell näher kam. Es hatte wohl jemand die 110 angerufen, weil durch die Prügelei auch die Einrichtung mit dran glauben musste. Nun wir wollten nicht gerade die ganze Nacht hier fest sitzen, weshalb auch Rick sich nun beeilte. Eine Stunde später ließ ich mich geschafft auf mein Bett fallen und schlief sofort ein. Rückblick zuende Unruhig wälzte ich mich im Bett herum, als die Sonne mein Fenster erreichte und mir voll ins Gesicht schien. Resigniert stand ich müde auf, machte mich im Badezimmer frisch und zog mich an. Immer wieder musste ich an Samir und an den komischen grauhaarigen Mann denken. Warum war er so wütend und was wollte er von ihm? Ich war mir sicher das er gezielt nach dem Jüngeren gesucht hatte. Aber was gingen mich schon Angelegenheiten von Fremden an? „Wir werden uns wiedersehen!“ Ich schnaubte, als ob er das so bestimmen konnte. Und ich dachte nicht, dass das so einfach wäre. Schließlich war das hier eine Millionenstadt! Es war ein kurzes kennen lernen, mehr nicht und ich sollte Samir einfach vergessen. Und genau so machte ich es auch! Langsam schlurfte ich ins Esszimmer und schaufelte etwas Pulver in die Kaffeemaschine. Mir genauso viel Zeit lassend, schob ich zwei gefrorene Brötchen in den Backofen und ließ sie warm werden. Da diese Dinge etwas Zeit brauchten, schnappte ich mir meine Schuhe und verließ die Wohnung. Ein Stück den Treppenflur hinunter und ich stand vor den Briefkästen. Ich schloss meinen auf und wie erwartet lag die morgendliche Zeitung darin. Pfeifend nahm ich sie mir und ging zurück in meine Wohnung. Zufrieden nahm ich die nun heiße Brötchen aus dem Ofen und legte sie auf einem Teller, neben dem Aufstrich. Auch der Kaffee war soweit. Während ich mein Frühstück genoss, schaltete ich das Radio an. Ich hatte gerade die Nachrichten erwischt und lauschte eher uninteressiert. „Und nun eine wichtige Nachricht, wobei die Polizei dringend dazu aufruft das sich Zeugen melden. Gestern Abend wurde aufgrund einer Prügelei in der Disco, nahe östlicher Stadtrand, die Polizei herbestellt. Erfolgreich wurde der Aufruhr beendet und man suchte auch außerhalb der Disco vorsichtshalber nach Streitenden. Doch als der, in der Nähe, liegende Park durchsucht wurde, machte man eine grausame Entdeckung. Zwei Leichen lagen im Zentrum des Stadtparks. Beide sind auf ungewöhnlichem Weg umgebracht wurden. Dem beiden Opfern wurde ein silberner Pfahl durch das Herz gestoßen. Man vermutet den Todeszeitpunkt um 21 Uhr herum. Mehr Informationen gibt die Polizei nicht heraus, da man sonst befürchtet die Ermittlungen könnten behindert werden. Ich wiederhole, man sucht dringend nach Zeugen und...“ Mitten im Satz schaltete ich das Radio aus. Ich war kreidebleich und hatte ein komisches Gefühl im Magen. Den Rest vom Frühstück rührte ich nicht mehr an. Ermordet?! Und auch noch dort wo ich erst gestern war? Wie leicht hätten Rick oder ich die Opfer sein können. Bei der Vorstellung wurde mir schlecht. Schnell sprintete ich in den Flur und schnappte mir von der Kommode, wo das Telefon lag, den Hörer und wählte Ricks Nummer. „Rick Morgan.“, erklang es schleppend am anderen Ende der Leitung. „Rick, werd wach!“, brüllte ich und es klang als würde Rick aus dem Bett fallen. Zumindest dem Krach nach zu urteilen, der an mein Ohr drang. „Verdammt, was ist denn los? Brennt es irgendwo?“ „Nein, aber zwei Menschen wurden ermordet.“ „Was? Wo?“ „In der Disco. Gestern wo wir dort waren. Ich habe es gerade in den Nachrichten gehört und was wenn es uns erwischt hätte. Was wenn...“ „Ganz ruhig, Kumpel.“, unterbrach mich Rick. „Wir müssen das in Ruhe besprechen. Komm zu mir. Bis du hier bist werde ich mich erst mal anziehen. Ist das in Ordnung, Marc?“ „Ja, ich glaub schon. Aber Rick da wurden welche ermordet!“ „Nun beruhigt dich erst mal und komme dann rüber.“, sagte Rick und legte auf. Geschafft ließ ich den Hörer sinken und setzte mich auf einen Sessel, der im Flur neben der Kommode stand. Nur langsam konnte ich mich beruhigen. Jetzt schämte ich mich doch etwas für meine Überreaktion. Es ist ja schließlich nicht der erste Mord von dem ich hörte. Aber der Gedanke, das wir gestern vielleicht dem Mörder nahe waren, da man zum Parkplatz an dem Stadtpark vorbei laufen musste, versetzte mich schon etwas in Panik. Nun etwas zum Atem gekommen, zog ich mir eine leichte Jacke an und verließ die Wohnung. Rick hatte seine Wohnung nur ein paar Straßen weiter unten. Es war angenehm ruhig und es herrschte kaum Verkehr. Nun es war auch Sonntag. Endlich kam das Miethaus in Sicht und ich drückte auf einem Knopf mit Ricks Namen darüber. Es summte und ich konnte die Haustür aufstoßen. Zwei Treppen weiter oben und rechts dem Flur rum, lehnte Rick im Türrahmen und blickte mir entgegen. Noch immer trug er die Frisur von gestern, sah aber durch die Nacht im Bett reichlich platt gedrückt aus. „Komm rein, ich habe gerade Kaffee aufgesetzt.“, sagte er und ließ mich durch, damit er die Tür schließen konnte. Ich ging geradewegs in die Küche. Kaffee klang nicht schlecht, denn meinen eigenen hatte ich ganz vergessen. Ich hörte, dass das Radio eingeschalten war. „Haben sie es noch mal gebracht?“, fragte ich Rick, der mir gefolgt war und nun mir eine Tasse mit dampfender Flüssigkeit reichte. „Ja, ich glaube es kommt alle 20 Minuten. Die Polizei sucht ziemlich dringend nach Zeugen.“ Er seufzte: „Es geschehen ja mal Morde wie Totschlag. Aber was die Polizei aufregt ist ja das es ziemlich ungewöhnliche Morde waren. Ich denke, sie fürchten das jetzt ein Ritualmörder sein Unwesen treibt.“ Ich schauderte: „Entschuldigung, wegen vorhin. Ich war wohl etwas in Panik geraten.“, ich lächelte unglücklich. Rick sah mir in die Augen. „Schon okay. Ich musste auch selbst daran denken, was hätte passieren können wenn wir dem Mörder in den Armen gelaufen wären.“ Ich nahm einen großen Schluck von dem Kaffee. Stark und heiß war er... wunderbar. „Hm, wie wäre es wenn wir für die nächsten Discobesuche mehr im Stadtinneren bleiben.“ Rick lachte und klopfte mir auf die Schulter: „Ich fürchtete schon, das du gar nicht mehr raus kommst nach dem Erlebnis.“ Jetzt musste ich auch grinsen. „Nun deswegen meine Bedingung. Nein wirklich, mir hatte es trotz allem gestern gefallen.“ Seine Augen blitzten: „Ah, hast du jemanden kennen gelernt?“ „Eher nicht. Wir haben geredet oder eher er hatte mich ausgefragt, was ich hier so mache und...“, ich wurde rot, „... wie viel ich Erfahrung hätte.“ Wieder lachte Rick. „Oh, da war wohl wirklich jemand interessiert.“ „Er hat mich geküsst.“, sagte ich leise. „Und wie war es?“ „Hm, aufregend und verwirrend. Es kam ja auch so plötzlich.“ „Seht ihr euch wieder?“, wurde ich gefragt. Ich schüttelte den Kopf: „Eher nicht. Er hatte es plötzlich eilig und verschwand. Auch wenn er meinte, das wir uns wieder sehen. Aber wie will er mich bitte finden?“ „Da hast du recht. Der war wohl bisschen zu schnell.“, amüsierte sich Rick. Ein schrillender Ton unterbrach unser Gespräch und ich sah Rick fragend an: „Erwartest du Besuch?“ Fluchend sprang er auf. „Oh, man. Andrew hatte ich ja ganz vergessen!“ Schnell ging er zu seiner Wohnungstür und drückte auf den Türöffner für die Haustür unten. „Wer ist Andrew?“, rief ich ihm nach. „Der junge Mann mit dem ich mich gestern in der Disco unterhielt, bevor du kamst und mich rausgezerrt hast. Wir hatten vorher unsere Handynummer getauscht und gestern noch rief er mich an, ob er mich mal besuchen könnte. Er wohnt auch nur paar Straßen von hier entfernt in einer WG. Und ach du scheiße, meine Haare sind doch total ruiniert“, kam es genauso laut zurück. Ich verkniff ein Lachen und versuchte mich zu erinnern. Na, klar. Der Braunhaarige, der mit hochgezogenen aber amüsierten Blick zu sah, wie ich Rick überredete zu verschwinden. Würde sagen, von der Statur her wie Rick. Nur seine Augenfarbe war, im Gegensatz zu meinen Freund, graublau und seine Haare fielen lockig bis in den Nacken. Als ich eine fremde Stimme Rick begrüßen hörte, ging ich zum Türrahmen und lehnte mich an diese. Rick zeigte auf mich: „Also, Andrew. Das ist mein Kumpel Marc. Du hattest ihn gestern gesehen. Erinnerst du dich?“ Andrew kam auf mich zu und gab mir seine Hand. „Na klar, erinnere ich mich.“ Seine Stimme klang etwas rauchig. „Freud mich dich kennen zu lernen. Warum hattest du es denn so eilig mir mein Gesprächspartner zu entführen?“ Verlegen lächelte ich: „Ich war zum ersten mal in so einen Laden und irgendwann hatte ich erst mal genug.“ „Ja, das kann ich verstehen. Beim ersten mal kann so eine spezielle Disco schon etwas exotisch erscheinen.“, neckte er mich. Nun zumindest schien Andrew nett zu sein. Plötzlich wurde Andrews Gesichtsausdruck ernst. „Hattet ihr schon die Nachrichten gehört?“ Ich wusste sofort von welchen Nachrichten er sprach. „Du meinst die zwei Morde?“, fragte ich trotzdem vorsichtshalber nach. Rick stöhnte auf: „Können wir nicht bitte über etwas anderes reden? Marc und ich hatten das, schon bevor du kamst, durchgekaut. Mein Freund macht sich sowieso schon einen Kopf, was uns hätte passieren können. Schließlich mussten wir ja an den Park vorbei laufen um zum Auto zu gelangen.“ Andrew sah mich an. „Nun, da hattet ihr wohl Glück.“ „Sieht so aus.“, antwortete ich leise. Lange blieb ich dann nicht mehr. Schließlich war Andrew gekommen um Rick zu besuchen und ich kam mir bald überflüssig vor, als sie zu flirten begannen. Ich verabschiedete mich von den beiden und ging hinaus. So, was nun? Ich hatte keine Lust jetzt in meine Wohnung zurück zu kehren. Da fiel mir die Bibliothek ein. Es ist zwar Sonntag, aber ich kannte eine kleine Bücherei, wo eine alte Frau arbeitete und wohnte. Sie wusste, wie sehr ich mich gerne in Bücher vergrub und bot mir auch mal an, an Feiertage zu kommen. Es würde ihr nichts ausmachen, so einen belesenen jungen Mann, wie mich, einzulassen. So beschrieb mich die Frau. Nicht ich! Ich lief zu einer Bushaltestelle und sah mir den Plan an. Gut, in 10 Minuten müsste einer kommen. Während ich wartete, beobachtete ich die wenigen Autos die vorbei fuhren. Die Sonne schien und wärmte mich. Endlich kam der Bus in Sicht und ich kramte in meinen Taschen nach Kleingeld. Ich stieg ein, bezahlte und setzte mich hinten hin. Plätze waren genug frei. Als ich mein Ziel erreichte, hielt ich kurz bei einem Dönerladen und bestellte mir einen Fladen mit extra viel Fleisch, weil sich langsam mein Magen meldete. Nachdem der Hunger gestillt war, stand ich vor einem kleinen, unscheinbaren Haus. Niemand, der es nicht wusste, würde darin eine Bücherei vermuten. Klein aber fein, hieß das nicht immer so? Die Tür hatte keine Klingel, weswegen ich laut gegen das alte Holz pochte. Es dauerte eine Weile, bevor die Tür einen Spalt breit aufgemacht wurde. „Guten Tag, Frau Churbach. Darf ich hinein kommen? Sie versprachen mir einmal das ich auch außerhalb der Öffnungszeiten anklopfen könnte.“, begrüßte ich die alte Frau freundlich. Die dürre Frau trug einen altmodisches Kleid und ein Dutt fehlte auch nicht. „Aber natürlich können Sie herein kommen, junger Mann. So ein freundliches Gesicht vergesse ich nicht. Kommen Sie nur.“, sagte sie erfreut und zog mich fast ins Haus. „Gehen Sie nur und schmökern Sie in den Büchern. Ich habe nichts dagegen. Ich bringe im Moment die Räume in Ordnung und sortiere die Bücher. Sie wissen nicht, wie unmöglich manche Leute sind und Bücher nicht dort zurück stellen wo man sie her hat. Denken nicht daran das sie auch jemand in Ordnung halten muss. Schlimm, schlimm.“ Lächelnd bedankte ich mich und ging in den ersten Raum. Insgesamt waren es drei große Räume, wo die Bücher standen, wobei sich der größte Raum sich ein Stockwerk weiter oben befand. In jeder Ecke standen breite, bequeme Sessel, indem man sich mit seinem Buch gemütlich hinsetzen konnte. Interessiert musterte ich die Buchrücken und zog mir anschließend zwei dicke, spannend klingende Bücher heraus. Ich verließ den ersten Raum und ging einen Stockwerk höher. In dem größten Zimmer war ein riesiges Fenster, woraus man eine wundervolle Aussicht auf die Stadt hatte. Hinten in dem Zimmer war eine Ecke mit Sessel und einem kleinen Tisch ausgestattet. Und dort ließ ich mich nieder. Bevor ich mich in mein Buch vertiefen konnte, das andere hatte ich auf den Tisch gelegt, tauchte noch einmal Frau Churbach vor mir auf. „Ah, hier sind Sie. Ich habe für Ihnen eine Kanne Tee aufgekocht und etwas Gebäck mitgebracht.“ Sie stellte die große Kanne und einen Teller mit Plätzchen auf dem Tisch. „Oh, vielen Dank. Das ist wirklich nett von Ihnen.“ „Keine Ursache, junger Mann. Lassen Sie es sich schmecken. Ich bin dann mal weg. Will Sie beim lesen ja nicht stören.“ Und schwups war die Großmütterchen auch schon weg. Schmunzelnd schüttete ich mir etwas Pfefferminztee in eine Tasse, die schon da stand und knapperte an einen Vanillekeks. Hm, lecker. Nun, konnte ich mich auf das Buch konzentrieren und eh ich mich versah, riss es mich in eine andere Welt und ich vergaß die meine. Es war wirklich mitreißend und so bekam ich nicht mit, wie die Zeit verging und draußen es anfing zu dämmern. Erst als die Lampen automatisch angingen, schreckte ich aus dem Abenteuer und sah mich um. Draußen war es schon dunkel und ich musste wohl sehen, ob ich noch den letzten Bus bekam. Ich hatte die Zeit völlig vergessen. Seufzend stand ich auf und nahm die beiden Bücher mit. Ich wollte die alte Frau bitten, sie mir auszuleihen. Als ich die Treppe erreichte, blieb ich irritiert stehen. Im ersten Stockwerk, wo ich war, brannte Licht. Aber als ich die Treppe runter spähte, sah ich in der unteren Etage nichts, da kein Licht brannte. War die Frau einfach gegangen und hatte mich vergessen? Nein, das glaubte ich nicht. „Frau Churbach?“, rief ich aber ich bekam keine Antwort. Was jetzt? Vielleicht hatte sie sich gestoßen und lag jetzt irgendwo bewusstlos da. Vorsichtig stieg ich die Treppen hinab und hielt mich am Geländer fest, damit ich nicht stürzte. Unten war es stockfinster und es brauchte eine Weile bis sich meine Augen daran gewöhnten. Nur langsam konnte ich Umrisse von Türen und Gegenstände wahrnehmen. Mein Gehör schien sich zu verschärfen und ich hörte plötzlich ein leises Stöhnen. „Frau Churbach?“, fragte ich nochmal und bewegte mich auf die Quelle des Geräusches hin. Das Stöhnen wurde lauter und endete in ein hilfloses Röcheln. Nun doch etwas besorgt, wurden meine Schritte schneller und ich erreichte den ersten Raum. Noch hatten sich meine Augen nicht ganz an die Dunkelheit gewöhnt und ich sah mich. Langsam erahnte ich eine liegende Gestalt auf dem Boden. Ich ging langsam auf die, am Boden Liegende, zu und hockte mich daneben hin. „Frau Churbach, geht es Ihnen nicht gut? Soll ich einen Krankenwagen ruf-“, erschrocken hielt ich inne. Während ich sprach, berührte ich die alte Frau vorsichtig und spürte plötzlich eine Flüssigkeit an meine Fingerspitzen. Langsam stand ich auf und starrte auf das Bild, was sich mir präsentierte. Meine Augen hatten sich nun vollständig an die Dunkelheit angepasst und auch etwas Licht von draußen, die von den Straßenlaternen herrührten, machten das Geschehen noch deutlicher. Ein dunkler Kreis umgab die Frau, der immer größer wurde. Blut! Ich sah die aufgerissene Wunde an ihren Hals und wusste gleichzeitig das dies nicht durch einen Unfall passieren konnte. Kein Röcheln hörte ich mehr und auch keine Bewegung nahm ich wahr. War sie tot? Bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, hörte ich ein Rascheln hinter mir und fuhr mit einem Schrei um meine eigene Achse. Eine hochgewachsene, schwarze Gestalt baute sich vor mir auf und kam mit schleichenden Schritten immer näher. Vor Panik drehte ich mich wieder um und rannte davon, die Gestalt dicht an meinen Fersen. Bevor ich die Tür erreichen konnte, bekam ich einen Tritt in die Kniekehlen und ging zu Boden. Mit dem Kopf krachte ich auf dem harten Boden und blieb benommen liegen. Mit großer Anstrengung hob ich meinen Kopf und sah die Gestalt, wie sie bedrohlich über mir aufragte. Dann wurde es schwarz vor meinen Augen und ich spürte nichts mehr. Kapitel 3: Überraschung ----------------------- Nur langsam kam ich wieder zu mir. Das erste, was mir auffiel, war, dass mir sehr übel war und ich glaubte, mein Kopf müsste bald vor Schmerzen zerspringen. Dann fühlte ich, dass ich meine Arme und Beine gar nicht bewegen konnte. Deutlich spürte ich den Druck von Seilen, die fest um meine Gelenke geschlungen waren. Verdammt, was war passiert? Ich hörte gedämpfte Musik und... Verkehrslärm. Erst jetzt bemerkte ich die Fliehkräfte, die mich nach rechts und mal nach links drückten und ich wusste plötzlich, das ich in einen Wagen auf dem Rücksitz lag. Bevor ich das richtig verarbeiten konnte, bog der unbekannte Fahrer scharf nach rechts und ich krachte auf die verletzte Stelle meines Schädels. Schon wieder verlor ich in kürzester Zeit mein Bewusstsein. Diesmal ging das Aufwachen leichter und schneller vonstatten. Ich lag auf etwas bequemes und mein Kopf schmerzte fürchterlich, aber nicht so explosionsartig wie vorhin. Ich stöhnte, als ich mich regte und vorsichtig meine Augen öffnete. Es ging unheimlich schwer. Und es war auch unnötig, da es stockfinster war. Entweder es war noch Nacht oder ich lag in einem fensterlosen Raum. Ohne Warnung kamen meine Erinnerungen zurück und ich schreckte auf. Nun laut stöhnend, wollte ich mich an meinem plötzlich laut pochenden Kopf greifen, denn gefesselt war ich nicht mehr. Kurz spürte ich einen Verband, dann packte mich etwas und drückte meine Hände zurück auf die weiche Unterlage. Mit angehaltenen Atem hielt ich still. „Ganz ruhig“, flüsterte eine tiefe, sanfte Männerstimme. „Du bist verletzt und solltest liegen bleiben.“ Die fremde Hände entfernten sich und ich versuchte, die Finsternis zu durch dringen, um die Person zu sehen. Aber es ging nicht. Der Mann hatte wohl keine Probleme damit. „Deine Augen fokussieren nicht richtig. Das zeigt auf eine Gehirnerschütterung. Aber ich glaube nicht, das sie schwerwiegend ist“, diagnosierte er und eine Hand strich leicht über meine Stirn. Sie war wundervoll kühl. Ich nahm all meinen Mut zusammen und öffnete mein Mund, aber es kam nur sinnloses Gekrächze heraus. Ich versuchte die Lippen zu befeuchten, doch mein Mund war zu trocken. Etwas Kaltes, ich glaubte ein Glasrand, drückte sich gegen meinen Lippen, aber ich weigerte mich. „Komm trink. Es ist wird dir gut tun.“ Ich war misstrauisch, aber leider war mein Durst ziemlich groß. Nun, er würde sich wohl nicht so viel Mühe machen, nur um mich am Ende zu vergiften. Mit dem Gedanken gab ich meinen Widerstand auf. Erfrischend rann die Flüssigkeit durch meine Kehle. Plötzlich verschluckte ich mich und das Glas wurde sofort weg gezogen. „Wo... wo bin ich?“, fragte ich heißer. „Wer sind Sie und was...“ Finger legten sich auf meine Lippen und ich verstummte. „Du solltest etwas schlafen. Antworten gibt es später... vielleicht.“ Schlafen? Wie sollte ich in so einer Situation schlafen können? Komischerweise spürte ich wie sich ein Taubheitsgefühl in meinem Körper sich ausbreitete. Was war im Wasser gewesen? Panisch wollte ich mich aufrichten, aber schon wieder hielten mich Hände, die mich zurück auf mein Lager drückten. „Ruhig“, erklang die sanfte Stimme. Ich wollte nicht, konnte aber die aufkommende Müdigkeit nicht abwehren. Alles verschwamm und meine Augenlider fielen zu... Als ich erwachte, fühlte sich mein Körper ausgeruht und matt an. Müde öffnete ich die Augen und versuchte so gut wie möglich zu sehen. Die weiche Unterlage, auf der ich lag, war ein fremdes, breites Bett mit schwarzem Bezug aus Seide. Ich befand mich in einen großen Schlafzimmer, war aber diesmal allein. In der Mitte war ein Glastisch, auf der eine Flasche und ein Becher stand. Es gab nur eine geschlossene Tür und zwar auf der anderen Zimmerseite, wo das Bett stand. Schwerfällig setzte ich mich auf. Mein Kopf schmerzte zwar, aber es war erträglich. Nur das Schwindelgefühl, was plötzlich kam, war unangenehm. Ich schob die Decke zur Seite und schwang meine Beine aus dem Bett. Obwohl, schwingen konnte man es nicht nennen. Fast fiel ich wieder zurück als der Schwindel für einen Moment stärker wurde, aber ich biss die Zähne zusammen. Für paar Minuten blieb ich sitzen und mein Herzschlag beruhigte sich langsam. Es war schwierig, aber irgendwie schaffte ich es aufzustehen und auf zittrigen Beinen zu einem Fenster zu wanken. Es befand sich gleich neben dem Bett und zum Glück nur zwei Meter entfernt. Ich klammerte mich an dem Fensterrahmen und blickte hinaus. Wald, soweit das Auge reichte. Verdammt, wo hatte man mich hingebracht? Und wohl die wichtigste Frage: Warum? „Du bist wach. Sehr schön.“ Erschrocken drehte ich mich zu der Stimme um. Durch die ruckhafte Bewegung wurde mir kurz schwarz vor den Augen und ich stützte mich auf das Fensterbrett, damit ich nicht umfiel. Ein schlanker doch kräftig wirkender Mann, kaum älter als ich, stand mit verschränkten Armen an der jetzt offene Tür. Auffallend waren die weißen Haare, die glatt bis unter den Achselhöhle reichten und die schwarzen Augen. Irgendwie erinnerten sie mich an Samirs Raubtieraugen, die das Wort Gefahr aussendeten. Bei dem hier war es nicht anders. „Wer sind Sie?“ Meine Stimme zitterte etwas, aber bei wem würde das nicht, wenn er vor einem Mörder stände? Schweigend kam er auf mich zu und packte mich an den Armen, stützte mich. Ich wollte mich los reißen, doch der Griff war zu fest. „Ich bin Lorca und du solltest dich noch nicht so anstrengen. Und rede mich bitte nicht mit Sie an, sonst fühl ich mich so alt“, antwortete er mir nun doch, zog mich zum Bett und wies mich an, mich darauf nieder zu lassen. Ich musste gehorchen, da ich gegen den Druck seiner Hände nicht ankam. Sobald er los ließ, rutschte ich von selbst weiter auf das Bett. Weg von ihm. Lorca beobachtete dies aus ausdruckslosen Augen. Mit leichten Schritten ging er auf den Tisch zu und öffnete die Flasche. Er goss etwas von dem Inhalt in den Becher und kam wieder auf mich zu. „Hier trink.“ Er hielt mir das Getränk direkt vor die Nase, aber ich machte keine Anstalten es entgegen zu nehmen. Möglich, dass ja wieder was beigemischt wurde. So, als könnte er meine Gedanken lesen, grinste er mich an. Er hob den Becher an die Lippen und trank einen Schluck. „Da ist nur Wasser drin. Mein Wort drauf.“ Was auch immer sein Wort wert war. Trotz meines immer noch vorhanden Misstrauens, nahm ich es und trank. Wohl hauptsächlich weil mein Körper es brauchte. Ich fühlte mich entsetzlich ausgetrocknet. Lorca entfernte sich ein paar Schritte und setzte sich auf einen Stuhl, der an der Wand lehnte. „Warum hast du die alte Frau umgebracht?“, fragte ich vorsichtig. Er sah mich seltsam an. „Aus Gründen, die du nicht zu kennen brauchst.“ War das ein gutes Zeichen, dass er sein Mordmotiv nicht darlegen wollte? Denn ich befürchtete, dass er auch mich töten wollte. Auch wenn ich nicht wusste, warum er es nicht schon in der Bibliothek tat. „Ich lasse Zeugen nie lebend zurück.“ Erschrocken hob ich meinen Kopf und sah in seine schwarzen, kalten Augen. „Und wa... warum lebe ich noch?“, wagte ich zu fragen. „Weil der Geruch meines Bruders an dir haftet. Das sagt mir, dass er erst vor kurzem mit dir zusammen war und ich wollte ihn nicht verärgern, indem ich dich töte. Da ich mir nicht sicher sein konnte, was er von dir wollte.“ „Geruch? Dein Bruder? Wer soll das sein?“ Ich verstand das alles nicht. „Ja, mein Bruder. Er wird wohl bald hier sein. Ich hatte ihn vorhin am Handy erwischt, bevor du erwacht bist. Er weiß zwar nicht, um was es geht, aber ich sagte ihm, ich hätte eine Überraschung für ihn.“ Er lächelte unheilvoll. „Er liebt Überraschungen. Also wird es nicht lange dauern, bis er sich mit dir befasst.“ Ein eiskalter Schauer rann mir den Rücken hinunter. Bin ich jetzt zwei Mördern in den Händen gefallen? Zwei Brüder, wobei einer von ihnen mich schon als Opfer ausgesucht hatte. Zumindest entnahm ich das dem Worten, die ich gehört hatte. Ich musste hier weg! Schnell rutschte ich an der Seite vom Bett runter, der am weitesten weg von diesem Irren war und sprintete zu der Tür. Es war zwar eher ein Torkeln, aber das Adrenalin gab mir unwahrscheinlich Kraft und Schnelligkeit. Auf einmal stand der Weißhaarige vor mir und ich prallte gegen ihn. Woher kam der so plötzlich? Er schlang seine Arme um mich und presste dabei meine eigene an den Körper. Ich wehrte mich, versuchte mich los zu reißen, aber er hatte unmenschliche Kräfte. „Lass mich los!“, schrie ich voller Panik. „Nein“, antwortete er einfach und hielt mich weiter in einem fast schmerzhaften Griff gefangen, wobei er sich sichtbar nicht anstrengte. „Beruhige dich.“ „Wie soll ich mich beruhigen, wenn ich doch bald umgebracht werde?!“ „Das hatte ich doch nicht gesagt.“ „Ach nein? Was sollte denn sonst das ganze Gespräch bedeuten? Du sagtest selbst, dass dein Bruder mich ausgesucht hätte und sich nun um mich kümmern will!“ Ich war mit den Nerven am Ende und Tränen bildeten sich in meinen Augenwinkeln. Noch immer wehrte ich mich, aber meine Kraft erlahmte rasch. Eine Hand griff nach meinen Kinn und zwang mich in seine Augen zu starren. Es war als blickte ich in den unendlichen Nachthimmel. Ich versank in ihnen. Eine unerklärliche Ruhe überkam mich und ich blieb bewegungslos stehen. „So ist es gut“, sprach er leise, entließ mich aber nicht aus den Bann seiner Augen. Ich wollte weg gucken, aber es war unmöglich. „Wollte mein Bruder dich töten, hätte er es schon längst getan. Aber du lebst und hast seinen Geruch an dir. Er scheint Interesse an dir zu haben. Ich meine das ernst. Und keine Angst, wir spielen nie mit unseren Opfern. So grausam sind wir nicht, obwohl es für unsere Rasse gewöhnlich so ist. Wir töten, ohne Schmerzen zu verursachen.“ Endlich sah er weg. „Soll mich das beruhigen?“, kam es fast schüchtern von mir. Ich verstand immer noch nicht, von was er sprach. Mag sein, dass seine Augen mich irgendwie hypnotisierten, aber mein Denken schalteten sie nicht ab. Er lächelte: „Nun, es war ein Versuch.“ Plötzlich hob er mich hoch. Eine Hand unter die Kniekehlen und die andere stützte meinen Rücken. „Hey, was soll das?“, protestierte ich. Schweigend trug er mich zum Bett und ließ mich vorsichtig darauf nieder. „Du bleibst jetzt hier und wartest bis mein Bruder kommt. Ich habe zu tun und keine Lust dich wieder einzufangen.“ Er begutachtete meinen Kopfverband und überzeugte sich, dass er fest saß. „In deinen Zustand kommst du nicht weit. Der nächste bewohnte Ort ist 50 Kilometer von hier entfernt. Also nützt abhauen auch nichts.“ Er ging zu der offenen Tür. „Ich werde trotzdem vorsichtshalber abschließen, da ich nicht weiß, wie dumm du bist.“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und schloss die Tür. Deutlich konnte ich hören, wie das Schloss zuschnappte. Ich war eingeschlossen. Seufzend lehnte ich mich an das Kopfkissen hinter mir. Jetzt, wo ich die schwarzen Augen nicht mehr vor mir hatte, wollte die Panik wieder kommen. Ich unterdrückte das Gefühl. Schließlich sagte Lorca, dass man mich nicht ermorden wollte. Kann ich seinen Worten vertrauen? Denn einen Tick hatte dieser Typ sicher, wenn er sich schon als eine andere ‚Rasse’ sieht. Es war ziemlich ruhig in meinem Gefängnis. Das Fenster war angekippt und so bekam ich die Autogeräusche mit. Schnell stand ich auf und lief zum Fenster. Zufrieden bemerkte ich, dass das Laufen diesmal besser ging. Ich sah hinaus, aber sah das Auto nicht. Fuhr wahrscheinlich von der anderen Seite des Hauses heran. Die Geräusche wurden lauter und ich hörte auch jetzt Musik. Was plötzlich abbrach als der Fahrer wohl das Ziel erreichte und ausstieg. Ich hörte eine Wagentür zuknallen. Dann war Ruhe. Der Fahrer müsste jetzt im Haus sein und wie auf Signal hörte ich irgendwo zwei Stimmen im Haus. Sie waren zu gedämpft, als dass ich was verstehen könnte. Die eine Stimme klang nach meinem ‚Gastgeber’, auch die andere kam mir bekannt vor. Wo hatte ich diese Stimme schon mal gehört? Ich wusste es nicht. Ich versteifte mich als ein Schlüssel im Türschloss knirschte und langsam geöffnet wurde. Mein Mund klappte vor Überraschung auf als ein junger Mann mit langen, schwarzen Haaren, zusammengehalten durch einen Haarband, eintrat. Schwarze Augen, wie die von Lorca, sahen neugierig zu mir und blitzten verstehend auf. Der Mann trat nun endgültig ein und warf die Tür hinter sich wieder zu. „Samir?“, krächzte ich voller Erstaunen. Samir kam näher auf mich zu und lächelte. „Hallo Marc. Also das ist nun wirklich eine schöne Überraschung. Mit dir hatte ich überhaupt nicht gerechnet.“ Samir? Samir war der Bruder von Lorca? Nun, ähnlich sahen sie sich schon, aber er wäre somit der zweite Mörder! Ich fing an zu zittern. Sein Lächeln wurde breiter. Lange Eckzähne, die ich vorher nicht an ihm gesehen hatte, blitzen wie zwei Dolche hervor und seine Augen schienen plötzlich rot zu leuchten. Ich blinzelte ungläublich und konnte einfach nicht glauben, was ich sah. „Wie?!“ Ich wusste einfach nicht, wie ich reagieren sollte. Ich sah genauer hin. Die Augen waren wieder schwarz. Vielleicht hatte ich mir das Rot eingebildet. Doch die beiden spitzen Eckzähne waren immer noch vorhanden. „Ich hoffe, Lorca hat dich nicht zu sehr geängstigt“, sagte Samir und setzte sich auf den Stuhl, wo zuvor sein Bruder saß. Er blickte mir ruhig in den Augen, während ich immer noch erstarrt im Bett saß. „Was ist denn mit dir los? Du wirkst so steif.“ Ich sah ihn ungläublich an. Meinte er die Frage ernst? „Nun, erstens habe ich mitbekommen, wie dein Bruder jemand umgebracht hatte. Zweitens wollte er dann mich ermorden, aber dein ‚Geruch’ an mir hatte ihn abgehalten. Und drittens habe ich mich während meiner Flucht verletzt und wurde entführt. Also verzeih mir, wenn ich jetzt ein bisschen angespannt wirke.“ Ich weiß, Sarkasmus pur. „Und kannst du bitte die falschen Zähne raus nehmen? Halloween ist doch schon längst vorbei.“ Meine Rede klang zwar mutig, war aber nur dazu da meine Angst zu überspielen. Im Prinzip kannte ich Samir gar nicht und konnte nicht wissen, wie er so ‚drauf’ war. Doch er lachte nur. „Das Schicksal mag dich wohl nicht sehr.“ Er hob die rechte Hand und führte sie zu seinem Mund, betastete seine Eckzähne. „Wegen der Zähne muss ich leider Widerworte geben, da sie echt sind.“ Samir lächelte raubtierhaft. „Wie sonst sollten wir jagen können, um unseren Durst zu stillen?“ Kapitel 4: Zwillinge -------------------- Echte Zähne?! Durst?! Samir und Lorca waren definitiv verrückt. „Was meinst du mit Durst?“ Von einer Sekunde zu anderen saß er plötzlich neben mir im Bett. Wie machten die das nur? Erschrocken japste ich auf und wollte mich von ihm entfernen. Doch Samir lehnte sich nach vorn und drückte seine Arme gegen meine Brust. Er schob mich nach hinten, bis ich ganz im Bett lag und er über mir. Ich war eingeklemmt. Ich versuchte ihn von mir zu stoßen, aber genauso gut hätte ich auch Berge versetzen können. Mühsam atmete ich ein und presste hervor: „Geh von mir runter!“ Sein Gesicht befand sich, nur paar Zentimeter entfernt, direkt vor mir. Er tat so als würde er angestrengt überlegen, dann grinste er. „Ich denke nicht. Schließlich habe ich dich gerade in so einer schönen Position.“ Trotz meiner Angst wurde ich rot. „Süß“, war gleich die Reaktion darauf. „Ich bin nicht süß!“, antwortete ich verärgert. „Sicher? Ich könnte dich ja mal probieren. Denn das meinte ich mit Durst, durstig nach Blut.“ Er bleckte die Zähne. Ich spürte, wie das Blut aus meinem Gesicht wich. „Du bist wirklich ein Vampir?“ Konnte es möglich sein? Bei der Frau Churbach hatte ich gesehen, dass ihr Hals verletzt, regelrecht zerfetzt war. Aber vielleicht denken die beiden Irren ja ‚Vampire’ zu sein und nahmen Hilfsmittel, damit es wie die Tat von einer solchen Bestie aussah. „Ja, das bin ich. Ein Kind der Nacht.“ Sein Gesicht kam näher. Er wird doch nicht...? Seine Lippen berührten plötzlich die meinen und mir kam die Situation verdammt vertraut vor. Nur dass ich diesmal den Kuss unterbrach, indem ich mein Kopf zur Seite drehte. Samir sah mich irritiert an. „Was ist denn los? Letztes Mal hatte es dir doch auch gefallen, auch wenn du am Ende ziemlich biestig warst.“ „Du bist ein Mörder. Und was willst du von mir? Mit mir spielen und dann töten?“ Meine Stimme zitterte und ich traute mich nicht in seiner Richtung zu blicken. Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als kräftige Finger meinen Kinn umfassten und so den Blickkontakt zwanghaft herstellten. Es überraschte mich zu sehen, dass ein sanfter Zug auf seinem Gesicht lag. „Hab keine Angst, Marc. Ich tu dir nichts, versprochen.“ Samir seufzte: „Mörder klingt so hart. Dabei töten wir nur um zu leben. Ihr Menschen seid doch nicht anders.“ „Wie meinst du das?“ „So wie ich es sage. Wir töten Menschen und trinken deren Blut. Ihr jagt Tiere, tötet und bereichert euch an ihr Fleisch. Wo ist da der Unterschied?“ „Aber es sind nur Tiere...“ „Die genauso Gefühle und Schmerzen verspüren können wie die Menschen. Es gibt Momente, da glaube ich fast, dass die Menschen die größten Bestien auf Erden sind, wenn ich da so an die Massentierhaltung denke.“ Samir lachte kurz auf. „Aber ich will dir hier nicht einen Vortrag aufzwingen. Ich wollte dir nur zeigen, dass du vor mir keine Angst zu haben brauchst.“ „Aber Vampire gibt es doch nicht! Kann es einfach nicht geben!“, brachte ich selbst nicht gerade überzeugt heraus. „Warum denn nicht? ‚Es gibt viel mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Weisheit träumen lässt.’“, rezitierte er von William Shakespeare. „Oder wie willst du dir unsere enorme Schnelligkeit erklären?“, fragte mich Samir und wedelte so schnell mit seiner Hand vor meiner Nase, dass ich nicht mal einen verschwommenen Schatten erahnen konnte. Punkt für seine Vampirseite. Ich seufzte: „Okay, du bist ein Vampir. Und was nun? Warum hatte dein Bruder mich verschleppt?“ „Ich denke, Lorca wird dir gesagt haben, dass wir keine Zeugen zurücklassen und die Leichen auch verschwinden lassen?“ Das Thema war mir unangenehm. „Ja, nur das mit den Leichen ist mir neu. Aber warum macht ihr euch solche Mühe? Die Polizei...?“ Er lachte leise: „Die Polizei kann uns nichts anhaben. Aber auch wir haben Feinde, die Vampirjäger.“ „Vampirjäger?!“ Obwohl, wenn es wirklich Vampire gab, warum auch nicht Vampirjäger? Mir schwirrte der Kopf. „Ja, dumme Vampirjäger, aber doch gefährlich, weil sie die Waffen kennen, die uns vernichten können. Und du bist hier, weil ich dich gezeichnet hatte.“ „Was soll das heißen?“ Nicht, dass ich irgendwo am Körper bemalt wäre. Langsam fuhr er mit dem Daumen über meinem Kieferknochen. „Das ist passiert, als ich dich küsste und ich dir so nah war. Jeder andere Vampir würde den Geruch von mir an dir wahrnehmen und sich hüten, dir was zu tun. Da sie nicht sicher sein können, wie stark ich bin und eventuell kräftig genug sie, aus Rache, zu vernichten. Normalerweise werden so die menschlichen Partner von Vampiren geschützt.“ Mir entfuhr ein erstaunter Laut. „Partner? Aber wir sind doch keine Partner.“, sagte ich verwirrt. Er sah mich seltsam an. „Nun, da hast du recht. Aber ich wäre nicht abgeneigt, wenn du es werden willst. Ich mag dich und du faszinierst mich. Nur deswegen bin ich gestern zu dir gekommen.“ Ich starrte ihn an: „Aber wieso ich? Ich bin doch nichts besonderes.“ Samir beugte sich näher, bis seine Stirn vorsichtig meine eigene berührte. „Ich gehe auch nicht nach den Schönheitsmaßstab der Menschen.“ Er lächelte. „Vampire sehen anders, blicken tiefer hinein. Ich spüre dein reines Wesen. Bei vielen Menschen ist dies verdorben, doch bei dir nicht. Wir, die Vampire, sind dazu verdammt zu töten, um so den Hunger zu stillen. Als dunkle Geschöpfe des Satans verachtet. Doch du bist rein. Dies ist etwas besonderes in dieser Welt und zieht uns Vampire an wie das Licht die Motte.“ Wieder berührten sich unsere Lippen, doch diesmal ließ ich es zu und genoss es. Wie Letztens war es aufregend, als sich seine Lippen an meine schmiegten. Und ich bekam so ein komisches Kribbeln im Bauch. In dem Moment fühlte ich mich wohl und in Sicherheit. Meine Angst war vollständig verschwunden. Ich war fast enttäuscht, als er den Kontakt unterbrach. Er blickte mir wieder tief in die Augen. „Wie gesagt, ich hätte nichts dagegen dich als Partner zu haben. Das sollst du entscheiden. Ich möchte dich zu nichts zwingen.“ Er schwieg ein paar Sekunden und ließ mich die Worte bearbeiten, aber ich konnte nicht antworten. Was sollte ich sagen? Ich musste darüber nachdenken. Samir schien es zu ahnen, dass ich Zeit brauchte. „Keine Angst, ich will dich nicht drängen.“ Er stand auf und zog mich mit auf die Beine. „Hast du Hunger?“ Wie auf Stichwort fing mein Magen laut an zu knurren. „Ein bisschen“, antwortete ich verlegen. Samir lächelte. Er hatte ein schönes Lächeln. Allgemein sah er gut aus. Neben ihm müsste ich doch wie das hässliche Entlein aussehen und doch wollte er mich? Ja, ich weiß das ich übertreibte. Ich konnte es immer noch nicht glauben, aber wollte ich denn auch? Samir führte mich aus dem Schlafzimmer, den Flur entlang und brachte mich ins Esszimmer. Es war mit einem großen Eichenholztisch und gepolsterten Stühlen ausgestattet. Sanft bugsierte er mich am Kopfende des Tisches auf einen Stuhl. „Was hättest du denn gerne?“, fragte er mich. „Ist mir im Prinzip egal, solange es essbar ist.“, antwortete ich. Als er gerade aus dem Raum verschwinden wollte, rief ich ihm noch nach: „Aber bitte kein Blut.“ Ich glaubte, das war so eine Art Vampirhumor, oder? Ich hörte ihn noch lachen, dann sah ich ihn nicht mehr. „Er mag dich sehr.“ Ich zuckte zusammen und sah Lorca aus einer dunklen Ecke kommen. „Wie meinst du das?“, fragte ich ihn. „So wie ich es sage.“ Diese Antwort schien bei den beiden Brüder Standard zu sein. Er kam näher und setzte sich mir gegenüber, am Fußende des Tisches. „Nein, wirklich. Er ist glücklicher und aufgeweckter als sonst.“ Unsicher sah ich ihn an. „Wie ist er denn normalerweise?“ „Still, ernst, kaum zum Lachen zu bewegen. Ich denke mal, es ist deine Anwesenheit, die ihm so gut tut. Er sehnt sich nach die Wärme eines Partners.“ Ehe ich etwas sagen konnte, kam Samir mit zwei gefüllte Teller zurück. Ich konnte den köstlichen Geruch von Lasagne bis hierher riechen. „Hallo, Lorca. Willst du mit was essen?“, fragte er sogleich seinen Bruder und stellte nebenbei ein Teller vor mir ab. „Nein danke, ich habe schon gegessen“, lehnte Lorca ab. Dann stand er auf und holte aus einem hellen Schrank, der in der Ecke stand, Besteck für uns. Samir setzte sich rechts neben mich und nahm dankend das Besteck entgegen. Auch ich bedankte mich und fing an zu essen. Ich aß mit Appetit, da ich seit gestern Nachmittag nichts zu mir genommen hatte. Wie denn auch? Ein Blick auf die große Wanduhr sagte mir, dass es schon 14 Uhr war. Hatte ich wirklich solange geschlafen? Satt ließ ich die Gabel sinken. Ich hatte nicht alles aufgegessen, aber es war auch eine ziemlich große Portion. Erstaunt sah ich zu, wie Samir genüsslich die gewaltige Lasagne restlos tilgte. Auch Lorca, der wieder auf sein Platz saß, sah interessiert zu. „Und ich dachte Vampire trinken nur Blut?“, fragte ich erstaunt. „Ach, die alten Sagen taugen sowieso zu nichts. Blut hält uns nur bei Kräften. Trotzdem müssen wir nicht auf menschliche Nahrung verzichten“, erwiderte er zufrieden und kaute weiter. Schließlich schob er doch seinen Teller beiseite und wischte sich mit einer Serviette den Mund ab. Lorca war immer noch da und langsam wurde mir klar, dass wohl jetzt ein wichtiges Gespräch bevorstand. Samir unterbrach zuerst die Stille: „So, wir müssen uns darüber unterhalten, wie es mit dir weiter gehen soll, Marc.“ „Aha, und was habt ihr entschieden?“ Trotz Samirs Versprechen, dass man mir nichts tat, fing ich an schwitzen. Er lächelte beruhigend. „Keine Panik, dich einsperren wäre das letzte, was wir machen würden. Wir wollen dich sogar gehen lassen.“ Ich überlegte. Einfach so? „Aber habt ihr denn keine Angst, dass ich euch verrate?“ Lorca meldete sich zu Wort: „Nun, das ist möglich, aber wer würde dir glauben? Doch wäre es vielleicht gesünder den Maul zu halten.“ Manchmal war der Kerl echt unfreundlich. „Lorca, lass das“, tadelte ihn sein Bruder und er schwieg tatsächlich. Samir seufzte: „Leider hat Lorca damit recht. Du würdest dir nur schaden.“ Verständnislos sah ich ihn an. Würde er also doch sein Versprechen brechen? „Möglich, dass man dich als Verrückten abstempelt, aber andere würden es nicht tun.“ „Ach, du meinst die Vampirjäger?“, fragte ich erleichtert. „Genau.“ Samir sah mich nachdenklich an. „Hast du von den zwei Ermordungen im Stadtpark gehört?“ Ich zuckte zusammen und fragte vorsichtig: „Habt ihr was damit zu tun?“ „Unsinn!“, antwortete Lorca fast empört. „Warum sollten wir so ein Aufsehen erregen und was sollte uns das nützen? Denk doch mal nach!“ „Lorca“, sagte wieder Samir. „Woher soll Marc das wissen? Er kennt uns ja noch nicht mal richtig.“ Er wandte sich wieder zu mir und lächelte beruhigend. „Entschuldigung, Lorca ist ein bisschen hitzköpfig.“ Lorca sah ihn darauf hin böse an, doch Samir tat so, als würde er es nicht bemerken. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, was aber schnell wieder verschwand. „Nun, wir haben sie nicht umgebracht. Doch erinnere dich, ich sprach vorhin von Vampirjägern...“, erzählte Samir weiter. „Das waren sie?!“, unterbrach ich ihn überrascht. Lorca zog eine Augenbraue nach oben. „Silberne Pfahl mitten ins Herz gebohrt, klingt ganz nach ihnen. Würde ich meinen“, stichelte er. Diesmal schenkte ich ihm einen bösen Blick, doch er grinste mich nur frech an. Samir ignorierte unser Blickduell. „Ja, und sie haben keine Menschen umgebracht, sondern Vampire.“ „Wie?!“ Er nickte: „Ich denke mal, dass man sie gejagt hatte und anschließend im Park gestellt. Im Augenblick unseres Todes verlässt uns der Vampirkeim und wir werden zu dem, was wir vorhin waren, Menschen. Sie müssen relativ jung gewesen sein, da manche Körper auch so alt sein können, dass sie bei der Tötung zu Staub zerfallen.“ Plötzlich umfasste er fest meine linke Hand, die ich auf dem Tisch liegen hatte. „Vampirjäger“, sagte er langsam. „Sind grausam und hartnäckig. Bezeichnen uns als Monster, die man unbedingt vernichten muss, obwohl kein Vampir gleich ist. Es gibt gute sowie auch böse Vampire, nicht anders als bei den Menschen. Trotzdem tun sie alles um uns zu erwischen. Ich weiß nicht, wie weit sie bei dir gehen würden nur um Informationen zu bekommen. Sie sind unberechenbar, für Vampire und den Menschen. Ich hatte mal mitbekommen, wie welche sogar einen Menschen als Köder geopfert hatten, ohne Gewissensbisse.“ Sein Griff wurde fester, aber nicht schmerzhaft. „Marc, ich will nicht, dass dir was passiert.“ Seine Augen zeigten tiefe Besorgnis. „Ich verstehe, danke. Ich werde schweigen. Was anderes hatte ich auch nicht vor“, versprach ich. Fühlt er schon soviel für mich? Aber was fühlte ich? Er nickte. Mein Versprechen reichte ihm. „Gut, ich bringe dich jetzt nach Hause. Ich denke mal, dein Freund fragt sich schon, wo du bleibst.“ Ich stöhnte auf und sprang auf: „Oh man, Rick hatte ich ja ganz vergessen.“ Samir lachte und stand ebenfalls auf. „Na dann los. Denk dir am besten was aus.“ Lorca erhob sich und kam auf mich zu. Er reichte mir seine Hand und ich griff zu. „Na dann, wünsch ich dir viel Glück. Ich glaube, wir sehen uns mal wieder“, verabschiedete er sich. Ich schüttelte zögernd seine Hand. „Ja, das denke ich schon“, antwortete ich vorsichtig. Er nickte und verschwand irgendwo im Haus. Samir und ich verließen das Haus und steuerten sein Auto an, ein modernes rotes Sportauto. Ich pfiff anerkennend. „Wenn man so lange lebt, sammelt sich so manches Geld an“, erklärte Samir. Das machte mich neugierig: „Wie alt seid ihr denn?“ „Wir beide sind 154 Jahre alt.“ Schon wieder pfiff ich anerkennend. „Ihr beide?“ „Ja, schließlich sind wir Zwillinge.“ Ich musterte ihn verwirrt. „Zwillinge? Ihr seht euch zwar ähnlich, aber doch nicht sehr.“ „Das stimmt. Aber wenn man in ein Vampir verwandelt wird, dann verändert man sich nicht nur innerlich sondern auch äußerlich, unabhängig von der Herkunft. Man wird attraktiver und das zum Zwecke der Jagd. Die Natur denkt an ziemlich vieles. Geboren wurden wir als Zwillinge. Auch wenn uns die Verwandlung verändert hat, so bleiben wir doch Brüder.“ Kapitel 5: Ja oder Nein? ------------------------ Umgeben von endlosen Bäumen fuhren wir mit dem Auto. Samir gab ziemlich viel Gas, aber er lenkte den Wagen geübt und sicher. Das, was ich in den letzten Stunden erfahren hatte, war zwar fantastisch, aber verdammt real. Vampire, Blut, Vampirjäger, Morde, Zwillinge... Mir schwirrte der Kopf, doch diesmal war nicht die Wunde schuld. Die fing eher, unter dem Verband, an zu jucken und ich hob automatisch meine Hand um zu kratzen. „Bitte, lass das“, sprach mich Samir von der Seite an. Er nahm nicht mal den Blick von der Straße, aber hatte es wohl aus dem Augenwinkel beobachtet. „Das Jucken bedeutet nur, dass der Heilungsprozess beginnt und es wäre schlecht, wenn du alles wieder aufkratzen würdest.“ Ergeben ließ ich meine Hand wieder in den Schoß fallen. „Schon gut, ich lasse es“, murmelte ich, noch in Gedanken. „Ich dachte, Vampire können am Tag nicht überleben?“, fragte ich nebenbei. „Wie ich schon sagte, die Sagen bestehen nur aus Unsinn“, war die amüsierte Antwort. „Nachts sind wir nur unauffälliger und das Jagen ist leichter.“ Vielleicht sollte ich das Thema erst mal sein lassen und selbst recherchieren, was man zum Thema ‚Vampir’ noch zusammen tragen könnte. „Lorca tut es leid“, kam es auf einmal von Samir. Überrascht drehte ich meinen Kopf zu ihm. „Was tut deinem Bruder leid?“ „Dass du dich während deiner Flucht den Kopf gestoßen hattest. Schließlich war er der Auslöser. Aber ihm fällt es schwer sich zu entschuldigen, deswegen hat er mich darum gebeten es dir auszurichten.“ „Schon in Ordnung“, antwortete ich verblüfft. „Er scheint mir gegenüber manchmal irgendwie abweisend“, konnte ich mir nicht verkneifen zu erwähnen. Nun sah er doch in meine Richtung und ich fragte mich, wann wir wohl einen Baum rammten. „Ja, das ist er wohl.“ Er seufzte: „Er hat Angst.“ „Vampire können Furcht verspüren? Vor was denn?“ Zum Glück sah Samir wieder auf die Straße vor sich. „Vor dem erneuten Verlust eines geliebten Wesen“, mehr sagte er nicht, obwohl seine Antwort mehr Fragen entstehen ließ. Scheint als hätte ich ein schmerzhaftes Thema getroffen, weswegen ich nicht weiter bohrte. Die restliche Fahrzeit fuhren wir schweigend. Samir hielt am Straßenrand vor meiner Wohnung und ich stieg aus. Als ich mich von Samir verabschieden wollte, sah ich Rick. Er kam auf einmal um die Ecke, vielleicht noch 20 Meter entfernt. Er hatte einen besorgten Gesichtsausdruck. Sobald er mich sah, fuchtelte er wie wild mit den Armen und rief meinen Namen. Auch Samir hatte es gesehen und zog beide Augenbrauen nach oben. „Sieht so aus, als hätte sich dein Freund wirklich sorgen gemacht. Bitte pass auf, was du ihm erzählst“, warnte er und ließ den Motor aufheulen. „Werde ich tun“, sagte ich noch und schon verschwand er mit seinem Flitzer. Ich sah ihm nach, bis er an der nächsten Kreuzung verschwand und fragte mich, ob das vielleicht alles nur ein Traum war. Doch mein lädierte Kopf war wohl Beweis genug das es nicht so war. „Marc, da bist du ja endlich. Ich habe mir große Sorgen gemacht.“ Er umarmte mich überschwänglich, als er mich erreichte. Ich schnappte hörbar nach Luft und mein Freund ließ mich sofort los. „Wieso denn das?“, fragte ich ihn, um herauszufinden, was ihn so aufregte. Es war doch unmöglich dass er was wusste, oder? „Weißt du es denn noch nicht?“, fragte er mich. Fast gleichzeitig kam die nächste Frage, da ihm mein Verband erst jetzt auffiel. „Was hast du denn angestellt?“ Ich seufzte: „Ich war ein bisschen ungeschickt und bin gegen ein Türrahmen gerannt. Wie wäre es, wenn wir erst in meine Wohnung gehen? Ich könnte einen Tee gebrauchen.“ Mein Freund nickte, auch ihm war das lieber. Schnell gingen wir in meine Wohnung, wobei Rick mir hibbelig folgte. Was war nur los mit ihm? Kaum in der Küche angekommen und Wasser aufgesetzt, konnte Rick nicht länger warten. „Nun, ich habe heute die Zeitung aufgeschlagen und bin fast sofort hierher gerannt“, begann er. „Was stand denn drin? Ich hatte nämlich noch keine Gelegenheit rein zu schauen“, bohrte ich nach. Das Wasser war endlich heiß genug und ich goss für uns beide ein. Der Geruch von Jasmintee erfüllte langsam den Raum. „Die alte Frau, bei der du doch gerne in der Bücherei bist, ist verschwunden. Es gibt keinerlei Hinweise, wo sie ist oder wer es war. Und ich hatte mir Sorgen gemacht, da du ja oft abends dort bist und dir vielleicht was passiert wäre.“ Ich zuckte zusammen. An die Frau hatte ich gar nicht mehr gedacht. Zum Glück missverstand Rick mein Zusammenzucken. „Keine Angst, Marc. Man wird sie bestimmt finden“, versuchte er mir zu versichern. Leider wusste ich es besser. „Das hoffe ich“, schauspielerte ich trotzdem. Schnell wechselte Rick das Gesprächsthema, wohl um mich zu schonen. „Wer war eigentlich der Typ in dem krassen Auto, vorhin?“ Ich lächelte leicht. „Das war Samir. Den hatte ich in der Disco kennen gelernt. Ich hatte es dir doch erzählt.“ „Der dich geküsste hatte? Sieht ja nicht schlecht aus.“ „Ja“, stimmte ich ihm zu und schwieg eine Weile. „Hör zu, Rick, ich muss über eine Menge nach denken.“, versuchte ich ihn abzuwimmeln. „Ja, das verstehe ich. Ruf mich nur an, wenn du reden willst oder was brauchst“, zeigte Rick Verständnis. Ich bedankte mich und begleitete ihn bis zur Tür. Jetzt endlich war ich alleine. Seit mir klar wurde, dass ich vor Vampiren stand, wollte ich mehr davon wissen. Was gibt’s besseres als das im Internet zu tun? Ich ging in mein Schlafzimmer und durchwühlte meinen Kleiderschrank. In der rechten Ecke stand mein zusammengeklappter Laptop. Ich benutzte ihn nur selten und deshalb war er etwas staubbedeckt, was ich wegwischte. Ich machte mich mit dem elektrischen Gerät auf meinem Bett bequem, nachdem ich das Fenster weit aufgemacht hatte, da es doch etwas stickig war, und schaltete es an. Das Hochfahren und Anmelden ging schnell, sodass ich bald das Wort ‚Vampir’ in der Internetsuchmaschine eingeben konnte. „Ein Vampir (auch Vampyr; von serbisch вампир/vampir) ist im Volksglauben und der Mythologie eine blutsaugende Nachtgestalt, und zwar meist ein wiederbelebter menschlicher Leichnam, der von menschlichem oder tierischem Blut lebt und übernatürliche Kräfte besitzt. Je nach Kultur und Mythos werden den Vampiren verschiedene Eigenschaften und magische Kräfte zugeschrieben. Manchmal handelt es sich auch um nichtmenschliche Gestalten wie Dämonen oder Tiere (z. B. Fledermäuse, Hunde, Spinnen)“, las ich leise. Tja, aber was könnte davon wahr sein? „Hi, was machst du da?“ Mit einem lauten Schrei sprang ich auf und blickte mit laut klopfenden Herzen zum offen stehenden Fenster. Eine Gestalt hockte auf der Fensterbank und sah neugierig herein. Der Wind zerzauste schwarze, lange Haare, woran ich ihn erkannte. „Samir?! Wo kommst du denn her?“, rief ich erschrocken. Er rutschte von seinem Sitzplatz und schritt weiter in das Zimmer. „Jep, Sorry, wenn ich dich so erschreckt habe. Ich bin durch das Fenster eingestiegen. Hoffe, dass du nichts dagegen hast.“ Ich atmete tief durch. „Nun, ich stehe kurz vor einen Herzstillstand, aber sonst alles in Ordnung“, meinte ich ironisch und ließ mich wieder auf das Bett fallen. Samir kam von der andere Seite und ließ sich auch darauf nieder. Als er näher zu mir gerückt kam, wusste ich nicht, was er vor hatte. Jedenfalls zog er mich zurück, bis ich mit meinen Oberkörper gestützt an ihn lehnte. Ein ungewohnte Haltung, aber doch irgendwie schön und ich entspannte mich nach paar Sekunden. „Ich vermisse deine Nähe. Wenn ich darf, würde ich gerne deine Wärme spüren“, flüsterte er mir ins Ohr. Ich bekam eine Gänsehaut, aber stimmte unsicher mit einem Nicken zu. Mit einen Arm hangelte ich nach dem Laptop und zog mir das Gerät auf die Beine. Samir blickte mir über die Schulter und las den Text, den ich vorhin rausgesucht hatte. Er schnaubte amüsiert. „Was ist so lustig?“, fragte ich „Blutsaugende Nachtgestalt, das stimmt. Aber wir sind keine lebende Toten.“ „Kannst du es mir erklären?“ Ich spürte wie er tief einatmete. Sein Atem, der nicht kalt war, kitzelte in meinen Nacken. „Ja, warum nicht? Der Vampirkeim wird nicht durch den Biss weitergegeben, sondern die Verwandlung wird durch das Vampirblut, was der Mensch trinkt, hervorgerufen. Ich weiß nicht, was genau da passiert, aber durch den Keim verändert sich der ganze menschliche Organismus und wird zu was anderem. Der Keim verleiht den Zellen Immunität gegenüber dem Zerfall, weswegen wir tatsächlich bis in die Ewigkeit leben können“, erzählte er mir. „Wow“, konnte ich nur hauchen. „Von den übernatürlichen Kräfte, kennst du ja unsere Schnelligkeit. Und das mit den magischen Kräften...“ „Ihr könnt hypnotisieren“, fiel ich ihm ins Wort und erinnerte mich daran, dass Lorca genau das bei mir tat, als ich in Panik geriete. „Genau, aber das ist bei jedem Vampir anders. Ich kannte mal einen, dessen Fähigkeit bestand darin, sich in eine Fledermaus zu verwandeln. Es hat was mit dem Art des Keimes zu tun, denn es gibt viele Formvarianten. Unsere Hypnose ist aber auch abhängig vom Widerstandsgeist der Menschen. Je stärker desto schwieriger, je schwächer desto leichter ist es für uns.“ „Verstehe“, murmelte ich. Samir lachte unterdrückt, aber ich spürte das Zucken. „Was ist?“ „Lorca ist bei dir fast an die Grenze gegangen“, verrät mir Samir. „Hm, vielleicht war meine Panik etwas im Weg“, vermutete ich. „Möglich. Die Hypnose macht es einfacher Opfer zu bekommen.“ „In der Disco hattest du nach Beute gesucht, oder?“, wollte ich wissen. Er schwieg für einen kurzen Moment. „Ja, das stimmt. Anfangs wollte ich dich nur raus locken und meinen Durst stillen. Doch je länger ich in deiner Nähe war, desto mehr hatte ich das Verlangen etwas anderes zu tun.“ Vergesslich und naiv, wie ich war, fragte ich: „Was denn?“ Ich drehte meinen Kopf, sodass ich ihm ins Gesicht sah. Samir grinste: „Ich kann es dir gerne nochmal zeigen.“ Er beugte sich nach vorne und küsste mich und ich erwiderte diesmal. Nach einigen Sekunden lösten wir uns, ich betrachtete den Laptop erneut. „So sollen Knoblauch und jedwede Darstellungen eines Kruzifix der Abschreckung dienen. Ferner soll geweihtes Wasser Vampiren Schaden zufügen. Vor allem Letzteres unterstreicht den Gegensatz der Idee des „dämonischen Charakter eines Vampirs“ zu der Idee der „heiligen Kirche“. Direkte Möglichkeiten, einen Vampir zu vernichten, seien das Köpfen und vor allem das Pfählen (Schlagen eines Holzpflocks mitten durchs Herz). In manchen Darstellungen führt das Pfählen allerdings lediglich zu einer Art Totenstarre, die durch das Hinausziehen des Pflocks wieder beendet werden kann. Auch eine kombinierte Methode aus diesen beiden Praktiken (Köpfen und Pfählen) soll verhindern, dass der Vampir als Untoter zurückkehrt. Bei dieser Methode wird der Vampir gepfählt und der Kopf der Kreatur mit dem Spaten eines Totengräbers abgetrennt. Daraufhin wird der Mund des Toten mit Knoblauch gefüllt. Letzteres ist die „sicherste“ Methode, da der Vampir durch das Entfernen des Pflockes wieder lebendig wird“, las ich im Text weiter. Wieder zuckte es hinter mir. Der Vampir hatte sein Spaß. „Und?“, fragte ich neugierig. „Nicht mal Herkules würde ohne Kopf weiter die Bösewichte schlagen können. Sonst ist das was wir fürchten Silber.“ „Silber?“ Samir nickte: „Der Keim verträgt sich nicht mit Silber, weshalb es sofort abstirbt. Ohne den Keim, verwandelt sich der Körper in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Doch eine zweite Umwandlung ist ein zu großer Schock für den Organismus, was der Tod zufolge wäre“, erklärte er ernst. „Alles andere wie Knoblauch, Kreuze, geweihtes Wasser ist doch alles Blödsinn. Und die „sicherste“ Methode, stell ich mir doch recht eklig vor.“ Ich musste lachen. Nein, vorstellen wollte ich es mir bestimmt nicht. „Und das wissen diese Jäger?“, wollte ich wissen. „Ja, aber auf miese Wege haben sie es erfahren, als ihr Kodex ‚Nieder mit den dunklen, von Dämonen besessenen Bestien’ zu vermuten mag.“, sagte er angewidert. „Glauben die das wirklich? Ich würde die Vampire eher als eine andere Gattung sehen, aber nicht als böse Wesen, denn das bist du bestimmt nicht.“ „Das freut mich zu hören, Marc.“ Ein Arm schlängelte sich an mir vorbei und umfasste meine Hand, die auf der Tastatur lag. „Sie treffen seit Jahrhunderten schon auf Vampire und deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass sie nicht mal bemerkt haben sollen, dass wir gar nicht so ‚böse’ sind. Diesen Jägern ist es egal, ob wir Gefühle haben und nur in Frieden leben wollen. Die meisten sind zu Vampirjäger geworden, nur um töten zu können. Dabei protzen sie herum, nennen uns herzlos und selber sind sie erbarmungslos und nicht selten wird die Tötung herausgezögert und wahre Folterqualen hervorgerufen.“ Während seiner Rede wurde der Griff fester und ich zog schmerzhaft die Luft ein. Sofort war der Druck verschwunden. „Entschuldigung“, murmelte Samir. „Schon in Ordnung. Es ist ja nicht deine Schuld“, meinte ich nur. Sind die Vampirjäger wirklich so grausam? Ich hatte nur die Worte von Samir, doch irgendwie glaubte ich ihm, aber vielleicht ist es aus der Sicht der Vampiren anders als bei den Menschen? Nein, Samir und Lorca sahen nicht anders, sie hatten nur mehr Erfahrungen als ich. Ich schaltete den Laptop aus und legte ihn auf den Nachttischschrank. Langsam lehnte ich mich zurück und legte meinen Kopf auf seine Brust ab. Ich hörte es leicht und ruhig unter mir pochen, sein Herzschlag. Es war beruhigend und zeugte davon, dass er bestimmt kein Untoter war. Sonst wäre wohl auch sein Leib eiskalt, aber er war warm und weich. Es vibrierte an meiner Wange, als Samir eine Frage stellte: „Hast du entschieden?“ Ich schwieg. Hatte ich entschieden? Jeder andere würde schreiend fort laufen. Er ist ein Mörder! Trinkt Blut. Ist kein Mensch, sondern ein Vampir, ein Raubtier. Sollte da nicht jeder Instinkt zur Flucht raten? Aber doch war er bei mir und ich suchte seine Nähe. Habe keine Angst und genieße es nicht alleine zu sein. Und... ich mag ihn, seit ich in seine wunderschöne schwarzen Augen gesehen hatte. „Ja, ich habe entschieden“, sagte ich wage. „Und?“ Nach außen hin zeigte er nichts, doch ich spürte, wie angespannt er war und meine Antwort fast fürchtete. Ich lächelte, was er von hinten nicht sehen konnte. „Ich würde mich freuen, dein Partner zu werden“, sagte ich nach paar, für ihn, quälende Sekunden. Plötzlich wurde ich von hinten fest umarmt und noch näher an den Körper hinter mir herangezogen. „Ich danke dir“, flüsterte Samir in mein Ohr und ich konnte deutlich die Erleichterung in seiner Stimme hören. Kapitel 6: Verdacht ------------------- Es war Nacht und helles Vollmondlicht erfüllte das Schlafzimmer. Ich konnte nicht schlafen, denn ich war noch zu aufgewühlt. Vieles war passiert. Ich hatte Vampire kennen gelernt und von gefährliche Vampirjägern erfahren. Und das komplizierteste, ein Blutsauger wollte mit mir zusammen sein! Ich als Mensch, wie sollte das gehen? Könnten sie sowas wie Blutdurst haben und dabei jeden anfallen, egal ob Freund oder Feind? Wie sind die anderen Vampire? Ihre Fähigkeiten? Gefährlich? Tödlich? Diese Fragen ließen mich einfach nicht los und ich regte mich unruhig. Samir, auf dem ich halb lag und von dem ich dachte, er schliefe schon, richtete sich auf und beugte sich über mich. „Marc, was ist mit dir?“, fragte er sanft und eine Hand legte sich an meine Wange. „Mir geht so vieles durch den Kopf“, antwortete ich Beruhigend strich er über meine Haut. „Das kann ich mir vorstellen. Würde mich sogar wundern, wenn du alles so wegstecken könntest.“ Er legte sich hin und zog mich wieder auf sich. „Also, was hast du auf den Herzen?“ Es war schön in seinem Armen liegen zu können. War das vielleicht zu schnell für eine erste Beziehung? Aber ich fühlte mich wohl und sah deshalb kein Problem darin. Ich zögerte kurz: „Habt ihr sowas wie Blutdurst? Ich meine... könntest du unberechenbar werden?“, wagte ich doch zu fragen. Eine Weile war Stille und ich wollte mich schon aufrichten um in sein Gesicht sehen zu können, doch seine Arme hielten mich davon ab. Sein Kopf schob sich an meiner Seite und stützte sich auf meine rechte Schulter, die Nase nah an meiner Halsschlagader. Schnupperte er wirklich an meinen Hals? „Hm, ja Blutdurst kann wohl jeder Vampir haben, doch vor mir brauchst du keine Angst zu haben. Ich habe lange trainiert um dieses Bedürfnis, sollte es unerwartet auftauchen, unterdrücken zu können. Zwar nicht für Stunden, doch lange genug um zu verschwinden und mir ein geeignetes Opfer zu holen. Dir wird nichts geschehen. Darauf werde ich achten, obwohl dein Blut sehr lecker riecht und bestimmt auch so gut schmeckt.“ Bei dem Wort ‚Opfer’ lief es mir kalt den Rücken herunter. Aber war da wirklich so ein großer Unterschied, wie wenn ein Mensch ein Tier schlachtet um sich an dem Fleisch zu laben? Ich gab einen erschrockenen Laut von mir, als eine feuchte Zunge an mein Hals entlang fuhr. „Hey!“ Die Zunge verschwand. „Sorry, aber ich konnte nicht widerstehen“, lachte der Vampir und ich konnte nicht anders als mit zu lachen. Komischerweise vertraute ich ihm, dass er nicht plötzlich zubiss. Schließlich hatte er mehr als eine Gelegenheit dazu gehabt, oder? Plötzlich kam mir ein Gedanke. „Samir, wird man nicht bei einem Biss zum Vampir?“ Ich spürte, dass er die Frage sehr ernst nahm, wohl weil er dies in der Hand hatte. „Im Prinzip ist das möglich, auch wenn bestimmte Regeln beachtet werden müssen. Sonst wird der Mensch nicht zum Geschöpf der Nacht sondern zu einer blutleeren Leiche.“ „Könntest du es?“ „Ja. Warum fragst du? Willst du, dass ich dich wandle?“ „Nein, ich war nur neugierig“, versicherte ich schnell. Ich hatte bis jetzt noch gar nicht darüber nachgedacht. Samir wäre also dazu in der Lage, aber war es wirklich nötig? Gute Gründe gab es ja. Zum Beispiel wurde ich immer älter und Samir blieb jung. Würde er mich deswegen bald verlassen? Der Gedanke schmerzte, da ich ihn wirklich mochte. War dies schon eine Art der Liebe? Selbst wenn, ich war jung und hatte bestimmt noch Jahre um das entscheiden zu können. Zumindest hoffte ich das. Doch ich würde meinen Status als Mensch verlieren und Blut trinken müssen. War es das wirklich wert oder eher: Wäre das wirklich so schlimm? Ich wusste es nicht. „Ich mache mir Sorgen, Marc“, durchdrang wie weit weg die Stimme meine Gedanken. „Was hattest du gesagt?“, fragte ich sogleich. „Ich habe Angst um dich“, wiederholte Samir noch einmal. „Wieso das?“, fragte ich verwirrt. Mir ging es doch gut, außer der kleinen Kopfwunde, die, während ich still lag, kaum schmerzte. „Ich rede von den Vampirjägern. Wenn sie doch eine Spur zu dir finden, wäre das schlecht.“ Ich gab mich zuversichtlich: „Ich glaube nicht, dass sie mich finden. Wie auch?“ „Sie haben so ihre Methoden“, sagte Samir. „Na und? Ich habe die Polizei und einen starken Vampirfreund“, entgegnete ich siegessicher. Er seufzte lautlos. „Nun gut, du sturer Esel. Versprich mir nur vorsichtig zu sein.“ „Ich verspreche, ich werde vorsichtig sein und mich in acht nehmen“, versprach ich halb im Scherz und Samir nahm es hin. Irgendwie konnte ich es einfach nicht ernst nehmen. Schließlich war er doch ein übermenschliches Wesen, ausgestattet mit Sinnen, die jedem Menschen überlegen sind. Wenn ich später auf diesen Moment zurückblickte, fragte ich mich immer, warum, wenn man nicht hören wollte, es auf so brutale Weise zu fühlen bekam. Warum musste das Schicksal immer so grausam sein? Ich war wohl dann eingeschlafen, denn als ich das nächste mal die Augen aufschlug, fing es draußen an zu dämmern. Während der Nacht bin ich von dem Vampir runtergerutscht und lag nun neben ihm. Sein Gesicht war direkt vor mir und die Lider waren geschlossen, die Gesichtszüge entspannt. Ich drehte mich auf die Seite und betrachtete fasziniert wie bei jedem Atemzug sein Brustkorb, unter der Decke, sich leicht senkte und wieder nach oben wölbte. „Guten Morgen“, flüsterte eine tiefe Stimme und mein Blick wanderte zurück zu seinem Gesicht. Schwarze, klare Augen sahen mich an, ohne Anzeichnen der morgendlichen Benommenheit wie ich es von mir kannte. „Morgen“, erwiderte ich lächelnd. „Habe ich dich geweckt?“ Samir schüttelte den Kopf, beugte sich nach vorne und gab mir einen leichten Kuss. „Nein, ich bin schon seit Stunden wach. Aber ich wollte noch nicht aufstehen, sondern lieber deine Nähe und Wärme genießen“, schnurrte er fast. Ich konnte nichts dagegen tun, doch meine Wangen fingen an zu glühen. Um die Verlegenheit zu überspielen, schwang ich nun selbst meine Beine aus dem Bett und stand auf. Wir beiden hatten immer noch die Sachen vom Vortag an. Mir es machte nichts aus, dass Samir bei mir schläft. Ich hatte es sogar genossen. Aber die Kleider anfangs fallen zu lassen, das wäre mir definitiv zu weit gegangen. Auch Samir hielt sich zurück. Er ließ mir Zeit und ließ mich bestimmen, wie weit ich mich traute und das war mir sehr wichtig. Plötzlich wurde ich von hinten umarmt und fest an einen Männerkörper gepresst. „Wie gerne ich noch länger bleiben würde, aber ich muss leider zu Arbeit.“ „Du hast einen Job?“, fragte ich erstaunt und lehnte mich an ihm. „Tja, ob Mensch oder Vampir, es schadet nie etwas Geld im Haus zu haben“, war die amüsierte Antwort. „Außerhalb der vier Wänden gebe ich mich trotz allem als Mensch aus.“ Ich brummte nur zur Antwort. Ich wollte nicht alleine sein. Nie hatte ich mich so wohl gefühlt. Als hätte Samir meine Gedanken erraten, meinte er: „Ist ja nicht für lange. Wie wäre es, wenn wir Abends was unternehmen?“ Ich wurde hellhörig. „Ausgehen?“ „Ja, ich lade dich dazu ein, mit mir heute Nacht in der Disco abzuhängen und dich ordentlich zu amüsieren. Wie sieht es aus, Kleiner?“, flüsterte er in mein Ohr. Disco? Obwohl, warum nicht. „Aber bitte nicht in die Disco vom letzten Mal“, bat ich. „Okay, du denkst bestimmt an die Vampirjäger. Keine Angst, selbst wenn wir dorthin gegangen wären, sind sie bestimmt nicht an dem Ort. Ihr Ziel war erreicht.“ Schon wieder lief es mir kalt dem Rücken runter. Ja, ihre Aufgabe hatten sie sehr genau erfüllt. Konnte ihnen keiner das Handwerk legen? Nachdem ein Zeitpunkt ausgemacht wurde, konnte sich Samir endlich lösen und verschwand aus der Wohnung. Ich machte mir Kaffee und ein großes Frühstück, da ich mich schon etwas ausgehungert fühlte. Wen wundert es bei solche kräfteraubende Ereignisse? Es war still in der Küche. Ich konnte nicht anders als ständig an Samir zu denken. An seinen warmen Körper und seiner beschützerischen Art. Um mich abzulenken, schaltete ich das Radio an und versuchte mich auf die Lieder zu konzentrieren. Doch vergeblich. Nach dem Frühstück hatte ich das Gefühl, dass meine Wohnung fast einengend und erdrückend auf mich wirkte und beschloss etwas spazieren zu gehen. Befreiend atmete ich die kalte Luft ein, froh aus meiner Wohnung zu sein. Es war noch früh am morgen und leichter Bodennebel hing über dem Straßen. Ein wunderschöne Anblick beim Aufgehen der Sonne. Ich hatte ein paar Straßen hinter mir gelassen und war an unzählige Gassen vorbeigegangen, als aus einer plötzlich eine menschliche Gestalt heraus trat. Sie war von hohem Wuchs und ich drehte mich auf der Stelle um und ging mit schnellen Schritten in die entgegengesetzte Richtung. Wer wusste schon, wer sich so früh hier draußen rum trieb? Doch eine bekannte Stimme hielt mich auf. „Marc? Bist du das?“ Verblüfft blieb ich mitten im Schritt stehen und wandte mich zu der Gestalt. Es war Andrew, Ricks neuer Freund. Andrew kam auf mich zu und blieb unmittelbar vor mir stehen. Jetzt sah ich, dass er einen langen Ledermantel und Hose trug mit den passenden Schuhen. Die gleichen Sachen wie er sie letztens in der Disco an hatte. „Oh, hallo Andrew. Kommst du gerade von einer Feier?“, war daraufhin meine schlussfolgende Frage. Für den ersten Moment sah er mich verwirrt an, bevor er meinen Blick folgte. „Wie... achso, ja, ich komme gerade von einer Geburtstagsfeier. Wir haben die ganze Nacht durch gemacht.“ Er fing an zu lachen. Ich lächelte nur. Etwas seltsam fand ich seine Aufmachung schon. Irgendwie kommt mir seine Kleiderwahl nicht wie für eine Feier, sondern eher wie abenteuerliches Kampfmontur vor. Als ich dies zum ersten Mal sah, dachte ich es wäre einfach ein Gag. Aber scheinbar lief er öfter so rum. Obwohl, warum nicht? Es hatte doch jeder so seine Macken. „Und du kannst noch auf beiden Beinen stehen und in zusammenhängende Sätze sprechen?“, fragte ich scherzend. Andrew nickte: „Ich trinke prinzipiell keinen Alkohol. Wusstest du nicht, das bei jedem Rausch über Millionen von Gehirnzellen absterben? Ich möchte lieber alle behalten“, scherzte er zurück. „Nein, wirklich. Ich wollte noch etwas mit dem Motorrad fahren und dafür brauche ich einen klaren Kopf“, beeilte er sich zu erklären. „Vernünftig, mit Alkohol am Steuer hat man nie gute Karten“, stimmte ich zu. Andrew blickte sich um und kam plötzlich etwas näher an mich heran. „Gut, dass wir uns treffen. Ich wollte mich mit dir mal dringend unterhalten.“ „Über was denn?“ Er blickte mir in die Augen. „Ich habe mitbekommen das eine alte Bekannte von dir ermordet wurde.“ Unwillkürlich versteifte ich mich. „Ja, ich weiß. Ich hatte es gestern Nachmittag erfahren“, erwiderte ich etwas bedrückt. Andrew beobachtete mich genau und ihm entging keine Regung meinerseits. Was sollte dieser prüfende Blick? „Wo warst du denn als der Mord geschah?“ Hatte ich mich verhört oder fragte er mich tatsächlich aus? Ich sah ihn irritiert und wahrscheinlich etwas empört an. „Ich war bei einem Freund. Aber warum interessiert es dich?“ Sein Blick blieb weiterhin bohrend. Irgendetwas war im Busch. „Weißt du, ich war zufällig in der Nähe der Bücherei essen und sah, wie du hinein gingst. Deshalb dachte ich schon, es hätte dich mit erwischt.“ Oh, Scheiße! Ich bemühte mich meine Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen und überlegte mir fieberhaft eine plausible Ausrede. „Stimmt, ich habe mir paar Bücher ausgeliehen und bin dann wieder weg.“ Andrew schaute verwundert. „Aber ich hatte dich doch nicht rausgehen sehen.“ „Ich musste den Hinterausgang nehmen, da Frau Churbach dummerweise ihren Schlüssel verlegt hatte. Sie ist ja schon etwas älter und sehr vergesslich. Ich bin dann durch die Gassen und auf einer andere Straße raus gekommen“, versuchte ich logisch vorzutragen. Hoffentlich logisch genug. Andrew grinste: „Achso, so war das. Und ich hatte mir schon das schlimmste ausgemalt. Schließlich war keine Rede von einer zweiten Person und ich dachte schon, du wärst entführt worden oder so.“ Ich lachte etwas verkrampft. Der kam der Wahrheit ja ziemlich nahe! „Nun, wie gesagt. Ich war bei einem Freund und hatte wohl Glück, dass ich nicht länger geblieben war.“ Er schmunzelte: „Ja, davon hast du wirklich viel.“ In Anspielung auf die Disconacht mit dem zwei ermordeten jungen Männer. Andrew blickte auf sein Handgelenk, wo eine Uhr dran befestigt war. „Oje, schon so spät? Ich komme zu spät zu meinem Termin.“ Sein Blick wanderte zu mir. „Zumindest bin ich, was dich anbelangt, beruhigt. Und es tut mir wirklich Leid, was mit der alten Frau passiert ist. Ich hoffe, man findet bald den Mörder.“ „Das hoffe ich auch“, murmelte ich leise. Was sollte ich auch sonst sagen? Der Mörder war ein Vampir, der mein Partner war und ich mochte ihn? Schnell gab er mir seine Hand und verabschiedete sich. Mir fiel ein Tatoo auf seinem rechten Unterarm auf. Ein großes, weißes Kreuz. Betäubt sah ich ihm nach. Ob er mein erschrockenes Zusammenzucken bemerkt hatte? Ich glaubte nicht. Waren das nicht zu viele Zufälle? Diese ganzen Fragen und die Kleidung als wäre er geradewegs aus einem Van Helsing Film entsprungen? Und Samirs Warnung, sie hätten ihre eigene Methoden um Spuren zu folgen. War Andrew vermutlich ein Vampirjäger?! Ich schüttelte energisch mit dem Kopf. Stopp, ich durfte mich nicht verrückt machen. Andrew hatte nur Klarheit haben wollen, da ihm manches Suspekt war und er sich Sorgen gemacht hatte. Ich hätte doch nicht anders gehandelt, oder? Konnte wohl noch froh sein dass er nicht sofort die Polizei benachrichtigt hatte. Ja, genau! Ich sollte aufhören, hinter jedem Schatten eine Bedrohung zu erahnen. Ich war einfach von den Ereignissen überfordert. Ich machte mich auf dem Weg nach Hause. Meine Gedanken auf den bevorstehenden Discobesuch gerichtet. Ich werde mit Samir hingehen. Oh, Gott, was sollte ich denn nur anziehen? Kapitel 7: Gefährlicher Moment ------------------------------ „Hm, das könntest du anziehen oder lieber das? Oje, lieber nicht“, murmelte Samir vor sich her und wühlte weiter in meinem Kleiderschrank herum. Ich saß hilflos daneben auf dem Bett und betrachtete das Chaos, das er während des Aussortierens hinter sich verursachte. Dann stand er auf und ging zu seinem Rucksack, den er mitgebracht hatte, und machte dort weiter. Okay, er ist ein Vampir. Was ich, glaubte ich, verdaut hatte. Aber ein wahnsinniger Kleiderliebhaber? Dies war zu viel des Guten! „Samir? Findest du nicht, dass du etwas übertreibst? Es ist nur eine Disco. Ein T-Shirt und eine passende Hose reicht doch vollkommen“, versuchte ich ihn aufzuhalten. Er schnaubte nur amüsiert und kramte weiter. „Mag sein, dass es dir bis gestern gereicht hätte, aber du bist jetzt mit einem Vampir zusammen, mein Kleiner. Und ich möchte, dass du dich nicht versteckst, sondern auch zeigst, was du hast“, kam es postwendend zurück. Ich schluckte unbehaglich. Wie weit würde Samir gehen? Plötzlich schien er was gefunden zu haben, da er mit einer eleganten Bewegung aus der Hocke und zu mir herüber kam. „Das ist perfekt! Hier, zieh das an.“ Er warf mir zwei Kleidungsstücke zu und ich ging widerstrebend und mit skeptischen Blick allein ins Bad. Mir sicher, dass ich von neugierigen Augen verfolgt wurde, schloss ich die Tür. Misstrauisch betrachtete ich die ausgesuchten Stücke und zog sie mir an, vermied es dabei in dem großen Spiegel zu sehen. Erst als ich fertig war, atmete ich tief durch und sah hinein. Im ersten Moment erschrak ich. Das Oberteil war sehr eng und zeichnete meine Muskeln unter dem weißen Stoff deutlich nach, sowie die hautenge Jeans. Aber entgegen das, was ich erwartet hatte,... gefiel es mir, was ich sah. Fasziniert fuhr ich meine Brustmuskeln nach. War die Gestalt in dem Spiegel wirklich ich? Ein Klopfen riss mich aus dem Erstaunen. „Hey, Marc. Bist du eingeschlafen oder was?“, dröhnte es durch die geschlossene Tür und riss mich dabei aus der Trance. Noch einmal warf ich einen Blick auf mich und ging dann zögerlich ins Zimmer zurück, wo Samir wartete. Samir kam langsam auf mich zu und betrachtete mich mit seltsam brennenden Augen. Er kam noch näher und schlang seine Arme um meinen Körper, wobei er mir tief in die Augen sah. „Du bist wunderschön“, flüsterte er und ich wurde unwillkürlich rot. „Rede keinen Unsinn“, meinte ich verlegen. Schweigend legte er seine Lippen auf meine und verdeutlichte so seine Worte. Als wir uns lösten, schob er mich Richtung Haustür und drückte mir gleichzeitig meine warme Jacke an die Brust. „Geh schon mal zum Auto vor. Ich komme gleich nach“, bat Samir mich. „Okay?“, murmelte ich verwirrt und ging hinaus. Was sollte denn das? Draußen war die Sonne schon lange untergegangen und es war empfindlich kalt geworden. Schnell zog ich meine Jacke an und ging auf und ab, um mich zu wärmen. Endlich hörte ich Schritte von meiner Wohnung her und drehte mich um. Als ich Samir ,sah wurden meine Augen groß und ich dachte nur: Heiß! Samir hatte wohl, sobald ich weg war, sein Outfit übergeworfen. Eng schmiegten sich die Sachen an ihn an und zeigten mehr als sie verhüllten. Ähnlich wie bei mir konnte man die Muskeln gut erkennen, nur das seine kräftiger und sehniger waren als meine. Dann stand er vor mir mit verschränkten Armen und grinste. „So, jetzt sind wir ausgehfertig. Aber du kannst ruhig wieder deinen Mund schließen. Dein Kinn macht ja fast Bekanntschaft mit dem Boden.“ Schnell befolgte ich seinen Rat. „Entschuldigung... ich war nur überrascht.“ Samir kam näher und ich spürte seinen heißen Atem an meinen Hals. „Ich hoffe doch positiv.“ Ich bekam eine Gänsehaut. „Ja, sehr positiv“, antwortete ich und wurde von Samir in seinen silbernen Flitzer geschoben. Diesmal war die Fahrt kurz und wir standen kurz darauf vor einen großen, hellen Gebäude. Samir stand neben mir und erklärte kurz: „Das ist ein Club namens ‚Moonlight’. Es ist sehr schön hier und man trifft mich oft dort.“ Ich blickte ihn kurz erschrocken an, er verstand und legte mir einen Arm um die Schulter. „Ja, ich gehe hier oft jagen. Aber ich habe heute schon gegessen und würde es auch nie in deinem Beisein tun, Marc“, versprach er mir. „Okay...“, meinte ich etwas beruhigt. Etwas beschäftigte mich. Samir war ein Vampir, das wusste ich. Doch hatte ich dies nur durch Worte erfahren. Auch wenn er vom Essen sprach, so waren es doch nur Worte. Was, wenn ich Samir in Aktion erlebte? Würde ich genauso gelassen reagieren wie jetzt? Oder renne ich panisch davon, wenn er seine Mahlzeit einnahm? Auf jeden Fall war ich ihm unendlich dankbar, dass er keine Anstalten machte ,mich es nicht nur nicht sehen zu lassen, sondern auch Rücksicht auf mich nahm. „Marc, versinke nicht zu tief in deine Gedanken. Schließlich wollen wir hinein, oder?“, sprach mich Samir an und schüttelte mich leicht. Sofort hatte er meine Aufmerksamkeit. Ich räusperte mich: „Sorry, ich denke immer über zuviel und wahrscheinlich auch unnötig nach“, entschuldigte ich mich und lächelte schwach. Er beugte sich zu mir runter. „Kein Problem. Ich werde mir schon etwas einfallen lassen, um dich davon abzuhalten. Überlass es nur mir“, lachte Samir und zog mich ins Gebäude. Wie wohl in jeder Disco, schlug mir laute Musik entgegen. Ich verzog kurz mein Gesicht, da es fast schmerzhaft in meinen Ohren dröhnte. Aber zum Glück gewöhnte ich mich schnell an den durchdringenden Bass. Die Tanzfläche war brechend voll. Doppelt so viele Menschen als in der letzten Disco, in der ich war. Kein Wunder, dass Samir hier bei so viel Auswahl herkommt. Ich bekam nicht mit, wie Samir stehen blieb und prallte gegen ihn. Er sagte was, doch ich verstand kein Wort und sah ihm dementsprechend fragend an. Doch er nahm nur meine Hand und zog mich Richtung Tanzfläche. Moment mal! Er wollte doch nicht wirklich mir tanzen?! Das konnte ich doch nicht! Hatte es noch nie ausprobiert! Vorsichtig gab ich Widerstand, indem ich versuchte stehen zu bleiben. Samir blickte mich kurz an und schüttelte entschieden den Kopf und mit einen letzten Schritt standen wir zwischen tanzenden Leibern, wo ich mich sichtbar unwohl fühlte. Plötzlich war Samir hinter meinen Rücken verschwunden. Ich wollte mich umdrehen, doch starke Hände hielten mich am Platz und gleichzeitig berührte ein Lippenpaar mein Ohr. „Beruhig dich, Kleiner. Du brauchst keine Angst vor einer Blamage zu haben. Sieh dich um und du wirst sehen, dass hier viele untalentierte Tänzer vorhanden sind. Sie wollen auch keinen perfekten Tanz zeigen, sondern ihren Spaß haben. Und das wollen wir jetzt auch. Schließe die Augen, Marc. Und lass dich von der Musik führen und bewege dich mit ihr. Versuch es, ich werde dir helfen.“ Ich spürte, dass er grinste: „Schalte einfach deine Gedanken ab.“ Ich spürte, wie er anfing sich im Takt des Songs zu bewegen. Immer noch hatte er meine Hüfte fest im Griff und zwang mich so seine Bewegungen zu folgen. Meine Gedanken abschalten? Das konnte Samir so leicht sagen. Schon seit ich lebe, hatte ich über das, was gerade tat, nachgedacht. Das Für und Wider auf eine Waage gestellt. Und ich hatte schon oft versucht, mich einfach fallen zu lassen. Mal nicht an die Konsequenzen zu denken. Ich hatte es nie geschafft. Aber was jetzt passierte, war wie ein magischer Moment. Resigniert, weil ich doch sowieso nicht weg kam, ging ich Samirs Rat nach und schloss meine Augen. Musste wohl ziemlich steif gewirkt haben, als mich Samir in seinen Armen führte. Doch mit der Zeit wurden meine Schritte weicher und eleganter. Ich sah nur Schwärze und hörte Musik. Sie drang durch meine ständig kreisende Gedanken und dämpfte sie. Der Strom verlangsamte sich, bis er vollständig zu erliegen kam und nur die Musik meinen Kopf durchdrang. Ich spürte, wie sich mein Körper sich an dem Rhythmus anpasste. Jetzt führte mich Samir nicht mehr, sondern ich ging mit der Musik. Doch spürte ich immer noch seine Hände auf meinem Körper und die Wärme, die von ihnen ausging, beruhigte mich zusätzlich. Ich ließ mich einfach fallen. Hatte keine Angst hart aufzukommen, da ich Samir vertraute. Ja, ich vertraute ihm... Ich wusste nicht, wie lange ich tanzte, als die Bewegungen aufhörten und mich somit aus der Trance riss. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und blickte in ein bekanntes glänzendes Augenpaar. Zufrieden bemerkte er, dass ich von dem Tanz berauscht war und ich nur mühsam in die Realität wieder fand. Er deutete wortlos auf eine Treppe, die weiter nach oben ins Gebäude führte und ich nickte zustimmend. Oben fanden wir eine kleine, gemütliche Sitzecke und machten uns dort bequem. Hier war es nicht so laut wie unten auf der Tanzfläche und man konnte sich halbwegs verständigen. „Und? Wie fühlst du dich?“, fragte Samir, der dicht neben mir saß. Ich war immer noch etwas benommen und murmelte nur: „Unglaublich...“ Erschöpft lehnte ich mich an seine Seite und atmete tief durch. „Sieht so aus, als hätten wir was gefunden, was dich ordentlich ablenkt“, flüsterte er mir ins Ohr und ich bekam eine Gänsehaut trotz der Wärme. Für einen Moment schloss ich meine Augen und ruhte mich aus. Ich fühlte mich etwas kraftlos und merkte erst jetzt, wie kräftezehrend tanzen sein konnte. Ein Blick auf meine Armbanduhr sagte mir, dass wir über eine Stunde auf der Tanzfläche waren. Komisch, ich hatte nicht mit bekommen, wie die Zeit verging. Plötzlich spürte ich, wie sich Samir ruckartig aufsetzte. Verwirrt öffnete ich die Augen um zu sehen, was ihn dazu verleitet hatte. Steif saß er da und blickte starr in die untere Etage. Verwirrt folgte ich seinen Blick und meine Augen weiteten sich. Ein grauhaariger Mann stand abseits und beobachtete die Menschen um ihn herum. An sich nichts schlimmes, außer das er vom Alter her nicht hierher passte und ich ihn verdammt nochmal von irgendwoher kannte. Aber... das war doch der Kerl, weswegen Samir bei unseren ersten Treffen schnell verschwand! „Samir?“, fragte ich verwirrt aufgrund der Situation und da ich langsam ein ungutes Gefühl bekam. Schnell bekam ich seine Aufmerksamkeit und genauso schnell stand er auf und zerrte mich mit. „Samir?!“, fragte ich nun etwas lauter. Mein Verdacht verhärtete sich langsam und mein Freund bestätigte dies. „Ruhig, Marc. Du vermutest richtig. Der Mann dort unten ist ein Vampirjäger. Normalerweise verschwinde ich immer, wenn einer von ihnen auftaucht, was wir auch jetzt machen. Marc, hör mir gut zu! Ich möchte, dass du vor mir her zum Hinterausgang und sofort zum Auto gehst. Hier sind die Schlüssel.“ Er drückte mir die Schlüssel in die Hand und schob mich hin zu der Treppe. Langsam bekam ich Angst. „Und was ist mit dir?“ „Ich bin direkt hinter dir. Ich möchte nur verhindern das er dein Gesicht sieht und dich wo anders wieder erkennen könnte. Schnell jetzt!“ Er schob mich in die Menge und ich versuchte mich durch den vielen Leibern durch zu drängen. Ich hatte längst den Überblick verloren und wusste nicht, weder wo der Vampirjäger noch wo wir waren. Doch Samir schien genau zu wissen wohin, was mich etwas erleichterte. Plötzlich spürte ich seine Hände nicht mehr und mein Blick suchte hastig nach ihm. Ich sah ihn nicht! Im ersten Moment überlegte ich, nach Samir zu suchen, doch dann erinnerte ich mich an seine Worte. Ich hoffte wirklich, ihm passierte nichts und kommt mir wie versprochen zum Parkplatz nach. Entschlossen sah ich um mich und entdeckte den Hinterausgang nicht weit von mir entfernt. Ich schritt schnell los und blickte immer wieder um mich, aber Samir tauchte nicht auf. Langsam wurde ich nervös und ich fing an leicht zu schwitzen. Wo blieb er nur? Ich sah noch einmal hinter mir, umfasste die Türklinge und trat hinaus in die kalte Nacht. Meine Jacke hatte ich ja im Eingangsbereich abgegeben, sodass ich als Ersatz meine Arme um meinem Körper schlang, aber dies half nicht viel. Ich schloss die schwere Tür wieder und lehnte mich schwer atmend an sie. Abgeschnitten von der Discomusik war es hier unnatürlich still. Es dröhnte in meinen Ohren. Wo blieb Samir nur? Er hatte doch gesagt, dass er hinter mir bleibt. Vielleicht hatte er ja einen anderen Ausgang genommen und wartete auf mich. Dieser Gedanke weckte mich aus meiner Starre und ging mit hastigen Schritten auf dem Parkplatz zu. Hinter dem Haus gab es keine Lichter und ich musste mir den Weg sozusagen entlang tasten und orientierte mich zusätzlich am schwachen Mondlicht. Zum Glück war der Parkplatz nicht weit und ich beschleunigte meine Schritte. Unbeabsichtigt stieß ich gegen eine Tonne, die laut scheppernd umfiel. Aufgrund des Kraches kniff ich die Augen zu und wurde völlig unvorbereitet überrumpelt. Etwas prallte gegen mich und schleuderte mich auf dem Boden. Das alles ging so schnell, dass ich nicht zum schreien kam und es auch nicht konnte. Der Angreifer stürzte sich auf mich und legte mir sofort eine Hand auf Mund und Nase, sodass ich kein Ton rausbrachte. Ich versuchte mich zu wehren, aber er schien kräftig zu sein. Mit Leichtigkeit kniete er sich auf meine Beine und umklammerte mit der anderen Hand meine beiden Handgelenke. Ich bäumte mich auf, wollte ihn von mir runter werfen, doch er verstärkte sein Griff schmerzhaft und ich musste aufgeben. Ich dachte er würde mir gleich ein paar Knochen brechen. Doch unerwartet kam ich frei. Eine weitere Gestalt tauchte auf, packte meinen Angreifer von hinten und schleuderte ihn fort. Es war Samir! Ohne inne zuhalten, sprang Samir dem Unbekannten hinterher und schickte den Überraschten mit einem Tritt gegen den Kopf ins Traumland. Schlaff fiel der Körper zur Seite und blieb reglos liegen. Ich hatte dies nur aus dem Augenwinkel beobachtet, da ich eigene Probleme hatte. Der erstickende Griff war zwar nur kurz gewesen, aber vorher wurde mir die gesamte Atemluft bei dem Sturz herausgepresst. Auf der Seite liegend führte ich mir hechelnd Sauerstoff zu und blinzelte die schwarzen Punkte vor meinen Augen weg. „Marc?! Hat der Mistkerl dich verletzt?“ Samir ist neben mich getreten, nachdem er sich überzeugt hatte, dass der Angreifer wirklich bewusstlos war. Seine roten Augen blitzten gefährlich, doch auch besorgt auf. Mühsam richtete ich mich auf und Samir half mir, indem er mich auf die Füße stellte. „Nein, ich bin Okay. Nur etwas durch den Wind“, krächzte ich und pumpte immer noch nach dem köstlichen Sauerstoff. Er zog mich an sich und stützte mich. So kamen wir bei seinem Auto an und ich ließ mich mit einem erleichternden Seufzen auf den Sitz sinken. Kurz darauf saß auch Samir auf der Fahrerseite und startete den Motor. Nicht mal Zeit zum aufwärmen ließ er dem Flitzer und wir befanden uns schon auf den Straßen. Jetzt, nachdem es vorbei war, kam der Schock. Ich fing an, unkontrolliert zu zittern und meine Zähne klapperten aufeinander. Samir hielt in einer Seitenstraße, um mich dann auf seinen Schoß zu ziehen. Ich lehnte mich an seine Brust und schloss die Augen. Er drückte mich noch näher an ihn und strich mir beruhigend über den Rücken. „War das der Vampirjäger?“, fragte ich mit heißere Stimme. Mein Gesicht hatte ich in seiner Halsbeuge versteckt. Seine Wärme und die sanften Berührungen ließen meine Atmung und den Puls langsamerer werden. „Nein, das war ein anderer. Wie konnte ich nur so dumm sein, davon auszugehen, dass er wie immer kein weiteres Mitglied dabei hätte. Dir hätte sonst was passieren können!“ Erschrocken blickte ich auf. Seine Stimme klang so wütend und gleichzeitig bitter. Doch sah ich in seinen Augen keine Wut auf mich, sondern Wut auf sich selbst. „Du kannst doch nicht auf alles achten“, meinte ich nur. Samir lachte trocken. „Marc, ich habe mir geschworen auf dich aufzupassen. Und schon jetzt hätte ich dich verlieren können.“ „Dann mache es nächstes Mal einfach besser. Aber bitte hör auf, dir Vorwürfe zu machen“, versuchte ich. Zu meinem Erstaunen ließ er es beruhen. Er seufzte: „Vielleicht hast du recht. Obwohl ich stark hoffe, dass es kein nächstes mal gibt.“ Für einen kurzen Moment war Ruhe und ich genoss die Streicheleinheiten auf meinem Rücken. „Woher wusstest du, dass sie Jäger sind?“, fragte ich. Kapitel 8: Unerwartete Wendung ------------------------------ Geschafft lag ich in Samirs bequemen Bett auf der Seite. Statt mich zu meiner Wohnung zu fahren, fuhr er direkt zu seinem Haus, das er ja mit Lorca teilte. Sein Zimmer kam mir schwer bekannt vor. Lag wohl daran, dass ich letztens nach meiner Bewusstlosigkeit hier aufgewacht war. Samir lag mir gegenüber und ich versuchte ihn mit meinen Blick zu durchbohren. Ich hatte auf meine Frage immer noch keine Antwort bekommen. Samirs Augen wurden ernst: „Ja, ich kenne ihn sehr gut.“ „Wen meinst du?“, fragte ich. Schließlich waren da zwei Vampirjäger gewesen. Vielleicht sogar mehr, wer wusste das schon? „Den Älteren oder auch einfach nur Zoran genannt.“ „Zoran...“, murmelte ich gedankenverloren. Irgendwie passte der Name zu dem grauhaarigen aber doch kräftig wirkenden Mann. Samir nickte. „Er ist der Anführer seiner kleinen Gruppe. Umfasst vielleicht 4 bis 5 Jäger. So genau weiß ich es nicht.“ „Warum weißt du das nicht?“ Samir seufzte. Es klang traurig. „Ich kenn nur Zoran persönlich und Lorca auch. Lorca ist nicht gut auf ihn zu sprechen. Einen Hinweis hatte ich dir schon gestern gegeben.“ Kurz musste ich überlegen welchen Hinweis Samir meinte. „Du meinst, wo ich sagte, er wäre ziemlich abweisend und du mir sagtest, der Grund wäre ein verloren gegangenes Wesen?“ Samir nickte. Seine Augen wirkten abwesend, als wäre in seiner Vergangenheit versunken. Er schien mit sich zu hapern. Auf einmal erregte eine Bewegung an der Tür meine Aufmerksamkeit. Lorca stand mit verschränkten Armen an der offene Tür. Seine Gesichtszüge waren ausdruckslos, doch auch irgendwie gequält. „Ich werde es ihm erzählen, Samir“, bestimmte er. Samir nickte, froh, dass er es nicht hinter dem Rücken seines Bruders tat. Warum wollte er es mir dann erzählen, wenn er es auch nicht gleichzeitig gegen den Willen seines Bruder machen wollte? Denn offenbar betrifft es hauptsächlich Lorca. Was war schreckliches passiert? „Marc.“ Ich schreckte auf und sah schnell zu Lorca, der mich angesprochen hatte. Er hatte einen undefinierten Gesichtsausdruck. „Ich erzähl das nur, damit Samir dir nichts verheimlichen muss. Da für Vampire ‚Vertrauen’ der wichtigste Schatz im Leben darstellt, verstehe ich meinen Bruder und möchte kein Hindernis für ihn sein.“ Bei seinen Worten wurde mir warm und ich blickte Samir dankbar an. Vertrauen... auch wieder nur ein Wort, aber ich verstand es gut. Er erwiderte den Blick, voller Zuneigung und Liebe. Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn. Ich war überwältigt von seinem Vertrauen, dessen ich gar nicht bewusst war. Lorca hatte ein seltsam zufriedenes Lächeln auf dem Lippen. Doch als ich genauer hinsah, war es weg. Wahrscheinlich hatte ich eine Sinnestäuschung. „Zoran...“, murmelte Lorca und es war Wut heraus zu hören. „Vor ein paar Jahren hatte ich ein wundervolles Mädchen kennen gelernt. Sie war voller Lebensfreude und ich liebte ihre reizende Art. Und sie liebte mich. Dies änderte sich nicht ,als ich ihr erzählte, was ich war. Im Gegenteil schien es die Liebe zwischen uns sogar gefestigt zu haben“, erzählte er. „Aber dann musste dieser verdammte Jäger, Zoran, auftauchen.“ Seine Hände ballten sich zu Fäusten, seine Arme zitternden unter der Anspannung. „Er stellte sie vor der Wahl: Leben oder Tod. Und um mich zu schützen wählte sie den Tod.“ Das Zittern wurde stärker. „Ich konnte nichts machen.“ Unvermittelt drehte Lorca sich um und verschwand aus dem Zimmer. Laut knallte die Tür zu und es war Totenstille. Nach ein paar Minuten wagte ich die Ruhe zu unterbrechen, aufgewühlt von der Geschichte. Mein Blick wanderte von der geschlossene Tür hin zu meinem Freund. Samir sah seinem Bruder nicht nach, sondern auf dem Bett hinunter. Ein schmerzlicher Ausdruck in den Augen. Ich rückte näher an ihn heran, der Leidensdruck gefiel mir nicht. Auch hatte ich das Bedürfnis Lorca nach zu gehen, einfach bei ihm zu sein. Doch ich blieb, wo ich war. Woher kam dieses Gefühl? „Was tat Zoran?“ Samir drückte mich an sich und grub sein Gesicht in meine Halsgrube. Seine Stimme klang dumpf, aber ich verstand jedes Wort. „Zoran wusste es vielleicht nicht, doch er stellte sie wirklich vor eine Wahl. In seinem verdrehten Denken hielt er es nicht für möglich, dass man auch zu ‚Monstern’ halten konnte oder auch noch für sie kämpfte.“ Er seufzte. „Lorca und Zoran trafen sich zufällig und es kam zu einem Kampf. Lorca gewann knapp und der Jäger lag blutend auf dem Boden. Mein Bruder wies ihn an, dass er ihn auch töten könnte, doch wäre er nicht so eine Bestie wie manche Vampirjäger. Dann ging er auf Lyra zu, die zufällig dabei war. Er hielt den Hinweis für klar genug und wollte mit ihr verschwinden. Doch weit kam er nicht. Wie hätte er auch ahnen können, das ein Mensch so hinterhältig sein konnte. Auch ich hatte sowas noch nie erlebt, noch glauben können. Zoran zog eine Beretta, geladen mit Silberkugeln. Wollte ihn, feige wie er war, in den Rücken schießen. Lorca stand vor Lyra und wollte sie berühren. Bekam nichts von der tödlichen Gefahr mit. Doch Lyra sah, was geschah, und wusste gleichzeitig, dass sie Lorca niemals rechtzeitig warnen konnte. So tat sie das einzige, was ihr in diesem Moment einfiel. Sie fasste Lorca an den Armen und drehte sich mit ihm, mit aller Kraft. Als die Umdrehung zuende war, hörte Lorca den lauten Schuss und spürte wie das Mädchen zusammen zuckte. Entsetzt musste mein Bruder zusehen, wie Lyra in seinen Armen starb. Er wusste, dass jede Hilfe zu spät war. Als es vorbei und er seiner Umgebung wieder bewusst wurde, war der Vampirjäger verschwunden. Ich vermute, er hatte keine weitere Kugel und wollte nicht weiter sein Leben auf Spiel setzen. So ein elender Feigling...“ Voller Unglaube hörte ich zu. Samirs Griff wurde in den letzten Sätze immer kräftiger, bis ich dann ein Keuchen nicht unterdrücken konnte. Sofort wurde die Umklammerung weicher. Samir blickte mich schuldbewusst an, doch gleichzeitig bemerkte ich die aufgewühlte Emotionen unter der Oberfläche brodeln. Warum berührte ihn das so stark? Er war doch nicht dabei gewesen, oder? Samir erriet meine Gedanken. „Marc, denk immer daran. Wir sind Vampire und Zwillinge. Was mein Bruder fühlt, das fühle ich auch. Unsere Verbindung ist sehr stark.“ „Ich verstehe.“ Ich hatte es wirklich vergessen, aber jetzt wurde es mir bewusst, was Zwillinge wirklich verband oder eher gesagt speziell diese beiden Brüder. „Es tut mir Leid.“ Ich wünschte niemand müsste sowas durch machen. Ein solch sinnloser Mord und der Mörder kam ungeschoren davon! Kein Wunder, dass Lorca so kalt und abweisend war. Samir schüttelte den Kopf. „Es ist Vergangenheit und Zeit kann Wunden heilen“, murmelte er. Meine Gedanken kreisten in wilden Spiralen. Das war doch unglaublich. Und das sollten Menschen sein? Es klang eher nach grausamen, gedankenlosen Bestien mit einem kalten Herz. Ob die anderen Jäger bei Zoran auch so waren? Ich wusste nicht warum, doch als ich daran dachte, tauchte vor meinen Augen das Bild von Andrew auf. Warum kam er plötzlich in meinen Gedanken vor? „Ich bring dich zu deiner Wohnung.“ Ohne dass ich bemerkt hatte, hatte Samir seinen Kopf gehoben und blickte von oben auf mich herab. Irritiert starrte ich ihn. Wie kam er jetzt darauf. „Hä?“, war meine geistreiche Frage darauf. Und warum sah er mich mit so einem besorgten Ausdruck im Gesicht an? Doch im nächsten Moment lächelte er wieder und umfasste vorsichtig mein Gesicht. Wie immer waren seine Lippen weich und nachgebend. „Noch mal zum Mitschreiben, Marc. Ich fahr dich jetzt zu deiner Wohnung und du packst deine Sachen, weil du eine Weile hier bleibst. Es war zwar dunkel, aber ich kann mir nicht sicher sein, ob der Vampirjäger, der dich überfallen hatte, auf irgendeine Weise wieder erkennt. Dann wärst du in Gefahr und dies will ich nicht riskieren. Verstehst du?“ Erst wollte ich protestieren. Denn wie sollte ich mein Verbleib Rick erklären? Aber dann tat ich es doch nicht. Zum einen aufgrund der begründeten Gefahr und zum anderen... gefiel mir der Gedanke für eine Weile Tag und Nacht in seiner Nähe sein zu können. Trotzdem gab ich nicht so leicht nach. „Wie lange, denkst du, soll ich hier bleiben?“ Samir machte ein nachdenkliches Gesicht. „Grob geschätzt mindestens zwei Wochen. Höchst vermutlich werden sie jede Nacht nach uns Ausschau halten. Nach ungefähr sieben Tagen werden sie vermuten, dass wir nicht mehr in der Stadt sind. Sie bleiben nie lange an einem Ort, wenn sie denken es erfolgreich von Vampiren befreit zu haben. Da die Zeitspanne von mir nur eine Vermutung ist, bleibst du mindestens vierzehn Tagen.“ Sein Blick wurde bittend, aber auch gleichzeitig auffordernd. „Natürlich nur, wenn du auch zustimmst. Denn gegen deinen Willen möchte ich nicht entscheiden.“ Er hatte verdammt nochmal Recht. Natürlich werden die Jäger versuchen uns zu erwischen. Wer weiß, was sie sich in ihrer verdrehten Denkweise einbildeten? Bestimmt nicht, dass ich freiwillig mit einem Vampir unterwegs war. „Nun gut, dann sollten wir langsam los. Und ich hoffe, du weißt, dass du mich die ganzen Tage an der Backe hast“, meinte ich scherzend. „Es könnte mir nichts besseres passieren.“ Es schien, als wäre er von einer schweren Last befreit wurden. Während der Fahrt im Auto, musste ich an Lorca denken. Ich hatte ihn seit seinem emotionalen Ausbruch nicht gesehen. Vielleicht war er auch gar nicht mehr im Haus. Ich machte mir Sorgen um ihn. Hoffentlich steigerte er sich nicht zu sehr in seine Vergangenheit. Das von vorhin schien alte Wunden aufgerissen zu haben. Warum nochmal machte ich mir so viele Gedanken und Sorgen? Ich merkte, wie das Auto langsamerer wurde und erblickte meine Wohnung. War ich der ganzen Fahrstrecke psychisch abwesend gewesen, dass ich es nicht mitbekam? Auch Samir sah etwas überrascht um sich. War auch er in einer anderen Welt gewesen? Aber er war doch der Fahrer! Als hätte er meine Gedanken erraten, legte er eine Hand auf meine Schulter. „Keine Angst. Selbst wenn wir von der Fahrbahn abgekommen wären hätte ich schnell reagieren“, grinste er mich frech an. „Ja, klar“, meinte ich ironisch, bevor er mich aus dem Auto schob, nachdem er neben der Bordsteinkante hielt. Ich sah ihn etwas verwirrt, weil er keine Anstalten machte auszusteigen. „Willst du im Auto sitzen bleiben?“ „Nein, ich muss noch schnell wohin. Meinem Chef Bescheid sagen, dass ich Urlaub nehme. Er meinte sowieso letztens, dass es überfällig wird. Pack du nur deine Sachen und was du sonst noch brauchst. Ich werde dann in einer halben Stunde vor deiner Haustür stehen.“ „Okay, ich werde mich beeilen.“ Ich schlug die Tür zu und wartete bis Samir hinter der nächsten Kurve verschwand. Ich atmete tief die eiskalte Luft ein. Die Straße lag im Dunkeln, sowie auch die Lichter in den Häusern erloschen waren. Kein Wunder, da es langsam auf 2 Uhr nachts zuging. Ich hörte ein näher kommendes Brummen, höchstwahrscheinlich ein Fahrzeug. Etwas in mir, die Instinkte, raten mir ein Versteck zu suchen. Ohne das ‚Warum’ beantworten zu können, stellte ich mich hinter eine große Tonne. Jetzt konnte man mich von der Straße aus und zusätzlich im Dunkeln nicht sehen. Scheinwerfer beleuchten nun die Straße vor mir und ein schweres, schwarzes Auto fuhr mit geringer Geschwindigkeit an mein Versteck vorbei. Direkt vor meiner Tonne wurde noch einmal an Geschwindigkeit abgenommen und mein Atem stockte. Doch, wer auch immer in dem dunklen Wagen saß, hielte nicht. Warum auch? Es war unmöglich, dass sie mich entdeckt hätten. Plötzlich gaben die Unbekannten Gas und rasten um die nächste Häuserecke. Als der Wagen verschwand, setzte wieder mein Verstand ein. Behutsam normalisierte sich meine Atmung und ich schüttelte über mich selbst den Kopf. Warum hatte ich mich verborgen? Dies war doch nur ein Fahrzeug. Und aufgrund des Fahrstils möglicherweise gesteuert von ein paar Betrunkene. Wütend auf mich, stolperte ich ins Mietshaus und schloss meine Wohnungstür auf. Ohne Licht zu machen, ging ich durch die Zimmer, bis ich mein Schlafzimmer erreichte. Unter dem Bett zog ich einen großen Koffer hervor und begann wahllos Sachen hinein zu werfen. Es dauerte keine 10 Minuten bis ich das nötigste hatte und mich erschöpft auf dem Boden setzte, da mein Gepäck auf dem Bett lag. Müde schloss ich für einen Moment die Augenlider und lehnte mich ans Bett. Beinahe wäre ich eingeschlafen, hätte ein aufsehenerregendes Geräusch mich nicht aus der wohltuende Müdigkeit gerissen. Schritte... Gespannt legte ich meinen Kopf auf eine Seite und horchte angestrengt. Schritten waren eigentlich nicht ungewöhnlich, aber dass sie in meiner Wohnung erklangen, beunruhigte mich. Leise stand ich auf und bewegte mich zu der angelehnten Tür. Das Geräusch war verstummt, doch an eine Einbildung wollte ich nicht glauben. Nervös wurde mir bewusst, dass das Zimmer, wo ich mich befand als einziges erhellt war. Schneller als ich denken konnte, hatten meine Finger den Lichtschalter gefunden und drückten ihn. Finsternis umhüllte mich und ich stand reglos an der Tür. Was sollte ich jetzt tun? War da wirklich ein Eindringling? Wie lange verdammt nochmal brauchte Samir noch? Ein Klirren ließ mich erschrocken zusammen zucken. Es kam aus der Küche. Ich musste sofort von hier verschwinden! Aufs Äußerste gespannt, öffnete ich die Tür in Zeitlupe. Wollte ein verräterisches Quietschen verhindern, was mein Standort verraten hätte. Doch vielleicht wusste der Unbekannte es schön längst. Hatte er vorher das Licht gesehen? Nein, sonst wäre er hier und nicht in der Küche. Lautlos trat ich auf dem Flur. Die Geräusche waren verstummt und die Stille lag wie ein erstickendes Tuch auf mir. Ich wusste nicht, ob der Eindringling noch in der Küche oder woanders rum geisterte. Ich spürte, wie die Angst mir die Kehle zu schnürte. Mit lautlosen Schritte bewegte ich mich auf die Wohnungstür zu. Plötzlich hörte ich ein Rascheln vor mir. Mit angehaltenen Atem presste ich mich an die Wand und versuchte mich so schmal wie möglich zu machen. Irgendjemand schlich vor mir den Flur entlang und zwar auf mich zu. Und dieser war wirklich fast lautlos, doch die Aufregung schärfte meine Sinne enorm. Fieberhaft tastete ich nach einem schweren Gegenstand. Ich ergriff etwas, eine Vase. Ohne nachzudenken, holte ich mit dem schweren Ding aus und schlug zu. Ich hörte ein schmerzhaftes Stöhnen, als ich traf und wie ein Körper zu Boden stürzte. Die Stimme kam mir bekannt vor. Egal, ich durfte die Chance nicht vorbei ziehen lassen. Ich stieg über die Person und strauchelte, als eine kräftige Hand mich Knöchel packte. Mit einem heftigen Ruck befreite ich mich und schaffte es irgendwie nicht zu fallen. Das Herz klopfte mir bis zum Hals. Ich rannte zu der aufgebrochenen Wohnungstür und wollte sofort das Mietshaus verlassen. Doch etwas krachte völlig unerwartet in mich und schleuderte mich mit Wucht gegen die Wand neben der Tür. Ich keuchte vor Schmerzen und sank unwillkürlich zusammen. Im ersten Moment der Kräfte beraubt. „Hallo, Marc. Schön, dich kennen zu lernen“, sprach eine Stimme, die mir völlig fremd war. Sie waren zu zweit gewesen! Jemand hockte sich vor mich hin und tastete nach meinem Hals. Ich versuchte mich zu wehren, war aber noch immer von dem Aufprall mit der harten Wand benommen, sodass ich nur eine ungenaue Armbewegung zustande bekam. Finger fanden eine bestimmte Stelle im Halsbereich und drückten zu. Im nächsten Moment sah ich schwarze Punkte vor meinen Augen, die immer größer wurden und dann alles verschlangen. Bewusstlos sackte ich zusammen. Kapitel 9: Vertrauen ist wichtig -------------------------------- Benommen wachte ich auf. Die Unterlage war hart, auf der ich lag. Irritiert öffnete ich die Augen und sah nur Schwärze. Was war passiert? Ich wollte mich aufsetzen, aber ein starker Schwindel hielt mich am Ort und ich atmete tief durch. Mein Kopf war wie in Watte gepackt und es fiel mir sehr schwer, meine Gedanken zu ordnen. Mein Atem stockte, als ich mich wieder an die Ereignisse erinnern konnte. Ich wurde entführt! Verzweifelt ertastete ich meine Umgebung. Die harte Matratze, auf der ich mich befand, lag auf einem feuchten Steinfußboden. Ich sah immer noch nichts. Kein Lichtschein fiel in mein Gefängnis. Langsam stand ich auf. Noch etwas schwankend, ging ich mit nach vorne gestreckten Armen los. Ich hatte keine Lust aus Versehen gegen etwas zu stürzen und mich dabei zu verletzen. Bald stieß ich auf einen Widerstand. Kalte, feuchte Wände, wie der Boden. War ich in einem Verließ gelandet, oder was? Plötzlich traf ich auf eine Tür. Mein Versuch, sie zu öffnen, scheiterte, denn sie war verschlossen. Wütend trat ich gegen das stabile Holz und lauschte. Nichts passierte. Ich drückte meine aufkommende Panik nieder und ging den Weg zurück zu der Matratze. Wohin sollte ich auch sonst? Zitternd schlang ich die Arme um meinem Körper, während ich mich auf die Matte niederließ. Durch die Feuchtigkeit und Kälte fror ich, doch eine Decke hatte man mir nicht gelassen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Vampirjäger hinter meiner Entführung steckten. Was wollten sie? Natürlich mich als Köter für Samir. Scheiße, Samir! Er wird halb verrückt vor Sorge sein und damit leichte Beute! Bevor ich nun wirklich in Panik geriet, hörte ich laute Schritte von draußen. Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und herum gedreht. Ich kniff gequält die Augen zu, als der helle Lichtschein in mein Gefängnis hinein fiel. Jemand betrat den Raum, stellte sich direkt vor mich. Mit blinzelnden Lider blickte ich nach oben und erstarrte. Andrew sah mich mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck an. „Andrew?“, murmelte ich verwirrt. Ich hatte es geahnt, aber es nun wirklich zu wissen, war anders. Andrew kniete sich vor mir hin. Er nickte: „Ja, wie du siehst, gehöre ich zu den Jägern. Überrascht?“ Ich schüttelte leicht den Kopf. „Ich habe es vermutet, aber wollte es nicht glauben.“ Andrew sah mir scharf in die Augen. „Wir haben dich aus der Klaue dieser Bestie befreit. Wie geht’s dir jetzt?“, fragte er und hielt dabei den Augenkontakt. Verblüfft sah ich ihn an. Von was redete Andrew? „Wie meinst du das?“, fragte ich nach. „Ich fragte, wie es dir geht. Wir haben herausgefunden, dass der Vampir, der dich in seinen Fängen hatte, Hypnose kann. Da liegt die Vermutung nahe, dass diese Bestie dich so kontrolliert. Ich wollte sicher gehen, ob der Bann von dir gefallen ist. Also nochmal, wie geht’s dir?“, erklärte er ruhig und ließ mich keine Sekunde aus den Augen. In mir regte sich langsam Wut. „Du redest Schwachsinn. Samir ist keine Bestie! Er wollte mich vor euch schützen“, antwortete ich und sprang erregt auf. Auch Andrew war schnell wieder auf den Beinen. „Marc, komm zu dir! Diese Gedanken hat dieser Vampir dir eingepflanzt. Er wollte dich nicht schützen, sondern nur dein Blut. Da sind alle Vampire gleich, glaube mir. Werfe den Zauber von dir, Marc. Ich weiß, du kannst es schaffen!“, sprach Andrew eindringlich auf mich ein. Er war so überzeugt davon, dass ich unter einer anderen Macht stand, dass er mir gar nicht zuhörte. Sahen die Vampirjäger wirklich nur das Böse in einem Vampir? Hatten sie nie Zweifel während des Tötens? Ich konnte dies nicht glauben. „Er ist keine blutrünstige Bestie! Samir hat die gleichen Gefühle und Bedürfnisse wie ganz normale Menschen“, versuchte ich, doch er sah mich nur mitleidig an. Er legte mir seine Hand auf die Wange, kam näher. „Keine Angst, Marc. Ich bin nicht böse auf dich. Schließlich kannst du nichts für die fremden Gedanken, bei denen du denkst, es wären deine. Wir werden den Bann brechen. Spätestens wenn wir ihn von seinem unseligen Leben erlöst haben.“ Erschrocken starrte ich ihn an. Nein, er konnte dies doch nicht ernst gemeint haben! Hastig ging ich ein paar Schritte zurück, weg von ihm. „Nein, das könnt ihr nicht machen. Das werde ich nicht zulassen!“, stammelte ich etwas. Das war ein Albtraum. Andrew schüttelte traurig den Kopf. „Dieser Vampir hat dich fest im Griff und muss sehr stark sein. Wir hatten die Hoffnung, dass hier unten im Keller der geistige Bann verschwindet, aber offenbar hält er trotz der tiefen Erdschicht“, murmelte er, fast nur an sich gerichtet. Er drehte sich um und verließ den Raum. Blieb stehen und sah, dass ich immer noch wie erstarrt da stand. „Komm, wir gehen nach oben. Versuche bitte nicht zu fliehen. Ich bin schneller als du und auch nicht der einzige Bewohner hier.“ Er zögerte und zog dann eine Augenbinde aus seiner Hosentasche. „Marc, glaube mir. Ich mache es nicht gerne, aber du sollst nicht erfahren, wo du bist. Wir wissen nicht, ob diese Bestie geistige Informationen aus dir holen kann. Deswegen die Binde.“ Andrew wartete geduldig und ich versuchte erst gar nicht ihm noch einmal die Sache zu erklären. Er hörte mir ja doch nicht zu. Glaubte eher, dass Samir mir die Worte in den Mund gelegt hatte. Widerstandslos ließ ich mir die Augen verbinden. Ich wusste, dass ein Ausbruch meinerseits nichts nützen würde. Er war kräftiger und stärker als ich. Aber was konnte ich sonst tun? Er sprach von anderen Vampirjägern. Vielleicht gab es einen unter ihnen, der mir zuhörte! Es war bestimmt nicht mein Hobby, blind durch die Gegend zu stolpern. Weshalb ich zuließ, dass Andrew mich am Arm nahm und vorsichtig führte. Er packte fester zu, als es über eine Treppe ging. Plötzlich hörte ich leise Stimmen, die schnell lauter wurden, je näher wir kamen. Bevor ich mich auf die gesprochene Worte konzentrieren konnte, spürte ich, wie Andrew mich in einem anderen Raum schob. Das Stimmengewirr erstarb. Irgendwie wusste ich, dass ich angestarrt wurde. Die Tür wurde geschlossen und fast auch gleichzeitig die Binde von mir genommen. Von der Zimmerlampe brannte grelles Licht und ich gewöhnte mich nur langsam daran. Der Raum war sehr groß, größtenteils mit Sesseln und Sofas ausgestattet. In der Mitte ein Glastisch, belastet mit vielen beschriftete Blätter. Mein Blick wanderte zu den Fenstern, die aber leider durch schwere Gardinen undurchdringlich waren. Zwei mir fremde Männer saßen sich gegenüber und blickten neugierig zu mir. Einer hatte glatte, lilafarbene Haare. Etwas älter als ich und mit grauen, stechenden Augen. Der andere Typ war ein paar Jahre älter mit sanft drein blickenden grünen Augen und kurzem blondem Haar. Auffallend an dem Blonden war der weiße Verband, der straff um die Stirn gewickelt war. Ich starrte den Verband an, hatte dabei eine Ahnung, woher der Mann diese Verletzung hatte. Andrew trat an mir vorbei und setzte sich zu den anderen. „Marc, darf ich vorstellen? Das ist Kilian und der mit dem Kopfverband heißt Loratz“, erklärte er und ich nickte mechanisch. „Hallo, Marc“, sprach mich Loratz an. Er kratzte an seinem Verband. „Ich entschuldige mich dafür, dass ich dich letztens so heftig angegriffen hatte. Ich wusste nicht, wie sehr der Vampir dich in seinen Fängen hatte. Dumm nur, dass er mich so unerwartet überrumpelt hat. Aber jetzt bist du in Sicherheit.“ Ich starrte ihn nur an. „Jo, der Blutsauger hätte dich bestimmt bald leer gesaugt, um dich dann in irgendeine dreckige Gasse zurück zulassen“, gab Kilian sein Senf dazu. „A... Aber“, stammelte ich. „Er hat mir nichts getan. Das würde Samir nie tun!“ Loratz schüttelte den Kopf. „Tja, sieht aus, als hätte Zoran recht. Der Junge ist fest in seinem Bann.“ Langsam stieg Verzweiflung in mir hoch. Warum wollten sie mir nicht zu hören? Kilian erhob sich und kam auf mich zu. Er schnippte laut mit den Fingern vor meiner Nase, worauf ich etwas auf Abstand ging. „Hm, es wäre interessant, heraus zu finden, wie weit diese Gehorsam geht. Aber wie ich Zoran kenne, will er es schnell über die Bühne bringen.“ Kilian sprach, als wäre ich gar nicht anwesend. Über die Bühne bringen? Nein, das durfte nicht sein! Eine andere Stimme erklang hinter meinem Rücken und ich wandte mich überrascht um. Zoran, der grauhaarige Mann, stand mit geradem Rücken direkt hinter mir. „Andrew, bringe ihn in das Gästezimmer. Wir müssen noch besprechen, wie wir am besten den Vampir in die Falle locken.“ Seine Augen bohrten sich in meine. „Du musst leider als Köder herhalten. Doch keine Angst, wir werden aufpassen, dass er dir nicht zu nahe kommt.“ Mir kam es vor, als wäre die Situation für diese Menschen vertraut. Wie nur ein weitere Auftrag von vielen, die sie ohne nachzufragen erledigten. Ich konnte nicht mehr an mich halten. „Ihr seid doch alle verrückt! Wie könnt ihr nur so kalt von einem bevorstehendem Mord reden? Samir ist keine blutrünstige Bestie. Ich liebe ihn!“ Während die anderen mich fast entsetzt anstarrten, zuckte Zoran nicht einmal mit einer Augenbraue. „Ich nehme an, dass der Vampir dir die Worte eingetrichtert hat. Aber du wirst deine Gedanken schon bald wieder für dich haben, wenn alles nach Plan verläuft“, meinte der Grauhaarige nur und gab Andrew einen Wink. Hastig stand Andrew auf und schob mich mit der Hand im Rücken hinaus auf den Flur. Der war fensterlos, weshalb Andrew auf die Augenbinde verzichtete. „Ihr könnt es doch nicht wirklich ernst meinen“, murmelte ich vor mir her, doch Andrew verstand meine leisen Worte. Er umarmte mich plötzlich von hinten und ich versteifte mich unwillkürlich. „Ruhig, Marc. Es kommt alles wieder in Ordnung. Du kannst doch nicht wirklich glauben, dass deine Sympathie zu diesem Blutsauger von dir selbst kommt. Er hatte mit seiner Hypnose nachgeholfen.“ Ich befreite mich aus seinem Griff und sah ihm ins Gesicht. „Nein, ihr irrt euch. Ihr denkt, dass alle Vampire gleich sind. Durstig nach Blut und grausam. Doch du kennst Samir nicht. Er liebt mich und ich ihn.“ Andrew schaute mir nicht in die Augen. Hatte er aufgeben mich weiter von diesem bösen ‚Bann’ zu befreien oder dachte er sogar über meine Worte nach? „Komm, ich bring dich in dein Zimmer. Es wird bald Tag und du solltest versuchen, etwas zu schlafen. Zoran wird schon in der nächsten Nacht den Vampir in eine Falle locken.“ Wortlos ließ ich mich in ein anderes Zimmer schieben. Ich hörte, wie Andrew von außen die Zimmertür verschloss und seine Schritte sich entfernten. Der Versuch einzuschlafen scheiterte. Immer wieder musste ich meine Situation durchdenken. Gefangen von Vampirjägern, um Samir in den Tod zu locken. Schon beim Gedankem daran wurde mir übel. Sie wollten meinen Freund töten! Und das nur, weil er Vampir war. (Erinnerung Einblende) „Sie treffen seit Jahrhunderten schon auf Vampire und deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass sie nicht mal bemerkt haben sollen, dass wir gar nicht so ‚böse’ sind. Diesen Jägern ist es egal, ob wir Gefühle haben und nur in Frieden leben wollen. Die meisten sind zu Vampirjäger geworden, nur um töten zu können. Dabei protzen sie herum, nennen uns herzlos und selber sind sie erbarmungslos und nicht selten wird die Tötung herausgezögert und wahre Folterqualen hervorgerufen.“ (Erinnerung Ausblende) „Samir hatte recht. Ich wollte es nicht so recht glauben. Aber jetzt...“ Ich seufzte traurig und legte mich niedergeschlagen auf das fremde Bett. Wie es wohl Samir geht? Ein Scharren im Türschloss ließ mich aufblicken. Andrew öffnete die Tür, ein Tablett auf einen Arm balancierend. „Hi, ich habe was zu essen für uns gemacht. Die Nacht war für uns beide wohl ziemlich anstrengend.“ Er warf die Tür hinter sich wieder ins Schloss und stellte das Tablett auf den kleinen Tisch. Dann setzte er sich auf den einzigen Stuhl in diesem Raum und lehnte sich zurück. Ich blickte ihn etwas verwirrt an. Sagte er nicht, ich sollte versuchen etwas zu schlafen? Er faltete die Hände und stützte sein Kinn darauf. „Ich bin erst seit kurzen bei den Vampirjägern, muss ich dir sagen. Nur durch Zufall traf ich auf Zoran, der mir viel von Vampiren erzählte. Meist nur schlechte Dinge und in mir regte sich so etwas wie ein innerlicher Held. Weshalb ich zustimmte, als mich Zoran fragte, ob ich mit ihnen den Kampf gegen diese Bestien aufnehmen möchte. Einen Beitrag dazu zu leisten die Welt von dem Übel zu befreien, klang nicht schlecht. Er nahm mich mit auf nächtliche Missionen und zeigte mir, wie man sie töten konnte. Anfangs war ich begeistert, aber nun...“ Seine Rede verwirrte mich immer mehr. Worauf wollte er hinaus? „Mir wurde immer wieder eingetrichtert, wie gefühllos doch die Vampire wären. Aber ich sehe ihre ängstlichen, manchmal panikerfüllten Blicke kurz bevor ihre Augen brechen und sie zu Staub zerfallen. Aber manche zerfielen nicht, aber veränderten sich auch nicht. Ich habe mir immer vorgestellt, dass im Augenblick ihres Todes der Dämon aus dem Körper flieht und sie nun erlöst und zufrieden sterben, was nicht geschah. Ich fühle mich nicht wie ein Erlöser, sondern wie ein Mörder.“ Sein Blick löste sich von der Zimmerdecke und wanderte zu mir. „Bist du wirklich in ihn verliebt? Hattest jemals das Gefühl gehabt, dass er Böse ist?“, fragte mich Andrew. Diesmal war er bereit mir zu zuhören. Ich nickte: „Ja, so wie ich es schon die ganze Zeit versucht habe zu sagen. Er würde mir niemals etwas antun. Eher würde er sich rächen, wenn es andere versuchen würden.“ Ich sah ihm ehrlich in den Augen. Wusste, dass es der Wahrheit entsprach. Andrew bekam meine Überzeugung mit. „Zoran erzählt allen, dass du unter einem Bann stehst und dass wir deinen Worten nicht glauben dürfen, da der Feind aus dir spricht.“ Er stand auf und ging zu der Tür, öffnete sie aber noch nicht. „Ich muss darüber nachdenken. Ich weiß nicht, was ich glauben kann, aber ich verliere langsam das Vertrauen in Zoran...“ Kapitel 10: Er lebt weiter -------------------------- Stumm stand ich neben den vier Vampirjägern und hatte zu tun, mich auf meine Beine zu halten. Ich wusste nicht, wie lange ich in diesem Haus, vor dem wir jetzt standen, eingesperrt war. Drei... vier Tage? Ich schüttelte den Kopf, doch die Benommenheit wollte nicht weichen. Zoran hatte mich vorhin gezwungen eine unscheinbare Pille zu schlucken. Über die Wirkung schwieg er, was ich jetzt mit voller Macht zu spüren bekam. Alles schien plötzlich weit weg zu sein und mein Denken war stark beeinträchtigt. Mit müden, verschleierten Augen blickte ich zu den anderen. In voller Kampfmontur und gespannt dreinschauend, umstanden mich Kilian, Loratz und Andrew. Kurz blitzte in mir die Frage auf, wo Zoran sei, doch meine Neugier verschwand in dem dicken Nebel, der in meinen Kopf wirbelte. Trotz allem spürte ich, dass Andrew mich beobachtete und ich erwiderte seinen Blick. Er war während meiner Gefangenschaft der einzige, der mich besuchen kam. Die anderen blieben dem Zimmer fern, aber achteten darauf, dass die Zimmertür immer verschlossen war. Vielleicht machte er ja auch die Besuche ohne der Zustimmung seines Bosses. Wir unterhielten uns lange. Obwohl ich eher redete und Andrew mir zuhörte. Er wollte viel von Samir wissen. Anfangs war ich misstrauisch. Vielleicht wollte er nur Information über den Vampir, um ihn im Kampf besser einschätzen zu können. Aber die Art der Fragen ließen was anderes vermuten. Es waren persönliche Fragen und es verriet mir, dass er mehr über das Wesen des Vampirs erfahren wollte. Wollte er herausfinden, ob sie wirklich so grausam waren, wie man es ihm so lange eingetrichtert hatte? Ich hoffte, dass es so war. Dass er selbst über die Dinge nachdachte und dann endlich bereit wäre, mir zu helfen. Hilfe, um aus diesem Alptraum hier entkommen zu können. Doch während unsere Gespräche konnte ich nie erraten, was er dachte. Glaubte er mir? Oder hatte er sich doch dazu entschieden mir nicht zu glauben, weil er der Meinung war, dass ich nicht mein eigener Herr war? Die verzweifelte Fragen drehten ohne anzuhalten vor kurzen noch in meinem Kopf. Doch jetzt dämpfte die Wirkung der Tablette meine Gedanken, meinem Körper und alles rückte weit weg. Was war das für ein Teufelzeug? „Es ist soweit!“ Zoran tauchte plötzlich in der kleinen Gruppe auf. Ein harter Zug lag auf seinem Gesicht und eiskalte Augen starrten für einen Moment in meine. Zufrieden nickte er, aufgrund meines nun erreichten schlechten Zustandes. „Na, dann kann es ja los gehen“, meinte Kilian begeistert, legte seine Hand auf meine Schulter und schob mich vorwärts. Ich versuchte Widerstand zu leisten, doch Kilian war in diesem Moment stärker als ich. Benommen musste ich mich führen lassen und wurde anschließend auf dem Rücksitz eines großen Wagens gedrückt. Auch die anderen nahmen in dem Wagen platz. Ich wusste nicht, was die Vampirjäger vor hatten. Die Pläne hatten die Jäger unter sich ausgemacht, ohne das ich etwas davon mitbekam. Samir! Sie wollten ihn töten! Diese Worte rissen mich für einen Moment aus der Trance, doch schnell legte sich die Gleichgültig wieder auf mich. Am Steuer saß Kilian und neben ihn auf dem Beifahrersitz Zoran. Loratz und Andrew nahmen mich in die Mitte. Ob sie mich von einer Flucht abhalten wollten? Innerlich lachte ich freudlos. Ich würde dies nie in diesem Zustand wagen. Selbst wenn es mir gelingen könnte, die Tür aufzureißen und aus dem fahrenden Wagen zu springen. Was hätte es mir gebracht außer eventuell gebrochene Knochen? Langsam setzte sich der schwere Wagen in Bewegung und fuhr auf die Straße. Ich blickte nach rechts zu Andrew, doch er schaute starr gerade aus und mied einen Blickkontakt. Die Häuser wurden immer weniger und bald darauf verließen wir die Stadt. Die Sonne war fast untergegangen. Die letzten Sonnenstrahlen tauchten die Umgebung in ein blutiges, düsteres Rot. Ein Vorgeschmack auf die nächstfolgende Ereignisse? Plötzlich sah ich ein mir bekanntes Gebäude, was immer näher kam. Trotz meinem Zustand riss ich ungläubig die Augen auf. Das war ja die Disco wo ich zuletzt mit Samir war! Langsam fuhr Kilian an dem Haus vorbei und hielt auf dem Parkplatz zu. Kein Mensch hielt sich in der Gegend auf, geschweige denn in der Disco. Natürlich, es wurde gerade Nacht aber noch zu früh für Besucher. Keine Zeugen. Langsam kroch Angst und Hoffnungslosigkeit in mir hoch. Ich zuckte zusammen, als die Vampirjäger mit Schwung die Türen öffneten und hinaus sprangen. Auch Loratz packte mich am Arm und zog mich aus dem Auto. Er musste mich stützten, weil meine Beine vor Schwäche unerwartet stark zitterten. Loratz fluchte. „Verdammt, Zoran. Was hast du ihm für Zeug gegeben?“ Zoran zuckte gleichgültig die Schultern. „Nur etwas, damit er Ruhe gibt und nicht im Wege steht“, antwortete er nur und strebte zielstrebig den einsamen Park an. „Nun kommt schon. Es ist bald Nacht und der verdammter Vampir wird somit auch bald hier eintreffen. Bereiten wir mal einen schönen Empfang vor“, befahl er. Die Frage musste wohl trotz allem auf meinem Gesicht gut zu sehen sein. „Zoran war gestern in deinem Haus und hat dem Vampir eine Nachricht hinterlassen. In dem Geschrieben wird dein Freund dazu aufgefordert nach Anbruch der Nacht in dem Park hierher zu kommen“, flüsterte mir Andrew zu. Ich dachte, mein Herz würde stehen bleiben. Eine Falle! Loratz sah Andrew scharf an. „Was soll das, Andrew? Marc wird wohl kaum verstehen, was hier gesprochen wird. Also komm!“, fauchte er fast. Er stand schon stark unter Strom. Natürlich, durch meine langsame und unkoordinierten Bewegungen musste es den Vampirjägern vorkommen, als wäre ich nicht ganz in der ‚Realität’. Doch täuschte dies! Meine Aufregung hatte die Wirkung soweit zurück gedrängt, dass ich endlich wieder normal denken konnte. Nur die Steuerung meines Körpers blieb mühsam, wie durch rein zähes Moor. Loratz ging los und zog mich gleichzeitig hinterher. Schwankend kam ich nach und musste aufpassen nicht zu stürzen. Andrew lief neben uns her. Rasch erreichten wir den Park und steuerten auf das Zentrum zu. Jemand hatte eine große Lampe aufgestellt, sodass eine helle Insel in der Mitte des Parks zu sehen war. Loratz führte mich zu der erhellten Stelle und drückte mich auf dem Boden. Das weiche Grasbett war nass und kalt. Langsam trieb klamme Kälte in mir hoch, aber vertrieb auch gleichzeitig das Gefühl von betäubten Gliedmaßen. Unbeobachtet bewegte ich mich ein wenig, um mein Kreislauf in Schwung zu bekommen. Ich hoffte, dass Samir und ich schnell und ohne Verletzungen hier wieder weg kamen. Verdammt, Samir. Bitte, pass auf dich auf! Plötzlich konnte ich die Vampirjäger nicht mehr sehen. Die Sonne war nun entgültig untergegangen und alles außerhalb der erhellten Fläche war in Dunkelheit versunken. Ich zuckte erschrocken zusammen, als der Anführer unerwartet auftauchte und sich neben mich stellte. „Bald, bald wird er kommen und dann ist der Vampir Geschichte!“, flüsterte er mir zischend entgegen. Meine Atemzüge wurden hastiger und eine Mischung aus Wut und Angst brodelte in mir hoch. Was war das nur für ein Mensch? Wie konnte man nur so grausam sein? Ich empfand gegenüber Zoran nur Verachtung. Anführer schwieg und blickte wachsam in die Dunkelheit. Auch von den anderen vernahm ich keinen Ton. Die Stille strapazierte meine Nerven. Aus der Ferne war ein Motorengeräusch zu hören, was immer näher kam. Mein Herz verkrampfte. Ich war zwar nicht oft mit im Samirs Wagen unterwegs gewesen, aber ich erkannte an dem unverkennbaren Geräusch des Motors, dass er es war. Der Motor erstarb. Samir hatte sein Ziel erreicht. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Zoran mit einem geübten Griff eine silberne Waffe aus der Jacke zog. Er lächelte höhnisch. „Das ist eine besondere Waffe. Aus dem Grund, dass das Geschoss aus Silberkugeln besteht.“ Er blickte mir direkt in die Augen. Mir fiel auf, dass ein Glanz sich in ihnen befanden, die mich an einen Verrückten erinnerten. „Nur ein kleiner Kratzer davon und dein Freund stirbt jämmerlich!“ Ich blickte ihn entsetzt und erstaunt an. Er hatte es gewusst! Er wusste, dass ich Samir liebte und dass er nichts gegen meinen Willen tat. Woran Zoran nur interessiert war, dass er einen weiteren Mord begehen konnte, denn seine Mitglieder sahen sowieso zu ihm hoch. Dachten, sie ständen auf der richtigen Seite. Das Geschehen war in meinen Augen so was von falsch und niederträchtig, dass ich plötzlich Rot sah. Die Wirkung der Pille, die ich schlucken musste, war jetzt vollständig weg! Mit einem lauten Wutschrei, dass selbst mich überrascht hätte, zog ich die Beine an und stieß sie Zoran in den Unterleib. Zoran gab einen komischen, leisen Laut von sich und kippte durch die Kraft des Trittes nach hinten außerhalb des Lichtkreises. „Samir! Pass auf, die Kugeln bestehen aus Silber!“, brüllte ich. Das Licht! Auch die Lampe traf ein kraftvoller Fußtritt, sodass sie klirrend zerbrach. Sofort verschluckte die Finsternis alles und ich versuchte so schnell wie möglich auf die Beine zu kommen. Ich musste zu Samir! Als ich mich von dem Boden abstützen wollte, schrie ich unwillkürlich auf. Eine große Scherbe hatte sich in meine rechte Handinnenfläche gebohrt. Schnell zog ich sie mir raus und lief einfach drauf los, weg von meiner Position. Von irgendwo schallte ein anderer Schrei und ich glaubte Loratz daraus zu hören. Aus der gleichen Richtung kam ein lauter Schuss und kurz danach ein aggressives Knurren. Das war Samir! Am liebsten würde ich sofort dort hin rennen, aber es wäre vielleicht nicht sehr klug von mir. Denn jetzt hatten sie kein Druckmittel mehr und Samir konnte sich grausam an ihnen rächen. Ja, grausam. Denn ich hörte Loratz immer wieder aufschreien. Im ersten Moment war ich entsetzt, aber dann... Hatte nicht gerade Samir jedes Recht dazu? Ja, diese Vampirjäger hatten nichts anderes verdient und jemand musste sie doch aufhalten. Plötzlich war unangenehme Ruhe. Ich blieb stehen und versuchte mein Atem zu beruhigen. Man sollte mich nicht entdecken! Wenn Samir Loratz erwischt hatte, blieb nur noch Andrew, Kilian und Zoran übrig. Andrew, auf welcher Seite stehst du nun? Etwas stieß mich an und ehe ich fliehen konnte, legte mir jemand einen muskulösen Arm um meinen Hals und zog mich nah an dessen Körper heran. Ich bekam nur einen erstickten Schrei heraus, bevor der Druck mir die Luftröhre zudrückte. „Bleib ruhig.“, flüsterte Kilian mir zu. „Ich denke, mit dir als Druckmittel kann man gut an dem Vampir heran kommen. Also versau mir nicht unseren, Auftritt wenn Zoran ihn gestellt hat.“ „Tja, ich fürchte, ich habe dich eher gefunden als mich Zoran“, mischte sich leise eine andere Stimme ein. Urplötzlich wurde Kilian hinter mir weg gezogen und gegen einen Baum geworfen. Etwas knackte leise und Kilian rutschte still zu Boden. Ich sah dies, weil meine Augen sich endlich an die Finsternis gewöhnt hatten. Ich vermutete, das Kilian sich das Genick gebrochen hatte, doch ich war so voller Adrenalin, dass es mich nicht berührte. „Samir?“, flüsterte ich hoffnungsvoll. Ein Schatten tauchte neben mir auf und umschlang mich mit den Armen. Ich fing ungewollt an zu weinen und vergrub meinen Kopf in seine Halsbeuge, dabei immer wieder seinen Namen sagend. „Beruhige dich, Marc. Ich bin bei dir. Ich beschütze dich.“ Ich konnte nicht glauben, dass der Albtraum endlich vorüber war und wir endlich wieder zusammen. Es war wohl glücklichste Moment in meinen Leben. Nur kurz darauf auch der schrecklichste... Ein gebündelter Lichtstrahl fiel auf uns. „Hab ich dich endlich, elender Vampir. Stirb!“ Mit aufgerissenen Augen blickte ich in den Lichtstrahl und konnte nichts tun, nicht reagieren. Ein Schuss krachte und spürte wie Samir aufgrund des Eindringen der Silberkugel zusammenzuckte. Nein, das konnte nicht wahr sein!, hämmerte es in mein Kopf. Und doch passierte es, dass Samir langsam zu Boden sank, trotz meiner Bemühungen ihn aufrecht zuhalten. Ich ließ mich von meinen Freund mit auf dem Boden ziehen, legte seinen Oberkörper auf meinem Schoß. Und immer noch wiederholten sich meine Gedanken, wie ein bestimmtes Lied auf der CD. Nein, das konnte nicht sein! Das war doch vollkommen unmöglich! Zoran sah sich dieses Schauspiel voller Vergnügen an. Gemächlich hob er noch mal die Waffe und zielte auf mich. „Keine Angst. Du wirst ihm in die Hölle folgen. Denn du bist ein Verräter der Menschheit, da du dich mit so einer Kreatur eingelassen hast“, lachte er fast und der Wahnsinn in ihm war nun sichtbar. Ein Schuss löste sich... Doch nicht ich wurde getroffen, obwohl ich es mir fast gewünscht hätte. Langsam sackte Zoran mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck zusammen. Ich folgte seinem Blick und sah Andrew in meiner Nähe stehen. Er hatte den tödlichen Schuss abgegeben. Zoran wollte noch was sagen, doch nur ein unverständliches Blubbern entkam seinem Mund und brach dann entgültig tot zusammen. Andrew kann auf uns zugeeilt. „Mist, Marc. Ich komme viel zu spät. Ich wollte nicht, dass es soweit...“ „Geh!“ Verdattert blieb er stehen. „Wie...“ „Verschwinde! Du sollst gehen! Lass mich bitte allein!“ Meine Stimme war voller Verzweiflung und doch auch abweisend. Andrew sollte einfach nur verschwinden. Mit großen Augen voller Schmerz sah er mich an und drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand in der Dunkelheit. Seit dem verheerendem Schuss umklammerte ich Samir und sah nur ihn an. Nur eine kleine Verletzung in der Schulter und doch löschte es sein Leben aus. „Samir, bitte du darfst nicht sterben.“ Salzige Tränen tropften von meinen Gesicht auf ihn herab und er schlug noch mal seine Augen auf. Mühevoll holte Samir Luft. „Marc. Ich werde sterben.“ Seine Stimme war sehr leise. Ich schüttelte heftig den Kopf. „Nein, ich...“ Mit letzter Kraft hob Samir sein Arm und berührte mit den Fingerspitzen mein Gesicht, wischte die Tränen weg. Verzweifelt presste ich mich an ihn. Ich wollte ihn nicht gehen lassen! Ich spürte sein Herz schlagen, doch gleichzeitig wurde es auch immer langsamerer. Ich schluchzte auf. „Niemals hätte ich gedacht, so ein Wesen wie dich kennen lernen zu dürfen. Ich habe unser Zusammensein genossen und werde immer bei dir bleiben, auch wenn ich tot bin. Bitte... traue nicht zu sehr über mich, denn ich bin in deiner Nähe.“ Samir hustete und konnte nur mühsam atmen. Er lächelte. „Dragan (Geliebter), ich liebe dich und werde dich immer lieben.“ Sein Körper alterte in Sekunden. Ich sah, wie sein Gesicht Falten bekam und kurz darauf brüchig wurde. Sein Körper wurde zu Staub und zerfiel zwischen meinen Händen. „Ich liebe dich auch“, flüsterte ich erstickt. Dann schlang ich meine Arme um mich und weinte um meinen verlorenen Partner. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich behutsam an der Schulter berührt wurde. Aus verweinten Augen blickte ich nach oben und sah in den Augen von Lorca. Schweigend half er mir vom kalten Boden hoch und führte mich hinaus aus dem Park. Ich ließ mich führen und anschließend saß ich im Auto. Immer noch ohne Worte, ging Lorca wieder Richtung Park. Ohne, dass es sich irgendwie bemerkbar machte, verlor ich das Bewusstsein. Das alles war zuviel für mich geworden. Fingerkuppen streichelten liebevoll mein Gesicht, wovon ich erwachte. Blinzelnd öffnete ich die Augen und für einen kurzen Moment erfüllte mich wilde Freude. „Samir?“ Meine Stimme zitterte. Die bekannte Gestalt schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin es Lorca. Mein Bruder ist gestorben, das weißt du doch.“ Jetzt schüttelte ich den Kopf. „Nein, das kann nicht wahr sein.“ Eine große Leere war in mir und somit die Gefahr, dass es mich bald verschlang. „Du bist nicht allein mit dem Schmerz“, flüsterte mir Lorca zu, umschlang meinen Körper und drückte mich nah an sich heran. Wir beide lagen in ein fremdes Bett und ich überlegte, dass ich mich in sein Zimmer befand. Seine Nähe tat meiner geschundene Seele gut. Und da war noch etwas. Diese Wärme, seine Umarmung, das erinnerte mich etwas an Samir. Er drückte sich näher an mich heran. „Ich bin zu spät gekommen. Wäre ich nicht zu einer längeren Reise unterwegs gewesen, dann hätten wir gemeinsam die Vampirjäger besiegen können.“ Etwas nasses tropfte in meinen Nacken und ich wusste, dass es Tränen waren. „Du hast am allerwenigsten die Schuld. Und der Mörder ist selbst umgekommen. Doch werde ich Samir nie vergessen.“ In seiner Umarmung drehte ich mich um und blickte in Lorcas Gesicht. Sein Wangen waren voller Tränen, wie es auch bei mir so war. Und da ist etwas in ihm, was mich irritierte. „Samir sagte mir noch vor seinem Tod, dass er weiter bei mir bleibt, auch wenn er stirbt. Weißt du vielleicht, wie er es gemeint hat?“ Lorca lächelte zaghaft und er sah dabei wunderschön aus. „Dragan, wir sind Vampirzwillinge und uns verbindet ein unsichtbarer Faden. Er ist gestorben und doch lebt ein Teil von ihm in mir weiter und ich glaube, ich habe seine Vorlieben geerbt.“ Er beugte sich nach vorn und küsste mich ganz sacht und doch vertraut. Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=hbGxuaC1TKs&feature=PlayList&p=02A1A02BEB037BDF&playnext_from=PL&index=28 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)