Der Schein trügt... von Phase ================================================================================ Der Schein trügt... ------------------- Der Schein trügt... So saß er nun schon eine ganze Weile da: Auf dem Boden von Johnnys Zimmer kauernd, den Rücken an die Badezimmertür gelehnt mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Er war mit der gegebenen Situation einfach überfordert und die vielen verschiedenen Gedanken, die in seinem Kopf herumwuselten und alles nur noch unsinniger erschienen ließen, machten es nicht unbedingt leichter die neuerlangten Informationen zu verarbeiten. Warum hatte er es nie bemerkt? Warum hatte Johnny es ihm nie gesagt? Im nächsten Moment wollte er den Mund öffnen, um zu fragen, seit wann das nun schon so war, seit wann Johnny das alles wusste... doch dann wurde ihm klar, wie dämlich und unsinnig diese Fragen doch waren. Johnny hatte es schon immer gewusst, da es schon immer so gewesen war. Mit einem leisen Seufzen neigte er seinen Kopf nach hinten, gegen die Tür. „Bist du noch da?“ Johnnys Stimme. Bei Gott, in seinem ganzen Leben war er noch nie derart verwirrt gewesen! Er vernahm ein leises, dumpfes Geräusch und schloss daraus, dass Johnny sich ebenfalls gesetzt hatte. Vermutlich lag Johnny die ganze Angelegenheit genauso schwer im Magen wie ihm auch. „Ja...“ Einige Zeit herrschte betretenes und äußerst unangenehmes Schweigen. „Wirst du es Oliver und Enrico sagen?“ „Nein“, Robert schloss die Augen, als er sich die Reaktion seines Gesprächpartners vorstellte. Er wusste, wie Johnny gleich reagieren würde, sofern er seinen Satz zuende gesprochen hatte, „Das solltest du selbst tun.“ Obwohl er auf der anderen Seite der Tür saß, wusste er, dass Johnny in diesem Moment wohl aufgesprungen sein musste. „Wieso sollte ich das tun?!“, donnerte Johnnys wütende Stimme, „Sie haben es bis jetzt nicht bemerkt und müssen es auch in Zukunft nicht erfahren!“ „Johnny...“ Für einen kurzen Augenblick dachte Robert darüber nach, ob es überhaupt zutraf, wenn er „Johnny“ sagte. Es passte einfach nichts mehr so recht zusammen und er zweifelte momentan an fast allem, das er bisher als richtig und wahr empfunden hatte. Im nächsten Moment hasste er sich dafür, dass er derart an einem Menschen zweifeln konnte, dem er bisher immer vertraut hatte. Aber vielleicht war das gerade das Problem? Auf der anderen Seite: Johnny hatte mit Sicherheit Gründe für all das. Bestimmt. „Wieso eigentlich nicht? Wieso hast du es bisher verschwiegen? Es ist ja an und für sich nichts schlimmes und-“ „Oh Gott, Robert! Ich war sechs, als ihr auf diese blöde Idee kamt so eine Art Club zu gründen. Wir hatten von klein auf miteinander gespielt und als ihr dann diese bescheuerte Regel aufgestellt habt, dass nur reiche Jungen diesem Club beitreten dürfen, hatte ich einfach nur Panik, dass ihr nicht mehr mit mir spielt. Ich war doch erst sechs...“ Die Erwähnung ihrer frühen Kindheit brachte Robert dazu, darüber nachzudenken, wieso sie es damals eigentlich nie bemerkt hatten. Es bestand nie in irgendeiner Art irgendein Zweifel, der ihn zu diesem Zeitpunkt zu der Vermutung gebracht hätte, dass Johnny etwas vor ihnen verheimlichte. Nach einer kurzen Pause sprach Johnny etwas ruhiger weiter: „Und später habe ich mich dann einfach nicht mehr getraut es euch zu sagen. Ich hatte Angst, ihr würdet es mir übel nehmen, dass ich es euch in all den Jahren der Freundschaft nicht gesagt habe. Ich habe immer geglaubt, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Etwas anderes blieb mir ja quasi auch gar nicht übrig...“ Wiederum sprach keiner von beiden, ehe Robert das Wort ergriff. Natürlich war es frustrierend, nach all den Jahren festzustellen, dass er jemanden, den er wirklich zu kennen geglaubt, den er als besten Freund angesehen hatte, überhaupt nicht kannte, aber was sollte er ändern? Gut, Johnnys Geheimnis passte ganz und gar nicht in sein Weltbild. Auf der anderen Seite konnte er Johnnys Probleme durchaus nachvollziehen und sich vorstellen, wie schwer es gewesen sein musste, dies alles die ganze Zeit über zu verstecken. Schlagartig stellte er sich die Frage, ob Enrico über all die Jahre irgendetwas geahnt hatte. Es würde zumindest sein Verhalten gegenüber Johnny erklären. Andererseits war es auch einfach die Art des Italieners und nun wirklich nicht das eigentliche Problem bei dieser Sache. Was würde schon großartig passieren, wenn Johnny mit den anderen beiden über diese Sache sprach? Sie würden sicherlich ebenso viel Einfühlungsvermögen zeigen wie er es momentan auch tat. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass einer der Beiden auch nur daran dachte Johnny aufgrund von unveränderbaren Tatsachen aus dem Team zu werfen und er selbst hatte es sicherlich auch nicht vor. Dennoch würde es natürlich eine enorme Veränderung für das Team bedeuten und sie müssten eindeutige, neue Regeln aufstellen. Robert kannte Enrico gut genug und wusste, dass er zwar sehr gutherzig war, dass er es aber liebte, unerwartete Situationen auszunutzen, ja, dass er es einfach genoss, derartiges noch komplizierter zu gestalten, als es sowieso schon war. Oder wusste er es tatsächlich bereits seit längerer Zeit? Sein Verhalten sprach eine eindeutige Sprache und- Er musste wirklich damit aufhören, sich alles auch noch bildhaft auszumalen, wenn er nicht mal eine Ahnung hatte, inwieweit etwas zutraf. Wichtiger war in jedem Fall in diesem Moment zu Johnny durchzudringen und ein klärendes Gespräch herbeizuführen. „Ich denke nicht, dass Enrico oder Oliver dir wegen dieser Angelegenheit böse sein werden. Außerdem: besser du sagst es ihnen, als dass sie es auf die gleiche Art und Weise herausfinden wie ich“, er räusperte sich und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, ehe er weiterredete, „Das wäre für alle Beteiligten wohl auch der angenehmere Weg.“ „Aber-...“ „Ich denke, so viel Ehrlichkeit haben sie in all den Jahren der Freundschaft wohl verdient, oder etwa nicht?“ Immer noch fragte sich Robert, wie es sein konnte, dass sie all die Jahre über das Offensichtliche derart hatten übersehen können. Auf der anderen Seite war Johnny wohl... na ja, etwas untypisch. Das war wohl auch der Grund dafür, weshalb sie sich nie über Johnnys perfekt enthaarte Beine lustig gemacht hatten. Es war außerdem wohl ein Talent, Dinge, die derart von Bedeutung waren, vor allen geheim zu halten, und Johnny besaß es allem Anschein nach. Auf der anderen Seite war die Nachlässigkeit bei einem Gefühl der absoluten Sicherheit ebenfalls kennzeichnend für den Dickkopf; das Versteckspiel war wohl zu lange gut gegangen, als dass auf derartige Dinge wie die Möglichkeit, dass jemand ohne zu klopfen das Zimmer betreten könnte, keine Rücksicht mehr genommen wurde und da half es auch nicht wirklich, möglichst schnell ins Badezimmer zu verschwinden. Robert seufzte. Er hatte gewusst, dass Johnny eigentlich hatte duschen wollen, dennoch hatte er schnell das Zimmer aufsuchen wollen, um noch ein paar Worte über das Training des heutigen Tages zu verlieren. Und stattdessen... ja, stattdessen saß er nun hier, auf dem Boden kauernd und dachte darüber nach, wie er all die Jahre hatte übersehen können, dass sein bester Freund eine beste Freundin war... ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)