Angel Hunter von AikaTadano (Der Pfad der Rache) ================================================================================ Prolog: Einleitung ------------------ Unser Geschäft ist der Tod. Wir schleichen durch die Nacht, auf der Suche nach unserer Beute. Unsere Ziele sind Verbrecher, die sich durch die Maschen des Gesetzes winden und in den Untergrund abtauchen, um ihre kriminellen Machenschaften fortzusetzen. Wir sind ein Spezialistenteam, eine Zwei-Mann-Truppe Elitekiller, die das Verbrechen bestraft. Langsam gehen die zwei Gestalten auf die verletzte Person zu. Das Blitzen eines Schwertes. Ein Schrei. Der dumpfe Aufprall des leblosen Körpers auf dem Asphalt. Kapitel 1: Cat & Angel ---------------------- Vier Jahre zuvor in einer deutschen Stadt: Eine Explosion erschütterte die Rabenstätterstaße, das Haus am Ende des Blocks stürzte unter dem großem Geschrei der schaulustigen Passanten ein. Zwei Mädchen, um die 12 Jahre alt, standen am Bürgersteig und starrten wortlos auf den Trümmerhaufen, der sich ihnen darbot. Weit entfernt drangen die Stimmen der Leute zu ihnen vor: "Die Feuerwehr sagte, es gäbe keine Überlebenden. Erschreckend, wenn man bedenkt, zwei Familien einfach ausradiert!“ „Frau Demmel, sie kannten doch die drei Kinder...“, fragte ein junger Mann, der sich keine Mühe gemacht hatte, eine Jacke überzuziehen. „Ja, dieses Schicksal haben sie nicht verdient..." Die alte Frau und gute Bekannte beider Familien wischte sich mit zitternden Fingern eine Träne weg. Das blonde Mädchen drehte den Kopf und wandt sich dem anderen zu: "Hast du gehört, was die Frau Demmel gerade gesagt hat? All diese Leute halten uns für...tot.“ Sie verstummte und sank schluchzend zu Boden. Der rote Schein des Feuers beleuchtete das noch kindliche Gesicht. "Bitte hör auf zu weinen, Aika...sonst...sonst fang ich auch noch an!" Das schwarzhaarige Mädchen ging auf die Knie und beide schauten sich in die von Tränen überströmten Gesichter. „Wir sollten zu den Feuerwehrmännern gehen“, schlug die eine vor. „Spinnst du?! Die stecken uns ins Heim!“ Der Blondschopf war entsetzt. Plötzlich ertönte ein leises, hämisches Lachen hinter ihnen: „Oh, ihr habt ja überlebt. Schade... Und ich dachte, ich hätte alle erwischt!“ In der flirrenden Hitze flogen die langen Haare des Fremden, die fast genauso rot schienen wie das Feuer. Er konnte nicht älter als 20 sein. „Aufhören, Sie Scheusal!“ Eines der Mädchen sprang auf, doch der Kerl, der sie verspottet hatte, war verschwunden. Gerade als sie los schreien wollte, legte ihr jemand seine Hand auf die Schulter: „Bitte erschreckt nicht.“ Die beiden starrten ihn mit weit aufgerissenen Augen an und brachten vor Erstaunen und Angst kein Wort heraus. „Ich bin zu spät gekommen. Es tut mir Leid.“ „Warum ist unser Haus explodiert? Warum?“ Die Schwarzhaarige konnte ihre Fragen nicht zurückhalten. „Eure Eltern waren in ein paar undurchsichtige Geschäfte verstrickt. Ich weiß nichts Genaueres. Jemand hat mich informiert, dass heute etwas passiert, aber nicht wann. Jetzt ist es zu spät.“ Der Mann senkte den Kopf. Für einen Moment herrschte absolute Stille, dann fuhr er fort: „Ihr habt also diesen Anschlag überlebt. Für diesen Fall gilt es, den Betroffenen ein Angebot der Organisation, für die ich arbeite, zu unterbreiten. Eigentlich war das eher für Erwachsene gedacht, aber ich denke, man wird eine Ausnahme machen." „Was müssen wir tun?“, fragte das blonde Mädchen unter Tränen. "Ihr wollt doch nicht ins Heim, oder? Die Vereinigung regelt euer Leben und bildet euch aus, danach arbeitet ihr für uns. Hört sich doch gut an. Ihr braucht nur ja zu sagen." „Wer sind Sie eigentlich, und was ist das für eine Organisation, von der Sie sprechen?“, platzte es aus der Schwarzhaarigen heraus. „Ich? Ich bin nur ein Bote. Ihr müsst euch entscheiden, los!“ Der Mann schaute sie fordernd an. Die beiden Mädchen tuschelten eine Weile und sagten dann: „Wir haben im Moment keine Ahnung, wo wir hin sollen, also nehmen wir an.“ „Ich muss euch darauf aufmerksam machen, dass eure Entscheidung unwiderruflich ist. Ihr beiden werdet morgen Punkt neun Uhr abends einen Anruf erhalten, dann wird eure Aufgabe geklärt. Ach ja, ich brauche eure Namen und euer Alter, bitte.“ Der Mann zog einen Notizblock aus der Jackentasche. “Ich fang an“, sagte das blonde Mädchen schnell. „Ich heiße Aika de Montal Ban und bin zwölf Jahre alt.“ „Und ich bin Maya Tenno und 13 Jahre alt“, meldete sich die Schwarzhaarige. „Ich nehme an, deutsche Staatsangehörigkeit. Mehr brauche ich momentan nicht, vielen Dank.“ Der Unbekannte drückte Aika einen Schlüssel in die Hand. „Der ist für das Zimmer 124 im Hotel Savoy gleich um die Ecke, dort werdet ihr übernachten.“ Der Mann wand sich zum Gehen: „Ich wünsche eine geruhsame Nacht, meine jungen Damen.“ Mit schnellen Schritten verschwand der mysteriöse Bote in der Dunkelheit der Nacht. „Ein seltsamer Typ, nicht Maya?“ Aika drehte sich zu ihrer besten Freundin um. „Du hast Recht. Aber lass uns jetzt ins Hotel Savoy gehen und diesen schrecklichen Tag beenden. Ich bin hundemüde, total erschöpft und möchte heute nichts mehr denken oder tun müssen.“ Maya nahm Aika an der Hand während sie in Richtung Hotel ging. In dieser Nacht wurden die Freundinnen von schrecklichen Alpträumen heimgesucht, die ihnen den Schlaf raubten. Am nächsten Tag standen sie erst um zwei Uhr nachmittags auf. Beide hatten starke Kopfschmerzen und geschwollene Augen vom Weinen. Aika nahm ein Bad, während Maya etwas Essbares auftrieb, danach ging auch sie baden. Die kleine Suite war nicht besonders ausgefallen eingerichtet. Der Bettüberwurf grau und die hölzernen Möbel abgenutzt. Aber das störte die Mädchen nicht. Am späten Nachmittag erkundeten sie den Speisesaal, um Kaffee und Kuchen zu sich zu nehmen, obwohl ihnen nicht wirklich nach Gesellschaft war. Wieder auf dem Zimmer fingen sie an zu spekulieren, was es mit dem mysteriösen Unbekannten, der Organisation und dem Telefonanruf auf sich haben könnte. „Auf was haben wir uns da nur eingelassen, Maya?!“, seufzte Aika betroffen. „Ich weiß schon langsam auch nicht mehr, was wir tun und nicht tun sollen. Vielleicht war unsere Entscheidung falsch, aber jetzt gibt es kein Zurück“, antwortete Maya entschlossen. Die Stunden vergingen und die Freundinnen wurden immer nervöser. „Gleich ist es neun Uhr.“ Aikas Herz blieb fast stehen, als Maya das aussprach, was sie gerade gedacht hatte. Punkt neun klingelte das Telefon und beide stürzten zum Hörer. „Wer ist da?“, stammelte Maya in die Sprechmuschel. Das Rauschen war ziemlich stark. Entweder das Telefon war schon alt, oder der Anrufer rief aus dem Ausland an. Nach einigen Sekunden meldete sich eine Männerstimme. Mit einschlägigem asiatischem Akzent fing er an zu sprechen und es klang danach, als würde er die Worte von einem vorgefertigten Dokument ablesen: „Ich bin Persha, euer Auftraggeber. Ihr wollt sicher wissen, was ihr zu tun habt, deshalb mache ich es kurz. Eure Familien wurden gestern bei einem Anschlag getötet. Der Mörder eurer Verwandten gehört einer Untergrundorganisation an, die ihre Wurzeln in Japan hat. Unsere Gemeinschaft bekämpft diese Terroristen. Ihr habt über meinen Boten einen Pakt mit uns geschlossen. Das bedeutet, dass ihr ab heute kein normales Leben mehr führen könnt. Ihr werdet in meinem Auftrag zu Elitekämpferinnen ausgebildet, danach fliegt ihr nach Japan, wo ihr gegen die Attentäter vorgehen müsst. Außerdem erwarte ich von euch absolute Loyalität mir und meinen Partnern gegenüber. Solltet ihr euch gegen mich auflehnen oder versagen, werdet ihr beseitigt. Ihr bekommt Codenamen, mit denen ihr euch im Kampf ansprecht. Codename "Angel" für Aika und "Cat" für Maya. Eure Ausbildung beginnt morgen. Um elf Uhr am Vormittag erwartet euch mein Assistent am Helsinkiplatz. Ihr stellt euch rechts an die Statue der heiligen Maria.“ tuut…tuut “Der hat einfach aufgelegt!" Maya war verdutzt. Verwirrt starrte sie auf den Hörer, aus dem das monotone Wählzeichen ertönte. Erst zwei Minuten später realisierte sie Aikas verklärten Gesichtsausdruck. „Wir haben mit einem Schlag unser ganzes Leben ruiniert! Schau mich nicht so dämlich an, Maya! Wir... wir sollen zu Killermaschinen ausgebildet werden und du glotzt mich nur saudumm an!“ Aika packte ihre Freundin an den Schultern und rüttelte sie: „Verdammt, sieh mich an und sag mir ins Gesicht, dass das nicht wahr ist!“ Mit glasigem Blick schaute sie Maya an. Plötzlich funkelten deren Augen und sie flüsterte: „Aber das gibt uns die Chance unsere Familien zu rächen, hast du schon mal daran gedacht, Aika?“ „Du bist also davon überzeugt, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben?“ „Ja.“ Ihre Freundin nickte. „Vielleicht hast du Recht, Maya, und wir haben doch keinen Fehler gemacht.“ Aikas Lippen umspielte ein Lächeln und eine starke Entschlossenheit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Die Freundinnen fassten sich an den Händen: „Gemeinsam stehen wir alles durch!“ Am nächsten Morgen kam zur großen Überraschung der Mädchen ein Brief. Es stand weder ein Absender darauf, noch ließ irgendetwas darauf schließen, wer das Schreiben abgegeben hatte. „Sag mal Maya, ist dir eigentlich aufgefallen, dass der Brief keine Marke hat?“, fragte Aika, während sie das besagte Schriftstück gegen die Tischlampe hielt. „Ja. Das heißt, er wurde höchstwahrscheinlich vom Absender direkt eingeworfen“, fachsimpelte Maya, nachdem sie sich das letzte Stückchen ihres Croissants in die rechte Backe geschoben hatte. „Kein Mensch, außer dem Boten und Persha weiß, dass wir hier sind. Also wird er von ihnen gewesen sein.“ Aika drückte ihrer Freundin den Brief in die Hand: „Mach ihn auf, ich will wissen was drin ist!“ „Hast du ne Macke! Ich bin doch nicht lebensmüde!“ Maya wich zurück. „Da die Chancen hier fünfzig zu fünfzig stehen das es eine Bombe ist, rühr ich das Ding nicht an!“ „Du Feigling!“ Aika streckte ihr die Zunge raus. „Grrr! ICH BIN KEIN FEIGLING!“ Maya packte den Brief und öffnete ihn mit einem schnellen Ruck. „Warum machst du so ein entsetztes Gesicht, Aika? Ich frage mich bei deinem Anblick, wer hier mehr Schiss hat!“ Ein triumphierendes Grinsen machte sich auf Mayas Lippen breit. „Ist ja schon gut, sieh lieber nach, was drin ist.“ Ihre Freundin wischte sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Bin schon dabei. Ahha! Ein Brief und Geld! Ich lese mal den Zettel, dann wissen wir, um was es überhaupt geht, oder?“ Maya zog ihre Augenbraue nach oben. Aika nickte und lehnte sich in den Sessel zurück. An Cat und Angel Da ihr weder Kleidung noch andere Lebensnotwendige Dinge besitzt, lasse ich euch etwas Geld zukommen, damit ihr euch einkleiden und alle nötigen Besorgungen machen könnt. Dem Brief liegen 500 Deutsche Mark bei. Persha „Wow!“, riefen beide wie aus einem Mund. „Oh mein Gott!“ Maya sprang auf und zeigte auf die Wanduhr, „es ist schon halb elf vorbei!“ Überstürzt liefen die Freundinnen aus dem Hotel. Glücklicherweise war der Helsinkiplatz nicht weit entfernt, sodass die Mädchen gerade noch rechtzeitig ankamen. Jetzt lehnten sie beide am Sockel der besagten Statue. Es waren nicht viele Menschen unterwegs, schließlich war es Sonntag und das Wetter lud nicht gerade zu einem Spaziergang ein. „Glaubst du der Ausbilder findet uns, Maya?“ Aika sah sie aus den Augenwinkeln an. Doch die Antwort auf diese Frage erübrigte sich, denn gerade als Maya den Mund öffnete, um zu antworten, kam ein Mann mit asiatischen Zügen auf sie zu. Er blieb vor ihnen stehen und fragte leise: „Codename?“ Maya fand als erste die Sprache. „Cat“, antwortete sie flüsternd. Aika tat es ihr gleich und hauchte: „Angel.“ "Das wäre also geklärt", sagte der Fremde nun deutlich lauter. „Ich heiße Yamato Makimura. Meine Aufgabe ist es, euch zu trainieren und den Umgang mit Waffen aller Art zu lehren. Doch zuerst gehen wir einkaufen und kleiden euch ein. Kommt mit mir!“ „Herr Makimura, kann es sein, dass…“ Weiter kam Aika gar nicht, denn Makimura antwortete: „Ja ich habe den Brief überbracht. Das wolltest du doch fragen, nicht war? Du bist ein schlauer Kopf, Kleine, ich bin erstaunt.“ „Ich bin mindestens genau so schlau wie du!“, keifte Maya, doch dann mussten beide lachen. Zum ersten Mal nach dem Tod ihrer Familien konnten sie wieder ein wenig fröhlich sein. Beide kauften sich passende, hübsche Klamotten für alle Gelegenheiten. Während Maya mehr auf das Design der Sachen achtete, kam für Aika eher sportliche und bequeme Kleidung in Frage. Auch bei der Auswahl der Wasch- und Pflegeprodukte schieden sich die Geister der beiden. Doch am Ende des Shoppings war jeder zufrieden, mit Ausnahme des Geldbeutels vielleicht. Vor dem Hotel verabschiedete sich Herr Makimura von Maya und Aika: „Also, ich erwarte euch morgen pünktlich um sieben Uhr in der Eingangshalle. Bis dann!“ Auf ihrem Zimmer angekommen, knobelten die Mädchen erst einmal aus, wer zuerst duschen gehen durfte. Wie immer gewann Aika und Maya sagte selbstsicher: „Pech im Spiel, Glück in der Liebe!“ Knappe zehn Minuten später lag Aika in ihrem Bett, starrte an die schneeweiße Decke und ließ die Ereignisse der letzten Tage Revue passieren. Durch einen Schlag auf den Kopf wurde sie einige Zeit später jäh aus ihren Gedanken gerissen. „Hey, hörst du mir endlich zu oder muss ich dir noch ne Haarbürste an den Kopf werfen?“ Maya stand, das Handtuch fest um den Körper gewickelt, in der Badezimmertür und zeigte auf den Föhn. „Ich habe dich gefragt, ob du mir bitte die Haare machen könntest!“ Aika stand auf nahm einige Haarklammern und den Föhn, dann verschwand sie mit Maya im Badezimmer. Zwanzig Minuten später war Mayas schwarze Haarpracht trocken und beide fielen todmüde in ihre Betten. „Aufstehen, Aika!“ Maya rüttelte ihre Freundin wach. „Es ist schon sechs Uhr!“ „AAhhh!! Ich hab verschlafen!“ Aika sprang auf und raste wie eine Wahnsinnige im Apartment herum, um ihre Sachen zusammenzusuchen. Trotz allem standen die beiden Mädchen pünktlichst um sieben mit ihrem Gepäck in der Eingangshalle. Kurz darauf kam auch schon Herr Makimura, um sie abzuholen. Jetzt hatte der Ernst des Lebens für die Freundinnen begonnen. Sie zogen in ein altes Haus, in dessen Keller mehrere Trainingsräume installiert worden waren. An den Wänden hingen die verschiedensten Geräte. Ihre Euphorie verflog und machte einer nicht greifbaren Art von Angst Platz. In der nun folgenden Zeit vergossen die Mädchen in diesem Haus mehr Schweiß und Tränen als in ihrem ganzen Leben zuvor. Vier Jahre später Mitte November: „Ich wünsche euch eine angenehme Reise!“ Herr Makimura gab jeder zum Abschied einen Kuss auf die Wange. „Auf Wiedersehen, Herr Makimura!“ Die Mädchen gingen Richtung Abflughalle, drehten sich ein letztes Mal um und winkten ihrem Lehrer zu dann verschwanden sie in der Menge. Plötzlich ertönte eine Durchsage: „Der Flug nach Shanghai verspätet sich um eine halbe Stunde!“ „Oh Mann! Ich hab’s kommen sehen!“ Maya ließ sich auf einen der Sitze fallen. Neben ihr saß Aika, die sich gerade einen Kaugummi in den Mund schob. Die Mädchen hatten sich sehr verändert in den Jahren ihrer Ausbildung. Maya war jetzt siebzehn Jahre alt 20 Zentimeter größer und ziemlich zierlich. Aika hingegen war sechzehn, stolz auf ihre eins siebzig und eher weiblich ausgeprägt. Die beiden befanden sich auf dem Weg nach Tokio, um dort als Elitekillerdouble eine Untergrundorganisation zu bekämpfen. Maya und Aika mussten sich nicht nur physisch auf ihre Aufgabe vorbereiten sondern auch mental. Jetzt nach vier Jahren Training erwartete sie ihr erster Auftrag, der nach Andeutungen Pershas eine Art Prüfung für die Mädchen sein sollte. Damit im Fall des Scheiterns ihrer Mission niemand herausfinden konnte, wohin sie eigentlich unterwegs waren, flogen die Mädchen erst nach Shanghai, um mit einer Fähre nach Japan überzusetzen. Zur Tarnung hatten sie Tickets unter verschiedenen Decknamen angefordert und diese über ihr Schweizer Nummernkonto bezahlt. „Sag mal, hast du eigentlich den Labtop im Handgepäck verstaut?“ Maya blickte Aika durchdringend an. „Klar, oder glaubst du, ich habe vergessen, das Persha uns übermorgen eine Nachricht sendet?“ Aika schaute vorwurfsvoll zu ihrer Freundin hinüber. „War ja nur ne Frage!“, wehrte sich Maya, die sinnlose Diskussionen mit Aika verhindern wollte. Viel Zeit zum Streiten blieb ihnen sowieso nicht, da gerade in diesem Moment ihr Flug aufgerufen wurde. Die Mädchen nahmen ihr Handgepäck und gingen durch die Gangway ins Flugzeug. Es war eine relativ große Maschine. Die blauen Sitze waren wie neu und das Personal freundlich. Einige Minuten später beschleunigte das Flugzeug auf der Rollbahn und erhob sich, um nach einer letzten Schleife ins östliche Land der aufgehenden Sonne aufzubrechen. Die Stimme aus dem Lautsprecher begrüßte die Passagiere der Asia Airline und klärte sie über die Sicherheitsvorschriften auf. „Hey Aika, schau doch mal aus dem Fenster! Die Wolken sehen wie Wattebauschen aus!“ Maya hatte sich sofort den Fensterplatz unter den Nagel gerissen. „Oh ja, oder wie Zuckerwatte!“ Aika beugte sich über den Sitz der Freundin und starrte mit großen Augen auf die weiße Pracht unter ihnen. Maya sah sich derweil die Menschen in ihrem näheren Umfeld an. Sie fand es schon als kleines Kind spannend, Leute zu beobachten. Ein Mann ging durch ihre Sitzreihe und als sich die Blicke der Beiden trafen, lief Maya ein eiskalter Schauer über den Rücken. Nicht etwa weil er ein unheimliches Aussehen gehabt hätte, im Gegenteil, der Mann sah gepflegt aus. Doch ihr Gefühl sagte ihr, dass sie ihn irgendwoher kannte. „Maya? Wollen wir uns den Film ansehen? Ich glaube, es läuft Amazonas.“ Aika hielt ihr einen Kopfhörer hin. „Was für eine dumme Frage. Natürlich will ich den Film sehen! Ach der Typ mit dem seltsamen Zeichen auf der Stirn ist ja so süüüß!“ Mayas Wangen erröteten leicht und Aika grinste von einem Ohr zum anderen. Maya war so Feuer und Flamme, dass sie keinen weiteren Gedanken an den mysteriösen Mann verschwendete. Nach einem vierzehnstündigen Flug landeten die Mädchen am Flughafen in Shanghai. Der Bus zum Hafen stand bereits vor dem Gebäude. Nach einer Viertelstunde Fahrt kamen sie an und gingen an Bord des Schiffs. Es war schon nach acht Uhr abends, als die Shanghai Noon die Richtung Nagasaki in See stach. So kamen die Reisenden erst in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages in ihrem Hotel an. „Was Schäbigeres haben die nicht gefunden, oder?“, Maya rümpfte die Nase beim Anblick des Zimmers. Die Blumen auf dem Nachtkästchen waren zu armseligen Stummeln vertrocknet. Das Fenster undurchsichtig und die Farbe der wenigen Möbel abgesplittert. Aika warf sich ins Bett. „Hast ja Recht, aber ich bin zu müde, um mich jetzt noch darüber aufzuregen. Außerdem sind die Betten gar nicht mal so übel.“ Maya zögerte einen Augenblick, ließ sich dann aber doch in ihr Schlaflager fallen. Keines der Mädchen machte sich die Mühe, sich umzuziehen, sie schliefen bereits nach wenigen Minuten tief und fest. Den nächsten Tag begannen sie mit dem Mittagessen in einer Art Wirtshaus. Danach setzte sich Maya vor den Computer und checkte die Mailbox: „Aika, komm her! Wir haben unseren ersten Auftrag!“ Kaum hat sie den Satz zu Ende gesprochen saß ihre Freundin bereits neben ihr auf dem spinatgrünen Sofa. Gespannt öffnen sie die Mail: Eliminiert Hiroshi Abe! Dies ist eure Einstandsprüfung, viel Glück! Persha „Was?! Hiroshi Abe, den Polizeipräsidenten dieser Stadt! Warum das denn?“, Aika war verwirrt. „Vielleicht gehört er diesem Reiji Takatori an, oder er hat was über unseren Boss herausgefunden, das Persha gefährlich werden könnte.“ Maya schaltete den Labtop aus und verstaute ihn in der schwarzen Reisetasche. „Du sagtest Reiji Takatori, ist das nicht der Drahtzieher, der für diese ganzen Attentate in Japan verantwortlich ist?“ Aika sah ihre Gefährtin fragend an. „Er gehört laut unserer Organisation der Yakuza an, hat viele Anhänger aus verschiedenen Schichten der japanischen Gesellschaft und damit seine dreckigen Hände in allen Regierungsangelegenheiten. Es wird gemunkelt, dass er in Drogengeschäfte verwickelt und im Rotlichtmilieu vertreten ist. Außerdem lässt Takatori angeblich Konkurrenten sowie Kritiker ermorden. Es würde mich nicht wundern, wenn er noch ganz andere Dinge vorhätte… Ich würde diesem Kerl gerne persönlich in den Arsch treten!“ Maya war von ihrem Stuhl aufgesprungen und ballte ihre Fäuste so stark, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Beruhige dich! Ich bin mir sicher, du bekommst deine Chance. Aber wir haben anderes zu tun, als diesem Kerl nachzurennen.“ Aika drückte Maya sanft auf den Stuhl zurück. Mittlerweile war es fünf Uhr nachmittags und die Mädchen besprachen ihren Plan. Als sie fertig waren, ging Aika zum Wandschrank und zog zwei Stofftiere in der Form von Riesenschlangen aus einem großen Koffer. Kein Mensch würde darin ein in seine Einzelteile zerlegtes Scharfschützengewehr und eine Katana vermuten. Außerdem verhinderte eine Spezialfüllung, dass die metallischen Gegenstände von den Sensoren am Flughafen aufgespürt werden konnten. Mit einem breiten Grinsen zogen Maya und Aika ihre Waffen aus der weichen Füllung der Plüschtiere. Während Maya ihr Gewehr ölte und die Munition prüfte, polierte Aika ihr Samuraischwert und kontrollierte die Schärfe der Waffe. Es war kurz nach 3 Uhr, als sich zwei Gestalten durch die Dunkelheit geschützt dem Haus von Hiroshi Abe näherten. „Hast du auch Herzklopfen?“ Maya nahm die Hand ihrer Freundin. Aika blieb stehen. „Deine Finger zittern ja ganz schön, Cat!“ „Hast du denn gar keine Angst?“ Mayas Stimme bebte. „Uns passiert schon nichts, keine Sorge.“ Doch auch Aika hatte Herzklopfen, selbst wenn sie es nicht zugab. Vor ihnen ragte nun der Dachgiebel des Zielortes in den Nachthimmel. Die Straße war nicht gut beleuchtet. Dennoch fanden sie einen Weg, lautlos über den Zaun zu steigen und sich der Hintertür zu nähern. Aika drückte die Klinke herunter: „Verdammt, sie ist verschlossen!“ „Geh aus dem Weg, Angel!“ Maya zielte mit ihrem Gewehr auf das Schloss der Tür. „Bist du wahnsinnig?!“ Aika versuchte die Situation zu retten, doch Maya hatte schon abgedrückt. Der Schalldämpfer unterdrückte zwar das Geräusch des Schusses, nicht aber das, dass die schwere Klinke verursachte, als sie auf den Treppenabsatz aufschlug. Wenigstens lag das Haus ein wenig abseits, so dass nicht zu befürchten war, unwillkommenen Besuch von Nachbarn zu bekommen. Die Tür sprang auf und einige Sekunden später stand Hiroshi Abes Ehefrau im Flur. Maya hielt ihr das Gewehr entgegen. Schreiend lief die Frau zurück ins Haus. „Nein! Los, wir müssen hinterher bevor sie Verstärkung ruft!“ Maya sprintete hinter ihr in den schmalen Gang, der das Studierzimmer mit dem Wohnzimmer verband. Mit der Raufasertapete und den dunklen Möbeln wirkte der ganze Raum veraltet. Auf der linken Seite hing eines dieser Wandtelefone. Die schmächtige Frau, deren Gesicht nicht ohne Falten war, wollte gerade den Hörer abnehmen. In Maya tobte ein Kampf von Gewissen, Skrupel und ihrem Wunsch auf die Chance der Rache am Mörder ihrer Eltern. Mit geschlossenen Augen drückte sie schließlich ab. Der beige Telefonhörer fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Teppich. Plötzlich stand Hiroshi im Wohnzimmer. Er hielt eine Pistole in der Hand und starrte auf seine ermordete Frau, die neben dem Telefon lag. Ohne die Waffe zu senken oder Cat aus den Augen zu lassen, durchquerte er das Zimmer. Bei der leblosen Gestalt seiner Frau angekommen, ging Abe in die Knie und fühlte ihren Puls. Sein Gesichtsausdruck verriet seinen Schmerz. Hiroshi stand auf, zielte auf den Kopf der erstarrten Attentäterin. Sie stand vor ihm und war nicht fähig sich zu bewegen, zu sehr waren ihre Gedanken mit Reue beschäftigt. Sie kniff die Augen zusammen und wartete. Auf einmal hörte sie einen Schrei und irgendetwas Warmes besprenkelte ihr Gesicht. „Cat, komm, wir müssen hier schnell weg!“ Aikas Stimme ließ sie die Augen öffnen. Vor ihr lag der Leichnam von Hiroshi Abe. Aika hatte ihn von hinten enthauptet, kurz bevor er abdrücken konnte. „Du...du hast mir das Leben gerettet, Angel!“, Maya liefen die Tränen übers Gesicht und vermischten sich mit dem Blut. „Werd nicht sentimental, Cat! Beeil dich lieber, wir müssen weg!“ Aika drängte ihre Freundin zurück zur Hintertür. Kurze Zeit später waren sie wieder im Hotel. Allerdings nahmen die beiden den ungewöhnlichen Weg zum Zimmer 66. „Also Maya, das mit dem Balkon ist eine Spitzenidee gewesen. So fallen weder unser schwarzes Outfit, noch die Blutspritzer in deinem Gesicht auf.“ Aika klopfte ihrer Gefährtin lobend auf die Schulter. „Ich fühl mich irgendwie total mies.“ Maya setzte sich auf ihr Bett und vergrub ihr Gesicht in den Händen. „Warum sollten wir uns schuldig fühlen? Wir müssen Opfer in Kauf nehmen, das wussten wir von Anfang an. Ich kann leider auch nichts daran ändern...“ Aika blickte auf ihre Freundin hinab. „Wie kannst du nur so eiskalt sein?! Wir sind nicht besser als diese Terroristen!“ Maya packte Aika am Kragen ihres Pullovers. Aika nahm sie an den Handgelenken und sagte: „Hör mir zu Maya! Hast du vergessen zu was diese Menschen fähig sind? Entweder wir töten sie oder sie töten uns, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Sollten wir drauf gehen, werden wir einfach ersetzt. Und glaub mir, keiner wird uns vermissen. Wir sind nur zwei Figuren in einem riesigen Spiel aus Verbrechen, Lügen, Intrigen und Verwirrung. Ich denke, dass du diese Realität immer verdrängt hast. Du musst dich endlich der Wahrheit stellen! Ich hab keine Lust, wegen falschem Mitleid draufzugehen!“ Maya ließ die Hände sinken. „Wir haben unser Todesurteil doch schon längst unterschrieben.“ Sie starrte Aika aus ihren großen dunkelblauen Augen an. „Aber in einem Punkt hast du Recht. Ich hab kein Bedürfnis zu sterben.“ Ein kleines Lächeln huschte über Mayas Gesicht. „So gefällst du mir gleich besser!“ Aika lächelte und sie erwiderte ihre Geste. „Lass uns jetzt schlafen gehen.“ Maya zog sich die Decke bis zum Kinn: "Gute Nacht!" Am nächsten Morgen: „Uuuuaaaahhhh!! Konntest du mich nicht früher wecken, Maya?“ „Ich bin nicht dein Babysitter, verstanden!?“ Maya ging mit schnellen Schritten voraus während Aika, das ganze Gepäck schleppend, kaum hinterher kam. „Hop, hop, hop! Wir verpassen sonst noch unseren Zug!“ Maya tippte ungeduldig mit dem Fuß auf. „Es würde bedeutend schneller gehen, wenn du mir die Hälfte abnehmen würdest!“ Aika schaute ihre Freundin gehässig an. Doch diese antwortete gelassen: „Ich bin die ältere von uns beiden, deshalb bist du der Packesel, klar?“ Maulend trabte Aika weiter hinter Maya her. Gerade noch rechtzeitig erreichten sie den Zug, ein ziemlich modernes Ding. In ihrem Abteil angekommen ließ sich Aika total erschöpft in ihren Sitz fallen. „Du bist ein echtes Kameradenschwein, Maya! Ich dachte, würdest mir wenigstens beim Einladen in den Gepäckwagen helfen!“ Aika funkelte sie wütend an. Doch lange konnte sie Maya nicht böse sein und so beschlossen die Mädchen, dass sie sich das nächste Mal die Arbeit teilen würden. Die Fahrt war lang, deshalb werkelte Aika etwas am Computer herum, während Maya die schöne Landschaft, die an ihnen vorbei zog, betrachtete. Schon nach kurzer Zeit döste Maya, ohne es zu bemerken, ein. ____________________________________________________________________________________ Ich glaube man merkt dem Skript an wie alt, ähh jung der Autor war, oder? Hmm, was kann ich dazu sagen. Die Hauptcharas sind von ner ehemaligen Freundin und mir in einem Telefongespräch zum Leben erweckt worden. Am Anfang sind die 2 ungefähr so alt wie wir damals waren, also 12 und 13. Die Mischung zwischen Comedyeinlagen und bitterernsten Situationen sind oft schon sehr gewagt, wie ich heute finde, aber das ist wahrscheinlich Geschmackssache. Kapitel 2: Weiß --------------- Ein Haus wird von der Feuersbrunst verzehrt. Leuchtend orange Flammen lodern meterhoch. Ein Mädchen steht davor: „Nein! Nicht! Mama! Papa! Ich brauche Hilfe! Wasser! Löscht das Feuer! Bitte! Warum hilft mir keiner?“ Plötzlich fangen auch die Kleider des Mädchens Feuer: „Oh Gott! Ich brenne! Hilfe, ich verbrenne! Neeein!“ „Neein!“, Maya schreckte aus dem Schlaf hoch. „Wieder so ein bescheuerter Traum. Ich hasse das!“ „Na, gut geschlafen? Wir kommen in ungefähr 20 Minuten an. Übrigens, wir haben eine Mail bekommen.“ Aika stierte böse auf den Ordner mit der Beschreibung Posteingang. „Warum denn so genervt?“ Maya grinste dümmlich. „Das blöde Ding hat mich vom Spiel abgelenkt und ich hab meinen Rekordversuch verpatzt. Himmel, scheiß Technik!“ Sie schlug gegen die Trennwand des Abteils, sodass die Leute dahinter augenblicklich in Panik gerieten. „Hey, hey, Aika, beruhig dich. Zeig mir lieber mal die Mail, bevor du den Zug zu Kleinholz verarbeitest.“ Maya drehte den Laptop in ihre Richtung. „So, heute Nacht am alten Bahnübergang.“ Eine Stimme ertönte aus dem Lautsprecher: “Sehr geehrte Fahrgäste, wir fahren gerade in den Bahnhof Tokios ein. Wir bitten Sie, auf der linken Seite auszusteigen. Der Zug hat 10 Minuten Aufenthalt. Wir danken Ihnen für ihre Aufmerksamkeit.“ Ehe Maya sich versah, stand Aika auch schon an der Abteiltür und öffnete diese. „Hey, warte gefälligst auf mich!“ Aika drehte sich um: „Ach Maya, bevor ich’s vergesse, du bist heute mit dem Gepäck dran! Viel Spaß!“ Maya zog eine Grimasse und fluchte tonlos. Eine Viertelstunde später standen die beiden Mädchen vor dem Bahnhofgebäude und warteten auf ein Taxi. „In welches Hotel sollen wir einchecken, Aika?“ „Soweit mir bekannt ist, ins Asia Seasons, einem der nobelsten der Stadt.“ Ein Taxi hält mit quietschenden Reifen vor ihren Füßen. „Das fängt ja schon gut an, ein Taxifahrer, der einen auf Actionheld macht!“ Aika verdrehte die Augen genervt nach oben. Eine halbe Stunde später standen sie auf dem roten Teppich vor dem Hotel, dessen Name in riesigen, geschwungenen Lettern über dem Eingang prangte. Wieder einmal betraten die Mädchen eine Lounge. Sie checkten ein und fuhren mit dem Aufzug in den 15. Stock, in dem sich ihr Apartment befand. „Echt super! Allein das riesige Bad mit der Badewanne, die mich eher an einen Whirlpool erinnert. Einfach oberste Güteklasse!“ Maya war völlig überwältigt von der noblen Ausstattung. Mit leuchtenden Augen streichelte sie über die edle Bettwäsche und öffnete jede Schublade an ihrem Schrank. Aika hingegen nickte nur, ohne eine übermäßige Gefühlsregung zu zeigen. „Wir sollten erst mal unser Gepäck verstauen und dann könnten wir die Umgebung erkunden.“ Einige Zeit später waren ihre Klamotten eingeräumt und Maya machte sich auf den Weg um für frischen Wind in dieser Bude zu sorgen, wie sie sich so schön ausdrückte. Damit war eigentlich gemeint, dass sie Blumen besorgen wollte. Staunend schlenderte Maya die Straßen entlang. Das hier war nicht mit Deutschland zu vergleichen! Sie kam sich ganz klein und unbedeutend vor zwischen so vielen Menschen und diesen Hochhäusern. Merkwürdigerweise stach ihr dennoch eine Ansammlung von jungen Mädchen und Frauen in den verschiedensten Schuluniformen ins Auge, die sich scheinbar um einen kleinen Laden drängelten. Neugierig wie sie war, musste sie einfach hingehen. Als sie sich zwischen den Mädchen durchdrängelte, schnappte sie einige Gesprächsfetzen auf, wie: „Och, ich mag den süßen Kleinen, ich glaube er heißt Omi, aber der bleibt in der Pause auf dem Schulhof!“ „Ach, ich steh eher auf echte Kerle wie diesen Yoji!“ „Der ist doch ein richtiger Playboy, da weiß man nie.“ „Meinst du?“ Die kichernden Schülerinnen verschwanden um die nächste Ecke. Maya schüttelte den Kopf. „Wie sind denn die drauf? Aber sie hatten ein paar hübsche Blumen in der Hand.“ Sie blickte auf das Schild über dem Garagentor vor dem sie nun stand und las: Kitten in the house. „Was für ein süßer Name für einen Blumenladen!“, schoss es ihr durch den Kopf. Weit entfernt läutete ein Schulgong. Ein erschrecktes Raunen ging durch die Menge. Nicht einmal eine Minute später war der Laden wie leergefegt. Maya wunderte sich einen Augenblick, dann ging sie in die umgebaute Garage. Vom Tresen aus grinste ihr ein junger Mann mit dunkelbraunem, fast schwarzem Haar entgegen. „Willkommen! Was kann ich für sie tun?“, fragte er mit einer leichten Verbeugung. „Können Sie mir bitte einen Straus aus Lilien und roten Rosen machen?“, sagte Maya mit einem Blick in die hintere Ecke des Ladens, wo noch zwei andere junge Männer standen und die leeren Blumenkübel neu befüllten. Der eine war für einen Japaner groß gewachsen, er hatte sein kastanienbraunes, kinnlanges Haar zu einem einfachen Zopf gebunden. Der andere, der ein wenig kleiner war hatte einen roten Schopf, der hinten kurz war und dessen langer Pony ihm fransig ins Gesicht fiel. Jeweils eine Strähne über seinen Ohren ließ er länger wachsen. Seine purpurnen Augen fixierten Maya, die nun schon wieder voller Interesse beobachtete, wie ihr Straus entstand. Glücklich nahm sie ihn entgegen, nachdem sie bezahlt hatte. Wie immer steckte sie ihre Nase hinein, schnupperte und sagte dann mit einem Lächeln mehr zu sich selbst: „Ich liebe Blumen!“ Der Mann an der Theke verneigte sich abermals: „Danke für Ihren Einkauf! Beehren Sie uns bald wieder.“ „Darauf können Sie sich verlassen!“ trällerte Maya, bevor sie den Laden verließ. Aika lag gerade in ein Buch vertieft im Hotelzimmer, als Maya hereinstürmte. „Du ahnst nicht, was nur zweihundert Meter von hier ist! Ein Blumenladen mit süßen Jungs! Ich glaub, der eine könnte dir gefallen!“ „Maya, halt die Luft an! Erstens sind wir nicht wegen irgendwelchen Liebschaften hier und zweitens kann ich deine Blumenladensucht nicht ganz nachvollziehen.“ Ihr Blick fiel auf den Straus: „Waaas? Rosen?! Ich liebe Rosen! Schnell hol ne Vase, bevor sie während deiner Schwärmereien vertrocknen, die Armen!“ „Manchmal frag ich mich, ob du noch ganz richtig bist!“, lachte Maya während sie nach dem Zimmerservice läutete. Im Blumenladen hatte sich inzwischen eine rege Diskussion zwischen dem jungen Mann, der Maya bedient hatte und jenem mit dem Zopf entwickelt, der gerade behauptete, er würde herausfinden, wo dieses ausländische Mädchen wohne. „Du hast sie ja wohl nicht mehr alle! Immer deine Weibergeschichten! Die suchen sich schon den nächsten Baum zu raufspringen, wenn du um die Ecke kommst!“ Der kleinere der beiden wischte sich die Hände an seiner Schürze trocken. „Ist da jemand neidisch, weil er nicht in den Genuss der weiblichen Reize kommt?“ Der Rotschopf zog das Rolltor hinunter: „Mittagspause. Ich bin weg. Vergesst nicht den Auftrag heute Nacht!“ Die Nacht kam und langsam bereiteten die Mädchen sich auf ihren Einsatz vor. Die Mail hatte keinen Aufschluss darüber gegeben, was sie dort tun sollten. Vielleicht würde eine Kontaktperson dort warten. Aika zog ihren schwarzen, ärmellosen Rolli über, schnallte sich zum Schluss noch einen Gürtel mit zwei Schwertscheiden um, in die sie ihr Katana und das Wakizashi, das sie in einem Waffenkatalog bestellt hatte, steckte, bevor sie mit Maya über die Feuertreppe hinabhuschte. Es war kurz nach ein Uhr, als die beiden durch einen schmalen Bruch im Mauerwerk ins alte Bahnhofsgebäude eindrangen. „Mann, ist das dunkel hier. Hast du an Licht gedacht, Maya?“ Ein leises Aufseufzen war zu vernehmen: „Wenn ich nicht immer an alles denken würde!“ Der Schein einer Taschenlampe warf einen kleinen Lichtstrahl an die Mauer. Maya schwenkte den Leuchtkegel von einer Ecke des Gebäudes zur anderen, bis sie einen Lichtschalter ausgemacht hatte. „Da hinten! Geh und probier, ob noch Saft drauf ist!“ „Ja, ja, kommandier mich nur rum!“ Aika ging maulend auf den Schalter zu. Der sandige Boden knirschte unter ihren Schritten. Doch plötzlich schwenkte Maya die Taschenlampe und sie stand im Dunkeln. „Spinnst du?! Willst du, dass ich mich zu Tode stürze in dieser Müllhalde?“ Keine bissige Antwort kam. „Maya!“ „Schht…“, zischte diese. „Ich glaub wir sind nicht allein…“ Aika zog ihr Katana: „Wir sollten vorsichtig sein. Trotzdem würde ein wenig Licht nicht schaden. Maya lenkte den leuchtenden Strahl der Taschenlampe wieder auf den Schalter. Mit einigen kleinen Sprüngen war Aika dort und betätigte ihn. Im selben Moment, als die Neonlampen aufflackerten, hörte sie Mayas Schrei. Aika staunte nicht schlecht, als sie einen Blick nach hinten warf. In den Ecken der Halle standen vier Gestalten. „Oh shit!“, rutschte es Maya heraus. Die beiden stellten sich, Rücken an Rücken, in die Mitte des Raumes. „Ich glaube nicht, dass diese Typen unsere Kontaktpersonen sind“, flüsterte Maya ihrer Freundin auf Deutsch zu. „Was schlägst du vor?“, erwiderte diese. „Warte noch.“ Sie berührte Aikas Handgelenk. Einer der Männer ging langsam ein paar Schritte nach vorne, bis sein Oberkörper ins Licht der Neonlampen getaucht war. Aika konnte sein Gesicht nicht erkennen, dafür aber sah sie etwas ganz anderes. Das Blitzen einer Klinge. Sie tat im Bruchteil einer Sekunde, was sie jahrelang eintrainiert hatte. Die Katana machte ein sirrendes Geräusch, als sie durch die Luft flog. Doch der Fremde blockte den Hieb. Entsetzt starrte Aika in seine purpurnen Augen. Sie waren sich so nah, dass sich ihre Gesichter beinahe berührten. „Das sind ja bloß kleine Kinder! Wer seid ihr?“, fragte er auf Japanisch. „Das geht dich gar nichts an! Aber ich kann dir sagen, was wir vorhaben. Euch töten!“ Aika sprach durch die vor Anstrengung zusammengepressten Zähne. „Das werden wir ja sehen!“ Ihr Gegner drehte sich zur Seite und griff erneut an. Maya hielt ihre Pistole auf den mittelgroßen braunhaarigen Jungen in der nächstgelegenen Ecke. Aika erhöhte das Tempo ihrer Hiebe, bis sie es geschafft hatte, den Rotschopf zur Seite zu stoßen. Gerade als Aika ausholte, um einen sicheren Treffer zu landen, wurde sie wie von einer unsichtbaren Macht daran gehindert, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Maya griff an und schoss einige Kugeln direkt über den Kopf des braunhaarigen Jungen. Dieser wich mit einem Salto aus. Der kleinste der vier, ein dunkelblonder Junge, warf fünf pfeilspitzenförmige Messer nach ihr, die Maya die Pistole aus der Hand schlugen. „Aber die kenn ich doch! Der mit der Kralle ist einer der Blumenladen-Schnuckis!“, schoss es ihr durch den Kopf. Aika versuchte sich derweil immer noch vergeblich zu wehren. Vorsichtig drehte sie den Kopf zur Seite. „Was, was ist das?!“, entfuhr es ihr. „Das ist Spezialdraht. Du, da drüben, rief er mit dem Blick auf Maya, wenn du auch nur versuchen solltest, anzugreifen, zieh ich zu. Er schneidet fast alles, Stoff, Holz, Fleisch…“ Ein großer Mann mit halblangem dunkelbraunem Haar, das zu einem Zopf gebunden war, trat einen Schritt nach vorn. In seinen Händen liefen hunderte von dünnen Drähten zusammen, die Aika gefangen hielten. „Ihr verdammten Mistkerle!“, schrie sie. Maya sprang zu ihrer Waffe, nahm diese auf und rief: „Loslassen oder ich schieße!“ „Kleine Kostprobe gefällig?“ Der Mann zog zu. „Aaahhuu!“ Aika spürte, wie sich der Draht um ihren Hals in die Haut einschnitt. „Verdammt, hör auf damit! Wir ergeben uns!“ Maya ließ die Pistole fallen. „Spinnst du?! Das ist glatter Selbstmord!“ Aika trieben die Schmerzen Tränen in die Augen. Der rothaarige Mann ging ein wenig in die Knie, um auf Augenhöhe zu sein. „Was gedenkst du zu tun? Du kannst nicht einmal deine Finger richtig bewegen!“ „Geschweige denn angreifen“, sagte der Typ mit dem Zopf. „Leck mich!“, bellte ihm Aika entgegen. „Tut mir Leid, Schätzchen, ich würde ja wahnsinnig gern, aber an die Stelle ist im Moment sehr schwer, bis überhaupt nicht ranzukommen!“ Er lächelte. „Ich meinte am Arsch, Sie Idiot!“ Aika schrie ihn an. „Hey, hey, nicht so vulgär, meine Liebe!“ Eine Frauenstimme erklang. Alle lauschten. Schritte wurden vernehmbar. Hohe Absätze klackten auf dem nackten Hallenboden. Maya blickte sich um. Eine hübsche, brünette Frau in einem roten Kostüm und Pumps, stand mit gezogener Waffe einige Meter von ihnen entfernt. „Was ist die nächste Überraschung?“, fragte Maya. „Ihr Mädchen müsst Team Angel Hunter sein. Hattet ihr eine gute Reise?“ Die Frau lächelte. „Wer fragt das?“, Mayas Augen verengten sich. „Oh, wie unhöflich von mir. Ich bin Birman und eure Verbindungsperson zu Persha.“ „Weshalb sind die hier?!“, keuchte Aika. „Nur um sicher zu gehen, dass ihr nicht aufgehalten und durch Gegenagenten ersetzt worden seid. Das sind Weiß, eine Vier-Mann-Truppe zur Spionage und Liquidierung von Reiji Takatori und seines Clans.“ Birman steckte die Waffe weg. „Willst du uns nicht vorstellen?“ Der kleinste der vier trat näher an sie heran. „Natürlich. Also, mein Süßer hier heißt Omi. Das da hinten ist Ken.“ Sie zeigte auf den braunhaarigen, der vorher als Mayas Zielscheibe herhalten musste. „Unser Hitzkopf mit dem Katana will von allen Aya genannt werden und Mister Drahtseil ist Yoji.“ Birman nickte in deren Richtung. „Super, nun da wir alle wieder Freunde sind… KÖNNTE MICH MAL JEMAND LOSMACHEN?!“, Aika machte sich keine Mühe ihre Wut zu verstecken. Aya zerschnitt die Drähte. Sie betastete ihren Hals: „Blödmann! Wie sieht denn das morgen aus, wenn ich mit dem Halsverband rumlaufe?“ „Dein Problem“, antwortete Aya knapp. „Duuu!“, fauchte sie. Und schlug abermals mit dem Schwert nach ihm. Er parierte, wodurch beide ihre Waffen verloren. „Na warte!“ Angel stürzte sich auf ihn unterlag aber Sekunden später. Aya drückte ihre Arme über ihrem Kopf auf den Boden. Die Spitzen seiner langen Strähnen berührten Aikas Gesicht, als er so über ihr kniete. „Schluss jetzt! Ihr werdet ab sofort miteinander auskommen müssen!“, die Sekretärin erhob die Stimme. Maya ging zögernd auf Birman zu: „Haben wir etwa einen neuen Auftrag?“ „Der Nächste ist noch in Planung, ihr werdet benachrichtigt, sobald alles im Lot ist. Hier, nehmt diese Visitenkarte. Meldet euch bei den Jungs, wenn’s Probleme geben sollte.“ Birman wendete sich zum Gehen. „Die Mission ist für heute beendet! Geht nach Hause!“ Ken und Omi schienen erleichtert. Maya glaubte etwas von: „Gott sei Dank muss keiner sterben…“ gehört zu haben. Als alle anderen verschwunden waren, sagte sie zu Aika: „Ich bin immer noch verwirrt. Schon eigenartig diese Begrüßung.“ Aika nickte zustimmend. „Lass uns ins Hotel gehen, ich bin hundemüde.“ Wieder in ihrem Apartment angekommen schaltete Maya, wie es inzwischen ihre Gewohnheit geworden war, den Laptop an. „Wir haben einen Auftrag“, sagte sie monoton. „Um was geht es?“, fragte Aika und blickte zu ihrer Freundin. „Wir sollen Undercover arbeiten. In Takatoris Leibgarde und Killerkommando namens Schwarz.“ „Seltsame Namensgebungen für japanische Gruppen… und so bedeutungsschwanger.“ Aika grinste. „Hör zu! Übermorgen Nacht haben die Kerle vor eine Besichtigungstour im Hafen zu machen, das wurde von unserer Organisation abgefangen. Leider wissen wir nicht warum. Unser Team soll sich in Takatoris Dienste stellen, Daten rauben und dann wieder verschwinden. Ich frag mich bloß, wie wir das anstellen sollen.“ Maya grübelte vor sich hin. „Du hast Recht. Sich vor diese Schwarz-Leute hinzustellen und mit einem süßen Lächeln zu fragen, ob wir bei ihren Spielchen mitmachen dürfen, wäre blanke Dummheit und ich bin nicht lebensmüde.“ Aika ging im Zimmer auf und ab. „Uns fällt schon noch was ein“, gähnte Maya. „Ich geh ins Bett. Gute Nacht, Ai-chan.“ Minuten später ging im Apartment 820 das Licht aus. Am nächsten Morgen kamen die Mädchen nur schwerlich auf die Beine. Die Müdigkeit hing ihnen wie Blei in den Gliedern. „Was hältst du von ner Runde Powershoppen? Unser Geld ist überwiesen worden.“ Maya rührte in ihrem Frühstückskaffee. „Äh, was ist denn das für ne neue Sportart?“, mampfte Aika. „Na Shopping mit viel Geld und viel Zeit!“, grinste Maya über den Rand ihrer Tasse. „Gute Idee. Hier gibt’s bestimmt einige coole Sachen“, träumte Aika. Tokios Innenstadt war wirklich beeindruckend. So viele Menschen auf einem Haufen hatten die beiden Europäerinnen noch nie in ihrem jungen Leben gesehen. Ein Geschäft nach dem anderen wurde abgeklappert. Am frühen Nachmittag saßen die Mädchen in einem hübschen Cafe und genossen einen kühlen Früchtedrink. „Wenn man mal von unserem Geschäft absieht, haben wir doch bis jetzt ein ansehnliches Leben geführt, meinst du nicht Ai-chan?“ Maya schlürfte geräuschvoll den Rest ihres Getränks mit dem Strohhalm auf. „Ich mag die Anonymität Tokios. Niemand beachtet einen wirklich. Man kann leicht untertauchen und bleibt unentdeckt. Gleichzeitig ist alles so aufregend neu hier.“ Sie warf sich ihr blondes Haar in den Nacken. „Aufregend ist das richtige Wort. Ich wollte schon immer fremde Länder bereisen und spannende Sachen erleben!“ Maya stand auf. „Vergiss nicht, wozu wir hier sind. Das ist kein Indiana Jones Abenteuer, das ist die harte Realität. Wir spielen im gewissen Sinne Gott, wenn man dabei nicht höllisch aufpasst. verbrennt man sich gehörig die Finger!“ Aika erhob sich ebenfalls. „Ist die Redewendung ’Gott spielen’ nicht ein wenig anmaßend?“, fragte Maya sie auf dem Weg nach draußen. „Ist das Spiel mit Leben und Tod von Menschen keine Anmaßung?“, meinte Aika. „Ist es das?“, Maya blieb vor dem Cafe stehen. „Natürlich, denn genau das tut Gott normalerweise, er entscheidet über Leben und Tod. Nun aber tun wir das Selbe, wir spielen gewissermaßen Gott.“ „Dann stimme ich dir zu, wir sind anmaßend. Kein Grund, stolz zu sein…“ Maya nickte. „Ich hab alles allein aus Rache mitgemacht, der Verdienst ist ein netter Nebeneffekt. Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber an unseren Händen klebt Blut und unser Leben hängt jeden Tag am seidenen Faden…“ Aika blickte in den Himmel. „Genau deshalb solltest du auch jeden leben, als wärs dein Letzter!“, unterbrach Maya sie. „Vielleicht hast du Recht. Diskussion beendet?“ Aika ging weiter. „Diskussion beendet!“, trällerte Maya und lief hinterher. ____________________________________________________________________________________ Der erste Auftritt von Weiß. Hmm, die Charaktere sind zu 90% meine Interpretation der Steckbriefe, die ich nach langer Suche irgendwo im I-net gefunden habe. Ich hoffe, sie kommen nicht arg komisch rüber. Ich kenne sie halt nicht anders und ich glaube, ich würde auch niemals etwas an ihrer Art ändern. Na ja in den Kapiteln 1-6 wirken alle noch etwas unausgereift... Aber entscheidet selbst! Kapitel 3: Stromausfall ----------------------- Die Mädchen waren spät aufgestanden. Sie unterhielten sich über ihren Auftrag. Wie sollte es auch nicht anders sein, stachelte Maya Aika an: „Na, dieser Typ namens Aya gefällt dir doch, oder?“ „Sag mal, hast du noch alle Tassen im Schrank? Der Kerl ist einfach ein riesengroßer Macho!“ In Aikas Gesicht war ein kleiner Anflug von Röte zu erkennen. „Also ich finde eigentlich alle ganz nett, auch wenn dieser Yoji ein richtiger Playboy zu sein scheint“ Maya holte den Labtop hervor. „Ich hoffe, wir sehen diese Kerle nie wieder!“ Aika drehte sich demonstrativ zum Fenster. „Du wirst sie schneller wieder sehen, als dir lieb ist. Gerade kam eine Mail von Persha. Er schreibt, wir sollen Weiß in unsere Mission einweihen, da es glaubhafter wirkt, wenn wir Schwarz vor ihnen beschützen.“ „Dann mach dich mal auf den Weg, Maya, und erkläre diesen Heinis, was sie zu tun haben!“ Aika ließ sich auf die Couch fallen und hängte ihre Beine über die Lehne. Ihre Freundin grinste sie hämisch an: „Ich habe noch etwas zu erledigen, also musst du den Job übernehmen. Viel Spaß!“ Nach einer langen Diskussion verließ Aika leise fluchend das Haus. Einige Minuten später betrat sie das Kitten in the house, den Blumenladen der vier Jungs. Yoji stand hinter der Theke und verkaufte gerade einen großen Strauß Tulpen an ein Mädchen, während Ken mit Omi leere Blumentöpfe stapelte und Aya versuchte, einige Tüten Torf auf ein Regal zu wuchten. Das Mädchen verließ den Laden und Yoji sah Aika, die mit verschmitztem Lächeln Ayas akrobatische Übungen mit einer Ladung Erde beobachtete und rief: „Oha! Die wilde Schönheit von heute Nacht!“ Ken und Omi blickten auf und Aya ließ seine Erde für einen Moment aus den Augen. Das hätte er nicht tun sollen. Der Mann verlor das Gleichgewicht, fiel, hielt sich am Rand der Tüte fest, diese riss die anderen mit und der ganze Torf schlug auf ihn herab. „Oh Gott!“, Aika stürzte zum Regal und begann die großen Packen von Ayas Körper herunter zu ziehen. Auch Omi, Ken und Yoji kamen zu Hilfe. Schon nach kurzer Zeit saß Aya hustend ans Regal gelehnt und Aika erklärte, warum sie überhaupt gekommen war. „Und wir sollen gegen euch kämpfen, um Schwarz zu täuschen?“ Ken sah sie fragend an. „Wie soll ich euch helfen, wenn du mich davor umbringst!“, feixte Aya. „Wenn du nicht fähig bist, eine Leiter zu benutzen, kann ich nichts machen!“, konterte Aika frech. „Ich hab’s doch gleich gesagt: Was sich liebt, das neckt sich!“ Plötzlich stand Maya mitten im Geschäft. „So ein Quatsch!“, beide antworteten wie aus einem Mund. „Schon wieder!“ Maya grinste. Aya blickt Aika an und beide wurden knallrot. „Pah, ich hasse dich!“ Aika stand auf und wand sich zum Gehen. Doch Aya hielt sie fest. Er zog sie zu sich heran und zischte: „Wenn wir zusammen arbeiten sollen, hältst du dich an das, was ich dir sage, verstanden, du Kind!?“ Aika riss sich los. „Du hast mir gar nichts zu sagen, du Trottel!“ Wütend stürmte sie aus dem Laden. „Tut mir Leid, Jungs, aber ich muss hinterher, bevor sie ein Massaker anrichtet!“ Maya verabschiedete sich und eilte Aika nach. „Maya ist ja richtig niedlich, aber dieses blonde Ungeheuer ist zum Fürchten!“ Aya ließ sich auf einen Stuhl sinken. „Ich mag Frauen, die sagen, was sie denken.“ Ayas Kopf schlug auf die Tischplatte. „Du magst einfach alle Frauen, das ist doch nichts Neues, Yoji!“ Ken lachte. „Sie wirkt ziemlich selbstbewusst und stark!“, schwärmte dieser nur, ohne darauf einzugehen. „Aber ich denke, das ist alles nur Fassade. Egal wie sie drauf ist, sie hat immer diesen ernsten, fast traurigen Blick“, mischte sich Omi ein. Auf diese Bemerkung folgte Schweigen. Inzwischen im Hotel „Ich muss mich jetzt erst mal entspannen. Was hältst du von einem Discobesuch, Maya? Einfach abtanzen ist die Devise oder etwa nicht? Sag schon, hast du Lust?“ Maya lugte durch die Schlafzimmertür. „Keine schlechte Idee, Aika. Ich hab bereits eine Disco ausfindig gemacht. Ich habe sie gesehen, als ich zum Blumenla...“ „Sag das Wort nicht, sonst explodiere ich auf der Stelle!“ Aika errötete vor Zorn. Maya kicherte. „Hilfe! Ich gehe lieber in Deckung, bevor was passiert!“ Es war kurz nach zehn, als die Mädchen das Hotel verließen, um eine kleine Diskothek namens Red Dragon zu besuchen. Die Freundinnen hatten sich für ihren Tanzabend herausgeputzt. Maya trug einen kurzen schwarzen Rock, den sie mit einem weißen Rollkragenpulli und einer roten Lederjacke kombiniert hatte. Dazu hatte sie Netzstrümpfe und bis zum Knie reichende schwarze Stiefel an. Aika hingegen war mit einer schwarzen Marlenehose und einem engen orangen Top bekleidet, darüber eine schwarze Lederjacke mit Strasssteinen. So eingekleidet betraten sie das Red Dragon. Die Diskothek war zwar nicht besonders groß, aber ziemlich gut besucht. Und wieder einmal verrenkten sich die Männer den Hals nach den beiden Mädchen. Doch sie störten sich nicht weiter daran, sondern machten erst mal die Tanzfläche unsicher. Irgendwann im Verlauf des Abends wurde Maya von einem Jungen zum Tanzen aufgefordert und so ging Aika zur Bar, wo sie sich die Spezialität des Hauses den [Dragon Fire Mix] servieren ließ. Unter den erstaunten Blicken der Umstehenden kippte Aika das Zeug hinunter, als wäre es Wasser und erfreute sich an dem entsetzten Gesichtsausdruck des Barkeepers. „Was sehen sie mich so an?“ Aika legte den Kopf schief. "Noch niemand hat den Hausmix getrunken, ohne danach stockblau gewesen zu sein!" Er sah sie immer noch ungläubig an. „Liegt wohl am europäischen Magen.“ Aika lächelte. „So jung und schon Alkoholiker!“ „Ahhhrg! Die Stimme kenn ich doch!“ Sie drehte sich um. „Volltreffer! Du schon wieder!“ Aika packte Aya am Kragen, doch dieser zog sie mit und befahl: „Schimpf nicht, tanz lieber mit mir!“ „Was soll das denn werden? Hey!“, doch schon wirbelten sie über die Tanzfläche. Aus den Augenwinkeln sah sie Maya, die mit Omi tanzte, und nicht weit entfernt war Ken heftig am Flirten. „Was ist denn mit dir los?“ Aika zog, wie es ihre Art war, eine Augenbraue nach oben. „Maya ist los! Sie hat mir gedroht, dass sie stinkbeleidigt ist, wenn ich nicht mit dir tanze. Und noch eine mit deiner Laune vertragen meine Nerven nicht!“ Ayas Augen verengten sich zu Schlitzen. „So, so, hat sie euch gesagt, dass ihr heute hierher kommen sollt?“, forschte Aika. „Sie hat nur zu fünfundzwanzig Prozent Schuld. Yoji wollte heut Nacht nicht allein sein, Ken wollte eh weg und Omi war Feuer und Flamme, weil Maya hierher kommen würde. Ich wurde überstimmt.“ „Ach schade, und ich dachte, du bist hier, weil du mit mir streiten willst.“ „Willst du mich provozieren?!“, Aya starrte sie genervt an. „Halt die Klappe und tanz!“ Aika zog ihn näher an sich. Gerade als Aya protestieren wollte, verstummte die Musik und die Beleuchtung fiel aus. „Verdammt, was ist jetzt los?!“ Maya krallte sich an Omi. Dieser drückte sie an sich und sagte: „Die kriegen das sicher gleich wieder hin“ Plötzlich erschütterte eine Explosion das Gebäude. Panik brach aus und die Menschen drängten zu den Ausgängen. „Hilfe, Omi!“, rief Maya, ehe sie mitgerissen wurde. Er packte ihren Arm und zog sie mit. Dabei traf ihn irgendetwas Hartes an der Stirn und ihm schwanden die Sinne. Zur gleichen Zeit brachten sich Ken, Aya, Yoji und Aika hinter der Theke der Bar in Sicherheit. „Wo sind Omi und Maya?“ Ken blickte sich suchend um. „Ahhh!“ Eine der Lampen über Aika fiel herunter. Doch Yoji warf sich über sie und rollte mit ihr zur Seite, kurz bevor die Lampe am Boden zerschellte. „Was für eine Aussicht!“ Yojis Blick haftete in Aikas Ausschnitt. „YOJI KUDOU! DU BLÖDMANN!“ Aika errötete vor Scham und wand sich ab. Jetzt stürzten immer mehr Lampen und Teile der Decke herunter. „Mist! Wir müssen hier raus, bevor uns die Decke erschlägt!“ Aya blickte panisch nach oben. Aika öffnete ihre Tasche und zog eine Art Pistole heraus. „Willst du uns den Weg frei schießen oder was?!“ Er blickte sie entsetzt an. Doch sie zielte auf das Dachfenster. Ein Klicken, ein Schuss, das Straffen eines Seils, ein weiterer Klick und Aika sagte: „Maya und Omi sind vorhin rausgedrängt worden. Ihr müsst euch an mir festhalten, Jungs. Los doch!“ Zuerst zögerten die drei, doch dann schlangen sie ihre Arme fest um Aikas Körper. Sie betätigte einen Knopf und die vier sausten mit einem Affenzahn durchs Fenster. „Aua!“ Sie landeten ziemlich unsanft auf dem brüchigen Dach. Als sich alle aufgerappelt hatten, fragte Ken: „Und wie kommen wir wieder runter?“ Genau in dem Moment brach der Beton unter seinen und Yojis Füßen durch. Yoji konnte sich gerade noch an einem Stück Rohr festhalten und erwischte Ken noch am Handgelenk. Aika und Aya kamen den beiden zu Hilfe. „Ihr habt den schnellsten und ungesündesten Weg gefunden, Glückwunsch!“ Aika lag bäuchlings auf dem Dach und blickte nach unten. „Nicht unnötig bewegen! Ken, du musst zuerst hoch!“ Sie streckte ihren Arm aus. „Gib mir deine Hand!“ Aya lag ebenfalls am Rand des Lochs und hielt Ken seine Hand entgegen. Yoji hob ihn nach oben und zu zweit zogen sie ihn aus der Grube heraus. Doch plötzlich verloren Yojis Finger den Halt. Aika packte ihn am Ärmel und holte auch ihn aus dem Abgrund nach oben. „Mann, das war knapp!“ Er saß mit weit aufgerissenen Augen auf dem Boden. Aika hakte derweil das Seil am Rand des Dachs ein und ließ sich hinab. Als sie unten war, schrie sie zu den Jungs hinauf: „Wollt ihr Wurzeln schlagen, oder was?“ Nacheinander kamen nun auch Ken, Yoji und Aya herunter gerannt. Dann machten sie sich auf die Suche nach Omi und Maya. Wenig später entdeckten sie die beiden an der nächsten Straßenecke. Maya legte den scheinbar bewusstlosen Omi auf eine Bank. Ken tätschelte die Wangen seines Freundes: „Aufwachen! Hey, hörst du? Los, komm schon!“ Maya hatte sich währenddessen an eine Straßenlaterne gelehnt und murmelte mit Tränen in den Augen: „Ich bin schuld, wenn er stirbt. Wenn er mich nicht beschützen hätte müssen!“ Klatsch! Aika stand vor ihrer Freundin, die Hand für die nächste Ohrfeige erhoben. „Du Dummkopf! Man mag ja nicht glauben, dass du 17 bist! So was Naives wie du ist mir lange nicht untergekommen, Maya! Er ist erstens nur ohnmächtig, zweitens hat er nur eine kleine Schnittwunde und drittens, an so was stirbt man nicht, klar!? Und jetzt hilf mir lieber, die Wunde zu nähen, anstatt hier ein Drama zu inszenieren!“ Mit offenen Mündern beobachteten die drei Jungs, wie Aika in ihre Tasche griff und einen kleinen Beutel mit einem roten Kreuz darauf herauszog. Darin befand sich ein komplettes Erste-Hilfe-Set mit Nadel und Faden. Maya desinfizierte die Wunde, bevor Aika diese mit vier Stichen nähte. „Was habt ihr eigentlich noch alles in eueren Handtaschen? Einen Revolver, ein Maschinengewehr oder vielleicht zwei, drei Granaten?“ Yoji starrte mit aufgerissenen Augen zu den Mädchen, die gerade das Erste-Hilfe-Set einräumten. „Na ja, außer dem Zeug hier nur noch Schminke.“ Maya sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wir sind eben nicht nur im Umgang mit Waffen ausgebildet worden, wir mussten auch ein Erste-Hilfe-Training für den Notfall absolvieren. Aika hat deshalb immer das kleine Set dabei. Praktisch, nicht?“ „Und was ist mit der Drahtseilpistole?“ Ken sah sie fragend an. „Das war ein glücklicher Zufall. Ich wollte das Ding vor nem Auftrag mal testen, bevor es im Ernstfall nicht funktioniert.“ Aika packte das Täschchen wieder ein, dann hielt sie Omi ungerührt ein Fläschchen mit Japanischer Minze unter die Nase. „Das Zeug ist widerlich! Tu es weg, sonst wacht er gar nicht mehr auf!“ Maya brüllte ihre Freundin an. „Im Gegenteil, das bringt ihn in Kürze ins Leben zurück.“ Die Sekunden verstrichen und langsam wurden auch die anderen unruhig. Doch plötzlich riss Omi die Augen auf und schnappte nach Luft. „Quicklebendig, sag ich doch!“ Aika lächelte verschmitzt, doch Maya hatte sich Omi schon um den Hals geworfen und schluchzte: „Omi! Bin ich froh, dass es dir gut geht! Du hast mir das Leben gerettet!“ „Hey, du brauchst ihm die Luft nicht mehr abdrücken, Maya! Er ist schon wacher als wach!“, feixte Aika und dachte bei sich: Der ist nicht zu helfen! Auf einmal stand Yoji hinter ihr: „Weil wir gerade von Leben retten sprechen, du hast was gut bei mir, Schätzchen.“ Aika schulterte ihre Tasche: „Nein, wir sind quitt. Du hast mich doch auch beschützt, als die Lampe runter stürzte.“ Sie wand sich zum Gehen. „Gute Nacht, Jungs!“ Sie ging in Richtung Hotel davon. „Yoji-kun, du bist durchschaubar wie Glas. Das war wohl nix!“ Ken grinste ihn hämisch an. "Warte nur, ich bekomme sie schon noch. Darauf kannst du wetten!“ Yoji strich sich eine Haarsträne aus dem Gesicht. Doch plötzlich mischte sich Aya ein, der lange Zeit geschwiegen hatte: „Ich zweifle auch daran, dass sie sich auf dich einlässt. Sie scheint niemandem außer Maya zu vertrauen.“ Auch er machte sich auf den Weg nach Hause. „Was für`n Tag! Ich werd dann auch mal die Kurve kratzen. Bis morgen, Yoji!“ Ken verabschiedete sich und auch Yoji schlug den Weg zu seiner Wohnung ein. Jetzt waren nur noch Maya und Omi da, die sich immer noch umarmten. „Ich hab dich lieb, Omi!“, flüsterte Maya ihm ins Ohr und er antwortete: „Ich dich auch.“ Die beiden küssten sich zaghaft. Zur gleichen Zeit im Hotelzimmer 344 : „Gähhn! Mann, bin ich müde, dabei ist es erst 2 Uhr!“ Aika warf ihr Nachthemd über. Dann nahm sie den Labtop und checkte die Mailbox. Aika rechnete nicht mit Neuigkeiten, deshalb war sie umso mehr überrascht als das Brieficon aufleuchtet. Gespannt öffnete sie die Mail: An Cat und Angel Ich habe einige wichtige Informationen über die Attentätergruppe Schwarz, die euch bei euerer Mission behilflich sein könnten.... Aika überflog die Zeilen und konnte kaum glauben was sie las. „Das ist doch nicht möglich. Das ist einfach ein Scherz!“ Wütend löschte sie die Mail. „Ich hab schon Halluzinationen!“ Aika schaltete den Labtop aus und räumte ihn an seinen Platz zurück. Danach machte sie das Licht aus und legte sich schlafen. Als Maya eine halbe Stunde später nach Hause kam, schlief ihre Freundin bereits tief und fest. Auch sie ging in ihr Bett und entschwand ins Land der Träume. „AIKA!!!“, Maya stand mitten im Zimmer und brüllte, dass die Wände wackelten. „Steh endlich auf! Es ist schon nach neun!“ Vor Schreck fiel Aika aus ihrem Bett. Sie rappelte sich schlaftrunken auf und stauchte Maya zusammen: „Maya, bist du von allen guten Geistern verlassen!? Mich so zu erschrecken. Außerdem ist es Sonntag! SONNTAG! Verstanden? Also lass mich gefälligst weiter schlafen!“ Sie legte sich wieder hin und zog die Decke über beide Ohren. „Tut mir Leid, Aika, aber es hilft alles nichts ...du musst jetzt aufstehen!“ Maya riss ihr die Decke weg. „Aya hat gerade angerufen und gesagt, dass Persha eine Nachricht für uns hinterlassen hat. Wir sollen sofort zum Blumenladen. Also schwing dich auf!“ Laut fluchend und schimpfend stand Aika dann doch auf. Eine viertel Stunde später im Kitten in the house: „Uiuiui, da scheint jemand aber mörderisch gute Laune zu haben! Guten Morgen Schätzchen!“ Yoji hatte sich von hinten an Aika herangeschlichen, sie an sich gezogen und ihr einen Kuss auf die Wange gegeben. Aika befreite sich von seinem Klammergriff. „Du bist und bleibst ein Playboy, Yoji!“ „Hi Maya!", begrüßte Omi sie herzlich. Und schon ging das Geturtel der beiden los. Die anderen schauten schmunzelnd zu dem offensichtlich frisch verliebten Pärchen hinüber. „Ich dachte, ihr seid hier, um den Plan von Persha zu erfahren?“ Aya trat in den Laden. Aika sah ihn angriffslustig an, aber er ignorierte ihren Blick und fuhr fort: „Ich war gestern noch mal im Laden, um den Anrufbeantworter zu checken. Als ich zur Kasse ging, merkte ich, dass das Lämpchen des ABs blinkte und ich hörte mir das Band an. Darauf war eine Nachricht von Persha. Hört selbst." Aya drückte den Repeat-Knopf des Gerätes. „Birman hier. Der Clou findet heute Nacht im Hafen statt. Seid pünktlich um 22 Uhr am Pier 3. Sagt Team Angel Hunter, sie sollen eueren Kampf abwarten und im richtigen Moment eingreifen. Viel Erfolg...“ tut...tut „Was mich interessiert, ist: Warum warst du gestern um diese Zeit noch mal im Laden?“ Aika sah ihn fragend an. „Das ist ganz einfach: Persha und wir haben eine Regelung für Anrufe und die heißt, Aufträge für Sonntag werden am Samstag um zehn auf Band gesprochen. Da der Blumenladen auf meinem Weg lag, bin ich eben noch schnell hineingegangen und habe das Band abgehört.“ Aya löschte die Meldung. „Ich bin ziemlich nervös. Diesmal darf ich mir keinen Fehler leisten, das könnte verheerende Folgen haben“, dachte Maya und fing an, mit ihren Fingern auf dem Tresen herum zu klopfen. Omi merkte, dass etwas nicht stimmte, legte ihr beruhigend seinen Arm um die Schulter, drückte sie an sich und sagte: „Also ich bin mir sicher, dass die Mädchen das schaffen werden.“ Alle nickten. Yoji, der mal wieder sein Temperament nicht zügeln konnte, knuddelte Aika und grinste nicht ohne Hintergedanken. „Klar! Ich sagte doch schon, die beiden sind vom schärfsten Kaliber!“ Aika, die immer noch versuchte, aus Yojis Umklammerung zu entkommen, gab es auf und kreischte: „Ich mag keine Jungs! Und erst recht kein Geturtel! Ahhh! Lass mich endlich los, Yoji, sonst könnte es schmerzhafte Folgen für dich haben!“ Doch Aika stolperte, ging ein paar Schritte rückwärts. „Vorsicht!“ Aya packte sie und wollte Aika stützen, doch auch er taumelte zurück. Erst die nächste Wand hielt den Fall auf. „Tut mir Leid, Aya!“ Aika rappelte sich auf. „Ich glaub, ich muss jetzt gehen!“ Sie rannte überstürzt aus dem Laden. Alle starrten sich wortlos an, bis Maya meinte: „Was ist bloß los mit ihr? Normalerweise schreit sie bei der kleinsten Kleinigkeit herum und heute verdrückt sie sich einfach, ohne Aya auch nur ein böses Wort an den Kopf zu werfen. Seltsam ...“ „Willst du damit andeuten, dass du es spaßig findest, wenn wir uns in den Haaren liegen?“ Aya blickte sie durchdringend an. „Äh nein, so war das nicht gemeint!“ Maya fuchtelte wild mit den Händen in der Luft. Wieder einmal brachen wilde Spekulationen über Aika los. Diese war derweil auf dem Weg ins Hotel. „Warum kann ich mich nicht beherrschen? Yoji hat es ja nett gemeint, um uns Mut zuzusprechen und ich mache immer alles kaputt! Ich habe Angst, dass mein Temperament mit mir durchgeht, wenn ich diesen verdammten Schwarz-Leuten gegenüber stehe. Das wäre fatal und unser sicheres Todesurteil!“ Aika blieb stehen. Sie fasste sich an die Stirn und raufte sich die Haare. „Das darf ich nicht zulassen, auf keinen Fall!“ Als sie vor dem Hotel stand, kam ihr ein Angestellter entgegen: „Onna-san! Onna-san!“ „Meinen sie mich?“, fragte Aika. „Hai, wenn Sie Aika Tadano sind.“ „Die bin ich.“ „Heute Nachmittag wurden ein schwarzer Porsche und zwei Motorräder - ich meine, es waren eine rote Bimota und eine giftgrüne Ninja – angeliefert.“ Ich soll Ihnen oder Maya Tenno die Schlüssel übergeben. Hier, bitte sehr.“ In den Augen des Angestellten war Erstaunen und Bewunderung zu sehen. ‚Wahrscheinlich fragt der sich, aus welchen reichen Hause wir kommen.’ Aika nahm grinsend die Schlüssel entgegen. ______________________________________________________________________________ Oje T.T Dieses Kapitel ist einfach nur grauenhaft - sorry. Es wirkt irgendwie wie eine Füllepisode und sehr pubertär (ok wenn man bedenkt, dass ich da vielleicht 13 oder 14 war, als ich's geschrieben hab)... aber na ja was solls!^^ Einfach nicht so ernst nehmen! Haha! Kapitel 4: Schwarz ------------------ Es war drei Uhr nachmittags, als Maya das Hotelzimmer 344 betrat. „Aika?“, sie rief nach ihrer Freundin. Keine Antwort. Maya ging ins Wohnzimmer. Aika lag auf dem Sofa und schien zu schlafen. Neben ihr auf dem Tisch standen einige leere Dosen und Flaschen von alkoholischen Getränken. Maya zögerte einen Augenblick, doch dann packte sie ihre Freundin und schüttelte sie: „Du dumme Kuh! Du weißt haargenau, dass dich dieses Zeug keinen Schritt weiter bringt!“ Sie gab Aika eine schallende Ohrfeige. „Ich könnte dich ...!“ „Hör auf, Maya!“ Aika hielt die Hand ihrer Freundin auf. Maya sah sie verständnislos an. „Was ist nur mit dir los? Sag schon! Ich will wissen, was dich so fertig macht, dass du so nen Quatsch machst!“ „Unwichtig. Wir sollten lieber über den Einsatz reden. Ich habe nämlich das dumpfe Gefühl, dass es nicht so einfach wird, Schwarz herein zu legen.“ Aika räumte das Sammelsurium an Flaschen weg. „Glaub ich nicht. Sie sind Menschen wie du und ich und irren ist bekanntlich menschlich.“ Maya setzte sich auf das Sofa. „Ich muss dir, glaub ich, noch was sagen. Wir haben gestern Abend noch eine Mail von Persha erhalten, in der einige seltsame Dinge über Schwarz standen.“ Aika blickte betroffen zu Boden. „Ist schon gut, aber was stand drin? Hast du die Mail noch?“ Maya sprang auf. „Ich hab sie bereits gelöscht, warum, erzähl ich dir gleich.“ Aika holte eine Flasche Wasser und zwei Gläser und setzte sich in den Sessel gegenüber von Maya. „Also, Schwarz besteht aus vier jungen Männern, genau wie Weiß. Doch jeder besitzt im Gegensatz zu uns eine spezielle Fähigkeit oder Eigenschaft. Der Anführer heißt Brad Crawford, der in die Zukunft sehen kann. Dann wären da noch Schuldig, Farfarello und Nagi Naoe. Leider habe ich vergessen, was sie angeblich für Fähigkeiten haben. Irgendwas mit Telekinese oder so.“ Maya schaute sie an. „Wenn das so ist, verstehe ich, warum du die Mail gelöscht hast, Aika. Das klingt ja auch ziemlich unglaubwürdig. Trotzdem sollten wir lieber aufpassen.“ „Ach übrigens, wir haben fahrbare Untersätze bekommen. Stell dir vor, du darfst demnächst mit ner nagelneuen Bimo durch die City cruisen!“ Aika lächelte. „Eine Bimo?! Geil! Ich wollte diese Maschine schon immer besitzen!“ Mayas Augen glänzten vor Freude. „Wir können unsere Babys später begutachten, erst mal weiter im Text. Noch mal wegen der E-Mail. Manchmal frage ich mich, wo Persha die Informationen herbekommt.“ Aika trank ihr Glas mit einem Zug leer. „Ich schätze, er hat eine Art Spion eingeschleust. Ein sehr risikoreiches Unterfangen, wenn du mich fragst.“ Maya blickte nachdenklich aus dem Fenster. „Du hast Recht, es ist äußerst schwer, an große Politiker wie diesen Takatori ran zu kommen. So weit ich in Erfahrung gebracht habe, besteht die Gruppe Schwarz aus niemand anderem, als seinen Bodyguards. Was glaubst du eigentlich, was er mit den Anschlägen bezweckt, Maya?“ „Du hast doch sicher den Bericht über die Wahlen gesehen, oder? Takatori ist für den Posten als Staatsoberhaupt aufgestellt worden. In seiner Rede heute Morgen kam er auf die Anschläge der letzten Wochen zu sprechen und machte die Leute auf sein Engament bei der Bekämpfung des Terrorismus aufmerksam. Na, klickt’s?“ Maya legte den Kopf schief. „Klar! Ist eigentlich ganz logisch! Er gaukelt den Leuten vor, er sei der große heldenhafte Retter Japans um die Menschen auf seine Seite zu ziehen. Und wenn er erst sein Ziel erreicht hat liefert er irgendwelche Unschuldigen als Attentätergruppe Schwarz aus, mit seine ach so zahmen Bodyguards ihr Gesicht in Unschuld waschen können. Dieses verdammte Schwein von Takatori!“ Aika haute mit der Faust auf den Tisch, dass die glücklicherweise leeren Gläser umkippten. „Pass doch auf, Aika! Du unterschätzt wirklich jedes Mal die Wucht deiner Schläge! Weißt du noch, was mit Makimuras edlem Glastisch passiert ist, als wir noch in Deutschland waren?“ Maya schaute ihre Freundin vorwurfsvoll an. Diese wurde verlegen und stammelte: „Der bescheuerte Tisch hat doch nur nen Riss bekommen!“ „Nur nen Riss? Er ist in mindestens vier Millionen Teile zerbrochen, Miss Schwarzenegger!“ Sie stellte die Gläser wieder hin. Aika, die nun schnellstmöglich das Thema wechseln wollte, meinte: „Wollen wir uns nicht noch ein bisschen ausruhen, die heutige Nacht wird anstrengend.“ Sie ging ins Schlafzimmer. Plötzlich sprang Maya sie von hinten an, beide fielen kreischend in das überdurchschnittlich große Bett und begannen eine Kissenschlacht. Zur gleichen Zeit bei den Jungs: „Ich hab irgendwie kein gutes Gefühl bei der Sache, Leute“ Omi machte ein besorgtes Gesicht. „Warum sollten wir uns Sorgen machen?“ Aya lehnte sich lässig an die Tür seiner Wohnung. „Hast du keine Angst um die beiden?“ Ken schaute ihn ernst an. Doch Aya antwortete nur kühl: „Ich kenn sie ja nicht mal richtig, also was interessiert mich deren Schicksal?“ „Wie herzlos bist du eigentlich? Die zwei sind auch Menschen mit Gefühlen und wer weiß, was sie schon durchgemacht haben. Auf jeden Fall scheinen sie nicht so sorglos zu sein wie sie sich geben“ Yoji mischte sich vor Entrüstung über Ayas Kälte ein. „Was versteht ein Typ wie du schon von Gefühlen? Du spielst doch bloß mit denen der vielen Frauen, die dich anhimmeln.“ „Werd nicht unverschämt!“ Yoji packte seinen Kameraden am Kragen und drückte ihn gegen die Tür, doch Aya blickte ihn nur gleichgültig an. Ken ging dazwischen. „Hört sofort auf mit dem Quatsch! Wir sollten lieber die Ausrüstung überprüfen, anstatt uns wegen solcher, im Moment unwichtiger Lappalien herumzustreiten!“ Er schaute die Streithähne ermahnend an. „Und was die Mädchen betrifft“, Ken warf Omi einen viel sagenden Blick zu, „sie sind ein Elitekillerdouble. Sie wissen genau, was sie tun. Meiner Meinung nach haben Maya und vor allem Aika nicht mal die Hälfte ihres Könnens gezeigt. Ich glaube nämlich kaum, dass sie sich so einfach gefangen nehmen lassen. Bei unserem ersten Treffen konnten wir sie nur auf Grund fehlender Informationen überraschen, das wisst ihr so gut wie ich.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machten sich die Jungs an die Arbeit und checkten ihre Waffen und das Funkgerät. Es war kurz vor 22 Uhr, als sich die Gruppe Weiß mit Team Angel Hunter hinter einem Container an Pier 3 trafen. „Hier ist das Headset, Maya, du musst es auf Kanal 2 schalten. Am besten ist ihr benutzt das Ding nur im Notfall“ Omi überreichte Maya einen kleinen Kopfhörer mit integriertem Mikro. „Danke.“ Sie gab es an Aika weiter, die es in ihrem Mantelinneren verstaute. „Maya, glaubst du, dass wir den Kampf einigermaßen echt rüberbringen?“ Ken sah sie fragend an. „Ich sollte dir wohl lieber sagen, dass es diesmal nicht so harmlos zugeht wie vor zwei Tagen.“ Ihr Blick verriet, wie ernst es ihr war. Plötzlich tippte Yoji Maya an und flüsterte: „Schwarz ist hier.“ Die Jungs machten sich fertig. „Also bis gleich!“ Omi küsste Maya ein letztes Mal, bevor er mit seinen Mitstreitern den Schatten des Containers verließ. Aika lugte hinter dem Blechkasten heraus: „Hey, das sind ja bloß drei, da fehlt doch einer!“ „Du hast Recht, Aika!“ Maya zog sie zurück. Auf einmal ertönte Ayas Kampfschrei und kurze Zeit später waren die Schwarz Leute, unter größter Anstrengung von Weiß, in die Enge getrieben worden. Omi richtete seinen Bogen auf die drei. „Was habt ihr diesmal vor, raus mit der Sprache!“ „Hähähähä! Seht ihr den Tanker da drüben? Wenn der in die Luft fliegt, reißt er das ganze Hafenviertel mit!“ Aika zuckte zusammen. „Dieses hämische Lachen...woher kenne ich diese Stimme?“, versuchte sie sich zu erinnern. „Los, Aika!“, Maya rempelte ihre Freundin an. Sie sprangen aus dem Versteck. Maya zog ihre Pistole und schoss auf Omi, doch die Kugel geht daneben. Er hingegen zielte auf sie und ließ die Sehne los. Der Pfeil schnellte auf Maya zu, doch im letzten Moment spaltete Aika diesen mit einem gekonnten Schlag ihrer Katana. Sie stürmte auf Aya zu und griff ihn an. Währendessen kämpfte Maya mit Yoji, der nach einigen Schlägen benommen zu Boden sank. Glücklicherweise kamen ihm Ken und Omi zu Hilfe. „Wer sind diese Mädchen?“ Einer der drei Schwarz-Männer mit einem hellen Bandana im Haar blickte fragend zu seinen Kollegen. Ein großer Mann mit vielen Narben und einer Klappe, die das linke Auge bedeckte, sah ihn nur schweigend an. „Keine Ahnung, aber sie scheinen was gegen diese nervtötenden Weiß-Leute zu haben.“, antwortete ein kleiner Junge im Teenageralter. Gespannt beobachtete Schwarz den Kampf. Inzwischen hatte Aika ihren Gegner an einen Container gedrängt. „Wie war das noch mit kleinen Kindern?“ Sie schlug ihm das Schwert weg. Doch er konterte und entwaffnete Aika ebenfalls. Sie packte Aya an den Schultern und stieß ihm ihr Knie in den Bauch. Er fiel vornüber und blieb sich vor Schmerz krümmend am Boden liegen. Aika holte ihr Schwert, das durch Ayas Schlag einige Meter weit weg geschleudert worden war. Maya teilte derweil kräftige Handkantenschläge und Ellenbogenchecks aus. Aika kam ihr zu Hilfe. Auch Omi, Ken und Yoji mussten kapitulieren. Der Kampf wäre wohl noch einige Zeit so weitergegangen, wenn nicht plötzlich eine Sirene geheult und einer der Schwarz-Leute „Die Bullen kommen! Lasst uns verschwinden, Leute“ gerufen hätte. Das war das Stichwort für Maya und Aika. Sie ließen augenblicklich von den Weiß-Jungs ab und folgten den drei Gestalten, die gerade im Gebüsch verschwanden. Die Jungs richteten sich mit schmerzverzerrten Gesichtern wieder auf. Yoji rieb sich den Kopf: „Mann, ich hätte nicht gedacht, dass Maya so einfach mit mir fertig wird!“ "Wir haben die zwei hoffnungslos unterschätzt!" Ken fasst sich an die Rippen. Omi sah sich um. „Wo ist Aya?“ Da erblickte er ihn. „Was ist mit dir?“ Omi stürzte zu Aya, der auf seine Kameraden zutaumelte. Omi stützte ihn, und bei den anderen angekommen, setzte sich Aya erst einmal auf den Boden. „Jetzt weiß ich genau, wo sich mein Magen befindet. Aika hatte genau einen Schlag gebraucht, um mich niederzustrecken. Irgendwie deprimierend, wenn man überlegt, dass sie ein Mädchen ist und laut Pershas Angaben vier Jahre jünger als ich.“ „Sexy, intelligent und absolut tödlich, was für ne scharfe Mischung!“ Yoji zündete sich eine Zigarette an. Inzwischen hatten Maya und Aika die Schwarz-Leute eingeholt. Jetzt standen sich die fünf gegenüber und Maya begann das Gespräch: „Seid ihr Schwarz?“ „Ja, und wer seid ihr?“ Der Orangehaarige trat auf sie zu. „Unwichtig. Wir haben Interesse daran, mit euch zusammenzuarbeiten, da wir scheinbar denselben Feind haben“ Maya machte eine finstere Miene. Die Mädchen warteten auf eine Antwort. Plötzlich stand der Mann, mit dem Maya gesprochen hatte vor ihr und nahm sie mit einem schnellen geschickten Griff unter den Arm. Da er nicht gerade klein war, erreichten Mayas Füße den Boden nicht und so strampelte sie wie wild mit den Beinen, was ihr aber nicht aus der misslichen Lage half, in der sie sich befand. Der Mann zog eine Art Taschentuch aus dem Mantel und drückte es Maya fest auf Mund und Nase. „Wir müssen vorsichtig sein wenn wir euch in unser Hauptquartier mitnehmen, deshalb werdet ihr ein kleines Nickerchen machen. Farfarello, kümmere dich um die andere!“ Maya versuchte sich zu wehren, doch der Mann war stärker. Langsam schwanden ihr die Sinne und sie schlief in den Armen des Orangehaarigen ein. Währendessen war der Mann mit der Augenklappe auf Aika zugestürmt und versuchte, sie in den Schwitzkasten zu nehmen. Doch Aika ließ sich nicht so einfach festhalten und befreite sich mehrmals aus dem Würgegriff Farfarellos. Doch irgendwann schaffte er es, ihr den Arm zu verdrehen und somit kampfunfähig zu machen. Der orangehaarige Mann wandte sich dem kleineren Jungen zu: „Nagi, gib ihr eine Dosis von dem Betäubungsmittel, das uns der Boss mitgegeben hat!“ Der Junge nickte und ging dann auf Aika zu, die immer noch versuchte sich zu wehren. „Lass mich los! Ich will nicht! Ahh!“ Nagi packte Aikas Arm und gab ihr eine Injektion. Einige Sekunden später wurde ihr schwindlig und sie spürte, wie Farfarellos Griff sich lockerte. Aika taumelte und auch ihr schwanden die Sinne. Zur gleichen Zeit bei den Jungs: „Ken, du Mistkerl!“ Aya warf ihn unsanft zu Boden. „Sag mal spinnst du?! Was ist denn schon dabei, von einem Mädchen besiegt zu werden? Außerdem war es doch so geplant, oder nicht?“ Aya ließ von Ken ab und erwiderte großspurig: „Du hast wohl schon öfters peinliche Niederlagen eingesteckt, so wie du dich anhörst.“ Kens Blick verfinsterte sich und er fletschte die Zähne: „Wiederhole das bitte, du Knilch!“ „Wenn du meinst… Du bist ne Niete, Vakuumhirn!“ „Das wirst du büßen! Du bist doch bloß ein großkotziger, streitsüchtiger, Möchtegern-Samurai!" Ken stürzte sich auf Aya und eine wüste Prügelei begann. Omi wandte sich Yoji zu, der sich die Hand an die Stirn klatschte. „Den zweien ist wirklich nicht mehr zu helfen! Meiner Meinung nach gehören sie in den Kindergarten. Komm wir gehen was trinken, Yoji, deren Niveau ist mir um einiges zu niedrig.“ „Hast Recht, lass uns doch ins Lunatic gehen!“ Yoji setzte einen scheinheiligen Blick auf. „Ähh, wo wir gerade von Niveau sprechen… Wenn ich was trinken möchte, gehe ich in die nächste Kneipe und nicht in eine Erotikbar, du Ferkel!“ Omi wurde etwas verlegen und wandte sich zum Gehen. Als Maya zu sich kam, lag sie in einem großen weißen Raum ohne Fenster. „Aua, mein Kopf schmerzt. Ist das das Quartier von Schwarz?“ Ihre Glieder waren taub, sie schaute sich nach Aika um. Diese lag am anderen Ende des Zimmers. Maya wollte aufstehen, doch zwei Handschellen, die am Gestell des Bettes angebracht waren, hinderten sie daran. „Mist, ich bin gefesselt!“, stellte sie fest. „Hey Angel!“, rief Maya ihre Freundin. Aika rührte sich nicht. „Warum wacht sie nicht auf? Die ist doch sonst so hart im Nehmen. Bei den Tests von Makimura war sie immer schneller wach als ich!“ Sie rüttelte am Bettgestell. „Sinnlos, das hält und ich habe keine Lust, mir die Daumen zu brechen, um freizukommen.“ Maya ließ sich zurück ins Kissen fallen. Im Gegensatz zu Aika konnte sie das. Angel saß aufrecht auf einem Stuhl an der Wand. Ihre Handgelenke waren mit Handschellen gefesselt und mit einem Strick an den Rohren über ihrem Kopf befestigt. Die Fußknöchel hatte man an die Stuhlbeine gebunden, ihren Oberkörper mit einem weiteren starken Seil an der Lehne fixiert. Aikas Kopf lag auf ihrer Brust. Maya wusste nicht, wie lange sie an die Decke gestarrt hatte, bevor die Tür aufgerissen wurde. Herein kam ein großer Mann, der eindeutig kein Asiat war. Er hatte schwarzes, kurzes Haar und trug einen weißen Anzug. Ihm folgten der orangehaarige Kerl und der Junge vom Hafen. „Sind sie das?“, fragte der schwarzhaarige Typ. „Ja, wir haben die beiden vorsorglich mitgenommen, damit sie geprüft werden können.“ der Orangehaarige stützte einen Arm in die Hüfte. Maya hob den Kopf. „Was ist denn das für eine unfreundliche Begrüßung für Verbündete? Wo bleiben eure Manieren?“ Sie sprach vorsichtshalber Englisch, da nur der Junge ein Japaner zu sein schien. „Oh, wie temperamentvoll. Wie ist dein Name, Kleine?“ Der Kerl im Anzug ging auf sie zu. „Cat. Wie wärs, wenn ihr euch vorstellt?“, antwortete Maya kess. „Cat, dein Codename… Schlaues Mädchen, vertraust uns wohl nicht. Na gut, vielleicht verrätst du deinen Namen ein anderes Mal. Wenn ich mich vorstellen darf, Brad Crawford aus den USA, Leibwächter Takatoris und Anführer von Schwarz. Der Kleine ist Nagi Naoe, unser Computergenie. Farfarello war der Kerl mit der Augenklappe, unangenehmer Zeitgenosse. Ach ja, und der kiffende, deutsche Nichtsnutz mit der Hippiefrisur ist Schuldig, ich hab bis heute keine Ahnung, wie er mit richtigem Namen heißt“, stellte Crawford die Schwarz-Mitglieder vor. „Halt dich zurück! Immerhin hab ich nur diese eine Sache versaut!“ Schuldig verschränkte die Arme vor der Brust. „Dieser eine, klitzekleine Fehler hat uns mehrere Topleute gekostet!“, schnauzte ihn Crawford an. „Schon gut, hab kapiert!“, Schuldig lenkte genervt ein. „Was ist eigentlich mit der blonden Schnecke da hinten los? Wieso ist sie noch nicht wach?“ Brad Crawford schritt durch den Raum zu Aika. Nagi folgte ihm: „Die hat sich ziemlich gewehrt, aber wir konnten nicht riskieren, die Lage unserer Basis zu enttarnen. Ich habe ihr mit Hilfe von Farfarello eine intravenöse Narkose verpasst. War wohl ein wenig zu viel. Atmet sie noch?“ „Ja“, antwortete der Chef. „Hey, aufwachen!“ Crawford tätschelte ihre Wangen. Langsam kam Aika zu sich. Mit glasigem Blick musterte sie ihr Gegenüber. Ihr Mund war staubtrocken, ihre Lippen aufgesprungen und wund. „Wasser“, keuchte sie. „Bekommst du, wenn du mir versprichst, keinen Aufstand zu machen.“ Aika nickte. Crawford schüttelte den Kopf. „Ich will es hören“ „Ja, verdammt!“, bellte sie ihn an. „Gut so“, er schnitt ihre Fesseln durch und öffnete die Handschellen. Aikas Schultern schmerzten wie die Hölle. Maya war ebenfalls befreit worden. Sie rieb sich die Handgelenke an den Stellen, wo sich die eisernen Handschellen ins Fleisch gedrückt hatten. Sie wurden von den Schwarz-Leuten durch den riesigen Komplex geführt, bis hin zu einem Computerraum. „Das hier ist gleichzeitig unser Überwachungsraum und Basis für Operationen jeder Art. Hier haben nur wir Zutritt“, erklärte Crawford. „Ist es nicht ein wenig unvorsichtig, wenn ihr Fremde, wie Angel und mich, hier rein lasst?“ Maya, die von Schuldig am Arm festgehalten wurde, schaute ihn an. Er lachte: „Danke dass du mir den Namen des Blondschopfs genannt hast, Cat. Angel, wie passend. Zu deiner Frage ist folgendes zu sagen. Ihr seid zwar in diesen Raum, bei all den Daten, aber ihr könnt ihn ohne Passwort nicht verlassen. Wir werden euch jetzt überprüfen, solltet ihr in irgendeine zwielichtige Sache verstrickt sein oder auf einem Videoüberwachungsband auftauchen, bei dem einer unserer Männer draufgegangen ist, dann blüht euch das!“ Crawford richtete einen Revolver an Mayas Stirn. Aika reagierte schnell und präzise. Sie schlug ihm mit dem Fuß auf die Hand, so dass Crawford mit schmerzverzerrtem Gesicht die Waffe fallen ließ. „Angel!“, rief Maya. Im nächsten Moment streckte Aika allerdings Schuldigs Handkantenschlag nieder. Sie blieb liegen, die Wirkung der Narkose hatte sich noch nicht verflüchtigt. Crawford betrachtete seine blutende Hand. „Verdammt, wir hatten eine Abmachung! Du verfluchtes Biest!“ Er zog sie auf die Füße. „Allerdings war das gerade eine einwandfreie Aktion. Scheinst ja richtig was auf dem Kasten zu haben.“ Aika warf ihm einen verachtenden Blick zu. „Zurück zum Thema. Falls ihr ein krummes Ding drehen wollt, werdet ihr das nicht überleben. Macht es euch bequem, die Überprüfung wird einige Zeit dauern.“ Die beiden setzten sich auf eine kleine Zweisitzercouch. Aika betrachtete ihre Armbeuge. Ein großer blauer Bluterguss hatte sich gebildet, der noch dazu höllisch schmerzte. Sie verzog das Gesicht. „Selbst schuld. Das kommt von deiner Unnachgiebigkeit, also verschone mich mit deinem Gejammer.“ Maya verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast dich doch bloß deshalb nicht gewehrt, weil deine Füße zu kurz waren, um bis zum Boden zu kommen, du Giftzwerg!“ Aika war sauer. Ihre Partnerin lief rot an. Sie hasste es, aufgrund ihrer Größe verspottet zu werden. Maya drehte sich weg und sagte die nächsten drei Stunden kein Wort. „Wir sind fertig. Ihr scheint clean zu sein.“ Crawford legte einen Aktenstapel ab. Maya erhob sich. „Ich hatte nichts anderes erwartet.“ Sein Blick fiel an ihr vorbei auf Aika, die ihre Narkose ausschlief. „Wie viel von dem Zeug haben diese Idioten denn benutzt? Jetzt schläft Angel schon wieder!“ Er hob sie hoch. „Am besten zeig ich euch euer Zimmer, da kann sie sich ausruhen. Danach gibt’s für dich einen Rundgang, wenn du möchtest.“ Maya nickte. „Gebongt.“ Minuten später schlenderten der Anführer von Schwarz und Cat wieder durch die Gänge. Maya hatte einen außergewöhnlichen Orientierungssinn und versuchte sich das Labyrinth gut einzuprägen. Vor einer Stahltür blieben sie stehen. „Das ist der Zugang zum Keller. Dort haust unter ständiger Videoüberwachung Farfarello. Ich würde dir raten, ihn nicht unbedingt zu besuchen. Der einzige Mensch, der ihm was zu sagen hat, ist Schuldig. Nur ab und zu, wenn wir gerade alle zu tun haben, überwacht er den Operationsraum. An ihm ist kein Vorbeikommen möglich. Selbst wenn jemand in den Raum kommt, ist es erstens so gut wie ausgeschlossen, dass er das ständig wechselnde Passwort weiß. Falls er dann gefangen ist und unser lieber Wachmann hinterherkommt, gibt es für die Putzkolonne ne Menge Drecksarbeit.“ Crawford grinste. Maya schauderte es. „Mein Gott, der Kerl muss ne Bestie sein!“ „Schlimmer. Den hat die Hölle wieder ausgespuckt. Einige Priester gehen auf das Konto des irren Iren. Die Japaner würden sagen, keine gute Vorraussetzung für eine Wiedergeburt als Mensch. Kurz gesagt, schlechtes Karma.“ Crawford ging weiter. „Hoffentlich wird dieser Farfarello nicht zum unüberwindbaren Problem!“ Maya folgte dem Amerikaner. In der Zwischenzeit war Aika aufgewacht. Sie rieb sich die Augen. „Mein Gott, ich hätte nicht gedacht, dass es mich noch mal so wegbeamt. Was zum Teufel war das für ein Mittel?“ Angel kroch aus dem Bett. Ihr Zimmer hatte keine Fenster, nur das grelle Neonlicht an der Decke erhellte den Raum. „Hier drin gibs nicht mal nen Fernseher, wie öde! Ich glaube, ich seh mich mal ein wenig um, vielleicht treffe ich ja Maya.“ Mit diesem Gedanken verließ sie das Zimmer. Sie blickte einmal in jede Richtung, um dann in den nächstbesten Gang zu schlendern. Einige Zeit war dieser Bereich gänzlich verlassen, bis Crawford und Maya um die Ecke bogen. Sie blieben vor der Zimmertür stehen. „Ich hoffe, du hast einen kleinen Überblick bekommen. Leider kann ich dich jetzt noch nicht in alles einweihen, dafür müsst ihr euch erst beweisen. Um halb neun treffen wir uns zum Abendessen im Operationsraum. Weißt du noch, wie du hinkommst?“ Crawford steckte die Hände in die Hosentaschen. „Klar“, antwortete Maya, „von hier aus ist das ganz leicht! Danke. Bis später dann.“ Sie schloss die Tür hinter sich. Ihr Blick fiel auf Aikas leeres Bett. „Oh, oh, mir schwant Böses! Hoffentlich ist sie nicht weiter als drei Gänge weggegangen. Bei ihrem miserablen Orientierungssinn würde sie sich sonst sofort verlaufen!“ Genau so war es auch. Aika irrte in den Gängen umher. „Himmel, das sieht ja alles gleich aus! So ein Mist, wie komme ich jetzt zum Zimmer zurück?“ Sie stürmte blindlings in den Flur zu ihrer Rechten. Fünfzehn Minuten später: „Wie es HASSE! Verdammter… Scheißdreck!“ Aika konnte sich das Fluchen nicht verkneifen. „Ich gebs auf! Hoffentlich findet mich jemand, bevor ich verhungere oder verdurste!“ Sie ließ sich an der Wand entlang auf den Boden sinken. „Ich brauch wirklich für alles ein Navigationssystem…“ Ihr Blick fiel auf eine Tür, die anders aussah als die, welche sie bisher gesehen hatte. Neugierig stand Aika auf. Sie öffnete die Stahltür und schaute die Treppe hinunter. „Der Keller, was die da wohl verstecken?“ Vorsichtig ging Angel ins Untergeschoss. Am Ende der Treppe war eine weitere Tür. Aika betrat den nächsten Raum. An der rechten Seite stand ein Schreibtisch mit PC. Niemand war zu sehen. Sie schaute auf den Monitor. Nur die Bildausschnitte von drei Überwachungskameras waren darauf. Aika nahm den Schlüsselbund, der neben der Tastatur lag. „Mal sehen ob einer passt.“ Sie ging auf die Tür zum nächsten Raum zu und steckte die Schlüssel nacheinander ins Schloss. „Ja, der passt.“ Angel sperrte auf, ging in das Anschlusszimmer und schloss die Tür hinter sich. Alles war ganz weiß. Nur ein Gitter trennte den Raum. Dahinter saß ein Mann an der Mauer, den Aika als Farfarello identifizierte. Er trug eine Zwangsjacke, deren Ärmel nicht auf dem Rücken zusammengebunden waren und starrte sie aus gelblichbraunen Augen an. Farfarello stand auf und ging auf sie zu: „Warum so ängstlich? Sehe ich so furchterregend aus?“ Aika fasste sich ein Herz und trat näher an das Gitter. „Ah, das Mädchen von gestern Nacht. Wieso hast du dich hierher verirrt?“ Sie antwortete nicht, sondern fragte: „Weshalb sperrt man dich hier ein?“ Er lehnte den Kopf ans Gitter: „Komm näher, dann verrate ich es dir.“ Ohne nachzudenken ging Aika noch einen Schritt vorwärts. Blitzschnell schossen Farfarellos in der Jacke gefangene Hände zwischen den Gitterstäben hindurch und packten ihren Hals. Starr vor Schreck konnte sie sich nicht wehren, als er sie gegen die Eisenstäbe zog. „Du sperrst jetzt die Tür auf, oder ich erwürge dich!“ Aika gehorchte. Als Farfarello sein Gefängnis verlassen wollte, musste er sie kurz loslassen. Angel nutzte die Chance zum Angriff und trat ihn mit voller Wucht. Doch dem weißhaarigen Hünen schien das nichts auszumachen. Farfarello schmiss sie gegen die Wand, bevor er das schockierte Mädchen am Kragen packte und zurück in den Verbindungsraum mit dem Computer schleifte. Dort wuchtete er sie auf den Schreibtisch. Farfarellos Unterarm drückte ihr die Luft ab. Mit Entsetzten beobachtete Aika, wie der Hüne sich mit einer Schere aus der Zwangsjacke befreite. Nun, da beide Hände wieder voll einsatzfähig waren, griff er zum Brieföffner. „Schrei so viel du kannst, hier unten wird dich keiner hören!“ Mit einer ungeheuren Gewalt rammte Farfarello die Klinge nur Millimeter entfernt von Aikas Kopf in den Tisch. Ihr erstickter Aufschrei schien ihn zu belustigen. „Für diesen Ausdruck in den Augen der Menschen lebe ich, pure Angst. Wie schön!“ „Du bist ja völlig irre!“, keuchte Aika. „Noch mehr als ich!“ Plötzlich grinste sie. Farfarello war völlig irritiert. „Was ist? Hast du’s dir anders überlegt?“, frotzelte Angel. Er zog den Brieföffner aus dem Tisch. „Eigentlich schade, dass du immer alle abmurksen musst, wo bleibt denn da der Spaß?“ „Schweig!“ Farfarello holte aus und wollte gerade zustechen, als ihn zwei Arme packten. „Schluss jetzt, sonst bleibst du für die nächsten fünf Monate hier unten, ohne Auftrag!“ Er ließ von Aika ab. „Puh, das war knapp. Beinahe wäre ich Schweizer Käse geworden“, überspielte sie ihre Erleichterung. Schuldig, der gerade zum richtigen Zeitpunkt gekommen war, verschwand mit dem vierten Schwarzmitglied wieder im Nebenraum. Einige Zeit verging, bis er allein wieder zurückkam. Aika seufzte: „Danke, ich dachte, der killt mich!“ Schuldig sah sie einen Moment schweigend an, dann stürzte er sich auf Angel und drückte sie mit den Schultern gegen die Wand: „Verdammt, was hast du hier unten zu suchen? Es hat seine Gründe, dass der Kerl eingesperrt ist! Weißt du eigentlich, was das für eine Sauerei gibt, wenn der jemanden aufschlitzt?“ „Sorry! Ich hatte mich verlaufen und war auf der Suche nach jemandem, der mir den Weg zeigt“, entschuldigte sich Aika. Im selben Moment betrat ein Wachmann mit einem Sandwich den Raum. Schuldig wirbelte herum: „Nitaka! Wieso hältst du dich nicht an meine Anweisungen und verlässt deinen Posten?!“ Er zog seine Pistole und schoss dem Wachmann in die Brust. „Ich hatte dich das letzte Mal gewarnt, Nitaka. Ich hasse es, wenn meine Befehle missachtet werden!“ Schuldig blickte den vor ihm knienden, sterbenden Wachmann ohne eine Spur von Mitleid an, hielt ihm die Pistole an die Stirn und drückte eiskalt ab. Das blanke Entsetzen stand Nitaka im Gesicht, als er zu Boden sank. Aika war fassungslos, bemühte sich aber, möglichst unbeteiligt zu wirken. Schuldig ging zu einem Haustelefon und drückte zwei Ziffern. „Schickt jemanden in den Raum 676, der die Scheiße wegräumt und besorgt mir nen neuen Wachmann für Farfarello! Sofort!“ So, als wäre nichts gewesen, wendete er sich danach Aika zu: „Es ist bald Zeit fürs Abendessen. Komm mit, ich bring dich zu deiner Partnerin.“ „Gut, danke.“ Angel nickte. Maya war in der Zwischenzeit bei Nagi gewesen, der für die Versorgung von Schwarz zuständig war. Dort hatte sie eine Liste an Gegenständen zusammengestellt, die sie in den nächsten Tagen und Wochen brauchen würden. Da es ihnen nicht erlaubt war, das Hauptquartier zu verlassen, musste ein Mittelsmann die Einkäufe übernehmen. Jetzt stand das Angel Hunter Mitglied in dem immer noch kahlen Raum und konnte sich nicht entscheiden, ob es sich auf die Suche nach seiner Partnerin machen oder lieber hier auf sie warten sollte. Allerdings wurde ihr diese Entscheidung von Schuldig abgenommen, der Aika just in diesem Moment durch die Tür geleitete. „Du solltest deine Partnerin lieber anleinen, bevor ihr noch was passiert in unserer Löwengrube!“, scherzte er. „Gute Idee, ein Maulkorb ist wahrscheinlich die perfekte Ergänzung dazu!“, witzelte Maya. „Schön, dass sich mal wieder alle einig sind“, grummelte Aika. Um Punkt halb neun saßen Angel Hunter und Schwarz beim Essen. Es gab Hähnchen mit Curryreis. Crawford blickte Maya an. „Wie ich hörte, hat deine Partnerin Bekanntschaft mit unserem hausinternen Metzger gemacht.“ Sie fasst sich an den Kopf: „Spricht sich ja schnell rum, so was.“ Er blickte nach links: „Wegen diesem Missgeschick hat Mister, Ich-raste-immer-gleich-aus, einen unserer Wachmänner gekillt!“ Schuldig schlug auf den Tisch. „Dieser Nichtsnutz gehörte zu meinem Personal, also nerv mich nicht mit deiner Überheblichkeit!“ Maya warf beschwichtigend ein: „Hey, hey, kein Grund zu streiten. Schließlich war Angel schuld!“ Aika umklammerte wutentbrannt ihre Gabel, sagte aber nichts. Crawford schien amüsiert: „So beherrscht? Schade, dabei bist du so süß, wenn du wütend bist.“ „Vielen Dank“, sprach sie durch die zusammengepressten Zähne. „Der Meinung bin ich nicht. Wenn Angel sauer wird, kostet mich das meistens ein Vermögen!“, sagte Maya, bevor sie sich eine weitere Gabel Reis genehmigte. „Ich würde ihr schon zeigen, wo’s langgeht.“ Er glühte Aika an. Diese hielt es nicht mehr aus und rammte ihr Messer in das Hähnchen, das zwischen ihr und Crawford befand. „Animalisch“, meinte der Schwarz-Anführer unbeeindruckt und mit einem Lächeln auf den Lippen. Nagi unterbrach die kritische Situation, indem er eine blaue Klemmmappe auf den Tisch klatschte. „Wir haben einen Auftrag von ganz oben. Wir sollten uns später mal darüber unterhalten, Chef!“ Crawford wandte sich dem jüngsten der Mitglieder zu. „Um was handelt es sich denn im Groben?“ „Ein Ablenkungsmanöver, damit Masanoris nächste Lieferung leichter passieren kann.“ Der Junge ließ die Mappe zu ihm hinüberschweben. „Dann ist es also war“, dachten die Mädchen im selben Augenblick. Aika zog ihr Messer zurück und warf Maya einen vielsagenden Blick zu. Diese nickte fast unmerklich. „Welche Lieferung?“, fragte Maya in die Runde. Schuldig grinste vorfreudig: „Kokain, frisches, reines, hochqualitatives Koks!“ „Und woher kommt das?“, wollte Aika wissen. Crawford stocherte auf seinem Teller herum. „Per Schiff vom chinesischen Festland. Allerdings werden das Hafenpersonal und die Polizei mehr mit anderen Dingen beschäftigt sein, als darauf zu achten, welche schwarzen Lieferwägen kiloweise Betäubungsmittel von Bord einer kleinen Yacht zu uns transportieren. Dafür sorgen wir schon.“ Nach dem Abendessen entschuldigte Angel Hunter sich und verschwand im Zimmer. Dort erwartete sie eine Überraschung. „Wow, das ging aber schnell!“ Maya betrachtete die neue Einrichtung. „Wir haben sogar eine Stereoanlage!“, freute Aika sich. Ihre Freundin drehte sich um. „Das kommt uns gerade recht. Da, fang!“ Sie warf Angel eine CD zu. Diese fing sie auf und schmunzelte. „Linkin Park, sehr schön!“ „Dreh richtig auf!“, forderte Maya, die ein Blatt Papier hervorgeholt hatte und zu schreiben begann. Aika blickte ihr über die Schulter. ‚Sprich am besten nur über Belangloses, wir werden sicher abgehört, das ganze Zimmer ist verwanzt!’, stand auf dem Zettel. „Über alles andere wird geschrieben“, ergänzte Cat. Aika nahm den Stift und schrieb: „Die Musik soll das Schreibgeräusch übertönen, richtig?“ „Schlaues Mädchen. Ich möchte nicht in der Haut der Kontrolleure stecken, die jetzt die Kopfhörer aufhaben“, grinste Maya. Zwei Stockwerke über ihnen kauerten drei Männer am Boden, von dem Rückkopplungsgeräusch in die Knie gezwungen. Einer von ihnen nahm widerwillig die Hände von den Ohren, um zum Bedienungspult zu kriechen. Mit letzter Kraft schaltete er die Übertragung ab. Die anderen stöhnten auf. Einer meinte: „Dieser Job ist glatter Selbstmord! Welcher Idiot hat vorgeschlagen, den Lautsprecher einzuschalten?“ Jemand, der sich angesprochen fühlte, meldete sich zu Wort: „Aber Boss, Sie wollten doch nicht am Computer zu Abend essen, deshalb sollten wir umschalten!“ Die Tür flog auf. „Was zum Teufel ist hier los?“ Die drei warfen sich mit entsetztem Gesichtsausdruck auf die Knie: „Herr Naoe! Entschuldigen Sie!“ „Ich fragte, was hier um diese Zeit für ein Krach ist! Antworte!“ „Die Mädchen, sie haben…“ Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Nagi war mit zwei Schritten beim Pult und griff nach dem Kopfhörer. „Warum funktionieren die nicht?!“ Seine Augen funkelten zornig. Der Kopf seines Angestellten berührte den Boden: „Wir haben die Übertragung gestoppt.“ Nagi wand sich dem roten Schalter zu: „Ihr Idioten, was soll das?“ Der Angestellte schrie: „Nicht, Herr Naoe!“ Zwei Minuten später klopfte es an der Tür der Mädchen. Maya öffnete. Vor ihr standen Nagi und Schuldig, der aussah, als hätte man ihn aus dem Bett geprügelt. „Was kann ich für euch tun?“ Aika kam dazu. „Hm, is was? Ach Nagi, hast du was Neues mit deinen Haaren probiert, oder weshalb stehen sie in allen Himmelsrichtungen ab?“ „Ihr dämlichen WEIBER! Macht sofort die Musik leiser!“ Nagi war rot angelaufen. Schuldig starrte ihn an. „Sei nicht so uncharmant. Meine Ladys, wärt ihr so nett die Nachruhe einzuhalten?“ „Oh, ein Gentleman. Wir entschuldigen uns und wünschen noch eine geruhsame Nacht“, flirtete Maya ihn an und schloss danach die Tür. Aika verdrehte die Augen. „Was sollte das Süßholzgerasple?“ „Das wirst du noch früh genug erfahren. Würde nicht schaden, wenn du auch nett zu ihnen bist, schließlich sind sie unsere Partner!“ Maya zwinkerte vielsagend. Aika grinste, bis sie kapierte, auf was ihre Freundin heraus wollte. Eilig holte sie den Zettel und kritzelte: „Du meinst doch nicht etwa, dass…?“ Zu ihrem Entsetzen nickte Cat. „War dein erstes Date mit dem Iren amüsant?“ Angel lief puterrot an. „Schlag dir den Gedanken sofort aus dem Kopf! Ich bin nicht scharf drauf, ein paar Gliedmaßen zu verlieren!“ Maya schrieb: „Stell dich nicht so an! Manchmal muss man Opfer bringen!“ „Soso, dann bezirze du ihn doch und ich hole die Daten!“ Aika sah sie verkniffen an. „Wer ist denn hier der Hacker? Du warst dafür schon bei Makimura zu blöd, also akzeptiere, dass du mal wieder die Arschkarte gezogen hast!“ Der Triumph stand in Cats Gesicht geschrieben und Angel schlich sich mit beleidigter Miene in ihr Bett. Am Morgen darauf saßen die beiden Mädchen mit Schuldig und Crawford beim Frühstück. Maya war amüsiert, als sie sah, wie Aika Crawford auswich. Anstatt ihn zu fragen, ob er ihr die Butter reichen könnte, die direkt neben seiner Hand stand, beugte sie sich über den ganzen Tisch und griff danach. „Sind die echt?“, sprach Crawford sie an, ohne dabei den Blick von Aikas Brüsten zu nehmen. Aika glühte ihn zornig an: „So echt, wie der Schmerz, wenn ich dir dein Gehänge stutze!“ Schuldig prustete in seinen Kaffee. „Ha, das möchte ich sehen!“ Crawfords Blick brachte ihn zum Schweigen. Danach wandte er sich wieder Angel zu: „Ich hätte nichts dagegen, wenn du mir gewisse Dinge zurechtschnitzen würdest.“ Nun war es an Aika, in ihren Kaffee zu prusten, allerdings weniger aus Schadenfreude, als aus Scham. „Jetzt sag bloß nicht, dass er dich am Arsch lecken soll, sonst hast du ihn wirklich an der Backe!“, Schuldig lag vor Lachen fast am Boden. Aika war kurz davor, einfach zu gehen als Nagi den Raum betrat. Crawford blickte ihn aus den Augenwinkeln an. „Was gibt’s?“ Der Junge verschränkte die Arme vor der Brust. „Der Plan hat sich geändert. Scheinbar ist unser Vorhaben aufgeflogen. Der Boss zitiert uns beide heute Abend zu sich. Schuldig, du musst dich um Kitano kümmern, scheinbar ist er das faule Ei im Karton.“ „Das bedeutet, Farfarello hütet das Haus. Hoffentlich geht das gut.“ Das Schwarzoberhaupt rückte sich die Brille zurecht und fügte dann hinzu: „Sorry Ladys, aber die Pflicht ruft!“ Mit einer lässigen Handbewegung verabschiedete sich Crawford, um mit Nagi zu sprechen. Aika und Maya verschwanden diskret in ihrem Zimmer. „Das ist die Gelegenheit!“, schrieb Maya. Aika zog, wie immer, wenn ihr etwas nicht koscher vorkam, die rechte Augenbraue nach oben. „Sag nicht, ich muss den Metzger verführen, mir reichte das mit Crawford schon.“ Der Blick ihrer Partnerin war jedoch so unmissverständlich, dass es keiner anderen Antwort bedurfte. Die Stunden verstrichen, während Cat und Angel angestrengt an einem wasserdichten Plan arbeiteten. Erst als sie Geräusche vom Gang vernahmen, die eindeutig lauter wurden, trollten die Mädels sich zu unauffälligeren Beschäftigungen. Tatsächlich klopfte es Sekunden später an ihrer Tür. „Herein!“, flötete Maya. Crawford, Schuldig und Nagi traten ein. „Hi Mädels! Was habt ihr denn den ganzen Tag gemacht? War so still heute“, fragte Schuldig. „Das wüsstest du gerne, hä?“ Maya lächelte geheimnisvoll. „Hör auf zu sabbern!“, maulte ihn sein Chef an. „Wir sind eigentlich nur hier, um euch zu sagen, dass wir jetzt dann weg sind. Macht keinen Ärger, ja!“ Crawford fixierte Aika. Die funkelte ihn trotzig an. „Klaro!“, versicherte Maya, „wir kennen die Regeln. Dürfen wir uns hier frei bewegen, oder gibt es außer dem Operationsraum und dem Keller noch irgendwelche verbotenen Räume?“ „Nein, aber ihr dürft euch nur auf diesem Stockwerk bewegen. Farfarello bewacht, wie ihr wisst, den Operationsraum, also haltet Abstand, vor allem Angel“, sagte Nagi. Schuldig ergänzte: „Der ist sauer, weil wir ihn nach der gestrigen Aktion bestraft haben…“ Aika wurde ein wenig weiß um die Nase. Crawford, der das bemerkt hatte, beugte sich zu ihr: „Ist dir nicht gut, Flatterfrau? Hat der Kerl dich etwa doch erschreckt?“ Jetzt wechselte Angel schlagartig die Farbe. Mit rotem Gesicht blaffte sie Brad an: „Nein, du Pflaume! Ich bin nur müde!“ „So, so, müde. Dann solltest du vielleicht schon mal ins Bett gehen. Ich wecke dich, wenn ich zurück bin“ Aika kochte, sagte aber nichts. Schuldig ging dazwischen: „Chef, es ist schon spät, wir sollten los!“ Crawford wand sich ihm zu. „Du hast recht. Also dann, Ladys, wir sehen uns in zwei Stunden!“ Er verließ den Raum und Nagi folgte ihm wortlos. Schuldig verabschiedete sich auf Deutsch: „Bis später, Mädels!“ Als die Tür ins Schloss gefallen war, atmete Aika geräuschvoll aus. „Gut gemacht, endlich konntest du mal die Klappe halten“, meinte ihre Partnerin. „Danke für die Blumen“, spöttelte Angel, „wann geht’s los?“ „In ner halben Stunde können wir es wagen.“ Während Aika sich eine rosa Bluse und einen schwarzen, knielangen Rock anzog, murmelte sie immer wieder dieselben Worte vor sich hin: „Der metzelt mich, ganz bestimmt. Der metzelt mich!“ „Was sagst du?“, fragte Maya. „Ich sagte, der reißt mit den Arsch auf!“ Aika wurde laut. „Ist das mein Problem?“, kam prompt die staubtrockene Antwort. „Leck mich doch“, murmelte Angel. Sie öffnete die Tür und trat in den ausgestorbenen Gang. Langsam ging sie in Richtung des Operationsraums. „Hoffentlich kann ich ihn ablenken, wenn der was schnallt, sind wir dran, verdammt, ich hab doch sonst nie Schiss!“ Der Gedanke beunruhigte Aika mehr als die Tatsache, dass sie gerade auf dem Weg zu einem Psychopathen war. Maya rüstete sich derweil mit einem Entcodiergerät aus und wartete auf das Signal ihrer Partnerin. Angel stand vor dem Raum mit der Nummer 12A. Sie klopfte. Keine Reaktion. Sie wiederholte es einige Male, aber als sich wiederum nichts rührte, beschloss sie zu rufen. „Hallo, ist da jemand? Hier ist Angel, ich wollte fra… Die Tür glitt auf und bevor sich das Angel Hunter Mitglied versah, lag es am Boden. Aika blickte direkt in die gelben Augen über ihr. „Herzlichen Glückwunsch zu der Entscheidung mich zu besuchen, wir werden sehr viel Spaß miteinander haben!“ Mit diesen Worten schmiss Farfarello sie auf den Gang. „Wo hatte Maya gesagt, war der Abstellraum?“ Angel ergriff die Flucht, den Hünen auf den Fersen. „Scheiße 5. Gang rechts, oder 4 links?“ Sie hörte Farfarellos Atem. „Ah, scheiße, ich weiß nicht mehr wo ich bin!“ Aika stürmte das nächstbeste Zimmer und gab Maya über einen funkgesteuerten Laserpointer das Zeichen. „Shit, ein Wohnraum! Das geht ins Auge!“ Ehe sie sich wehren konnte, lag sie auf dem Boden. Farfarello kniete über ihr, das Messer zwischen den Zähnen. „Warum bist du so sauer auf mich?“ Angel versuchte verzweifelt, ihren Hals zu retten. „Oh, nach unserem kleinen Date gestern habe ich nur den Rest der Nacht kopfüber hängend im Keller verbracht. Eine äußerst bequeme Schlafposition, besonders mit Zwangsjacke.“ Aika schluckte. ‚Mist, jetzt ist guter Rat teuer…’ Maya hatte sich sofort nach Erhalt des Zeichens auf den Weg gemacht. Mit dem Decodierer war es ein Leichtes, in den Operationsraum zu kommen. Sie vergas nicht, einen Blockierbolzen in die Tür zu klemmen. Sofort machte sie sich daran, den Computer zu hacken. Angel war zur selben Zeit damit beschäftigt, sich nicht abstechen zu lassen. Mit einem gezielten Drehkick beförderte sie ihren Gegner aufs Bett. Einem kurzen Moment hatte Aika das dringende Bedürfnis abzuhauen. Nein, das durfte sie nicht, noch nicht. Einen Augenblick später saß sie auf dem Hünen. Der Dolch sauste dicht an ihrem Hals vorbei, doch sie reagierte blitzschnell und hielt seinen Arm fest. „Hey, kann es sein, dass wir uns missverstehen? Ich will dir nichts Böses!“ Aika beugte sich vor, so dass ihr Gesicht, das seine fast berührte. „Hast du meine kleine Anspielung nicht verstanden? Wie siehts aus? Was hält der kleine Massenmörder von ein wenig Vergnügen?“ Seine Körperspannung ließ ein wenig nach. Doch Aika wiegte sich zu schnell in Sicherheit. Eine Drehung genügte und sie fand sich in der Ausgangsposition wieder, auf dem Rücken, Farfarello über sich. Er fuhr mit seinem Dolch die Konturen ihres Gesichts nach: „Deine Todessehnsucht gefällt mir. Vielleicht sollte ich mir mit dir ein wenig mehr Zeit lassen, bevor ich dein Blut vergieße.“ Maya stand der Schweiß auf der Stirn. „Der verdammte Computer ist besser gesichert, als ich dachte. Hoffentlich komm ich durch!“ Sie blickte auf ihre Uhr: „Noch ca. eine Stunde!“ Farfarello zog sein Hemd aus. Aika war erstaunt über das Sammelsurium von Narben, die sich über jeden Quadratzentimeter seiner Haut erstreckten. Sie fuhr mit dem Finger eine besonders lange an seinem Bauch entlang. „Wer hat dir die zugefügt?“ Er flüsterte ihr ins Ohr: „Es ist überhaupt nicht schwer, soll ich’s dir zeigen?“ „Nein, wir hatten andere Dinge vor… Was soll ich tun?“ Der Hüne grinste unheimlich: „Wie wärs, wenn du schreist?“ Die Klinge seines Dolches blitzte. Angel kniff die Augen zusammen, als er sich damit ihrem Brustkorb näherte. „Yes, ich bin drin!“ Maya riss die Hände nach oben. „Jetzt brauche ich nur noch die richtigen Daten, sofern die hier drauf sind.“ Der letzte Knopf von Aikas Bluse öffnete sich durch den Dolch. Der kalte Stahl berührte ihre Haut. Sie hatte die Augen wieder geöffnet. Farfarello war aufgrund ihrer Panik in Hochstimmung. „Erschreck mich nie wie…“ Seine Lippen verschluckten den Rest des Satzes. „Verdammt, ich krieg keine Luft! Der ist ja ziemlich schwer!’ Ein Stockwerk über ihr waren zwei Männer auf dem Weg nach unten. „Mann, immer diese Hetzerei und dann dauert’ s noch nicht mal ne Stunde!“ Schuldig hatte die Hände in den Hosentaschen, wie es seine Art war. „Sag das bloß nicht in aller Öffentlichkeit, sonst bist du deinen kleinen Finger los“, meinte Crawford. „Was hast du heute noch vor?“, fragte der Deutsche. Brad überlegte. „Ich schätze, ich muss noch über ein paar Plänen brüten. Hol mir nur noch schnell nen Kaffee. Na ja, sehen uns dann morgen beim Frühstück. Nacht.“ Er bog in die Cafeteria ab. Schuldig blieb vor seinem Zimmer stehen. „Ich hab doch was gehört, oder spinn ich?“ Er öffnete die Tür. Aika blickte ihn entsetzt an. „Äh sorry, wenn ich störe, aber das ist zufälligerweise mein Zimmer!“ Farfarello erhob sich wortlos und ging vor die Tür. Geistesgegenwärtig drückte Angel den Knopf, um Maya zu warnen. Schuldig kam auf sie zu. „Hat er dich belästigt?“ „Nein, nein. Es ist alles in Ordnung… Am besten sagst du nichts zu Crawford, bitte.“ Er fasste sich an die Stirn. „Das ist aber das letzte Mal. Sieh zu, dass du in dein Zimmer kommst, hopp, hopp, bevor der Kerl dich erwischt!“ „Äh, eine Frage noch. Wie hast du Farfarello dazu gebracht, zu gehen?“ „Ganz einfach, so wie ich jetzt mit dir rede.“ Er hatte die Lippen nicht bewegt und doch konnte Aika jedes Wort verstehen. Cat hatte Angels Signal Gott sei Dank bemerkt. In Rekordzeit war der Computer in seinem Urzustand. Maya zog unterm Rennen den Blockierbolzen aus der Tür und verschwand gerade noch rechtzeitig, bevor Crawford den Gang entlang geschlendert kam. Mayas Herz schlug ihr vor Aufregung bis zum Hals. „Shit, die sind fast ne dreiviertel Stunde zu früh dran. Puh, gerade noch geschafft und Angel lebt allen Anscheins auch noch“, dachte sie erleichtert und schlich auf leisen Sohlen davon. ____________________________________________________________________________________ Hui, das ist irgendwie ein einziges Chaos! Aber ich mag die zackigen Dialoge und die Szene, in der die Kerle im Abhörraum mit Musik gefoltert werden, ich glaub die Szene muss ich mal zeichnen...^__^ Kapitel 5: Ausgespielt ---------------------- Maya stürmte ins Zimmer. „Aika! Was ist denn passiert!?“ Aika saß auf dem Bett und knöpfte sich gerade die von Farfarello geöffneten Blusenknöpfe wieder zu. „Glücklicherweise nichts! Schuldigs Spürsinn für peinliche Situationen hat meine Unschuld gerettet. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser durchgeknallte Typ gleich so ran geht!“ „Das hätte ich dir übel genommen, Aika, wenn du als Jüngere mich als alte, pistolenbepackte Mordjungfer dastehen gelassen hättest!“ Maya lächelte verschmitzt. ’In Anbetracht dieser äußerst kritischen Lage hoffe ich, dass du einiges an Material beschafft hast, sonst krieg ich ne Krise!’ Aika kritzelte auf dem Papier herum. Als sie fertig war, drückte sie Maya den Stift in die Hand. Diese wurde etwas verlegen und schrieb dann: „Um genau zu sein, nur eine Liste mit Namen, ohne personenbezogene Daten.“ Aika ließ sich seufzend wieder ins Bett fallen. „Und dafür schmeiß ich mich an diesen Verrückten ran. Was für ein Erfolg!“ „Nimm’s nicht so schwer, Aika.“ Maya grinste schelmisch. „Sag bloß, wir sollen das Spielchen wiederholen?!“ In Aikas Gesicht spiegelte sich pures Entsetzen wieder. „Nein, das wäre viel zu riskant. Wir sollten lieber die Jungs verständigen.“ Mayas Blick wurde ernst. Ihre Freundin nickte und ging zum Schrank, um das Headset aus dem Mantel zu holen. Maya hatte derweil den CD-Player angeschaltet und das Gerät auf Zimmerlautstärke eingestellt. Aika ging in die selbstgebaute Umkleide, überprüfte die Frequenz, dann drückte sie auf den Alarmknopf und wartete. Kurze Zeit später meldete sich Kens Stimme. „Hallo?“ „Ich bin’s, Angel. Wir haben...“ „Gib das Funkgerät her, sonst...“, ertönte Ayas Stimme. „Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte!“ Auch Yoji versuchte an das Funkgerät zu kommen. Und ob das nicht genug wäre, platzte auch noch Omi in das Gespräch: „Cat, bist du’s!?“ „Ähh, Halloohoo!“ Aika versuchte, Kontakt mit den Jungs aufzunehmen, doch die hörten sie nicht. Da platzte ihr der Kragen und sie schrie: „Haltet endlich die Fresse!“ Augenblicklich kehrte Ruhe ein und Aika begann die Situation der Beiden zu erklären, während die Jungs gespannt lauschten. „Also seid gefälligst pünktlich! Maya und ich wollen nämlich auf keinen Fall als Angel Hunter süß-sauer enden. Also dann bis heute Nacht!“ „Ja, bis dann, und richte Cat einen schönen Gruß von uns allen aus!“ Omi warf noch schnell ein: „Sag ihr, dass ich sie lieb hab!“ „Mach ich doch, keine Sorge, Omi. Over und Ende.“ Aika beendete das Gespräch. Sie wollte gerade aus der Kabine gehen, als es klopfte und die Tür vorsichtig geöffnet wurde. Schuldig betrat das Zimmer. „Maya? Ich wollte nur...ähh, bist du allein?“ Er sah sich prüfend um und setzte sich, im Glauben allein zu sein, neben ihr aufs Bett. Schuldig ließ Mayas Haare durch seine Finger gleiten. “Was für ein süßer, betörender Geruch...“ Er schloss sie in seine Arme. Maya lehnte sich wie ferngesteuert an seine Brust. „Was ist jetzt los?! Ich hab mich nicht mehr unter Kontrolle! Hilf mir, Aika!“ Doch diese kämpfte mit dem Headset, das sich in einem ihrer vier Ohrringe verhakt hatte. Währendessen hatte Schuldig den Kopf gesenkt, um Maya zu küssen. Ihre Lippen waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt als Crawford mit Nagi im Schlepptau ins Zimmer gestürmt kam. Schuldig sprang auf. „Keine Erklärungen, bitte“, Crawford setzte sich lässig auf einen Stuhl und Nagi lehnte sich an die Wand neben der notdürftig errichteten Umkleide. Aika hielt den Atem an und versuchte möglichst kein Geräusch zu machen. “Sag mal, wo ist eigentlich Angel abgeblieben? Ich würde sie gern mal unter vier Augen sprechen.“ Crawford setzte ein dreckiges Grinsen auf. Aika schluckte schwer: “Was hat dieses Schwein bloß vor?“ Er schlug die Beine übereinander. „Aber das ist jetzt im Moment Nebensache. Viel wichtiger ist die Sprengladung für den Tanker. Ich möchte, dass du ihn anbringst, Cat. Nagi hat alles genauestens berechnet. Hier, sieh dir das an.“ Crawford zog eine kleine Papierrolle aus seiner Jacke und legte sie auf den Tisch. Schuldig, Cat und Nagi traten zu Brad an den Tisch. Letzterer wendete sich Maya zu, die sich bereits über das Schriftstück gebeugt hatte. Er zeigte auf den Mittelteil des Tankers. „In diesem Bereich befindet sich die Schnittstelle der zwei großen Tanks. Dort bringst du den Sprengsatz an und dann...Boom!“, lachte er hämisch. Maya blickte unsicher zu Nagi, dessen Augen plötzlich rot aufleuchteten. Der Plan rollte sich zusammen und flog in seine Hände. Er grinste überlegen und verließ gefolgt von Crawford, der Schuldig am Kragen mitschleifte, wortlos den Raum. Kaum waren sie weg, fiel Aika unter großem Gepolter aus der Kabine. „Verdammte Scheiße!“ Sie rappelte sich auf. Maya zog Aika auf die Beine. „Du hast dir aber ziemlich viel Zeit gelassen. Warum hast du nicht eingegriffen, als Schuldig mich küssen wollte?“ „Gleich, gleich, hilf mir mal schnell!“ Aika zeigte auf ihr linkes Ohr, an dem immer noch das Headset hing. Maya löste vorsichtig den Draht, der sich um den Ohrring gewickelt hatte. „Erstmal soll ich dir nen schönen Gruß von den Jungs ausrichten und ich soll dir von Bombay sagen, dass er dich liebt“, schrieb sie. „Autsch pass doch auf, mein Ohr brauch ich noch!“ Endlich vom Headset befreit, verstaute Aika dieses schnellst möglich wieder im Mantel und verschloss die Schranktür. „Das wäre beinahe schief gelaufen!“ Sie atmete auf. „Du bist aber auch ein riesiger Schussel! Als ob man sich das in unserem Beruf erlauben könnte!“ Maya sah ihre Freundin verständnislos an. „Vielen Dank für die Blumen, Cat!“ Aika drehte sich beleidigt von ihrer Freundin weg. „Ach, Ai-chan, so wars doch nicht gemeint!“ Maya lehnte sich an Aikas Rücken. Derweil besprachen die Jungs den Einsatz. „Aika meinte, diesmal würden zur Sicherheit alle vier Schwarz-Leute mitkommen. Das heißt, wenn wir zu spät dran sind, geht’s ihnen an den Kragen!“ Yoji setzte einen finsteren Blick auf. „Ach Quatsch, hast du nicht auch gegen Maya gekämpft? Dann hast du sicherlich auch gespürt, welche Kraft in ihren Schlägen steckt. Außerdem ist sie verdammt flink.“ Ken grinste Aya angriffslustig an. „Das Problem ist nur, das wir erst kurz davor das Gelände betreten dürfen. So wie ich Crawford kenne, kommt er eine halbe Stunde vorher. Ich schätze, dass Takatori bereits Verdacht geschöpft und ein saftiges Kopfgeld auf unseren Informanten ausgesetzt hat.“ Yoji zog an seiner Zigarette und blies den Rauch in den Raum. „Glaubst du, er erwartet uns heute Abend?“ Ken blickte unsicher zu Omi. „Ich denke, Yoji hat Recht. Schwarz ist gerissener, als wir gedacht hatten. Sie sind nicht zu unterschätzen.“ Omi schloss die Augen und Mayas Gesicht tauchte vor ihm auf. „Ich hoffe bloß, dass Maya da heil wieder rauskommt“, murmelte er vor sich hin. „Du liebst sie wirklich sehr, Omi, hab ich Recht?“ Ken legte ihm seinen Arm um die Schulter. Omi kippte nach vorne und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich kenn sie doch erst seit kurzem, trotzdem ist sie mir so vertraut, eigenartig.“ “Was sagst du eigentlich zu der Sache, Aya?“, wandte sich Yoji seinem Kameraden zu, der in einer abgelegenen Ecke des Raums saß und ein zur Hälfte gefülltes Cognacglas gegen das Licht hielt. Er wirkte abwesend. „Hey Aya, was denkst du?“ „Ich denke über Aika nach.“ Aya schwenkte das Glas „Ob sie es mal wieder fertig bringt, sich in eine verzwickte Lage rein zu reiten? Na ja, nicht mein Problem, ich bin ja nicht ihr Babysitter.“ „Machst du dir keine Gedanken darüber, dass ihr Leben ganz allein in unseren Händen liegt?“, Ken blickte ihn verständnislos an. „Ich sehe es als meinen Job, ihnen zu helfen. Gefühle spielen keine Rolle für mich.“ Aya trank sein Glas in einem Zug leer. „Du Eisklumpen von einem Kerl!“ „Lass ihn Ken! Wenn er so darauf beharrt, dass Rache das Einzige ist, was zählt, tut es mir leid für ihn." Omi verhinderte, dass die Situation eskalierte. „Was interessiert mich das, wenn die beiden zu blöd zum Dichthalten sind und dann die Konsequenzen daraus ziehen!“ Aya schloss die Augen. Der Hafen war stockdunkel und nur durch einpaar Flutlichter erhellt. Es war zehn Minuten vor 3 Uhr, als sechs Gestalten aus ihrem Versteck kamen. Schuldig drückte Maya die Bombe in die Hand. „Pass auf, wenn du das Ding befestigst. Ein von diesen zwei Drähten ausgelöster Kurzschluss könnte die Bombe sofort hochgehen lassen.“ Schuldig zeigte mahnend auf einen blauen und einen roten Draht. Maya spürte ein wenig Unbehagen. „Verdammte Kiste, spring endlich an!“ Ken drehte verbissen am Zündschlüssel. „Lass es, Ken! Wir laufen hin! Tempo, Tempo, Jungs! Wir haben nur noch 8 Minuten!“ Omi sprang aus Kens altem Toyota und rannte so schnell er konnte in Richtung Hafen davon. Aya, Yoji und Ken folgten ihm. „Das ist nicht zu schaffen!“ keuchte Ken hinter den anderen her. „Reiß dich zusammen, schließlich bist du Fußballer, wo ist deine Kondition?“ Yoji packte ihn am Ärmel und zog ihn mit. „Aber ich war doch Torwart und kein Stürmer!“ Aya mischt sich ein: „Halt endlich die Klappe und lauf!“ Aika warf einen nervösen Blick auf Maya, die jetzt neben dem Tanker stand. „Angel, wir können nicht länger warten!“ Crawford blickte von einer zur anderen: „Mit was könnt ihr nicht länger warten?“ Aika ging wortlos zu ihrer Freundin, die ihr die Bombe in die Hände drückte. „Was habt ihr vor?“ Schuldig starrte die Mädchen verwirrt an. Aika drehte sich um und schleuderte die Bombe weit ins Hafenbecken hinaus. „Ihr habt euch ja ziemlich von uns an der Nase herumführen lassen!“, lachte Maya hämisch. „Aber ihr seid doch unsere Verbündeten!“ Schuldig verstand die Welt nicht mehr. Aika trat auf ihn und Farfarello zu: „Verbündete, ja. Allerdings nicht von euch, sondern euren Erzfeinden Weiß. Maya grinste: „Ach dankenoch mal für die Informationen!“ Plötzlich stürzte sich Farfarello auf Aika und warf sie zu Boden. Er drückte ihr die Kehle zu. Maya zog ihre Waffe und zielte auf ihn. Sie verpasste Farfarello einen Streifschuss, doch dieser ließ nicht von seinem Opfer ab. Aika schnappte nach Luft. Maya kam nicht dazu, noch einen Schuss abzugeben, da Schuldig bereits seine Waffe gezogen hatte und sie unter Beschuss nahm. Sie sprang hinter den nächstbesten Container. Doch Nagi ließ diesen zur Seite schweben. ’Verdammt, was mach ich jetzt?!’ Maya schoss, während sie hakenschlagend zum nächsten Container rannte, auf Crawford, der den Kugeln aber mit schnellen Saltos ausweichen konnte. Farfarello hatte inzwischen seinen Würgegriff gelöst und kniete nun bösartig grinsend über der schwer atmend am Boden liegenden Aika. Diese ergriff ihre Chance und stieß ihn so fest sie konnte von sich. Sie zog ihre Katana und griff Schuldig an, der Maya in die Enge getrieben hatte. Aika streifte ihn am rechten Bein. Noch bevor er sich wehren konnte, schlug dicht neben ihm eine Kugel aus Mayas Waffe ein. Plötzlich schaute Aika in den Lauf von Crawfords Revolvers. Doch bevor dieser abdrückte, gab Farfarello ihm ein unmissverständliches Zeichen. Crawford senkte die Waffe und schlug der verdutzten Aika die Katana aus der Hand, dann überließ er sie Farfarello, der Aika mit einer Mischung aus Messer und Degen angriff. Nagi und Schuldig jagten Maya derweil auf einen Steg. Den ersten zwei Schüssen konnte sie ausweichen, doch von den drei folgenden durchschlug eine Mayas Schulter, die anderen beiden streiften sie an den Rippen und am Bein. Mayas lauter Schmerzensschrei ließ Aika herumfahren. Sie sah, wie ihre Freundin zu Boden ging und Schuldig herablassend sagte: „Stirb langsam, du Verräterin, damit ich wenigstens etwas Spaß mit dir habe!“ Aika wollte Maya zu Hilfe kommen, doch in dem Moment traf sie Farfarellos Degen an der Seite. Sie spürte das Blut an sich herunter rinnen. Er drängte sie an einen Container zielte auf ihr Herz und stieß zu. Aika duckte sich seitlich weg, doch der Degen durchbohrte sie knapp neben dem Schultergelenk. Angel schrie laut auf und sank blind vor Schmerz zusammen. Farfarello fing sie auf, dann strich er ihr mit seinem Finger zärtlich über die Lippen und kostete ihr Blut. Auch Schuldig hatte sich neben Maya auf den Boden gekniet und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „Ist sie tot?“ Nagi beugte sich über Schuldig. „Nein, nur ohnmächtig.“ Schuldig schaute Maya ohne die geringste Gefühlsregung an und meinte: „Schade, dass du die falsche Seite gewählt hast, Sweetheart.“ Er hob ihren Kopf hoch, um sie zum ersten und letzten Mal zu küssen, doch eine Stimme hielt ihn auf: „Lass die Finger von ihr, Schuldig, sonst bist du tot!“ Omi stand einige Meter entfernt und zielte mit seinem Bogen auf ihn und Nagi. Als sich dieser umblickte, sah er auch den Rest der Weiß Truppe. Crawford gab den Befehl zum Rückzug und so machten sich die Schwarz Leute schnellstmöglich aus dem Staub. Aika war inzwischen wieder aufgestanden und taumelte nun blutüberströmt in Richtung Aya, der auf sie zugelaufen kam. Kurz vor ihm blieb sie stehen und er bemerkte ihr von Tränen überströmtes Gesicht. „Du musst Maya helfen, schnell! Ich, ich...“ Aika kämpfte mit der Ohnmacht. „Schnell Yoji, nimm dir ein paar Verbandsrollen und hilf Omi, Maya zu versorgen! Ken und ich kümmern uns um Aika!“ Aya zog ihr den Mantel aus, während Yoji sich mit einigen Mullbinden auf den Weg zu Omi machte, der inzwischen Mayas Kopf auf seine Jacke gelegt hatte. Ken verband derweil Aikas Wunden. „Was ist mit Maya? Sag schon, was ist mit ihr?“ Aika zappelte wild herum und versuchte aufzustehen, doch Aya hält sie fest. „Maya geht es gut, keine Sorge, schließlich kümmert sich Omi um sie. Am besten entspannst du dich und lässt uns deine Wunden versorgen.“ Aika lehnte sich erschöpft zurück und schloss die Augen. Als die beiden notdürftig versorgt waren, machte sich Yoji auf den Weg um seinen Wagen zu holen. Omi nahm Maya vorsichtig in den Arm. „Bitte verzeih mir, das war mein Fehler. Ich hätte... Es tut mir so Leid!“ Er drückte sie verzweifelt an sich und begann zu weinen. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Es war Aika, die ihn zu trösten versuchte. „Mach dir keinen Kopf, Omi. Normalerweise hätten wir alleine mit den Schwarz-Leuten fertig werden müssen. Keine Sorge, Maya ist hart im Nehmen.“ Omi drehte sich um, blickte in Aikas schweißnasses Gesicht und bemerkte den schon vom Blut durchweichten Verband an ihrer Schulter. Sie stand auf, taumelte etwas, zwang sich aber dazu, gerade zu stehen. Ken stürzte zu ihr. „Spinnst du! Leg dich sofort wieder hin!“ „Mir geht’s gut. Keine Panik.“ Aika blockte Kens Arme ab, als er sie stützen wollte. Doch auf einmal wurde ihr schwindelig und sie stürzte. „Aika!“ Auch Aya lief zu ihr. Er hob sie hoch. „Warum sind Mädchen bloß so stur!?“ Plötzlich ließ ein Krampf Aikas Körper erzittern. „Scheiße! Omi, was sollen wir tun?“ Ken blickte verzweifelt zu seinem Kameraden. Dieser versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren. „Sieh im Erste-Hilfe-Set nach, ob sie so was wie Morphium dabei hat!“ Ken wühlte in Aikas Tasche. „Ich hab’s! Was jetzt?!“ „Spritz ihr das Zeug, schnell!“ Omi warf einen panischen Blick auf Aika, die von einem erneuten Krampf gebeutelt wurde. Ken setzte die Nadel an und gab ihr eine Dosis des Betäubungsmittels. Wenig später schlief Aika in Ayas Armen ein. Omi hatte derweil Maya wieder fest an sich gedrückt und schluchzte: „Was hab ich nur angerichtet!“ Bald darauf fuhr Yoji seinen Wagen vor. Sie beschlossen, alle in seinem Apartment zu übernachten um die Verletzten besser versorgen zu können. „Zum Glück hat die Kugel die Schlagader nicht verletzt.“ Ken legte die immer noch bewusstlose Maya auf ein Kissenlager. „Wie sieht es mit Aika, aus Yoji?“ „Die Wunde ist nicht groß, aber tief. Außerdem hat sie viel Blut verloren.“ Er legte auch sie auf ein Kissenlager. Die Nacht verlief ruhig und Maya, die in Omis Armen schlief, schien sich wohl zu fühlen. Aya war heimlich aufgestanden, hatte sich neben Aika gelegt und schob Nachtwache. Er wischte ihr den Schweiß von der Stirn. ‚Warum mach ich mir Sorgen um sie? Wir können uns doch überhaupt nicht leiden.’ Aya fasste sich an den Kopf. ‚Aber irgendwie hab ich immer so ein eigenartiges Gefühl wenn ich in ihre Augen sehe...’ Am nächsten Morgen wachte Maya als Erste auf. „Wo bin ich?“ Sie wollte aufstehen, doch als sie sich auf den rechten Arm stützte, spürte sie einen stechenden Schmerz, der sie zusammenzucken ließ. „Verdammt, das muss der Schuss gewesen sein, der mich niedergestreckt hat!“ Plötzlich spürte sie zwei Hände, die sie umfassten und sanft in ihr Kissen zurückdrückten. Es war Omi, der durch Mayas Bewegung aufgewacht war. „Du solltest dich nicht so viel bewegen, Maya. Bleib lieber liegen.“ „Keine Sorge, es geht schon.“ Sie lächelte gequält. „Was ist mit Aika?“ Maya blickte sich suchend um und bemerkte Aya, der neben ihrer Freundin lag. Er hielt Aikas Hand. Der Schlaf musste auch ihn einige Zeit später übermannt haben. „Die beiden geben doch ein schönes Paar ab. Findest du nicht auch, Omi?“ „Hm. Du hast Recht. Wenn sie sich nur nicht dauernd in den Haaren liegen würden.“ Omi lächelte Maya an. Sie sahen sich tief in die Augen. Omi zog Maya an sich und gab ihr einen langen Kuss. Die romantische Szene wurde aber jäh durch das Gähnen des eben erwachten Ken beendet. „Guten Morgen, Leute! Häh?“ Auch Yoji öffnete die Augen. „Na, ihr Turteltäubchen. Kaum wach und schon so bei der Sache. Dabei sollte sich Maya doch ausruhen!“ Ken sah Yoji fragend an. „Wo ist denn unser Streithahn?“ „Der hat das Lager gewechselt“ Maya nickte in Aikas Richtung. Den beiden fiel der Mund auf und Ken meinte: „Zwick mich, Yoji!“ Doch da schlug Aika die Augen auf. „Hm? Was ist passiert?“ Sie sah sich um. Da bemerkte sie die anderen, deren Blicke starr auf sie gerichtet waren. Aika spürte Ayas warme Hand, die auf der ihren ruhte. Maya grinste von einem Ohr zum anderen: „Wie war das noch gleich mit verliebt in Ay....“ „Ich sage es zum letzten Mal: ICH BIN NICHT VERLIEBT!“ Das dürfte sogar noch zwei Häuser weiter zu hören gewesen sein. Auf jeden Fall waren jetzt alle, die Nachbarn mit eingenommen, hellwach. „Sag mal spinnst du, Aika?!“ Aya richtete sich auf. „Entschuldige bitte.“ Sie ließ sich schwer atmend in ihr Kissen zurückfallen. „Mann, ich hätte nicht gedacht, dass Schreien so anstrengend ist...“ „Du solltest dringend lernen, dein Temperament zu zügeln. Du hast viel Blut verloren und bist geschwächt. Also bleib gefälligst liegen, wenn ich es dir sage!“ Aya deckte sie wieder zu. „Aha. Mister Obermacho macht sich Sorgen um andere! Das muss ich mir sofort rot im Kalender anstreichen. Ich hab ja fast so was wie das achte Weltwunder entdeckt!“ „Stimmt nicht ganz“, mischte Omi sich ein, „das achte sitzt bereits neben mir.“ Er blickte zu Maya, die sichtlich geschmeichelt war. „Was habt ihr eigentlich heraus gefunden?“, fragte Ken. Maya grinste: „Ich habe an deren Computer herumgespielt und dabei eine Liste mit Namen gefunden. Sie ist in meiner Manteltasche. Tust du mir einen Gefallen und mailst sie Persha, Omi?“ „Klar.“ Yoji hat derweil einen fragenden Blick aufgesetzt. „Wie bist du eigentlich an den Computer ran gekommen?“ „Na ja, drei der vier waren ausgeflogen und Aika hat sich liebevoll“ um den Daheimgebliebenen gekümmert.“ Maya kicherte leise. „Was meinst du mit liebevoll?“ Ken blickte verwirrt drein. „Ich habe einfach die bewährten Waffen einer Frau eingesetzt, denen selbst Farfarello hilflos ausgesetzt war“, beantwortete Aika die Frage. „Das wäre ihrer Unschuld aber beinahe zum Verhängnis geworden, wäre nicht kurz davor Schuldig ins Zimmer geplatzt!“ Maya gluckste in sich hinein. „Ich finde das nicht komisch! Besonders, wenn man bedenkt, es war FARFARELLO!“ Aika versuchte, bei den durchdringenden Blicken Yojis, Kens und Ayas cool zu bleiben. Doch Omi war beim bloßen Gedanken an die Szene von den Zehenspitzen bis zum Haaransatz knallrot angelaufen. Plötzlich klingelte das Telefon. „Hallo hier spricht Birman, die Sekretärin Pershas. Ich soll ihnen den neuen Auftrag übermitteln. Morgen Abend ist die Gala in der Deutschen Botschaft. Ihr werdet euch dort umsehen. Eure Aufgabe ist es, Beweise für das Attentat an der Firma Fujimiya zu beschaffen. Aya, du wirst Aika und Maya einweisen. Bis bald!“ „Der Drogenskandal der Firma Fujimiya. Ich glaub, das war vor zwei Jahren, oder?“ Aika blickte in die Runde. Aya sprang auf und packte sie am Kragen. „Sprich nicht so über....“ „Ahhrg! Lass los!“, schrie Aika vor Schmerz auf. „Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?!“ Aya lockerte seinen Griff. „Tschuldigung. Ihr konntet ja nicht wissen, dass meine Eltern die Leiter der Firma waren.“ „OK. Dann werden wir uns mal nach Hause begeben Jungs. Es wird anstrengend werden, deshalb sollten Aika und ich uns jetzt ausruhen.“ Maya stand langsam auf. „Ach, ich hätte benahe vergessen euch darauf hinzuweisen, dass ihr ab heute im gleichen Block wie wir wohnt, 4 Zimmer!“ Ken drückte den Beiden jeweils einen Schlüssel für ihre neue Wohnung in die Hand. „Wunderbar! Endlich muss ich Mayas Geschnarche nicht mehr ertragen!“ „Juhuu! Niemals mehr irgendwelche Gruselaccessoires im Schlafzimmer!“ Sie riefen gleichzeitig und guckten sich dann verdutzt an. Kurze Zeit später betraten sie ihr Eigentum. Die Wohnung befand sich über Kens im dritten Stock, unter dem Dach. Aika stand im Wohnzimmer. Die Jungs hatten bereits ihr Zeug aus dem Hotel genommen und in die Schränke geräumt. Ein Zettel lag auf dem Bett: Eure Telefonnummer Auch Maya staunte nicht schlecht, als sie all ihre Habseligkeiten fein säuberlich im Schrank verstaut fand. Es wurde Abend und alle gingen schon vor 10 Uhr schlafen. Um bei dem Auftrag einigermaßen fit zu sein, wurde auch der nächste Tag behäbig angegangen. Maya stand zwar unter Schmerzmitteln, wollte jedoch nicht auf den Spaziergang mit Omi verzichten. Aika hingegen hing den ganzen Tag in der Gegend herum. Nachmittags trank sie eine Tasse Tee und schlief danach auf der Couch ein. Sie wurde erst von Mayas Gepolter geweckt, als diese ihre Klamotten ins Bad trug. Vor sich hingrummelnd stand Angel auf und machte sich ebenfalls für den Abend zurecht. Eine halbe Stunde später stand sie fertig angezogen und gestylt vor ihrer Zimmertür. Aika schaute auf ihre Uhr, kurz vor acht. Sie warf noch einen flüchtigen Blick in den Spiegel, dann verließ sie die Wohnung. Aya und Ken warteten bereits vor dem Haus. „Hi, Jungs, ich hol schon mal den Wagen, in Ordnung?“ Verwirrt starrten die beiden jungen Männer Aika an, die über der karierten Bundfaltenhose eine Rüschenbluse trug. Dazu hatte sie einen schwarzen Nadelstreifenblazer kombiniert. Ihre Haare waren gelockt. Die Schiebermütze leicht schräg aufgesetzt und an den Füßen extravagante camelfarbene Stiefel, das alles ließ sie noch taffer wirken als sonst. Aika verschwand um die nächste Ecke. Endlich kamen auch Omi, Maya und Yoji. Kurz darauf fuhr Aika mit ihrem nachtschwarzen Cabriolet vor. Alle stiegen ein. Eine halbe Stunde später standen sie am Empfang der Botschaft. Dank der gefälschten Einladungen, die Birman am Vormittag im Blumenladen verteilt hatte, war das Reinkommen kein Problem. Der Saal war randvoll mit Gästen aus aller Welt. Doch die Fünf hatten anderes als Feiern im Sinn. Aika und Maya fuhren mit dem Aufzug ins Kellergeschoss, während die anderen per Funk mit ihnen in Verbindung blieben. „Maya? Ich glaub hier ist es.“ Aika zeigte auf eine Tür. „OK. Lass uns sehen, was wir finden.“ Maya schritt auf die Tür zu. Ihr elegantes blaues Kleid aus purer Seide strich sanft um ihre Beine. Sie öffnete die Tür. „Die Luft scheint rein zu sein.“ Maya verschwand in dem Raum. Nach kurzem Zögern folgte Aika ihr. Das Zimmer war mit einem Sofa und zwei Sesseln ausgestattet. Auf der rechten Seite stand ein Schreibtisch, auf dem hunderte Akten gestapelt waren. „Oje, da haben wir ja einiges zu tun“, seufzte Maya. „Glaubt ihr wirklich, dass ihr so einfach davon kommt?" Crawfords Stimme ließ Aikas Herzschlag aussetzten. „Scheiße, wir sind ertappt!“, schoss es ihr durch den Kopf. Instinktiv drehten sich die beiden nach der Stimme um. Tatsächlich stand Crawford vor der Tür und stieß diese zu. Plötzlich sprang Schuldig aus dem Lüftungsschacht an der Decke. „Schön, dich wiederzusehen, Cat, sprich schon mal dein letztes Gebet!“ Schuldigs Lachen ließ Maya erschaudern. Aika hingegen zuckte nicht mal mit der Wimper, als Crawford mit gezogener Waffe auf sie zukam, sondern griff unter ihren Blazer und holte das Wakizashi hervor. Maya hatte derweil auch ihre Pistole gezogen und zielte auf Schuldig. Doch ihre Hand wollte nicht ruhig werden. Sie erinnerte sich an die schönen Erlebnisse mit Aika, ihre erste Begegnung mit den Jungs und an Aikas Predigt, kurz nachdem sie Saori Ginga ermordet hatten: „Entweder wir töten sie, oder sie töten uns ohne auch nur mit der Wimper zu zucken!" Aber sie musste jetzt in die Zukunft blicken, keine Zeit für Sentimentalitäten. Sie hatte diesen Entschluss getroffen. Jetzt hatte sie die Konsequenzen zu tragen. Ein Schuss ertönte und Aika rollte zur Seite. Sie hielt sich die verletzte Schulter. Maya schoss auf Schuldig, der wich aus, zog gleichzeitig seine Waffe, feuerte und traf Maya in die rechte Brust. Unter einem grellen Schmerzensschrei ging sie zu Boden. Aika drehte sich nicht nach ihr um, sondern schlug Crawford den Revolver aus der Hand. „A...Angel hilf mir. Es ist so kalt...“ Maya lag bewegungsunfähig auf dem Rücken. Aika drehte sich um. „Cat, mach keinen Scheiß, Mann!“ Doch bevor sie zu ihr rennen konnte, packte Crawford sie von hinten und drückte ihr ein Messer an die Kehle. „Lass mich zu ihr! Ich will zu Maya!“ Aika schlug wie wild um sich, bis sie sich losreißen konnte. Sie stürzte zu ihrer Freundin. Aus Mayas Mund lief ein dünnes Blutrinnsal. „Halt mich fest, Angel. Ich will noch nicht sterben.“ Sie hustete. Ein ganzer Schwall Blut spritzte aus ihrem Mund und traf Aika ins Gesicht. „Wer… wer hat das Licht ausgemacht! Angel, lass mich nicht allein! Angel!“ Mayas Körper wurde von einem Krampf gebeutelt. „Ich bin bei dir, Maya. Ich bin immer bei dir hörst du!“, Aika nahm ihre sterbende Freundin in den Arm und drückte sie an sich. Plötzlich erschlaffte Mayas Körper. Sie hauchte: „Danke, Ai... Danke für alles. Sa..Sag Bombay, ich… ich liebe ihn“ „Nein! Maya, mach die Augen auf! Sag was! Mach mich wieder fertig! Sei gefälligst gemein zu mir!“ Aika schrie den leblosen Körper ihrer Freundin an. „Sie ist tot. So wie du bald auch“ Schuldig hielt Aika von hinten fest. Sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken. Seine Hand umfasste ihren Hals. Doch plötzlich stieß Aika ihn von sich: „Soll ich jetzt etwa auf den Knien um mein Leben winseln, oder wie?! Maya ist selbst schuld, dass sie sterben musste. Aber ich bin nicht so naiv wie sie, darauf könnt ihr wetten!“ Mit einem Satz sprang sie an Schuldig vorbei, schlug Crawford in den Magen, stellte sich in eine Ecke und hob das Wakizashi. Aikas Augen hatten jeden Glanz verloren. Sie schien zu allem bereit zu sein. Mittlerweile hatten die Jungs bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Sie machten sich auf den Weg in das Gebäude um einzugreifen. Aika war derweil in den härtesten Kampf seit langem verwickelt. Crawford hatte sie entwaffnet und mit Handschellen an ein Rohr gekettet. Schuldig ging mit dämonischem Grinsen auf sie zu. Er hielt er ihre Waffe in der Hand. Langsam ließ Schuldig die Klinge an Aikas Kehle entlang gleiten. Er packte mit der anderen Hand ihr Kinn, zog ihren Kopf hoch und küsste sie. In Aikas Schädel schien sich alles zu drehen, Bilder aus ihrer Vergangenheit blitzten vor ihrem inneren Auge auf. Das war Schuldigs außergewöhnliches Talent. Der Schmerz des verletzten Arms trieb ihr die Tränen in die Augen. Schuldigs Lippen lösten sich wieder von den ihren. „Sich prügeln, morden, sich an Psychopathen ranschmeißen, benimmt sich so ein Mädchen wie du?“ Crawford schubste Schuldig weg. „Schäm dich!“ Eine Faust traf Aikas Schläfe und sie brach zusammen. Blut tropfte aus ihren Wunden auf den weiß gefliesten Boden. Sie rappelte sich auf und lehnte sich völlig erschöpft an die Wand. „Ich überlass das dir, Schuldig. Ich hab noch was zu erledigen.“ Crawford drehte sich um, packte Mayas Leichnam und verließ schmunzelnd den Raum. Aika hatte mittlerweile unbemerkt von Schuldig eine Buguk aus ihrem Hemd gezogen, an ihrer rechten Hand befestigt und die Fesseln gelöst. Als dieser nun nichtsahnend auf sie zu kam, riss sie den Arm nach vorn und bohrte ihm die spitzten Krallen in die Flanke. Die Jungs waren währenddessen auf der Suche nach den zwei Mädchen. Aika, deren Körper über und über mit Blut besudelt war, stand nun gebieterisch vor dem sich vor Schmerz krümmenden Schuldig. Die Klinge des Wakizashi hinterließ einen Abdruck in seinem Hals, als Aika es ihm an die Kehle drückte. „Hast du noch einen letzten Wunsch, bevor ich dich in die Hölle schicke?“ Aikas Worte bohrten sich in Schuldigs Kopf, ließen seinen Körper erbeben. Er richtete sich auf. „Stirb!“ Schuldig zog eine Pistole und zielte auf Aikas Brust. Diese sprang rückwärts durch die Tür und entwich mit einem Satz in den Lüftungsschacht. Sie kroch einfach geradeaus weiter. Völlig erschöpft kam sie aus der Öffnung außerhalb des Gebäudes. „Wo ist er nur...“ Aika kramt in ihrer Tasche, „ah, hier.“ Sie gab die Notrufnummer von Weiß in den Piepser ein. Sekunden später kam die Antwort: „Wir sind sofort bei dir!“ „Leute! Aika hat sich gemeldet. Sie ist draußen vor der Botschaft!“, Ken spurtete los. Als sie Aika endlich fanden, saß diese bereits in einer Blutlache, die sich um sie herum gebildet hatte. Omi stürzte auf Aika zu. „Wo ist Maya! Sag schon, wo ist sie?“ „Sie ist ums Leben gekommen, tut mir Leid.“ „Was?! Warum?! WARUM?! Weshalb hast du sie sterben lassen?!“ Omi packte Aika am Kragen ihres zerrissenem Hemdes und zog sie auf die Beine. Das Aufblitzen eines Dolches und ein metallisches Klirren durchbrachen die Dunkelheit. Omi lag auf dem Rücken, das Wakizashi hatte sich durch den Ärmel seines Smokings gebohrt und steckte jetzt knapp neben seinem Gesicht im Boden. Aika kniete schwer atmend über ihm. „Der einzige Schuldige bist doch du! Wer musste ihr denn den Kopf verdrehen!? Wer ließ sie vergessen, wie das wirkliche Leben ist!? Wer, wer!?“ Sie stand auf. Langsam ging Aika auf die Botschaft zu. Sie griff in ihre Tasche, holte eine Granate hervor und zog den Sicherungsbügel mit den Zähnen. „Bye, Schuldig!“ Sie warf die Granate durch das offene Kellerfenster. ____________________________________________________________________________________ Ich glaube, das war das letzte Kapitel, das ich vor einer längeren Pause geschrieben habe. Es ist deutlich blutiger als die ersten und es gefällt mir nicht wirklich vom Aufbau und den ganzen Schnulzszenen... aber ich glaube das geht jedem so, der seine Teenagergeschichten als Erwachsener nochmal liest^^ Würde mich freuen, euch bei Kapitel 6 wiederzusehen^^ Es bleibt spannend, versprochen!^^ Kapitel 6: Schwere Verluste --------------------------- Zwei Wochen waren vergangen, seit Maya gestorben war. Aika war seitdem nicht mehr im Blumenladen gewesen. Stundenlang starrte sie nur auf ein Foto aus Kindertagen, das die beiden mit ihren Familien zeigte. Sie hatte nicht geweint. Es ging ihr nämlich gewaltig gegen den Strich, schwach zu wirken. Sie schaltete den Laptop ein. Das Zeichen für neue Mail blinkte in der rechten oberen Ecke des Bildschirms. Aika öffnet sie. An Angel Ich habe erfahren, das Cat getötet wurde. Ich möchte deshalb mein Beileid aussprechen. Aber ich habe trotzdem einen neuen Auftrag für dich. Steige in die alte Fabrik am Stadtrand ein. Wir haben Informationen, dass sich Schwarz dort aufhält, oder aufgehalten hat. Überprüfe das! Weiß brauchst du diesmal nicht. Nur spionieren, nicht stürmen, das ist dein Auftrag! Verweile mit besten Wünschen, Persha. Ausdruckslos blickte Aika auf den Bildschirm. Sie war es leid, Pershas Marionette zu seinn. Dann schaute sie auf die Uhr. Bald Mitternacht. Sie zog ihre schwarze Arbeitskleidung an und nahm ihre Katana. Danach verließ sie die Wohnung. Aika fuhr mit ihrer Ninja zur Genius TTSC Fabrik am östlichen Stadtrand Tokios. Sie versteckte ihr Motorrad in einem Busch und kletterte über die Feuertreppe auf das Gebäude. Oben öffnete sie mit einem gezielten Tritt das Gitter über dem Lüftungsschacht. Aika befestigte einen Karabiner an einer alten Antenne, bevor sie sich durch den Schacht hinunterließ. Die nackten Wände und die ausrangierten Maschinen wirkten gespenstisch. Aika untersuchte alle Räume der Fabrik, bis sie in einem alten Abstellraum einen verdächtigen Schalter erkannte. Sie zog eine Magnum aus dem Holster an ihrem Gürtel. Dann drückte sie den Schalter. Wie durch Zauberhand schob sich die Mauer vor ihr zur Seite und gab den Blick auf ein voll eingerichtetes Büro frei. Vorsichtig betrat sie das Zimmer. Als Aika sich überzeugt hatte, dass der Raum "sauber" war, setzte sie sich an den Computer und schaltete ihn ein. Nachdem die üblichen Startbildschirme aufgeflackert waren, wurde nach dem Passwort gefragt. "Hmm, was könnte es sein? Wie würden Schwarz ihre Daten sichern? Ich habe zwei Versuche, sonst muss ich morgen wiederkommen." Aika legte ihre Finger auf die Tastatur. "Das Passwort hat vier Stellen, vielleicht ist es Schwarz in einer anderen Sprache? Ich versuchs mit Französisch" Sie gab Noir ein, doch die Anzeige blinkte rot. "Falsch... Ich probier' s mit Nagi, ist ja sowieso egal" Auch diesmal leuchtete das Dialogfeld rot. "Ich sollte mit entsprechendem Gerät zurückkommen. So und jetzt raus hier, bevor noch wer kommt!" Aika schaltete den PC ab und lief auf Zehenspitzen zu ihrem Seil, das unberührt durch den Schacht wieder nach oben führte. Sie klinkte sich ein. Dann warf Aika einen letzten Blick in die verlassene Halle, bevor sie sich nach oben zog. Als sie, wieder zu Hause, den Fernseher einschaltete lief gerade eine Sondersendung. Aika drückte auf den Lautstärkeregler. „Sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbrechen die laufende Sendung für eine Sondermeldung. Vor einigen Minuten wurde in der Tokioer Innenstadt ein Anschlag verübt. Dabei kamen nach neuesten Schätzungen über hundertfünfzig Menschen ums Leben. Vermutlich steckt eine verbrecherische Organisation dahinter. Zeugen wollten eine schwarzhaarige Frau und einen Mann zwischen 20 und 30 Jahren am Tatort gesehen haben. Die Polizei bittet alle Zeugen, sich bei der zuständigen Dienststelle zu melden. Wir halten sie über alles auf dem Laufenden“ Aika wurde durch lautes Klopfen an der Tür aufgeschreckt. Sie betrachtete kurz ihr Nachthemd, ganz so, als würde sie daran zweifeln, ob man um zwei Uhr Nachts so rumlaufen dürfte. Sie schlenderte zur Tür und riss diese mit einem Ruck auf. Vier entgeisterte Gesichter schauten ihr entgegen. „Scheiße Mann, was macht ihr hier um diese Zeit, habt ihr Notstand?“ Aika trat einen Schritt zur Seite. Omis Blick fiel auf dem Fernseher. „Hast du den Bericht gesehen?“ Aika starrte ihn bloß an. Aya stieß sie. „Hat‘ s dir die Sprache verschlagen, oder warum antwortest du nicht?“ „Ich brauch nen Entschlüssler, am besten gleich!“ Sie schaute Omi an. „Wozu? Was hast du vor?“ Er wirkte ernst. „Kann dir sonst wo vorbeigehen, Kleiner!“ Aika ging zu ihrem Schrank. „Ich kann ihn dir nicht geben, weil..“, weiter kam er nicht. Aika hatte ihr Wakizashi gezogen und ihn niedergestreckt. Wieder drückte sie ihm die Klinge an den Hals: „Du machst, was ich dir sage, sonst bist du nen Kopf kürzer!“ „Ok...ok, ich gebe ihn dir!“ Omi wollte keinen Ärger. Als Aika aufstand, erkannte sie, dass Ken sich auf sie stürzen wollte und rammt ihm ihr Knie in den Magen. Dann packte sie Omi und schleifte ihn zu seiner Wohnung ein Stockwerk höher. Dort drückte er ihr ein Gerät in die Hand. Aika presste ihren Daumen an eine Stelle an seinem Hinterkopf, bis sie spürte, dass er ohnmächtig wurde. Danach legte sie ihn aufs Bett und rannte hinunter in ihr Apartment. Dort warteten die anderen Jungs. Aya griff sie an und fand sich Sekunden später auf dem Boden unter ihr wieder. Yoji hatte den Arm um ihre Kehle gelegt und Ken versuchte, ihre Hände zu fesseln. Doch plötzlich jagte ein stechender Schmerz durch Ayas Körper. Aika drückte ihre Schenkel gegen seinen Brustkorb. Er bekam fast keine Luft mehr. In diesem Moment schlug sie dem durch Ayas Schreien abgelenkten Ken gegen den Kopf, worauf dieser benommen zu Boden ging. Yoji ließ sich nicht beirren. Er hatte es geschafft, einen Sleeperhold anzusetzen, bei dem man so lange Druck auf die Halsschlagader ausübt, bis das Opfer wegen Sauerstoffmangels ohnmächtig wurde. Tatsächlich lockerte Aika die Schenkelschraube an Ayas Brustkorb. Mit beiden Händen versuchte sie sich aus Yojis Griff zu entwenden, doch dieser verstärkte den Druck nur noch. Langsam kroch ein Taubheitsgefühl in ihr hoch. Aikas Körper erschlaffte und Yoji zog sie an seine Brust, weg von Aya. Dieser hatte sich Sekundenbruchteile später Aikas Wakizashi geschnappt, mit dem er sie nun bedrohte. Yoji hatte den Griff gelöst, sodass seine Arme nur locker über Angels Schultern lagen. „Ich sollte dir die Kehle durchschneiden, dann wären wir dich und deinen Wahnsinn los!", schrie Aya. Plötzlich schnellte Aikas Hand vor, packte das Heft des Wakizashi und drehte ihm die Waffe aus dem Griff. Yoji, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, hatte einen gezielten Ellenbogenschlag in die Mitte seiner Stirn bekommen und sank neben Ken zu Boden. „Tut mir leid, Jungs, aber ich muss allein gehen.“ Sie wendete sich zum Gehen. Aya packte sie unsanft am Arm. „Wir sind noch nicht fertig. Glaubst du, ich lass dich einfach so abhauen? Auf Befehlsverweigerung und Missachtung steht die Todesstrafe!“ Aika warf ihn über die Schulter, verdrehte seinen Arm und sagte mit bedrohlicher Stimme: „Willst du dich mir in den Weg stellen? Dann mit allen Konsequenzen!“ Ein weiterer Kampf entbrannte, bei dem Aya wieder unterliegen sollte. Angel hatte ihn regelrecht zusammengeprügelt, bis er nur noch röchelnd auf ihrem Teppich lag. Sie beugte sich über ihn und betrachtete die Platzwunde über seinem linken Auge, aus der langsam Blut auf den Boden tropfte. „Du saust mir den schönen Teppich ein!“ Aya versuchte etwas zu erwidern, aber seine Kraft reichte nicht aus. Aika legte ihm den Finger auf die Lippen. „Schhht. Ich hab jetzt keine Zeit für Grundsatzdiskussionen. Schlaf ein bisschen.“ Damit drückte sie auch ihm den Daumen an eine Stelle am Hinterkopf, bis er ohnmächtig war. „Die Kopfschmerzen lassen sich leider nicht vermeiden“, mit diesen Worten machte sie sich fertig für ihren kleinen Trip. Einige Minuten später stand sie wieder auf dem Dach des TTSC Gebäudes. Mit dem Seil ging es abermals ins Innere der Fabrik. Ihre Bikerboots machten fast kein Geräusch, als sie den Geheimraum betrat. Aika verkabelte das Entcodiergerät fachmännisch mit dem Rechner und schaltete den PC an. Wieder kam der Passwortbildschirm. Doch diesmal übernahm das Entschlüsselungsgerät die Arbeit. Buchstabenreihen wurden abgeklappert und an Stelle eins stand ein M. Gespannt wartete Aika auf die weiteren Buchstaben. An zweiter Stelle stand ein A. Ein Geräusch in der Fabrik ließ Angel herumfahren. Mit gezogener Magnum schlich sie in Richtung Tür, blickte sich mehrmals nach allen Seiten um und kam zum Schluss, dass es wahrscheinlich nur ein paar Ratten waren. Sie ging zurück zum Schreibtisch. Der Entschlüssler war fertig. Aika fiel der Mund auf: „Das Ding muss kaputt sein!“ Auf dem Display stand ein Name, den sie nur zu gut kannte. Mit zitternden Finger gab sie die Buchstaben nacheinander ein: M, A, Y, A. Ein kurzes Pipen, dann erschien ein grünes Dialogfeld auf dem Bildschirm. Acces granted Ein blaues Flackern erhellte den Raum, bevor ein Begrüßungsdialog auf dem Schirm erschien. „Willkommen Benutzer Maya Tenno! Sie haben eine neue Nachricht!" Geschockt klickt Aika auf das Postzeichen. Das E-Mail Programm fuhr hoch. Es war eine Antwortmail, bei der der Text der vorigen Mails noch darüber stand: „Hallo Cat, Operation Tod und Wiedergeburt wird planmäßig bei der Gala in der Botschaft durchgezogen. Crawford und Schuldig sind eingeweiht, vergiss den Farbbeutel nicht. Wir sehen uns drei Wochen nach deinem Untertauchen in der Basis. Gib davor keine Informationen Preis, auch nicht an Crawfords „Schwarz-Truppe“ Aika schien, es als hätte sich gerade ein Schwall eiskalten Wassers in ihrem Körper ergossen. Gedankenverloren schob sie einen USB_Stick in den Computer. Als sie die Mail gespeichert hatte, nahm sie das Modul wieder an sich. Sie wollte gar nicht wissen, was noch alles in diesem Rechner versteckt war, trotzdem klickte sie einige Ordner an, um mehr zu erfahren. Doch plötzlich fiel der Strom aus. „Macht es Spaß, in fremden Sachen zu wühlen?“ Erschrocken wirbelte Aika herum. Im Dunkel war nichts zu erkennen. Aber sie konnte Schritte von mehreren Personen hören. Sie tastete nach ihren Waffen, als ein kalter Gegenstand an ihre Schläfe gedrückt wurde. Das Licht ging wieder an. Maya stand direkt vor ihr, in der Hand eine Glock, deren Mündung direkt an Aikas Kopf anlag. Doch sie blickte ebenfalls in den Lauf einer Waffe, Angels Smith & Wesson. Hinter Maya standen Nagi und Farfarello, die ohne einen deutbaren Ausdruck auf ihren Gesichtern die Szene beobachteten. „Warum lebst du noch?", zischte Aika. "Freust du dich denn nicht, mich wieder zu sehen?“, schauspielerte Maya. „Spar dir dein Gesülze! Wie lang ist es her, dass Takatori dich gekauft hat? Was war der Preis? Ein sorgloses Leben, sobald du alle getötet hast? Oder hattest du einen netten Fick mit Schuldig?“ Aikas Stimme hallte von den kahlen Wänden wider. Demonstrativ spannte Maya den Hahn ihrer Pistole. „Pass auf, was du sagst, sonst blas ich dir ein Loch in deinen Schädel, bevor du überhaupt dran denkst, mir eine Kugel zu verpassen!“ „Lassen wirs drauf ankommen“, knurrte Aika und drückte ebenfalls mit dem Daumen den kleinen Hebel hinunter. „Ok. Ein Kampf Frau gegen Frau. So kannst du wenigstens ehrvoll sterben. Wir kämpfen in der Eingangshalle der Fabrik! Jay, Nagi, ihr passt auf, dass sie mir nicht hinterrücks eine Kugel in mein hübsches Köpfchen jagt!“ Die beiden nahmen Aika in ihre Mitte. So schritten sie im Gänsemarsch in Richtung Eingangshalle. Dort angekommen befahl Maya ihren Begleitern zu gehen. „Ich schaff das alleine. Wir treffen uns in zwei Stunden im neuen Hauptquartier!“ Nun standen sich die ehemaligen Freundinnen im Kampf gegenüber. Wie auf Kommando zogen sie gleichzeitig ihre Pistolen. Mayas Kugel verfehlte nur knapp Aikas Ohr, die geistesgegenwärtig noch ihren Kopf zur Seite geneigt hatte. Sie schoss Millisekunden später und traf einen der beiden Zöpfe Mayas. Einige Strähnen fielen zu Boden und es roch kurz nach verkokelten Haaren. „Du Miststück!“, schrie Cat und ließ eine Kugelsalve in Aikas Richtung hageln. Angel hatte sich mit einem Rückwärtssalto hinter einer rechteckigen Betonsäule in Sicherheit gebracht. Als sie das leere Klicken von Mayas Pistole hörte, ergriff sie ihre Chance und stürzte schießend aus ihrem Versteck und hechtete sofort hinter die nächste Säule. Totenstille. Vorsichtig schob sie sich mit dem Rücken am Beton um die Ecke des Stützträgers. Sie konnte gerade noch den Lauf der Pistole mit einer schnellen Handbewegung zur Seite schlagen, sodass die Kugel eines der milchigen Fenster am Ende der Halle durchschlug. Bevor Maya wieder zielen konnte, rannte sie hinter den Säulen entlang und warf sich hinter einen umgestürzten, stählernen Transportkarren. Immer wieder feuerten Cat und Angel aufeinander, bis ihnen die Munition ausging. Aika hörte wie Maya ihre Pistolen wegwarf. Eine Klinge wurde gezogen. Angel stand auf und ging langsam auf die Mitte der Halle zu. Sie hatte die Katana vom Haltegürtel an ihrer Hüfte genommen. Die schwarzrote Schwertscheide glänzte matt im schwachen Schein der Fabriklampen. Auch Maya kam ins Zentrum der Halle geschritten, ihren chinesischen Offizierssäbel in Abwehrhaltung vor der Brust. In drei Metern Abstand hielt sie inne. Aika hob ihre Katana vor die untere Hälfte ihres Gesichtes. Langsam zog sie die schimmernde Klinge aus der Schwertscheide. Danach warf sie letztere zur Seite und ging in die Angriffsposition über. Minutenlang belauerten sich die beiden, bis Maya ihren Angriff startete. Mit einem sanften Wink lenkte Aika ihren Hieb ab. Diese Prozedur wiederholten sie noch einige Male, aber nie gelang es Cat, Angel auch nur zu berühren. Da griff Aika plötzlich an und Maya hatte Mühe und Not, deren Schläge zu parieren. Ein Streich traf sie an der Schulter. Ihr Ärmel wurde entzwei geschnitten und ein dickflüssiger Strom von Blut lief aus eine langen Schnittwunde an der Außenseite des Armes hinab. Maya stolperte zurück. „Ich, ich hätte nicht geglaubt, dass du fähig bist, mir etwas zu tun, aber die Spielchen sind jetzt ein für alle mal vorbei! Eine hab ich noch!“ Blitzschnell zog sie eine ihrer Pistolen aus dem Holster und schoss. Aika stürzte zu Boden, die Hände auf der Brust. Langsam hob sie ihre Finger vor die Augen. Blut klebte an ihnen. Sie war getroffen. „Scheiße, zu weit rechts!“ Mayas Stimme hallte durch den riesigen Raum. Aika krümmte sich vor Schmerz. Die Kugel steckte in ihrer Brust, schien die Lunge aber nicht erwischt zu haben. Langsam drehte sie sich auf den Bauch um sich mit den Händen abzustützen. Doch Maya trat ihr auf den Rücken, sodass Aika unsanft wieder zu Boden geschmettert wurde. Langsam wurde ihr Blick unklar, der Blutverlust zeigte seine Wirkung. Ihr Blick haftete auf ihrer Katana, die nur drei Meter entfernt lag, und doch schien es ihr, als wären das drei Kilometer. Sie würde hier sterben, dieser Gedanke brannte sich in ihr Bewusstsein. „Wie möchtest du ins Jenseits befördert werden? Soll ich dir die Kehle durchschneiden, dich enthaupten oder doch lieber zwei präzise Stiche in Herz und Lunge? Ach was, warum frag ich eigentlich? ICH will, dass du qualvoll stirbst! Letzteres hört sich verlockend an! Steh auf!“ Maya schlug ihr mit dem Fuß in die Seite. Taumelnd stand Aika auf, nur um dann sofort wieder von einem Fußkick auf den Rücken geworfen zu werden, direkt neben ihre Katana. „Ich vermiss dich jetzt schon!“ Maya stieß siegessicher ihr Schwert auf Aikas Brustkorb hinab, wurde jedoch eines besseren belehrt als diese ihren Hieb mit der flachen Seite ihrer Katana blockierte. Zielsicher traf Angels Fuß Cats Kniekehle und ließ sie zu Boden gehen. Mit letzter Kraft stand Aika auf hob ihr Schwert mit zitternden Händen: „Du, du fehlst mir jetzt schon! Hya!“ Mit einem Schrei stieß sie die Katana durch die Brust ihrer ehemaligen Freundin. „Du, du Miststück! Ich, ich werde dich töten!“ keuchte Maya während sie sich kniend versuchte aufzurichten. Aika zog ihr die Klinge blitzschnell aus der tödlichen Wunde, legte sie an Cats Kehle und sagte: „Ich bin kein Unmensch wie du, ich erleichtere dir deinen Abschied!“ Damit riss sie das Schwert zur Seite. Ein Schwall Blut spritze aus der Wunde und breitete sich als riesige Lache auf dem staubigen Boden aus, während Maya rücklings umfiel. Aika schleppte sich zur Hallentür. Mit knapper Not erreichte sie ihre Ninja, auf der sie trotz Fahruntauglichkeit nach Hause brausen wollte. Quietschend hielt sie vor der Siedlung und taumelte die Treppen hinauf. Sie krallte sich an vermeintlich ihre Tür und versuchte diese aufzusperren. „Warum passt der verdammte Schlüssel nicht?!“ Sie stützte sich am Türrahmen ab, taumelte und drückte versehentlich die Klingel. „Mist, es ist drei Uhr nachts und ich komm nicht in meine Wohnung!“ Plötzlich ging die Tür auf und ein verschlafener Yoji stand mit aufgerissenen Augen in der Tür. „Asuka!“ Er warf sich Aika um den Hals und küsste sie leidenschaftlich. Wenn man Yoji kannte, wusste man, dass er manchmal unter Halluzinationen litt, bei denen er in manchen Personen seine ermordete Freundin Asuka sah. Meist fiel er Omi um den Hals, der sich schon zu wehren wusste. Aber die angeschlagene Aika hatte so viel Liebe nichts entgegenzusetzen, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie wollte nur eins: schlafen. Yoji drückte sie unter Liebkosungen an sich. Erst als ihre Beine endgültig den Dienst versagten und sie zusammensank, kam er in die Realität zurück. „Wer? Oh! Ai...Aika! Verdammt, was?“ Er hob sie hoch und trug sie in seine Wohnung. Er legte sie in die Badewanne und brauste sie eiskalt ab. „Ahh!“, Aika wachte auf. Irritiert blickte sie sich um. „Wo bin ich?“ „In meiner Wohnung, Schätzchen. Aber eigentlich sollte ich dich sofort wieder rauswerfen!“ „Kei...keine Sorge! Ich geh von allein!“ Sie richtete sich auf und stieg aus der Wanne. Worauf ihre Beine wegknickten. Yoji fing sie auf: „Bist du nicht ganz richtig? Du hast ne Kugel in der Brust! Ich bring dich zu Hayate, einem Arzt. Wenn er genügend Yen sieht, schweigt er.“ Kurze Zeit später waren sie bei Hayate. Yoji zahlte eine hohe Summe, worauf der Arzt Aika eine Narkosespritze in die Schulter stach. Zwei Stunden später waren die beiden auf dem Heimweg. „Du schuldest mir was, Schätzchen! In ner halben Stunde dämmert es, ich bin hundemüde und hab ein Vermögen bei Hayate gelassen.“ „Was könnte ich schon für dich tun?“ Aika blickte ihn aufrichtig an. Yoji parkte sein Auto wieder in der zuvor verlassenen Parklücke. Er trug Aika in seine Wohnung und legte sie aufs Bett. Sie hatte eines seiner Hemden und eine seiner Boxershorts an. Yoji wollte sich gerade auf der Couch ausstrecken, als er Aikas Stimme hörte: „Komm doch einfach ins Bett. Ich hab nichts dagegen.“ Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Als Yoji sich zugedeckt hatte, spürte er Aikas Hände an seiner Brust. „Sie ist tot, ich habe sie getötet!“ „Wen?“, fragte er. „Maya. Sie wurde nicht von Schuldig erschossen. Alles war gespielt. Sie hat für Takatori gearbeitet. Aber wir sind nicht aufgeflogen. Sie hätte sich erst nächste Woche mit dem Schwein getroffen. Heute Nacht traf ich sie in der TTSC Fabrik. Sie wollte mich töten, aber ich kam ihr zuvor. Ihre Leiche ist noch dort.“ Yoji strich ihr übers Haar. „Mach dir keinen Kopf. Alles wird gut.“ Sie spürte seinen Atem an ihrem Hals. „Yoji?“ „Hm?“ „Was machst du da an meinem Hemd?“ „Nur die Knöpfe auf.“ „Abemmm...“ Er legte ihr die Hand auf den Mund. „Schht. Lass mich nur machen“ Kaum gesprochen war er über ihr. Yoji öffnete den letzten Knopf in der Mitte des Hemds und entblößte Aikas Oberkörper. Die wollte gerade protestieren, kam jedoch durch einen Kuss nicht dazu, auch nur einen Ton zu sagen. Sie fühlte, wie Yoji ihr die Boxershorts auszog. Unweigerlich viel ihr Blick auf seinen nackten, knackigen Oberkörper. Während er sie küsste, kramte Yoji mit einer Hand im Nachtkästchen um ein Kondom zu finden. „Eigentlich sieht er ja ganz lecker aus, also warum nicht....“ Im nächsten Moment schien ihr ganzer Körper von einem prickelnden Gefühl beherrscht zu sein. Er hatte sie doch nur geküsst, wieso kribbelte es überall? Sie griff an seine Shorts und zog sie ihm aus. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Aika fasste hinter seinen Kopf und drückte Yoji an ihren Körper. Was für ein Gefühl! Sie spürte, wie sehr er sich bemühte um sie nicht zu verletzen. Da packte sie ihn abermals und küsste ihn, bis sie keine Luft mehr hatte. „Was hat dich denn geritten, so nett zu sein?“, keuchte er überrascht. „Ich hoffe du. Schließlich hast du ne Menge für mich gezahlt!“ Er musste unweigerlich lächeln. „Ich wusste ja nicht, dass du das SO verstehst.“ Aika zog sich an ihm hoch und knurrte ihm ins Ohr: „Wenn du deine Zeit mit Quatschen verbringen willst, bitte, dann reden wir!“ „Du bist ganz schön frech, Babe!“ Yoji drückte sie sanft wieder in die Kissen, um fortzusetzen, was er begonnen hatte. Kapitel 7: Die Neue ------------------- Als Aika am nächsten Morgen aufwachte, schien ihr die vorherige Nacht wie ein Traum. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass alles nicht passiert war. Sie war jetzt fast ein Jahr in Japan. In ein paar Tagen würde sie siebzehn werden. Aika blickte auf Yoji hinunter. Er schlief. Sie verspürte den Wunsch, ihm durch die Haare streichen zu müssen. Sein Arm lag immer noch in beschützender Geste um ihre Taille. Yoji war in Ordnung, aber sie liebte ihn nicht wie einen potenziellen Ehemann. Nein, sie liebte ihn eher wie einen Bruder. Aika hoffte, dass er nun das bekommen hatte, was er wollte. Seine Anmachversuche würden ausbleiben, schließlich wurde jede Frau nach einmaliger Eroberung für ihn uninteressant. Seit Asuka getötet worden war, suchte Yoji nach jemandem, der sie ersetzten konnte, doch Aika wusste, dass er keine finden würde. Sie kroch aus dem Bett, zog ihre mittlerweile wieder trockene Arbeitskleidung an und schrieb ein paar Worte auf einen Notizzettel: Morgen Yoji, muss Persha Bericht erstatten. Wir sehen uns um halb 10 im Blumenladen. Danach verließ Aika sein Apartment um in ihrer Wohnung eine E-Mail an den Auftraggeber zu verfassen. Kurze Zeit später erhielt sie eine Antwort von Manx: „Du hast Glück, dass Dir nichts weiter passiert ist, sonst wäre am Ende noch alles aufgeflogen und Weiß hätte sterben müssen! Dies ist meine letzte Warnung. Unternimmst Du noch mal eigenmächtig Missionen irgendeiner Art, dann erwartet dich der Tod. Ich komme heute Abend zum Laden, dann erhaltet ihr euren nächsten Auftrag. Manx Aika duschte und zog sich eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit dem Logo einer Band an. Dann legte sie ein wenig Wimperntusche und Lipgloss auf. Als Aika in den Spiegel schaute, merkte sie, dass ihr Haar um einiges gewachsen war. „Irgendwie gefällts mir so fast besser“, dachte sie und strich sich eine vorwitzige Strähne aus den Augen. Gemächlichen Schrittes machte Aika sich dann auf den Weg zum Kitten in the house. Wie immer musste sie sich durch eine schier endlose Menge Schulmädchen kämpfen. Ab und zu fragte ein Junge, wo denn Maya abgeblieben sei. Aika maulte ihn daraufhin sofort an, er solle sich sonst wohin scheren. Endlich im Laden, wurde sie sogleich von Aya empfangen. Er bedeutete ihr, mit ins Lager zu kommen. „Guten Morgen, Ay.“ Da schlug es ein. Aika fiel rücklings in einen Stapel Torfsäcke, und als ob das noch nicht genug gewesen wäre kippten ihr auch noch zwei mit Blumen und Zierkraut gefüllte Eimer über den Kopf. Benommen blieb sie liegen. Aya ging neben ihr in die Hocke. Er rieb sich die Fingerknöchel. „Verdammt, hast du nen harten Schädel!“ „Spar dir die dummen Sprüche! Wofür war das eben?“ Bam, er hatte die andere Gesichtshälfte getroffen. „Aua, willst du mich entstellen? Soll ich etwa mit zwei blauen Augen im Laden stehen und die Kundschaft verschrecken?“ „Die erste war für gestern Nacht. Die zweite für deine dumme Frage!“ Sie stand auf. Aya, der ihr den Rücken zugedreht hatte, hielt kurz inne, dann ohne Vorwarnung traf Aika der dritte Fausthieb. Wieder fiel sie zu Boden. Ihre Brust schmerzte fast unerträglich. „Schlägst du gern Frauen?“ „Nein, aber du hast’ s einfach verdient! Die Letzte war für Maya, und weil du nicht bemerkt hast, was sie für ein Spiel abgezogen hat!“ Aya streckte ihr die Hand hin. Aika drehte sich demonstrativ zur Seite. Da packte Aya sie einfach und hievte ihren Körper in die senkrechte Position. „Woher weißt du von Mayas Tod?“, fragte sie, aber eigentlich hätte sie sich die Antwort selbst geben können. „Yoji“, sagte er knapp. Das Gefühl der Kälte breitete sich wieder in ihrem Magen aus, gefolgt von einem nicht zu unterdrückendem Brennen in den Augen und einem seltsamen Druck im Hals. Aika spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Erst jetzt schien sie zu realisieren, dass ihre ehemalige Freundin nie wieder kommen würde. Nun war die sonst so coole Aika Tadano plötzlich mutterseelenallein auf der Welt. Aya starrte sie nur hilflos an. So hatte er Aika noch nie gesehen. Ein Zittern durchlief sie von Kopf bis Fuß. Er kämpfte mit sich selbst. Konnte es ihm nicht egal sein, was sie fühlte? Unbeholfen versuchte er, Aika zu trösten, die daraufhin in seinen Armen zusammenbrach und ungehalten weinte. Aya sank ebenfalls auf die Knie. Sie tat ihm Leid. Wie oft hatte er sich gewünscht, dass jemand ihn tröstete, wenn er traurig war. Aya hielt Aika ganz fest an seiner Brust, bis er spürte, dass sie sich beruhigte. „Sorry Aya-kun, ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.“ Zwei verheulte, glänzende Augen schauten ihn an. „Ist schon in Ordnung.“ Aya mied Aikas Blick. Sie stand auf. „Lass uns arbeiten gehen.“ Stunden später, es dunkelte schon draußen, machten die vier Jungs und Aika den Laden dicht. Omi saß still in einer Ecke. Er hatte den ganzen Tag recht wenig gesprochen, der sonst so fröhliche Junge lächelte nicht. Yoji wischte gedankenverloren immer und immer wieder eine Tischplatte sauber. Er schien angestrengt über etwas nachzudenken. Ken war ebenfalls nicht sonderlich gut aufgelegt. Einige Kinder waren enttäuscht gewesen, als er sie nicht zum Fußballspielen begleiten wollte. Aika kehrte das Grünzeug vom Boden auf einen Haufen und Aya stellte eine Tagesbilanz auf. Es musste sieben Uhr sein, als ein Klopfzeichen an dem Wellblechtor ertönte. Manx betrat den Laden. „Hallo zusammen!“, trällerte sie. „Ihr habt Arbeit!“ Manx legte vier Eintrittskarten auf den Tisch. „Äh, Rumble Rose Entertainment? Wir sollen zum Wrestling?“ Ken zog eine Augenbraue hoch. „Warum nur vier Karten?“, fragte Aika. „Die Jungs gehen als Zuschauer hin, keine Aktionen, außer, wenn von mir befohlen, klar Omi?“ Pershas Sekretärin wendete sich dem Kleinsten von Weiß zu. „Dann hat mein Fehler mich für heute wohl disqualifiziert…“ Aika zog ihre Schürze aus und warf sich ihre Lederjacke über. „Ich geh dann mal. Lasst euch nicht killen!“ Sie wollte gerade das Tor öffnen, als Manx mit etwas schärferem Ton sagte: „Du bekommst die Chance, deinen Fehler auszubügeln, deshalb wirst du als aktive Wrestlerin mitmischen. Dein Ziel ist das Finale!“ „Aber ich kann doch gar nicht wresteln!“ Aika drehte sich entsetzt um. Doch Manx warf ihr nur eine Tasche vor die Füße. Verdutzt hob Aika sie auf und holte einen schwarz-roten Dress heraus. „Dein Wrestlingoutfit. Du bist als „Demon Lady“ angemeldet. Wenn alles nach Plan läuft, triffst du im Finale auf „Screaming Nicki“. Du verursachst einen „kleinen Unfall“, brichst ihr das Genick oder so was.“ „Aber warum? Sie ist doch kein Mitglied von Takatoris Gang, oder?“ Aika blickte etwas verwundert in die Runde. „Sie bezieht Aufputschmittel aus einer der von Takatori kontrollierten Pharmafirmen. Diese verkauft sie im großen Stil an andere Sportlerinnen und hält so das Zepter für diesen Teil Tokios in der Hand. Außerdem ist sie eine der Hauptkontaktpersonen Takatoris. Sie ließ einige ihrer ehemaligen Kunden auffliegen, weil diese zu viel herausgefunden hatten. Diese wurden dann unverzüglich eliminiert, aber nicht von Schwarz, die würden sich die Finger wegen solchen „Kleinigkeiten“ normalerweise nicht schmutzig machen. Wenn wir sie töten, könnte sich für uns eine Chance auftun, im Drogenmilieu leichter Nachforschungen anzustellen. Mehr kann ich euch nicht sagen. Der Kampf findet im Casino Palace statt. Um halb neun geht’s los. Ich werde euch beobachten! Wir treffen uns nach dem Kampf in der Umkleide von Aika! Bis dann!“ Manx ließ ein schelmisches Lächeln aufblitzen, bevor sie das Tor hinter sich schloss. Skeptisch blickte Aika auf ihren Dress. „Der Body ist ja wirklich cool, aber die Maske ist der blanke Horror!“ „Warum? Hast du Angst, dass sie deinen Teint ruiniert?“, witzelte Ken. „Grrr! Willst du mich ärgern?! Es geht einzig und allein darum, dass man in diesem Stoff verdammt schnell schwitzt! Das ist nicht sexy!“, erwiderte Aika übertrieben gespielt. Endlich ließ auch Omi ein leises Glucksen vernehmen. Aika ging auf ihn zu und drückte Omi etwas in die Hand. „Das ist ein Polaroid von dir und Maya, an dem Tag gemacht, als wir zum ersten Mal hier gearbeitet haben. Behalt sie so in Erinnerung, wie sie damals war“, lächelte Aika gütig. Omi blickte sie mit Tränen in den Augen an. „Danke! Ich, ich vermisse sie so! Warum hat Maya sich gegen uns gewendet?“ Sie nahm ihn in die Arme: „Ich weiß es nicht, Kleiner. Aber ich verspreche dir, dass ich es irgendwann rausfinde. Und Gnade Schuldig, wenn er ihre Gedanken manipuliert hat!“ Aika küsste Omis Stirn. „Ich geh und hol mein Auto. Aika, es ist besser, wenn du deine Ninja nimmst.“ Yoji nahm ihre Hand und zog Aika hinter sich aus dem Laden. Die drei anderen schauten sich verdutzt an. „Hab ich was verpasst?“ Ken blickte Aya fragend an. Der zuckte bloß abwesend mit den Schultern. „Yoji, warte doch!“ Aika stolperte hinter ihm her. „Ich muss dir etwas sagen.“ Er blieb stehen. „Was denn?“ „Bitte sei mir nicht böse, aber wir können nicht, du weißt schon…“ Yoji suchte nach passenden Worten. „Zusammen sein?“, ergänzte Aika. „Ja, genau das wollte ich sagen“, stammelte er. „Keine Sorge, ich weiß schon, um was es geht. Ich für meinen Teil hab dich lieb, Yoji, aber ich denke eher wie einen verflucht netten Kumpel! Vielleicht wirst du irgendwann über Asukas Tod hinweg kommen und wieder vollkommen glücklich sein dürfen!“ Aika umarmte ihn, bevor sie die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf sprang. Total perplex starrte Yoji ihr hinterher und dachte: „Ich kapier mein Schätzchen einfach nicht!“ Kurze Zeit später waren die vier Jungs auf dem Weg zur Stadtmitte. Aika war schon vorgefahren, man sollte sie nicht zusammen sehen. Die Halle war zu drei Vierteln gefüllt, als Omi, Aya, Ken und Yoji zu ihren Plätzen gingen. „Dritte Reihe von unten“, las Ken von der Eintrittskarte ab. Dort angekommen nahmen sie Platz. Ein Ringsprecher moderierte das Ereignis: „Willkommen, meine Damen und Herren! Ich bin Makoto Tzunoki und werde die Kämpfe heute Abend für sie kommentieren. Als erstes stehen zwei Royal Rumble an! Das heißt 12 Wrestlerinnen in einem Ring! Um auszuscheiden, muss das jeweilige Mädchen über das oberste Seil aus dem Ring geworfen werden, erst wenn jemand mit beiden Füßen den Boden berührt, ist er draußen! Wer als letzte im Ring steht, wird gegen die Vorrundensiegerin antreten! In fünf Minuten geht’s los! Viel Spaß!“ „Den werden wir haben, denk ich.“ Alle vier Köpfe der Jungs wendeten sich zur Seite. „Manx, wir haben dich gar nicht kommen sehen!“ Yoji grinste sie an. „Ich werde mir doch nichts entgehen lassen. Schließlich kann ich Aika endlich einmal in Aktion erleben!“ Diese stand derweil noch in der Umkleide vor dem Spiegel. Sie hatte sich gerade die Maske über den Kopf gezogen. Es waren nur Löcher für Augen, Nase, Ohren und Mund vorhanden. Hinten fiel Aikas blondes Haar fliesend auf ihren Rücken. Die flachen, kniehohen Stiefel waren sehr bequem und das beruhigte Aika ungemein. Nichts war schlimmer, als mit Pfennigabsätzen kämpfen. Sie hörte ihren Aufruf und rannte in die Halle. Eines ihrer Lieblingslieder wurde eingespielt. Für einen Augeblick fühlte sie sich unbesiegbar, dann fiel ihr Blick auf den Ring, in dem sich bereits elf andere Wrestlerinnen warm hüpften. Als Aika zu ihnen stieg, bemerkte sie einen Größenunterschied von mindestens 15 cm. Sie schluckte schwer, doch da erklang der Gong. Gerade noch konnte sie einem Hieb ausweichen. Das Publikum johlte, als die erste übers oberste Seil flog. Aika blockte den nächsten Hieb der leicht bekleideten Frau ihr gegenüber mit einer schnellen Handbewegung ab. Diese konnte kaum reagieren, als ihr der Arm in einer Weise verdreht wurde, die sie zwang, von selbst aufs Seil zu steigen. Aika ließ los und schubste die Frau nach draußen. Plötzlich spürte sie, wie ihr die Füße weggezogen wurden und jemand dadurch versuchte, ihren Körper über die Ringbegrenzung zu werfen. Mit einem spinning heel Kick machte sie die Angreiferin im blauen Dress unschädlich. Derweil waren die meisten Konkurrentinnen bereits im Aus gelandet. Nur noch vier Wrestlerinnen standen im Ring. Eine von ihnen war mindestens zwei Meter groß und viermal so schwer wie die anderen, auf ihrem Dress stand „Big Mama“. Wie als wenn sich die anderen zwei Kämpferinnen mit Aika abgesprochen hätten, griffen sie zu dritt an. Leider wurde die eine mit dem Namen „Amazing Kitty“ von der Tonne aus dem Ring geworfen. Nach schier endlosen Scherereien und einigen einkassierten Schlägen war es den beiden verbleibenden dann doch gelungen „Big Mama“ ins Aus zu befördern. Nun sah sich Aika einer großen Frau in einem pinken Ballerinakleidchen gegenüber. Auf ihrer Brust stand „Miss Sweet“. Nach einem kurzen Aussetzer fand sich Aika in einem Sleeperhold wieder. Doch mit einem gezielten Schlag gegen die Schenkelinnenseite der Gegnerin konnte sie sich befreien. Dies war eine Show, und keine der Attacken ihrer Konkurrentinnen konnte mehr anrichten als ein blaues Auge oder schlimmsten Falls eine Zerrung, Unfälle ausgenommen. Was ihr eher Angst machte, war die Tatsache, dass die Schmerzen in ihrer Brust wieder schlimmer wurden. Aika beschloss, ein wenig Aikido in ihren Kampfstil einfließen zu lassen. Sie benutzte die Geschwindigkeit ihrer Gegnerin um diese mit viel Schwung übers Seil zu geleiten. Aika konnte es kaum fassen, sie stand im Finale! So viel sie von den anderen Mädchen mitbekommen hatte, war es so gut wie sicher, dass ihre Gegnerin „Screaming Nicki“ sein würde. Laut den anderen war sie ziemlich rabiat und viel kräftiger als alle anderen. Aika beobachtete mit Interesse das zweite Royal Rumble. Als erste betrat Titelverteidigerin „Screaming Nicki“ den Ring. Sie war Sonnenstudio gebräunt und hatte sich die Haare blau gefärbt. Sie sah einem Mann ähnlicher, als Aika es jemals bei einer Frau gesehen hatte. Nach dem sich „Screaming Nicki“ von der Menge hatte feiern lassen, kamen nach und nach die anderen elf Wrestlerinnen zum Ring. Die meisten waren nichts Besonderes, aber die letzte stach Aika ins Auge. Ihr Name wurde auf der Anzeigetafel angegeben: „Red Rose“. Sie hatte rückenlanges, glattes, schwarzes Haar, das zu einem Zopf geflochten war und trug einen roten Kampfdress. Ihre blauen Augen stachen aus dem freundlichen Gesicht heraus. Das war nichts Aufregendes, wenn nicht beim Blick auf „Screaming Nicki“ eine erschreckende Kälte in ihnen aufgeflackert wäre. Ihre Intuition sagte Aika, dass etwas nicht stimmte. Der Gong ertönte und die Massenprügelei ging in Runde zwei. Eine Kämpferin nach der anderen verließ auf eine mehr oder weniger angenehme Art den Ring, bis sich nach zehn Minuten nur noch „Screaming Nicki“ und „Red Rose“ gegenüberstanden. Erst sah es so aus, als würde die Schwarzhaarige den Kürzeren ziehen, doch dann wich sie den Schlägen mit großer Gewandtheit aus und setzte „Nicki“ mit einem gezielten Fußtritt Schachmatt. Diese hing nun benommen über dem dritten Seil. „Red Rose“ packte ihre Beine und schmiss ihre Gegnerin aus dem Ring. Aika erstarrte, jetzt musste sich der Plan ändern. Wo waren die Weiß-Jungs? Wieder trat der Sprecher vor das tobende Publikum: „Was für ein unglaublicher Kampf! Die unbesiegbare „Nicki“ hat das Match verloren und zwei Newcomer stehen sich im Finale gegenüber! „Demon Lady“ und „Red Rose“! Wir machen jetzt fünfzehn Minuten Pause, damit die Mädels sich erholen können!“ Aika ging in ihrer Umkleide auf und ab. Plötzlich öffnete sich die Tür. „Manx! Was machst du hier?“ Sie wich zurück. „Töte sie jetzt. Nicki ist allein in ihrer privaten Dusche! Dritte Tür links von dir!“ Die Sekretärin drehte sich auf dem Absatz um und verschwand ohne ein weiteres Wort. Aika lief rot an. „Ich soll in ihre Dusche?“ Vorsichtig spähte sie durch die Tür. Niemand zu sehen. Die Tür des Duschraums öffnete sich und Aika stand im warmen Wasserdampf. Ihre Stiefel hatte sie gegen zwei Plastiktüten getauscht um keine Fußabdrücke zu hinterlassen. Aika schlich vor die Dusche und riss den Vorhang zur Seite. Beinahe hätte sie laut aufgeschrieen. Nicki lag oder saß regungslos mit dem Rücken an der Wand auf dem Fliesenboden. Ihr Schädel war seltsam deformiert und Unmengen von Blut wurden vom Wasser in den Abfluss gespült. „Das hier war kein Unfall. Jemand ist mir zuvor gekommen und hat das Miststück erschlagen“, schoss es Aika durch den Kopf. Das Geräusch von Schritten ließ sie herumwirbeln. Im Türrahmen stand eine weibliche Gestalt mit rotem Dress. Das grelle Licht, das von hinten in den Raum fiel, machte es Aika unmöglich, das Gesicht zu erkennen, aber sie war sich sicher, dass das „Red Rose“ gewesen sein musste. Die Gestalt hielt kurz inne, dann lief sie davon. Aika spurtete hinterher, wobei sie auf dem nassen Boden beinahe ausgerutscht wäre, konnte jedoch niemanden auf dem Flur erspähen. Sie schloss die Tür ihrer Umkleide hinter sich und zog wieder ihre Stiefel an. Die Plastiktüten ließ Aika in ihrer Tasche verschwinden. Kurz darauf wurde der Finalkampf ausgerufen. Aika ging zum Ring und stieg, geistesabwesend zwischen den Seilen hindurch. Vor ihr stand die Schwarzhaarige. Von nahem sah sie verblüffend jung aus. Aika schätzte sie nicht älter als 16. Ihr kühler Blick schien sie zu durchbohren. Ihr war nicht wohl bei der Sache. Ken, Yoji und Omi waren aufgesprungen und feuerten Aika lautstark an, während Aya wieder einmal so tat, als kenne er keinen der drei. Der Gong ertönte und Aika geriet sofort in Bedrängnis. Das Licht über den Zuschauerrängen war ausgegangen. Nur noch der Ring war beleuchtet. Red Rose setzte zum spinning heel Kick an, doch Aika blockte diesen mit beiden Armen. „Verdammt, der war ernst gemeint“, dachte sie beim Anblick der roten Flecken auf den Außenseiten ihrer Arme. Im nächsten Moment streckte „Red Rose“ Upperhead sie zu Boden. Ein stechender Schmerz durchfuhr Aikas Brust, so dass es ihr nicht möglich war, sich zu bewegen. Zu ihrem Erstaunen trat Red Rose nicht auf sie ein, sondern holte vier kleine Granaten aus ihrem Ausschnitt und warf sie in die Halle. Explosionen schreckten die Menschen auf und weißer Dunst vernebelte die Halle. Aika spürte ein Tuch auf ihrer Nase. Aya war aufgesprungen, doch das Betäubungsgas zeigte bereits seine Wirkung. Auch den anderen ging es nicht viel besser. Omi wusste, dass Manx vorhin auf die Toilette gegangen war und hoffte, dass sie im Notfall einspringen konnte. Neben ihm fiel Ken mit offenen Augen zu Boden. Yoji war nicht mehr ansprechbar. Omis Beine knickten weg. Verschwommen nahm er war, dass Aya sich kriechend dem Ring näherte und ein paar Meter davor zusammenbrach, dann wurde es schwarz um ihn. Als sich der Nebel gelegt hatte, sah Aika, die immer noch am Boden lag, aus den Augenwinkeln, was geschehen war. Über ihr kniete Red Rose, die einen Mundschutz trug. Sie riss das Tuch weg und ließ ein Messer aus ihrem Ärmel schießen. Aika konnte sich gerade noch zur Seite rollen, bevor die Klinge dicht neben ihr in den Boden schlug. „Du Miststück!“, rief Red Rose in nicht ganz akzentfreiem Englisch. „Was? Was hab ich dir getan?“, rief Aika, während sie einem Hieb mit der Klinge auswich, der sie nur um Haaresbreite verfehlte. „Weißt du das denn nicht? Oder bist du zu faul zum Nachdenken, Schlampe?!“ Wie von Sinnen stach das schwarzhaarige Mädchen nach Aika. „Jetzt werd mal nicht ausfallend! Eigentlich hätte ich hier Grund, sauer zu sein!“ Sie hielt die Hand ihrer Gegnerin auf und die Messerspitze stoppte nur wenige Millimeter von Aikas Haut entfernt zwischen ihren Augenbrauen. „Verarsch mich nicht!“ Red Rose biss die Zähne zusammen und versuchte mit aller Gewalt, Aikas Hand wegzudrücken. „Du hast meine Zielperson gekillt! Du hast mich nen Haufen Geld gekostet!“ Aika schubste sie zur Seite. „Wer zum Teufel bist du?! Nimm die Maske ab!“, rief Red Rose. Aika riss sich die Maske vom Kopf: „Codename Angel! Ich bin Cleaner.“ „Was, eine Auftragskillerin?“ Das Mädchen senkte die Hand. „So ist es. Da du nun mein Gesicht gesehen hast und ich deins, überlebt einer von uns beiden die Nacht nicht“ „Wenn das so ist, hast du schlechte Chancen. Immerhin bist du im Nachteil!“ Red Rose blickte grinsend auf das Messer, das aus ihrem Ärmel ragte. „Sei dir da mal nicht zu sicher!“ Angel stieg aufs oberste Seil des Rings. Rose lief auf sie zu. Aika stieß sich ab und landete mit einem gestreckten Rückwärtssalto hinter ihr, schlug Rose in die Kniekehlen, worauf diese zusammenknickte. Ein Ellenbogen landete in Aikas Magen und sie taumelte zurück. Red Rose sprang auf. Ihr bewaffneter Arm schoss nach vorn, direkt in einen Block ihrer Gegnerin. Aika nahm sie in einen Haltegriff, bei dem das Messer tief in den Ringboden gedrückt wurde. „Was willst du jetzt tun, Miss Messerfuchtler? Wie heißt du eigentlich?“ „Das geht dich nen feuchten Kehricht an!“ „Nun gut, ich wollte nur wissen, was man auf deinen Grabstein schreiben soll. Dann halt nicht“ Angel verdrehte die Augen. „Halt!“ Eine bekannte Stimme drang an Aikas Ohr. „Manx! Sie hat unseren Auftrag versaut!“ Die Sekretärin ging mit gezogener Pistole auf Red Rose zu. „Wer bist du? Weshalb hast du Nicki getötet?“ Schweigen. „Antworte oder stirb!“, schrie Manx sie an. „Oho, so kennt man dich gar nicht!“, grinste Aika. Red Rose schien endlich kapituliert zu haben, denn sie murmelte: „Ich hab diese Nicki getötet, weil sie eine verfluchte Verräterin war! Wegen ihr sind alle tot, die ich je geliebt habe!“ „Wenn sie dich loslässt, bist du dann artig und erzählst uns, was genau Nicki verraten hat?“ Manx nickte in Aikas Richtung. „Ist ja gut, ich erzähls euch. Aber erst, nachdem wir den Wrestling Kampf beendet haben. Die Zuschauer wachen in ca. zwei Minuten wieder auf. Sie werden denken, es war ein Sekundenschlaf und wir machen da weiter, wo wir aufgehört haben. Danach können wir in Ruhe reden, ihr scheint ja nicht mit diesem Miststück unter einer Decke gesteckt zu haben.“ Red Rose erhob sich mit einem prüfenden Blick auf Aika. „Ach ja, mein Name ist Dilara!“ Ein kurzes Lächeln spielte auf ihren Lippen. Manx verließ den Ring, weil sie bemerkt hatte, dass die anderen Menschen schon wieder zu sich kamen. Aya blinzelte verdutzt, als er sich auf dem Hallenboden wieder fand. Dilara und Aika duellierten sich derweil hitzig. Die Menschen waren etwas verwirrt, doch nach einer schönen Aktion von Dilara jubelten sie alle. Als das Match schon fast zu Gunsten von Dilara entschieden war, hob Aika ihre Konkurrentin hoch und ließ sie kopfüber auf den Boden krachen. Das hatte sie beim Wrestling im TV mal gesehen. Der „Undertaker“ benutzte die Technik, die sich Tombstone nannte. Tatsächlich war Dilara erst mal KO, obwohl Aika sie nicht mit voller Wucht hatte aufprallen lassen. Sie kreuzte die Arme der Gegnerin wie bei einem Toten und der Ringrichter, der mittlerweile zu sich gekommen war zählte Dilara aus. Aika hatte gewonnen. Dilara taumelte benommen neben ihr her in Richtung Umkleide und maulte: „Warum hast du das gemacht? Das tat weh!“ „Das kommt von deiner Messerstecherei. Ich reagier ein wenig gereizt auf unbegründete Angriffe, aber das wirst du sicher verstehen, oder bin ich zu empfindlich?“ Dilara murmelte etwas Unverständliches in einer anderen Sprache: „Allahallaaaah!“ Als sie Aikas Umkleide betraten, saßen die anderen fünf bereits dort und warteten. „Hi, guter Kampf nicht?“ Aika ging mit vor stolz geschwellter Brust an den Jungs vorbei und ließ sich neben Manx auf eine der Bänke fallen. „Wer ist diese gut aussehende Braut?“ Yoji musterte sie feurig von oben bis unten. „Das ist Dilara, wie war noch dein Nachname?“ Manx war aufgestanden. „Äh, Gensch...“ Sie lächelte nervös. Aika warf Yoji einen vernichtenden Blick zu. „Setz dich, bitte“, Pershas Sekretärin deutete auf eine Bank gegenüber der Weiß Mitglieder. Aika überschlug ihre Beine. „Du hast nen leichten Dialekt, wo kommst du her?“ „Du sprichst auch nicht grad wie ne Japanerin, ich könnt dir die selbe Frage stellen.“ Dilaras eisblaue Augen blitzten herausfordernd. „Gegenfragen sind unhöflich, also sag schon. Es interessiert mich einfach“, lenkte Aika ein. „Ich komme eigentlich aus der Türkei.“ „Womit wir beim eigentlichen Thema wären“, unterbrach Manx Dilara. „Was hat dich hierher verschlagen? Hast du geglaubt, dass der Mord an einer von unserer Gruppierung mitten in einer Großveranstaltung keine Konsequenzen nach sich ziehen würde? Wie hätte denn das ausgesehen, wenn plötzlich deine Gegnerin tot im Ring liegt und du verschwunden bist. Jeder in dieser Halle kennt dein Gesicht. Damit wäre dein Vorhaben, was immer das auch ist, gescheitert. Wenn nicht einer der von Takatori befehligten Yakuza dich erwischt hätte, dann die Polizei!“ Manx war deutlich lauter geworden. Dilara, ein wenig eingeschüchtert, stammelte: „Ich wollte nur dieses Miststück töten, dass meinen Bruder verraten hat. Vielleicht sollte ich von vorn beginnen, wenn’s recht ist.“ „Nur zu, wir sind gespannt.“ Die Sekretärin lehnte sich zurück. Dilara wirkte etwas bedrückt: „Meine Eltern wurden bei einer Schießerei getötet. Sie gehörten der Mafia an, wie der Großteil meiner Familie. So auch mein Bruder. Er war älter als ich und sah sich verpflichtet, sich um mich zu kümmern. Eines Tages lernte mein Abi eine ausländische Frau kennen. Sie hieß Nicole Terrence und kam aus Amerika, wohnte aber schon einige Zeit in Japan, wo sie als Profi-Wrestlerin ihr Geld verdiente. Angeblich war sie nur auf Urlaubsreise. In Wirklichkeit wollte Nicole nur mit der Mafia, der mein Bruder ebenfalls angehörte, über Drogengeschäfte verhandeln. Leider verliebte mein Abi sich in sie. Die beiden wurden ein Paar und er erzählte ihr vertraulich, dass er vorhatte, aus dem Drogengeschäft auszusteigen. Mein Abi wollte mit Nicole und mir ein neues Leben anfangen. Nun, seine Liebe zu ihr hat ihm das Leben gekostet. Dieses Miststück war nämlich vom Boss persönlich auf ihn angesetzt und hatte nichts Besseres zu tun, als ihm alles brühwarm aufzutischen! Und dann, und dann…“ Sie schluchzte. „Diese Dreckskerle kamen in unsere Wohnung. Erst quälten sie ihn, bis er schon halb tot war. Dann schossen sie zwei Magazine leer. Ich hatte mich unterm Bett versteckt. So viel Blut… so viel Blut…“ Dilara hatte ihre Arme um den Körper geschlungen und in ihren Augen glitzerten Tränen. Aika schaute verbissen. Sie bemerkte, dass auch Aya und Yoji versuchten, cool zu bleiben. Ihre Aufmerksamkeit galt Sekunden später wieder Dilara, in deren Augen jetzt ein gefährliches Funkeln zu sehen war. „Das ist heute genau sechs Monate her. Alles, was ich will, ist Rache! Rache für den Tod meines geliebten Abi! Und Takatori Junior steht als nächstes auf meiner Liste. Er ist für die Drogengeschichten verantwortlich! So viel ich weiß, hat er vor zweieinhalb Jahren schon einmal einen Fehler gemacht. Die Sache Fujimiya.“ Aika wirbelte zu Aya herum. Seine Augen waren leer und ohne jeglichen Ausdruck. Langsam begann Aika zu verstehen. Immer wenn man Aya nach seiner Vergangenheit fragte, blockte er energisch ab. Manx, die ebenfalls merkte, dass das Gespräch zu weit ging, unterbrach Dilara. „Nun wissen wir, um was es geht. Also bleibt mir nur noch eines.“ Sie zog eine Pistole aus ihrer Handtasche und hielt sie an Dilaras Kopf: „Entweder du trittst uns bei, oder du wirst hier und jetzt sterben. Allein bist du gegen deinen Gegner machtlos, aber wir können nichts riskieren. Wähle!“ Schockiert blickte das schwarzhaarige Mädchen in den Lauf der Pistole. „Immer das Selbe“, dachte Aya. „Wenn ich dadurch eine Möglichkeit der Rache habe… nehme ich an.“ Dilara schluckte schwer. „Gut.“ Manx steckte die Pistole wieder ein. „Du bist ab heute Aikas neue Partnerin. Willkommen beim Projekt Weiß.“ „Was?! Ich soll mit DER zusammenarbeiten?!“, riefen beide Mädchen wie aus einem Mund. „Keine Sorge. Aya und Ken haben sich erst auch nicht sonderlich verstanden, aber seht euch die Beiden an. Ein Herz und eine Seele!“, lächelte Manx. „Ich und dieser Einfaltspinsel? Befreundet? Nie im Leben!“ Ken schmollte. Da mussten alle lachen. Dann trennten sie sich. Aika führte Dilara zu ihrer Ninja. „Hier, setz den auf!“ Sie drückte ihr einen Helm in die Hand. „Fährst du ohne?“, fragte Dilara. „Ich fall schon nicht runter, mach dir keine Hoffnungen“, antwortete Aika zähneknirschend und schwang sich auf ihre geliebte Maschine. Sie band ihre Haare zu einem Zopf, zog ihre Bikerhandschuhe an und schob sich eine hellglasige Nachtsichtsonnenbrille auf die Nase. Dilara hopste auf hinteren Platz und klammerte sich fest. Aika gab mächtig Stoff und die beiden Mädchen rasten davon. „Wow! Ich fühl mich wie der König der Welt!“, schrie Dilara. Aika trat weiter aufs Gas. Geschickt schwenkte sie zwischen den Autos hindurch und kam mit quietschenden Reifen auf einem Parkplatz vor einem Cafe zum Halten. „Was machen wir denn hier?“ Dilara klappte das Visier ihres Helms hoch. „Ich will wissen, wie diejenige ist, mit der ich zusammenarbeiten soll. Wo lernt man sich besser kennen als bei einer guten Tasse Kaffee?“ Aika war abgestiegen und sah sich den verwunderten Blicken einiger Menschen gegenüber, die vor Erstaunen über so viel Fahrkunst stehen geblieben waren. „Willst du da festwachsen?“ Sie drehte sich um. Dilara lächelte. „Danke“ Aikas Mundwinkel hoben sich. „Komm schon! Der Letzte zahlt die Rechnung!“ Sie liefen zum Eingang. Einige Minuten später saßen sie ihren Bestellungen gegenüber. Gedankenverloren rührte Aika in ihrem Cappuccino. „Wie lang bist du schon dabei?“, fragte Dilara. Aika blickte auf: „Ungefähr ein Jahr. Im Gegensatz zu den Typen habe ich eine Ausbildung hierfür gemacht.“ „Eine Ausbildung? Wie kamst du dazu?“ „Meine Eltern wurden bei einem Bombenanschlag getötet. Ich war zwölf, als mich diese Leute in Deutschland rekrutierten.“ Aika schaute zum Fenster hinaus. „Wie alt bist du eigentlich?“ Dilara grinste. „Noch bin ich fünfzehn, aber ich habe im Dezember Geburtstag.“ „Ich habe in ein paar Tagen, dann bin ich siebzehn.“ Aika hob die Tasse zum Mund. „Dann bist du Skorpion. Das erklärt so einiges…“ Dilara schlürfte eilig ihren Kaffee. „Was soll das denn heißen?!“ Aika zog eine Augenbraue nach oben. „Das heißt nur“, sagte Dilara, dass du einen interessanten Charakter hast.“ „Nochmal Glück gehabt. Das nenn ich kunstvoll den Hals aus der Schlinge ziehen.“ Aika schüttelte lächelnd den Kopf. „Was heißt eigentlich „neue Partnerin“?“, wollte ihr Gegenüber wissen. Aikas Lächeln verschwand. „Sie ist gestorben.“ Dilara hatte einen betroffenen Gesichtsausdruck. „Tut mir Leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ „Ach was, es ist eine berechtigte Frage.“ Aika trank mit geschlossenen Augen ihre Tasse aus und das Gespräch mit Maya kam ihr in den Sinn. „Entweder wir töten sie oder sie töten uns, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Sollten wir drauf gehen, werden wir einfach ersetzt. Und glaub mir, keiner wird uns vermissen. Wir sind nur zwei Figuren in einem riesigen Spiel aus Verbrechen, Lügen, Intrigen und Verwirrung.“ „Wir haben unser Todesurteil doch schon längst unterschrieben. Aber in einem Punkt hast du Recht. Ich hab kein Bedürfnis zu sterben.“ „Aika? Hey!“ Dilara stupste sie an. Aika riss die Augen auf. „Entschuldige, ich war in Gedanken woanders, was hast du gefragt?“ „Ich wollte wissen, ob wir mit den Jungs zusammen agieren, oder ob wir eigenständig sind.“ „Also, die vier sind als „Weiß“ bekannt. Die sind schon seit einigen Jahren im Geschäft. Wir, das heißt ab heute, du und ich, sind Angel Hunter. Du wohnst bei mir im Apartment. Meist wechseln wir uns mit den Aufträgen ab, oder Teammitglieder wechseln durch. Beispiel: Du bist krank. Dann springt im Notfall einer der vier ein. Oder Zwei von denen und wir sind unterwegs. Alles andere ist für kleinere Dinge zu auffällig.“ Aika hatte die Stimme gesenkt. „Aber es kommt durchaus vor, dass wir zu sechst Aufträge erledigen. Wieso fragst du?“ „Ich wollt nur wissen, ob ich dem knackigen Kerl näher kommen kann. Den mit den kurzen, braunen Haaren! Verrätst du mir seinen Namen? Bitte, bitte!“ Dilara hatte leicht rosa angehauchte Wangen bekommen. Aika schlug mit dem Kopf an die Tischplatte. „Oh Gott! Ein weiblicher Yoji! Ich geb mir die Kugel! Aber damit du zufrieden bist. Der Kerl heißt Ken Hidaka und ist ziemlich fußballverrückt.“ Dilara wäre vor Freude fast aufgesprungen: „Juchhu! Ich liebe Fußball! Volltreffer! Der ist ab heute auf meiner Amor Abschussliste, also Finger weg!“ Aika klopfte noch ein paar Mal gegen die Tischplatte und jammerte: „Ich sterbe! Ich dachte, liebestoll wäre schlimm genug, aber auch noch Fußball begeistert! Ich bin so gestraft!“ Dilara bekam einen Lachkrampf. „Ein Nervenarzt hätte seine wahre Freude mit dir!“ Aika gluckste und lachte dann so laut, dass sämtliche Leute an den Nachbartischen zu ihnen schauten. Sie kicherten immer noch, als sie das Cafe verließen. „Ich glaube, ich find dich nett!“ Dilara warf den Kopf in den Nacken. „Willkommen im Team!“, Aika streckte ihr die Hand entgegen. „Ich heiße mit vollem Namen Aika Tadano. Es gibt keine Regeln bei unserem Zusammenleben, außer die eine: Sonntags wird nicht vor neun Uhr aufgestanden, sonst gibt’s Zoff! Ich bin ein riesiger Morgenmuffel!“ Sie lächelte verschmitzt. Dilara nahm ihre Hand: „Darf ich auch eine Regel aufstellen?“ „Nur zu“ „Die Wohnung muss sauber gehalten werden!“, grinste sie. Aika griff sich an die Stirn. „Ich armes Ding! Schon wieder ein Ordnungsfreak!“ sie warf die Maschine an. Dilara setzte sich hinter sie und die Beiden brausten davon. In der Wohnung angekommen räumte Aika Mayas Sachen in ihre Ecke des Schrankes und bot Dilara die andere Hälfte an. Viel war es nicht, was sie hineinzuräumen hatte. Alles was Dilara besaß, passte in ihre Sporttasche. „Ich seh schon, wir müssen shoppen gehen, sobald du deinen ersten Lohn bekommen hast“, seufzte Aika. „Ich bin etwas überstürzt aufgebrochen. Mehr hab ich nicht mitnehmen können. Es war Folter, all die schönen Klamotten zurück lassen zu müssen!“ Sie schloss die Schranktür. Aika holte den Laptop hervor. Kein E-Mail Zeichen blinkte. „Endlich kann ich mal in Ruhe spielen!“ Sie tippte wie verrückt auf die Feuer-Taste. „Yeah! Blödes Raumschiff! Jetzt hab ich dich abgeknallt! Ahhh, nicht! Verdammt! Dieser dumme Endboss! Jedes Mal!“ Aika verkniff sich weiteres Fluchen. „Oh Gott, ich dachte, launisch wär schon schlimm, aber auch noch total übergeschnappt! Ich glaub ich werd den Nervenarzt brauchen!“ Dilara klatschte sich die flache Hand gegen den Kopf. „Hey, das ist mein Spruch!“, lachte Aika, doch plötzlich wurde ihr Gesicht ernst. „Eine E-Mail?“ Sie klickte auf das Zeichen und las laut vor: “Du hast Maya getötet. Das kommt dich teuer zu stehen. Wir erwarten dich am dreizehnten dieses Monats um 1.00 Uhr in einem verlassenen Tempel nahe der Hauptstraße nach Yokohama. Schwarz“ „Wer ist Schwarz?“, fragte Dilara. „Elitekillertruppe und Bodyguards von Takatori, bestehend aus: Brad Crawford, Schuldig, Nagi Naoe und Falfarello, alias Jei, genannt Schwarz. Um an Takatori heranzukommen, muss man an denen vorbei“, antwortete Aika fast mechanisch, den Blick nicht vom Bildschirm abwendend. „Schwarz“, wiederholte Dilara. Plötzlich sprang Aika auf: „Du rührst dich nicht vom Fleck, ich bin gleich zurück!“ Mit diesen Worten verschwand sie aus der Wohnung. Eilig hastete Aika ein Stockwerk hinunter und pochte gegen Ayas Haustür. Kurze Zeit später wurde diese aufgerissen uns ein wütendes Gesicht schaute auf sie hinab: „Ich hab ne Klingel, die könntest du benutzen!“ Aika lief rot an. „Rennst du zuhause immer so rum?“ Ihr Blick fiel auf Ayas Shorts, die das einzige war, was er trug. „Es ist halb zwölf, ich wollte gerade schlafen…“, grummelte er. Aika drängte ihn in seine Wohnung zurück und schloss die Tür. „Egal, du kannst gleich schlafen, aber erst, nachdem du mir gesagt hast, was ich tun soll!“ „Was ist denn los?! Weißt du nicht, welches Nachthemd du anziehen sollst, oder was ist so wichtig, dass du um diese Zeit in meiner Wohnung stehst?“ Aya schaute sie fragend an. Aika wurde noch nervöser. „Setz dich einfach hin, halt die Klappe und hör mir zu.“ Sie drückte ihn auf sein Bett. „Ich höre“, sagte er gelangweilt. „Schwarz hat mir eine E-Mail geschickt! Woher haben die die Adresse?!“ Auf einmal war Aya alles andere als gelangweilt. „Verdammt! Was haben die geschrieben?“ „Ich soll am 13. um 1.00 Uhr zu nem verlassenen Tempel kommen“ Aika biss sich auf die Lippe. „Hast du geantwortet?“ „Nein, deshalb bin ich doch hier! Die haben eine verschlüsselte Adresse angegeben, die man nicht zurückverfolgen kann.“ Aya raufte sich die Haare: „Du machst nur Ärger…“ Aika antwortete nicht, ihr Blick ruhte auf einem Foto, das Ayas Nachttisch zierte, neben dem sie stand. Ein Mädchen in Mittelschuluniform lachte ihr entgegen. Daneben stand eine Geburtstagskarte mit dem Text: „Happy birthday Ran! Geh zur Abwechslung mal mit jemandem aus! Die Ohrringe schenkst du deiner Freundin! From Aya“ Daneben klebte ein Päckchen, in dem ein langer, goldener Ohrring steckte, derselbe den Aya immer trug. Unter dem Päckchen stand: „Die waren teuer, also benutz sie auch!“ „Was starrst du so?!“, fuhr Aya sie an. Aika wendete sich ihm zu: „Wer ist Aya? Wer ist Ran? Und warum trägst du den Ohrring?“ Er sprang auf, packte sie am Kragen und zischte: „Misch dich nicht in meine Angelegenheiten!“ Aika blickte ihn traurig an. „Entschuldige, wenn ich dich belästige. Es ist wohl besser, ich lass dich allein. Ich frag Omi, ob er weiß, was zu tun ist“ Aika drehte sich weg und rauschte durch die Tür. Aya meinte, eine Träne glitzern gesehen zu haben. Er ließ sich aufs Bett fallen und sagte verbittert zu sich selbst: „Es tut mir Leid.“ Aika klingelte ein Stockwerk tiefer bei Omi. Gähnend machte er ihr auf. „Was ist denn Aika?“ „Schwarz hat sich gemeldet“, sagte sie knapp. Omi war mit einem Mal hellwach. „Komm rein!“ Er ging einen Schritt zur Seite. Aika schilderte ihm das Problem. Er ging einige Male auf und ab, dann sagte Omi: „Wir müssen Manx benachrichtigen, damit wir offizielle Erlaubnis bekommen. Wollen wir hoffen, dass du nicht unter den Artikel 3 unseres Vertrages gefallen bist.“ Aika blickte zu Boden. Sie wusste nur zu genau, was Artikel 3 besagte. Tod wegen Gefährdung der Kritikervereinigung. Die Kritiker waren eine Gruppe einflussreicher Leute, die zu Persha gehörten, das wusste sie. Birman plante die von ihnen befohlenen Missionen und leitete diese meist über Manx an Weiß weiter. Nur selten erschien sie deswegen selbst. „Meinst du, es war mein Fehler?“ Aika sah Omi fragend an. „Weiß nicht. Maya könnte die E-Mail Adresse vermerkt haben. In dem Fall bist du unschuldig. Was wollen die dir nachweisen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Was soll ich jetzt tun?“ „Erst mal die Ruhe bewahren. Ich verfasse gleich eine Mail von unserem Labtop an Manx. Geh ins Bett und schlaf ein bisschen. Ich krieg das geregelt. Ah, und noch was. Mach den Computer aus. Wer weiß, was die vorhaben.“ Omi gähnte noch mal herzhaft. „Danke Omi, bis dann!“ Aika gab ihm einen Wangenkuss und verschwand. Erleichtert stieg sie die Treppen hinauf. Aika schlenderte an Kens Wohnung vorbei, blieb stehen und stolperte zurück. Entsetzt drückte sie ihr Gesicht ans Fenster. „Ahh! DAS KANN DOCH NICHT WAHR SEIN!“ Aikas Fingernägel kratzten über die Scheibe und machten dieses ekelhafte Kreide-auf-Tafel-Geräusch. Dilara saß ziemlich eindeutig flirtend mit Ken auf dessen Couch. Aika klingelte. Während sie wartete, murmelte sie ärgerlich vor sich hin: „Ich bring sie um! Ich bring sie um! Ich bring sie heute noch um!“ Die Tür ging auf. „Hi!“, trällerte Aika völlig verwandelt. „Hättest du die Freundlichkeit, DEINEN KNACKARSCH AUF DER STELLE IN DIE RICHTIGE WOHNUNG ZU VERFRACHTEN?!“ Ihre Augen funkelten plötzlich wieder zornig. Ken, der geöffnet hatte, verstand gar nichts mehr. „Was? Das ist doch meine Wohnung. Oder war das eine Anspielung auf irgendwelche Ansprüche, die du auf meine Gefühle erhebst?“ Aika zuckte mit der Augenbraue. „Du warst gar nicht gemeint, Hohlkopf. Oder behauptest du seit neuestem, dass du einen Knackarsch hast… Ich seh da eher etwas, das man auf Grund seiner Größe mit „süß“ umschreiben würde. Ich sprach von der Dame, die sich in der ersten Nacht nen Lover angeln will.“ „Ich angle mir keinen Lover! Ich bin ausdrücklich gegen Sex vor der Ehe!“ Dilara stolzierte an Aika vorbei. „Meine Prioritäten liegen wo anders!“ Sie drehte sich schwungvoll um. „Ich will erst mal viel Geld verdienen, dann will ich den Mann meiner Träume in einem wunderschönen Hochzeitskleid heiraten!“ „Der Mann muss das Kleid tragen?!“ Ken und Aika starrten Dilara verdutzt an, die mit glänzenden Augen schwärmte. „Nein, ich natürlich! Hach, was für eine Vorstellung! Gute Nacht Ken! Wir sehen uns morgen!“ Sie schwebte davon. „Wie süß. Ihr Traum ist doch wundervoll, nicht?“ Ken sprach mit Aika, aber seine Augen ruhten immer noch auf der Stelle, an der er Dilara verschwinden sehen hatte. „Naiv vielleicht. Oder in diesem Fall sagt man wohl romantisch. Ich wünschte, ich könnte vergessen und auch so einen naiven Traum haben…“ Aika warf den Kopf in den Nacken und schaute in den Nachthimmel. „Du hast Recht, das wäre für unsereins wohl das größte Glück.“ “Glaubst du, wir dürfen uns verlieben?“ Ken wendete sich ihr zu. „Hm. Ich weiß nicht. Aber niemand kann Gefühle verbieten, höchstens verlangen, sie zu unterdrücken. Weshalb fragst du?“ „Ich möchte doch nicht mein ganzes Leben allein sein. Ich will mich verlieben, mich treiben lassen, verstehst du?“ Er wurde leicht rot. „Ich halte dich nicht auf. Geh und zieh dir eine Freundin an Land, aber tu mir einen Gefallen und schau erst, ob sie auch was taugt! Herzschmerz ist die übelste aller Krankheiten, die sich ein Mann einfangen kann! Maya sagte auch, dass man jeden Tag leben sollte, als wäre es der letzte. Ich geh jetzt auch schlafen. Na dann Petri Heil!“ Aika lachte. Ken grinste von einem Ohr zum anderen. „Klar! Das Mädchen, das bei mir einen Treffer landen will, muss schon was besonderes sein!“ Seine Miene wurde etwas ernster: „Weißt du was, Aika? Du bist manchmal ziemlich strange drauf, aber wenn man dich mal kennt, bist du echt klasse!“ Sie drehte sich um und zeigte ein Peace-Zeichen. „Ich bin halt das Chaos! Und gegen das Chaos sind einfach alle machtlos! Gute Nacht, Ken!“ ____________________________________________________________________________________ Was für ein schräges Kapitel^^ Zwischen 6 und 7 liegt mindestens 1 Jahr, weil ich nicht wusste wie es nach Mayas Tod weitergehen sollte. Aber ab jetzt ist Dilara dabei, ich hoffe ihr mögt sie!^^ Ich liebe diese Parodie auf die komischen Namen der Wrestler und weiß jemand auf welches Spiel ich anspiele? Kapitel 8: Auf Messers Schneide ------------------------------- Am nächsten Morgen sprang Aika ungewöhnlich flott aus dem Bett. Sie zog sich schnell einen Jeansrock und eines ihrer Lieblingsshirts an, machte Kaffee und eilte hinunter zu Omi. Wieder öffnete er verschlafen die Tür. „Hey Aika, es ist erst acht Uhr, was machst du um diese Zeit schon auf den Beinen?“ „Wenn du meine Probleme hättest würdest du auch unter Strom stehen, oder etwa nicht? Ist ne Mail gekommen?“ Sie trat an ihm vorbei in die Wohnung. Omi schaltete den Laptop ein und las ihr vor, was er mit Manx besprochen hatte: „Hallo Omi! Gut das ihr euch sofort an mich gewand habt. Team Angel Hunter bekommt sofort eine neue IP und E-Mail Adresse. Ihr werdet die Herausforderung annehmen. Die Mission werden Silberian, Balinese und Team Angel Hunter übernehmen. Abyssinian gibt Rückendeckung und Bombay stellt den Fluchtwagen. Der Auftrag, lautet wie folgt: Findet heraus woher Schwarz die E-Mail Adresse bekommen hat und kehrt lebend zurück. Sollte sich die Gelegenheit ergeben einzelne Personen auszuschalten, erhaltet ihr volle Handlungsbefugnis, aber riskiert bitte nicht zuviel. Manx“ „Wir sollen nur zu viert kämpfen?“ Aika hatte sich auf Omis Bett gesetzt. „Das ist der Auftrag, ich kann dir nur sagen was ich weiß.“ Omi rieb sich die müden Augen. „Na dann, viel Spaß in der Schule!“ Aika verabschiede sich und ging wieder in ihr Apartment. Dilara saß bereits am Frühstückstisch. Sie drehte sich zu ihr. „Ich dachte schon, du wärst heut Nacht einfach verschwunden. Was war denn gestern so wichtig?“ Aika ließ sich auf den Stuhl ihr gegenüber fallen. „Wir haben übermorgen einen Auftrag. Es geht darum, herauszufinden wie unsere Feinde an die geheime E-Mail Adresse gekommen sind.“ „Aha, so sehen also eure Aufträge aus. Ich dachte, wir bekommen nen Brief und dürften dann Takatori Junior auseinander nehmen. Na ja, auch gut, dann bleibt mir ein wenig Zeit zum shoppen. Ich brauch unbedingt Klamotten!“ „Und mit wessen Geld willst du einkaufen gehen? So weit ich weiß, darfst du alte Konten nicht mehr benutzen, das könnte jemanden auf unsere Spur locken.“ Aika hob ihre Kaffeetasse zum Mund. „Ich dachte, du könntest mir derweil aushelfen, schließlich sind wir ein Team!“ Dilara strahlte sie an. Aika prustete in ihren Kaffee: „Ich glaub mein Schwein pfeift! Das ist sauer verdientes Geld und du willst es für Klamotten ausgeben?!“ „Nicht nur für Klamotten, wir brauchen unbedingt ein paar Möbel, die hier sind absolut altmodisch!“ Dilara nippte an ihrem Kaffee. „Waaaas?! Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!“, an Aikas Kopf pulsierte eine Ader. „Sei doch froh, so ist es kein Verlust für dich!“, trällerte ihr Gegenüber. „Weißt du was, verdien dir dein Geld selbst! Gleich heute! Ab neun im Blumenladen.“ „Soll ich etwa im Wrestling-Outfit Rosen verkaufen?“ Dilara blickte sie fragend an. „Ist ja gut, ein paar Yen kann ich mir abzwacken… Aber die sind nur geliehen!“ Aika stand auf, ging zu einem Bild an der Wohnzimmerwand, schob es zur Seite und legte einen Tresor frei. Sie gab eine Zahlenkombination ein. Mit einem Klicken sprang die gepanzerte Tür auf. Aika holte ein Bündel mit Scheinen heraus und verschloss alles wieder. „Hier“, sagte sie, bevor das Geld durch die Luft direkt in Dilaras Hände flog. „Danke schön! Ich komm dann später nach!“ „Mach das. Da hast du ne Visitenkarte.“ Aika nahm ihre Lederjacke vom Hacken an der Garderobe. „Ich geh jetzt arbeiten. Der Zweitschlüssel zur Wohnung liegt auf meinem Nachtkästchen. Ach, fast hätte ich’s vergessen. Es ist kalt draußen und falls du keine warme Jacke hast, kannst du die rote hier an der Garderobe benutzen. Ciao, bis später!“ Die Tür fiel ins Schloss. „Genial“, dachte sich Dilara, ich hab nen Haufen Geld, ne Wohnung und einen Shoppingmarathon vor mir!“ Sie hüpfte ins Bad, um sich schick zu machen. Aika war derweil im Blumenladen angekommen. Sie zog ihre Schürze an, da ging das Rolltor auf. Aya und Yoji betraten den Raum. „Du schon hier? Nervös oder was? Das kann ich ändern!“ Yoji schlang die Arme von hinten um Aikas Bauch und knuddelte sie liebevoll. „Es ist wirklich beruhigend, in den Arm genommen zu werden“, dachte Aika und lehnte sich an seine Brust. Aya zog eine Augenbraue nach oben. „Sollen wir Fieber messen? Ich glaub, sie ist krank.“ „Bist du scharf auf Doktorspielchen mit Ai-chan?“ Yoji grinste ein wenig dreckig. Aika räusperte sich. „Kommt Ken heute nicht?“ „Doch, aber zuerst geht er mit der Neuen zum Einkaufen.“ Yoji legte den Kopf an ihren Hals. Aika seufzte: „Ich weiß nicht, wie das enden soll.“ „Omi hat uns, bevor er zur Schule gegangen ist, über unsere Mission aufgeklärt. Ist von eurer Seite alles klar?“ Aya nahm seine Schürze. „Ich denke schon. Aber wir sollten jetzt den Laden öffnen, es ist neun Uhr“ Aika entzog sich Yoji. Minuten später war der Laden mit überwiegend Mädchen gefüllt, die noch schnell vor der Schule einen Blick auf die Jungs werfen wollen. Aber auch einige Jungs waren gekommen. Sie hielten sich in Aikas Nähe auf. Keine Besonderheit, bis plötzlich Geschrei die friedliche Stimmung unterbrach. Viele der Schüler waren bereits zum Unterricht gelaufen, nur noch ein paar die scheinbar eine Freistunde hatten hielten sich noch im Kitten in the house auf. Aika war allein im Verkaufsraum, weil Yoji und Aya die Lieferungen fertig machten. Der Lärm wurde von einem Mädchen verursacht, das gerade mit vor Angst geweiteten Augen hereingestürmt war. Hinter ihr betraten vier große Schlägertypen den Blumenladen. Einer von ihnen, mit ungepflegten, blond gefärbten Haaren blökte: „Komm her und lass dir zeigen, wo mein Hammer hängt, damit du endlich zur Besinnung kommst!“ Das rothaarige Mädchen lief direkt in Aikas Arme. „Bitte hilf mir! Die wollen mich…“ Tränen rannen über ihr Gesicht und Aika bemerkte, dass ihr Rock zerrissen war. „Renn durch diese Tür da und hol die zwei Typen, die da sind!“ Sie stellte sich den Schlägern in den Weg. „Was willst du, blonde Pussi?! Bist nicht von hier, oder? Hm. Wie ist es wohl, so ne Ausländerin flachzulegen? Habt ihr Lust, Jungs?“ Der Anführer blickte über die Schulter. Dann ging er Lippen leckend zu Aika. Sie schlug ihm ins Gesicht, was ihm nichts auszumachen schien. Plötzlich war Aika von den vier schrankgroßen Typen umringt. Zwei packten ihre Arme und Beine, so dass sie sich nicht mehr wehren konnte, während die anderen zwei anfingen, sie zu begrabschen. Aika rammte dem Kerl mit der komischen Frisur, ihr Knie zwischen die Beine, vorauf dieser wutenbrannt schrie: „Du blondes Miststück! Ich wollte eigentlich zärtlich sein, aber du bevorzugst anscheinend die harte Tour!“ Er machte seine Hose auf und warf Aika mit Hilfe seiner Freunde auf die Theke. Gerade als seine Finger unter Aikas Rock glitten, um ihren Schlüpfer zu zerreißen, wurde er von Aya weggestoßen. „Ihr Drecksäcke! Finger weg von ihr!“ Yoji stürzte sich ins Gefecht. Aika war von zweien der Kerle befreit. Ihre Arme befanden sich jedoch noch in den Haltegriffen. Sie schwang sich nach oben und verpasste ihnen einen Fußkick mitten ins Gesicht. Daraufhin stolperten die Kerle aus dem Laden. Yoji schmiss den dritten raus. Aya schlug wie ein Irrsinniger auf den Anführer ein. Seine Nase schien gebrochen zu sein. Der Kerl war am Ende, doch er hörte nicht auf, ihn zu schlagen. Aika hielt seinen Arm auf. „Es ist gut, Aya. Er hat bekommen, was er verdient hat.“ Ayas Augen funkelten voller Zorn und Angst, als er Aika ansah. Dann umarmte er sie. „Gott sei Dank ist dir nichts passiert!“ Auch Yoji war zu ihnen gekommen. Aika entspannte sich langsam. Es war doch ein kleiner Schock gewesen. Da fiel ihr das Mädchen wieder ein. Es stand in der Tür zum Lager. Aika ging zu ihr. „Alles in Ordnung?“ „Ja, dank euch schon. Wie kann ich mich nur bedanken?“ Ihr langes rotes Haar schwang leicht hin und her, als sie sich verbeugte. „Wir haben gern geholfen, du brauchst uns nicht zu danken“ „Darf ich dich heut Abend zu mir einladen?“ Das Mädchen senkte leicht errötend den Blick. „Na gut. Wie heißt du eigentlich?“ Aika schaute sie lächelnd an. „Rika. Hier das ist meine Visitenkarte. Komm bitte um halb acht Uhr zum Abendessen.“ Sie überreichte ihr ein Kärtchen. „Bis dann!“, trällerte Rika und küsste Aika flüchtig auf den Mund. Hoch rot stammelte diese: „Ja, bis später…“ Yoji blinzelte skeptisch. „Was war denn das?“ Aika drehte sich um. „Wieso klopft mein Herz so?“ Derweil einige Kilometer entfernt in Tokios Einkaufsmeile Ginza: „Wie sehe ich aus, Ken?“ Dilara stand in kecker Pose vor der Umkleide. Sie trug eine dunkelblaue Jeans, die von einem Gürtel gehalten wurde, dessen Schnalle ein großer mit Strasssteinen besetzter Schmetterling zierte. Außerdem hatte sie ein rosa Kapuzenshirt mit der Aufschrift „Sweety“ an. „Super! Du siehst einfach zum Knuddeln aus!“ Kens Wangen hatten die Farbe von Dilaras Oberteil angenommen. „Gut, dann lass ich’s gleich an! Vielen Dank, Ken, dass du mit mir shoppen gegangen bist!“ Dilara küsste ihn auf die Wange. „Tu ich doch gerne!“ Kens Augen glänzten, als er die zwanzig Tüten hinter ihr her zur Kasse trug. Dilara blickte auf ihre Armbanduhr. „Au weia, wir sind ziemlich spät dran! Es ist schon halb fünf! Wir sollten zum Blumenladen gehen!“ „Du hast Recht, die anderen werden bestimmt sauer sein, dass sie alles allein machen mussten“, keuchte Ken hinter ihr her. Eine halbe Stunde später betraten sie den Laden. Aika war immer noch beim Ausfahren der bestellten Blumen. Dilara atmete auf. „Dann hat sie nicht bemerkt, dass wir zu spät dran waren. Ihr verratet doch nichts?“ Ihr Blick fiel auf Aya und Yoji. „Wir schweigen wie zwei Gräber“, versicherte letzterer. „Sehr gut! Ach ja, kein Wort davon, dass ich ihr ganzes Geld verprasst hab.“ Yoji hätte beinahe seine Sonnenbrille fallen lassen. „Was hast du?! Oh Gott, sag ihr das bloß im richtigen Moment!“ „Wann ist der richtige Moment?“, fragte Dilara. „Wenn wir nicht anwesend sind“, sagte Aya trocken. Sie fing an zu kichern. „Du kannst ja richtig lustig sein.“ „Das war mein Ernst. Aika zu verärgern ist lebensgefährlich!“ Aya räumte einige Tontöpfe ins Regal. „O.K. sie ist ein wenig aufbrausend, aber kann sie denn so schlimm sein?“ Sie bemühte sich um Blickkontakt, doch Aya wich ihr aus. „Ich kenn da noch jemanden…“ Yoji setzte eine Unschuldsmiene auf. „Heute Morgen ist ein Mädchen in deinem Alter hier hereingestürzt und hat Zuflucht vor ein paar Schlägertypen gesucht, die sie vergewaltigen wollten.“ „Was?! Wie geht’s denn hier zu?!“ Dilara stand das pure Entsetzen im Gesicht. „Ist dem Mädel etwas passiert?“, fragte Ken besorgt. „Lasst mich zu Ende erzählen. Aika hat sich den vier Schränken entgegengestellt und das Mädchen zu uns auf den Hof geschickt. Als wir ankamen, hatten diese Dreckssäcke mein armes Schätzchen ganz schön in der Mangel. Einer von ihnen, anscheinend der Anführer der Gang, wollte ihr gerade an die Wäsche. Du hättest unseren Rotschopf sehen sollen. Ich dachte, der Kerl überlebt’s nicht. Wenn du mich fragst, die zwei haben mehr gemeinsam, als sie zugeben…“ Yoji steckte sich mal wieder eine Zigarette an. „Schlägt sie mich auch halb tot, wenn ich das mit dem Geld beichte?“ Dilara wirkte unsicher. „Heute noch nicht, wenn du nach sieben Uhr das Haus betrittst.“ Aya wendete sich ihr zu. „Da ist sie bei der Kleinen eingeladen, weil sie ihr geholfen hat.“ „Was haltet ihr davon, wenn wir uns heute Abend bei mir treffen, zum Kennenlernen und Spaß haben?“ Yoji grinste. „Super Idee! Was denkst du, Ken?“ Dilara glühte ihn an. Ken, von so viel Flirtatmosphäre eingelullt, schmolz dahin. „Nett, dass du mich fragst. Natürlich hab ich Lust mitzukommen!“ Yoji zog eine Augenbraue nach oben. Aya flüsterte im Vorübergehen. „Schon wieder Pech…“ „Wenn du wüsstest“, murmelte er. Aya blieb stehen. „Wenn ich was wüsste?“ Yoji hauchte ihm ins Ohr: „Mein zuckersüßes Geheimnis!“ Aya drehte sich um und fing an, einige Blumensträuße zu machen. „Warum schmerzt mich dieser Gedanke so? Wenn Aika so dumm ist, auf diesen Casanova hereinzufallen. Weshalb komme ich überhaupt darauf, dass sie etwas damit zu tun hat?“ Aya schmiss den Strauß zur Seite. Er nahm seinen Mantel und verließ den Laden mit den Worten: „Ich mach für heute Schluss, die Neue kann ja aushelfen.“ „Hey! Wo willst du hin?!“, rief Ken ihm nach. Keine Antwort. Auf dem Weg nach draußen wäre er beinahe mit Aika zusammengestoßen, die gerade von ihrer Liefertour kam. Für einen kurzen Moment trafen sich die Blicke der beiden. Aika merkte, dass etwas nicht stimmte. „Gehst du schon? Schade“, sagte sie und Aya verspürte den Drang stehen zu bleiben, aber er ging weiter. Aika trat in den Laden. „Hi Leute! Was war denn mit dem los?“ „Schön, dass du wieder da bist! Wir haben das Moped gar nicht gehört.“ Ken tat so, als hätte er schwer gearbeitet und Dilara hatte beim Anblick ihrer Partnerin die Einkaufstaschen in die hinterste Ecke gekickt. „Das konntet ihr auch nicht hören, weil das Mistding schon wieder abgeratzt ist! Wer sein Moped liebt, der schiebt…“ Aika ging zum Tresen. „Ach, noch eine Stunde, dann ist Feierabend“, seufzte sie. „Macht dir die Arbeit hier Spaß?“, wand sie sich zu Dilara. „Ja, ich freu mich schon auf nächsten Montag!“, schwindelte sie. „Äh, haben dir die Typen nicht mal ne Schürze gegeben?“ Aika musterte sie skeptisch. „War keine mehr da“, zog sich Dilara aus der Affäre. Ihre Partnerin zuckte mit den Schultern. „Ich bin heute Abend nicht da, kommst du irgendwo unter, oder bleibst du allein daheim?“, fragte Aika. „Yoji hat uns zu sich eingeladen! Ich werde nicht allein sein, mach dir keine Sorgen!“, sagte Dilara fröhlich. „Lass dir nen Tipp geben. Wenn du deine Grundsätze nicht über den Haufen werfen willst, halt Abstand zu Yoji. Er bespringt alles, was nicht bei drei auf den Bäumen Schutz sucht!“ Aika warf ihm einen viel sagenden Blick zu. Ken und Dilara hielten dies für einen Scherz und lachten. Yoji tat das zwar auch, aber in seinen Augen las Aika stummes Einverständnis, Stillschweigen über ihren Ausrutscher zu behalten. Eine knappe Stunde später schlossen die vier den Laden zu und gingen nach Hause. Aika schloss die Apartmenttür auf. „Ich geh duschen, du kannst ja derweil deine neuen Sachen einräumen. Dein neues Outfit steht dir übrigens sehr gut. Der Gürtel ist wirklich cool!“ Sie verschwand im Bad. „Sie hat nicht nach ihrem Geld gefragt.“ Dilara atmete auf. Das prasselnde Geräusch von auf Fliesen schlagendem Wasser drang durch die Badezimmertür. Sie packte ihre neuen Klamotten aus und legte sie farblich sortiert in den Wandschrank. Ein eigenartiges Gefühl machte sich in ihr breit. Eine Mischung aus Heimweh und Ungewissheit. Es war nicht einfach gewesen, hier her zu kommen und jetzt arbeitete sie tatsächlich für eine Organisation gegen Takatori. Was war von Aika zu halten? Sie wussten bis jetzt fast gar nichts voneinander. Dafür wusste sie umso mehr von Ken. Er war wirklich ein netter Junge und er sah dazu noch gut aus. „Ich sehe, du bist schon fertig“, riss Aika Dilara aus ihren Gedanken. Sie stand nur mit einem Handtuch um den Körper mitten im Wohnzimmer. Dilara wurde rot. „Kannst du dir was anziehen?“ „Oh, entschuldige, ich habe nicht gewusst…“ Aika krallte sich ein weinrotes Glitzertop, eine schwarze, bestickte Schlaghose und ihre gleichfarbige Unterwäsche. Mit allem verschwand sie wieder im Bad und kam erst eine Dreiviertelstunde später mit trockenem Haar, angezogen und geschminkt wieder heraus. Aika nahm ihre schwarze Lederjacke: „Ich fahre jetzt. Schönen Abend noch.“ Sie griff nach ihren Motorradhelm. Dilara, die ein wenig fernsah erwiderte: „Dir auch!“ Eine Viertelstunde später hatte sie die Wohnsiedlung gefunden, in der Rika wohnte. Aika stellte ihre Ninja direkt vor dem Haus ab. „Rika Kazama“, kontrollierte sie das Namensschild. Kurz nachdem Aika die Klingel gedrückt hatte, öffnete das Mädchen. Sie wirkte wie verwandelt. Ihr Gesicht schien älter und Rika war aufreizender gekleidet. Der köstliche Duft von Essen stieg Aika in die Nase. „Hallo, schön, dass du gekommen bist“, begrüßte Rika sie. „Danke für die Einladung“, lächelte Aika. „Komm doch rein!“ Die beiden durchquerten einen langen Gang mit einigen Türen, bevor sie in der Küche standen. „Ich weiß gar nicht, wie meine Retterin heißt“, merkte Rika an. „Aika.“ „Aika“, wiederholte sie, „ein schöner Name. Lass uns essen, ja?“ Minuten später saßen die beiden Mädchen an einem Tisch im abgedunkelten Esszimmer, vor Platten gefüllt mit allerlei internationalen Köstlichkeiten wie Sushi, Pizzastückchen, Nudeln mit scharfer Soße und Reis mit Curry. Einige Kerzen sorgten für gemütliche Stimmung. „Du hast dir so viel Mühe gemacht, wegen mir?“ Aika konnte es kaum fassen. „Aika-san hat mir das Leben gerettet, ich bin ihr wenigstens ein Festmahl schuldig“, antwortete Rika unterwürfig. „Danke. Ich wünsche dir guten Appetit.“ Aika erhob ihr Weinglas. „Ich dir auch.“ Rika prostete ihr zu. Zur gleichen Zeit betrat Dilara Yojis Wohnung. Ken saß bereits bei seinem Mitstreiter und Freund auf der Couch. „Hallo Kleines!“ Er umarmte sie. „Hi!“ Dilara drückte ihn. „Willkommen in meinem bescheidenen Heim!“ Auch Yoji begrüßte sie. „Kommt denn dieser Aya nicht?“, wollte Dilara wissen. „Nein, er hält sich so weit wie möglich aus den zwischenmenschlichen Dingen raus. Für ihn sind wir nichts weiter als Kollegen. Egal. Lasst uns etwas Spaß haben. Wollen wir Karten spielen?“ „Welches Spiel?“, fragte Ken. „Wie wäre es mit Watten?“ Dilara sprang zwischen den beiden Jungs auf die Couch. „O.K, wir sind dabei!“ Ken fing an zu mischen. „Um was spielen wir?“, fragte Yoji. „Um einige persönliche Infos. Wer verliert, bekommt eine Kennenlern-Frage gestellt.“ Dilara sortierte ihre Karten und setzte ein Pokerface auf. Einige Kilometer entfernt waren Rika und Aika mit dem Essen fertig. „Vorzüglich“, schwärmte letztere. „Danke“ Die Gastgeberin lief rot an. „Sag mal Rika, wohnst du ganz allein hier?“, fragte Aika interessiert. „Ja, seit ich in der Oberstufe bin. Also seit fast zwei Jahren.“ „Dann bist du ja älter als ich!“ „Hm, ich bin 18, wie alt bist du? Ich hatte dich mindestens in meinem Alter geschätzt.“ Rika schaute in Aikas Augen. „Ich werde übermorgen 17“, antwortete diese. Rika lachte. „Schon komisch, wie sehr wir uns verschätzt haben. Ich dich älter und du mich jünger…“ Aika kicherte, sie schien ein wenig beschwipst vom süßen Wein zu sein. Rika sprang auf: „Was hältst du von ein wenig Musik?“ Sie wartete die Antwort erst gar nicht ab und schaltete die Stereoanlage an. Ein langsames Stück erklang. „Komm tanz mit mir!“ Rika zog Aika von ihrem Stuhl. Sie drehten sich laut lachend im Walzerschritt. „Mm. Du riechst verdammt lecker!“ Rikas Nase berührte Aikas Hals. „Hast du immer noch Hunger?“, scherzte sie. „Oh ja sehr großen sogar!“ Rika drückte ihre Lippen auf die der perplexen Aika. „Ha, gewonnen!“, freute sich Dilara. Ken und Yoji machten leidende Gesichter. „Das Glück ist dir heute gut gesonnen. Der vierte Sieg in Folge! Sag mal, schummelst du?“ Ken nahm sie in einen neckenden Schwitzkasten. „Gnade! Gnade! Ich gebe meine Frage an dich ab!“, lachte Dilara. „Guter Deal“, grinste Ken und löste den Griff. Yoji blies den Rauch seiner Zigarette in den Raum. „He Ken, ein bescheidener Tipp: Wenn du mit jemanden flirtest, sorg dafür, dass diejenige am Leben bleibt und würg sie nicht!“ Ken und Dilara liefen rot an. „Ist es denn so offensichtlich?“, fragte sie. Yoji lächelte verschmitzt: „Nicht nur ich bin durchschaubar wie Glas, Ken!“ Aika lag in Rikas Armen. „Wir sind völlig betrunken“, gluckste sie. Rika strich ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht. „Ich glaub, ich hab mich in dich verknallt…“ „Ich bin doch ein Mädchen, warum solltest du dich in mich verknallen?“ Aika blickte in die grünen Augen Rikas. „Weiß nicht, ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen Kerl geliebt zu haben.“ Sie küsste Aikas Stirn. „Was tu ich hier nur? Erst Yoji und dann so was? Darf ich so egoistisch sein? Meine Aufgabe ist eine Gefahr für alle Unwissenden, ich sollte sie nicht Gefahr bringen… Andererseits, warum soll ich mich nicht auch mal gehen lassen?“ Sie spürte, wie Rikas Hände sich an ihrer Kleidung zu schaffen machten. Es war spät geworden. Dilara hatte ihren Kopf an Kens Schulter gelegt und lauschte gespannt Yojis Erzählung über den Tag seiner Rekrutierung. Ken selbst schien völlig abwesend zu sein. Er spielte mit den Spitzen ihres langen Haars und hatte diesen glasigen Blick. Als Yoji aufhörte zu sprechen, fragte Dilara: „Hat man Asuka wieder gefunden?“ „Ich glaube nicht. Aber ich hab sie sterben sehen, so bleibt wenigstens eine Gewissheit, sie ist sicher im Himmel, falls es so etwas gibt.“ Dilara bemerkte den Schmerz in seinen Augen. „Es ist schon halb eins, wir sollten wohl besser gehen. Morgen müssen Vorbereitungen getroffen werden und in der Nacht zum 13. geht’s mal wieder gegen Schwarz.“ Ken blickte in die Runde. „Du hast Recht, es ist Schlafenszeit“, stimmte Yoji ihm zu. Sie verabschiedeten sich und gingen in ihre Wohnungen. Dilara wunderte sich, weil Aika noch nicht zurück war. „Muss ich eben allein hier bleiben…“ Sie legte sich ins Bett. Am nächsten Morgen hatte Aika immer noch kein Lebenszeichen von sich gegeben. Nach dem Frühstück lief Dilara zu Ken hinunter. Als sie in seiner Wohnung stand, erzählte sie: „Aika ist gestern nicht nach Hause gekommen. Ist das normal? Weißt du, wann sie wieder kommt?“ „Sie ist nicht zurück? Hoffentlich ist nichts passiert!“ Ken öffnete die Wohnungstür und die beiden gingen erst zu Yoji und da er auch nicht wusste, wo das zweite Angel Hunter Teammitglied geblieben war, noch zu Omi. „Aika ist verschwunden? Hat sie irgendwas gesagt, bevor sie gegangen ist?“ Er wirkte besorgt. „Nein, wir hatten gehofft, Aika hätte vielleicht bei dir angerufen oder so.“ Ken raufte sich die Haare. „Es gibt nur eine Möglichkeit, die wir nicht nachgeprüft haben, weil sie so unwahrscheinlich ist: Aya.“ Yoji zündete sich seine Morgenzigarette an. „Fragen kostet nichts“, meinte Omi und stiefelte die Treppe nach oben. Aya öffnete mit mürrischem Gesichtsausdruck die Tür: „Was gibt’s?“ „Aika ist verschwunden. Hat sie sich bei dir gemeldet?“, fragte Omi. „Nein, hat sie nicht. Sonst noch was?“ „Nein, danke für die Auskunft“ „Bitte, schönen Tag noch.“ Aya schloss die Tür vor Omis Nase. „Mann, hat der eine Laune!“ Er ging zu den anderen. „Aya hat auch nichts mitbekommen.“ Dilaras Blick fiel auf den Siedlungseingang. Eine giftgrüne Ninja brauste hinein. „Ich glaube, das ist sie“, sagte Dilara. Minuten später kam Aika die Treppe hinauf geschlichen. Sie wurde bereits erwartet. „Wo hast du denn gesteckt, Schätzchen?“ Yoji musterte sie. Aika blickte ihn aus müden, mit Augenringen umrandeten Glubschern an: „Kein Kommentar! Ich bin müde. Wo ist mein Bett?“ Erleichtert atmeten ihre Gefährten auf. „Heut Nacht um dreiviertel zwölf treffen wir uns im Laden. Eine Besprechung steht an. Danach machen sich die vier auf den Weg zum Tempel“, unterrichtete Omi Aika. Diese nickte zustimmend und ging die Treppe zu ihrer Wohnung hoch. Dilara wollte ihr folgen, doch Omi hielt sie auf: „Mit euch hab ich jetzt was zu besprechen. Wir gehen jetzt alle zu Aya.“ Aika torkelte in die Wohnung, schmiss die Tür hinter sich zu und ließ sich auf die Couch fallen. Sie dachte an Rika und die Nacht, die sie verbracht hatten. „Ich hab ihr zwar gesagt, dass das eine einmalige Sache war, glaube aber nicht, dass sie diese Tatsache akzeptiert. Es steht mir nicht zu, ihr Leben zu gefährden. Ich werde bis zum Ende meiner Rache allein bleiben müssen“, dachte sie. Irgendwann übermannte Aika die Müdigkeit uns sie schlief ein. Selig schnarchend fand Dilara Aika auf der Couch vor. „Mein Gott, was hat die heute Nacht nur gemacht?“ Sie setzte einen starken Kaffee auf. Mittlerweile war es vier Uhr nachmittags. Dilara trug zwei große Tassen voll mit dampfendem, heißem Inhalt ins Wohnzimmer, dann weckte sie Aika. „Du siehst besser aus als vorher. Hast du gut geschlafen?“ „Mehr oder weniger“, gähnte ihre Partnerin. „Nach deinem Schnarchen zu urteilen, sehr gut“, feixte Dilara. „Weshalb hast du mich geweckt?“ „Erklär mir, was wir heute Nacht genau machen, mit was ich kämpfen soll und auf was ich achten muss!“ Sie setzte sich in einen Sessel. „Na gut. Ich hab noch zwei Großkaliber Pistolen hier, mit denen kannst du dich verteidigen. Hast du schon mal geschossen?“ Aika trank vorsichtig ein wenig Kaffee. „Ja, mein Bruder hats mir beigebracht.“ „Super. Punkt zwei betrifft die Schwarz-Kerle. Pass vor allem auf den kleinsten namens Nagi auf, er kann per Telekinetik Dinge bewegen. Schau niemals in die Augen von dem Mann mit den orangen Haaren, er liest deine Gedanken und wird versuchen, dich zu kontrollieren, außerdem bewegt er sich unglaublich schnell. Der Kerl mit der Augenklappe verspürt keinen Schmerz; Kratzen, Beißen oder Ähnliches funktioniert nicht. Halte ihn dir anders vom Leib. Ihr Anführer ist Brad Crawford, er kann kurze Spannen in die Zukunft sehen. Zu deinem Nachteil, er wird keine Gelegenheit auslassen, seine Fähigkeit einzusetzen und deine Bewegungen vorherzusehen. Nimm dich in Acht vor denen, Fehler oder Missachtung sind absolut tödlich!“ „Hört sich ziemlich schräg an.“ Dilara wirkte etwas ungläubig. „Das ist es auch, glaub mir. Wenn du die Chance hast, einen dieser Mistkerle abzumurksen, dann tu es ohne zu zögern, die nehmen keine Rücksicht auf dein Leben, also sei nicht übermäßig emotional. Damit wären wir bei Punkt drei. Ein altes Sprichwort sagt so ziemlich alles über unseren Beruf aus: Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Halt dich dran, sonst überlebst du nicht lang genug in diesem Geschäft. Wichtig ist außerdem, dass wir rausbekommen, woher die unsere E-Mail Adresse haben.“ „O.K. Verstanden. Was hast du jetzt vor?“, fragte ihre Partnerin. „Ich werde noch ein bisschen vor mich hindösen, bis wir uns im Laden treffen, was machst du noch?“ Aika stellte die leere Tasse auf den Tisch. „Ich geh mit Ken ins Kino und danach etwas essen“ Dilara war wieder einmal rosa angelaufen. „So. Du magst Ken sehr, nicht? Dann wünsch ich dir viel Spaß!“, Aika grinste wissend. „Äh, ja… Ich mag ihn sehr gern. Ruh dich aus. Bis später!“ Dilara kam um halb zwölf zurück. Aika stand bereits in voller Montur vor dem Spiegel. „Wow! Du bist eine richtige Erscheinung! Ein weiblicher Terminator!“ Aika hatte eine schusssichere Weste über ihrem schwarzen Outfit angezogen und an ihrem Oberschenkel war per Riemen, von denen einer am Gürtel festgemacht war, ein Holster befestigt. Ihre kniehohen Stiefel, die langen Bikerhandschuhe, Wakizashi und Katana auf dem Rücken sowie die drei Jagdmesser an ihrem Gürtel und der lange schwarze Mantel, taten ihr übriges. „Deine Weste liegt auf deinem Bett, mach dich bereit. Einige Minuten später stand auch Dilara in Arbeitskleidung im Wohnzimmer. Sie trug schwarze Turnschuhe und im Gegensatz zu Aika, die ärmellose Rollis bevorzugte, hatte Dilara ein T-Shirt an und eine schwarze Strickjacke mit weißen Streifen darüber. Ihre Holster trug sie wie Lara Croft um die Oberschenkel geschnallt. „Bin soweit! Wie sehe ich aus?“, fragte Dilara. „Wie ein Profigangster“, scherzte Aika, um die Anspannung zu lockern, „Lass uns gehen“ Im Blumenladen warteten die Weiß-Männer. „Hi Leute!“ Aika rollte die Garagentür zu. „Guten Abend, Schätzchen!“ Aika musste zugeben, dass Yoji einfach sexy aussah, wenn er seinen Mantel halb ausgezogen und um die Hüfte hängen hatte. Durch sein enges schwarzes Shirt zeichneten sich dann die Muskeln ab. Aya hingegen hatte seinen Mantel an der Garderobe hängen und lief ebenfalls im T-Shirt rum. Omi benutzte seine Hosenträger wie immer nicht zum eigentlichen Zwecke, sondern um cool auszusehen und Ken zog seine geliebte braune Lederjacke bei jedem Auftrag an. Yoji jedenfalls klebte mit seinem Astralkörper an Aika und Ken begrüßte Dilara innig, obwohl sich die beiden erst vor einer Viertelstunde getrennt hatten. Omi begann die Besprechung: „Lasst uns bitte noch mal durchsprechen, was heute getan werden soll und welche Notfalllösungen es gibt.“ „Wir treffen Schwarz in diesem Tempel und versuchen herauszufinden, was sie wollen und woher sie die E-Mail Adresse von Team Angel Hunter haben“, fasste Aika den Auftrag zusammen. Omi nickte: „Richtig. Balinese, Silberian, Angel und Rose werden Pershas Befehl ausführen. Abyssinian und ich stehen in Funkkontakt mit euch. Gibt’s Probleme, holen wir euch raus. Abyssian wird in der Nähe bleiben. Soweit alles klar?“ Omi sah fragend in die Runde. „Wer sind diese ganzen Typen? Balidings und Silberdas?“ Dilara blickte nicht ganz durch. Aika erklärte es ihr. „Das sind unsere Codenamen. Ich bin Angel, wie du weißt. Yoji ist Balinese, Ken Silberian, Aya Abyssinian und Omi ist Bombay.“ „Dann bin ich Rose?“, freute sich Dilara. „Bedank dich bei Manx, sie hat deine Rosenohrringe bemerkt“, grinste Aika. Sie hörten, wie es Mitternacht schlug. Plötzlich begann Dilara zu singen: „Happy birthday to you!“ Auch Ken, Omi und Yoji stimmten mit ein. Aika starrte ungläubig in die Runde. „Ihr habt an meinen Geburtstag gedacht?“ Aya zog einen kleinen Kuchen unter dem Tresen hervor. Omi lachte über beide Ohren: „Wir dachten, du solltest nicht gehen ohne deinen Geburtstag ein wenig gefeiert zu haben!“ Aika hätte beinahe angefangen zu heulen: „Ihr, ihr seid wirklich schlimm! Danke! Vielen Dank!“ „Lass uns etwas vom Kuchen essen, wir haben nur ne halbe Stunde Zeit, dann müssen wir los“, meinte Ken, nachdem ihr alle gratuliert hatten. Dreißig Minuten später saßen Aika und Dilara auf der Ninja und brausten neben dem von Aya gefahrenen Auto her in Richtung Yokohama. Beim Tempel angekommen, sprangen Ken und Yoji aus dem Auto. Aya wechselte aufs Motorrad und fuhr mit Omi, der sich hinters Steuer des Autos geklemmt hatte, davon. Aika hatte genau wie Yoji einen so genannten Knopf im Ohr. Langsam näherten sich die vier dem Tempeleingang. „He! Hier sind wir!“ Schuldigs Stimme drang aus der Dunkelheit. Aika drehte sich um. Die vier Schwarz-Mitglieder standen hinter ihnen. „Wie konntet ihr Kontakt mit uns aufnehmen?“, rief sie ihnen entgegen. „Maya war so nett, die E-Mail Adresse aufzuschreiben, damit war es kinderleicht, an eure IP zu kommen!“, lachte Crawford. „Mistkerl!“ Aika stürzte mit gezogener Katana auf ihn zu. Doch wie aus dem Nichts schossen einige Ziegelsteine auf sie hernieder, die scheinbar aus der brüchigen Tempelmauer stammten. Dilara zog ihre Pistolen. „Oh, wen haben wir den hier?“ Plötzlich stand Schuldig neben ihr. „Pass auf, Rose!“ Ken schmiss sich gegen den Feind. Yoji versuchte derweil vergeblich, Farfarello mit seinem Draht zu erwischen. Aika hatte es endlich geschafft, zu Crawford vorzustoßen, als sie ein weiterer Stein am Hinterkopf traf. Sie stürzte zu Boden. In ihrem Schädel pochte es wie von Sinnen. Brad hob sie hoch. „Immer noch so stur wie zuletzt!“ Aika spuckte ihn an. „Miststück!“ Er schlug sie nieder. Dilara schoss auf Schuldig, konnte ihn jedoch nicht erwischen. Wie aus dem Nichts stand er wieder vor ihr, eine Haarsträne um den Finger gewickelt. „Bist du der Ersatz für Cat? Eigenartig, sie hatte auch schwarzes Haar!“ Dilara kam der Akzent in dem Schuldig sprach sehr bekannt vor, er hörte sich genauso an, wie der von Aika. Ken nutzte die Unaufmerksamkeit des Deutschen, um ihm einen Hieb mit dem Bukuk zu verpassen. Schuldigs Arm blutete. Er warf Ken zu Boden. Nagi hatte Yoji mit dessen eigenem Draht erwischt, zog langsam zu und betrachtete das Ganze genüsslich. Aika konnte sich von Crawford befreien. Sie warf ein Messer in Yojis Richtung, das knapp an Farfarellos Ohr vorbeizischte und den Draht zerschnitt. Keuchend fiel Yoji um. Crawford lachte. „Lassen wir die Puppen tanzen! Schnappt sie euch, Leute!“ Eine Bande Yakuza mit Schwertern stürmte aus den Hecken. Dilara erschoss zwei von ihnen. Aika erreichte gerade noch rechtzeitig ihr Katana, steckte es ein und zog ebenfalls ihre Pistole. Wenn das Magazin leer war, halfen nur noch die Klingen. „Wie viele sind denn das noch?!“, rief Ken, dessen Gesicht mit Blut bespritzt war. Schwarz hatte sich etwas zurückgezogen und beobachtete alles. „Aus dem Weg, Angel!“, schrie Yoji, der mit einem kräftigen Zug an seinen Drähten drei Mann auf einmal zerlegte. „Wir sollten Deckung suchen!“, kam es aus ihrer Richtung. Dilara war gerade die Munition ausgegangen und sie hatte gerade keine Zeit zum Nachladen. „Scheiße! Sie hat Recht!“, rief sie, während ihre Pistolen als Schlagwerkzeuge herhalten mussten. Ken schrie: „In den Tempel!“ Angel Hunter und die Weiß-Männer rannten unter dem Doppelbalken hindurch. Aika warf sich hinter eine Säule im Eingangsbereich: „Sie kommen noch nicht hinterher! Lauft weiter hinein! Ich warne euch, wenn sich was tut!“ Yoji nickte. Eine Zeit lang herrschte Stille. Aika warf vorsichtig einen Blick aus ihrem Versteck. Sie kroch zum Eingang, stellte sich mit dem Rücken an die Wand und blickte um die Ecke. Sofort schlugen einige Kugeln hinter ihr ins Holz. „Shit, wir kommen hier nicht raus!“, dachte Aika. Auf einmal durchdrang Crawfords hämische Stimme die Stille: „Sieh mal an, wen haben wir denn hier, Fujimija-san!“ Aikas Herz machte einen Aussetzer. Die hatten Aya! „Wir haben ein Problem! Sie haben Aya!“, rief sie ins Innere des Tempels. „Verdammt!“, hörte Aika Kens Stimme aus dem Dunkel. „Ich geh raus! Bleibt auf jeden Fall hier! So sterben höchstens zwei vom Team!“ Aika machte sich bereit. Sie hörte, wie Dilara einen Aufstand machte und von den Weiß Jungs gebändigt wurde. Rose musste noch lernen, wie dieses Geschäft lief, wenn ein Opfer nötig war, um andere Leben zu retten, stellte man sich. „Ich komme raus! Keiner schießt, verstanden?!“ Aika blickte wieder um die Ecke, bevor sie hinaus ging. Der Anblick, der sich ihr bot, übertraf alle Vorstellungen. Aya kniete, von zwei Yakuza Kerlen kampfunfähig gemacht, vor Crawford. Aika griff an ihren Rücken und zog Katana sowie Wakizashi. Ein kurzer Blick genügte ihr, um festzustellen, dass sich außer Schwarz noch zehn Yakuza Männer anwesend waren. „Du bist hoffnungslos unterlegen, gib auf, Angel!“ Nagis Gesichtsausdruck war kälter denn je. Aika senkte den Kopf und warf ihre Schwerter in die Luft. Mit einer einzigen Handbewegung schleuderte sie die beiden übrigen Jagdmesser nach zwei Yakuza. Die Klingen verfehlten ihr Ziel nicht. Das alles geschah so schnell, dass Aika die geworfenen Schwerter wieder auffangen konnte. Die Mafia Kerle waren einen Moment verunsichert, so dass es ihr gelang, anzugreifen. Aika warf sich zu Boden und drehte sich im Capoeira Stil, was die Yakuza einige Gliedmaßen kostete. Nur noch einer stand zwischen ihr und Aya, der drei Meter entfernt am Boden kniete. Seltsamerweise beobachteten Schwarz den Kampf, ohne ihre überlegene Position auszunutzen. Der Yakuza griff sie an. Das Gefecht dauerte nur zwanzig Sekunden, bevor die Katana ihn von Kopf bis Fuß spaltete. Aika war blutverschmiert und zitterte vor Anstrengung. Jetzt erst griff Crawford ein. Er hielt seinen Revolver direkt auf Ayas Brust. „Keine Bewegung, sonst ist er tot! Keine Sorge, ich treffe auf diese paar Meter genau sein Herz!“ Aika ließ ihre Waffen sinken. „Was habt ihr vor?“ „Oh, wir wollen uns ein wenig amüsieren. Tut uns bitte einen Gefallen und sterbt nicht so schnell!“ Crawford lachte laut auf. Aika ging in die Knie. „Machst du schon schlapp oder was?!“, rief Schuldig. Angel hatte einen Plan. Im nächsten Moment hatte sie mehrere kleinere Steine vom sandigen Boden aufgehoben und alle auf einmal gegen Schwarz geworfen. Crawford, der nur kurz unkonzentriert war, wurde hart am Kopf getroffen, worauf er die Waffe von Aya abwandte. Aika nutzte ihre kleine Chance und stürmte nach vorn. Die zwei Yakuza standen noch, als Schwarz sich wieder gefangen hatte. Aika kniete vor Aya, den Kopf an seiner Schulter. Ihre Hände hielten immer noch Wakizashi und Katana, die vibrierend in den Brustkörben der Yakuza steckten. Ihre Herzen schlugen, weshalb die Schwerter leicht pulsierten. Aika legte die Zeigefinger auf die Klingen, worauf die Yakuza Schergen tot zusammenbrachen. Aya konnte Angels Parfüm riechen, ihr Atem ging schnell und ihr Herz schlug so stark, dass er es spüren konnte. Ein Klicken sagte ihnen, dass Crawfords Revolver schussbereit auf sie zeigte. „Grandiose Vorstellung! Bravo!“ Er klatschte, indem er mit der freien Hand auf seinen Unterarm schlug. „Nur Schade, dass es euch nichts nützen wird! Waffen fallen lassen!“ Aika gehorchte. Sekundenbruchteile später wurde sie von zwei starken Armen gepackt und hochgehoben. Es war Schuldig, der hinter ihr gestanden hatte. Aya wurde von Farfarello gezwungen aufzustehen. Sein Messer lag an der Kehle des Weiß-Mitglieds. „Ich stelle dir jetzt einige Fragen, Angel und du wirst sie wahrheitsgemäß beantworten, sonst passiert das!“ Crawford schlug seine Faust in Ayas Magen. Dieser krümmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Angel blieb kühl. „Glaubst du, ich nehme Rücksicht auf ihn? Wenn mir von oberster Stelle der Befehl gegeben würde, ihn zu töten, würde ich es ohne zu zögern tun!“ „Ich spüre deine Angst, mich kannst du nicht täuschen!“ Schuldig war in ihre Gedanken eingedrungen. Crawford nahm Ayas Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen. „Du kannst niemanden leiden sehen, deshalb erledigst du deine Opfer, sofern sie nichts Direktes mit deiner Rache zu tun haben, meistens schnell und ohne ihnen ins Gesicht zu sehen, hab ich Recht?“ Er drehte das Gesicht von Angels Mitstreiter in ihre Richtung. „Sieh ihn dir genau an. Blicke in seine hübschen Augen. Willst du, dass ich ihm wehtue?“ Schuldig zwang Aika, in Ayas purpurne Augen zu schauen. Sie sah seinen Trotz, die Wut, aber auch Angst, Verzweiflung und Flehen. „Zufrieden?“, blaffte Aika. „Wer gibt euch die Aufträge?“ Crawford schlenderte zwischen den beiden auf und ab. Angel schwieg. Schuldig wollte ihre Gedanken lesen, sie dachte aber nur an einen Strand. „Du bist gerissen, Baby“, sprach er leise in ihr Ohr. „Willst du nicht antworten?“, fragte Crawford, der seine Jacke ausgezogen hatte. „Dann schau dir die Konsequenzen an!“ Er rammte sein Knie mit voller Wucht an Ayas Brust und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Aika musste hinsehen, Nagis Kraft hinderte sie daran, die Augen zu schließen. Crawford wandte sich wieder ihr zu. „Wer zur Hölle ist euer Auftraggeber?!“ „Schmier dir deine Fragen sonst wo hin, ich werde dir keine einzige beantworten, du Schwanzlutscher!“, schrie Aika ihn an. „Wie du meinst, vielleicht wirst du deine Ansichten ändern, wenn ich mit dem kleinen Fujimiya hier fertig bin!“ Mit diesen Worten prügelte Crawford Aya fast bis zur Bewusstlosigkeit. „Weißt du, warum ich sein Gesicht verschont habe?“, fragte er keuchend. „Damit du ihm in die Augen sehen kannst!“, lachte Crawford. Aya hing in Farfarellos Armen, ein Blutrinnsal lief aus seinem Mund. Crawford packte ihn am Haarschopf und zog sein Gesicht hoch, so dass er Aika ansah. Sie versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, aber Schuldig hatte seine Chance gewittert. „Willst du uns nicht sagen, dass wir aufhören sollen? Beantworte einfach die Fragen, dann erlauben wir ihm einen schnellen, vielleicht schmerzlosen Tod…“ „Halt deine Klappe! Halt deine verdammte Fresse!“ Angel schrie Schuldig auf Deutsch an. „Oh, du bringst mich auf eine Idee! Deine Eltern starben ja in einem brennenden Haus, soll Fujimiya verbrennen? Soll ich ihn anzünden? Willst du ihn schreien hören?“ Aika wurde mit Bildern aus vergangen Tagen konfrontiert. Schuldig wusste, dass er gewonnen hatte. Er spürte, wie sie zusammensank und ließ sie los. „Macht mit mir, was ihr wollt, aber lasst ihn gehen“, flehte Aika. Farfarello warf Aya zu Boden. Angel stürzte zu ihm: „Aya! Aya! Sag doch was!“ „Du, du Dummkopf… lauf weg, mach schon“, brachte er mühsam hervor. Sie hob ihn an ihre Brust: „Ich bring dich hier raus, versprochen!“ Wie auf Kommando schrie Ken aus dem Tempel heraus: „Ihr Dreckskerle! Zu viert auf zwei, das ist reichlich unfair!“ Er rannte gefolgt von Yoji und Dilara, die ihre neu geladenen Pistolen im Anschlag hatte, auf die Schwarz-Leute zu. Im selben Moment raste Omi, der von Yoji gerufen worden war, mit dem Auto auf den Platz und hielt mit quietschenden Reifen direkt neben Aika und Aya. Angel riss die Tür auf. Sie half ihrem Gefährten hinein. Als Aika jedoch merkte, dass eine Hand sie von hinten an der Schulter packte, schlug sie die Autotür hinter Aya zu. Omi brauste zu den anderen dreien, die sich ebenfalls ins Auto retteten. Angel versuchte, auf allen vieren zu entkommen, wurde jedoch von Farfarello hochgehoben und in einen Haltegriff genommen. Omi brachte das Auto parallel zu Schwarz zum Stehen. Die Beifahrertür flog auf und Dilara zielte mit beiden Pistolen auf ihre Gegner. Schuldig bückte sich und zog eines der Jagdmesser aus einem toten Yakuza Schergen. Er wischte es sorgfältig ab. Crawford zielte mit dem Revolver auf Aika, die völlig fertig nur noch von Farfarellos Armen aufrecht gehalten wurde. „Verdammt, verschwindet hier! Ich brauch keine Zuschauer beim Sterben!“, rief sie mit letzter Kraft. Yoji wendete sich an Dilara. „Angel hat Recht. Wenn wir es darauf ankommen lassen, verfolgen sie uns am Ende noch. Dann müssen wir alle sterben! Mach die Tür zu, wir müssen weg hier!“ „Aber! Ich kann sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen! Nein! Fahr nicht! Bitte fahr nicht!“ Dilara war schockiert, alles war wie ein böser Traum. Sie drehte sich Hilfe suchend zu Yoji um, der seine Arme fest um den Körper geschlungen hatte und still weinte. Schuldig war derweil mit gezücktem Messer auf Aika zugegangen. „Ich hätte dich schon vor fünf Jahren töten sollen, als ich die Gelegenheit hatte. Grüß die Engel von mir!“ Mit diesen Worten stach er das Messer in Angels Bauch. Diese war so entsetzt, dass sie im ersten Moment nicht mal schreien konnte. Farfarello ließ Aika los und im Fallen erhaschte sie einen Blick auf Dilaras Gesicht, bevor Omi aufs Gas drückte. Der Wagen verschwand in der Nacht. „Sie haben es geschafft, Gott sei Dank…“, dachte sie erleichtert. Der Schmerz betäubte ihre Wahrnehmungen. Schwer atmend lag Aika auf dem kalten Boden. Sie konnte Schuldigs grinsendes Gesicht sehen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Schmerz brannte bei jedem Atemzug. Ihre Finger lagen bald in warmer Flüssigkeit. Alles verschwamm in ihrem Sichtfeld. Sie konnte Schuldigs hämische Worte nicht mehr hören, nur noch andeutungsweise wahrnehmen, dass er die Lippen bewegte. Plötzlich wurde alles weiß und einige Sekunden später versank alles in Schwärze und Aikas Bewusstsein verabschiedete sich. ____________________________________________________________________________________ Spannung! Eines meiner Lieblingskapitel. Ich glaube, man merkt die Fortschritte zu den ersten Abschnitten sehr deutlich. Wie ihr sicherlich schon bemerkt habt, rechne ich in Angel Hunter oft gnadenlos mit Verbrechern aller Art ab. In diesem Fall mit Männern, die sich einbilden Frauen, als Spielzeug zu benutzen und vor Gewalt nicht zurückschrecken. Ich hoffe wir sehen uns beim nächsten Kapitel! Kapitel 9: Ungewissheit ----------------------- Dilara schlug gegen die Fenster des Autos. „Du hast sie sterben lassen! Du hast sie einfach da sterben lassen!“ Omi reagierte nicht. Yoji kümmerte sich um Aya. Dieser lag mit geschlossenen Augen auf seinem Schoß. „Wir hätten ihr nicht helfen können. Wärst du ausgestiegen, dann wäre die Mission vielleicht gescheitert und wir alle gestorben! Aika wollte es nicht soweit kommen lassen, sie wusste, ihr Opfer war nötig um die Gruppe zu schützen!“ Immer noch liefen Tränen über seine Wangen. Aya schlug die Augen auf. Er blickte direkt in Yojis grüne Augen. Eine Träne fiel auf sein Gesicht. „Was ist geschehen?“, brachte Aya mühsam hervor. „Aika, wir konnten nur noch sehen, wie Schuldig ihr das eigene Jagdmesser in den Leib gestoßen hat und sie einfach umfiel. Einfach so! Das ist doch alles nur ein schlimmer Traum! Ein Traum! Es muss ein Traum sein!“ Dilara vergrub das Gesicht in den Händen. Ken bemerkte, dass Aya mit seinen Gefühlen kämpfte. Seine Lippen zitterten, als er sagte: „Und meine letzten Worte waren du Dummkopf…“ In der Wohnsiedlung angekommen, halfen Yoji und Omi Aya die Treppe hinauf. Ken begleitete Dilara in ihr Apartment. Dort brach sie heulend zusammen. Er nahm Dilara in die Arme. Schluchzend lehnte sie sich an seine Brust. Aya war zur selben Zeit von Yoji in sein Bett verfrachtet worden. Ächzend drehte er sich zur Seite. „Lasst mich bitte allein.“ „Bist du sicher?“ Omi legte die Hand auf seine Schulter. „Ich sagte, lasst mich allein!“ Aya wurde aggressiv. „Wir haben verstanden. Gute Besserung.“ Yoji und Omi verließen seine Wohnung. Da begann auch er zu weinen. Tags darauf trafen sich alle fünf eine Stunde vor Öffnung im Blumenladen. Aya musste immer noch von Yoji gestützt werden. Dilaras sonst so strahlende blaue Augen waren geschwollen und Omi sah fast genauso aus. „Was machen wir denn jetzt?“ Ken setzte sich auf die Theke. „Weitermachen wie zuvor. Sonst machen wir uns der Sabotage schuldig und wir alle wissen, dass dies unseren Tod bedeutet!“ Yoji senkte den Kopf. Dilara mischte sich ein. „Unsere eigene Organisation würde den Auftrag geben, uns zu beseitigen?“ „So ist es. Hat Aika dir die Regeln nicht erklärt?“ Omi starrte sie an. „Dazu ist sie ja nicht mehr gekommen!“, schrie Dilara zornig. „Tut mir Leid.“ Omi sah betroffen aus. „Unser Superhirn wird dich sicher über alles aufklären, schließlich musst du jetzt allein klar kommen.“ Aya quälte sich, bei jedem Satz nicht zu husten. Die Weiß-Jungs schauten Dilara mitfühlend an. Es herrschte einige Minuten eisiges Schweigen, bis Omi die Stimme erhob: „Ich habe heute morgen Kontakt mit Manx aufgenommen. Sie bedauert Aikas Tod sehr, hatte jedoch bereits einen neuen Auftrag für uns. Besser gesagt für Dilara.“ „Gegen wen geht’s?“, wand sie sich ihm zu. „Burak Avci. Boss eines Mafiarings aus der Türkei.“ Dilara riss die Augen auf. „Scheiße! Wie haben die den Dreckskerl gefunden, der meinen Bruder auf Takatori Juniors Befehl hin hat töten lassen?“ „Man wollte dir die Chance geben, dich an einem der Verantwortlichen zu rächen, als Appetithäppchen so zu sagen“, meinte Omi ernst. „Wie soll es vonstatten gehen?“, fragte Dilara. „Er wurde von Takatori Junior zu einem Geschäftsessen nach Tokio eingeladen, Bordellbesuch inbegriffen. Da setzt unser Plan an. Du wirst dich auf dem Dach des gegenüberliegenden Gebäudes postieren, mit einem Scharfschützengewehr. Ziel auf seinen Kopf und dann… peng.“ Omi sagte es fast so, als sei einen Menschen auf diese Weise zu töten alltäglich, als sei morden alltäglich. Dilara wusste nicht recht, wie sie auf so viel Kaltblütigkeit reagieren sollte. Nicole umzubringen war mehr eine Affekthandlung gewesen. Eigentlich war der Mord nicht wirklich durchdacht, ihre Trauer und ihre Wut hatten jegliches logisches Denken ausgeschaltet. Das hier war anders, ganz anders. Irgendwie weckte die Gewissheit, ein Menschenleben ausgelöscht zu haben, ein Schuldgefühl in ihr, das nicht zu unterdrücken war. „Wer unterstützt mich?“, wollte Dilara wissen. „Außer Aya kannst du jeden wählen. Es wird dich jedoch nur einer begleiten, zur Rückendeckung“, antwortete Omi. „Gut, dann bitte ich Ken darum, mir zu helfen. Bist du einverstanden?“ Dilara schaute ihn fragend an. „Natürlich. Du kannst mir vertrauen. Keine Angst, wir schaffen das schon.“ Ken deutete ein Lächeln an. „Dann ist ja alles klar. Heute Nacht, 23 Uhr. Seht zu, dass dieser Auftrag erfolgreich verläuft.“ Omi zog sich seine Schürze an. „Du kannst dich auf uns verlassen“, sagte Dilara. „Soll ich ihn verbrennen? Beantworte meine Fragen! Willst du ihn schreien hören? Ich hätte dich schon vor fünf Jahren töten sollen! Grüß die Engel von mir!“ „Neeein!“ Ein Mädchen schlug die Augen auf. Alles drehte sich und sie war schweißgebadet. Weiß, alles war weiß. Ihr Atem ging schnell. „Bin ich tot?“ Ein ferner Gedanke huschte durch ihren Sinn. Sie wurde jedoch sofort durch starke Schmerzen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. „Ungh, ich erinnere mich. Der Tempel… Ein Auftrag… Das, das Messer… Wo bin ich, und noch wichtiger, wer bin ich?“ Sie drehte den Kopf leicht nach links. „Ein Krankenzimmer?“ Es war schwer, ihre Gedanken zu ordnen. Das monotone Piepen des EKGs erfüllte den Raum. Jetzt erst bemerkte das Mädchen die Schläuche in ihrem Arm. Ihr Blick fiel unweigerlich in Richtung Tür. „Sind das Schritte?“ Sie lauschte angestrengt. „Ohne Zweifel. Zwei Männer, und sie sind direkt auf dem Weg hierher!“ Das Mädchen schloss blitzschnell ihre Augen, als auch schon die Tür aufgerissen wurde. „Keine Sorge, sie wird Ihnen gefallen!“ Ein Mann mit unauffälliger Stimme trat neben ihr Bett. „Die ist wirklich etwas Besonderes. Naturblonde Weiber sind in Japan nicht leicht aufzutreiben.“ Ein anderer Mann mit rauer Kettenraucherstimme senkte seinen Kopf, so dass sie seinen stinkenden Atem riechen konnte. „Wie viel?“, raunzte er. „50.000.000 Yen“, antwortete der andere knapp. „Gut, der Handel steht. Sobald sie wieder, wie soll ich sagen, körperlich belastbar ist, möchte ich umgehend informiert werden. Meine Männer bringen das Mädchen dann in mein Bordell. Sie passt wunderbar ins Lolita. „Was? Ich soll als Hure verkauft werden?“ Das Mädchen verspürte eine unsagbare Wut in sich aufsteigen. Was folgte, geschah in Sekundenbruchteilen. Zwei Hände schossen in die Höhe, packten den Kopf des widerlichen Rauchers und brachen ihm das Genick. Bevor der andere Mann zurücktreten konnte, befand sich seine Krawatte bereits in der Gewalt des Mädchens. Sie zog zu, bis das Leben aus dem Körper des zweiten gewichen war. „Jetzt weiß ich es wieder. Ich bin Aika Tadano, und ich lebe!“ Sie schwang die Füße aus dem Bett. Die Stichwunde an ihrer rechten Bauchseite schmerzte, schien jedoch bereits zu heilen. „Ich muss einige Zeit ohnmächtig gewesen sein. Was mich interessiert, ist, wo zum Teufel bin ich?“ Aika kniff die Augen zusammen, biss in ihre Bettdecke, packte die Schläuche und riss diese mit einem Ruck aus ihrem Arm. Der Stoff erstickte ihren Aufschrei, doch der Schmerz ließ sie wieder besinnungslos werden. Kilometerweit entfernt schloss gerade der Blumenladen. Dilara und Ken gingen gemeinsam nach Hause, während Yoji sich auf einen selbstzerstörerischen Streifzug durch Tokios Nachtclubwelt begab. „Ich geh mich nur schnell umziehen, danach komm ich zu dir hoch. Du sollest nicht allein sein vor deinem ersten richtigen Auftrag.“ Ken legte die Hände auf ihre Schultern. „Vielen Dank, dass du dich um mich kümmerst.“ „Keine Ursache! Weißt du, eigentlich hasse ich diesen Job, aber es ist zu spät, auszusteigen. Leider… Bis gleich!“ Er verschwand in seiner Wohnung. Dilara schlenderte die Treppe nach oben. „Mir ist ganz schlecht bei dem Gedanken, den Mafiaboss zu töten, der wie ein Vater für mich war und dennoch meinen Bruder töten ließ“, ging es ihr durch den Kopf. „Was mach ich mir überhaupt Sorgen. Er hat den Tod verdient! Dieser Arschkack!“ Sie öffnete ihre Haustür. Ging in die Wohnung, wobei sie fast über Aikas Motorradhelm gefallen wäre. Yoji hatte die Ninja vom Versteck aus hierher gebracht. Dilara hob den Helm auf und strich gedankenverloren darüber. „Was haben die wohl mit ihr gemacht?“ Es läutete. Ken stand in Arbeitskleidung vor der Tür. „Oha, du warst aber schnell!“ Dilara war erstaunt. „Ich bin ja kein Mädchen“, versuchte er die Stimmung aufzulockern. Sie überspielte ihre Trauer und grinste gezwungen. „Wäre ja ein Schock für mich, das kannst du mir glauben!“ „Ha, ich bin völlig deiner Meinung! Stell dir mal vor, ich würde Wimperntusche benutzen! Dann sähen meine Augen aus, als wäre eine Bombe in ihnen explodiert, oder ich würde mich selbst verletzten, weil ich zu dumm dazu bin!“ Ken machte ein Gesicht, als ob er sich gerade mit Wimperntusche ins Auge gehauen hätte. Da musste Dilara einfach lachen. „Quatschkopf! Du bist ein richtiger Hirni, Ken!“ Einige Stunden später machten sich die beiden auf den Weg ins Rotlichtmilieu. Um nicht aufzufallen, parkten sie Aikas Ninja, die sich Dilara geborgt hatte, einige Straßenecken weiter und gingen zu Fuß in den einschlägigen Bezirk. Damit das Gewehr unentdeckt blieb, hatte sie es in seine Einzellteile zerlegt. In den Schaufenstern räkelten sich leicht bekleidete Damen. „Oh Gott ist das peinlich! Am liebsten würd ich meine Augen zumachen!“ Ken stupste sie an. „Da drüben ist das Gebäude, nach dem wir suchen. Ich frag mich nur, wie kommen wir da rauf?“ „Mit dem hier! Ich habe es in Aikas Sachen gefunden.“ Dilara öffnete ihre Handtasche und gab Ken den Blick auf die Drahtseilpistole frei. „Das Teil hat sie kurz nach unserer ersten Begegnung getestet“, bemerkte er. Mittlerweile standen die beiden neben dem mehrstöckigen Haus in einem Hinterhof. Dilara übergab Ken die Drahtseilpistole mit den Worten: „Ich kann uns nicht beide halten.“ Er nahm sie entgegen, zielte und feuerte den Haken so ab, dass er auf dem flachen Dach des Gebäudes einschlug. „Komm her. Du musst dich jetzt gut festhalten!“ Ken streckte seinen freien Arm nach ihr aus. Dilara schlang ihre Arme fest um Kens Brust. Dieser betätigte den kleinen Schalter und sie sausten in einem Affenzahn die senkrechte Wand nach oben. Aika war wieder zu sich gekommen. Sie stand jetzt mitten im Krankenzimmer. „Verdammt, die Tür kann nur per Code geöffnet werden und ich hab den Wachmann, der ihn wusste, gekillt!“ Zur selben Zeit kontrollierte Nagi die Überwachungskameras im unterirdischen Komplex von einer der Kommandozentralen Takatoris. „Mist, wir haben ein Problem im Sektor 3“, murmelte er. „Was ist Sektor 3?“ Schuldig trat hinter ihn. „Der Krankenflügel“, antwortete Nagi. „Dann ist sie also aufgewacht“, stellte Schuldig nüchtern fest. „Ich gebe Masafumi Takatori Bescheid, er soll das Freudenhaus wechseln. Statt in Herrn Satomis Bordell Lolita soll er ins Gigolo gegenüber gehen. Außerdem sollte ein Team hingeschickt werden, wer weiß was noch alles passiert!“ Im Krankenflügel überlegte sich Aika derweil einen Plan, wie sie dieses Gefängnis verlassen könnte. Sie kam zu folgendem Schluss: „Wenn einer hier reinkommt, muss er die Tür manuell zumachen und ist kurz abgelenkt, das ist meine Chance, ihn zu überrumpeln.“ Da hörte Aika ihr potenzielles Opfer auch schon auf sich zugehen. Sekunden später ging die Tür zu ihrem Raum auf. Als sie sich auf es stürzten wollte, musste Aika erkennen, dass dieser schon mit einer ähnlichen Aktion gerechnet hatte. Es war Schuldig. Er packte sie am Hals und holte zum Schlag aus. „Nein! Nicht schon wieder in den Bauch!“, flehte Aika. „Benimmst du dich?“ „Ja.“ „Gut so!“ Schuldig hob sie hoch. „Wir machen jetzt einen kleinen Ausflug.“ Er trug sie aus dem Zimmer. Dilara und Ken hatten sich auf dem Dach postiert. Das Angel Hunter Mitglied baute das Scharfschützengewehr zusammen. „Was ist, wenn zu viele Menschen um ihn herumstehen? Soll ich die gefährden?“ Dilara, die am Boden lag, drehte sich zu ihrem Begleiter um. „Wenn die Yakuza kommen, ist die Straße eh wie ausgestorben, mach dir keine Sorgen.“ Ken stand auf der Dachkante. „Willst du nicht den Anschlag kontrollieren?“ Dilara verzog das Gesicht und spielte mit ihren Fingern: „Ehehehe, ich hab Höhenangst! Raufschauen geht ja noch, aber runter!“ „Das sagst du erst jetzt?!“ Ken riss die Augen auf. „Mir ist halt aufgefallen, dass das höher ist, als ich mir vorgestellt hatte!“ „Tu mir den Gefallen und versaus nicht!“ Er fasste sich an die Stirn. „Bist du jetzt böse auf mich?!“ Dilara schniefte Mitleid erregend. „Aber nein! Nicht weinen!“ Ken fuchtelte unbeholfen herum. Auf einmal kam Leben in die Menschenmenge unter ihnen. Ein schwarzer BMW fuhr vor. „Das muss er sein. Leg an, Dilara, mach schon!“ Ihr Partner trieb sie an. Dilara atmete tief durch, warf ihren geflochtenen Zopf über die Schulter und zwang sich, durch den Diopter zu sehen. Erleichtert bemerkte sie, dass die starke Vergrößerung des Zielfernrohres den Höhenunterschied fast vollständig aufhob. Ihre Finger wurden ruhig. Auf beiden Seiten des Wagens stiegen vier Männer aus, allem Anschein nach Yakuza. Die meisten Zivilisten hatten sich ohnehin aus dem Staub gemacht, also brauchte sie nicht befürchten, Unschuldige zu verletzten. Zuletzt stieg ein Mann mittleren Alters aus, er stützte sich auf einen diamantbesetzten Stock. Dilara erkannte ihn sofort. „Burak Avci, jetzt bezahlst du für meinen Bruder!“ Noch verdeckte einer der Bodyguards das Schussfeld. In einigen Sekunden jedoch würde der Aufmarsch der Yakuza ihnen den Rücken zuwenden und sein Kopf würde einige Zeit ungeschützt sein. „Was, was machen die denn?“ Dilara sprach, ohne Avci aus den Augen zu lassen. „Die gehen in ein anderes Bordell! In das Gebäude, auf dem wir uns befinden! Was machen wir jetzt?!“ Ken war sichtlich ratlos. „Wir müssen hinterher! Schnell!“ Sie entlud das Gewehr und zerlegte es wieder in seine Einzelteile. Er hielt sie auf. „Weißt du, auf was du dich einlässt? Wie willst du ungesehen an den Kerl rankommen?“ „Das überleg ich mir, wenn wir drin sind, komm jetzt!“ Sie ging an ihm vorbei zum anderen Ende des Daches. „Das ist purer Wahnsinn, Dilara!“ Ken rannte ihr nach. Zur gleichen Zeit lag Aika gefesselt auf einer Art OP-Tisch in einem Raum des unterirdischen Komplexes. „Was habt ihr vor?“ Sie zog vergeblich an den Riemen, die ihre Arme festschnürten. „Keine Sorge, es wird nur einmal kurz pieksen. Versprochen.“ Crawford schnippte mit dem Zeigefinger gegen eine Spritze. „Ist es das, was ich denke?“ Aika starrte ihn ängstlich an. „Sodium Pentothal. Wahrheitsserum. Sehr effektiv, um an kleine und große Geheimnisse zu kommen. Ich werde dir das Zeug verabreichen, dann erzählst du mir alles, was ich wissen will.“ Er strich über ihre Wange. Aika starrte weiterhin nur die Spritze an, deren Nadel sich in ihre Armbeuge bohrte. Crawford drückte ihr den Inhalt der Ampulle in die Vene. Aika fühlte sich plötzlich, als würde sie schweben. Sie hatte Mühe, ihre Gedanken zusammenzuhalten. Schuldig kam aus einer dunkleren Ecke des Raumes zu ihr und Crawford. „Egal was ihr fragen wollt, ich kann euch keine Antwort darauf geben!“, sagte Aika durch die geschlossenen Zähne. „Das wissen wir, deshalb auch das Serum, Dummerchen“, lächelte Crawford. „So meine ich das nicht! Wir alle wissen nichts über unseren Auftraggeber! Nicht mal seinen richtigen Namen, geschweige denn Geschlecht oder Nationalität. Vergesst es, da hilft auch kein noch so tolles Wahrheitsgebräu!“ Aika kämpfte gegen das Schwindelgefühl an. Schuldig holte ein Lederbündel hervor. „Wenn du uns auf dem für dich angenehmeren Weg nichts sagst, haben wir auch noch andere Methoden!“ Aika schluckte schwer. Dilara und Ken hatten derweil das Gigolo betreten. Überall räkelten sich Frauen, die nur noch mit einem Stringtanga bekleidet waren. Die Luft war stickig und roch nach einem Mix aus süßem Parfüm und Zigarettenrauch. „Mir wird schlecht“, dachte das Angel Hunter Mitglied. Ken schien es nicht besser zu gehen. „Ich verabscheue käufliche Liebe. Besonders wenn die meisten Frauen nicht aus freien Stücken hier arbeiten, sondern zwischen die Fronten von Menschenhändlern und Drogenbossen geraten sind und nur als Ware angesehen werden. Ekelhaft…“ Dilara steuerte auf die Umkleiden zu. „Du bleibst hier, ich seh mich nach einer passenden Verkleidung um.“ „Aber...“ „Keine Widerrede!“ Sie verschwand hinter einem Vorhang. Ken lehnte sich gespielt cool an eine Wand, um nicht weiter aufzufallen. Er ließ seinen Blick über die Menge schweifen, keinerlei bekannte Gesichter zu entdecken. Ein leichtes Mädchen kam auf ihn zu. „Hey Kleiner, willst du mit mir spielen?“, machte sie sich an ihn heran. „Ich zeig dir Sachen, die du dir nicht zu träumen gewagt hättest!“ Die Nutte leckte ihm über die Lippen und fasste in seinen Schritt. Ken, der vor lauter Überraschung nicht wusste, wie er reagieren sollte, drückte sie von sich weg. „Tut mit wirklich Leid, aber momentan reicht das Budget nur zum Schauen, nicht zum Anfassen.“ „Schade, Baby.“ Die Prostituierte machte sich arschwackelnd vom Acker. Ken atmete erleichtert auf. „Ich hasse billige Anmachen!“ Plötzlich ertönte arabische Musik. Er wendete sich der Bühne mit Laufsteg zu. Eine wunderhübsche, barfüßige Bauchtänzerin schwang die Hüften. Ihr rotes Gewand mit den unzähligen goldenen Kettchen und Riemen schwang im Takt. Das zarte Klimpern zog sämtliche Männer in seinen Bann. Ihr Gesicht war verschleiert und über dem wallenden, lockigen Haar befanden sich goldene Ketten, die als Diadem über die Stirn verliefen. Am Ende des Laufstegs konnte Ken den Mafiaboss erkennen. „Das muss Dilara sein, sie versucht Burak zu verführen, damit sie ihn ungestört von Bodyguards erledigen kann! Hoffentlich geht nichts schief!“ Sie war jetzt direkt vor ihrem Opfer. Dilara streckte ihm einen Fuß hin. Er nahm ihn in die Hand und küsste die Zehen. „Angebissen“, dachte sie. Aika lag mit schmerzverzerrtem Gesicht und völlig durchgeschwitzt auf dem OP-Tisch. „Ich weiß nichts und ich sag auch nichts!“, schrie sie. Ihren Arm durchbohrten bereits fünf lange Nadeln. „Ich glaube, es ist zwecklos, sie weiß wirklich nichts, was für uns von Bedeutung wäre.“ Schuldig legte die sechste Nadel zurück ins Lederetui. Aika atmete schnell und ungleichmäßig. Crawford strich sich das Haar aus der Stirn. „Zieh die anderen auch raus.“ Sie biss die Zähne zusammen, als Schuldig die Folterwerkzeuge mit einem Ruck entfernte. „Ist wie Pflaster abreißen, kurz und schmerzvoll!“, scherzte er. Aika keuchte. Crawford strich ihr das nasse Haar aus der Stirn. „Arme Angel. Erleidest so viel und kennst noch nicht mal den Namen des Feiglings, der dich statt seiner auf einen Kreuzzug gegen uns schickt. Wahrscheinlich hast du noch nicht mal einen Geliebten. Ist es nicht zu schade, sterben zu müssen, ohne einmal das Wunder der Liebe erlebt zu haben? Wie alt bist du? Höchstens 18…“ Mit einem Taschentuch wischte er ihr den Schweiß von der Stirn. „Siebzehn! Woher willst du überhaupt wissen, ob ich jemanden liebe!? Wenn ich mich nur bewegen könnte, würde ich dich umbringen! Scheißkerl!“, keifte Aika. „Schht.“ Er legte seinen Finger auf ihre Lippen. „Wer wird denn so unverschämt sein?“ Crawford beugte sich über sie. „Lass das! Ich will nicht!“ Aika protestierte lautstark. Seine Lippen berührten ihren Hals. Schuldig lachte. „Findest du nicht, dass ihr euch erst mal näher kennen lernen solltet? Bist ja richtig heißblütig, so kenn ich dich gar nicht!“ Aika zappelte unbeholfen und versuchte sich zu befreien. „Ihre wütenden Augen machen mich einfach an.“ Crawford ließ von ihr ab. „Du Schwein! Sollte ich hier jemals raus kommen, bist du der Erste, der das Zeitliche segnet!“ Aika riss an den Riemen. „Leider wirst du das Tageslicht nie mehr zu Gesicht bekommen, arme Angel. Ich gebe dir bis morgen Zeit, über deinen letzten Wunsch nachzudenken. Ach ja, und da ich kein Unmensch bin, kriegst du eine Dosis von dieser Droge. Man nennt sie Angel Dust, welch Ironie. Man konsumiert es wie Koks. Sie betäubt sämtliche Schmerzen. Es ist deine Entscheidung, ob du’s nimmst.“ Crawford hielt ihr Papier mit weißem Pulver und ein kleines Röhrchen hin. Aika überlegte nicht lange und stimmte mit einem Nicken zu. Vorsichtig steckte er ihr das Röhrchen in die Nase. Schuldig hielt das Papier mit dem Drogenpulver darunter. Crawford drückte das andere Nasenloch zu und Aika sog das Angel Dust ein. Fast Augenblicklich verschwanden alle Schmerzen. Crawford wandte sich an Schuldig: „Bring sie in ihre Zelle und gib ihr was zu essen! Ich hab noch zu tun.“ Er beugte sich abermals über Aika und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen: „Schlaf gut Angel, wir sehen uns morgen bei deiner Hinrichtung!“ Dilara hatte ihre Show beendet. Sie tänzelte hinter die Bühne. Dort wurde sie von einem dicken, schmuckbehangenen Mann aufgehalten. „Scheiße, hat mich jemand erkannt?“ Ihr Magen rebellierte. „Hey! Bauchtänzerin! Der VIP verlangt nach dir! Zimmer 16, die Suite. In fünf Minuten. Mach ja alles zu seiner Zufriedenheit, er ist ein wichtiger Geschäftsmann!“, raunzte sie der Zuhälter an. „Er wird sich nicht beschweren“, versicherte Dilara, während sie im Kopf den Satz vollendete: „Weil er bald tot ist und Tote reden nicht.“ Langsam ging sie auf die Suite mit der Nummer 16 zu. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Ihre Pistole, die Dilara aus einem Versteck in der Umkleide geholt hatte, fiel unter dem weiten, flatterigen Kleid nicht auf, genauso wenig wie das Messer in ihrem Armschmuck. Sie klopfte an die Tür. „Herein“, sagte eine ihr wohlbekannte Stimme. Dilara betrat den Raum. Burak lag nackt auf dem Bett, nur ein Leintuch bedeckte seine Blöße. „Ährgs, das ist ja ekelig!“, dachte Dilara, wahrte aber die Fassung. „Komm zu mir meine Schöne! Lass deine Hüften auf mir kreisen!“ Er deutete ihr, zu ihm zu gehen. „Ich kotze gleich! Er ist so widerlich! Ich hasse ihn!“ Sie setzte langsam einen Fuß vor den anderen und warf sich mit laszivem Blick das Haar in den Nacken. Er zog sie auf sich. „Zieh dich aus!“, befahl er. Doch Dilara ließ das Messer aus ihrem Armschmuck schießen und rammte es in seine Brust. „Erinnerst du dich an diese Augen?“, fragte sie auf Türkisch. „Sieh genau hin, sieh ganz genau hin! Kommen dir diese blauen Augen bekannt vor?“ Sie drückte das Messer bis zum Griff in seine Brust. „Di, Dilara!“, keuchte er mit vor Schreck entgleisten Gesichtszügen. „Haargenau!“ Sie öffnete eine Seite ihres Schleiers und gab ihre Identität preis. „Leide, wie mein Bruder gelitten hat! Fühle meinen Schmerz!“ Dilara stach einige Male in nicht lebenswichtige Gliedmaßen. Ihre Augen hatten wieder diese unergründliche Kälte angenommen. „Bitte hör auf! Wir können doch darüber reden!“, flehte der Mafiaboss. „Es ist zu spät für Gespräche!“ Sie richtete ihre Pistole auf seine Stirn. „Stirb!“ Dilara drückte ab. Aika lag in ihrer Zelle und glotzte geistesabwesend an die weiße Decke. „Was die anderen wohl machen? Wahrscheinlich glauben die, ich bin tot… Wenn mir nicht bald was einfällt, trifft das in einigen Stunden auch zu…“ Sie setzte sich auf: „Wo bleibt mein Essen? Ich habe Hunger!“ Da öffnete sich die Schiebetür und ein hagerer Mann mit einem Tablett trat ein. „Guten Appetit.“ Er ging sofort wieder. Aika machte sich über den Reis her. Als sie fast fertig war, fiel ihr ein kleiner Papierfetzen am Boden der Schüssel auf. „Code: 729346“, las Aika, während sie zur Tarnung weiter aß. Durch eine Panzerglasscheibe, die eine Seite der Zelle ersetzte, beobachteten zwei Wachmänner das Geschehen. Aika stellte die leere Schüssel auf den Boden und tat so, als würde sie zu Bett gehen. In Wirklichkeit wartete Angel nur auf eine günstige Gelegenheit, unbemerkt an die Tür zu kommen. Einige Stunden später kam ihre Chance. Einer der Wachmänner verließ das Büro und der andere schlief, dem offenen Mund zu urteilen, laut schnarchend. Aika sprang auf, packte den Zettel aus der Reisschüssel und gab den Code an dem entsprechenden Feld neben der Tür ein. Leise surrend öffnete sie sich. Dilara war in der Menge untergetaucht. Sie schlich in die Umkleiden und zog sich schnell wieder ihre normale Kleidung an. Danach rannte sie zu Ken, der sich nicht vom Fleck gerührt hatte. „Auftrag erledigt! Hauen wir ab!“ Dilara nahm seine Hand. Sie gingen zügig in Richtung Ausgang. Plötzlich schrieen die Menschen durcheinander. „Oh oh, ich glaube sie haben ihn gefunden“, sagte Dilara. Zwei Yakuza versperrten den Ausgang. „Shit!“ Ken hielt an. „Wir sitzen in der Falle!“ Sie machten kehrt und tauchten in der aufgebrachten Menge unter. „Wie kommen wir hier nur raus?“, überlegte Dilara. „Wohin führen diese Treppen? Was befindet sich im ersten Stock?“ „Keine Ahnung, versuchen wirs, vielleicht gibt’s eine Feuertreppe?“ Ken griff Dilaras Hand und zog sie hinter sich her. Oben angekommen bemerkten sie zwei Yakuza, die jedes Zimmer aufsuchten und die Leute hinausscheuchten. „Da rein!“ Dilara stieß Ken in den nächstbesten Raum. „Können wir Kontakt mit den anderen aufnehmen?“ „Per Handy, ja.“ Ken begriff nicht ganz. „Sie sollen sich als Sanitäter ausgeben und uns rausholen! Beeil dich!“ Sie öffnete das Fenster und setzte sich auf das schäbige Bett. Ken telefonierte mit Omi, das Gespräch dauerte keine Minute. „Das wird jetzt wehtun“, murmelte Dilara und drückte die linke Hand an die rechte Schulter. „Was machst du?“ Ken wirbelte herum. „Wie sieht denn eine Rettung ohne Verletzten aus? Was willst du den Yakuza erzählen?“ Sie blickte ihn kurz an. Dilara kniff die Augen zusammen und wendete den Kopf ab, bevor sie die Klinge aus ihrem Ärmel schießen ließ. „Autsch!“ Ihr rannen zwei Schmerzenstränen die Wangen hinab. Ken stürzte zu ihr: „Oh mein Gott! Spinnst du?“ In dem Moment wurde die Tür geöffnet. „Raus hier!“ Dilara rief gespielt aufgebracht: „Ein Maskierter hat mich angegriffen und meine Schulter verletzt! Er war blutüberströmt!“ Ken verstand, was sie damit bezweckte. „Der wollte uns töten, schnell einen Krankenwagen!“ Die Yakuza ließen sich nicht beeindrucken. Sie gingen zum Fenster und warfen einen Blick nach draußen. Dilara witterte die brenzlige Situation und zog ihre Pistole, zwei Schüsse mit Schalldämpfer, die Mafiosi gingen zu Boden. Zur gleichen Zeit standen zwei weißgekleidete Mitstreiter der beiden vor dem Gigolo und diskutierten mit den Yakuza. „Wir sind zu einem Notfall gerufen worden! Lassen sie uns durch!“ Yoji mit Brille, Mundschutz und Koffer bewaffnet, versuchte sich an dem Mann im Smoking vorbeizudrängen. Sein Partner schien kooperativer zu sein: „Das sind Sanitäter, wir sollten sie passieren lassen. Tritt zur Seite!“ Endlich kamen Omi und Yoji mit ihrer Trage an den Wachen des Hintereingangs vorbei. Hinter der Ecke blinkte das Blaulicht. „Wo sind die beiden?“ „Im ersten Stock, drittes Zimmer!“ Omi rannte hinter Yoji her. Die Menschenmasse machte es ihnen nicht leicht, voranzukommen. Ab und zu starrte Yoji einer der Nutten so gebannt auf den Arsch, dass Omi ihm die Trage in den Rücken rammen musste, um ihn zum Weitergehen bewegen zu können. Ken und Dilara saßen derweil ziemlich gestresst auf dem Bett. „Die lassen sich ganz schön Zeit! Wenn noch so ein paar Kerle kommen, sind wir aufgeschmissen!“, sagte sie mit Blick auf die Leichen der Yakuza. Ken verband ihre Schulter. „Du hast Glück, dass kein Blut von dir aufs Laken getropft ist. Yoji und Omi kommen sicher gleich.“ Sie seufzte. „Hoffentlich!“ Aika schlich sich an den schlafenden Wachmann heran, testete, ob er wirklich nichts bemerkte und entwendete seine Waffe. An der Wand hing ein Übersichtsplan des Komplexes. „Den Aufzug werde ich wohl nicht benutzen können, sicher ist ein Code nötig. Hm, aber die Küche könnte mir helfen. Laut Plan bin ich im Keller des Nobelrestaurants Stars of Kyoto, dann gibt es sicher einen Speiselift!“ Ihr Blick wanderte zu einer Uhr an der Wand. „Halb sieben, eigentlich müsste schon Hochbetrieb sein.“ Der zweite Wachmann kam zurück. Aika versteckte sich im toten Winkel der Tür und schlug ihn nieder. Barfüßig wie sie war, rannte Angel fast geräuschlos den mit Teppichboden ausgelegten Gang entlang. Die Küche war nicht weit entfernt, Aika hatte jedoch eine Überwachungskamera übersehen. Plötzlich sprang eine der Türen hinter ihr auf und einige Yakuza mit Pistolen schrieen, sie solle stehen bleiben. Schüsse hallten. Einige Kugeln sausten gefährlich nahe an Aikas Körper vorbei. Mit einem Satz landete sie außerhalb der Schusslinie. Wie besessen raste Aika auf die Doppeltür der Küche zu, die Wachen dicht hinter ihr. Geschirr ging zu Bruch, als sie zwischen den Edelstahlcontainern in Deckung ging, gerade noch rechtzeitig, bevor ein wahrer Kugelhagel auf sie niederprasselte. Eine Glasscherbe schnitt ihr die Hand auf, aber dank der Droge spürte sie nichts. Aika kroch auf allen Vieren in Richtung des Lifts, über zerfetzte Lebensmittel und zersprungenes Geschirr. Um Zeit zu gewinnen, erwiderte sie das Feuer während ihre andere Hand den Eingang des Aufzugs ertastete. Angel verschoss ihre letzte Kugel und riss das Stahlrollo herunter. Ohrenbetäubend schlugen die Geschosse der Yakuza ein. „Scheiße, ich sitze in der Falle! Irgendwann geht eine Kugel durch oder man zieht mich raus!“ Ein Adrenalinschub war nicht zu vermeiden. Da hörte sie einen Wachmann schreien: „Aus dem Schussfeld, sofort! Was machen sie?!“ Der Aufzug setzte sich in Bewegung. Aika fasste ihr Glück nicht. Ein Schuss ertönte. „Nein! Sie haben ihn umgebracht!“ Genauso schnell wie es gekommen war, verflog das Gefühl wieder und eine unglaubliche Bedrückung machte sich in ihr breit. Oben angekommen schubste sie eine erschrockene Bedienung weg, schnappte sich ein Geschirrtuch und rannte in Richtung Ausgang. Helles Tageslicht schien durch die gläserne Eingangstür. Mit dem Trockentuch verdeckte Aika ihr Gesicht, die Leute starrten auch so genug. Sie hastete aus dem Restaurant direkt auf ein Taxi zu. Als sie die Tür aufriss und sich auf die schwarzen Ledersitze schmiss, grinste der junge Fahrer schelmisch über die Lehne: „Schlechtes Date gehabt oder nur spät dran?“ „Halten Sie die Klappe! Drücken Sie lieber aufs Gas, schnell!“, stieß Aika völlig außer Atem hervor. Der Taxifahrer bemerkte die blutenden Wunden. „Oh Gott, Sie brauchen einen Arzt und zwar gleich!“ Er fuhr mit einem Affenzahn davon. Als die Wachmänner aus dem Restaurant stürmten, war Aika schon über alle Berge. Yoji und Omi hatten endlich das Zimmer ihrer Mitstreiter erreicht. „Oh Mann, wir dachten schon, ihr kommt gar nicht mehr!“ Ken atmete erleichtert auf. Dilara legte sich auf die Trage. „Lasst uns keine Zeit verschwenden!“ „Auf drei, Omi!“ Yoji nahm die Griffe an der Kopfseite. Sie hoben das Angel Hunter Teammitglied hoch. Einige Zeit später hatten die vier den Hinterausgang erreicht. Die Yakuza warfen einen prüfenden Blick auf Dilara, die ihre Augen nach oben verdreht hatte und röchelte. „Was für eine Schauspielerin“ Ken unterdrückte ein Grinsen. „Ihr könnt gehen!“, meinte einer der beiden. Yoji ging auf das Blaulicht zu. Als die Weiß-Leute um die Ecke gebogen waren, staunte Ken nicht schlecht: „Und ich habe mich schon gefragt, wie ihr es geschafft habt, einen Krankenwagen zu besorgen!“ Omi nahm eine blaue Lampe von der Wand, ließ sie jedoch weiterblinken. Dilara stieg von der Trage: „War ich überzeugend?“ „So überzeugend, dass du dich eigentlich nicht hättest verletzten müssen“, lachte Ken. „Was macht deine Schulter?“ „Geht schon wieder, danke der Nachfrage.“ Sie hängte sich bei ihm ein. Erst als sie um die nächste Ecke bogen, schaltete Omi das getürkte Blaulicht aus. Wieder zu Hause hatte es Dilara nicht besonders eilig, in die einsame Wohnung zu gehen. Sie hasste es allein zu sein. Yoji blinzelte in die Sonne, die gerade aufging. Seit Aika starb, war es ziemlich still geworden. Er vermisste die lustigen Streitereien mit Aya und Mayas Lachen, das den Blumenladen erfüllte. „Komisch, früher hat mir das nichts ausgemacht“, dachte Yoji. Dilara verabschiedete sich mit zwei Wangenküssen von Ken und schlenderte hinauf zu ihrer Wohnung. Alles war so, wie sie es hinterlassen hatte, natürlich, es war ja sonst keiner hier gewesen. Dilara betrat Aikas Schlafzimmer. Überall waren Blumen, mittendrin ein Bild ihrer Partnerin. „Scheint nichts zu fehlen, oder doch?“ Sie sah genauer hin. Ein zweites Foto war verschwunden. „Wie kommt das weg?“ Sie kramte alles durch. „Nichts zu finden. Wer klaut denn Fotos?“ Die Sonne erleuchtete jetzt den ganzen Raum. Dilara ging zum Fenster, öffnete es und lehnte sich hinaus. Ein leichter eisiger Windhauch strich über ihr Gesicht. „Was machst du wohl da oben? Sicher lachst du uns armselige Figuren aus, nicht wahr, Aika? Ich hätte dir so gern geholfen. Aber ich bin unfähig und feige. Eine gute Nachricht habe ich jedoch für dich. Der Kerl, der meinen Bruder töten ließ, der Mafiaboss aus der Türkei, ist tot. Meine Wenigkeit hatte das Vergnügen, ihn zu erschießen. Ich verspreche dir, dass dem Takatori Clan und Schwarz dasselbe blüht. Deine Rache ist ab heute die meine, Ehrenwort!“ Zur selben Zeit saß Ken in seinem Zimmer und dachte an das letzte Gespräch mit Aika. „Ich halte dich nicht auf. Geh und zieh dir eine Freundin an Land! Maya sagte auch, dass man jeden Tag leben sollte, als wäre es der letzte.“ „Weißt du was, Aika? Du bist manchmal ziemlich strange drauf, aber wenn man dich mal kennt bist du echt klasse!“ „Ich bin halt das Chaos! Und gegen das Chaos sind einfach alle machtlos!“ „Es ist fast so, als hätte sie gewusst, was kommt“, dachte er traurig. „Vielleicht hatte sie aber auch schon abgeschlossen, als Maya zur Gegenseite übergelaufen ist. Keine Ahnung.“ Er wischte eine Träne weg. In der Wohnung neben ihm war Aya mit demselben Gedanken beschäftigt. In seiner Hand hielt er ein Foto. Eines der wenigen, auf dem Aika lachte. Auch er beobachtete den Sonnenaufgang. „Warum nehmen diese verdammten Leute mir alle Menschen, die ich mag?“ Sein Blick fiel auf die Geburtstagskarte auf seinem Nachtkästchen. „Dafür werden alle Beteiligten büßen!“ Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Omi starrte das Polaroid von Maya an. „Wenn du wüsstest“, sagte er,“diese Scheißkerle haben auch noch Aika auf dem Gewissen!“ Er ließ sich auf sein Bett fallen. „Jetzt seid ihr beide weg und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Du fehlst mir. Ich kann dir gar nicht sagen, wie. Und der einzige Mensch, der das nachvollziehen konnte, ist gestorben. Yoji kommt mit dem Verlust seiner Asuka auch vier Jahre später nicht klar, ihn will ich nicht mehr belasten, als er aushalten kann. Bitte sag mir, wie es weitergehen soll!“ Omis Tränen tropften auf die Bettdecke. Der vierte im Bunde, Yoji, war genau wie alle anderen in einem äußerst melancholischen Zustand. Er lag mit geschlossenen Augen auf seiner Couch und erinnerte sich an das vergangene Jahr. Aika war weniger mit Denken, als mit purem Überlebenswillen beschäftigt. Das Taxi raste in den Sonnenaufgang, während die Wirkung der Droge langsam aber sicher abklang. „Es sind nur noch sechs Kilometer bis zum nächsten Krankenhaus, halten Sie durch!“ Der Fahrer warf einen kurzen Blick über die Schulter. Aika, die fast ohnmächtig auf der Rückbank mehr hing als lag, röchelte irgendetwas Unverständliches. Wie immer um diese Zeit herrschte absolutes Verkehrschaos in Tokio. Vorankommen war Glückssache. „Ein Stau! Scheiße! Egal ob ich meine Lizenz verliere! Hier geht es um ein Menschenleben!“ Der Taxifahrer lenkte seinen Wagen in eine Seitenstraße und drückte aufs Gas. Sie rasten durch Einbahnstraßen und verbotene Zonen, bis eine weitere Verkehrsblockade die Kamikazefahrt aufhielt. „Halten Sie sich fest“, sagte der Fahrer zu Aika, die nicht einmal sein Gesicht erkennen konnte. Er hob sie aus dem Auto und rannte mit ihr zwischen den stehenden Pkws hindurch. „Keine Sorge, wir sind gleich da!“ Minuten später stoppten sie vor der Notaufnahme des Krankenhauses. „Hey! Ich habe eine Schwerverletzte! Helfen Sie mir bitte!“, rief der couragierte Taxifahrer. Sofort stürzten die Sanitäter zu ihm und legten Aika auf eine Trage. „Danke“, murmelte diese erschöpft. Als ihr Retter sich zum Gehen wandte, griff Aika nach seiner Hand: „Ach ja, vergessen Sie am besten alles, was Sie gesehen haben.“ In rasantem Tempo rannten die Rettungssanitäter in die Notaufnahme. Kopfschüttelnd blickte der Taxifahrer ihnen hinterher. „Hab ich gerade einen irren Traum, oder war dieser unglaubliche Höllentrip echt?“ Dilara checkte die E-Mails. Über Omi hatte sie das neue Passwort erfahren. Tatsächlich befanden sich zwei Mails im Posteingang. Die erste war von Manx: „Hallo Rose, wie geht es Dir? Es muss schlimm für Dich sein, gleich wieder einen Verlust beklagen zu müssen. Ich hoffe, die Jungs passen gut auf, dass Du nicht allzu traurig bist. Glückwunsch zu dem gelungenen Auftrag, die Nachrichten in der Türkei sind voll davon. Hierzulande hält man sich bei der Berichterstattung über Mafia und allem, was mit ihr zu tun haben könnte, sehr zurück. Japaner vermeiden es, Stärkeren die Stirn zu bieten. Im Moment gibt es keinen neuen Auftrag. Erstens um die Geheimhaltung unserer Organisation zu gewähren und zweitens, um euch Zeit zu geben, die Tempelgeschichte zu verarbeiten. Ich informiere euch persönlich, falls es Neuigkeiten gibt. Lebe Dich hier gut ein und lass Dir das Lächeln nicht so schwer fallen. Bis bald. Manx“ „Manx ist sicher auch nicht ihr richtiger Name“, ging es Dilara unweigerlich durch den Kopf. „Egal, irgendwie finde ich sie nett.“ Sie klickte die zweite Mail an, auf der als Absender Birman stand und die gestern um kurz vor zwölf eingegangen war: „Hallo Rose, Du wirst mich wahrscheinlich noch nicht kennen. Ich bin Birman, Pershas zweite Sekretärin und direkte Untergebene. Manx hatte schon Feierabend, als ich deine neuen Papiere und die Codes für Konten, Chipkarten, ect… erhalten habe. Schreibe mir bitte, auf welchem Weg Du sie bekommen willst. Per Post, sehr unsicher, oder persönlich, wobei Du mir einen Örtlichkeitscode sendest. Frag am besten Bombay, der weiß eh alles auswendig. Vielleicht habe ich bald das Vergnügen, Dich persönlich kennen zu lernen. Gruß Birman. „Noch eine? Bin gespannt, wie viele das noch werden. Hm, ich werde mal mit Omi reden, damit er mir die Codes gibt.“ Dilara schloss das Programm. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits nach neun war. „Allahallah, ich habe keine Lust zu arbeiten, ich bin einfach zu K.O. Wie halten das Ken und die anderen nur aus?“ In diesem Moment klingelte das Telefon. Dilara hob ab und sagte: „Bei Tadano, hallo?“, während sie ein Gähnen unterdrückte. „Hi! Yoji hier! Das Team hat beschlossen, dass der Blumenladen heute ausnahmsweise mal zu bleibt! Heute Nacht haben wir’s ganz schön übertrieben, da kann ja keiner richtig arbeiten!“ „Ich habe mir gerade darüber Gedanken gemacht, welche Ausrede für einen freien Tag herhalten soll. Gut, dass ihr derselben Meinung seid. Ich will nur noch in mein Bett!“ Dilara rieb sich die müden Augen. „Soll ich dich begleiten?“ Yojis Absichten waren mal wieder mehr als glasklar. „Beschäftige dich lieber mit dir selbst, das ist um einiges gesünder. Ansonsten machst du wahrscheinlich Bekanntschaft mit einer spezialbeschichteten Bratpfanne der Firma Haowong!“ „Alles klar! Ich lass es ja schon! Schlaf gut!“, kapitulierte Yoji. „Du auch. Danke für den Anruf.“ Dilara legte auf. Zur selben Zeit hatten Persha, Manx und Birman ein Meeting. Das Gesicht eines Mannes war auf eine Leinwand projiziert worden. Birman stand daneben. „Unser Verbindungsmann ist höchst wahrscheinlich getötet worden. Er hieß Kira Hoshiita und arbeitete als Koch in dem Nobelrestaurant Stars of Kyoto, das gleichzeitig als kleines Gefängnis der Takatori Gruppierung diente. Seine Leiche wurde nicht gefunden, allerdings hatte er sich seit Tagen nicht gemeldet, ist heute Morgen auch nicht am vereinbarten Treffpunkt erschienen.“ „Gibt es irgendwelche Spuren von Angels sterblichen Überresten?“ Persha, ein braunhaariger Mann mittleren Alters mit Dreitagebart, rührte in seinem Tee. „Nein, keine Hinweise.“ Birman schaltete den Projektor aus. „Gibt es die Möglichkeit, dass Angel überlebt hat und in den Händen von Schwarz eine Gefahr für die Kritiker darstellt?“ Manx Augen hasteten von einem Gesicht zum anderen. „Laut Bombays Aussage hatte Angel keinerlei Chancen. Aber wie wir mittlerweile wissen, ist alles möglich.“ Birman schaute zu Boden. „Du denkst an Cat, nicht wahr?“ Manx stützte sich mit den Händen am Tisch ab. Ihre Kollegin nickte zustimmend. Persha erhob die Stimme. „Wir haben keine Zeit für Sentimentalität, das wissen Sie, meine Damen, genauso wie ich. Es wird Zeit, die nächsten Schritte zu planen. In zwei Wochen möchte ich wieder ein paar Aufträge für Weiß und Angel Hunter.“ Er erhob sich. „Natürlich.“ Die Frauen verneigten sich ehrfürchtig. Kapitel 10: Anata wa my true love --------------------------------- Eine Woche war nun vergangen seit dem Auftrag gegen den türkischen Mafiaboss und Dilaras Erzfeind. Immer noch herrschte meist bedrückende Stille, wenn die vier Jungs und das Angel Hunter Mitglied im Blumenladen jobbten. Aya war wieder völlig genesen. Heute war er auf dem Weg zum Krankenhaus. In der Hand hielt Aya einen mittelgroßen Strauß weißer Lilien. Er ging seines Weges in Richtung Sanatorium, vorbei an der Intensivstation. Was das rothaarige Weiß-Mitglied nicht ahnte, war, dass ihn eine wohlbekannte Person ins Auge gefasst hatte. Aika lag in einem der schneeweißen Betten der Station und beobachtete Aya durch eine Sichtscheibe zum Gang. Sie konnte es nicht fassen. Wusste er, dass sie hier war? Nein, sicher nicht. Aber was hatte er dann vor? Aika befreite sich von den Infusionsschläuchen. Vorsichtig öffnete sie die Tür, spähte nach links und rechts, bevor sie sich auf leisen Sohlen hinterher schlich. Dieser Teil des Krankenhauses war meistens wie leergefegt. Aya blieb vor einem Zimmer stehen, überprüfte das Namensschild und betrat es dann. Aika warf einen Blick auf die Uhr am Ende des Flurs. „Die Besuchszeit ist gleich vorbei“, stellte sie fest. Ayas Stimme drang aus dem Raum: „Hallo Aya, geht es dir gut? Ich bin froh, dich endlich mal wieder besuchen zu können. In letzter Zeit war es ein wenig stressig. Hier kümmert man sich gut um dich, das beruhigt mich ein wenig.“ Aika vernahm Schritte und schlüpfte schnell hinter eine Ecke, die als Abstellplatz für einige Besen und einen Kübel diente. Die Krankenschwester betrat das Zimmer. „Ran Fujimiya, die Besuchszeit ist leider schon wieder vorbei. Vielleicht lässt es sich einrichten, dass Sie einmal früher kommen, um ihre Schwester zu sehen.“ „In Ordnung, ich möchte mich nur noch von ihr verabschieden.“ Sekunden später verließ die Schwester den Raum und verschwand wieder im Aufzug um die Ecke. Ayas Worte waren nicht zu verstehen, aber auch er kam nach ungefähr einer Minute aus dem Zimmer. Langsam ging Aya den langen Flur entlang. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand außer ihnen anwesend war, kam das vermisste Angel Hunter Mitglied aus seinem Versteck. „Ran!“, rief Aika ihm hinterher. Wie vom Blitz getroffen drehte er sich um. „Ai…Aika? Du lebst?“ „Oh Ran! Ich bin so froh, dich zu sehen!“ Sie humpelte auf ihn zu. Er rannte ihr entgegen und umarmte Aika stürmisch. „Wir dachten du seiest tot!“ „Angeschlagen aber lebendig wie du siehst“, sagte sie leise. „Warst du die ganze Zeit hier?“ „Nein, Schwarz hatten mich gekidnapped.“ Ran ließ Aika los und ging zwei Schritte rückwärts: „Du weißt was das bedeutet.“ „Du willst mich töten?“ Se traute ihren Ohren nicht. „Ich gebe dir einen Vorsprung, bis wir Persha informiert haben. Tu mir einen Gefallen und hau ab, so lange du noch kannst!“ Er drehte sich um und setzte seinen Weg zum Ausgang fort. Aika brach zusammen: „Ich bin so gut wie tot. Hab ich alle Strapazen auf mich genommen, um am Ende doch draufzugehen?“ Mayas Worte kamen ihr wieder in den Sinn: „Wir haben unser Todesurteil schon längst unterschrieben.“ „Sie hatte Recht, aber ich werde nicht sterben! Ich habe noch einige wichtige Sachen zu erledigen.“ Aya betrat seine Wohnung. Nun war es passiert. Einer von ihrer Seite würde höchstwahrscheinlich sterben müssen. Er ließ sich aufs Bett fallen. Dort blieb er liegen und versuchte angestrengt über etwas anderes nachzudenken. Eine halbe Stunde später läutete es. Aya öffnete. In der Tür stand zu seinem Erstaunen jemand, den er nicht erwartet hatte. „Hab ich nicht gesagt, du sollt abhauen?!“, schrie Aya Aika an. „Ich will mit dir reden, jetzt!“ Sie drängte ihn in die Wohnung. „Bist du hier, um dich zu verabschieden?“ „Halt den Mund, ich stelle die Fragen!“, schnauzte Aika, die nur den Krankenhauskittel und gestohlene Hausschuhe trug, ihn an. „Was zählt in deiner Welt eigentlich? Warte, bevor du antwortest! Ich weiß es. Geld. Für Geld tust du alles, nicht? Stellt sich dir nie die Moralfrage?“ „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig!“, schrie Aya. „Nein? Tut mir Leid, wenn ich dir das so direkt sagen muss, aber eine Morddrohung ist nicht gerade das, was ich unter Kameradschaft verstehe! Für dich zählt doch nur deine eigene verdammte Rache!“ „Für dich etwa nicht?!“, schmetterte er ihr entgegen. „Du hast deine eigene Partnerin umgebracht und stellst mir die Frage der Moral?!“ „Glaubst du, es hat mir Spaß gemacht, den einzigen Menschen zu töten, dem ich je vertraut habe?! Hättest du mir geglaubt, wenn ich dir meine Vermutung unterbreitet hätte?!“ Aikas Zorn stieg. „Hast du es versucht?! Du kennst unsere Vereinbarung mit Persha! Was ist, wenn du zum Feind übergelaufen bist? Wie soll dir nach der Sache mit Maya überhaupt jemand vertrauen?“ Aya stierte Aika an. „Mein Leben ist nach außen hin eine einzige Lüge, genau wie deines, aber wenigstens muss ich nicht im Namen eines geliebten Menschen töten!“ Aika biss die Zähne zusammen, sie hatte es gesagt. Ayas Faust zitterte vor Anspannung. Es hatte jemand seine Achillesferse, seinen wunden Punkt getroffen. Er taumelte um Fassung ringend zurück. Seine Hand berührte die Ablage, auf der seine Katana aufgebart war. Sekundenbruchteile später sah sich Aika der schimmernden Klinge gegenüber. Glitzernde Tränen liefen über ihre Wangen. „Töte mich, wenn dir das einen Teil deines Schmerzes nimmt!“ Sie blickte in seine purpurnen Augen, die vor Zorn funkelten. „Stirb!“ Mit einem Schrei holte Aya aus und zielte auf ihren Hals. Doch Millimeter davor stoppte er die Klinge. Seine Finger zitterten. Er ließ sein Schwert auf den weißen Teppich fallen. „Verdammt, Ran! Wir leben in einer Lüge! Ich lebe in einer Lüge! Du verschließt dich vor mir, niemand weiß, was du wirklich fühlst!“ Aikas Wangen glänzten vor Tränen. „Du bist doch genauso, also erzähl mir nichts von Offenheit!“ Er wich ihrem Blick aus. „Hast du mich je gefragt? Hat es dich je interessiert, was mit uns ist?“ „Nein“, gestand Aya. Aika ging vorsichtig auf ihn zu und nahm seine Hand. „Dann hör mir jetzt gut zu. Ich mach mir Sorgen um dich und ich will dich nie wieder so leiden sehen wie am Tag im Tempel.“ Aya verkrampfte sich. „Warum, warum sagst du das?“ Aika warf sich an seine Brust und schluchzte: „Ist das für dich so schwer zu verstehen oder willst du es nicht kapieren!“ Sie legte den Kopf an ihn und lauschte den schnellen, dumpfen Schlägen seines Herzens. Aya war total überrumpelt. „Wa? Was machst du? Verdammt warum heulst du schon wieder?“ Aikas Blick fiel abermals auf seinen Nachtisch. Sie bemerkte, dass neben der Geburtstagskarte ein Bild von ihr stand. „Du, du hast ein Foto von mir? Dann bin ich dir doch nicht so egal. Ich dachte schon, dass mein Verschwinden niemanden interessiert.“ Aya verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. „Du blöde Kuh! Alle haben um dich getrauert! So jemanden wie dich kann man schlecht vergessen! Und jetzt tauchst du plötzlich wieder auf?! Wärst du nur gleich verschwunden, damit ich dich nicht gesehen hätte, dann müsste ich dich nicht melden und du könntest normal leben, glücklich sein, eine Familie haben…“ Zum ersten Mal sah Aika, dass Aya weinte. „Ich habe aber noch etwas Wichtiges zu erledigen, dass weißt du auch. Allein schon wegen Maya. Außerdem kann ich Dilara nicht allein lassen, die kann gerade mal auf Japanisch flirten und würde wahrscheinlich verhungern oder sonst was Dummes anstellen, dieser Kindskopf!“ Aika zwang sich zu einem Lächeln. „Was schlägst du vor? Sollen wir dich melden und einfach deine Gefangenschaft bei Schwarz leugnen?“ Aya verschränkte die Arme locker vor der Brust wobei seine Hände sich auf Aikas Rücken legten. „Nein“, antwortete sie ernst. „Die Kritiker könnten sämtliche Krankenhausakten durchforsten und obwohl ich gesagt habe, ich könne mich nicht an meinen Namen erinnern, würden die bemerken, dass mein Aufenthalt eine Woche gedauert hat. Da meine Wenigkeit aber zwei Tage eingesperrt war, passt das nicht mit den Tatsachen zusammen.“ „Also die ganze Wahrheit.“ Aya hielt sie fest. „Ich schlage vor, du bleibst bei mir, bis eine Antwort von Persha eingeht. Es wäre eine Zumutung für den Rest unseres Teams, dich noch einmal sterben sehen zu müssen.“ Er löste vorsichtig die Umarmung und ging in Richtung Haustür. Aika packte ihn am Handgelenk. „Versprichst du mir was?“ Ihre Blicke trafen sich. „Falls ich sterben muss… Kannst du es tun?“ „Noch steht nichts fest. Übrigens weiß ich nicht, ob ich’s übers Herz bringen würde, dich zu töten.“ Er ging seines Weges. Aika ließ sich auf sein Bett fallen. Ihr war so komisch, irgendwie schwebte sie, obwohl ihre Gedanken um Pershas Entscheidung kreisten. „Wie gerne würde ich Dilara besuchen… Aber Ran hat Recht, meine Anwesenheit brächte alles durcheinander. Ich glaube nämlich nicht, dass Dilara im Fall des Tötungsbefehls, diesen einfach so hinnehmen könnte. Das wäre der Horror für mich, wenn man sie wegen fehlender Loyalität ebenfalls ausschalten würde. Meine Hoffnungen ruhen allerdings bei der anderen Version… Gott, ich weiß, dass ich nicht der gläubigste Mensch bin, aber ich bitte dich, lass mich leben, bis meine Familie gerächt ist!“ Dilara, die nicht im Geringsten ahnte, dass sich Aika ein Stockwerk unter ihr befand, putzte mit großem Eifer die Wohnung. „Blitze, blitze, blitzeblank muss es sein! Erst dann, erst dann kann mein Ken hier rein! Allahallah ich töte jedes einzelne Staubkörnchen! Hya! Hya!“ Sie sprang, oder besser tanzte von einem Eck der Wohnung zum anderen, die türkische Musik erfüllte den ganzen Raum. Dilara hatte mal wieder einen ihrer mein-Hüftschwung-wirkt-gegen-alles,-auch-gegen-hartnäckige-Flecken Tage. Vielleicht war der Auslöser dafür, dass Ken in einer Stunde zum Tee vorbeikommen und sie danach zu einem Fußballspiel der kleinen Jungs, die er ab und zu trainierte, ausführen wollte. Im Kopf schmiedete Dilara bereits einen unfehlbaren Anmachplan. Irre lachend sprang sie aufs Sofa und rief in einem Anfall von leichtem Wahnsinn: „So klappt es! Und dann ist er mein, mein, mein! Jahahaha!“ Aika hörte auch ein Stockwerk tiefer noch jedes Wort. Sie schlug sich an die Stirn. „Mein Gott! Die scheint mal wieder auf Großwildjagd zu sein! Der arme Kerl!“ Aika gähnte, sie war ein wenig schläfrig. Tatsächlich war sie Minuten später eingenickt. Als Aya mit dem Laptop zurückkam, fand er sie ruhig atmend auf seinem Bett wieder. „Wenn sie schläft, ist sie wirklich niedlich… Soll ich sie…?“ Er setzte sich auf die Bettkante, während er ihr sanft über die Wange streichelte. Aika drehte sich in seine Richtung und klammerte sich an seinem Hemd fest. Positiv erstaunt legte sich Aya auf seinen Ellenbogen gestützt neben sie. Nach dem langen Arbeitstag war auch er müde, irgendwann fiel sein Kopf einfach ins Kissen. Dilara war mit ihrem Putzmarathon fertig und probierte sexy Posen auf der Couch aus. Das Haar, welches sie zuvor hochgesteckt hatte, fiel ihr nun in glänzenden Kaskaden über die Schultern. Bei dem Kampf in der Wrestlingarena hatte Dilara es zuvor in stundenlanger Schwerstarbeit geglättet. Ihre Naturhaarpracht gefiel ihr sowieso besser. „Bin ich zu aufreizend gekleidet“, fragte sie sich beim provisorischen Blick in den Spiegel. Dilara trug einen schwarzen überknielangen Rock, den sie mit einem weißen Glitzershirt kombiniert hatte. „Nein, ich denke nicht“, schlussfolgerte Dilara. „Gut, dann setzte ich mal das Teewasser auf.“ Sie ging in die Küche, in der man vor lauter Sauberkeit fast geblendet war. Kurz nachdem der Wasserkocher lief, klingelte es auch schon. Mit ihrem strahlensten Lächeln öffnete Dilara Ken die Tür. „Hallo!“, grinste er. „Hi! Komm doch rein!“ Sie machte eine einladende Handbewegung. „Danke.“ Ken trat ein. „Der Tee ist leider noch nicht fertig, setz dich doch schon mal!“, trällerte sie fröhlich. Einige Zeit später tänzelte Dilara, Tassen und Teller mit einer Hand balancierend wieder ins Wohnzimmer. Ken musterte sie von oben bis untern. „Chic, chic, meine Dame!“ „Wirklich? Dankeschön!“, freute sich das Mädchen. „Ich hoffe, du magst schwarzen Tee, was anderes war nicht zu finden.“ Es schien ihr etwas peinlich zu sein. „Was redest du? Ich trinke fast alles.“ Er nahm ihr die Tassen ab. „Was hältst du eigentlich von den anderen?“ Ken lehnte sich zurück. „Ich denke, sie sind ganz O.K. Leider hatten wir noch keine Zeit uns richtig kennen zu lernen. Was ist eigentlich mit Omi los, ist er immer so schweigsam?“ Ihr Gegenüber schloss die Augen und atmete tief aus. „Hat dir Aika von ihrer früheren Partnerin erzählt?“ „Ja.“ „Gut, sie hieß Maya, wie du sicherlich schon weißt, und Omi war ihr fester Freund. Vor knapp sechs Wochen hatten wir einen Auftrag in der Botschaft. Team Angel Hunter drang ins Kellergeschoss ein, wo sich wichtige Dateien auf einem Rechner befanden. Eine Fehlmeldung, wie sich später herausstellte. In Wirklichkeit hatte Schwarz einen Hinterhalt geplant. Bei einen Feuergefecht zwischen den beiden, Schuldig und Crawford, wurde Maya getötet. Aika konnte fliehen. Seitdem ist Omi völlig verändert, aber wir alle sind der Hoffnung, dass er sich wieder fängt.“ Dilara hatte vergessen ihren Tee zu trinken und stellte die unberührte Tasse zurück auf den Tisch. „Habt ihr sie begraben?“ Ken blickte zur Seite. „Nein, die Geschichte geht ja noch weiter. Crawford hatte Mayas Körper mitgenommen, was Aika sehr zu Herzen ging, weil sie es nicht hatte verhindern können. Hm. Zwei Wochen später erhielt sie einen einfachen Auftrag, die stillgelegte TTSC Fabrik am Stadtrand zu erkunden. Aika hatte das Passwort an einem PC nicht knacken können und lieh sich von Omi auf rabiate Weise ein Entcodierungsgerät. Von da ab kann ich nur nacherzählen, weil keiner von uns dabei war. Also, sie kehrte in die Fabrik zurück und entschlüsselte das Kennwort. Es lautete Maya. Selbige stand Sekunden später dann hinter ihr, mit gezogener Waffe und zwei Schwarz-Leuten im Gepäck. Aika konnte ihre ehemalige Freundin zu einem Duell ohne Anwesenheit der beiden anderen überreden.“ „Ein Duell, mit welchem Ziel?“, fragte Dilara. „Dem Tod einer der beiden“, antwortete Ken in einem Tonfall, der ihr Angst machte. Noch viel erschreckender war die Erkenntnis, die sich in Dilaras Gedanken brannte: „Da Aika überlebt hat, muss sie, muss sie… Bei Allah! Aika hat ihre Freundin umgebracht?! Das ist ja schrecklich!“ Sie war entsetzt. „Wie, wie konnte sie nur?!“ Ken unterbrach Dilara abrupt. „Du hättest sehen sollen, was Maya mit ihr angestellt hat. Aika hatte eine Kugel in der Brust, nur Millimeter von der Hauptschlagader und der Luftröhre entfernt. Maya hätte keinen Augenblick gezögert, sie zu töten! Aika litt seit dem Vorfall noch mehr an ihren Selbstzweifeln. Was hättest du getan? Dem Tod so nah schaltet sich Mitgefühl aus und alles was bleibt, ist der nackte Überlebenswille, glaube mir, dann macht man keinen Unterschied mehr zwischen ehemaligem Freund und Feind.“ Ken senkte den Blick. „Ich weiß nicht wie ich handeln würde… und ehrlich gesagt mag ich auch nicht darüber nachdenken. Lass uns über erfreulichere Dinge reden, ja?“ Dilara nippte an dem dampfenden Tee. „Ich bin einer Meinung mit dir, diese Themen machen mich traurig.“ Ken prostete ihr zu. „Wann spielen denn deine Schützlinge?“ „Heute um halb acht, also in ner Stunde müssen wir in der Sportarena sein.“ „Juhu! Wir feuern sie richtig an, damit sie gewinnen! Wir Türken machen ungefähr so...“ Dilara hüpfte auf der Couch auf und ab, während sie den Namen eines berühmten türkischen Spielers lauthals rief. Ken kugelte sich vor Lachen: „Ich hab noch kein Mädel getroffen, dass genauso verrückt nach Fußball ist wie ich!“ Eine Stunde später standen die beiden tatsächlich in der Sportarena der Highschool. Dilara hatte sich weiße Stiefel mit silberner Schnalle an der Schuhspitze angezogen. Ab und zu ertappte sie Kens verträumten Blick, wenn er ihren Körper mit den Augen zu röntgen schien. „Ich finde ihn richtig süß!“ Dilaras Wangen erröteten sich, es hatte zwar knapp vier Grad, trotzdem würde es ihr in seiner Anwesenheit nicht kalt werden. Sie standen an der Bande zum Spielfeld und beobachteten den Einmarsch der zwei Schulmannschaften, die sich heute auf dem Rasen messen wollten. Die Spieler waren nicht älter als zehn Jahre. Kens Freunde winkten ihm kurz zu, als sie ihn sahen. Dilara bemerkte, wie sehr er diese Kinder mochte und dass sein ganzes Herzblut im Fußball steckte. Sie hatte es ihm gegenüber nie erwähnt, aber Aika hatte ihr erzählt, dass Ken früher einmal in der J-Liga gespielt hat. Nachdem einer seiner damals besten Freunde ihn durch eine Intrige mit Drogen belastet hatte, war er rausgeworfen worden. So kam er zu Weiß. Mit glänzenden Augen starrte sie Ken an, der fast genauso aufgeregt schien wie seine kleinen Freunde. An einem anderen Ort tagte ein Krisenrat. Birman stand vor sämtlichen Kritiker Mitgliedern und erklärte die Lage. „Angel ist wieder aufgetaucht. Ein Weißmitglied hält sie bei sich versteckt, bis die Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen ist. Wie Sie alle wissen, hat Takatoris Organisation schon einmal ein Mitglied des Angel Hunter Teams in seiner Gewalt gehabt. Cat ist damals wahrscheinlich von einem der Schwarz Männer einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Sie inszenierte ihren eigenen Tod, um zu Takatori überzulaufen. Angel hatte jedoch alles herausgefunden und vollzog ohne Auftrag von Oben die Exekution. Nun ist Ihnen sicher bekannt, dass Angel bei einer Mission scheinbar getötet wurde und genauso plötzlich wie Cat wieder auf der Bildfläche erschienen ist. Jetzt steht die Frage im Raum was, zur Wahrung der Sicherheit von Kritiker unternommen werden soll. Laut offizieller Verordnung gibt es nur drei Möglichkeiten. Eine davon ist, wie allen bekannt sein dürfte, die sofortige Liquidierung der Zielperson.“ Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Reihen. Dilara und Ken feuerten derweil die Tokio Shobun an, so laut sie konnten. Als das eins zu null für die Mannschaft fiel, fassten die beiden sich an den Händen und hüpften jubelnd herum. Ihre Blicke trafen einander und plötzlich blieben die zwei wie angewurzelt stehen. Alles um sie herum schien nicht mehr zu existieren. Die Zeit blieb für diesen kleinen Augenblick stehen. Bis Kens Kopf von einem verirrten Ball getroffen wurde. Einer von seinen Schützlingen entschuldigte sich. Wütend schrie er: „Verdammt, für was bring ich euch das Spielen bei?! Damit ihr Unschuldigen den Kopf wegballert?!“ Verlegen lachend rannte der Junge zurück zu seinen Kammerraden. Dilara konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Ken sah sie mit hochgezogener Augenbraue an, bevor auch er lachen musste. Einige Minuten später ging das Spiel in die Halbzeit. „Da drüben gibt es Glühwein, möchtest du etwas trinken, Dilara?“ Ken zeigte auf einen Bretterstand etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt. „Was Heißes wäre eine gute Idee, aber bitte ohne Alkohol. Ich trinke aus Prinzip keinen, weißt du?“ Sie rieb sich die Hände. „Du sprichst mir aus der Seele, Sportler entsagen dem auch. Vielleicht haben die auch Punsch, schließlich ist das eine Veranstaltung, bei der Kinder dabei sind.“ Tatsächlich schnupperten Ken und Dilara einige Zeit später an köstlich duftendem, dunkelrotem, warmen Punsch. Beide hatten von der Kälte rosige Bäckchen bekommen. Ken schaute auf seine Armbanduhr. „In fünf Minuten beginnt die zweite Halbzeit, wollen wir langsam wieder zu unserem Platz gehen?“ „Klar, ich will nichts verpassen!“ Sie grinste über den Rand des Bechers. In Ayas Wohnung fuhr der Laptop wieder hoch. Der Signalton für eine neue Mail erklang, doch niemand hörte ihn. Aika und Aya lagen eng umschlungen in seinem spartanischen Bett, wo sie selig schliefen. Währendessen war die zweite Halbzeit voll im Gange. Leider konnte die Gegnermannschaft gleich in den ersten Minuten eins zu eins ausgleichen. Umso mehr steigerte sich Dilara in ihr Jubelgeschrei hinein. Ihre Stimme übertraf die der anderen Zuschauer um einige Dezibel. In einer kurzen Pause ihrer Begeisterung trank sie den letzten Schluck aus ihrem Becher und wendete sich an Ken, der mittlerweile heiser war. „Ken, was ist mit dir? Du feuerst deine Kleinen seit Minuten nicht mehr an. Die müssen doch gewinnen!“ „Ich kann nicht mehr schreien… Auszeit bitte… Sonst krieg ich morgen keinen Ton raus!“, krächzte er. Dilara schmunzelte. „Du bist auch niedlich, wenn du nichts sagst.“ „Du findest mich süß?“ Sie lief knallrot an. „So, so ist das nicht ganz richtig. Ähm, ich meine…“ Ken lächelte über ihre Verlegenheit. „Allahallah! Das kann doch nicht wahr sein! Ich kann es einfach nicht aussprechen!“ Dilara drehte sich um und kickte einen Eisbrocken weg. „Du wolltest sagen: ‚Ken, ich mag dich sehr gern.’“ Er legte seine Hand auf ihre Schulter. Sie wusste nicht, wie in diesem Moment zu reagieren war. Ken sprach weiter. „Und ich hätte dann zu dir gesagt: ‚Dilara, möchtest du mit mir zusammen sein?’.“ Er drehte sie um. Kurze Stille, bevor Dilara antwortete: „Ja, ich will mit dir zusammen sein.“ In diesem Augenblick schoss Kens Schützling, der ihn zuvor am Kopf getroffen hatte, ein Tor. Alle Shobun Fans jubelten, nur zwei nicht, die waren in diesem Moment zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Am nächsten Morgen wachte Aya zuerst auf. Aikas Kopf lag an seiner Brust. Ihr blondes Haar glitzerte golden in der vom Schnee reflektierten Wintersonne. Er betrachte sie eine Weile, bevor Aya vorsichtig seinen Arm unter ihrem Körper herauszog, um Aika nicht aufzuwecken. Er tappte barfuß zum Laptop. Sofort öffnete Aya die E-Mail. Er überflog die Zeilen und es traf ihn wie ein Schlag in den Magen. „Der Befehl lautet: Liquidierung heute Nacht 0 Uhr am Strand, oh Gott!“ Aya löschte den Auftrag, dann stand er auf zog sich mit mechanisch anmutenden Bewegungen an und ging zum Bett. „Bin gleich wieder da.“ Er deckte sie richtig zu, danach verließ Aya die Wohnung. Aika wachte einige Zeit später auf. Mit geschlossenen Augen tastete sie nach Aya. Seine Seite war noch warm. Sie blinzelte in die grelle Morgensonne. „Wo, wo ist er hin?“ Aika legte sich auf den Rücken, alle Viere von sich gestreckt. „Ob wir schon den Entschluss Pershas mitgeteilt bekommen haben?“ Sie blickte zwischen ihren Brüsten hindurch zum anderen Ende des Raumes. Der Laptop surrte leise. „Ich sollte mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, sonst werde ich wahnsinnig!“ Da hörte Aika, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte, Aya kam zurück. Schnell schloss sie die Augen und lauschte. Er betrat die Wohnung, hängte seinen Mantel an die Garderobe und ging in die Küche. Das Rascheln von Papier drang in ihr Ohr. „Was macht er bloß?“ Die Kaffeemaschine gurgelte und blubberte. „Frühstück!“ Aika lief das Wasser im Mund zusammen. Zehn Minuten später zog ein wunderbarer Duft durch Ayas Wohnung. Aika merkte, dass er auf das Bett zuging. Seine Hand strich über ihre Wange. „Aufwachen, Kleine… Ich hab Frühstück gemacht.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie schlug die Augen auf und blickte direkt in Ayas purpurne Augen. Sein sonst so ernstes Gesicht hatte erstaunlich weiche Züge angenommen. „Guten Morgen!“, trällerte Aika. „Guten Morgen.“ Er lächelte. „Du kannst ja freundlich schauen! Dein Lächeln ist ja umwerfend, schade, dass du uns nicht öfter damit beehrst.“ Sie fuhr ihm neckisch durchs Haar. „Lass uns frühstücken, ja?“ Er half ihr auf. Als Aika die Küche betrat, gingen ihr die Augen fast über. „Du hast dir so viel Mühe gemacht! Wegen mir?“ Aya nickte. Dilara lag leise schnarchend in ihrem Bett. Ein dünner Speichelfaden lief aus ihrem Mund und sie murmelte immer wieder: „Ja ich will dich heiraten… Ich liebe dich… Ken…“ Dilara schmatzte zwei Mal und drehte sich auf die andere Seite. Ein Stockwerk tiefer beendeten zwei andere Personen ihr Frühstück. Aika half Aya beim Aufräumen. Nachdem der letzte Teller abgewaschen war, zog sie Aya ins Wohnzimmer, wo er Aika aufs Bett setzte, ihre Hände jedoch nicht losließ. Aus irgendeinem Grund fühlte sie, dass etwas nicht stimmte. Aya blickte sie an, öffnete den Mund um zu versuchen mit ihr zu sprechen, aber er konnte nicht. „Was ist denn los?“, fragte Aika besorgt. Er brach unvermittelt in Tränen aus. Da wusste sie, was Aya versucht hatte, ihr mitzuteilen. Ihr Denken setzte in diesem Moment einfach aus. Wie vom Blitz getroffen saß Aika starr auf dem Bett. Nach einigen unbeschreiblich langen Minuten wendete sie sich plötzlich an Aya, der vor ihr auf dem Boden kniete und Aikas Hände immer noch festhielt. „Willst du mir meinen letzten Wusch erfüllen? Wenn ich schon sterben muss, dann durch die Hand eines Freundes.“ Er starrte sie an. „Du hast deine Meinung nicht geändert. Gut, wenn es dein Wunsch ist, werde ich ihn dir erfüllen. Selbst wenn es mir das Herz bricht.“ „Wo soll das Ganze stattfinden?“ Aika sah ihn nicht an. „Am Strand, nicht weit von hier.“ „Heute ist Vollmond und der Himmel ist wolkenlos. Das ist ein guter Tag zum Sterben“, sagte Aika mit einem Blick aus dem Fenster. „Bitte hör auf, so zu reden. Hast du eine besondere Idee, wie du den Tag verbringen willst?“ Aya drehte ihren Kopf, sodass sie ihn ansah. „Können wir einen schönen Ausflug machen, ins Kino gehen, danach Abendessen in einem Restaurant und den Sonnenuntergang auf dem Tokiotower beobachten? Ich übernehme die Rechnung. Unter dem Sattel meiner Ninja sind ein paar Yen versteckt, die waren eigentlich für den Notfall gedacht, aber jetzt brauche ich ja nicht mehr vorzusorgen.“ Aika bemühte sich, zu lächeln. „Alles was du möchtest.“ Er nahm sie behutsam in die Arme. Der Tag war einer der schönsten in Aikas Leben. Aya bemühte sich nach allen Kräften, sie bei Laune zu halten, denn so schrecklich die Entscheidung der Kritiker war, sie konnte nicht rückgängig gemacht oder boykottiert werden. So verging die Zeit schneller als ihnen lieb war. Nach einem fantastischen Essen in einem der besten Restaurants in der ganzen Stadt machten die beiden sich auf zum Tokiotower. Mit dem Lift fuhren sie auf die Aussichtsplattform. Oben erwartete sie ein Ausblick, wie ihn sich Aika nicht erträumt hatte. Der Himmel leuchtete in einem Spektrum aus leuchtenden Orangetönen, Blau, Gelb und Zartlila. Die Sonne war schon fast hinterm Horizont verschwunden. „Ein herrlicher Anblick!“ Aika lehnte sich über die Brüstung. „Ja, wie gemalt. Eine solche Farbenpracht sieht man recht selten.“ Aya trat neben sie. In der Kälte wurde ihr Atem als kleine weiße Wölkchen sichtbar. „Bist du glücklich?“ Er suchte Augenkontakt. „Sehr sogar. Danke für alles, Ran.“ Aika strahlte. „Sie nennt mich bei meinem richtigen Namen, dass hat seit Ewigkeiten keiner mehr getan. Komisches Gefühl, gerade so, als wäre mein anderes Ich aus einem langen Schlaf aufgewacht.“ Aya schaute sie wohlwollend an. Eine halbe Stunde später war die Sonne dem Mond gewichen. Bleiches Licht ließ den Schnee geheimnisvoll glitzern. Bei jedem ihrer Schritte knisterte es unter Aya und Aikas Sohlen. In der Wohnsiedlung angekommen, sah er sich um, ob jemand sie beobachten konnte. Die Luft war rein und so holte Aya Aika hinterher. Es war schön, in der warmen Wohnung zu sein. Aika zog den Mantel aus, den sie sich geborgt hatte. Die Couch wirkte nach einem langen Tag richtig einladend und so kuschelte sie sich in eines der Kissen. Aya ging ins Bad. Er schloss die Tür ab. Seine Glieder zitterten, als er sich auf den Rand der Badewanne setzte. Alles schien wie ein bitterböser Alptraum. Gerade noch hatte er einen wunderschönen Tag mit Aika gehabt und in ein paar Stunden sollte er ihr Leben auslöschen. Aya schüttelte es. Als er vor knapp drei Jahren Weiß beigetreten war, war sein Ziel gewesen, mit dem Geld, das er für die Aufträge bekommen würde, den Krankenhausaufenthalt seiner Schwester zu finanzieren. Nur deshalb brachte Aya es über sich, Menschen zu töten, die nichts mit seiner persönlichen Rache zu tun hatten. „Aber jetzt ist es anders. Ich muss jemanden töten, der mir viel bedeutet. Es ist so abartig! Ich bin ein Mörder, ich bin ein Verbrecher, auch wenn meine Dienste auf der Seite des Weiß stehen!“ Dilara hatte sich einen gemütlichen Fernsehabend mit Ken gemacht, zum Fernsehen sind die beiden allerdings weniger gekommen. Sie schienen süchtig nacheinander zu sein. Aika hätte wohl einen Kommentar abgelassen wie: „Wenn ihr euch weiter so abknutscht, pappen eure Lippen vielleicht irgendwann zusammen, das hätte den Vorteil, dass euch die Mühe erspart wird, euch dauernd von neuem anzusaugen!“ Ken schmunzelte. „Sag mal, willst du heut bei mir übernachten?“, fragte Dilara scheinheilig. „Hast du vor, deine guten Vorsätze wegen mir über Bord zu werfen?“ „Natürlich nicht!“ Sie schmollte. „Hey, sei doch nicht gleich eingeschnappt, war nur ein Scherz!“ Ken hob die Hände. Dilara packte eines der Kissen und schleuderte es in seine Richtung. Da er von dem Angriff völlig überrascht wurde, traf es ihn mitten im Gesicht. „Ahaha! Getroffen! Getroffen!“, jauchzte Dilara. Im selben Augenblick stürzte sich Ken auf sie. „Lass das! Lass das! Nicht kitzeln! Hihihi!“, die schrie und lachte bis ihr Bauch schmerzte. Ken hielt ihre Arme fest. Sie blickte ihn total außer Atem, aber lächelnd an: „Weiße Flagge! Ich gebe mal wieder auf! Darf ich…“ Sein Kuss unterbrach Dilara. Um viertel vor zwölf weckte Aya Aika. „Es ist soweit.“ Er reichte ihr seine Hand. Aya spürte Aikas leichtes Zittern. Ihre Augen waren leer, die Lippen bebten. Er verspürte den Wunsch, sie in den Arm zu nehmen, doch dann könnte es passieren, dass sein Auftrag scheiterte. Aikas Hand in der einen, die Katana in der anderen Hand, verließ Aya seine Wohnung. Wenig später blickten die beiden aufs Meer hinaus. Aika beutelte es so stark, dass Aya befürchtete, sie würde den kurzen Weg zum Ufer nicht durchhalten. „Geht es?“, fragte er. „I...Ich denke schon“, bibberte Aika. Die letzten Meter stützte er sie. Das sanfte Rauschen der Wellen beruhigte die Nerven ungemein. Aika schaute in den großen, runden Vollmond, der sich auf der ungleichmäßigen Wasseroberfläche spiegelte. In der Zwischenzeit waren doch ein paar Wolken aufgezogen. Einige Schneeflocken schwebten durch die Luft. Aya klammerte sich an seiner Katana fest. „Warte“, sagte Aika mit gefasster Stimme. „Ich habe noch etwas zu sagen.“ Sie schloss die Augen. „In unserem Beruf sind die Dinge etwas kurzlebig. Man weiß nie, wie lang man noch Zeit hat. Ich denke Maya war einigermaßen glücklich, bevor sie starb. Sie hat ihr Leben gelebt, als wenn jeder Tag der letzte wäre. Ich hingegen dachte, mein Leben wäre gelebt. Ich dachte, ich hätte nichts zu verlieren. Aber, jetzt weiß ich, dass ich mehr verloren hab, als mir träumen lassen hätte.“ „Bereust du deine Entscheidungen?“ Aya steckte die Katana in die dazugehörende Schwertscheide. „Nein. Ich hab nur noch etwas zu sagen, bevor das Ende kommt. Und da das jeden Augenblick ist, tu ich’s jetzt!“ Sie öffnete die Augen, drehte sich zu Aya und ergriff seine Hand. „Ran, ich liebe dich.“ Seine steinernen Gesichtszüge entgleisten, sein ganzer Körper verkrampfte sich. „Du, du brauchst nichts zu sagen. Egal wie du empfindest, ich wollte nur, dass du es weißt, damit ich nicht sterbe, ohne jemals meine wahren Gefühle gezeigt zu haben.“ Sie ließ seine Hand los. „Es wird Zeit. Du hast heute Nacht eine Aufgabe, die du auf jeden Fall erfüllen musst.“ Aika fiel auf die Knie. Aya war völlig perplex. „Hast du den gar keine Angst?!“ Sie blickte zu ihm auf: „Mehr als du dir vorstellen kannst, aber ich will mir das nicht anmerken lassen. Ich bin ein starkes Mädchen!“ Bei diesen Sätzen kullerten unzählige Tränen über Aikas Gesicht. Aya rührte sich nicht vom Fleck. „Mach schon, bevor ich’s mir anders überlege!“, schrie sie und neigte das Haupt, sodass sie ihm ihren Hals präsentierte. Wie in Trance zog Aya seine Katana. Mit Tränen in den Augen holte er aus und schlug zu, während von fern eine bekannte Stimme rief: „Stopp! Sofort!“ Aya konnte seinen Hieb nur mit Mühe anhalten. Die Klinge ritzte sich in Aikas Haut. Entsetzt wirbelte er in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Aus der Dunkelheit hob sich langsam eine Gestalt ab. „Birman“, entfuhr es Aya. Mit besorgtem Gesicht eilte die Kontaktfrau auf sie zu. Auf dem Weg zu ihnen rief sie immer wieder: „Nicht bewegen! Hier wird heute Nacht keiner sterben!“ Als Birman abgehetzt vor ihnen stand, blickte Aika, die sich keinen Millimeter bewegt hatte, vorsichtig nach oben. Die Kälte des gefrorenen Bodens drang durch ihre Hose und betäubte langsam ihre Kniescheiben. „Oh Gott! Ich dachte, alles wäre zu spät! Bloß weil meine Scheißkarre bei diesen Polartemperaturen stehen bleibt!“, fluchte Birman. Aya schaute sie verwirrt an. „Was hat das zu bedeuten?“ „Ich erklärs euch. Die Kritiker haben eine Krisensitzung abgehalten, bei der entschieden wurde, was mit Aika passiert. Nun, so eine Angelegenheit wird durch ein Wahlverfahren geregelt. Die Mitglieder müssen sich für eine der drei Antwortmöglichkeiten entscheiden. Mehrheit siegt. Man kann wählen zwischen Leben, Tod oder Loyalitätsprüfung. Bei letzterer entscheidet der Geprüfte über sein Schicksal. Für Aika wurde mit absoluter Mehrheit die Loyalitätsprüfung gewählt. Da sie nicht geflohen ist, bei ihrer Meldung die ganze Wahrheit erzählt und ihren Aufenthalt in einer von Takatori geführten Anlage weder verschwiegen noch geleugnet hat, wurde entschieden, dass Aika weiterhin im Team Angel Hunter agieren wird. Also, hat sich die Sache erledigt, geht nach Hause. Ich verschwinde besser wieder. Bis bald!“ Birman winkte und joggte zur Straße zurück. Aika schaute zu Aya hoch. Der warf seine Katana zur Seite, fiel ebenfalls auf die Knie und umarmte sie so fest er konnte. Schluchzend vor Erleichterung und Glück klammerten sie sich aneinander. Nachdem die beiden sich beruhigt hatten, nahm Aya Aikas Kopf in die Hände zog sie zu sich heran und küsste sie erst zaghaft, bevor die beiden sich in stürmischen Küssen verloren. „Darf ich die Nacht bei dir verbringen? Ich möchte nur schlafen, keine Fragen der anderen beantworten müssen.“ Aika hatte sich auf dem Rückweg bei Aya eingehakt. „Dasselbe wollte ich dir gerade vorschlagen. Ein wenig Eigennutz war natürlich auch dabei. Nachts ist es so einsam.“ Sie schauten sich tief in die Augen. „Wir sind uns so ähnlich…“, dachte Aika. Sie schmiegte sich an Aya. Auf leisen Sohlen schlichen die beiden zu seiner Wohnung im zweiten Stock. Totenstille, kein Licht brannte mehr. Aika kicherte in sich hinein: „Wer nicht weiß, dass du hier wohnst, müsste denken wir brechen ein!“ Aya grinste. „Hoffentlich kommt niemand auf die blöde Idee, die Polizei zu verständigen, sonst fängt alles von vorne an.“ „Oh Gott bloß nicht, einen Schock wie den heute Nacht würden meine Nerven keinesfalls überstehen!“, keuchte Aika. Sie betraten die Wohnung. Aya legte sein Katana weg, bevor er seinen Mantel über einen Stuhl warf. Aika hatte sich ihre gesamte Kleidung von ihm geborgt. Ein weißes Hemd und eine schwarze Bundfaltenhose, die ihr nicht wirklich passten. „Sag mal“, fragte sie schüchtern, „hast du nen Schlafanzug für mich? Das Hemdchen vom Krankenhaus ist ein wenig frisch für diese Jahreszeit.“ Einige Minuten darauf steckte Aika in einem flauschigen schwarzen Pyjama von Aya, der ihr an Armen und Beinen etwas zu lang war. Sie gähnte herzhaft. „Gehen wir schlafen?“ Er antwortete nicht. „Ran?“ Aika schaute sich um. Plötzlich packten sie zwei Arme. Aya trug sie zum Bett und legte Aika vorsichtig hinein. „Ein richtiger Gentleman, hä?“ Er krabbelte zu ihr unter die Decke. „Kein Kommentar.“ „Das ist eigentlich mein Spruch, aber heute bin ich nachsichtig“, sie küsste ihn am Hals. Aya nahm Aika in die Arme und wenig später waren die beiden eingeschlafen. Am nächsten Morgen lief Aika von einer Tür zur nächsten, wobei sie Sturm klingelte. Nacheinander streckten drei Weißmitglieder ihre zerzausten Köpfe aus der Tür. „Hey Leute! Bin wieder da! Wir sehen uns um zehn oben in meiner Wohnung!“ Die Jungs kapierten, ihren Blicken nach zu urteilen, rein gar nichts. Aika hüpfte die Treppe hinauf. Yoji wendete sich zu Omi, der die Wohnung neben ihm bewohnte: „Hab ich Halluzinationen oder war das eben mein Schätzchen?“ Er rieb sich die Augen. Omi glotzte dumm aus der Wäsche: „Da wir sie beide gesehen haben, war es jedenfalls keine Einbildung.“ Da stürzte Ken zu ihnen: „Oh Gott! Ich habe einen Geist gesehen! Aika ist aus dem Jenseits zurückgekehrt!“ Er hielt kurz inne, blickte in Yojis und Omis Gesicht und meinte: „Nach der Art, wie ihr schaut, habt ihr sie auch gesehen!“ Aika sperrte mit dem Schlüssel, den Aya aus ihrem Motorrad geklaut hatte, die Wohnungstür auf. Sie trat ein und etwas Hartes traf ihren Kopf. Ein blechernes Geräusch erklang. Als Aika die Augen öffnete, blickte ihr Dilara entgegen, in der Hand eine Bratpfanne. „Bei Allah! Hab ich dir wehgetan? Oh mein Gott, da schickt man dich aus dem Jenseits zu mir und ich verpass dir ne Willkommensbeule!“ Sie hielt sich die Hand vor den Mund. „Jenseits? Ich bin wahrhaftig und vor allem lebendig! Und ja, das tat höllisch weh! Da freut man sich heimzukommen, von wegen, bei der Begrüßung zieh ich aus!“ Aika hielt sich den Kopf. Dilara schien ebenso wenig zu verstehen wie die Weiß Jungs. „Wie hast du es geschafft, vom Tode wieder aufzuerstehen?“ Prüfend piekste sie in Aikas Bauch. Diese machte ohne ein Wort kehrt und ging in ihr Schlafzimmer. Dilara blieb wie vom Blitz getroffen im Wohnzimmer stehen. „Was hast du denn in meinem Schlafzimmer fabriziert?!“ Aikas Geschrei ließ die Wände erzittern. Dilara zuckte zusammen. „Oh, oh, mein Blumenaltar!“ Sie stürmte Aika hinterher. Die starrte mit eisigem Blick und geballten Fäusten auf ihr mit Blumen vollgestelltes Bett. „Waah! Ich bin nicht tot! Aber jemand anders könnte es bald sein! Ich will ja keinen anschauen…“ Sie fixierte Dilara mit halb geschlossenen Augen. „Auf was habe ich mich nur eingelassen! Die Jungs hatten Recht! Bringst du mich jetzt tatsächlich um?!“ Sie klimperte mit den Wimpern. Aika schnaufte tief ein. Dilara hielt sich vorsorglich die Ohren zu, kniff die Augen zusammen und ging in Deckung. Auf einmal lachte ihre Partnerin wie eine Irre: „Hahaha, wie süß! Was hat dir Aya denn so erzählt? Dass ich alle vierteile, die mich nerven?“ Dilara öffnete vorsichtig ein Auge: „So in etwa.“ „Absoluter Quatsch! Ich schreie nur gern herum, das entspannt fürchterlich.“ Aika reichte ihr die Hand. „Ich freue mich, dass du an mich gedacht hast, obwohl wir uns noch nicht lang kennen.“ Ihre Partnerin schmiss sich ihr an den Hals.: „Ich bin so froh, dass du wieder da bist! Ich dachte, ich würde wieder ganz allein sein!“ Dilara weinte vor Freude. „Wie hast du es geschafft zu überleben?“ „Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähl sie euch beim Frühstück, die Jungs sind auch eingeladen. Hilfst du mir beim Tischdecken?“ Aika legte die Hände auf ihre Schultern. „Klar!“, lächelte Dilara unter Freudentränen. Aya war der erste, der klingelte. Er war beim Bäcker gewesen. Aika nahm ihm die Tüten ab. Dilara, die gerade das Besteck aufgedeckt hatte, betrachtete Aya wie einen Außerirdischen. „Du lässt dich zu einer sozialen Aktivität blicken?“ Sie blinzelte, als ob ein Tagtraum ihre Sinne vernebelt hätte. „Er ist hier, weil ich ihn darum gebeten habe“, rettete Aika die Situation. Dilara glotzte sie an. „Soll das heißen, dass ich die letzte war, die mitgeteilt bekommen hat, dass du noch lebst?“ „Später“, wich Aika aus. Sie zog Aya zur Seite und flüsterte ihm ins Ohr: „Am besten, wir halten alles, was uns betrifft, erst mal geheim.“ „Einverstanden, ich habe keine Lust auf kindische Bemerkungen.“ Er nickte. „Schön, dass wir einer Meinung sind“, grinste Aika. Aya strich ihr liebevoll eine Haarsträhne hinters Ohr. Da klingelte es zum dritten Mal an diesem Tag. Vor der Tür warteten Omi, Yoji und Ken, der eine kleine Rose dabei hatte. Dilara winkte sie alle herein. Der Duft von frischem Kaffee und Tee erfüllte die Luft. Der Wohnzimmertisch war zur Frühstückstafel gemacht worden, um den sich die fröhliche Gesellschaft nun setzte. Dilara freute sich riesig über Kens Rose, machte aber auf Aikas Frage, warum sie so glühe, ein scheinheiliges Gesicht. Yoji stellte die Frage, welche jedem außer Aya auf der Zuge lag: „Wie hast du überlebt?“ Aika schluckte einen Bissen ihrer Semmel hinunter, um dann mit ihrer Geschichte zu beginnen: „Wisst ihr, ich dachte selbst nicht daran, diese Nacht überleben zu können. Allerdings wurde ich vom Gegenteil überzeugt. Schwarz hatten mich in eine ihrer unterirdischen Komplexe verschleppt. Ich wachte in einem Krankenzimmer auf, keine Ahnung, wie lang man mich dort schon festhielt. Nun, zwei Männer betraten den Raum. Dadurch, dass ich mich schlafend gestellt habe, unterhielten sich die beiden unbedarft. Ihr glaubt nicht, was diese Scheißkerle vorhatten!“ Sie machte eine dramatische Sprechpause. Die Weiß-Jungs und Dilara klebten an ihren Lippen. Amüsiert von soviel Neugier fuhr Aika fort: „Ich sollte an ein Bordell verkauft werden, nachdem Schwarz mit mir fertig war! In irgendeinen Drecksschuppen namens Lolita, wie geschmacklos! Hm, da hab ich die Schweine gekillt. Hab nur vergessen, dass die Tür codegesichert war…“ Omi fasste sich an die Stirn: “Wie immer, erst killen, dann Fragen stellen… So nebenbei hast du für eine ganz schöne Überraschung bei Kens und Dilaras Auftrag gesorgt!“ Aika runzelte die Stirn. „Wie denn das?“ Ken mischte sich ein: „Wir sollten diesen Burak-Deppen umnieten, der Kerl, dem Dilara-chans Bruder zum Opfer gefallen ist.“ „Den?!“ Aika, die gerade etwas trank, musste sich zusammenreißen, um nicht über den Tisch zu spucken. „Genau den. Er hätte eben in dieses Bordell gehen sollen. Uns wäre es bequem möglich gewesen, ihn aus dem Hinterhalt auszuschalten und dann unbemerkt zu verschwinden. Aber Takatori muss wegen des Vorfalls mit dem Besitzer beschlossen haben, den kleinen „Vergnügungsausflug“ im Gebäude gegenüber stattfinden zu lassen, auf dessen Dach wir mit dem Scharfschützengewehr postiert waren.“ Aika lachte. „Ich hab doch gesagt, dass Chaos ist nicht zu besiegen! Aber ihr seid ja ziemlich lebendig, deswegen gehe ich davon aus, der Auftrag war erfolgreich war.“ Dilara lächelte. „Ich hab’s ihm mächtig heimgezahlt, dass kannst du mir glauben.“ „Was anderes hatte ich nicht erwartet…“, schmunzelte Aika. Yoji unterbrach sie: „Du saßt in der Falle, wie bist du entkommen?“ „O.K. Ich erzähl schon weiter. Eigentlich wollte ich den Nächstbesten überraschen, aber leider war mein nächster Gast niemand anders als Schuldig. Pech für mich. Crawford wartete schon mit einem Wahrheitsserum auf mich.“ Aika trank noch einen Schluck. „Du hast doch nichts?!“, Omi krallte sich am Tischtuch fest. „Natürlich nicht, wir wissen doch alle nichts, außer drei Codenamen und unsere Aufträge. Völlig uninteressant für Schwarz, aber nicht mal das habe ich gesagt, obwohl die Dreckskerle mir fünf Nadeln durch den Arm gejagt haben.“ „So ein Glück!“ Er atmete auf. „Glaubst du, die Kritiker hätten mich am Leben gelassen, wenn nur eine kleine Info über meine Lippen gekommen wäre?“ Aika lehnte sich zurück und erzählte, wie sie entkommen war. Als Aika zu der Stelle kam, an der Aya sie am Strand fast getötet hatte, vergaßen ihre Kameraden glatt zu essen. „Da ich die Loyalitätsprüfung bestanden habe, spricht nichts dagegen, dass ich beim nächsten Einsatz wieder dabei bin“, schloss sie ihre Geschichte. Ihr Magen knurrte und so fügte Aika hinzu: „Und bevor ich vor Hunger sterbe, lasst uns in Ruhe frühstücken! Kann ja nicht jeder von Luft und Liebe leben!“ Dabei warf sie einen Seitenblick zu Dilara, die neben ihr saß. Diese kam sich ertappt vor. „Wie kommst du denn darauf?“ „Nur so.“ Aika biss in ihre Honigsemmel. Die Gemeinschaft aß mehr oder weniger schweigend weiter. Niemand bemerkte Ayas und Aikas funkelnde Augen. Seit Minuten starrten die beiden sich an. Na gut, fast niemand nahm Notiz, außer Dilara. Mit argwöhnischem Blick musterte sie Aya, um daraufhin anzumerken: „Hey du, Rotschopf! Was starrst du meine Aika so an?“ Aya wurde aus seiner Trance gerissen. „Ich schaue hin wo ich will, Mädchen! Hast du Angst, sie schmilzt vom Anschauen?“ Aika ging dazwischen. „Nicht streiten. Heute ist mein Tag des Friedens!“ Sie wandt sich an Dilara: „Bist du eifersüchtig? Wenn ja, worauf?“ „Was läuft zwischen euch? Ihr guckt so abwesend.“ „Gar nichts, ich starre so ins Leere, denke über die vergangenen Tage nach“, log Aika. Ihr Blick fiel auf Ken, der, den Kopf auf den Arm gestützt, vor Dilara saß und sich fast ansabberte. „Und wenn schon, verklärter als der kann nicht mal ich schauen.“ Ihre Freundin folgte Aikas Blick und ihre Wangen wurden leicht rosa, als sie ihn ansprach. „Ken! Mach den Mund zu!“ Gelächter erfüllte den Raum. Dilara stellte die Teller auf einen Stapel und fragte ihn mit zuckersüßem Lächeln: „Hilfst du mir bitte?“ Ken nahm den Rest des Geschirrs mit in die Küche. Als Aika aufstand, um beim Aufräumen zur Hand zu gehen, bremste Dilara sie aus: „Du bleibst schön sitzen und unterhältst unsere Gäste. Ken und ich schaffen das allein.“ Aika zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst.“ Die beiden verschwanden. „Hat einer ne Ahnung, was die so spinnen?“, Aika war verwirrt. Omi und Yoji grinsten wissend, sie hatten eine Ahnung, weshalb sich Dilara und Ken so merkwürdig benahmen. Aika zuckte abermals mit den Schultern. „Auch egal, unterhalten wir uns über spannendere Sachen. Was war bei euch sonst so los?“ In der Küche hatten Ken und Dilara eine kleine Auseinandersetzung. „Wieso darf ich dich nicht anschauen? Wir sind doch zusammen, oder nicht?“ Er stellte die Teller in die Spülmaschine. „Du kannst mich ansehen, wann und wo du willst, aber sabber in Gegenwart von Aika niemals den Tisch an! Du weißt besser als ich, wie sie auf Verliebte reagiert!“ Dilara stemmte die Hände an die Hüfte. „Zu mir hat sie vor geraumer Zeit was anderes gesagt, außerdem ist Aika irgendwie seltsam, seit sie zurück ist. Vielleicht hat ihr Aufenthalt in Ayas Wohnung abgefärbt und sie ist wegen seiner Ernsthaftigkeit wahnsinnig geworden?“ Ken drehte sich zu ihr. „Wenn du meinst. Benimm dich trotzdem nicht gar so auffällig. Ich möchte unsere Beziehung so lang geheim halten, bis ich mir sicher bin, dass das länger hält, bist du einverstanden, Ken-chan?“ Dilara setzte ihr entwaffnendes Lächeln auf. Ken nahm sie in die Arme. „Ich bemühe mich, deiner Anziehung zu widerstehen, meine Schöne!“ Sie küssten sich. Aika lachte sich derweil über einen von Yojis dreckigen Witzen tot. Selbst Aya zeigte sein Lächeln, wodurch Aika noch mehr strahlte. Sie fühlte sich lebendig und leicht ums Herz. Da kamen Dilara und Ken zurück. Mit scheinheiligen Gesichtern setzten sich die beiden wieder an den Tisch. Dilara nippte wie immer vornehm an ihrem Tee. „Schnüff, schnüff.“ Das Geräusch kam von Aika, die an ihrem Pullover roch. Alle schauten wortlos auf die Mädchen. Nach einiger Zeit verengten sich Aikas Augen zu Schlitzen und sie fixierte Dilara mit diesem durchbohrenden Blick, bevor sie anmerkte. „Du riechst nach ihm!“ Mit einem Kopfnicken lenkte sie die Aufmerksamkeit auf Ken. „Habt ihr etwa in der Küche rumgeknutscht?“ Aika betonte das letzte Wort akribisch. „Ähhh“ sagten die beiden synchron und wurden von den Fußsohlen bis zum Haaransatz knallrot. „Ertappt! Mann, bin ich gut!“, sagte ihre Partnerin triumphierend. Dilara lenkte ab: „Ich mach mal ein wenig Musik an, in Ordnung?“ Ein türkisches Lied dröhnte aus den Boxen der Stereoanlage. Sofort war alle Verlegenheit wie weggeblasen. Sie tanzte durch die Wohnung, wobei Dilara alle, bis auf Aya mitriss. Aika hüpfte mit ihrer Partnerin im Wohnzimmer herum. Ken bewunderte nur seine Angebetete. Mit der Zeit schlich sich Yoji an Aika heran. Der nächste Song war einer der langsamen Sorte. Er umschlang ihren Körper und wiegte sich mit ihr im Takt. Sie lehnte sich an ihn und dachte: „Ich habe euch alle so vermisst!“ Aika schloss ihre Augen, so bemerkte sie Ayas eisigen Blick nicht. Yoji berührte mit der Nase ihren Hals, im selben Moment wurde er von ihr gerissen. Aika öffnete vor Schreck die Augen. Aya hatte Yoji am Kragen gepackt. „Komm ihr nicht zu nahe! Sie ist keine von deinen Einwegfrauen!“ „Hey, hey, reagier mal nicht über!“ Er hob abwehrend die Hände. Aika schlang von hinten ihre Arme um Ayas Brust. „Es ist gut, lass ihn los.“ Er entspannte sich. Sie zog ihn von Yoji weg, der nichts Besseres zu tun hatte, als Aya hinterher zu rufen: „Kannst du ihr das bieten, was ich mit ihr anstellen könnte?“ Damit hatte er das Fass zum Überlaufen gebracht. Aya ging wie ein Verrückter auf ihn los. Nach Fassung ringend beobachtete Aika, wie die ersten Vasen zu Bruch gingen. Kurz darauf fiel der Esstisch mit den restlichen Tassen um. „Oh Gott, meine Wohnung!“ Sie schlug die Hände vors Gesicht und Dilara konnte sie gerade noch davor bewahren, eine von Yoji geworfene Skulptur an den Kopf zu bekommen, die eigentlich für Aya gedacht war. Omi, Ken, Dilara und Aika suchten hinter dem Sofa Schutz. Als im Wohnzimmer fast nichts mehr heil war, hielt es Aika nicht mehr aus. Sie stellte sich hin, wich dem nächsten fliegenden Gegenstand eiskalt aus und schrie so laut es ihr möglich war: „STOOOOP!“ Keine Reaktion, Yoji und Aya prügelten sich weiter. Da wurde es Aika zu viel. Sie streckte beide mit gezielten Tritten nieder, dann packte sie erst Yoji am Kragen: „Du weißt, was ich dir gesagt habe! Vergiss es, zwischen uns ist nichts! Müssen sich Männer immer profilieren?!“ Danach schimpfte Aika Aya: „Wegen mir prügelt man sich nicht! Schau nur, wie du aussiehst!“ Aika tupfte eine blutige Schramme an seinem Kopf ab. Sie wandt sich zu Yoji, drehte seinen Kopf zur Seite und rief zu Omi, der sich ebenfalls aus dem Versteck getraut hatte: „Im Bad ist der Medischrank, lass dir von Dilara den Schlüssel geben! Wir brauchen Pflaster!“ Die beiden taten wie ihnen geheißen. Aika schaute die beiden Streithähne an: „Warum musstet ihr euch schlagen?“ Aya setzte sich auf, packte die vor ihm Kniende und umarmte sie einnehmend.„Sie gehört mir,verstanden?“ Yoji schaute mürrisch drein. „Seit wann?“ „Seit gestern kurz nach zwölf.“ Aika kam sich vor wie eine Puppe, um die sich zwei Kinder stritten. Irgendwie überraschte sie Yojis Reaktion. „Schön, dass ihr euch gefunden habt. Wehe, du passt nicht gut auf sie auf, dann prügle ich dich windelweich!“ Ayas Finger krallten sich in Aikas Kleidung. „Darauf kannst du dich verlassen!“ Ken, der wortlos alles beobachtet hatte stammelte: „Die beiden größten Hitzköpfe unserer Gruppe sind ein Paar! Ich glaub, ich werde verrückt! Die Welt wird untergehen!“ Mit diesen Worten fiel er um. Nachdem die Streithähne verarztet waren, machten sich alle ans Aufräumen. Dilara versuchte Ken, wiederzubeleben. „Wieso bist du ohnmächtig? Die anderen haben sich geschlagen!“ Er kam auch durch Klatschen auf seine Wangen nicht zu sich. „Dann eben anders!“ Sie beugte sich über ihn und beatmete ihn, was natürlich völlig unsinnig war, weil Ken von selbst schnaufen konnte. Dilara ahnte aber, was ihr Freund vorhatte. Sie behielt Recht. Ken wollte die Chance nutzen, um ihr einen weiteren Kuss aufzudrücken. „Du bist ein echtes Schlitzohr!“, kicherte sie. Nach drei Stunden intensiver Arbeit konnte man sich wieder in der Wohnung bewegen. „Geschafft, allerdings sind sämtliche Möbel draufgegangen!“ Aika machte einen leidenden Gesichtsausdruck. „Ich finds toll, dass die Jungs das Auseinanderbauen für uns erledigt haben“, meinte Dilara. „Wie kommst du darauf, dass ich meinen schönen Schrank verschrotten wollte?“ Ihre Partnerin warf ihr einen strengen Blick zu. „Ähm, du hast ja nichts von dir hören lassen, also dachte ich, wenn Aika nicht wiederkommt, sollte die Wohnung meinem Geschmack angepasst werden. Die neuen Möbel werden am Montag geliefert.“ Dilara ging in Deckung. „Was?! Das erfahre ich jetzt?!“ Aika rastete aus. „Wann hätte ich es dir sonst sagen sollen?“ „Hast auch wieder Recht. Sonst noch Überraschungen?“ Sie schaute ihre Partnerin durchdringend an. „Nun ja“, druckste Dilara herum, „morgen kommen zwei Maler, die alles in Rot und Rosa streichen, für eine heimische Atmosphäre.“ „Ahh, ich glaub mein Schwein pfeift! Die ganze Wohnung Rosa?! Ich bring dich um!“ Aika krallte sich den erstbesten Gegenstand, den sie finden konnte, ironischerweise eine Bratpfanne. „Ken, rette mich!“ Dilara wollte sich in Sicherheit bringen, aber ihre Partnerin war schneller und verpasste ihr einen saftigen Schlag. „Aua!“, heulte Dilara. „Jetzt sind wir quitt!“ Aika ließ die Pfanne fallen. „Aya, wir gehen! Ich brauch Abstand! Das ist ja nicht auszuhalten, was das Mädel in eineinhalb Wochen fabriziert!“ Er zögerte. Aika küsste ihn. „Ich sagte, wir gehen jetzt ein wenig zu dir.“ Aya nahm ihre Hand. „Bis später, Leute!“ Die Tür fiel hinter den beiden ins Schloss. „Ach du liebe Güte! Aika ist verknallt und noch unberechenbarer als normal!“ Ken legte einen Arm um Dilara. „Bin ja gespannt, ob euch zweien das Verliebtsein nicht zu Kopf steigt“, merkte Omi an. Yoji lachte: „Hättet ihr gedacht, dass sich zwei Eisbrocken gegenseitig schmelzen?“ „Wieder mal ein Weltwunder“, grinste Omi. ____________________________________________________________________________________ Da haben sich endlich zwei gefunden. Hat auch lang gedauert^^ Ich hab beim Schreiben selber mitgefiebert... verrückt, oder? Ach ja, Dilara hat die gleichen Sprüche drauf, wie meine liebe Freundin für die ich diesen Charakter extra entworfen habe. Also nicht wundern^^ Kapitel 11: Die Kreuzfahrt -------------------------- Vorschlag (stammt von der lieben fairy_cloud) Hört euch zur Tanzszene das im Text genannte „Objection Tango“ an. Link: http://www.youtube.com/watch?v=l_QQOGLdOCo Eine Woche war seit Aikas Rückkehr vergangen und alles hatte sich wieder einigermaßen normalisiert. Zwar waren am Tag der Renovierung zufällig noch zwei Maler vorbeigekommen, die Aikas Hälfte der Wohnung schwarz streichen sollten, doch konnte man sich dann auf einen Stil einigen, der auch ihr zusagte. Mit den Möbeln war sie überraschenderweise zufrieden. Eines hatten die beiden jedoch gemeinsam, einen gehörigen Groll auf Yoji und Aya, weil diese bei ihrem Machoverhalten nicht nur die ersetzten Möbel zerdeppert, sondern auch geliebte Dekostücke dem Erdboden gleich gemacht hatten. Dilara schmollte ganze drei Tage, ohne ein Wort mit den beiden Übeltätern zu wechseln. Aika hingegen konnte einem Strauß roter Rosen in Verbindung mit Ayas Lächeln nicht standhalten. „Das muss wahre Liebe sein“, seufzte Dilara, „jemanden zu verzeihen, der gestern meine teuerste Vase geworfen und mich dazu gerade noch mal verfehlt hat. Andererseits könnte ich meinem Ken auch nicht böse sein.“ Es war Freitag und es herrschte absolutes Chaos im Blumenladen. Es war so voll, dass Aika schon vorhatte, sich mit einem Spaten den Weg freizuschaufeln. Außerdem war ein großer Teil der Besucher männlich. Dilara wurde heiß umschwärmt, was Ken mehr als nur eifersüchtig machte. Aber jedes Mal, wenn er auf einen der flirtbegeisterten jungen Männer losgehen wollte, packte ihn Aika beiläufig am Kragen und schleifte ihn ins Lager, damit er sich abkühlen konnte. Dilara schien gar nicht zu bemerken, dass die Kerle nicht die Blumen, sondern eher sie betrachteten. Einige verwechselten sie allerdings immer noch mit Maya, der blauen Augen und der schwarzen Haare wegen. In einer ruhigen Minute hatten die fünf endlich einmal Zeit miteinander zu reden. Yoji seufzte. „Seit ihr Mädels wieder bei uns seid, geht’s auch im Blumenladen drunter und drüber.“ „Mein Gott, jeder weiß, dass sich Sexyness verkauft. Stimmt doch, Dilara?“ Aika löschte ihren Durst mit Mineralwasser. Dilara setzte einen scheinheiligen Blick auf. „Ich bin zwar nett angezogen, aber doch nicht wirklich sexy.“ „Nett genug jedenfalls, dass alle dich anglotzen! Dem nächsten reiß ich die Augen aus!“ Ken kochte vor Eifersucht. „Beruhig dich lieber. Seht mal, was heut in meinem Briefkasten lag!“ Omi hielt etwas, das verdächtig nach Eintrittskarten aussah, wie einen Fächer vors Gesicht. Yoji verrenkte sich um die winzige Schrift zu entziffern. „Eine Kreuzfahrt? Wo hast du denn die gewonnen?“ Dilara sprang begeistert auf und ab. „Jippie! Wir lassen uns alle so richtig verwöhnen! Das wird oberklasse!“ Omi seufzte. „Die Sache hat nen Haken.“ Dilara hielt mitten in der Bewegung inne: „Fahren wir etwa Economie?“ Aika fasste sich an die Stirn. „Wäre das dein einziges Problem?“ Ihre Partnerin grinste peinlich berührt. „Gibt’s denn was Schlimmeres?“ Aus dem kalten Schweigen schloss sie jedoch, dass es wieder mal um einen Auftrag gehen musste. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt offen zu sprechen. Dilara entschied, nicht weiter darauf einzugehen und passte. „Gut, ich glaub ich habs verstanden. Lasst uns weitermachen, wir haben eh nicht mehr lang!“ Pünktlich um acht machte Ken das Rolltor zum Laden zu. Dilara, die seit Stunden darauf brannte, die anderen mit Fragen zu löchern, sprang auf die Theke. Aika hängte ihre Schürze neben die der anderen und setzte sich auf einen riesigen, umgedrehten Blumentopf. „Also was hat es mit dieser Kreuzfahrt auf sich, Omi-kun?“ Das jüngste Weiß-Mitglied zog ein Schreiben von Manx hervor. „Hier drin steht, dass wir uns auf das Kreuzfahrtschiff begeben, um Takatori Junior zwei, also Masafumi, auszuschalten. Das ist der bisher größte Schlag gegen diesen machtbesessenen Clan. Allerdings fürchte ich, dass wir erhebliche Schwierigkeiten bekommen werden.“ Er machte einen todernsten Eindruck. „Wieso? Welche Sicherheitsmaßnamen gilt es zu umgehen?“ Yoji klopfte die Zigarette in den Ascher. Omi breitete vier Fotos auf der Theke aus. Auf jedem waren Frauen zu erkennen, die scheinbar den Job der Leibgarde für Takatori Junior ausführten. „Diese vier Weiber nennen sich Schön, Neu, Tod und Hell, gemeinsam sind sie als „Schreient“ bekannt.“ Yoji starrte auf das Foto von Neu. Sie war Asuka ähnlich, aber meist wirken Menschen in der Realität ganz anders als auf Bildern. „Außerdem kommt noch erschwerend hinzu, dass Masafumi scheinbar an Gentechnik interessiert ist und durch veränderte Drogen unsterblich werden will“, fuhr Omi fort, „er scheint schon total dem Wahnsinn verfallen zu sein. Wir müssen vorsichtig sein. Äußerlich ist er ein Spargeltarzan, durch Einnahme seiner neuesten Kreation entwickelt er jedoch erstaunliche Kräfte. Dieses Zeug scheint ähnlich zu wirken wie die Aufputschdrogen aus dem zweiten Weltkrieg. Manx schreibt, er soll nen einsneunzig großen Nachtclubtürsteher mit einem Schlag sämtliche Rippen gebrochen haben, nur weil er mit dessen Arbeit unzufrieden war!“ „Hört sich wahnsinnig einladend an.“ Ken bewies Galgenhumor. Dilara bis sich auf die Lippe. „Heißt das, wir reisen im Frachtraum?“ Omi lachte. „Du hast Probleme! Ich kann dich beruhigen, wir reisen Business Class unter Decknamen. Dieses Schiff gehört zwar zu Takatoris Flotte, aber es ist nicht gut bewacht. Anscheinend geht der Clan nicht davon aus, dass irgendjemand so verrückt ist, auf hoher See zuzuschlagen. Du kannst dich schon mal auf den Ball freuen.“ Der letzte Satz brachte Dilara total aus der Fassung. „Ein Ball! Ich werde das schönste Abendkleid von allen haben! Ich geh gleich morgen einkaufen!“ Aika schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts. „Wann fahren wir?“, wollte Aya wissen. „Sonntagmorgen um sieben Uhr legen wir ab“, meinte Omi mit einem Blick in die beiliegende Broschüre. „Das wird wohl nichts mit ausschlafen“, jammerte Aika wie erwartet. Es war sechs Uhr dreißig, als die Jungs und Mädels mit ihrem Handgepäck vor dem Kreuzer standen. Den Kopf in den Nacken gelegt und mit offenen Mündern bestaunten sie dessen Ausmaße. Dilaras Augen funkelten. „Wow! Ist das toll! Ha, ha, ich fühle mich jetzt schon wie eine Prinzessin!“ Aikas Kopfnuss brachte sie zum Schweigen. „Aua! Mann Ai…, äh Satori, Kotori? Ach scheiß egal, Gelbhaar! Verdammt was sollte das?!“ „Halt die Klappe, du bist viel zu auffällig!“, raunzte ihre Partnerin. „Du hast aber ne Laune… Und das, obwohl wir Urlaub haben!“ Dilara zuckte mit den Schultern. „Sprich sie am besten nicht vor zehn Uhr an. Ihre Sonntage sind ihr heilig, da versteht sie keinen Spaß.“ Yoji entließ den blauen Dunst seiner Zigarette in die kalte Morgenluft. Ken stöhnte. „Musst du denn schon um diese Zeit damit anfangen?“ „Ich werde eh nicht alt, also misch dich nicht ein.“ Die wartenden Menschen bewegten sich wieder ein Stück vorwärts. Omi verteilte die Tickets. „Rose und Siberian werden als Tanzpaar reisen und am Ball teilnehmen. Eure Aufgabe ist es, die Crew zu beobachten und Schwachstellen für mögliche Täuschungsmanöver zu finden. Balinese mimt den ausgebrannten Geschäftsmann und ist für die Erkundung des Schiffs zuständig. Abyssinian und meine Wenigkeit checken die Ruten der Wachen und Sicherheitsmaßnahmen.“ Alle nickten. Omi blickte über die Schulter zu Aika, die sich gerade laut geräuspert hatte. „ Äh Angel, du weißt, was du zu tun hast…?“ „Klar“, grummelte sie, „am besten unsichtbar werden und stumm…“ Er nickte. „Ich glaube das hier dauert noch ein bisschen, darum schlage ich vor, du tust es gleich.“ Aika seufzte. „Mir bleibt aber auch nichts erspart!“ Dann verschwand sie, um in einem der abgelegenen Toilettenhäuschen zu verschwinden. „Hä, woher wusstest du, dass Aika ein dringendes Bedürfnis hatte?“ Dilara verstand die Welt nicht mehr. Omi schwieg, während die Warteschlange sich wieder zehn Meter verkürzte. Rose fixierte die blaue Plastiktür, hinter der Aika verschwunden war. „Mann, was dauert denn das so lang, wir sind gleich an der Reihe!“ In just diesem Moment wurde die Tür fast aus der Angel katapultiert, weil ein Highheel sie genau mittig getroffen hatte. Im Rahmen stand Angel, die Beine in einem Winkel, als hätte sie sich in die Hose gemacht und einem bizarr verzerrtem Gesicht. Dilara lachte lauthals los: „Ha, ha, ha! Mein Gott, die und hohe Schuhe! Ich glaub, die müssen wir festbinden, damit sie nicht von selbst über Bord geht!“ Omi und Ken kicherten ebenfalls. Aya presste sich die Hand auf den Mund, um das Lachen zu unterdrücken. „Verdammt, Rose! Die Teile gehen sicher auf dein Konto!“ Angel wackelte auf die Warteschlange zu. „Nein, davon wusste ich wirklich nichts!“ Dilara versteckte sich vorsichtshalber hinter Ken. „Stell dich mal gerader hin. Diese Schuhe machen ein schlankes Bein.“ Yoji zog ihre Schultern hoch. Aika funkelte ihn an. „Was soll das denn heißen? Hast du mich gerade darauf hingewiesen, das ich speckig bin!?“ „Autsch, böses Faul“, merkte Ken mit schmerzverzerrtem Gesicht an. „Äh nein, ich dachte nur, du solltest mal ein wenig ladylike rumlaufen…“, versuchte sich sein Partner zu retten. „Du Mistkerl! Playboy! Gehirnzellen-unterm-Gürtel-Träger! Schlüpferdetektiv! Sexistisches Schwein!“ Bei jedem Wort trat sie Yoji gegen sein rechtes Schienbein. So wäre das wahrscheinlich ewig weitergegangen, wenn die seltsame Gesellschaft nicht endlich einchecken hätte können. Omi und Aya hatten ihre Zimmer im oberen Teil des Kreuzers, ziemlich mittig. Yoji wohnte mit schöner Aussicht im Heck. Ken und Dilara teilten sich eines der Sonderzimmer für Tanzpaare. Nur Aika musste im letzten Deck untergebracht werden, der Tarnung wegen. Ihr Raum diente außerdem als Basis für ihren Auftrag. Ansonsten konnte nur über die Zimmertelefone kommuniziert werden. Offiziell kannten die sechs sich für die nächsten drei Tage nicht. Omi wählte die Nummer von Kens Zimmer. „Hallo?“, meldete sich eine weibliche Stimme. „Hi Rose! Alles O.K. bei euch?“ „Klaro! Wir packen gerade aus. Es gibt nur ein Problem….“ „Was denn?“, fragte Omi irritiert. Dilara flüsterte: „Es gibt nur ein Bett. Das geht doch nicht!“ „Reiß dich zusammen, oder brauchst du nen Keuschheitsgürtel?“, hörte sie das Weiß-Mitglied sagen. „Ist ja gut. Ich mein ja nur“, lenkte Rose ein. „Schon klar. Ich muss mich noch bei den anderen melden. Wir treffen uns morgen um 18 Uhr bei Angel. Also bis dann“, Omi legte auf. Er wollte gerade wählen, als zu seinem Erstaunen das Telefon klingelte. „Hi, hier ist Angel! Wollt nur sagen, dass bei mir alles in Ordnung ist. Bleibt alles wie besprochen?“ „Ja, aber wie hast du meine Nummer rausgekriegt?“ „Mein lieber Bombay-kun, auch ich weiß, dass sich die Telefonnummern aus der Etage und der Zimmernummer zusammensetzten. Halt mich nicht für blöder als ich bin!“ „Sorry, ich war nur erstaunt.“ Omi entspannte sich wieder. „Dann lass ich dich mal in Ruhe. Ciao!“ Omi ließ sich in seine Koje fallen. „Mann, die hats echt drauf, mich zu erschrecken!“ Als er sich beruhigt hatte, wählte er Ayas Nummer. „Ja?“, tönte es aus der Hörmuschel. „Abyssinian?“ „Was gibt’s?“ „Äh, alles Roger?“ „Wie immer.“ „Na dann.“ „Morgen sechs Uhr abends. Weiß ich. Tschüs.“ Aya, wortkarg, wie meistens, legte auf. Einige Sekunden später hatte er das letzte Weiß-Mitglied am Hörer. „Mann, gibt’s hier keine willigen Frauen? Mir ist langweilig!“ Omi zwang sich, ruhig zu bleiben. „Pass bloß auf, dass du nicht auffällig wirst! Sonst bist du raus! Ein wenig Enthaltsamkeit wird dir nicht schaden!“ Schweigen am anderen Ende der Leitung. „…Balinese?“, fragte Omi. Plötzlich schallte es ihm entgegen: „Wow! Ist die geil! Die muss ich jetzt ansprechen! Entschuldige mich Bombay! Hey, schöne Frau wie heißen….“ Der jüngste der Truppe legte auf. „Dieser notgeile Sack!“ Einige Meter weiter den Gang hinunter öffnete sich die Tür mit der goldenen 35. Aya trat heraus, gekleidet mit einem schwarzen Anzug und Brille. Er ging auf Deck. Sein Blick schweifte runter zum Kai, wo im selben Augenblick die Tür einer weißen Limousine geöffnet wurde. Ein schmalgesichtiger, fahlhäutiger Japaner zog sich heraus. Er war ungewöhnlich schlitzäugig und ziemlich schlaksig. Ihn begleiteten vier junge Frauen, je zwei an jeder Seite. Es war nicht zu übersehen, dass er zum Takatori- Syndikat gehörte. Aya spürte den Zorn in sich aufsteigen. Aus den Augenwinkeln sah er eine Gestalt zu Reling gehen. Dilara blickte ebenfalls mit gefrorenen Gesichtszügen nach unten. „Das ist also der Kerl, mit dem mein Bruder Geschäfte gemacht hat. Es wird mir das größte Vergnügen sein, ihn zu töten!“ Der Wind zerzauste ihr rabenschwarzes Haar. Masafumi ging an Bord. Erst jetzt bemerkte sie Aya. Er nickte ihr zu, bevor Dilara das Deck wieder verließ. „Masafumi. Du Ausgeburt der Machtgier, mit deinem Tod reiße ich Takatori sein linkes Auge heraus. Genieße deine letzten Stunden, denn übermorgen fährst du zur Hölle!“ Abyssinian ballte die Fäuste in seinen Hosentaschen. Das grelle Hupen des Nebelhorns riss ihn jäh aus den Rachegedanken. Ken war zur selben Zeit auf dem Weg zum großen Saal. Auch er hatte sich ein wenig „umgestylt“. Statt der üblichen sportlichen Kluft, schlenderte Ken in schwarzer Hose und weißem Hemd zur Startnummernvergabe. Nur die Krawatte hatte ihn so gestört, das sie nun offen, links und rechts über seine Schultern fiel. „Verdammt! Wieso gerade jetzt? Meine Haare wollen einfach nicht sitzen!“ Eine große, schlanke, blond gelockte Frau mit starkem Make-up stöckelte ihm entgegen. „Was glotzt du so? Noch nie ein Topmodel gesehen?“, zickte sie Ken im Vorübergehen an. „Äh, nein. Wer sind sie?“, fragte das Weißmitglied mit dämlichen Grinsen. „Was?!“ Die Frau wirbelte herum. „Man nennt mich Schön! Meinen richtigen Namen haben die meisten schon vergessen. Er ist ja auch zu durchschnittlich. Karen Kitamura, schrecklich, nicht? Aber was unterhalte ich mich überhaupt mit dir? Typen mit weniger als zehn Mille auf dem Konto sind mir die Luft zum Reden nicht wert!“ Schön ließ den verdutzten Ken ohne ein weiteres Wort stehen. Als sie um die nächste Ecke verschwunden war, traf es ihn wie ein Blitz. „Scheiße! Die war ein Mitglied von Schreient!“ Panik war jetzt nicht angebracht. Ken beschloss, seinen Rundgang fortzusetzen. Zwei Etagen unter ihm stellte Yoji der Frau nach, die er beim Telefonat mit Omi gesehen hatte. „Meine Dame! Hallo! Warten Sie doch!“ „Sie verfolgen mich jetzt schon seit zehn Minuten. Ich hatte Ihnen schon mal gesagt, dass ich keine Gesellschaft wünsche!“ Sie würdigte ihn keines Blickes. „Manche Kerle kapieren es einfach nicht!“ Yoji erstarrte: „Diese Stimme, nein, das kann nicht sein. Er wirbelte herum. Eine Frau mit blauschwarzem, kinnlangen Haar hatte ihn angesprochen. Die riesige Sonnenbrille verdeckte fast ihr ganzes Gesicht, doch obwohl Balinese ihre Augen nur erahnen konnte, wusste er, wer vor ihm stand. „A...Asuka! Du lebst?!“ Yoji ging auf sie zu. „Bleib mir vom Leib! Ich weiß nicht, wer diese Asuka sein soll, aber du machst den größten Fehler deines Lebens, wenn du mich anfasst!“ Sie drängte sich an ihm vorbei. Im Normalfall hätte Yoji auf diese Abfuhr sicher eine passende Antwort gehabt, aber der Schock saß einfach zu tief. „Es gibt keinen Zweifel, das ist Asuka, sie ist beim Feind!“ Von alldem ahnte Aika nichts. Sie war seit Stunden in ein Buch vertieft und nahm nur am Rand Notiz davon, dass das Schiff sich bereits mitten auf See befand. Nach einer Weile legte Angel die Lektüre zur Seite. Ihre Gedanken schweiften um andere Dinge. Hatten die Schreient-Mitglieder ebenso außergewöhnliche Fähigkeiten wie die Schwarz-Männer? Was genau bezweckte Persha mit den Mordaufträgen? Welche Verbindung hatten all diese Dinge mit dem Tag, als ihre Eltern getötet wurden? Aika drehte sich zur Seite. „Ich sitze hier fest, während alle anderen herumschnüffeln dürfen. Das hab ich mir selber eingebrockt… Wäre ich doch stärker gewesen, als mich Schwarz entführen wollte. Dann wüsste jetzt nicht die gesamte Tokioer Unterwelt, dass eines der Angel Hunter Mitglieder blond ist. Vielleicht kennen sie bereits mein Gesicht, ach ich mag gar nicht darüber nachdenken!“ In diesem Moment hämmerte jemand gegen ihre Kabine. Augenblicklich war Angel hellwach und mit ihrem Tanto bewaffnet. Sie schlich sich an die Tür. Mit einem Ruck riss Aika diese auf und beinahe hätte sie Yoji mit ihrem Doch erstochen. „Mein Gott, was ist mit dir? Hey!“ Seine ausdruckslosen Augen erschraken Angel. Sie zog ihn in ihr Zimmer. Yoji ließ sich aufs Bett fallen. Sie setzte sich neben ihn. „Was ist passiert?“ „Asuka, sie lebt. Sie hat die Schießerei überlebt. Ich habe immer geglaubt, sie sei tot!“ Er starrte auf den Boden. „Sie ist hier auf dem Schiff?!“ Aika packte ihn an den Schultern. „Neu“, japste Yoji. Er bemühte sich, einen Satz herauszubringen, doch Angel nahm ihn ohne ein weiteres Wort in den Arm. Auch Yoji hatte eine schwache Seite, das wusste sie zwar schon länger, aber endlich kam er nicht mehr herum, ehrlich zu sein. „Wenn du möchtest“, sagte sie nach einer Weile, „kannst du heute Nacht hier bleiben.“ „Danke, ich weiß nicht, wie ich das sonst durchstehen soll!“ Yoji legte seinen Kopf auf Aikas Schulter. Ken war inzwischen in ein aufgeregtes Gespräch mit Dilara verwickelt. „Was hat diese Tussi zu dir gesagt?! Der werde ich gleich zeigen, was bei ihr noch alles schief sitzt!“ Mit geballten Fäusten stapfte das wütende Mädchen in Richtung Tür. „Halt, halt, halt! Sie gehört zu Takatoris Leibgarde!“ Ken hielt sie fest. „Das ist mir wurscht! Keine Schnepfe dieser Welt, und wenn sie Heidi Klum hieße, bezeichnet meinen Ken als minderwertig!“ „Stopp! Es schmeichelt mir ja, dass du mich verteidigen willst, aber du gefährdest die Mission, Dilara!“ Sie hörte auf zu zappeln. „O.K. Ich verschiebe die Ohrfeige bis übermorgen.“ Ken atmete auf. „Endlich kommst du zur Vernunft. Meine kleine Wildkatze!“ Dilara grinste. „Gehen wir zur ersten Ballprobe? Die fängt in ner halben Stunde an.“ „Wie du möchtest, Schatz!“ Er lächelte erleichtert. Der erste Tag verstrich sehr schnell, da jedes Mitglied der Attentäter seinen Erkundungsaufgaben gründlich nachging. Omi machte sich viel Arbeit, Ayas Beobachtungen in Skizzen umzuwandeln. Ken und Dilara kundschafteten bei der Probe zum Ball die Logenplätze und alle Zugänge zum Saal aus. Aika zog sich für ihre Erkundung im VIP-Bereich eine Uniform des Bordpersonals über, die sie zuvor aus der Umkleide geklaut hatte. Sie übernahm damit Yojis Aufgabe. Dieser verbrachte den Rest des Tages in Aikas Kabine. Am nächsten Morgen gingen alle getrennt voneinander zum Frühstück in den Speisesaal. Beinahe hätten sich die Weiß- und Angel Hunter Mitglieder nicht erkannt. Die Kleiderauswahl und Frisuren bewirkten totale Typveränderungen. Dilara hatte sich die Haare geglättet und stolzierte mit großem Hut und Sommerkleidern herum; dass es Anfang Dezember und eiskalt war, ignorierte sie einfach. Ken, der sie begleitete, trug dasselbe Outfit wie am Tag zuvor. Omi hatte die Shorts gegen langbeinige Hosen und T-Shirts gegen Hemden getauscht. Seine Haare waren mit Gel gebändigt. Yoji musste sich, bis auf eine getönte Brille, kaum verändern, er war auch im richtigen Leben meist salonfähig. Aya spielte den Intellektuellen, mit Anzug und Brille. Die meiste Zeit zum Verkleiden benötigte jedoch Aika. Sie hatte sich mit dunkelbrauner Perücke, dunkelblauem Kostüm, grünen Kontaktlinsen und Stöckelschuhen, in eine Businesslady verwandelt. Alle nahmen so Platz an ihren Tischen, dass jeder den anderen im Blick hatte. Der Saal war von zurückhaltendem Gemurmel erfüllt, während die Gäste anfingen zu speisen. Auch die Weiß-Leute begannen mit dem Frühstück, jedoch nicht ohne die Aufmerksamkeit zu verlieren. Wie erwartet kam um Punkt halb zehn Masafumi, in Begleitung seiner Leibwächterinnen, mit theatralischem Gehabe in den Saal marschiert. Die fünf nahmen am Tisch hinter Omi Platz. „Oh Fumi Schnucki, dieses Schiff ist so langweilig! Warum müssen wir diese dämliche Fahrt überhaupt machen?“ Schön rührte, so anmutig sie es fertig brachte, in ihrem Kaffee. „Weil ich heute Abend, wenn wir ankommen, wichtige Geschäfte in Schanghai zu erledigen habe.“ Er ließ den Macker raushängen. „Masafumi-san, hast du irgendwelche Sonderwünsche, was unsere Dienste angeht?“ Die blauhaarige, muskulös aussehende Frau zu seiner rechten blickte ihn schmachtend an. „Das ist Hell, auf dem Foto sah sie anders aus, hier war sie gezwungen, ihr Haar zu einem strengen Zopf zu binden.“ Omi beobachtete die Szenerie mit einem kleinen Spiegel an seiner Uhr. Takatori nahm ihr Kinn, um ihren Kopf zu sich heranzuziehen. „Meine liebe Hell, immer korrekt. Du weißt doch, ich sage dir immer alle Extrawünsche, falls ich welche haben sollte.“ Sie schmolz dahin. „Aber sicher.“ Aika, die ebenfalls einen guten Blick auf die Yakuza hatte, schmunzelte, als sie bemerkte, wie Schön vor Eifersucht kochte. Masafumi wendete sich Neu zu. „Du wirst heute Abend hier bleiben. Wir gehen um 18 Uhr, sind so gegen 21 Uhr zurück.“ „Sicher, Masafumi-san. Sie können sich auf mich verlassen!“ Sie nickte. „Fumi-san! Tot mag nicht mit zu ernsten Geschäften! Tot will mit Neu hier bleiben!“, meldete sich das letzte Schreient-Mitglied zu Wort. Tot war die jüngste der vier. Mit ihren siebzehn Jahren redete sie aber immer noch in der Babysprache und hatte immer einen gelben Regenschirm und einen Teddy dabei. „Von mir aus. Schön und Hell reichen völlig aus, um mich zu beschützen.“ Er wedelte überheblich mit der Hand. So ging das noch eine ganze Weile, bis die Gesellschaft ihr Frühstück beendet hatte. Danach verschwanden die fünf genauso schnell wie sie gekommen waren. Omi gab seinen Mitstreitern ein Zeichen, worauf auch die Weiß-Leute sich zurückzogen. Auf dem Gang sprachen sie einige kurze Sätze miteinander. „Die scheinen nichts mit Schwarz gemeinsam zu haben“, meinte Ken. „Nein, du hast Recht. Schreient wirkt geradezu harmlos“, stimmte Dilara zu. Aika blieb stehen. „Ihr unterschätzt die Weiber gewaltig. Diese Hell ist sicher eine würdige Gegnerin, die gehört mir, damit das klar ist!“ „Und ich nehm die dumme Pute von Modepüppchen!“ In Dilaras Augen loderte es. Yoji hingegen schwieg. „Was ist eigentlich mit dir los?“ Omi stieß ihm mit dem Ellenbogen an. „Nichts“, log er. Aya knurrte etwas von „Takatori muss sterben“ vor sich hin. „Der Meinung bin ich auch“ sagte Angel. Sie hielten sich kurz an der Hand. Bei der nächsten Abzweigung trennten sich die Wege der sechs. Eine Durchsage hallte durch das gesamte Schiff: „Sehr geehrte Fahrgäste, wir möchten Sie darauf hinweisen, dass heute Nachmittag um 16 Uhr der Tanzwettbewerb in unserem großen Saal stattfindet. Wir freuen uns über Ihren Besuch!“ Dilara freute sich. „Cool, dann kann ich endlich mein Ballkleid anziehen!“ Ken lächelte sie an. „Du wirst sicher umwerfend aussehen!“ „Darauf kannst du wetten!“ Yoji beschloss derweil ganz andere Dinge. Er wollte Neu nachspionieren. Allerdings erst nachdem Takatori Junior vom Schiff war. „Vielleicht hat sie nur ihr Gedächtnis verloren. Ich muss sie zurück gewinnen!“ Yoji blickte vom Deck aus über die See. Aika machte sich unten in ihrem Quartier genau darüber Gedanken. Ihr Instinkt sagte, dass Yoji mit Neus richtiger Identität nicht klar kommen würde. „Hoffentlich macht er keinen Mist. Ich mag nicht wissen, was die Kritiker mit Asuka machen würden. Wahrscheinlich müssten wir sie töten, egal was sie schwören würde, oder welche Informationen sie versprechen könnte. Scheiße, wie ich diese Situationen hasse!“ Aika vergrub sich in ihrem Kissen. Stunden später standen Dilara und Ken bei den Tanzpaaren, die alle gespannt auf ihren Auftritt warteten. Jedes Pärchen musste einen langsamen Walzer, danach Tango und Quickstepp vorführen. Danach entschied die Jury, wer in die Endrunde kam. Die letzten sechs Paare traten mit einem Samba gegeneinander an. Aya, Omi und Aika hatten sich im hinteren, abgedunkelten Teil des Saals an einem Tisch zusammengefunden. „Bin ja gespannt wie die sich machen“ Omi nippte an seinem Cocktail. „Äh, Bombay? Warum hast du uns herbestellt? Wir wollten uns doch erst später treffen“, wollte Aika wissen. „Merkst du was?“, sagte er knapp. „Ja, der Playboy fehlt“, raunzte Aya. „Stimmt, er meinte, es ginge ihm nicht gut. Deshalb wollte er sich aufs Ohr hauen.“ „Na und“, Aika zuckte mit den Schultern. Omi wurde deutlicher. „Das ist nicht der Punkt, Angel. Balinese war schon beim Frühstück nicht er selbst. Weiß irgendwer von euch, weshalb der Kerl so mies drauf ist? Ich will ne ehrliche Antwort.“ Aya sah ihn an. „Keinen blassen Schimmer. Hab mich schon gewundert, dass er sich die Tänzerinnen entgehen lässt.“ Omi wandt sich Aika zu. „Sehe ich so aus, als wüsste ich, was Balinese hat? Vielleicht ist er nur seekrank. Mach dir mal nicht unnötig Sorgen“, wich sie ihm systematisch aus. „Wie ihr meint.“ Das jüngste Weißmitglied lehnte sich zurück. Aya nickte zur Tanzfläche. „Es geht los!“ Die Paare betraten das Parkett. Der erste Tanz war der langsame Walzer. Dilara trug ein roséfarbenes Ballkleid, dessen Ausschnitt und Taille rote Rosen säumten. Ken begleitete sie in einem edlen, schwarzen Smoking. Arm in Arm schritten die beiden mit den 14 anderen Paaren in die Mitte des Saals. Als die drei anderen sie beobachteten, fiel ihnen auf, dass Masafumi mit drei der vier Bodyguards in der ersten Reihe Platz nahm. „Leute, ich hab ganz vergessen, dass ich noch einen Bericht für Persha schreiben muss. Ihr wisst schon, wegen meinem Aufenthalt bei Schwarz. Ihr entschuldigt mich dann?“ Aika drängte sich an Aya vorbei. „Ich dachte immer, die wollen so wenige Lebenszeichen wie möglich von uns. Warum verlangt der Boss plötzlich Papierkram?“, kommentierte Omi den eiligen Aufbruch des Angel Hunter Mitglieds. „Weiß nicht. Sagt mir Bescheid, wie weit die beiden gekommen sind! Bis dann“ Sie verschwand in der Menge. „Verdammt! Ich wusste es! Warum muss ich in solchen Dingen immer Recht behalten. Yoji, wehe du bist nicht in deiner Kajüte!“ Aika eilte zum obersten Stockwerk, in dem sich seine Unterkunft befand. Als nach mehrmaligem Klopfen niemand antwortete oder öffnete, beschloss sie, den Schaden zu begrenzen und machte sich umgehend auf die Suche nach dem ehemaligen Privatdetektiv. Der befand sich in einem ganz anderen Teil des Schiffes. Masafumi war vor einigen Minuten mit Hell, Tot und Schön in den Ballsaal verschwunden. Asuka hatte darauf bestanden, in der Kabine ihres Chefs zu bleiben, um einige Pläne überprüfen, da ihr der Tanzwettbewerb nicht zusagte. Yoji witterte seine Chance, sie anzusprechen. Er nahm allen Mut zusammen und klopfte. Die Tür schwang zu seinem Erstaunen auf. „Ja? Du schon wieder! Verschwinde!“ „Asuka! Bitte hör mir zu! Du musst dich doch an mich erinnern! Ich dachte, du wärst in jener Nacht gestorben!“ Yoji packte sie an den Schultern. Neu schmetterte ihn gegen die Wand. „Ich sagte, fass mich nicht an! Ich kenne deine Asuka nicht!“ „Dann sag mir, ob du dich an die Zeit vor drei Jahren erinnern kannst! Was hast du gemacht, bevor du Masafumis Leibwächterin wurdest!? Sag es mir!“, schrie er sie verzweifelt an. Neu schwieg. „Das ist der Beweis“, keuchte Yoji. Doch plötzlich griff sie zu einer Pistole auf dem Schreibtisch. Balinese rettete sich mit dem Draht aus seiner Uhr, der sich um Neu’s Handgelenk schlang und sie zwang die Waffe fallen zu lassen. „Du verdammter…! Sie stürmte auf ihn zu. Mit erschreckender Genauigkeit hagelten ihre Schläge auf Yoji nieder. Irgendwie fand seine Faust aber den Weg an ihre Schläfe. Neu sank zu Boden. Dilara und Ken schlugen sich derweil blendend im Walzertanzen. Bis jetzt hatte keiner von ihnen einen Schrittfehler gemacht. Omi und Aya machten sich beide im Stillen Gedanken, was es mit Aikas schnellem Aufbruch auf sich haben könnte. Die ganze Sache war irgendwie nicht im Bereich des normalen. Angel hastete durch das halbe Schiff, um zu ihrer Kajüte zu kommen. Für den VIP-Bereich brauchte sie die Uniform. Im Geiste übte sie bereits die Standpauke für Yoji. In Masafumis Zimmer kam Neu wieder zu sich. „Entschuldige die drastischen Mittel“, sagte Yoji. „Erzähl mir von dieser Asuka. Ich will wissen, weshalb du mich belästigst.“ „Du willst es wirklich hören?“ Er war verblüfft. „Wir waren bei einem Auftrag…“ Yoji fing an zu erzählen. „Und nun kommen wir zum Tango! Meine Damen, Verwandlung bitte!“, animierte der Kommentator. Dilara öffnete eine Öse an der Taille und der wallende Rock fiel zu Boden. Darunter kam ein knappes Kleidchen zum Vorschein. Der Rosensaum blieb unverändert. Die anderen Frauen hatten sich ebenfalls des langen Rockes entledigt. Schon tönte der 2/4 Takt des Tangos durch den Saal. „Mit Angel stimmte was nicht“, fing Aya an. „Ich wollte gerade dasselbe sagen“, erwiderte Omi. „Also spinne ich nicht. Gut, was machen wir jetzt?“, meinte sein Gegenüber. „Uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen sie suchen. Beeilen wir uns!“ Omi stand auf. Die beiden verschwanden klammheimlich. Als sie gerade um die Ecke eilten, rauschte Aika ihnen entgegen. „Was zum!“, schnaufte sie. „Keine Ahnung, die gleiche Frage könnte ich dir stellen. Wieso dieser Aufzug? Wolltest du in die VIP-Lounge?“, wollte Omi wissen. „Jein“, sagte sie knapp. „Warum das denn?“ „Das kann ich euch nicht erklären, jedenfalls nicht zwischen Tür und Angel“, antwortete Aika. „Dann gehen wir in deine Kabine. Ich will wissen, warum hier nicht mit offenen Karten gespielt wird!“ Aya reagierte leicht angesäuert, kein Wunder, nach all dem, was in den letzten Wochen vorgefallen war. „Also, ich warte. Was ist hier los?“ Omi setzte sich auf Aikas Bett. „Asuka. Scheinbar ist sie wieder aufgetaucht. Yoji war gestern bei mir, er wusste nicht, was er tun sollte.“ Sie zog die Uniform aus. Aya legte die Hand unter sein Kinn. „Wir wollen die ganze Wahrheit. Ihr beide würdet nicht so ein Theater inszenieren, wenn diese Asuka einfach nur wieder aufgetaucht wäre.“ Aika warf sich ein T-Shirt über. „Keine Sorge, ich war auch noch nicht fertig mit der Geschichte. Neu ist nach Yojis Aussage Asuka. Schlimmer hätte die Sache nicht laufen können. Jetzt schwebt nicht nur er in Lebensgefahr. Ich bin mir fast sicher, dass Masafumi was von unserem Angriff ahnt. Hoffentlich hält Yoji wenigstens die Klappe.“ Omi starrte sie an. „Was?! Willst du damit sagen, dass der Idiot sich mit Neu trifft?“ „Ich weiß es nicht! Es ist nur so eine Ahnung! Da er weder in seinem Zimmer, noch an Deck oder irgendwo im frei zugänglichen Bereich aufzufinden war, gehe ich jedoch stark davon aus!“ „Mist, dann ist es zu spät! Wir müssen abwarten, bis er sich wieder in seine Kajüte bemüht, sonst fliegt unsere Tarnung zu früh auf! Mann, wenn ich den erwische!“ Aya ballte die Fäuste. „Beruhige dich! Wir dürfen uns jetzt nicht zu Kurzschlussreaktionen hinreißen lassen!“, herrschte Aika ihn an, „ihr beide verkrümelt euch wieder in den Ballsaal und drückt gefälligst Ken und Dilara die Daumen. Ich bleibe hier.“ „Und ich soll diese Asuka sein? Wie hast du mich gefunden?“ Neu blickte ihn unschuldig an. „Äh, eigentlich gar nicht. Es war purer Zufall, dass ich dich hier gesehen habe.“ Yoji fasste sich an den Kopf. „So. Was genau hast du in Shanghai vor? Bist du immer noch Detektiv?“, fragte sie interessiert. „So in der Art. Ich arbeite jetzt als Angestellter bei einem Staatsanwalt, tja und für den bin ich gerade unterwegs. Mehr darf ich nicht sagen.“ „Ich verstehe. Nimm es mir nicht übel, aber ich muss die ganze Geschichte erst mal verdauen. Entschuldige mich.“ Neu stand auf. „Sicher. Ich lasse dich allein. Wir sehen uns, ja?“ Yoji hob die Hand zum Abschied. „Klar“, nickte das Schreient-Mitglied. „Früher als du denkst.“ Im Ballsaal war inzwischen die Entscheidung gefallen, welche Tanzpaare im Finale gegeneinander antreten würden. „Kommen wir zu den Finalisten! Bitte die Paare mit den Nummern 1, 3, 5, 6, 11 und 13 auf die Tanzfläche! Geben Sie noch mal alles Ladys and Gentleman!“ Dilara und Ken, mit der Startnummer 11 betraten abermals das Parkett. Für den Samba hatte Rose sich ihr Finalkleid angezogen. Über und über mit pinkfarbenen Pailletten bestickt strahlte es im Scheinwerferlicht. Auf der rechten Seite verlängerten rosa Federn den Saum, während links ein Schlitz das Kleid noch knapper machte als es eh schon war. Ken versteckte seine Eifersucht hinter einem breiten Lächeln; ihm war es gar nicht recht, dass Dilara dermaßen sexy rum lief. Omi beobachtete unauffällig Takatori, der sich scheinbar prächtig amüsierte. Aya war in Gedanken bei jemand ganz anderem. Er machte sich Sorgen, ob Aika ihr Versprechen hielt und in ihrer Koje blieb. Zu recht, wie sich herausstellen sollte. Aika hatte sich tatsächlich in den VIP-Bereich geschlichen. Unglücklicherweise rannte Yoji sie fast um, als er aus Neus Zimmer kam. „Entschuldige bitte“, keuchte er und hastete davon. „Scheiße“, durchzuckte es Aika, „er hat mich geduzt!“ Um ihre Tarnung aufrecht zu erhalten, marschierte sie weiter. Einige Minuten später trafen sich die beiden in Yoji’s Suite. „Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?! Verdammt, Balinese! Das kann ziemlich ins Auge gehen! Was ist, wenn sie jetzt weiß, dass du nicht allein hier bist? Und was ist mit der Anwaltssache? Die fliegt spätestens dann auf, wenn wir anlegen und du nicht von Bord gehst!“, schrie Aika ihn an. „Aber…“, protestierte Yoji. „Komm mir nicht mit „aber“! Hier steht nicht nur dein Arsch auf dem Spiel! Wir alle haben viel auf uns genommen, um an diesen Punkt zu kommen! Versau es nicht! Auch wenn es stimmt, dass Neu Asuka ist, musst du endlich einsehen, dass sie nichts mehr von ihrem alten Ich in sich hat!“ Yojis Augen füllten sich mit Tränen. Im Grunde seines Herzens wusste er, dass sie Recht hatte, trotzdem widerstrebte es ihm, aufzugeben. Als Yoji nichts erwiderte, bremste sich Aika. „Balinese?“ Sie beugte sich zu ihm. „Sieh mich an!“ Seine Augen waren trüb und ausdruckslos. Angels Blick fiel auf Yojis Tätowierung. Auf einem Petruskreuz mit Flügeln bildeten Nägel das Wort „Sin“ und darunter stand: „When you gonna lern?“ „Maya“, durchzuckte es Aika, das hier war dieselbe Situation. „Weiß. Der Name allein ist schon ein Witz. In unserem Fall steht es nicht für Reinheit, von Unschuld gar nicht zu sprechen. Wir sind eher wie Schnee, weiß und eiskalt“, merkte sie zynisch an, bevor Angel den Raum verließ. Dilara und Ken tanzten mit einer solchen Leidenschaft, dass Omi mal wieder die Röte ins Gesicht stieg. Deshalb bemerkte dieser auch nicht, als sich Aya wegschlich. Kaum aus dem Saal lockerte er seine Fliege und beschleunigte seine Schritte. Sein Herz klopfte bis zum Hals. „War Aika in ihrem Zimmer?“ Er fetzte um eine Ecke und einen Augenblick später fand Aya sich auf dem Boden wieder. „Verdammt! Du Trampel!“, keifte Schön, die scheinbar gerade von der Toilette gekommen war. Nach einem prüfenden Blick kroch sie auf Aya zu. „Oh, da haben wir ja nen ganz Hübschen. Wie wärs, willst du, dass ich dir das größte Geschenk mache, das du je bekommen hast? Meinen Körper?“ Geschockt drückte Aya sich an die Wand. Schöns gespitzte Lippen kamen unaufhaltsam näher. Abyssinian hatte schon die Augen zusammen gekniffen, um es wenigstens nicht mit ansehen zu müssen, als ein dumpfer Aufprall durch die Gänge hallte. „Du aufgetakelte Stadtmatratze! Finger weg von meinem Flirt!“ Aika stand mit einem Fuß auf Schöns blondiertem Kopf, der offensichtlich ungebremst auf dem Boden eingeschlagen hatte. „Gne ofort unter!“, keuchte das Schreient-Mitglied mangels Sauerstoff. „Häh? Wie bitte?“ Aika zuckte mit den Schultern. Aya stand auf. „Ich glaube, sie meinte, du sollst von ihr runtergehen.“ „Ach sooo! Warum sagt sie das nicht gleich?“ Angel trat zur Seite. Schön saugte geräuschvoll Luft in ihre Lungen. Ihre Nase blutete und auf der Stirn zeichnete sich ein kreisrunder, roter Fleck ab. Bevor Aya reagieren konnte, war Aika von ihrer Widersacherin an die Wand gedrückt worden. „Ich hoffe, du weißt, mit wem du dich angelegt hast, Schlampe!“, zischte sie. „Mit der bösen Stiefmutter?“ Angels Augen funkelten herausfordernd. Schöns Gesicht verzerrte sich zu einem grauenhaften Etwas. „Du wirst diesen kleinen Zwischenfall bitter bereuen, das versprech ich dir!“ „Uhh, was habe ich zu erwarten? Einmal von dir geschminkt werden?“ „Nein, ich schätze, das muss dann jemand anderes erledigen. Obwohl, es fällt eh nicht auf, wenn ich Hackfleisch aus deiner Visage mache. Das ungeübte Auge wird keinen Unterschied bemerken!“ Mit diesen Worten zog Schön ab. „Alles in Ordnung?“ Aya half Aika auf, die zu Boden geschleudert worden war. „Abgesehen von meinem angekratzten Selbstbewusstsein? Alles noch dran. Gibt es irgendeinen Zweifel, warum die Tussi niemand haben will? Im Tanzsaal verhallten gerade die letzten Töne des Sambas. Dilara hatte alles gegeben. Sie strahlte mit ihrem Dress um die Wette. Ken hielt sie sicher über seinem Kopf in der Endpose. Was auch immer jetzt kam, das Paar brauchte sich nicht hinter den anderen Finalisten zu verstecken. Sie schauten zu den Preisrichtern, die angeregt diskutierten. „Ist das normal?“, wollte Dilara wissen. „Keine Ahnung.“ Ken drückte ihre Hand. Jetzt stolperte der Sprecher nach vorn: „Meine Damen und Herren! Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass es ein Stechen gibt! Die Paare 3 und 11 sind punktgleich im Rennen um den ersten Platz! Um den Sieger zu ermitteln, werden diese beiden Kontrahenten nochmals im Tango gegeneinander antreten! Applaus für Sayuri und Jun mit der Startnummer 3!“ Das in hellblau gekleidete Paar trippelte wieder in die Mitte der Tanzfläche! „Drücken sie auch unserer Nummer 11 die Daumen! Tomoko und Akira!“ Unter großem Jubel tänzelte Dilara zu dem anderen Paar, Ken hinterher schleifend, der noch nicht ganz kapiert hatte, dass sie um den Pokal tanzten. Der Song „Objection Tango“ von Shakira wurde eingespielt, ein Song, bei dem sich Dilara des Öfteren vorgestellt hatte, mit einem knackigen Kerl zu tanzen. Zu ihrer Verzückung riss sich Ken das Hemd auf. Sie drehte sich in seine Arme, stieß ihn zurück, spielte die Unnahbare, nur um ihn Sekunden später wieder zu verführen. Das war der Reiz am Tango. Die Geschichten, die man mit seiner Bewegung erzählen konnte. Die Leidenschaft, die ihrer Meinung nach dem Walzer fehlte. Dilara spielte ihre Rolle so gut, dass Ken am liebsten sofort alle Keuschheit über Bord geworfen und sie auf der Tanzfläche flachgelegt hätte. Er genoss ihre Nähe, den Geruch ihres Parfüms von Jean Paul Gaultier. Die letzten Takte des Songs nutzten sie, um wieder in die Mitte der Tanzfläche zu wirbeln. Dilara schwang ihr Bein um Kens Hüfte und zog seinen Kopf zu sich heran. Da überkam es ihn. Das Publikum johlte, als Ken seine Dilara küsste. Natürlich musste der Kommentator seinen Senf dazugeben: „Wow! Das nenne ich Leidenschaft, meine Damen und Herren! Aber hat das gereicht? Geben sie bitte jetzt ihre Stimme ab! In einer Viertelstunde wissen wir, wer unser Sieger ist!“ Dilara und Ken verbeugten sich, bevor sie mit den anderen Paaren zu den Sitzplätzen gingen. Omi war ein wenig nervös geworden, als er bemerkt hatte, dass Aya verschwunden war. Nun da dieser sich wieder neben ihn setzte, fiel ihm ein Stein vom Herzen. „Sag mal, wo warst du?“ „Toilette.“ Aya war, wie meistens, kurz angebunden. Bombay fragte nicht weiter nach, sondern nickte zu ihren Freunden auf der anderen Seite des Parketts: „Unser Pärchen wartet darauf, ob es gewonnen hat. Hatten gerade ein Duell um den ersten Platz!“ „Das nennt man wohl unauffällig“, meinte Aya trocken wie ein Beutel Wüstensand. Omi grinste verlegen. Dilara und Ken saßen zufällig direkt vor Takatori Junior und seinen Bodyguards. Beinahe wären sie aufgesprungen, als Tots Kopf zwischen ihnen auftauchte. „Ihr Tot gefallen habt! Wirklich! Ich bis heute niemanden gesehen hab, der Hüfte so bewegen kann!“ Sie grinste Dilara an. „Tot gefallen die Farbe von deinem Kleid!“ Das kindische Mädchen wandte sich um. „Fumi-san! Tot doch mitgehen, aber nur shoppen! Auch haben wollen so ein hübsches Kleid!“ Er seufzte: „Aber sicher doch!“ „Masafumi–san, bist du auch so heißblütig wie die beiden?“ Scheinbar wollte Hell die Abwesenheit Schöns nutzen, um ihren Chef für sich zu gewinnen. „Ich bevorzuge andere Orte, um meine Leidenschaft auszuleben.“ die Doppeldeutigkeit war nicht zu überhören. „Die würde ich zu gern mal sehen“, baggerte sie ihn an. Doch die Stimmung wurde von Schön zerstört, die just in diesem Moment zwischen Hell und Takatori Platz nahm. „Was ist denn mit dir passiert?“ Ihre Partnerin glotzte auf die wunde Stelle auf ihrer Stirn. „Mein Gesicht ist ruiniert! Selbst mein engelsgleiches Lächeln und meine tolle Figur können diesen peinlichen Fleck nicht wettmachen! Ich bin so hässlich!“, heulte Schön. „Das ist nichts Neues. Ich meinte, woher kommt der Fleck?“ Hell nippte an ihrem Drink. „Dieses Flittchen! Ich wollte mir gerade den Typen vornehmen, der mich umgerannt hatte, da trampelte diese Schlampe mir auf den Kopf!“ Zornig zerknüllte sie das blutige Taschentuch. Hell lachte. „Sag mal, bist du vor dem Typen gekrochen oder wie erklärst du dir, dass du Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hast?“ Schön schäumte vor Wut. „Pass nur auf, dass du nicht Bekanntschaft mit den Haien machst!“ „Wie das böse, böse Mädchen denn aussieht?“, mischte sich Tot ein. „Dunkelbraunes, glattes Haar, unverschämt grüne Augen, vielleicht 1 Meter 70 groß.“ Schön tupfte sich mit einem frischen Papiertaschentuch die Tränen ab. „Abgespeichert! Tot sie finden! Und dann wir sie fertig machen, Schön-chan!“ Ken sah Dilara an. „Denkst du, was ich denke?“ Sie nickte. Die Methoden der Frau sprachen für sich. Die Ansage des Sprechers unterbrach das Gemurmel im Saal. „Meine Damen und Herren! Die Sieger stehen fest! Ich bitte alle Teilnehmer, noch einmal zu mir zu kommen.“ Die Paare stellten sich auf. Dilara klammerte sich an Kens Arm. Sie war schrecklich aufgeregt. „Kommen wir zu Platz drei! Applaus für Noriko und Eiri, mit der Startnummer 5! Herzlichen Glückwunsch!“ Nach dem üblichen Prozedere mit Blumen und Küsschen stieg die Spannung ins Unermessliche. „Es war eine schwere Entscheidung, aber den zweiten Rang belegen Sayuri und Jun! Kommt zu mir ihr beiden!“ Das Paar Nummer 3 erwies sich als fairer Verlierer. Sie gratulierten Dilara und Ken, die es kaum fassen konnten, dass sie gewonnen hatten. Voller Freude sprang Rose ihrem Freund an den Hals. „Na, na, na ihr zwei! Wollt ihr euch nicht erst euren Preis abholen?“, schmunzelte der Kommentator. Hand in Hand liefen sie zu ihm um den gläsernen Pokal entgegenzunehmen. Nicht weit von ihnen entfernt freuten sich auch Omi und Aya über den Sieg ihrer Freunde. „Ladys and Gentlemen, ich möchte sie darauf hinweisen, dass wir in wenigen Minuten anlegen. Alle Teilnehmer der Clubtour treffen sich in der Lounge. Die 5 Passagiere, die heute noch den Rückweg antreten, bitte ich, ihren Landgang bis um 21.30 Uhr zu beenden. Um Punkt 22 Uhr legen wir ab. Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in Schanghai.“ Aika saß vor dem Bullauge ihrer Kajüte und starrte in den bewölkten Himmel. Es sah nach Sturm aus. Sie schreckte auf, als es klopfte. „Ja?“ „Zimmerservice!“, hallte Yojis Stimme. „Kommen Sie rein!“, antwortete Aika. Wenige Augenblicke später platzte der Raum fast aus allen Nähten. „Beschwert euch ja nicht! Man musste mir ja die kleinste Kabine geben! Ich fühl mich manchmal wie ne Ratte in ner Holzkiste mit einem Luftloch!“ Angel ließ sich neben Aya aufs Bett fallen. Ken platzte mit der Frage heraus, die ihn seit Schöns Auftritt beschäftigt hatte: „Hast du dafür gesorgt, dass Schön den Boden geknutscht hat?“ „Wüsste nicht, wann“, wich Aika aus. Dilara durchbohrte sie mit ihren blauen Augen. „Sei ehrlich. Wer ist denn sonst so verrückt?“ Ihre Partnerin schaute sie wortlos an, mit der gewünschten Wirkung. „Hey, lass mich aus dem Spiel. Ich war nachweislich auf der Tanzfläche! Schließlich haben wir gewonnen!“ Aika strahlte: „Is ja cool! Ich freu mich für euch!“ „Lenk nicht ab!“, unterbrach Ken sie. „Schon gut, schon gut! Ich hab die Schnepfe platt gemacht. Würdest du das nicht machen, wenn sie sich an Ken ranschmeißt, Dilara?“ „Dann hat sie Rotschopf angebaggert?“ „Offensichtlich.“ „Ah! Du hattest vollkommen Recht, Gelbhaar! Diese miese, verkommene, grässliche Entgleisung der Schöpfung soll Dreck fressen! Erst beleidigt sie mein Schatzi und jetzt gräbt sie deinen Freund an!“ „Sie hat Siberian getroffen?“ Dilara nickte. „Ja. Dieses Miststück sagte, er sei die Luft zum Reden nicht wert! Allahallahallah!“ Omi unterbrach die beiden Frauen: „Geht’s euch noch gut? Wir wollten unauffällig bleiben!“ „Das ist jetzt eh vorbei“ Yoji brachte alle zum Schweigen. „Ich habe mit Asuka gesprochen, ich meine Neu.“ „Du hast was?!“, riefen Dilara und Ken wie aus einem Mund. Yoji blickte zu Omi und Aya: „Ihr seid nicht überrascht?“ „Angel hat uns vorhin eingeweiht, als wir sie auf dem Weg zum VIP-Bereich erwischt haben.“ Aya sah ihn mit seinen violetten Augen ernst an. „Weiß sie, dass du für Persha arbeitest, oder du nicht allein bist?“ Omi blieb sachlich. „Keine Ahnung, ob Neu meine Geschichte geglaubt hat. Ich hoffe…“ „Du glaubst tatsächlich daran, ich meine, Neus alte Identität Asuka?“ Dilara sah ihn voller Mitleid an. Yoji nickte. „Egal wer sie war, wir haben einen Auftrag Leute!“ Omi ballte die Fäuste. „Balinese, ich sage das nicht gern, aber…Wir können Neu nicht verschonen, selbst dann nicht, wenn ihre Erinnerung zurückkommt. Bitte! Ich will nicht noch einen Freund, nein einen Teil meiner Familie verlieren!“ Aika nahm ihn bei den Händen. Sie schien ausgesprochen zu haben, was alle gedacht hatten. Weiß und Angel Hunter waren zusammengewachsen. Das Geheimnis ihrer Organisation, die Trauer, die Verluste, aber auch die Freude, die gemeinsame Arbeit im Laden, das alles hatte sie zusammengeschweißt. Jeder wusste das und alle zogen es vor, ein Leben als Assasinen zu führen, als je wieder ohne Halt und einsam zu sein. „Angel hat Recht, wir brauchen dich!“ Omi legte die Hände auf Aikas. Ken grinste. „Es wäre doch stinklangweilig ohne unseren Playboy!“ „Genau! Wer würde sich dann mit Rotschopf um Gelbhaar streiten?“ Dilara legte ebenso wie Siberian die Hände auf Yojis. „Stimmt, wir haben noch ein Hühnchen wegen gestern Nacht zu rupfen!“ Aya schloss sich an. „Dann sind sich ja alle einig. Also halten wir uns an das Sprichwort: „Einer für alle und alle für einen!“ Aika blickte in die Runde. „Ja!“, riefen die Freunde. Omi rollte den Plan des Schiffs auf dem Boden aus. „Prägt euch bitte alles gut ein. Hier, die roten Punkte zeigen die Überwachungskameras, schwarze Linien die Routen der Wachen. Glücklicherweise sind es nur zwei pro Deck. So weit ich mitbekommen habe, wird Takatori um ca. 21 Uhr hier eintreffen. Außerdem hat er auf dem Oberdeck die Bar gemietet, ihr wisst schon, dieses Häuschen am Bug. Dort werden wir ihn überraschen. Die Tatsache, dass er allen Wachen befohlen hat, das Oberdeck zu räumen, macht die Sache um einiges einfacher. Um unsere Spuren zu verwischen, gehen wir jetzt getrennt von Bord. Unsere Tickets sind nur Oneway. Danach warten wir zwei Stunden, bevor wir auf die Meer zugewandte Seite des Schiffes tauchen und nach oben klettern. Ich hoffe, ihr habt eure Taucheranzüge dabei, Leute!“ Wie besprochen verließen die sechs den Kreuzer, Gerätschaften und Waffen in schwarzen Reisetaschen verpackt. Einen Kilometer entfernt ging ein Steg ein Stück ins Meer hinaus. Zu ihrem Glück war sogar ein kleines Ruderboot an ihm festgemacht. „Das ist perfekt. So können wir bis auf 200 Meter ran, sonst hört oder sieht man uns.“ Omi warf seine Tasche hinein. Dilara schauderte. „Müssen wir wirklich in dieses tiefe, dunkle, eiskalte Wasser?“ „Ja“, raunzte Aya. „Ich hab aber Angst. Außerdem bin ich nicht so gut im Schwimmen.“ Aika drückte ihr die Flossen in die Hand. „Keine Sorge, mit denen an den Füßen ist absaufen ein Ding der Unmöglichkeit!“ Dilara zitterte. „Lasst mich da drinnen bitte nicht allein!“ Ken nahm sie in den Arm. „Du schwimmst in der Mitte, Aika und Omi hinter dir, Yoji und ich neben dir und Aya schicken wir voraus, falls es hungrige Haie gibt.“ Abysians Blick in Siberians Richtung war vernichtend. „Schon gut“, lenkte er ein, „war nur ein Scherz! Ein Scherz!“ Dilara rang sich ein Grinsen ab. „Hey, Leute! Wollt ihr warten bis das Meer verdunstet ist?“ Nacheinander sprangen die Weiß-Mitglieder ins Boot. „Los Rose, ich halte dich!“ Ken streckte ihr die Arme entgegen. Sie warf ihm einen flehenden Blick zu. Aika verschränkte die Arme hinterm Kopf. „Du kannst auch hinterher schwimmen, wenn du das vorziehst.“ „Ich geh ja schon!“, jammerte ihre Partnerin. Jetzt erst löste Angel das Tau und sprang zu den anderen. Während sie in Richtung Hafen ruderten, machte sich Yoji Gedanken über den bevorstehenden Kampf, Omi ging in Gedanken den Plan durch und Aika spielte mit ihrer Katana herum. Dilara kuschelte sich an Ken, gegenüber von Aya, der mit leerem Blick vor sich hinstarrte. Die zwei Stunden zogen sich bei der winterlichen Kälte wie Kaugummi. Alle froren erbärmlich. „Mann, bin ich froh, wenn der scheiß Auftrag vorbei ist“, bibberte Angel. „Da sind wir einer Meinung.“ Dilara drückte sich noch näher an ihren Freund. „Es ist soweit.“ Omi blickte auf seine Uhr. „Haben alle ihre Klamotten in den wasserdichten Koffern verstaut? Yoji, hast du die Magnetleiter? Sind alle Waffen fest mit eurem Körper verbunden?“ Jeder prüfte nach und stimmte daraufhin zu. „Auf geht’s!“, rief Ken. Sie sprangen ins Wasser. Dilara verspürte einen leichten Anflug von Panik, merkte jedoch, dass die Flossen sie leicht über Wasser hielten. Dicht beisammen schwammen die Assassinen auf den Kreuzer zu. Aus dem Wasser betrachtet wirkte er furchteinflößend und riesig. Auf der versteckten Seite des Schiffs angekommen schoss Yoji die Magnetleiter knapp unter die Kannte der Reling. Als der magnetische Aufhänger richtig saß, löste sich die Strickleiter und fiel bis ins Wasser hinunter. Aika, die eine gute Schwimmerin war, hielt das untere Ende fest, sodass die anderen relativ problemlos nach oben kamen. Erst als Aya über der Reling war, stieg sie auf die unterste Sprosse. Yoji und Abyssinian zogen Angel mitsamt der Leiter nach oben. Es war genau viertel nach Neun, als die Tür zum Oberdeck aufging. Heraus kamen Masafumi Takatori und seine vier Leibwächterinnen, die sich in bester Feierlaune befanden. „Oh Fumi-san! Mit deiner Erfindung wirst du auf dem Rüstungsmarkt Milliarden scheffeln!“, frohlockte Hell. „Ich werde der reichste Mann der Welt sein, durch das, was ich in diesem kleinen unscheinbaren Koffer transportiere. Jahahaha, dann wird nichts mehr so sein, wie es heute ist!“ Neu öffnete die Tür für die anderen. Sie setzten sich um den Tisch in der Mitte des Raumes. „Ladys, lasst uns richtig anstoßen!“ Takatori stellte eine Flasche Wodka und fünf Gläser auf den Tisch. Aufgeschreckt durch das Entsicherungsgeräusch von Schusswaffen wirbelten sie jedoch herum, bevor ihr Besäufnis begonnen hatte. „Hi!“, trällerte Dilara und winkte. „Ich hoffe wir sind zu eurer kleinen Party eingeladen!“ Aika kam aus ihrem Versteck. Weiß tat es ihr gleich. „Ich kenne die fünf, allerdings, der“, Schön zeigte auf Angel, „bin ich noch nie begegnet. „Ach nein, Stiefmütterchen?“, frotzelte Aika. Dem Schreient-Mitglied fiel die Kinnlade runter. „Das die böse Frau ist! Ich sie jetzt kaputtmachen!“ Tot stürmte mit ihrem Schirm auf die verdutzte Angel zu. „Du willst mich mit diesem lächerlichen Schirm angrei-?“ Im letzten Moment konnte sie die Klinge abwehren, die aus dessen Spitze geschossen kam. „Fuck!“ Aika parierte die Schläge mit der Saya ihrer Katana. Dilara nahm zur gleichen Zeit Takatori aufs Korn, übersah dabei aber Schöns Peische. Ken warf sich dazwischen und wurde am Arm verletzt. „Geht’s dir gut?“ Dilara kam auf ihn zu. „Keine Zeit über so etwas nachzudenken! Greif an!“ Siberian stürzte sich auf Schön. Er wich ihren Peitschenhieben aus. Sie wehrte zwei seiner Bukuk Schläge ab, doch der dritte traf. Kreischend wich Schön zurück, die Hände aufs Gesicht gepresst. Hell lieferte sich ein Duell mit Aya. Sie schleuderte ihn mit einer Fußtrittkombo aus dem Gebäude. Kaum war er wieder auf den Beinen, stand Hell auch schon wieder vor ihm. „Na Süßer, schade, dass du auf der falschen Seite stehst, sonst wärst du meine Nummer zwei hinter Masafumi-san!“ Schön hatte sich wieder gefangen, aber ihr Gesicht war mit vier tiefen Schnitten entstellt. Ihre Mimik war unter all dem Blut kaum zu erkennen. Es glich einem Wunder, dass sie noch stand. Dilara stolperte entsetzt zurück direkt in Tots Arme. Sie bekam einige Schläge mit dem Schirm, stieß mit dem Rücken gegen die Wand und sah sich Wimpernschläge später der Spitze gegenüber. Geistesgegenwärtig drehte sie sich nach links, kurz bevor das Holz neben ihr splitterte. Rose rannte auf den Tresen zu und sprang darüber. Ihr Puls raste, das Adrenalin schien in Übermengen ausgeschüttet zu werden. „Das ist es, was Aika mit Überlebenswille gemeint hatte“, kam ihr in den Sinn, „sie hatte absolut Recht, ich will leben, um jeden Preis!“ Auf einmal schien die Moral in den Hintergrund zu treten, die Reflexe steuerten ihre Bewegungen, als Rose aus vollen Rohren feuerte. Schöns Peische hatte sich, bei einem seiner Ausweichmanöver, um Kens Hals geschlungen. „Du hast mich für immer entstellt! Jetzt werde ich dich zum Dank dafür töten!“, kreischte sie. Er würgte. „Na, gefällt dir das, du Bastard?“ Seine Finger krallten sich im Leder der Geißel fest, während Ken versuchte, sich Luft zu verschaffen. Yoji suchte vergeblich einen Weg, Abyssinian zu helfen. Er zog den Draht aus seiner Uhr. Hell durchschaute seinen Plan längst und drängte ihn mit einigen direkten Messerhieben zurück. Neu griff statt ihrer Aya an, der sich, nach einigen harten Treffern, nur mühsam wieder auf die Beine kämpfen konnte. Wortlos und mit eiskaltem Blick schlug sie ihm das Katana aus der Hand. Aika schmetterte, bei dem Versuch Ken zu retten, Tot zu Boden, während sie zu Dilara schrie: „Jeeetzt! Hilf Siberian!“ Rose zielte auf Schön, doch Takatori hielt Ken, der langsam blau anlief, seine Pistole an den Kopf. „Wenn du schießt, ist er tot.“ „Nein!“ Angel warf sich auf Masafumi. „Du blöde Gaijin!“ Er schoss auf sein neues Opfer. Sie hechtete unter Kugelhagel an Schön vorbei, wobei einer von Takatoris Schüssen von einer der stählernen Verblendungen abprallte und die vollen Wodka Flaschen auf dem Regal über Schön traf. Die Spirituosen ergossen sich über das Schreient-Mitglied. Dilara erkannte ihre Chance und schoss auf die Pfütze. Sofort fing die perplexe Schön Feuer. Überraschung spiegelte sich in ihren Augen, während die Information, dass sie lichterloh brannte, erst Sekunden später den Weg in ihr Bewusstsein fand. Tot, Hell und Masafumi ergriffen die Flucht. Unter gellenden Schreien wälzte sich Schön auf dem Boden, aber die Flammen ließen sich nicht löschen. Aika packte die geschockte Dilara an der Hand und sie stürzten mit Yoji und dem hustenden Ken nach draußen. Nur wenige Augenblicke später rannte die fürchterlich entstellte Schön über das Deck und sprang von Bord, ohne zu sehen, dass neben dem Kreuzer ein Segler ankerte. Der Mast bereitete ihrem Leben ein schnelles, grausames Ende. All das bekamen die Weiß-Leute nicht mehr mit. Yoji versuchte, trotz des Hagels von Schlägen, mit Neu zu sprechen. „Bitte hör auf! Asuka! Ich verspreche dir, dass ich alles wieder gutmachen werde!“ Er schubste sie von sich. Neu taumelte einige Schritte zurück. „Mach dich bereit zu sterben, du verweichlichter Idiot!“ Sie zog ihre Pistole. In diesem Moment tauchte Dilara hinter ihr auf, mit einem Paddel, das sie vom nächstbesten Rettungsboot hatte mitgehen lassen und zog es der Frau über den Kopf. Neu fiel bewusstlos zu Boden. Yoji lief zu ihr. „Asuka“ Er nahm sie in die Arme. Neus Sonnenbrille, die sie immer trug, um ihre Identität zu verbergen, war zerbrochen. Omi versuchte Tot aus dem Weg zu schaffen, die jetzt vergiftete Nadeln auf ihre Gegner niederprasseln ließ. Dilara, immer noch mit dem Paddel bewaffnet, schaffte es nicht mehr, auszuweichen. Drei der hauchdünnen, toxischen Geschosse bohrten sich in ihren Oberschenkel. „Allah, tut das weh!“ Mit zitternden Fingern rupfte sie die Nadeln aus dem Fleisch. Ken versuchte hinter Tot zu gelangen, um ihre großflächigen Angriffe zu unterbinden. Aber das kindische Mädchen war aufmerksamer, als er dachte. „Böser Junge! Du glauben, Tot seien blöd? Tot dich abmurksen! Das wird großen Spaß machen! Aber erst du noch um dein Leben rennen darfst! Genau wie deine Freundin! Wenn sie mit Fischen schwimmen tut, dann Tot gehen in ihr Zimmer und nehmen sich dieses Glitzerkleid! Tot bald haben will, deshalb nicht böse sein, wenn Tot sie schnell kaputt macht!“ Omi griff indessen Takatori an, der ihn jedoch mit dem geringsten Kraftaufwand abwehrte. Aya kam ihm zur Hilfe, nachdem Aika versichert hatte, sie würde allein mit Hell fertig. Er schmetterte sein Schwert auf Takatoris Kopf nieder. Dieser fing die Klinge mit den Handflächen ab und hielt sie wie in einem Schraubstock. Ein gezielter Fußtritt schleuderte Abysinian mit solcher Wucht gegen Omi, dass beide zehn Meter übers Deck rutschten. „Ha, ha, ha, ihr habt mir nichts entgegen zu setzen!“, lachte Takatori. Hell war wirklich gut mit der Klinge. Aika hatte Mühe, den Stichen auszuweichen. Ihr Katana war zu lang zum Parieren, aber für den Wechsel zum Tanto ließ ihr das Angriffstempo ihrer Gegnerin keine Zeit. „Was ist, Kleine? Bin ich zu schnell für dich?“, spöttelte Hell. „Träum weiter, so lange du noch Zeit dazu hast! Den morgigen Sonnenaufgang erlebst du nämlich nicht mehr!“ Aika tauchte unter dem Hieb weg, ließ ihr Schwert fallen und blockte den nächsten Angriff mit dem Dolch. Hells Augenbraue zuckte. „Hey, lass das! Das darf nur ich!“ Angel drängte sie zurück. Zu ihrem Erstaunen lächelte ihre Gegnerin. „Schön, sehr schön. Ich dachte schon, die Schwarz-Luschen hätten sich mit ihrer Vorwarnung geirrt!“ Angel brachte einige Meter Abstand zwischen sich und Hell. „Wovor haben sie euch denn gewarnt?“ Das Schreient-Mitglied schmunzelte. „Vor ner blonden Pussy, die so lebensmüde wäre, mich anzugreifen. Ich war schon enttäuscht, als ich auf dem Schiff keine gesehen habe.“ „Das heißt, ihr wusstet von unserem Plan?“ Der Wind ließ Aikas Haar flattern. „So ist es. Die Angestellten haben die Anweisung, sich nicht einzumischen. Alles war von Anfang an geplant, das geringe Wachpersonal, um euch nicht abzuschrecken, wenige Kameras. Wir wussten, dass ihr die Chance nutzen würdet, nur nicht, wann es soweit sein sollte.“ „Die Ungewissheit ist ja jetzt vorbei. Dann sollen wir nun unser Schicksal entscheiden.“ Angel nahm ihre Angriffsposition ein. Hell tat es ihr gleich. „Wie schade, dass du heute sterben musst. Die erste Gegnerin, die den Mumm in den Knochen und das Können hat, eine anspruchsvolle Killerin wie mich zu unterhalten. Der Rekord meines hartnäckigsten Feindes liegt bei 3 Minuten!“ „Bis das erste Blut floss?“ Aikas Klinge prallte hart auf Hells Messer. „Bis er tot war“, grinste ihre Gegnerin unheimlich, bevor sie Angel knapp verfehlte. Dilaras Bein brannte mittlerweile wie Feuer. Das Gift zeigte seine Wirkung. Zu allem Übel ging langsam ihre Munition zur Neige. Egal wie oft sie auf Tot schoss, diese wehrte jede der 9 Millimeter Kugeln ab, indem sie den Schirm aufspannte. „Verdammt, aus welchem Material ist das Teil?“, rief Rose zu dem fünf Meter entfernten Ken. „Keine… Ahnung! Bleib in… Bewegung!“, schrie er zwischen zwei Seitwärtsrollen. Das fiel Dilara jedoch zunehmend schwerer. Kalter Schweiß rann über ihre Schläfe, ein leichtes Schwindelgefühl ließ die Konturen ihrer Umwelt leicht verschwimmen. Neu war derweil wieder zu sich gekommen. Sie stand Yoji gegenüber und fasste sich an die Schläfe. „Was, was ist passiert? Wo bin ich?“ „Asuka?“ Yoji ging einen Schritt auf sie zu. „Bist du das, Yoji?“ Sie strich ihm über die Wange. „Asuka, du erinnerst dich?“ Er starrte Neu an. Sie umarmte ihn. Aika bekam die Szenerie aus den Augenwinkeln mit, ein kurzes Blitzen verriet Neus Absicht. „Balinese, pass auf!“ Ihr Ruf kam zu spät. Yoji starrte in Neus kalte Augen. Mit einer raschen Handbewegung zog sie das Messer aus seinem Rücken. Er sackte zusammen. „Dummer Narr!“ Neu wischte das blutige Messer an ihrer Hose ab. Aika stieß Hell von sich und rannte auf ihren Kameraden zu. Doch auf halber Strecke raste ein brennender Schmerz durch ihren Körper. Sie fiel zu Boden, Hells Messer im Rücken. „Herzlichen Glückwunsch, Gaijin, knapp 8 Minuten, neuer Rekord. Hätten aber mehr werden können, ohne diesen Gefühlskram!“ Sie zuckte mit den Schultern. Dilara und Ken kamen immer noch nicht gegen Tot an und zu ihrem Entsetzen kam jetzt Neu auf sie zu. Omi wurde gerade zum zwölften Mal gegen die Wand der Bar geschmettert und sank benommen zusammen. Aya kam zu keinem weiteren Angriff, da plötzlich Hell hinter ihm stand. Ein erster Blitz durchzuckte die Nacht und beleuchtete die leblosen Körper von Yoji und Aika. Aya rannte mit vor Wut glühenden Augen auf die Messerkämpferin zu. „Stiirb!“ Sie wehrte seinen Angriff ab. „Sei nicht dumm, Süßer. Ein Racheschwert tötet meistens seinen eigenen Herrn!“ Hell strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. In diesem Augenblick durchzuckte ein weiterer Blitz den Himmel und sie blickte in Abyssinians Augen, die in diesem Licht hellblau leuchteten. Der Wind zerzauste sein rotes Haar. Dann kehrte die Dunkelheit zurück. Er stürmte wie ein Dämon auf Hell zu, die nur überheblich grinste, während sie in Abwehrstellung ging. Als Ayas Hieb jedoch auf die Schneide ihres Messers traf, splitterte dessen Klinge in vier Teile. Hell kam gerade noch dazu, überrascht das zu betrachten, was von ihrem Messer übrig geblieben war, als der kalte Stahl der Katana ihr Herz durchdrang. Indessen war Omi wieder auf die Beine gekommen. Er stand hinter Tot, die gerade nach Ken schlug. Dilara war bereits vor einigen Minuten die Munition ausgegangen, mit dem Messer kam sie jedoch nicht nah genug an ihre Widersacherin heran, geschweige denn, dass sie, durch das Gift geschwächt, rechzeitig ausweichen hätte können. Omi zog seine Darts aus dem Gürtel, holte Schwung und schleuderte sie auf Tot, die ihn nicht bemerkt hatte. Sie wurde durch den Angriff nicht getötet, allerdings nutzte Ken die Chance, die Halsschlagader zu attackieren. Das Schreient-Mitglied ging zu Boden. Trotz Tots Bemühungen die Wunde zuzuhalten lief das Blut in Strömen an ihrem Körper nach unten. „Tot nicht sterben wollen. Sie doch Nagi heiraten unter Kirschblüten!“ Omi, Ken und Dilara starrten sie an. Tot schluchzte auf: „Er Recht hatte, Tot hätte zuhause bleiben sollen. Dann Sie glücklich geworden wäre!“ Sie fiel auf die Knie. Der Schirm rollte über das Deck und im selben Moment, da er ins Wasser platschte, tat Tot ihren letzten Atemzug. Dilara spürte ein Kratzen im Hals. Sekunden später hing sie über der Reling und übergab sich. Ken lief zu ihr. „Rose, was ist mit dir?“ Ihr Bein war mit roten Striemen durchzogen. „Verdammt! Du hast vorhin Giftnadeln abbekommen! Warum hast du nichts gesagt?!“ Er schüttelte sie. Der Wind frischte auf und das Nebelhorn erklang. Der Kreuzer legte ab. Neu und Masafumi Takatori standen nun einer Überzahl an Feinden gegenüber. „Ihr sitzt in der Falle!“, rief Ken. „Nicht ganz! Als dieser Trottel mich heute belästigte, ahnte ich bereits, dass wir ein Attentat zu erwarten hatten. Deshalb habe ich Verstärkung angefordert. Sie müssten gleich hier sein.“ Neu machte sich angriffsbereit. „Ich glaube, es ist Zeit, meine Geheimwaffe zu testen!“ Takatori öffnete seinen Koffer und holte eine Art Pille heraus, die er schluckte. Die verbliebenen Weiß-Mitglieder starrten entsetzt in seine Richtung. Erst passierte gar nichts, bis Augenblicke später sein Körper von Krämpfen geschüttelt wurde und sich die Struktur seiner Muskeln seltsam zu verformen begann. Neu lächelte überlegen. Als hätten sie sich abgesprochen, stürzten die Weiß Mitglieder auf den mutierenden Takatori zu. Ehe sie ihn erreichten, wurden alle von einer unsichtbaren Macht zu Boden geworfen und an die Wand der Bar gedrückt. „Was für eine Kraft!“ Neu staunte nicht schlecht. Masafumi sprach mit blecherner Stimme: „Töte sie! Keiner von ihnen wird sich wehren können!“ Aya, Ken und Omi kämpften mit aller Macht gegen Takatoris Telekinese an. Das Gift in Dilaras Körper hatte sie schon so geschwächt, dass sie kaum noch Kraft zu kämpfen hatte. Neu stellte sich vor die vier. „Wer von euch möchte zuerst sterben? Du, Kleiner? Oder fang ich mit dir an, Mädchen? Nein, bei dir ist es nur eine Frage der Zeit. Hm, ich denke, du hast die Ehre, als Erster von uns zu gehen.“ Sie ging auf Ken zu. „Bitte nicht!“, flüsterte Dilara. Plötzlich blieb Neu mitten in der Bewegung stehen. „Was ist das?“ Dünne Fäden lagen um ihren Hals und um ihren Körper. Yoji hatte sie gespannt. „Asuka, es tut mir Leid! Bitte vergib mir!“ Neu ahnte, dass ihre Zeit gekommen war. „Masafumi-san, ich liebe dich!“ Ihr verzweifelter Ruf hallte über die See. Im selben Augenblick riss Yoji mit tränenüberströmtem Gesicht den Draht zu sich. Zwei dumpfe Aufschläge, als Neus Kopf von den Schultern fiel und neben ihrem Körper auf dem Deck landete. Yoji stürzte entkräftet zu Boden. Der Regen prasselte in Strömen vom Himmel und vermengte sich mit dem Blut der Getöteten. Takatori schleuderte Yojis Körper zu den anderen. „Ihr habt meine geliebten Frauen auf dem Gewissen! Jetzt ist endgültig Schluss mit unserem kleinen Spiel! Macht euch bereit, zu sterben!“ Aus seinen Fingern wuchsen Klauen, lang wie Dolche und scharf wie Rasierklingen. Er rannte auf die Weiß-Leute zu. Scheinbar hielt ihn die Bewegung davon ab, seine telekinetischen Fähigkeiten einzusetzen, sodass sich alle gerade noch ducken konnten, bevor die Wand über ihren Köpfen unter lautem Krachen zerbarst. Hilflos flohen sie in alle Richtungen, nur um festzustellen, das es kein Entkommen gab. Als ihr Schicksal schon besiegelt schien, drang ein Geräusch aus der Dunkelheit, das sie als Hubschrauberrotoren identifizierten. Ken stützte Dilara, die fiebrig und verschwitzt versuchte, zu überleben. In Ayas Schulter steckte ein Holzsplitter, Yoji blutete stark und Omi litt unter einer schweren Gehirnerschütterung. Takatori lachte. „Endlich sind sie da!“ Er blickte nach Osten. Die Lichter des Hubschraubers kamen schnell näher. Sekunden später wurden die Weiß-Leute fast von Deck geblasen, als der Helikopter neben dem Schiff in der Luft stehen blieb. „Wisst ihr was? Ich verschwinde jetzt! Wenn ihr mit eurer Mission scheitert, seid ihr eh tot. Wie die vor euch. Haben sich auch für mächtig stark gehalten. Als sie ihr Missionsziel nicht erreichten, lernten sie das Exekutionsteam der Kritiker kennen! Ahahahahaha! Wie schön, wenn sie die eigenen Leute killen!“ In diesem Moment wurde die Tür des Hubschraubers aufgerissen. Die Schwarz-Leute wedelten mit den Armen. Keiner von Weiß war mehr fähig, sich zu bewegen. „Er hat Recht, jetzt ist es vorbei“, stöhnte Omi. Seine Kameraden schwiegen, jeder wusste, dass dies die Wahrheit war. Takatori schritt zum Hubschrauber, dabei stieg er über Aikas Körper, zog das Messer heraus und raunte: „Arme Hell, ich werde das hier zum Andenken behalten.“ Ohne sich umzublicken ging er zur Reling und stieg auf die vorletzte Sicherheitsstange. Der Hubschrauber pendelte etwas vom Schiff weg. Trotzdem waren die Gesichtsausdrücke der Schwarz-Mitglieder noch zu erkennen. Sie bedeuteten Takatori, sich umzudrehen. Ein Blitz beleuchtete Aikas Gesicht. Erschrocken taumelte er zurück. Das Überraschungsmoment war auf Angels Seite. Mit einem gewaltigen Hieb ihrer Katana spaltete sie Masafumis Schädel. Das Schwert blieb in seinem Rumpf stecken. „Game Over, du Mutant!“ Sie stellte den Fuß auf seinen Brustkorb, um es mit einem Ruck herauszuziehen. Sie blickte in den Helikopter, das Schwert zu einer Drohgebärde erhoben. Crawfords Lippen formten das Wort „Wenden“ und fast im selben Augenblick schwenkte der Pilot den Hubschrauber aufs offene Meer hinaus. Omi kroch zu Dilara. „Gleich geht’s dir besser.“ Er spritzte ihr ein Gegengift in den Arm. Sie war bereits zu schwach zum Reden. Ken hielt ihre Hand. „Wird sie es schaffen?“ „Ja, ich denke schon.“ Aya stützte Aika, bis sie bei den anderen waren. Dort versorgte er notdürftig ihre Stichwunde. „Da bin ich gerade noch mal im richtigen Moment zu mir gekommen“, sagte sie. „Ich dachte, Hell hätte ihr Ziel erreicht.“ Ayas Gesicht war zerkratzt. Sein Haar klebte im Gesicht. Yoji war noch nicht wieder zu sich gekommen. Omi machte sich Sorgen um ihn. „Er war der festen Überzeugung seine Asuka wieder gefunden zu haben. Ich wünschte, ihm wäre das alles erspart geblieben.“ Aika krabbelte zu Dilara. „Hey Süße, geht’s dir schon besser?“ Ihre Freundin nickte. „Das ist schön.“ Angel blickte in den Himmel. Der Regen prasselte auf ihr Gesicht und wusch den Schweiß herunter. Es war bitterkalt, was die Gruppe erst bemerkte, als der Lärm des Gefechts langsam dieser bedrückenden Stille wich, die jeden Willen zum Handeln unterdrückte. Langsam kroch die Kälte ihre Beine hinauf, der Sturm preschte die Wellen mit derartiger Wucht gegen die Flanken des Schiffs, dass das gesamte Deck in regelmäßigen Abständen überschwemmt wurde. „Wir sollten uns in der Bar einquartieren. Bei diesem Sturm hat Birman keine Chance, uns abzuholen!“ Omi schrie gegen das Getöse des Meeres an. Das Team schleppte sich in das kleine Haus am Bug. Das Schaukeln war an der Front des Schiffes besonders schlimm. Sämtliche Flaschen fielen aus den Regalen, die Stühle rutschten hin und her. Aya und Ken fanden die Falltür zum Vorratskeller der Bar. Zwischen den Getränkekisten fanden sich einige Tischtücher, die sie zu Decken umfunktionierten. Omi sprach über Sattelitentelefon mit Birman. Sie versicherte, sofort zu kommen so schnell es das Wetter zuließ. Pershas Sekretärin war ihnen mit einem Tag Abstand gefolgt, um die sechs nach dem Auftrag in Sicherheit zu bringen. Die Nacht verbrachten Weiß und Angel Hunter dicht zusammengedrängt in der unbeheizten Bar. Yoji war gegen 2 Uhr kurz zu sich gekommen, aber nicht ansprechbar. Nachdem Omi ihm Schmerzmittel verabreicht hatte, schlief er wieder ein. Aya löste Omi um kurz nach fünf bei der Wache ab und weckte die anderen eineinhalb Stunden später, als eine weiße Yacht direkt auf den Kreuzer zukam. Im Zwielicht erkannten sie, dass die See immer noch rau war. Die Gischt spritzte hier und da auf die Planken des Decks. Von den leblosen Körpern Takatoris und seiner Schreient-Truppe war nichts mehr zu sehen. Die Fluten mussten sie während des Sturms über Bord geschwemmt haben. Ken trug Dilara, deren Gesicht eine grünliche Färbung angenommen hatte. Er machte sich große Sorgen. „Ich glaube, ihr geht es gar nicht gut. Omi, bist du sicher, dass das Antiserum wirkt?“ „Ich hoffe. Tot hat scheinbar eine Art Neurotoxin benutzt. Es lähmt und verursacht Kreislaufbeschwerden.“ Omi strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Yoji sah noch schlechter aus als Dilara. Im Gegensatz zu ihr schien alle Farbe aus ihm gewichen zu sein. Aika saß neben ihm an die Wand gelehnt. „Yoji? Du musst wach bleiben!“ Er rang sich ein müdes Lächeln ab. Sie warf einen flüchtigen Blick auf seine Wunde. „Mein Gott! Wenn Birman keine Blutkonserven an Bord hat, dann gute Nacht!“ Minuten später half ihnen Birman auf ihr Schiff. „Unter Deck liegt alles bereit, was ihr braucht. Ich muss noch was erledigen, bin in fünf Minuten wieder da!“ Pershas Sekretärin lief in Richtung der Tür, die ins Innere des Kreuzers führte. Weiß und Angel Hunter brachten sich in der Yacht in Sicherheit. Tatsächlich hastete Birman kurze Zeit nach ihnen auf die Brücke. Unter ihrem Arm ein Laptop. Mit Volldampf steuerten sie vom Kreuzer weg. Aya blickte aus einem der Bullaugen. Die Lichter des Todeskreuzers waren nur noch in weiter Ferne auszumachen als eine gewaltige Explosion das nächtliche Meer erleuchtete. Eine riesige Feuersäule stieg den Himmel empor. Aika drängte sich neben ihren Geliebten: „War das das Werk der Tippse?“ „Ein bisschen höflicher wenn’s geht!“ Birman stand in der Tür. „Entschuldige Birman.“ Aika rutschte wieder an ihren Platz. „Ihr solltet euch ausruhen. Es wird noch einige Stunden dauern, bis Land in Sicht ist. Ihr habt nen guten Job gemacht, Leute!“ ____________________________________________________________________________________ Dieses Kapitel entstand aufgrund eines Wunsches meiner Freundin. Sie wollte Dilara in einem Ballkleid sehen und so entstand die Idee der Kreuzfahrt mit Tanzwettbewerb. Bei Schreient konnte ich mal alle Register ziehen^^ Ich mag vor allem Schön's Charakter, weil ihre überhebliche, zickige Art immer eine gute Vorlage für dynamische Gespräche bietet. Ich hoffe auch, die Beziehung zwischen Neu und Yoji kommt glaubwürdig rüber. Bei Tot hab ich es wohl ein wenig übertrieben, aber ich mag sie so seltsam wie sie ist. Leider ist mir Hell wahrscheinlich nicht so gut gelungen^^' Im Nachhinein fand ich es fast schade, dass Schreient nur so einen kurzen Auftritt bekam. Kapitel 12: Generalangriff -------------------------- Dilara war nach dem Giftangriff für mehrere Wochen außer Gefecht gesetzt. Das Toxin hatte ihr Kreislaufsystem zu stark beeinflusst. Sie lag derzeit noch auf der Intensivstation in einem von Persha überwachten Krankenhaus. Nicht einmal die Weiß-Leute wussten, wo genau sie sich befand. Wieder einmal war Aika allein. Wenigstens war sie nicht einsam. Die Wochen vergingen und der Winter beglückte sie mit Unmengen von Schnee. Weihnachten war bereits ins Land gezogen und das neue Jahr war mit Raketen und Knallern begrüßt worden. Yoji hatte wochenlang das Bett hüten müssen. Aika war oft bei ihm gewesen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Er fühlte sich für Asukas Schicksal verantwortlich. Stundenlang starrte Yoji melancholisch aus dem Fenster, betrachtete die weißen Schneeflocken bei ihrem Tanz. Omi stand derweil in regem Kontakt zu Manx und Birman. Mit wachsender Aufregung zog er den Schluss, dass Persha in naher Zukunft einen weiteren verheerenden Schlag gegen Takatori plante. Aya verbrachte in dieser auftragslosen Zeit unzählige Stunden mit seiner Schwester. Persha hatte sie vorsorglich in ein anderes Krankenhaus verlegen lassen. In den letzten Tagen war ihr Zustand schlechter geworden. Aika bekam ihn deshalb kaum mehr zu Gesicht. Sie machte sich Sorgen. Ken, der ebenfalls Ablenkung suchte, ging oft mit ihr durch Tokios nächtliche Straßen. Zu seinem Erstaunen verstand er sich mit Angel besser denn je. Beide hatten das starke Gefühl, dass in nächster Zeit noch so manche Prüfung auf sie zukommen würde. Eine Woche später sollte es soweit sein. Birman hatte mit Omis Hilfe sämtliche Daten aus Masafumis Laptop entnehmen können. Darunter auch die E-Mails seines Bruders Hirofumi. „Wir haben Kontakt zu Hirofumi aufgenommen und ihm eine offene Auseinandersetzung vorgeschlagen.“ Omi blickte in die Runde. „Ist er darauf eingegangen?“, fragte Yoji zwischen zwei Zügen an seiner Zigarette. Birman trat vor. „Ja, erstaunlicherweise. Treffpunkt ist Shiodome, auf dem Dach des Parkhotels. Persha wird uns begleiten.“ Der letzte Satz löste blanke Aufregung aus. „Was?! Er will sich zeigen?“, rief Ken. Aya drängte sich dazwischen: „Ich dachte, jeder der ihn sieht, muss sterben? Wollt ihr uns etwa opfern?“ Angespanntes Schweigen erfüllte den Raum. „In diesem Fall wird Persha wohl davon absehen, schließlich war es seine Entscheidung mit Hirofumi zu sprechen.“ Birman schien auf diese Frage nicht gefasst gewesen zu sein. „Er will sich in Lebensgefahr bringen? Was ist, wenn Persha umkommt? Was passiert dann mit den Kritikern?“ Aikas Stimme bebte. „Lass das mal unsere Sorge sein. Wenn ihr euren Job macht, gibt es keinen Grund über Plan B nachzudenken“, sagte die Sekretärin. „Wie lauten die Anweisungen?“ Omis Blick war ernster als gewöhnlich. „Ihr bildet zwei Teams. Da Rose auf unabsehbare Zeit ausfällt, wird Angel mit dir Bombay und Balinese in ein verstecktes Lager eindringen. Dort werden sich Estet aufhalten, die engsten Berater Takatoris. Nach unseren Informationen machen sie zur selben Zeit einen Kontrollgang. Euer Job ist es sie zu töten! Siberian, Abyssinian, ihr kommt mit mir. Wir treffen uns in dreißig Minuten hier vor dem Laden. Angel, du nimmst die Karte. Macht euch unverzüglich auf den Weg. Ich wünsche euch viel Glück!“ „Passt auf euch auf! Wir sehen uns!“ Aika verschwand unter dem Rolltor. „Bis dann.“ Yoji folgte ihr. „Ihr kommt klar?“ Omi zögerte. Mit einem Nicken deutete ihm Birman zu gehen. Trotz der späten Stunde waren noch viele Menschen unterwegs. Abseits der großen Straßen bahnten sich Angel, Bombay und Balinese einen Weg zu ihrem Auftragsgebiet. In einer schlecht beleuchteten Unterführung entdeckten sie die Tür mit der Aufschrift „Pumpenraum“. Schnell war der Eingang freigelegt. Im Inneren schwangen die einzelnen Glühbirnen, die an einem viel zu langen Kabel von der Decke hingen. Die einstmals weißen Fließen waren sandig, das feuchte Moos, das darüber wucherte, machte das Gehen zu einer unsicheren Angelegenheit. Schweigend schlichen die drei Kampfgefährten den Gang hinunter. Keine Menschenseele war zu sehen. Das monotone Geräusch von tropfendem Wasser begleitete sie über eine halbe Stunde im Gewirr der unterirdischen Gänge. Die Wandfließen wechselten sich mit dicken Kabeln und Drähten ab, dazwischen Metallkästen mit Sicherungen. „Bist du sicher, dass wir den richtigen Weg genommen haben?“ Yoji schüttelte die letzte Zigarette aus seiner Innentasche. „Hältst du mich für blöd?“ Aika funkelte ihn an. „Nein, nur für orientierungslos.“ Sein Feuerzeug schien nicht zu funktionieren. „Halt lieber die Klappe. Ich bin verdammt heiß auf den Kampf, also reiz mich nicht!“ Angel ging unbeirrt weiter. Omi nahm Yoji die Zigarette aus dem Mund. „Sie macht das schon. Aber du solltest hier nicht rauchen, die japanische Polizei ist nicht dumm. Deine DNA könnte uns auffliegen lassen.“ „Das kann nur ein Nichtraucher verlangen!“ Yoji steckte die Hände in die Hosentaschen. Als die drei um die nächste Ecke bogen, schien sich Balinese im Bezug auf Aikas Kartenlesekunst bestätigt zu sehen. „Ach! Was habe ich gesagt!“ Er fasste sich an die Stirn. Wortlos ging Aika in die Knie. Mit einem leisen Quietschen öffnete sich eine Falltür. „Noch irgendwelche Fragen oder ein blöder Kommentar? Dann lieber jetzt als da unten in der Höhle des Löwen!“ Angel blickte ihn über die Schulter an. „Nein, es tut mir Leid!“ Yoji senkte den Kopf. „Gut, dann los!“ Sie schwang sich in das Loch im Boden. Zur selben Zeit in Shiodome: Das Katana in einer Reisetasche versteckt, betrat Aya als erster das über 25 Stockwerke Park Hotel im Media Tower. Birman trug unter ihrem Mantel einen eng anliegenden Bodysuit, der ihre schmale Silhouette perfekt betonte. Ken hatte die Bukug eingeklappt und schlenderte hinter den andern her. Der Aufzug brachte sie bis knapp unters Dach. „So kommen wir nicht weiter. Hier muss es eine Tür geben, die zum Treppenhaus führt.“ Birman ging voraus. Der Eingang war schnell gefunden. Mit einer kleinen, verdämmten Sprengladung umgingen sie die Sperrbolzen. Vorsichtig wagten sie sich ins Treppenhaus. „Ich glaube, die Luft ist rein. Wir sollten uns beeilen!“ Ken blickte sich um. Durch eine weitere eiserne Tür traten die drei aufs Dach hinaus. Ein schneidend kalter Wind heulte um die Ecken des Gebäudes. Birman blickte auf ihre Uhr. „Fünf Minuten.“ Plötzlich ertönte ein Quietschen hinter ihnen. Aya wirbelte herum, die Hand am Heft des Schwertes. Aus dem Dunkel, in einem abgelegenen Winkel des Daches, zeichneten sich zwei Figuren ab. „Lass dein Schwert stecken, Abyssinian!“, befahl eine männliche Stimme. Birman schien erleichtert. „Ihr seid es. Wir dachten schon, es sei ein Hinterhalt!“ Die beiden Personen waren mittlerweile nah genug, um ihre Gesichter zu erkennen. Persha in Begleitung von Manx. „Hallo zusammen! Wir haben uns lang nicht mehr gesehen!“ Die zweite Sekretärin lächelte in die Richtung der Weiß-Jungs. Allerdings starrten Aya und Ken unentwegt ihren Boss an. „Sie sind Persha?“ Ken kratzte sich am Kopf. „So ist es. Aber wie ihr mich anseht, scheine ich euren Vorstellungen nicht gerecht zu werden.“ Persha schob sich seine Brille zurecht. „Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich habe mir Sie immer größer vorgestellt!“ Ken errötete leicht. Zu seinem Erstaunen lächelte Persha nur gütig. Das unterirdische Lager war wie ausgestorben. „Mir ist das nicht geheuer. Das letzte Mal, als es bei einem Auftrag so totenstill war, bin ich fast draufgegangen!“ Angel blieb vor einer halb geöffneten Tür stehen. „Seht euch das an! Die haben Waffen für eine ganze Armee hier gelagert!“ Sie betrat den Raum. „Vielleicht sollten wir uns ein paar von den Teilen ausborgen?“ Omi betrachtete eine der Pistolen. Yoji nahm eine Walter PP in die Hand. „Ich glaube, das ist keine schlechte Idee. Weiß jemand, wer Estet ist?“ Omi setzte sich auf eine der Munitionskisten. „Nein, weder mir noch irgendjemanden sonst ist mehr bekannt, als dass sie zu dritt sind. Keine Ahnung ob männlich oder weiblich, wie alt sie sind und ob die wie Schwarz über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügen.“ „Sind ja mal wieder wunderbare Vorraussetzungen für einen Kampf!“ Aika schnallte sich einen Munitionsgürtel um die Hüfte. „Was hast du dir da eingesteckt?“, wollte Yoji wissen. „Hochgeschwindigkeitsmunition. Die haben hier sehr gute Qualität. Der Streukreis ist geringer als bei der Billigmunition, die wir benutzen. Perfekt für Scharfschützen“, sie schob das Magazin in die Vector CP1. „Wir sollten weitersuchen.“ Omi verschwand im nächsten Gang. Einige Meter weiter mussten sie sich zwischen zwei Treppen entscheiden. „ Wer ist dafür, dass wir nach unten gehen?“ Yoji blickte von einem zum anderen. Sie waren sich einig. Der untere Gang war noch schlechter beleuchtet als der, aus dem die drei gekommen waren. Nach zwanzig Metern wurde es stockdunkel. Ein beißender Geruch schlug den Weiß-Jungs und Angel entgegen. „Leute, riecht ihr das?“ Balinese hielt sich die Nase zu. Omi taumelte. „Ich, ich kenne diesen Geruch. Er ist mir so vertraut…“ Yoji fing ihn auf. „Bombay!“ Während sie sich mit der einen Hand die Nase zuhielt, suchte sie mit der anderen an ihrem Rücken nach der Taschenlampe. „Endlich!“ Sie knipste das Licht an. „Scheiße!“ Angel wich zurück. Yoji unterdrückte den Würgereiz. „Raus! Lass uns sofort von hier verschwinden!“, schrie sie ihn an. In all der Hektik rutschte sie auf der den Boden bedeckenden Blut- und Innereienschicht aus und wurde nur durch Yojis schnelle Reaktion am Fall gehindert. Omi lehnte benommen an der Wand, Gedächtnisfetzen durchzucken sein Gehirn: Es war dunkel. Man konnte die Angst förmlich riechen. Kleine Gestalten, vielleicht Kinder. Ein Kellergewölbe in dem das Weinen widerhallte. Schüsse, Schreie, Lachen… Omi schreckte auf. Reflexartig griff er sich an die Brust. Erst jetzt realisierte der Junge, dass sie sich wieder an den zwei Treppen befanden. „Entschuldigt bitte.“ Omi wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. „Ich will nicht undiskret sein, aber, willst du uns nicht verraten was du geträumt hast?“ Yoji strich seinem Freund eine Strähne aus dem Gesicht. „Erinnerungen, Bruchstücke. Ich kann sie nicht einordnen. Sie werden wahrscheinlich durch Déjàvue-Erlebnisse ausgelöst.“ Omi konnte seinem Gefährten nicht in die Augen blicken. Aika wendete sich der nach oben führenden Treppe zu. „Bleib hier, falls du dich nicht fit genug fühlst. Wir gehen jetzt da rein und reißen diesen verdammten Schweinen den Arsch auf!“ Plötzlich war Bombay hellwach. „Ich bleibe nur über meine Leiche hier!“ „Na dann.“ Yoji zog seine Pistole. Kilometer entfernt verursachten Hubschrauberrotoren ein ohrenbetäubendes Dröhnen. Nach der Landung machten zwei Helfer die Einstiegsöffnung frei und vier Personen sprangen aus der Maschine. Der unbekannte Mann, der von den Schwarz-Leuten eskortiert wurde, musste der älteste Sohn Takatoris sein, Hirofumi. Aya und Ken traten vor Persha. Crawford grinste diabolisch. „Wo habt ihr denn den Rest der Truppe versteckt? Sie sollen rauskommen, falls euch etwas an diesem Treffen liegt!“ Birman antwortete ohne Verzögerung: „Wir sind allein! Ein Hinterhalt wäre unmöglich!“ Gerade als Crawford ein Wortgefecht vom Zaun brechen wollte, fasste ihm Hirofumi von hinten an die Schulter. „Lass es gut sein, Brad. Wir wollen uns zuerst anhören, was mein lieber Onkel uns zu sagen hat“ Aya warf einen kurzen unsicheren Blick zu Ken, der ebenfalls glaubte, sich verhört zu haben. Persha drängte sich zwischen den beiden nach vorne. Er und sein Neffe trafen sich in der Mitte zwischen den Parteien. „Wie ich erst jüngst durch den Tod meines geliebten Bruders festgestellt habe, machst du vor deiner eigenen Familie nicht halt!“ Hirofumi steckte sich eine Zigarette an. „Er hat an dem Tag aufgehört, mein Neffe zu sein, als er Mamoru im Stich ließ!“, erwiderte Persha. „Mamoru? Der ist zwar unser Bruder, aber nicht meines Vaters Sohn!“ Sein Neffe reagierte verärgert. Schweigen beiderseits. „Kikuno hat mir nie erzählt…“, begann Persha vorsichtig. „Meine Mutter war ein Flittchen! Mamoru war die Frucht eurer kleinen Affäre! Weshalb hätte mein ehrenwerter Vater für ihn blechen sollen?!“ Hirofumi packte Persha am Kragen. Aya zog sein Schwert. „Keine Bewegung, Süßer! Wir wollen doch nicht, dass jemand verletzt wird!“ Schuldig richtete seine Pistole auf Persha. „Nehmt die Waffen runter!“ Hirofumi ließ seinen Onkel los. „Lass uns zum Geschäft kommen. Wen sollen wir ausliefern, damit wir vor dir und deinen Schoßhunden Ruhe haben, Herr ehemaliger Polizeipräsident?“ „Ich will, dass dein Vater und du, sowie Schwarz und Estet Geständnisse ablegen und dass ihr eure gerechte Strafe bekommt! Im Gegenzug löse ich die Kritiker auf!“ Pershas Bart bebte bei seinen Worten. „Wie gnädig, eure Hoheit! Aber deine mickrige Vereinigung wird unser Syndikat niemals besiegen!“ Hirofumi lachte laut auf. Ohne Vorwarnung zog Persha seine Pistole und drückte ab. Doch sein Neffe stand ohne einen Kratzer vor ihm. „Was?“ Er wich zurück. Die Kugel schwebte vor Hirofumis Gesicht in der Luft. Nagi ließ sie zu Boden fallen. Omi, Aika und Yoji stürmten in den nächsten Gang. Am Ende befand sich eine große Flügeltür. Ohne Rücksicht auf Verluste rannten die drei sie ein. Eine Kammer offenbarte sich, an deren Kopf drei ältere Herrschaften standen. In der Mitte erhob sich eine runde Steinplatte mit Runen und Kerzen. Das monotone Tropfen kam von den an der Decke aufgehängten Leichen mehrerer Frauen und Männer. An den Wänden standen mit Kapuzen verhüllte Wächter, bis an die Zähne bewaffnet. Die drei Angreifer erstarrten beim Anblick dieser grausamen Szenerie. „Seid willkommen, meine jungen Kämpfer!“ Der alte, graubärtige, kahlköpfige Mann lächelte mit aufgesetzter Freundlichkeit. Aika wich zurück. „Wer, wer sind diese Menschen?“ Bedächtig folgten die Alten ihrem Finger. „Potenzielle Gefahren. Jedenfalls waren sie das, bevor wir sie in die Hölle vorschickten, in der auch eure Seelen brennen werden!“ In den Augen der einzigen Frau funkelte die blanke Mordlust. Im letzten Moment sprangen die drei zurück, bevor das Feuer auf sie eröffnet wurde. Omi zückte eine der Tränengasgranaten, die ihm von Birman überreicht worden waren. Die Maskierten gingen hustend zu Boden. Aika unterdrückte wie so oft ihr Gewissen, zog die CP 1 aus dem Holster und lehrte das dreizehnschüssige Magazin ohne zu zögern. Yoji lief kreuz und quer durch den Raum, während ihm Omi den Rücken frei hielt. Aika zog die gestohlene MG. Ihr Ziel waren Estet, die versuchten, durch den Hinterausgang ins Tunnelsystem zu entkommen. Die Fließen splitterten im Kugelhagel, dem Estet ausgesetzt war. „Angel! Runter!“, hörte sie Yoji schreien. Ohne zu zögern ließ sie sich auf den Rücken fallen. Knapp über ihr surrte einen Wimpernschlag später der fast unsichtbare Draht hinweg. Sie sprang auf und ihr Blick fiel auf die Tür, aus der Estet verschwinden wollte. Dort stand jemand, an den sie sich dunkel erinnerte. „Keine Bewegung!“ Er richtete die Waffe auf die Rücken der drei alten Menschen. „ Wer zum Henker sind Sie?“ Omi fixierte ihn mit seinen blauen Augen. „Entschuldigt bitte. Mein Name ist Botan. Angel erkennt mich wahrscheinlich nicht mehr, aber in einer schicksalhaften Nacht vor fünf Jahren sind wir uns schon einmal begegnet.“ Aika ließ ihre Waffe sinken. „Sie waren der Mann, der uns rekrutiert hat. Weshalb sind Sie hier?“ „Sie Verräter! Sie waren der Maulwurf, nach dem wir Jahre lang gesucht haben!“, meldete sich das dritte, schnauzbärtige Estet-Mitglied zu Wort. „Botan, Sie haben den Kritikern all diese Informationen zukommen lassen?“, fragte Yoji. „Das habe ich. Allerdings musste ich heute einfach eingreifen. Diese Sadisten darf man nicht entkommen la…“ Botan riss die Augen auf. „Es war dein größter Fehler, uns zu hintergehen! Das ist dein Ende!“ Die Frau ballte ihre rechte Hand zur Faust. Die Pistole Botans fiel auf die dreckigen Bodenfließen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er sich an die Brust. „Was tun Sie! Hören Sie auf damit!“ Aika stürzte auf die Estet-Leute zu. In diesem Augenblick sank Botan zusammen. „Sein Herz hat gerade seinen letzten Schlag getan. Gleich werden auch eure Herzen stehen bleiben!“ Wie auf Kommando hoben auch die beiden Männer ihre rechte Hand. Noch bevor einer des Weiß-Teams reagieren konnte hallten drei Schüsse von den Wänden wider. Estet ging zu Boden. Botan hatte mit letzter Kraft geschossen. Aika stürzte zu ihm: „Botan, hören Sie mich?! Sprechen Sie mit mir!“ Neben ihnen bewegte sich der glatzköpfige Alte. Gnadenlos schoss ihm Yoji, der ebenfalls zu Botan geeilt war, in den Kopf. „Bitte sorgt dafür, dass meine Familie nie erfährt, was…was ich in meinem Leben getan habe. Und Angel…Pass auf dich auf...“ Die Augen des Spions wurden starr. „Wieder ein Opfer, das dieser verdammte Krieg gefordert hat! Hört das denn nie auf?“ Omi setzte sich neben Yoji und Angel auf den Boden. Ihre Freunde steckten derweil in ernsten Schwierigkeiten. Umzingelt von Hirofumis Leuten auf einem Dach, hoch über der Shiodome Bahnstation. „Hach! Wie lange mussten wir warten, um euch in diese Lage zu bringen!“ Crawford machte ein ungewohnt fröhliches Gesicht. „Hey ihr beiden Schnecken, für euch haben wir eine Sonderbehandlung! Hierher!“, befahl Schuldig Manx und Birman. Langsam gingen die Frauen auf ihn zu. Keiner bemerkte das geheime Zeichen, dass sie sich gaben, kurz bevor sie links und rechts neben Hirofumi vorbeigingen. Ohne Vorwarnung trafen die Füße der Sekretärinnen jeweils eine seiner Kniekehlen. Hirofumi sackte nach vorne. „Nehmt eure Waffen runter! Sonst stirbt euer Boss!“, Manx drückte ihren Revolver an die Stirn ihrer Geisel. „Diesen Nervenkrieg gewinnt ihr nie!“ Schuldig versuchte sie zu verunsichern. „Das werden wir ja sehen!“ Birmans Hand zitterte fast unmerklich, als sie die Sicherung der Beretta löste. Crawford schnappte nach Luft. Niemand bemerkte Pershas Griff zu seinem linken Handgelenk. Das Funksignal erreichte Omis Pieper fast im selben Moment. „Verdammt! Nehmt eure Beine in die Hand! Die anderen schweben in Lebensgefahr!“ Er stolperte bereits in Richtung Ausgang. Yoji half Aika auf. „Wo ist der nächste Aufstieg möglich?“ „Wir müssen die andere Treppe runter und dann gleich links, nach etwa hundert Metern gibt es einen Kanalschacht, der nach oben führt!“ Omi blieb abrupt stehen. „Wir müssen noch mal in diese Leichenkammer?“ „Willst du das wir alle so enden?!“ Angel packte ihn am Arm. Eine halbe Minute später schlitterten sie durch den düsteren Gang, in dem Takatoris Lagerwächter durch Estet ihr modriges Grab gefunden hatten. Jeder versuchte möglichst nicht zu atmen, um den metallischen Blutgeruch nicht wahrzunehmen. „Wie viel Grausamkeit kann die menschliche Seele vertragen?“ Diese Frage stellte sich Angel nicht zum ersten Mal. Inzwischen hatte Schuldig seine zweite Fähigkeit eingesetzt, die schnelle Art, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen. Mit einem Mal stand er hinter Persha, sein Messer an dessen Kehle gelegt. „Was jetzt?“, spöttelte der Deutsche, „wenn euer Boss stirbt, bricht die ganze Kritiker-Organisation auseinander. Hirofumi ist nur der Sohn unseres Bosses, er ist entbehrlich!“ „Das wird ein Nachspiel haben, Schuldig!“ Pershas Neffe schien seinen Mut wieder gefunden zu haben. „Halt die Klappe, du Schnösel! Ich rette hier gerade deinen verdammten Arsch!“ Das Schwarzmitglied bremste sich in keiner Weise. Selbst Crawfords Augen weiteten sich in Anbetracht, was Schuldig erwartete, falls sie die Nervenschlacht überlebten. „Das kostet dich mehr als den kleinen Finger, das verspreche ich dir!“, keuchte Hirofumi. Die Yakuza hinter Ken und Aya bedeuteten ihnen, die Waffen fallen zu lassen. Widerstand war gänzlich zwecklos, die beiden taten wie ihnen geheißen. „Fujimiya und dieser Siberian sind wertlos für uns. Allerdings habe ich mit dem Rotschopf noch eine Rechnung offen!“ Er ordnete Crawford an, für ihn auf Persha aufzupassen. In den Gesichtern der beiden Frauen stand die Anspannung geschrieben. Wenn sie aufgaben, starben alle, die am Projekt Weiß beteiligt waren, Takatori würde sich zum Diktator machen und Japan beherrschen. Schuldig war bei Aya angekommen. „Der zornige Junge mit dem Racheschwert. Wo hast du denn deine kleine Gespielin gelassen? Du weißt schon, dieses blonde Biest, dass Crawford so gerne zähmen würde?“ Er steckte sich eine Zigarette an. Aya reagierte nicht. „Und wie ist sie so? Du weißt schon, was ich meine...“ Mit obszönen Bewegungen unterstrich Schuldig seine Fragen. Schweigen. „Oh, der Herr spricht nicht mit mir! Schade, ne Vorschau wär nicht schlecht gewesen. Egal, wenn wir sie finden, und ich verspreche dir Süßer, das werden wir, dann kann sie sich auf was gefasst machen!“ Ken konnte sich nicht länger im Zaum halten. „Fresse, Schuldig! Ich bring euch alle um! Ihr werdet keine Chance mehr haben, auch nur einen von den anderen Schaden zuzufügen!“ Abyssinian hielt seinen Kumpanen zurück. Schuldig hielt die Klinge seines Messers unter Rans Kinn, um ihn zu zwingen, näher an sein Gesicht zu rücken. „Wie geht es deiner Schwester? Ist ihr Zustand immer noch komatös?“ Wieder zwang sich Aya, die Provokation zu überhören. Schuldig grinste. „Wie sagt man so treffend: Die Augen sind der Spiegel zur Seele. Deine Wut erzeugt ein Kribbeln auf meiner Haut. Du willst mich töten, dir blutige Genugtuung verschaffen!“ Er schnipste den Zigarettenstummel weg. Mit der freigewordenen Hand zog er Abyssinian an seine Brust und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich bin dir näher als jemals zuvor. Du spürst meinen Atem auf deiner Haut und dennoch bist du so machtlos wie damals, als wir deine Familie in die Luft sprengten. Gib endlich auf. Dein Widerstand zögert nur das vorbestimmte Ende hinaus. Selbst wenn deine kleine Schwester wieder aufwacht - wie kannst du ihr in die Augen blicken? Du bist ein Mörder. Sie wird sicher nicht erfreut über die Tatsache sein, dass du dazu auch noch ihren Namen verwendet hast.“ Rans Augen verloren jeden Ausdruck. Sein Schutzwall war durchbrochen. In diesem Moment wusste Schuldig, dass er gewonnen hatte. Er hob das Messer um Aya zu töten. Da riss ein donnernder Schuss alle aus der Trance. Eine Hülse fiel neben Birman auf den Beton und rollte vom Wind getragen über das Dach. Schuldigs Arm war getroffen. Mit einem metallenen Geräusch landete die Klinge neben seinen Füßen. Im selben Moment duckte sich Hirofumi und Crawford drückte ab. Dann herrschte Ruhe. Persha lag regungslos auf dem Boden. Manx schlug sich die Hand vor den Mund. Neben ihr glitt Birman die Waffe aus der Hand. Ken und Aya waren im Schock erstarrt. Es war geschehen. Sie hatten versagt und damit ihr Leben verwirkt. Hirofumi, der sich in Sicherheit gebracht hatte, brach in schallendes Gelächter aus. „Ihr Versager! Jetzt seid ihr sowieso tot! Wir brauchen uns die Hände nicht mehr schmutzig machen! Ha ha! Die letzte Amtshandlung der Kritiker wird es sein, euch durch einen unbekannten Auftragskiller ermorden zu lassen um die Spuren zu verwischen!“ In diesem Augenblick wurde die Tür zum Hotel aufgerissen. Ohne die Umstände zu berücksichtigen, griffen die verbleibenden Weiß-Mitglieder an. Aika wirbelte mit ihrem Katana Schwert durch die Reihen von Takatoris Männern. Yojis Fäden erledigten den Rest. Im Eifer des Gefechts schnappten sich auch Aya und Ken wieder ihre Waffen. Omi schnitt den Fliehenden zusammen mit Manx und Birman den Weg zum Hubschrauber ab. Das Blatt hatte sich rasant gewendet. Trotz allem sprach Hirofumi Omi an: „Na Kleiner, erinnerst du dich an den lieben Hiro-san?“ „Wie meinen Sie das?“ Das jüngste Weiß-Mitglied zielte mit der Armbrust auf den Gangster. „Sag bloß, du erinnerst dich nicht mehr an deinen großen Bruder, Mamoru?“ „Halt den Mund!“, rief Manx dazwischen. „Zu spät! Es ist an der Zeit, dass euer Freund erfährt, wer er wirklich ist!“ Hirofumi wendete sich wieder Omi zu: „Nämlich mein Halbbruder! Mamoru Takatori! Na, wie gefallen dir diese Neuigkeiten?“ Yoji suchte Angels Blick: „Wusstest du etwas davon?“ „Natürlich nicht. Aber was hat das alles zu bedeuten?“ Sie blickte auf den Toten zu ihren Füßen. „Das ist Persha. Oder Shuichi Takatori, Reiji Takatoris Bruder!“ Aya beantwortete Aikas Frage, bevor sie dazu kam, sie zu stellen. Angel ließ das Schwert sinken. „Dann sind wir bereits tot.“ Yoji spürte einen leichten Anflug von Panik in sich aufsteigen. Omi sammelte sich nach dem ersten Schock: „Wer sind meine Eltern?“ Hirofumi grinste: „Dein Vater liegt dahinten. Er hatte dich so lieb, dass du für ihn zum Mörder werden musstest! Und deine Mutter? Dieser verdammte Drecksack hat meine Mutter geschwängert!“ Das Weiß-Mitglied sank zu Boden: „Warum hat mir niemand etwas gesagt? Warum?!“ Betroffen blickten Birman und Manx ins Leere. Ran ging vor Omi auf die Knie und tat etwas, was er noch nie getan hatte: Er nahm das jüngste Weiß-Mitglied in den Arm. Ermutigt durch Ayas Verhalten, hob Aika ihr Schwert: „Hirofumi Takatori! Ihr habt unseren Boss getötet! Absolute Loyalität. ist die erste der drei Regeln in unserem Job! Wir haben versagt, deshalb werden wir hingerichtet. Das wäre die zweite. Aber ist ein Tötungsbefehl erst einmal ausgesprochen, hält nichts als ihr eigener Tod die Assassinen davon ab, diesen auszuführen. Das ist die dritte und letzte unserer Regeln. Mach dich bereit!“ Der Funke sprang über. Ken und Yoji gingen ebenfalls in Angriffsstellung über. Hirofumis anfängliches Lächeln verblasste und wich einem panisch verzerrten Gesichtsausdruck. „Takatori-san! Verschwinden sie!“ Nagi ließ alles, was sich nicht niet und nagelfest war, auf die Angreifer niederprasseln. Yoji warf Schuldig zu Boden und verwickelte ihn in einen Faustkampf. Hirofumi lief an Crawford vorbei, der sofort von Aika mit dem Schwert angegriffen wurde. Seine Fähigkeiten erlaubten ihm, jedem Hieb auszuweichen. Ken schaffte es mit aller Kraft zu Nagi durchzudringen. Mit seinen Krallen zerfetzte er die Schuluniform des Schwarzmitglieds. Takatori hatte fast den rettenden Hubschrauber erreicht, als ein brennender Schmerz in seiner Brust ihn daran hinderte, auch nur einen weiteren Schritt zu tun. Als er an sich herunter blickte, sah er die blanke Spitze eines Pfeils aus seinem Brustkorb ragen. Langsam drehte er sich um. Omi stand, die Armbrust noch im Anschlag, neben Abyssinian. Einen Moment darauf wurde Hirufumi von zwei Kugeln aus den Waffen der Sekretärinnen Pershas niedergestreckt. Zu aller Erstaunen rappelte sich Hirofumi langsam wieder auf. Die Schwarz-Männer und ihre Gegner hatten die Kampfhandlungen eingestellt. Keuchend kroch sein Boss auf Schuldig zu, der wenige Meter entfernt auf dem Glasdach des Atriums stand. „Hilf mir. Hilf mir, Schuldig! Ich verzeihe dir auch dein Benehmen von vorhin!“ Er kniete zu den Füßen seines Bodyguards. Die Weiß-Leute hoben ihre Schusswaffen. „Hey! Einen Moment!“ Er hob die Hand. Niemand bewegte sich. Schuldig wandt sich wieder Hirofumi zu. „Tut es sehr weh?“ Die Szene war so absurd, dass nicht mal Crawford und Nagi in der Lage waren, etwas zu unternehmen. „Verdammt, was soll das?“ Takatoris Sohn starrte zu dem Schwarz Mitglied hinauf, während aus seinem Mund ein dünnes Blutrinnsal dem Gravitationsgesetz folgte und dicke runde Flecken auf dem Glas unter ihm hinterließ. „Weißt du, Jonny Boy, du siehst aus, als könntest du nen Arzt brauchen!“, Schuldig ging in die Hocke und tippte seinem Boss auf die Stirn. Die Weiß-Leute tauschten verdutzte Blicke. Waren sie gerade Zeuge einer Meuterei der Schwarz-Leute gegen Takatori? Wieso gerade jetzt? In diesem Moment fand Crawford seine Sprache wieder: „Hey! Du bekiffter Idiot! Du bringst uns noch alle ins Grab!“ „Klappe, Brad! Im Gegenteil, ich arbeite daran, unsere drei Ärsche zu retten!“ Der Deutsche wandt sich wieder Hirofumi zu: „Ums kurz zu machen. Ich habe keinen Bock, dich zu retten! Du bist uns nur ein Klotz am Bein! Ach ja, ich mag es überhaupt nicht, wenn man mir mit seinem Papi droht! Das was jetzt kommt, hast du dir selbst zuzuschreiben, du Bastard!“ Drei Schüsse fielen in rascher Abfolge. Weder Weiß noch Schwarz konnten glauben, dass Schuldig seine Waffe gebraucht hatte. Hirofumi lebte noch. Im Vierfüßlerstand und mit einem Gesicht, in dem die blanke Angst geschrieben stand, starrte er zwischen seinen Händen hindurch. Das Fensterglas, eben noch klar und durchsichtig, hatte drei Einschusslöcher. Lange Haarrisse zogen sich mit jedem Atemzug Hirofumis weiter über die Fläche. Nach einigen Sekunden tat sich nichts mehr. Erst jetzt bemerkte Crawford, dass er die ganze Zeit nicht geatmet hatte. Erstaunlich schnell kehrte die Farbe auf Hirofumis Gesicht zurück und er begann lauthals zu lachen. „Du hast gerade dein eigenes Todesurteil unterzeichnet, Schuldig!“ Mit seinem linken Ärmel wischte er sich das Blut vom Kinn. Wäre Takatori einer von ihnen gewesen, hätte Aika ihn jetzt gewarnt. Aber so warteten alle Weiß-Mitglieder weiter ab. Nagi und Crawford liefen auf ihren Boss zu. Schuldig wich zurück, alle Überheblichkeit war Unsicherheit gewichen. „Takatori-san! Ich gebe Ihnen meine Hand! Sie müssen sofort da runter!“ Der Anführer der Schwarztruppe streckte seinen Arm aus, doch er konnte seinen Chef nicht erreichen, ohne dass sich dieser weiter auf ihn zu bewegte. In einer Kurzschlussreaktion stand Takatoris Sohn auf. Jetzt blickte er direkt in Crawfords Gesicht. Für einen kurzen Moment trafen sich sein siegessicherer Blick und Brads entsetzter. Fast im selben Augenblick zerbrach die Scheibe und Hirofumi verschwand in der entstandenen Lücke. Aika hatte den starken Wunsch, sich die Ohren zuzuhalten, um das entsetzliche Geräusch des Aufpralls nicht zu hören. Der Aufschrei der Menschen im Erdgeschoss drang bis zu ihnen nach oben. Der Deutsche grinste: „Jetzt ist er unten.“ Crawford stand unter Schock. Nur mühsam brachte er es fertig, wieder die Fassung zu erlangen. „Schuldig! Was hast du getan?!“ „Was regst du dich so auf? Der hätte eh bald ins Gras beißen müssen! Ich habe es satt, für diesen Takatori zu arbeiten! Sein Weg führt niemals zur absoluten Macht. Oder hast du das nicht selbst gesagt?“ Schuldig strich seinen kurzen, weißen Mantel glatt. Für einen Moment schwieg Brad Crawford. „Wusste ich es doch!“ Sein Gegenüber zuckte mit den Schultern. „Du Vollidiot! Wenn du so lang wärst wie blöd, müsstest du aufpassen, um nicht mit den Satelliten in der Umlaufbahn zu kollidieren!“ Da war er wieder, der Crawford, der ihnen allen bekannt war. Ungebremst wetterte der Schwarz-Anführer weiter: „Estet braucht Zeit, um das Vertrauen Takatoris Kontakte zu gewinnen! Wir können nicht einfach desertieren! Das heißt, wir müssen erklären, wie zum Teufel Hirofumi ins Atrium des Park Hotels gestürzt ist!“ „Ist doch kein Problem. Die waren's!“ Schuldig zeigte auf die Weiß-Mitglieder. „Das ballistische Gutachten wird ergeben, dass die Patronen zu deiner Waffe gehören, die wie alle anderen auch in unserem Hauptrechner verzeichnet sind. Bei der Polizei lässt sich diese Geschichte verkaufen, aber nicht bei unserem Sicherheitsmanagment“, Nagi trat neben Brad. „Egal! Estet ist stark genug, um Takatori die Stirn zu bieten! Wir brauchen nur unterzutauchen!“ Schuldig steckte sich eine Zigarette an. „Das wird nichts werden“, sprach Yoji die drei an. „Halt dich da raus! Ihr solltet euch lieber verziehen!“, bellte Crawford ihn an. „Estet existiert nicht mehr!“ Aika warf Schwarz die schicksalsentscheidende Nachricht hin wie einem Hund das Fressen. „Dann haben wir nichts mehr zu verlieren!“ Schuldig zog sein Messer aus dem Lederriemen am Gürtel. Plötzlich waren sich die Schwarz-Mitglieder wieder einig. Crawford schrie die verbleibenden Untergebenen an, sich gefechtsbereit zu machen. Die Weiß-Leute tauschten fragende Blicke untereinander. Eine Offensive war reiner Selbstmord. Zögernd gingen die sieben in Abwehrstellung. Aya sah seine Stunde der Rache an Schuldig kommen. Seine Katana funkelte in den Farben der Stadtlichter. Sie wussten, dass sie bald Gesellschaft bekommen würden. Alles musste schnell über die Bühne gehen. War dies das Ende? Das Ende von Schwarz und Weiß? Schüsse hagelten zwischen Pershas Leuten hindurch. Nirgends gab es eine Möglichkeit in Deckung zu gehen. Zu Aikas Entsetzen stürmte Aya wie ein Berserker auf Schuldig zu. Im selben Augenblick streifte eine von Brads Kugeln ihren Oberarm. Nagi lenkte die verbrauchten Geschosse mit mörderischer Geschwindigkeit um und machte es Weiß noch schwerer, nicht getroffen zu werden. Yoji schaffte es glücklicherweise, Crawford die Pistole zu entreißen. In hohem Bogen plumpste sie in das Atrium. Schuldig wehrte mit seiner Waffe Aya ab. Funken schlugen vom Metall. „Jetzt schick ich dich zur Hölle!“ In den Augen Rans glühte der Hass. Er drängte Schuldig zum Rand des Daches. Mit einem Schrei stach er zu. Brust an Brust standen die Kontrahenten am Abgrund. Aya hatte nicht getroffen. Sein Katana steckte unter dem Arm des Schwarz-Mitglieds. Schuldig legte den verbleibenden Arm hinter Rans Hals und sprach in sein Ohr: „Ich werde mich fallen lassen. Wen denkst du nehme ich mit?“ „Dann sterben wir beide!“, sagte das Weiß-Mitglied ruhig und sprang. Aikas Herz blieb stehen. Sie stürzte zum Rand des Daches. Der Wind blies ihr Haar in alle Richtungen, als sie nach unten sah. Zehn Meter weiter unten lag Schuldig auf einem schwebenden Eisengitter. Nagi hatte ihn gerettet, und mit ihm Aya, der mit einer Hand an der Seite des Gitters hing. Langsam schwebte der unkonventionelle Aufzug nach oben. Schuldig löste Ayas Finger. „Verdammt! Ich darf jetzt nicht sterben! Nicht, solange der lebt!“ Abyssinian fiel abermals. Doch Yoji hatte reagiert. Seine Drähte wickelten sich um Aya und hielten ihn fest. Omi kämpfte mit Crawford, um ihn daran zu hindern, einzugreifen. Mit vereinten Kräften zogen Angel und Yoji ihren Kameraden nach oben. Schuldig war schneller oben. Er griff die beiden nicht an, sondern packte Crawford am Ärmel und rannte auf den Hubschrauber zu. Ken, Omi, Manx und Birman versuchten die drei Schwarz Leute zu stellen. Wieder einmal waren Schuldigs Bewegungen zu schnell für Siberian. Crawford und Nagi wichen zu beiden Seiten aus. Einige ihrer Leute opferten sich um den Weiß-Jungs den Weg zu versperren. Mit einem Satz enterten die Flüchtigen den Helikopter. Aya zog sein Schwert aus der Brust eines getöteten Yakuza. „Wieso sterbt ihr für diese Schweine?“ „Warum setzen wir unser Leben aufs Spiel, obwohl wir hätten flüchten können?“ Aika kniete sich neben Pershas Leiche. „Was machen wir mit ihm?“ Birman hinkte zu ihnen. „Wir müssen ihn leider hier lassen.“ In ihrem Gesicht glänzten die Tränen. „Acht Jahre habe ich für ihn gearbeitet. Was wird jetzt? Die Kritiker werden sich auflösen und ihr könnt nur auf ihre Gnade hoffen.“ Manx hatte den Arm um Omi gelegt. „Erst mal sollten wir verschwinden!“ Angel blickte nach oben. „Und wie sollen wir das anstellen? Da unten sind die ersten Streifenwagen!“ Yoji wandte den Blick nicht ab. „Rate mal“ Sie schaute demonstrativ die Fassade hinunter. „Du spinnst!“ Ken wich zurück. „Das bedeutet den sicheren Tod. Allerdings hab ich ne gute Lebensversicherung dabei.“ Aika zog eine Pistole aus der Innenseite ihres Mantels. „Willst du dich erst erschießen und danach springen?“ Yoji verstand nur Bahnhof. „Dummkopf!“ Sie schoss sechs Mal in das Mauerwerk unter ihr. „Balinese, spann dein Drahtseil da in die Haken rein! Wir seilen uns zwei Stockwerke tiefer!“ Keiner ließ sich zweimal bitten. Innerhalb zwanzig Sekunden waren alle in eines der unbewohnten Zimmer entkommen. Im Eiltempo ging es zu einem der Aufzüge. „Wir fahren getrennt voneinander, das fällt weniger auf! In Zweier- und Dreiergruppen!“ Omi schickte Ken und Manx in die Kabine. Die Türen schlossen sich. „Balinese fährt mit Angel und mir. Birman mit Abyssinian auf der anderen Seite!“ Einige Minuten später verschwanden acht Gestalten in dem ewigen Strom der Menschen auf der Straße. Beleuchtet von Reklametafeln und Blaulicht verschmolzen sie mit der Masse. ____________________________________________________________________________________ Endspurt! Schwarz verrät Takatori, wer hätte das gedacht? Immer wenn ich dieses Kapitel lese, dass überkommt mich ein bischen Wehmut. Zwischen Kapitel 1 und 12 liegen immerhin fast 7 Jahre... Das nächste Mal heißt es Showdown! Wird Takatori besiegt? Oder sehen die Weiß Mitglieder und Angel Hunter ihrem Tod ins Auge? Kapitel 13: Das Ende von Weiß ----------------------------- Das eiserne Rolltor des Blumenladens wurde halb nach oben gezogen. Darunter schlüpften Aya und Birman zuletzt hindurch. „Wo ist Manx?“, richtete Aya die Frage an Ken. „Sie holt Dilara“, war seine kurze Antwort. „Ihr solltet euch gut überlegen, was ihr jetzt macht.“ Birman blickte in die Runde. „Das werden wir besprechen, wenn Dilara-chan wieder da ist.“ Ken setzte sich auf einen Hocker hinter den Tresen. Es dauerte nur eine Viertelstunde, bis Manx mit Dilara eintraf, aber den Wartenden kam es wie eine Ewigkeit vor. „Hallo Leute“, sagte Rose matt. Sie sah noch immer nicht gesund aus. Birman räusperte sich, bevor sie anfing zu sprechen: „Ich hoffe, du bist über alle Umstände aufgeklärt, Dilara.“ Das Angel Hunter Mitglied nickte nur. Pershas Sekretärin wandte sich wieder der Gruppe zu. „Manx und ich, wir werden nach diesem Gespräch untertauchen. Ihr müsst euch nun entscheiden, was ihr tun wollt. Wir werden kein Wort über euch verlieren, falls ihr vorhabt ebenfalls die Stadt zu verlassen.“ „Was wird aus Aya?“ Ran blickte sie an. „Wir sorgen dafür, dass sie ins Ausland gebracht wird. In ein Spezialkrankenhaus.“ „Ich kann das nicht!“ Alle Köpfe drehten sich in Aikas Richtung. „Ich mache weiter. Notfalls allein. Es gibt wahrscheinlich nur noch diese eine Möglichkeit für mich. Heute Nacht!“ Ran stand auf und ging zu ihr. „Ich bin dabei. Solange Aya in Sicherheit ist. Takatori muss sterben!“ Die anderen schwiegen betreten. Aika und Aya hoben das Rolltor an. „Es...“ Ken erhob sich: „Es tut uns Leid. Viel Glück!“ Angel und Abyssinian nickten. „Aber ihr könnt sie nicht so einfach gehen lassen! Sie sind nur zu zweit! Sie werden sterben!“ Dilaras Kampfgeist erwachte. Sie wollte den beiden Rächern nacheilen, aber Ken hielt sie fest. „Lass sie. Das ist nicht mehr unser Bier. Weiß existiert nicht mehr und Angel Hunter auch nicht. Du bist nicht verpflichtet, dein Leben zu opfern. Wir sollten untertauchen!“ Aya und Aika waren derweil auf dem Weg zur Villa des korrupten Politikers. „Wir sterben heute Nacht. Es ist eigentlich unmöglich, in diese Festung von Haus zu kommen!“ Aika warf ihr Haar in den Nacken. Aya schwieg. Im Blumenladen verabschiedeten sich Manx und Birman von den verbleibenden Weiß-Mitgliedern. „Denkt daran, eure Waffen in Omis Wohnung zu deponieren, einer unserer Mitarbeiter wird sie verschwinden lassen.“ Manx strich verdrossen über eine der Rosenblüten. „Die Flugtickets liegen in einer Stunde im Briefkasten. Für die nächsten Wochen werdet ihr alle getrennt verreisen. Am besten wäre es, wenn ihr euch für immer verabschiedet. Sollten die Geheimdienste je eine Spur von euch bekommen, oder wider Erwarten die Mafia euch suchen, dann seid ihr schwerer zu finden. Macht euch keine Mühe, Kontakt mit uns aufzunehmen. Alle E-Mail Konten sind schon gesperrt, die Kritiker aufgelöst.“ Birman schaute abermals in die Runde. „Dann ist es also wirklich vorbei.“ Omi lehnte sich an die Theke. „Ja, Mamoru. Ihr dürft keine Zeit mehr verlieren!“ „Nenn mich nicht so!“ Das jüngste Weiß-Mitglied erhob die Stimme. „Entschuldige bitte“, lenkte Birman ein. „Wir müssen jetzt gehen. Machts gut und viel Glück für eure Zukunft!“ Manx gab jedem die Hand. „Ihr wollt Aika und den Rotschopf einfach im Stich lassen?“, blaffte Dilara Birman an. „Sie haben gewählt. Ihre Rache hat sie auf den Weg des Blutes geführt, den Pfad der Hölle, den sie bis zum Ende gehen müssen. Jeder, der sich gegen die beiden stellt, ist des Todes.“ Die Sekretärin schob das Rolltor hoch. „Wir müssen jetzt gehen. Ich hoffe, ihr schafft es unentdeckt zu bleiben. Lebt wohl!“ Sie hob die Hand zum Gruß, bevor Birman mit Manx verschwand. Viele Straßen weiter standen Aya und Aika vor der Grundstücksmauer der Takatori Villa. Mittlerweile war es so spät, dass keine Menschenseele in diesem Teil der Stadt sich mehr auf der Straße aufhielt. Die langen Mäntel flatterten im Wind, als die beiden Attentäter sich auf die Mauer zogen. Angel hatte noch einige Gerätschaften aus ihrer Wohnung mitgebracht, darunter auch die Drahtseilpistole. Eben diese zückte sie und platzierte einen Haken am höchsten Punkt der Fassade. Der zweite bohrte sich tief in den großen Kirschbaum, dessen Stamm nur einige Meter entfernt vom fahlen Licht Kontur erhielt. Zu ihrer Überraschung nahm Aya ihr die Pistole ab. „Äh, was?“ Sie glotzte ihn an. Im selben Augenblick hielt sein Arm Angel fest an seine Brust gedrückt. Beinahe lautlos schwebten sie auf den Baum. Mit einem leisen Klicken löste sich das Drahtseil aus dem Haken in der Rinde. Aya spannte die Zugvorrichtung um, sodass die beiden sich auf das Dach der Takatori Villa ziehen lassen konnten. Aika blickte ihren Partner tief in die Augen. Ein Windstoß ließ ihr Haar flattern. Ran fing eine der Strähnen des glatten blonden Haares und sah zu, wie sie ihm durch die Finger glitt. „Es ist soweit“, hörte er ihre Stimme flüstern. Abyssinian nickte nur. Angel machte sich fertig, um durch das Dachfenster in das mehrstöckige Gebäude einzusteigen. Im letzten Moment überlegte sie es sich anders, wirbelte herum und drückte ihre Lippen auf die seinen: „Für alle Fälle.“ In der Wohngemeinschaft der Weiß-Mitglieder herrschte derweil totales Chaos. Jeder schmiss eilig seine Habseeligkeiten in Koffer und Taschen. In einer der Wohnungen kramte Dilara gerade alle ihre Klamotten zusammen, als ihr ein kleines Kästchen vor die Füße fiel. Ein Zettel klebte auf der reich verzierten Schatulle: „Alles Gute zum Geburtstag, Dilara-chan!“ Hoch über den Dächern verzogen sich die letzten Wolken und der Vollmond beschien den Weg der Rache für Angel und Abyssinian. Die goldenen Ohrringe, Rans Andenken an seine Schwester, funkelten im schwachen Licht, bevor die zwei Gestalten ins Innere der Villa schlüpften. „Das gibt es doch nicht!“ Dilara hielt den kleinen Anhänger in Augenhöhe. Es war ein kleines silbernes Herz. Sie öffnete den Verschluss auf der rechten Seite. In filigranen Buchstaben waren folgende Worte eingraviert: „Solltest Du Dich einsam fühlen, verlassen und ganz allein, solltest Du Hilfe brauchen, würde ich gern für Dich da sein! Deine Aika“ Ihr Gesicht fing an zu brennen. Sie konnte nicht einfach verschwinden, während ihre neue Freundin dem Tod ins Auge blicken wollte. Sie verstaute den letzten Rest ihrer Besitztümer in einem ihrer Koffer, zog sich ihre Arbeitskleidung über und rannte in Kens Wohnung. „Dilara! Bist du schon fertig?“, lächelte er gutmütig. „Ich werde Aika nachlaufen! Wo ist diese verdammte Takatori Villa?“ Sie ließ sich nicht einwickeln. „Was? Ich dachte, das hätten wir geklärt?“ Seine Miene verfinsterte sich. „Du musst ja nicht mitkommen!“ Dilara erhob die Stimme. „Was ist denn hier los? Du schreist, dass man dich drei Blocks weit hört!“ Omi stand in der offenen Tür. Ken zeigte auf seine Freundin: „Sie will Aika hinterher. Ich kann es ihr einfach nicht ausreden!“ Omi seufzte. „Dilara. Wenn du wirklich hinterher willst, zeige ich dir den Weg.“ Kens Mund fiel auf: „Aber, aber, du kannst sie doch nicht einfach in ihr Verderben rennen lassen!“ „Scheinbar ist es bei ihr etwas anderes als bei Aya und Aika.“ Das jüngste Weiß-Mitglied drehte sich um und ging. Dilara warf Ken noch einen flüchtigen Blick zu, bevor sie Omi folgte. Verdattert blieb dieser allein zurück. Einige Sekunden verstrichen, bis Yoji um die Ecke kam. „Was wird denn das? Der Knirps will doch nicht etwa deine Karre kurzschließen?“ Er beugte sich über das Geländer zur Straße. „Damit kommen sie glücklicherweise nicht weit… Die beiden wollen zur Villa. Völlig hirnrissig!“ Ken schmollte. Yoji schnippte den Zigarettenstummel weg. „Hört sich gut an. Ich geh dann mal und hol meinen Wagen.“ „Aber wieso macht ihr das? Ihr könntet alle verschwinden und friedlich leben!“, rief Siberian. „Hm. Dieser allerletzte Job ist ziemlich gefährlich.“ Yoji machte eine theatralische Pause. „Aber das erhöht die Chancen, dass der Hitzkopf auf der Strecke bleibt und ich mir mein Schätzchen wiederbeschaffe!“ Er zwinkerte neckisch, dann verschwand auch Yoji. Ken drehte sich wütend um und stopfte seine Hosen in die Ledertasche auf seinem Bett. „Macht doch was ihr wollt!“ Mit einem Zug schloss er den Reißverschluss. Danach betrachtete Ken den Haufen mit seiner Habe. Die Sekunden verstrichen. Der Motor von Yojis Wagen heulte auf. „Ahhh, verdammt! Warum lass ich mich immer in so was mit reinziehen!“ Er packte seine Buguk und stürmte aus dem Haus. In der Villa waren Aika und Aya nicht lange unentdeckt geblieben. Jedoch hatten sie ihre Entdecker immer schnell und fast lautlos ausschalten können. Bis jetzt hatte noch niemand Verdacht geschöpft. Das Dachgeschoss war nicht besonders gut bewacht gewesen. Auf dem roten Teppich, der im gesamten Gang verlegt worden war, fielen die Blutflecken kaum auf. Die dunklen Flächen sahen eher aus, als hätte jemand Wasser verschüttet. Am anderen Ende öffnete sich der Flur zu einem Treppenhaus. Zwei Wendeltreppen verbanden die Angestelltenzimmer mit dem dritten Stock. Sie trafen sich auf einer erhöhten Ebene, von der einige flache Stufen in einen kalten, spartanischen Raum führten. Eine Art Konferenzraum, oder Büro. Weit im hinteren Bereich standen ein Schreibtisch aus Teakholz und ein Chefsessel aus dunkelbraunem, sehr gepflegtem Leder, die sich vom weißen Marmor wie Pfefferkörner auf einem Häufchen Salz abhoben. Aika ging langsam an den Stühlen und der langen Tafel in der Mitte des Saales vorbei. Die Leuchten an der Decke verbreiteten nur gedämmtes Licht. Auf lackierten Sayas an Angels Rücken spiegelte sich der schwache Schein der Lampen. Ihr Blick fiel auf die blank polierte Tischplatte. Wie gerne würde sie diesen perfekten Gegenstand zerstören. Aber sie durfte nicht. Keiner sollte auf das Motiv der Tat aufmerksam werden. Aya bedeutete ihr zu gehen. Aika starrte ihn an, bewegte sich aber keinen Millimeter. „Was ist denn? Wir müssen weiter!“ Die Anspannung machte ihn reizbar. Einen Wimpernschlag später verstand Abyssinian, was geschehen war. In der geschwungenen Klinge von Angels gezogener Katana spiegelten sich zwei Wachmänner, die gleich durch den Durchgang links hinter ihm kommen würden. Es war zu spät um zu entkommen. Augenblicke später hatten die beiden Männer Aya und Aika entdeckt. Einer von ihnen schoss ohne Vorwarnung, die Kugel ging vorbei. Fast im selben Moment landete eines von Angels Wurfmessern in der Kehle des anderen. Aya nutzte die darauf folgende Verblüffung des Schützen, um ihn ebenfalls auszuschalten. „Verdammt, der Schuss hat uns garantiert verraten!“ Wie um Ayas Aussage zu unterstreichen, heulte im nächsten Moment die Alarmanlage auf. Kurz entschlossen rannten die beiden in den Raum, aus dem die Wächter gekommen waren. „Volltreffer!“ Angel zog ihre Pistolen. Sie waren in einem fensterlosen Gang gelandet. Rücken an Rücken erwarteten die Rächer ihre Gegner. Als diese dann von beiden Seiten in den Raum eindrangen, fiel kein Schuss. Zwischen den mit schwarzen Anzügen gekleideten Bodyguards drängte sich Takatori nach vorne. „Wer wagt es, in meine Villa einzudringen?“ Mit zornigem Blick musterte er die Angreifer. „Der Bengel von diesem Fujimiya, wie interessant. Ich dachte, du wärst tot! Genau wie der Rest deiner treulosen Familie!“ Aya blickte seinem Erzfeind in die Augen. „Was gibt einem Nichts wie dir das Recht, mir in die Augen zu sehen?!“ Einer der Anzugträger befahl den beiden, die Waffen nieder zu legen. Ihnen blieb keine andere Wahl, als die Schwerter und Pistolen fallen zu lassen. Mit hämischem Grinsen schlenderte Reiji Takatori um die Entwaffneten herum, beschützt durch ein dutzend Maschinenpistolen. „Blondes Haar...“ Er packte Angels Schopf. „Eine dieser Gaijin Mädchen, die unser Land ins Unglück stürzen! Keine Ehre im Blut, keine Anmut im Leben, Dreck aus dem Westen!“ Er ließ sie los. „Was führt einen gesichtslosen Menschen wie dich in mein Haus?“ Angel blickte ihm abermals direkt in seine Augen: „Sagt Ihnen der Name de Montal Ban etwas?“ Bei diesen Worten weiteten sich Takatoris Augen. „Ich erinnere mich. Der Journalist und seine Frau. Aber das ist eine Ewigkeit her..“ „Fünf Jahre“, fiel ihm Angel ins Wort. „Und was hat das mit deiner Anwesenheit zu tun?“, knurrte er gereizt. „Mein Name lautet Aika de Montal Ban!“ Sie trat einen Schritt nach vorne. „Das ist unmöglich. Sie ist in den Flammen umgekommen und restlos verbrannt!“ Aya hatte vergessen, dass sie umstellt waren und starrte seine Partnerin an. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er nichts über sie wusste, außer ihr Herkunftsland und dem, was sie zusammen erlebt hatten. „Ich stehe leibhaftig vor Ihnen, Takatori!“, schrie Angel ihn an. „Verschone mich mit deinem Gebrüll. Ich werde mich jetzt zurückziehen und mir überlegen, wie ich euch ein für allemal aus dem Weg räume. Da mein Bruder mittlerweile das Zeitliche gesegnet hat, habe ich nichts mehr zu befürchten. Aber ihr werdet an seiner Stelle für den Tod meiner Söhne büßen! Und wenn ich mit euch fertig bin, werdet ihr den Abgrund, in den ich euch schicke als Paradies sehen!“ Reiji Takatori schlenderte den Gang hinunter, nachdem er seinen Leuten ein Handzeichen gegeben hatte. Nicht ohne Widerstand ließen sich Aika und Aya abführen. Zur selben Zeit rasten die vier anderen durch die Innenstadt. Auf der Rückbank zankten sich Dilara und Ken immer noch. „Wir hätten einfach abhauen können! Jetzt werden wir alle draufgehen!“, schrie er sie an. „Ach ja! Aber unsere Freunde willst du sterben lassen? Ist das nicht egoistisch?“, gab sie Kontra. „Nein! Es wäre klug!“ „Ich komme eh für meine Taten in die Hölle! Aber ich will mir nicht die Schuld aufladen, meine Freunde in der Stunde ihrer Not im Stich gelassen zu haben!“ Dilaras Stimme überschlug sich fast. „Ja?! Und ich soll wohl die Schuld auf mich nehmen, meine Liebste einfach dem sicheren Tod zu überlassen?“ Ken rüttelte sie. „Nimm dir ein Beispiel an Aya! Er geht einfach mit Aika, ohne dass sie überhaupt miteinander sprechen mussten!“ Sie riss sich los. „Das tut er nicht aus Liebe! Er tut es, weil er eine Rechnung mit diesem Takatori zu begleichen hat! Genauso wie Aika! Nur weiß ich nicht, weshalb genau sie Rache nehmen will!“ Er hielt Dilaras Handgelenke fest. „Der Rotschopf ist nicht aus Liebe mit ihr gegangen?“ Endlich hörte Rose auf zu schreien. „Welche Rechnung?“ Yoji blickte weiter auf die Straße als er ihr antwortete: „Seine Familie kam bei einem von Takatoris Anschlägen um. Seine Schwester liegt seit über 3 Jahren im Koma und wird wahrscheinlich nie wieder aufwachen. Er tötet jeden, den er für schuldig hält!“ „Das wusste ich nicht…“ Dilara biss sich auf die Unterlippe. „Ich dachte, Aika wollte die Chance nutzen um ihre Familie zu rächen…“ Sie blickte zum Fenster hinaus. „Sie hat dir das erzählt?“ Omi drehte sich um. „Euch etwa nicht?“ Erwartungsvolle Stille erfüllte das innere des Autos. „Entschuldigt. Ich denke, sie hat jetzt nichts mehr dagegen, dass ihr es wisst. Sie kommt aus Deutschland, wie allen hier bekannt ist. Maya und Aika waren beste Freundinnen und Nachbarn. Vor über fünf Jahren wurde ein Feuerattentat verübt, bei dem die Eltern, sowie Mayas Großmutter getötet wurden. In derselben Nacht sind Aika und ihre beste Freundin rekrutiert worden. Man hat sie in eine Art Trainingslager geschickt, in dem die beiden eure Sprache und ihre Kampfkunst erlernt haben. Aika lebte seit dem Augenblick des Anschlags nur für ihre Rache. Sie sagte, sie würde nicht eher aufgeben, bis Takatori tot sei.“ „So ist das also gewesen.“ Omi drehte sich wieder nach vorne. Auf den hellen Ledersitzen trieben die vielen Lichter, von den Häuserfronten über ihnen, ein buntes Farbenspiel. „Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!“ Dilara krallte ihre Finger in den Stoff ihrer Hose. Ken lehnte sich zurück. „Wie ich diese Kamikaze-Aktionen hasse!“ Im Keller der Takatori Villa knieten Aya und Aika auf dem nackten Betonboden. Ihre Arme waren mit Handschellen an der Wand über ihren Köpfen befestigt. Takatori stand hinter ihnen, ein langes Bambusrohr lässig unter den Arm geklemmt. Sie konnten ihn nicht sehen, weil ihr Gesicht zur Wand zeigte. „Nun, wie fühlt ihr euch jetzt, ihr Möchtegernrächer? Ich kann mit euch machen, was ich will! Wenn ich Lust dazu hätte, könnte ich euch Jahre lang hier festhalten und quälen! Aber ich werde gnädig sein. Ihr dürft schon heute Nacht sterben.“ Takatori machte eine kurze Pause, bevor er hinzufügte: „Allerdings erst, wenn ich meine gesamte Wut an euch entladen habe!“ Als Reiji den Bambusstab nach oben schwang, gab es ein surrendes Geräusch. Aika schloss die Augen. Yoji hatte den Wagen in einer Straße, in einiger Entfernung zur Villa geparkt. Auf leisen Sohlen liefen die vier schwarzen Gestalten in verschiedene Richtungen davon. Ken und Dilara nahmen den direkten Weg. Yoji kam von Westen und Omi nahm unwissend fast den gleichen Weg wie Angel und Abyssinian. Kurz vor dem Vordereingang hielt Ken seine Freundin zurück. „Warte. Ich muss dir noch etwas sagen.“ Er zog sie hinter die Mauer, die das ganze Grundstück umschloss. „Entschuldige bitte mein Verhalten von vorhin. Ich mache mir nur Sorgen um unsere Zukunft. Ich will dich nicht verlieren und schon gar nicht auf diese Weise!“ Beinahe hätte Dilara zu weinen begonnen. „Vergeben und vergessen. Wir sollten nicht im Streit da hinein gehen. Ich würde mir so ein Ende nie verzeihen.“ Sie küsste und umarmte ihn. Einige Meter Luftlinie entfernt, sprang Yoji in den Garten. Trotz der kalten Luft verströmte die Hecke unter der Mauer den typischen Duft. Glücklicherweise war das gesamte Gelände relativ schlecht beleuchtet. Es war ein Garten im aufwändigen Zen-Stil, mit Laubbäumen, Kiesflächen und kleinem Teich mit Wasserfall. Nichts, was sich ein normaler Bürger leisten könnte. Seine Augen suchten die Umgebung nach einem Eingang ab. Nichts, er würde näher an das Gebäude heran müssen. Auch Omi stand vor einem ähnlichen Problem, nur dass er seines leichter beheben konnte. Nachdem er den Türwächter mit der Armbrust aus sicherer Entfernung erledigt hatte, musste Omi nur einen Minisprengsatz am Schloss anbringen, der den Sperrbolzen vernichtete. Vorsichtig stieß er den Dienstboteneingang auf. Im gefliesten Gang war niemand zu sehen. Fast geräuschlos schob Omi sich an der Wand entlang. Der Keller war so still wie eh und je, als Takatori ihn verlassen hatte. Angels Kopf lehnte an der Wand, wo ihre Stirn einen roten Flecken hinterließ. Sie hatte die Augen immer noch geschlossen, hörte nichts außer Ayas gepresstes Atmen neben sich. Ihr Körper schmerze. An ihren Armen sah man die Auswirkungen der Schläge am deutlichsten. Große, längliche, blaue Blutergüsse auf ihrer weißen Haut. Aya erging es nicht besser. Die Kleidung verbarg jedoch fast sämtliche Spuren. Endlich rang sich einer der beiden zum Sprechen durch. „Angel? Wie kommen wir hier raus?“ „Keine Ahnung, ich will mich ehrlich gesagt gar nicht bewegen…“ Die Kettenglieder rutschten einzeln über die Verankerung in der Wand. „Wo sind unsere Waffen?“ Aika versuchte sich mit einem Blick über die Schulter einen groben Überblick zu verschaffen. „Da hinten neben dem Eingang! Jetzt bleibt nur noch die Frage, wie wir von den Ketten loskommen.“ Hoch über Aikas Kopf befand sich die Aufhängung ihrer Kette. „Wir haben Glück.“ Aya richtete die Augen ebenfalls nach oben. „Seit wann bezeichnet man eine ausweglose Situation denn als Glück?“ Angels Sarkasmus schien nicht unter den Schlägen gelitten zu haben. „Das sind gebogene Haken. Alleine ist es unmöglich, die Kette darüber zu bekommen. Aber zu zweit…“ Er stellte sich hin. Angel verstand. Mit Ayas Hilfe erreichte sie knapp die Befestigungsvorrichtung. Nach einigen Versuchen schaffte sie es, eine der Ketten zu lösen. Abyssinian war frei. Mit einigen schnellen Schritten gelangte er zu den Waffen. Ein Schuss mit Aikas Pistole genügte, um seine Partnerin zu befreien. Über ihnen waren ihre Freunde allesamt in die Villa eingedrungen. Dilara hatte die Führung übernommen. Sie hastete durch die Gänge des Haupthauses. Mit einem gezielten Fußtritt warf Rose die erste Tür auf. Das Wachpersonal war zu perplex um etwas zu unternehmen. Ohne Rücksicht feuerte das Mädchen in den Raum. Auf einem Bildschirm waren die Bewegungen der Wachposten zu erkennen, die sich in dieser Etage der Villa aufhielten. Anscheinend waren sie mit Peilsendern ausgestattet worden, damit die Wächter der Wächter sie kontrollieren konnten. Ken untersuchte einen der Toten und entwendete ihm seine Waffe. Ohne ein Wort verließen die beiden das Minibüro. Der Teppichboden verschluckte fast alle Trittgeräusche. Beinahe wäre Dilaras Herz stehen geblieben, als unerwartet die Tür am Ende des Flurs aufgerissen wurde. „Halt! Ich bin es!“ Omi war durch die Küche gekommen. An seiner Wange leuchtete ein roter Schnitt. Ken war erleichtert. „Du hast uns gehörig erschreckt. Wo ist Balinese?“ „Keine Ahnung! Wir müssen weiter! Erster Stock, los!“ Der Jüngste lief los. Dilara drehte sich nochmals prüfend um. „Wo steckt Yoji nur?“ „Hey Rose! Wir müssen!“ Ken forderte sie auf, ihm zu folgen. Yoji hatte sich bereits zum zweiten Stock durchgeschlagen. Verwirrt blickte er sich um. Keine Anzeichen dafür, dass einer der vier, oder Angel und Abyssinian, hier gewesen war. „Verdammt, wo sind die alle? Ich sollte vielleicht ganz nach oben gehen. Hoffentlich sind die andern wohlauf!“ Yoji rannte auf die Anzugträger zu, die ihm entgegen kamen. Er hatte jedoch mehr mit ihnen vor, als sie nur auszuschalten. Der erste Stock bestand eigentlich nur aus zwei großen Räumen. Der eine war als Lounge konzipiert. In dem sehr westlichen Stil dominierten die Farben Dunkelrot und Grasgrün. Zahlreiche weiße Orchideen lockerten die Struktur auf. An den Wänden waren Lautsprecher eingelassen und an der Front des Raumes konnte eine Leinwand für Videoübertragungen entrollt werden. Den Weiß-Mitgliedern blieb jedoch keine Zeit, den Geschmack der Zielperson unter die Lupe zu nehmen, da sich eben in diesem Raum ein duzend Wächter verschanzt hatten. Die Couch wurde als Deckung missbraucht und der relativ schmale Eingang machte es unmöglich, den Raum unter Dauerfeuer zu betreten. Ken und Omi lehnten an den Seiten der Tür, um bei Gelegenheit zu schießen. Dilara war derweil im Alleingang zum anderen Zimmer gelaufen. Es hatte sich als Büro herausgestellt. Da keine Menschenseele weit und breit zu sehen war, beschloss sie, nach Informationen über den Aufenthaltsort ihrer Freunde zu suchen. Der Computer auf dem Schreibtisch war ausgeschalten. Daneben lagen auf dem schwarzen Tisch einige Notizen. Termine und Telefonnummern, aber keine Anhaltspunkte, die ihr weitergeholfen hätten. „Scheiße! Wir müssen schnellstmöglich rausbekommen, wo Aika und Aya sind! Kacke! Wo bleiben denn die Jungs?!“ In ihrer Aufregung warf Rose die Vase mit den Zierblumen vom Tisch. Ken und Omi waren bis zu diesem Zeitpunkt keinen Schritt weiter gekommen. Die Eroberung dieses Raums war unumgänglich. Sein zweiter Ausgang führte in ein separates Treppenhaus, durch das man in den Bereich gelangte, in dem Aika und Aya überwältigt worden waren. Man sparte sich auf dem Dienstbotenweg eine Menge Umwege und Angreifer. Dilara hatte das Büro verlassen und hastete nun auf ihre Freunde zu. „Aus dem Weg! Ich erledige das!“ Im Laufen zog sie zwei kleine Kugeln aus ihrem Gürtel und stopfte sie in eines der Magazine ihrer Pistolen. Mit einem Hechtsprung kam sie für Sekundenbruchteile an der offenen Tür vorbei geflogen, wobei sie genau zwei Schüsse abgab. Sie rollte sich ab und kam hinter Omi zum Liegen. Dilara sprang auf. „Wir können jetzt rein! Beeilt euch!“ Ohne zu zögern betrat sie den Raum. Überall lagen die Anzugträger auf dem Boden, schlafend, wie sich herausstellte. „Was hast du gemacht?“ Ken stieg über die Trümmer eines Sessels, der den Kugelhagel nicht überlebt hatte. Omi antwortete für Dilara: „Das war die von mir entwickelte Testmunition, mit dem gleichen Gas, das Rose schon bei unserem ersten Treffen verwendet hatte. Die Wirkung beträgt ungefähr ein Zehntel der Zeit von damals, wir sollten also schnell verschwinden.“ Er schnippte etwas hinter sich in den Raum. Ken hielt Dilara die Tür auf und verschwand hinter Omi als letzter im Treppenhaus. Rose drehte sich unterm Laufen um. „Was hast du da weggeworfen Bombay?“ „Ein Giftpaket. In etwa dreißig Sekunden wird sich die Versiegelung öffnen und das Zeug killt alle, die sich im Umkreis von zwanzig Metern aufhalten. Erst in einer halben Stunde werden die Werte wieder normal sein.“ Ken keuchte hinter den anderen die Stufen hinauf: „Hätten wir die nicht verschonen können?“ „Ja, war das nötig?“ Rose blieb vor der Tür im zweiten Stock stehen. „Es war nötig. Wenn irgendwelche Informationen über uns in Umlauf gebracht werden, können wir uns nirgends mehr verstecken.“ Ken und Dilara schauten sich kurz an. „Alles klar?“, erkundigte sich Omi. Beide nickten. „Dann weiter! Vielleicht ist uns Yoji schon voraus.“ Das war er tatsächlich. Der gläserne Gang im dritten Stock führte auf eine Art Terrasse. Es war ungewöhnlich still hier. Seine Sinne waren aufs Äußerste geschärft, als Yoji sich geduckt zu einem weiteren Eingang auf der gegenüberliegenden Seite. „Den Raum hätte ich wahrscheinlich schneller erreicht, wenn ich vor dem Glasgang abgebogen wäre. Egal. Wo sind die anderen? Das gibt es doch nicht, dass die mir so weit voraus sind! Diese blöden Wachfuzzis hatten auch keinen Schimmer, wo die Gefangenen sind. Verdammt noch mal!“ Ohne Vorwarnung zerschmetterten mehrere Kugeln das Glas der Verandatür. Reflexartig warf sich Yoji zu Boden. Innerhalb weniger Augenblicke war er von beiden Seiten umstellt. Hastig drehte sich Balinese in alle Richtungen, immer in die Läufe der Maschinenpistolen blickend. „Keine Bewegung! Hände hoch, oder wir schießen!“, schrie ihn einer der Anzugträger an. „Ich soll die Hände nach oben nehmen?“ Yoji lächelte. „Na gut, wie ihr meint.“ Mit einem schnellen Ruck zog er die Arme nach oben. Der worthabende Wächter blickte ihm direkt in die Augen. „Scheiße. Was war das?“ Doch er bemerkte nicht, dass sein Körper bereits auseinander fiel. Aika und Aya irrten zur selben Zeit zwischen den Kellerräumen umher. Das Schloss ihres Gefängnisses zu knacken war ein leichtes gewesen. Endlich fanden sie einen Weg nach oben. In dem engen Aufgang waren sie ein leichtes Ziel für mögliche Angreifer, doch der unterste Stock schien wie ausgestorben. Nach einigen Minuten standen sie in der großen Eingangshalle. Auch hier war es zu still. „Wo sind die alle? Das ist fast schon unheimlich!“ Aika wäre beinahe vor ihrem eigenen Spiegelbild erschrocken, als sie sich umdrehte. Aya schritt mit gezogener Katana auf eine der Türen zu. „Das ist seltsam. Was ist hier passiert?“ Vorsichtig blickte er in den vor ihm liegenden Raum. „Erschossen. Jemand war vor kurzem hier und hat uns die Arbeit abgenommen!“ Wie zur Bestätigung hallten einige Schüsse von oben. Aika schlug den Weg zur Treppe ein: „Verdammt! Wenn mir jemand zuvorkommt, war alles umsonst! Beeil dich!“ Ohne ein weiteres Wort folgte Aya seiner Freundin. Die Schüsse kamen aus Dilaras Waffe. Sie war als erste in das Tatamizimmer für Teegesellschaften gegangen. Jetzt folgten ihr auch Ken und Omi. Innerhalb weniger Augenblicke waren alle Gegner ausgeschaltet und der Raum verwüstet. Die drei machten kehrt um das Stockwerk nach oben zu verlassen. Auf dem Weg entdeckten sie einige von Yojis Opfern. „Jemand war vor uns hier!“ Dilara zwang sich, die Leichen näher zu betrachten. „Balinese“, rief sie, „das waren eindeutig seine Drähte! Keine Klingen! Er muss hier vor uns vorbeigekommen sein!“ Ken wirkte erleichtert. „Du hast Recht! Wir sollten schnellstmöglich nach oben!“ Dilaras Team legte eine härtere Gangart ein, die mehr Risiko bedeutete, aber flotteres Vorankommen garantierte. Glücklicherweise hatte Yoji die meisten Wächter in diesem Stock bereits erledigt. Nur drei oder vier waren von ihren Posten an anderen Stellen des Hauses nach oben geeilt, um ihre Kameraden zu unterstützen und hatten damit ihr eigenes Todesurteil besiegelt. Einige Zeit später standen auch die beiden Jungs und Rose auf der Terrasse. Ohne weiter zu zögern, folgten sie den Fußspuren zur anderen Tür. Yoji hatte derweil das Dachgeschoss erreicht. Nach den Blutspuren in dem riesigen Büro mit dem weißen Marmor war er sich sicher gewesen, wenigstens Aika und Aya hier zu finden. Nichts. Niemand war mehr hier. Scheinbar war Takatori geflohen oder hatte sich versteckt, Aber wo? Und die anderen konnten sich auch nicht so einfach in Luft aufgelöst haben. Nach einigem Hin und Her entschied sich Yoji, wieder nach unten zu gehen. Scheinbar war er vor den anderen in der Villa gewesen. Er drehte sich um und joggte in Richtung Treppe zurück. Kaum unten in Takatoris Bonzenbüro kamen ihm endlich die vermissten Mitstreiter entgegen. „Himmel, wo wart ihr denn?“ Yoji war sichtlich erleichtert. „Allahallahh! Was heißt hier, wo waren wir? Wo warst du?“ Dilara gestikulierte wie immer wild. „Wo sind die anderen zwei?“ Ken blickte seinen Kumpanen erwartungsvoll an. „Sie sind nicht hier.“ „Was?!“ Dilaras Freude über Yojis Gesundheit wich der Sorge um ihre Freunde. Aya uns Aika betraten als letzte die Veranda. Ohne Worte nahmen sie die Toten zur Kenntnis. Plötzlich erregte ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit. Unter dem Balkon schlichen zwei Männer in Richtung Straße davon. „Ist Takatori-san auch wirklich sicher?“ „Ja, sie werden denken, er sei bereits untergetaucht. Das kleine Teehaus im Garten wird niemanden interessieren.“ Aika hatte so angestrengt gelauscht, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie Aya neben ihr auf die steinerne Brüstung gestiegen war. Er packte den Ast des Baumes, dessen Krone ein wenig über dem Geländer hing. Bevor Angel ihn aufhalten konnte, war er gesprungen. Die hörte den dumpfen Aufprall seiner Füße auf dem feuchten Gras. Fast gleichzeitig rief einer der beiden Männer: „Was war das?“ Sie stieg ebenfalls auf die Brüstung und griff nach einem der Äste. „Wer ist da? Halt, stehen bleiben!“, drang die andere Stimme zu ihr nach oben. Danach fielen Schüsse. Aika sprang. In rasendem Tempo fiel sie drei, vier Meter. Ihre Hände glitten über das nasse Laub. Mit mehr Glück als Können bekam Angel den nächsten Ast zu fassen, der sie etwa zwei Meter über dem Boden bremste. Völlig durchnässt hing sie noch zwei Sekunden an ihm, bis die Pendelbewegungen sich abschwächten. Als ihre Füße den Boden erreichten, ging sie in die Knie, um den Fall abzufedern. Aya streckte ihr seine Hand entgegen. „Danke. Ich dachte, ich stürze mich zu Tode.“ „Ist ja nichts weiter passiert.“ Aika seufzte. Sie standen im Garten, in dem Teil, durch den Yoji in die Villa eingedrungen war. Von hier unten konnten sie die kaputte Scheibe im ersten Stock sehen. „Das passt alles nicht zusammen. Die Leichen im Erdgeschoss und im dritten Stock. Wer zur Hölle geistert hier herum?“ Angel wischte sich die Blätterfetzen von den nackten Armen. „Ist das von Bedeutung?“ Aya schaute sie an. „Nein, eigentlich nicht. Wo müssen wir lang? Die sagten etwas von Teehaus.“ „Da hinten, glaub ich.“ Aya zeigte auf eine Gruppierung großer Steine, die vor einem breiten Heckenstreifen standen. Sie eilten über die schwarzgraue Anlage. Weiter hinten ertönte in regelmäßigen Abständen der Klang des mit Brunnenwasser gefüllten Bambusrohrs, das durch das Gewicht auf einen Stein sank und den Inhalt wieder in den Teich ergoss. Wie erwartet verbarg die Hecke ein kleines Teehaus. Mit einem Fußtritt öffnete Aya die Holztür. Das Innere schien leer zu sein. Aika schaute sich um. Die Tatamimatten auf dem Boden schlossen genau auf die Kanten der jeweils anderen. Bis auf eine. „Abyssinian! Hilf mir bitte!“ Angel griff sich die Kante. Ihr Partner half ihr die Matte hochzuklappen. Darunter zeichneten sich die Umrisse einer Bodenklappe ab. Mit vereinten Kräften schafften sie es, diese anzuheben. Aya kletterte die Eisenleiter hinab, die sich ihnen offenbart hatte. Erst als er von unten das O.K. gab, tat Aika es ihm gleich. Die vier anderen waren ebenfalls aus der Villa geflüchtet. Ratlos standen sie im Schutze der von der Straße abgewandten Seite des Hauses. „Ich verstehe nicht, wie unsere Freunde sich einfach in Nichts auflösen können. Die müssen doch hier irgendwo sein!“ Dilaras Augen standen nicht still. Sie suchte die Umgebung nach einem Anhaltspunkt ab. „Ich kapier auch nix mehr. Keine Waffen, keine Spuren.“ Ken kratzte sich am Kopf. „Doch, es gab Spuren“, sagte Yoji. „Was für Spuren?“ Omi schaute ihn ungeduldig an. „Oben, im Dachgeschoss und in diesem Saal mit dem Tisch im vierten Stock. Da lagen schon ein paar von diesen Bodyguards rum. Wir können es nicht gewesen sein, weil ich der erste war, der diesen Teil der Villa betreten habe.“ Balinese band sich die Haare neu zusammen. „Das ist einleuchtend“, pflichtete ihm Omi bei. Langsam gingen die Weiß-Leute um das Gebäude herum. „Was machen wir jetzt?“ Ken zog sich seine Jacke wieder an, die er bei den Kämpfen immer um die Hüfte gebunden trug. „Ich schlage vor, wir warten in sicherem Abstand zum Haus. Am besten, wir fahren zurück nach Hause.“ Yoji schien nicht wirklich überzeugt von seinen eigenen Worten zu sein. „Auf keinen Fall!“, protestierte Dilara. „Wir sollten nach ihnen…“ Ein dumpfer Aufprall, dann Schweigen. Ken wirbelte herum. „Rose? Wo bist du? Ist dir was passiert?“ Das Mädchen rappelte sich auf. „Shit, du blutest ja!“ Er umarmte sie. „Nicht ich. Der!“ Dilara deutete nach unten. „Iiih, da ist ja nicht viel übrig. “Yoji stieß den toten Körper mit dem Fuß an. „Sie sind hier gewesen!“ Plötzlich war Rose in heller Aufregung. „Seht mal! Das Gras da ist ganz platt gedrückt! Das ist ein gepflegter Garten und hier liegt ein Ast, und das Fenster im ersten Stock ist kaputt!“ Yoji seufzte. „Ja, weil ich da eingestiegen bin. Allerdings kann ich mich nicht erinnern, das der Ast da lag.“ „Da ist Blut!“ Ken hatte in gebückter Haltung den Boden abgesucht. „Sieht aus, als wär es von der Waffe getropft.“ Omi lief voraus. „In diese Richtung! Vielleicht finden wir sie! Los! Sonst ist es wohlmöglich zu spät!“ Aika und Aya hatten den versteckten Raum entdeckt. „Jetzt ist der Zeitpunkt unserer Rache gekommen, Ran! Ich kann keine Minute mehr warten!“ Mit diesen Worten schoss Angel das Schloss auf. Was sie dahinter erblickte, ließ sie für einen Moment innehalten. Der helle Holzboden war ohne Makel. An den Wänden waren Tücher in rot und violett aufgespannt. In der Mitte des Zimmers prangte ein rundes Emblem in Form eines Drachens auf dem Parkett. Davor knieten Takatori und zwei wuchtige Leibwächter. Ohne ein Wort standen diese auf und griffen die Attentäter mit ihren Klingen an. Selbst Aya hatte Mühe, der Kraft ihrer Schläge zu widerstehen. Takatori grinste. „Ihr beide habt doch nichts dagegen, wenn ich mich nun verabschiede?“ Dabei stand er auf. Weder Aika noch ihr Partner hatten eine Chance, sich von ihren Gegnern abzuwenden um ihn aufzuhalten. „Vielleicht sehen wir uns im nächsten Leben! Sayonara!“ In diesem Moment konnte Aika sich wegdrehen. Wobei der Hühne das Gleichgewicht verlor und nach vorne fiel. Anstatt diesen Augenblick für den Todesstoß zu nutzen, griff Angel an ihren Gürtel und zog ein Shuriken Wurfmesser aus einer ledernen Hülle. Mit einem surrenden Geräusch flog es durch die Luft. Sie verfehlte ihr Ziel nicht. Takatori entfuhr ein Schrei, als sich die Zacken in seine Schulter bohrten. Gerade noch rechtzeitig konnte Aika den Hieb des Bodyguards blocken. Mit einem Ruck zog Reiji Takatori das Shuriken aus seinem Fleisch. „Dumme Gaijin! Wenn du mich mit diesem Spielzeug töten willst, solltest du höher zielen!“ Er lachte abgehakt. Angel duckte sich unter einem Schlag ihres Gegenübers hinweg und ihre Konterattacke setzte seinem Leben ein Ende. Mit einem Lächeln auf dem schweißnassen Gesicht blickte sie ihn an. „Takatori, Sie sind so gut wie tot. Sie scheinen nur zu dumm zu sein, es zu bemerken!“ Aya schmetterte seine Klinge auf den zweiten Bodyguard hernieder. Ohne den Besiegten weiter zu beachten, wandte er sich Angel zu: „Willst du ihn etwa entkommen lassen?!“ Abyssinian wartete nicht auf ihre Antwort sondern stürmte auf Takatori zu, der unbeirrt seinen Weg nach draußen fortsetzen wollte. Aikas Schwert zwang ihn zum Stehenbleiben. „Keine Sorge, er müsste schon bald etwas merken. Ich habe ihn vergiftet, mit einem der stärksten natürlichen Toxine.“ Wie vom Blitz getroffen blieb der korrupte Politiker stehen. „Was für ein Gift? Denkst du, ich könnte mir kein Heilmittel beschaffen? Ich bin Reiji Takatori!“ „Machen Sie sich keine Hoffnungen. Sie werden tot sein, noch bevor das Antiserum bereit steht!“ Aika setzte sich mitten in das Drachenemblem, legte ihre Katana auf die Beine und schaute ihren Erzfeind interessiert an. Aya blickte verwirrt von ihr zu Takatori und zurück. Gepolter ließ alle den Blick zur Tür richten. Dilara kam in den Raum gestürmt, die drei Weiß-Jungs im Schlepptau. „Angel! Du bist noch am Leben! Rotschopf auch! Wir dachten schon, ihr wärt getötet worden!“ Ihr Blick fiel auf den grauhaarigen Mann einige Meter vor ihr. „Ist das Reiji Takatori?“ „Ja, der bin ich! Geh zur Seite, du Gajin!“ Er machte Anstalten zu gehen. Doch seine Beine versagten den Dienst. „Was zum Henker?“ Er klopfte sich auf die Schenkel. „Oh, es beginnt zu wirken!“ Die jungen Männer und Dilara erkannten Aika kaum wieder. Ihr Gesicht leuchtete in allen Facetten der Genugtuung. „Was wirkt?“ Yoji drängte sich nach vorn. „Das Gift des australischen Inlandtaipans, einer Schlange. Takatori-san, ich werde Ihnen nun erklären, was in den nächsten 12 Minuten mit Ihrem von Falschheit und kriminellen Energien durchwirktem Körper geschehen wird. Das Gift hat sich in ihren Gefäßen ausgebreitet. Es wird ihre Nerven und Muskelzellen zerstören, danach ihre Eingeweide auflösen und erst dann werden Sie unter Qualen sterben dürfen. Im Gegensatz zu Ihnen, kann ich leider nicht versprechen, dass Sie die Chance haben, um den Tod zu betteln.“ Selbst die Weiß-Mitglieder hielten den Atem an. Angel hatte nicht vor, Takatori schnell zu erledigen, sie wollte ihn zu Tode foltern. Aya schien hin und her gerissen, von dem Gedanken sein Schwert mit Takatoris Blut zu tränken und der Möglichkeit, ihn einige Minuten Höllenqualen erleiden zu lassen. „Ai-chan! So kenne ich dich gar nicht!“ Dilara lief zu ihrer Freundin. „Bitte setze dich. Ich hab noch was zu sagen.“ Angel zog sie auf den Boden neben sich. „Also, Takatori-san. Sie haben meine Mutter töten lassen. Sie haben meinen Vater ebenfalls zum Tode verurteilt. Danach wurde unser Haus in die Luft gesprengt und ihre Körper haben nichts als ein Häuflein Asche auf dieser grausamen Welt hinterlassen!“ Reiji fing an zu husten. Er fasste sich an den Hals. Aika fuhr ungerührt fort: „Ich beschuldige Sie ebenfalls des Mordes an der Familie meiner verstorbenen Freundin Maya Tenno! Ihre Rache soll sie im Jenseits bekommen.“ Erste Krämpfe schüttelten Takatoris Körper und er kniete sich auf das Pakett. „Schweig, du dummes Gaijin Mädchen! Ich habe meine Hände niemals in Blut getaucht!“ Ohne auf seine Worte einzugehen, begann Angel abermals zu sprechen: „Durch Ihre gesetzlosen, illegalen Machenschaften, in die auch Ihre Söhne verstrickt waren, ist eine weitere Familie zu Tode gekommen und hat eine entwurzelte Tochter hinterlassen, und ein Liebender musste seine Geliebte ermorden! Sie werden wegen unzähliger Verbrechen in die Hölle kommen, aber diese hier sollen Sie selbst im Jenseits sühnen!“ Jetzt erhob Aya seine Stimme: „Ich werde den Namen Fujimiya reinwaschen! Von Ihrem Dreck! Ich werde ihn reinwaschen, mit Ihrem Blut!“ Takatori wollte loslachen, doch ein Schwall roten Lebenssaftes suchte seinen Weg aus seinem Mund. Aika blickte auf ihre digitale Armbanduhr. „Sie haben noch knapp zwei Minuten, um bei mir um Gnade zu winseln, danach werden Sie keine Gelegenheit mehr haben.“ „Vergiss es, Gaijin Schlampe!“, spie er ihr ins Gesicht. „Wie Sie wollen, Takatori-san.“ Mit einer raschen Handbewegung wischte sie sich das Blut von der Wange. Die nächsten Minuten verbrachten sie schweigend, während Takatori auf dem Boden herumrutschte und vor Schmerzen stöhnte. Er übergab sich auf eine Weise, die grauenvoll mitanzusehen war. Bald verwandelten sich die gegrunzten Laute in Schreien. Dilara wandte sich ab. Soviel Grausamkeit konnte sie nicht ertragen. Auch Ken und Omi senkten die Blicke. Yoji hingegen starrte Aika an. In ihren Augen regte sich nicht das kleinste bisschen Mitleid. Ebenso wie ihrer durchbohrte Ayas eiskalter Blick die sich krümmende Gestalt von Takatori. Eine Minute verstrich, dann lag dieser zuckend auf dem Rücken. Die Augen flehend auf Angels Schwert gerichtet. Langsam stand sie auf, zog die Katana aus der Saya und schwang es locker mit einer Hand. Aya erhob sich ebenfalls, scheinbar hielten sie die Zeit für gekommen. Angel blieb vor Takatoris Rumpf stehen und hob ihr Schwert über den Kopf. Abyssinian stand ihr gegenüber an Reijis Haupt. „Reiji Takatori! Der Teufel soll sich vor dem Tag fürchten, an dem Aika Tadano zur Hölle fährt!“ Während Aika das schrie, durchbohrte sie sein Herz. Fast im selben Augenblick hatte Ran gerufen: „Für Aya!“ und ihm den Kopf abgeschlagen. Es war zu Ende. Die langen Jahre des Wartens und der Hilflosigkeit hatten sich in diesem Moment in Vergessenheit aufgelöst. Alles was blieb, war Leere. Im Herzen, im Geist. Die Existenz war nun nicht mehr gerechtfertigt. Es lebte niemand mehr, der wusste, dass es jemals eine Aika de Montal Ban gegeben hatte. Dieses Wissen war mit Pershas und Reiji Takatoris Tod ausgelöscht worden. Oder doch nicht? Gab es ein Leben nach der Apokalypse? Lebte sie jetzt für ihre Liebe? Welchen Sinn sollte sie dem Leben zuordnen… All diese Fragen wurden von dem großen, schwarzen Loch in ihrer Brust verschluckt, das die Rache hinterlassen hatte. Dilara machte die Augen wieder auf. „Ist es... Ist es jetzt vorbei?“, flüsterte sie. Ken ging neben ihr in die Knie und umarmte seine Geliebte. Der Duft ihres Haares ließ ihn für einen kurzen Augenblick die Schrecken der Nacht vergessen. Omi blickte stumm den Leichnam an. Seine Erinnerungen wollten einfach nicht wiederkommen. Vielleicht war das auch besser so. Keine Vergangenheit, aber mit etwas Glück eine Zukunft, damit konnte er leben. Yoji dachte an Asuka. Wie viele Opfer mochte dieser Krieg gefordert haben? Wie viele mussten nun ihren Weg allein gehen? Gefangen in Trauer und Verzweiflung. Sein Blick wanderte zu Aika. Wie angewurzelt stand sie vor Takatori, unfähig sich zu bewegen. Aya wischte ihr über die Wangen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie weinte. Plötzlich wich alle Anspannung von ihr und Angel drückte sich zitternd an die Brust ihres Geliebten. Er hielt sie fest. Rans Gedanken kreisten um Angel und um seine geliebte Schwester Aya. Würde sie jemals aufwachen? Wie sollte er ihr je wieder in die Augen blicken können? War er ein schlechter Bruder gewesen? Wo sollte er sie jetzt hinbringen und würde Aika sie begleiten können? Es dauerte noch einige Zeit, bis die Freunde die Kraft fanden, aus der Villa zu flüchten. Mit schnellen Schritten hasteten die sechs getrennt voneinander zu Yojis Wagen. Als alle sich hineingezwängt hatten, raste er los. Unterwegs klingelte Yojis Handy, das er für gewöhnlich in der Ablage zwischen Fahrersitz und Beifahrer deponiert hatte. Omi ging ran. „Hallo! Hier Birman! Verdammt, was sollte diese Aktion? Ihr wart einfach verschwunden! Kommt sofort zum Narita Flughafen!“ „Warte, Birman! Aika und Aya sind bei uns!“ Omi redete einfach dazwischen. „Schön zu hören! Bis gleich!“ Die ehemalige Sekretärin hatte aufgelegt. Als der Älteste der Weiß-Truppe seinen Wagen einige Zeit später auf den Parkplatz des Airports fuhr, schoss eine vermummte Gestalt auf sie zu. Wie sich bald herausstellte, war es Manx. „Eigentlich wollten wir uns nicht mehr sehen, aber die Umstände zwangen mich dazu. Ihr zieht euch schnell um und seht zu, dass ihr zu euren Abflugterminals kommt! Yojis Flieger startet als erstes in dir USA! Danach folgen Omi, Ken und Dilara in den Maschinen, die fast zeitgleich in die Türkei, Spanien und zum chinesischen Festland aufbrechen. Aya wird sich auf einen Aufenthalt in Neuseeland einstellen müssen. Keine Sorge, deine Schwester wird dorthin verlegt. Als letzte fliegt Aika. Du wirst in deine Heimat zurückkehren. Eure Unterlagen befinden sich im Handgepäck. Ich wünsche euch allen das Beste! Gute Reise und viel Glück in eurem neuen Leben!“ Genauso schnell wie Manx erschienen war, verschwand sie auch wieder. Dilara, Ken, Aya und Aika waren indessen wie von Donner gerührt. Sie würden sich trennen müssen. Jetzt, da sie sich gerade gefunden hatten. Nachdem sie sich ihrer Arbeitskleidung entledigt hatten, schaute Yoji erst auf sein Ticket, dann auf die Uhr. „Leute. Es wird leider Zeit, sich zu verabschieden. In fünfzehn Minuten ist boarding für meinen Flug….“ Seine Augen füllten sich mit Tränen. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass es vorbei ist…“ Yoji umarmte Omi. „Ich auch nicht. Yoji, wir bleiben immer Freunde, nicht?“ Der Jüngste der sechs klammerte sich an ihn. „Klar! Wir werden uns hoffentlich irgendwann wieder sehen!“ Auch Ken und Dilara umarmten den großen Mann mit den grünen Augen. Vor Aya machte er jedoch Halt. „Ähm, es war mir eine Ehre, an deiner Seite zu kämpfen!“ Ran streckte ihm die Hand entgegen. Yoji ergriff sie und zog ihn an sich. „Du bist eigentlich ein netter Kerl. Pass mir bloß auf Ai-chan auf!“ „Mach ich“, versicherte Aya. „Ach und nun zu dir! Mein Schätzchen!“ Er kniff sie zärtlich in die Wange. „Du wirst doch nicht wegen mir weinen!“ Er hatte den wässrigen Rand in ihren Augen bemerkt. „Nein, ich hab nur was im Auge“, log sie. „Wie du meinst! Viel Glück, Ai-chan!“ Er umarmte sie kurz und ging dann in Richtung Haupteingang. Plötzlich jedoch drehte er sich um und gab ihr noch einen Kuss. Bevor Aya ihn dafür zur Rechenschaft ziehen konnte, rannte Yoji mit Siegergrinsen und einem Peacezeichen zum Gruß über die Straße zum Eingang. Dilara konnte ein Lachen nicht unterdrücken. „Rotschopf, du musst noch an deiner Reaktionsfähigkeit arbeiten!“ Aika wurde rot: „Entschuldige, damit hab ich nicht gerechnet.“ Doch Aya schien nicht sauer zu sein. Er wollte nicht allein weg. Sie war das einzige Lebewesen auf dieser Welt, das seine Gefühle verstand. Zusammen gingen die verbleibenden fünf in die Abflughalle. Als sie beim Security Check durch waren, wurde gerade Omis Flug aufgerufen. Es war halb sechs Uhr morgens und die Sonne war noch einige Stunden davon entfernt, aufzugehen. Omi und Ken verabschiedeten sich mit ihrem speziellen Männergruß. „Ich wünsch dir viel Spaß in deinem neuen Leben!“ „Ich dir auch!“ Dilara mochte Omi. Ihr war es schon bei Yoji schwer gefallen, Abschied zu nehmen. „Omi! Ich will nicht, dass du gehst! Jetzt wo wir gerade Freunde geworden sind!“ Dcke Tränen kullerten ihr aus den blauen Augen. „Ich wollte, wir könnten alle zusammen bleiben! Pass auf dich auf, Dilara-chan!“ „Mach ich.“ Sie ließ ihn los. Auch Aya umarmte ihn. „Du schaffst das schon. Hab eine schöne Zukunft, Omi-kun.“ „Danke, Aya. Ich werde mich bemühen.“ Kaum hatte sich Ran von ihm gelöst, fiel ihm auch schon Aika um den Hals. „Verzeih mir bitte, Omi. Ich wünschte, ich hätte meine Worte gezügelt bei der Sache mit Maya.“ „Ich habe dir längst verziehen. Jetzt musst du es nur noch selber tun.“ „Danke. Ich hab dich lieb, Omi-kun! Und ich werde dich so vermissen!“ Aika weinte schon wieder. „Ich dich auch!“ Er schaute ihr in die Augen. Danach ging er ein paar Schritte und drehte sich nochmals um. „Danke dafür, dass ihr mir eine Familie wart! Passt euch auf und lebt wohl!“ „Hast du ein Taschentuch, Dilara-chan?“, schniefte Aika. „Ja, hier, bitte.“ Ihre Freundin reichte ihr eines. „Danke. Jetzt sind wir nur noch zu viert… Ich will nicht wieder allein sein!“ Sie klammerte sich an Aya. Eine Zeit lang saßen sie zusammen vor dem riesigen Fenster und blickten in den sich langsam aufhellenden Nachthimmel. Eine weitere Durchsage schallte aus dem Lautsprecher: „Der Flug NA302 Richtung Madrid ist nun bereit zum Boarden. Sehr geehrte Passagiere des Fluges NA302, bitte begeben Sie sich umgehend zum Terminal J15!“ Dilaras Magen verkrampfte sich. Ken stand auf. Seine Mundwinkel zitterten. Aika und Aya verließen ebenfalls ihre Plätze um sich von ihm zu verabschieden. Ken drückte Aya kurz an sich: „Tut mir Leid, dass wir uns immer gestritten haben. Ich mag dich trotzdem!“ „Ich werde unsere kleinen Reibereien sicher vermissen. Machs gut, Ken!“ Aya meinte es ernst. „Klar, machs besser!“ Ken streckte den Daumen nach oben. „Ich werde unsere Gespräche vermissen. In den letzten Monaten hab ich dich erst richtig kennen gelernt. Ich hoffe, du kannst jetzt glücklich sein!“ Ken schaute Dilara an. „Ich werde dich noch bis zum Terminal begleiten.“ Sie hängte sich bei ihm ein. Ken hob die Hand zum Gruß. „Macht’s gut, Leute!“ Aika und Aya winkten zurück, bis ihre Freunde in einem der Eingänge verschwanden. „Ich bin so traurig!“ Aika lehnte sich an die Brust ihres Freundes. Er legte die Arme um sie. „Sie haben mir mehr bedeutet, als ich mir eingestehen wollte.“ Ken und Dilara standen derweil vor der Gangway. Sie waren die letzten. Die Check-in Mitarbeiterin machte den Mund auf, um Ken aufzufordern sich umgehend ins Flugzeug zu begeben, zögerte jedoch beim Anblick der weinenden Dilara. „Dilara-chan. Meine süße kleine Dilara-chan!“ Er drückte sie an sich. „Du kannst mich nicht einfach allein lassen! Jetzt wo wir glücklich sein könnten!“ In ihren dichten Wimpern hatten sich einige Tränen verfangen. „Ich verspreche dir, wir werden uns wiedersehen! Ich werde immer an dich glauben und darauf hoffen, dass unsere Wege sich abermals kreuzen!“ Kens Gesicht war nun ebenfalls tränennass. „Ich warte auf dich! Ich bete für uns! Mein Herz wird keinen anderen akzeptieren!“ Dilaras meerblaue Augen fixierten Ken. „Ich vertraue dir. Ich liebe dich, Dilara-chan!“ Er beugte sich zu ihr. „Ich dich auch, Askim*.“ Sie legte die Arme um seinen Hals, bevor sie sich ihren letzten Kuss gaben. Ein paar Minuten später schlurfte Dilara zurück zu Aika und Aya. Ohne ein Wort legte sie den Kopf auf Angels Schulter. Ihre Freundin strich ihr über den Kopf. „Oh, Aika! Ich bin so allein! Und in einer halben Stunde muss ich euch auch verlassen!“ Sie schluchzte. „Wisst ihr was? Wir kaufen uns jetzt noch einen Eisbecher!“ Angel zwang sich zu einem Lächeln. „Eis?“ Aya legte den Kopf schief. „Wir haben noch nicht mal Frühling! Ist das nicht zu kalt?“ „Keine Widerrede! Wir machen das jetzt!“ Aika zog die beiden hinter sich her zu dem Flughafencafé. Nach einigen Überredungsversuchen willigte Dilara doch ein, sich einen Joghurteisbecher spendieren zu lassen. „Weißt du schon, was du in der Türkei machst?“ Angel lud eine Erdbeere auf ihren Löffel und flößte sie Aya ein. „Ich bin mir nicht sicher. Wahrscheinlich leg ich mir erst mal ne Wohnung zu.“ Sie stocherte in der weißen Masse herum. „Hört sich vernünftig an. Das Geld dazu hast du ja glücklicherweise.“ „Ja. Ein kleiner Trost.“ Wieder tropften Tränen von Dilaras Wangen in ihr Eis. Sie spürte Aikas Hand auf dem Rücken. „Das wird schon. Hör nur nicht auf, an dich zu glauben. Irgendwie werd ich das Gefühl nicht los, dass noch mal irgendwas passieren wird.“ Aya mischte sich ein: „Wie meinst du das?“ „Ich denke“, Aika kratzte den letzten Rest aus dem Glas, „Schicksalswege sind unvorhersehbar.“ „Das sieht man“, sagte Dilara trübselig. Wieder kam eine Durchsage, diesmal für einen Flug der Türkisch Airline, Ziel Antalya. „Nein, ich will nicht!“ Dilaras Mund wurde strohtrocken. „Hier kannst du auch nicht bleiben. Wir werden dich begleiten. Komm, Aya!“ Angel legte ihrer Freundin den Arm um die Schulter, mit dem anderen hakte sie sich bei Ran ein. Als sie am Terminal angekommen waren, umarmte Dilara erst Aya. „Wehe, du verabschiedest dich nicht richtig von meinem Blondschopf! Ich krieg alles raus und schick dir die türkische Mafia!“ Sie versuchte, sich locker zu geben. „Vielen Dank für deine Sorge! Ich würde ihm schon was erzählen, wenn er nur winken würde!“, grinste Aika. „Das befürchte ich. Deswegen sag ich es ihm gleich, bevor ihr euch wieder fetzt!“ Rose zuckte mit den Schultern. „Duuuuu! Warte! Ich werde mich bitterböse revangieren!“ Angel streckte ihr die Zuge raus. „Allahalllaaahh! Immer diese Drohungen!“, lächelte Dilara. „Komm her, du alte Nervensäge!“ Aika steckte sie Arme aus. „Machs gut! Viel Glück Dilara-chan!“ „Ja, du auch Ai-chan! Ich denk an dich!“ Die Mädchen gaben sich links und rechts ein Küsschen auf die Wange. „Ich auch an dich! Gute Reise!“ Angel winkte ihrer Freundin noch nach, bis diese um die Biegung der Gangway verschwunden war. Sie wandte sich Aya zu. „Nun sind nur noch wir beide übrig.“ Er nickte. „Gehen wir.“ Gemeinsam schlenderten sie zur Mitte der Abflughalle. Immer mehr Menschen hasteten den breiten Gang entlang. Der Zeiger der großen Uhr nicht weit von ihnen sprang auf dreiviertel sieben. „Wenn ich zurückdenke, ist die Zeit, die ich hier verbracht habe, viel zu schnell vergangen.“ Aika schaute sich um. „Es kommt mir wie gestern vor, als Maya und ich hier ankamen. Müde und ohne Schimmer, was uns erwarten sollte. Ich hätte nicht gedacht, alleine zurückzukehren. In meine Heimat.“ Aya nickte. „Es ist seltsam. Noch vor einem Jahr dachte ich, der Mord an meiner Familie und das Koma meiner Schwester blieben für immer ungesühnt. Jetzt ist mein größter Feind Geschichte. Mein Herz fühlt sich so leicht an. Alles, was jetzt noch zählt, ist die Gesundheit von Aya-chan, und dass meine Liebe dir gilt.“ „Ich dachte nicht, dass ich mich jemals verlieben könnte. Aber nun scheint der Platz, den die Rache bisher eingenommen hatte, frei für dieses positive Gefühl.“ Der Gong, vor der Durchsage ließ beide innehalten. „Sehr geehrte Fluggäste! Wir bitten die Passagiere der Flugnummern LH785 und AA319 sich zu ihren Terminals zu begeben! Ihre Maschinen sind bereit.“ Aika spürte einen Kloß im Hals. Der Zeitpunkt des Abschieds war unabwendbar. Wie auf Kommando fielen sich die beiden Liebenden in die Arme. Ohne auf die anderen Menschen zu achten, die das Paar neugierig beäugten, gaben sie sich einen langen Kuss. Ein alter Japaner, der langsam vorbei schlenderte schüttelte den Kopf. „Die Jugend von heute… tststs“ Erst als ihre Decknamen bereits zum zweiten Mal ausgerufen worden waren, konnten sich Aika und Ran voneinander lösen. Sie mussten in entgegengesetzte Richtungen. Beide streckten die Finger, um den anderen so lange wie möglich zu spüren. Mit kullernden Tränen trennten sie sich voneinander. Nach einigen Metern drehte sich Aika noch einmal um. Sie erblickte Aya am anderen Ende der Halle, die Hand zum Gruß erhoben. Sie tat es ihm gleich. Einen Augenblick später wurde ihr die Sicht von der Masse versperrt. Aika ignorierte, dass sie weinte. Sie beeilte sich, zu ihrem Terminal zu kommen. Die Mitarbeiterin dort schaute sie verärgert an. „Ihr Ticket, bitte. Sie haben sich ja ganz schön Zeit gelassen, meine Dame.“ „Entschuldigen Sie bitte.“ Sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Die Frau in Uniform gab ihr den Boardingschein und ein Taschentuch. „Ein schwerer Abschied. Kann ich verstehen.“ „Danke. Ja, sehr schwer.“ Aika wischte sich das Gesicht trocken. Jetzt lächelte die Frau gütig. „Das wird schon wieder. Verzeihen Sie mir bitte meine Unhöflichkeit.“ „Keine Ursache.“ „Ich wünsche Ihnen eine gute Reise.“ Die Mitarbeiterin verneigte sich kurz. „Vielen Dank. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen.“ Auch Aika verneigte sich und betrat mit wackeligen Knien die Gangway. Als das Flugzeug auf die Startbahn rollte, blickte sie aus dem Fenster. Die Triebwerke heulten auf und die Maschine beschleunigte rasant. Innerhalb weniger Sekunden verstummte das Geräusch der Räder und das Flugzeug hob ab. Während es eine Schleife flog, neigte sich Aikas Seite zur Erde. Sie warf einen letzten Blick auf die Megacity Tokio, die gerade von den ersten Sonnenstrahlen beleuchtet wurde. Danach lehnte Aika sich zurück und schloss die Augen, das letzte Mal im Land der aufgehenden Sonne. Es gibt ein Bleiben im Gehen. Ein Gewinnen im Verlieren, im Ende einen Neuanfang Ende _______________________________________________________________________________________ *Askim heißt Liebster oder Schatz. Das Gift hab ich ein wenig spektakulärer dargestellt. Lange hat mich das Skript begleitet und es war eine schwere Entscheidung es hochzuladen, weil soviel drinsteckt aus einigen Lebensjahren. Hauptsächlich hab ich für mich und meine (damals) besten Freundinnen geschrieben. Sie haben mir immer Mut gemacht weiter zu schreiben und solche Freude damit gehabt, dass ich einfach mal "Danke" sagen muss! Der Epilog entstand erst 2008 als ich begonnen hab an Buch Nummer 2 zu schreiben. Leider habe ich nicht mehr soviel Zeit wie in meiner Schulzeit und deswegen geht es nur langsam voran. Ich hoffe wir sehen uns bei Angel Hunter 2 wieder! Vielen Dank fürs Lesen! Eure Ai-chan Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)