A Question of Mercy von X66 ([KaRe // One-Shot, AU]) ================================================================================ Kapitel 1: A Question of Mercy ------------------------------ Titel: A Question of Mercy Autor: ShiraLinh Part: 1/1 Fandom: Bakuten Shoot Beyblade Pairing: KaRe Widmung: Für , mein liebstes Uke-Viech, zum Geburtstag. Dank: An für die Beta und an für das wunderbare Bild in meinem ConHon, das rettende Inspiration für mich war. A/N: Warnung: Das angegebene Genre Darkfic hat schon seinen Grund! Wer sich davon nicht schrecken lässt, dem wünsche ich viel Spaß beim Lesen und hoffe, es gefällt. ** * ** Je weiter er sich vom Zentrum der Stadt entfernte, desto lauter hallten seine Schritte auf dem Asphalt, so schien es Kai. Die Straßenlaternen, die die Straßen säumten, wurden weniger, immer seltener kreuzten Menschen seinen Weg, bis er bald niemanden mehr antraf und die Geräusche der Stadt langsam von den Geräuschen der Nacht abgelöst wurden, in denen nur noch seine eigenen Schritte und sein Atem widerhallten. Ein jedes Mal graute es ihm schon Tage vorher vor dem Lauterwerden seiner Schrittgeräusche, welches ihm stets unheilvoll ankündigte, was unverrückbar näher kam. Und doch trat er etwa alle vier Wochen den Gang zu seinem Ziel an, achtete dabei darauf, zumindest innerhalb des Herzens der Stadt verschiedene Wege einzuschlagen, um keinem aufzufallen. Kai hatte die Notwendigkeit eingesehen, sich so weit wie möglich von menschlichem Leben zu entfernen, wenn wieder einmal kein Mond die Nacht erhellte. Zu viele Unschuldige hätten unter anderer Entscheidung gelitten, zu viel Aufmerksamkeit hätten all das Blut, die Grausamkeit und die Leichen auf sich gezogen. Die Blutwitterung durfte er unter keinen Umständen erwachen lassen oder sie gar reizen – und so war die Konsequenz, dass er die Nähe menschlichen Blutes weit hinter sich zurückließ und dann solange ausharrte, bis alles vorüber war. Das Ziel seines Weges war ein verlassenes Fabrikgelände am äußersten Rande der Stadt, wo es eine alte Lagerhalle gab, die ihm als Zuflucht diente. Fast niemand kam je noch hierher – und wenn, dann nicht nachts. Kai für seinen Teil hatte bislang noch niemand anderen dort angetroffen, wenn er sich dort aufgehalten hatte. Trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen – und alle anderen, die er sich bisher überlegt hatte, waren nutzlos gewesen, so dass ihm die aktuelle Maßnahme noch als die beste erschien – passierte es manchmal, dass sich einige wenige Duftpartikel eines Menschen in die Reichweite seines Geruchsinnes verirrten...was ohne Ausnahme blutig endete. Es war außerordentlich selten, aber es geschah. Er hatte dies akzeptiert, genau wie er es seit langer Zeit schon aufgegeben hatte, sich die Frage nach dem Warum zu stellen. Warum gerade er das Opfer eines solchen Schicksals hatte werden müssen. Etwas anderes blieb ihm gar nicht übrig, das hatte der Russe schon lange erkannt. Entweder er akzeptierte oder alle Schuld, all der Zweifel und der Hader, all das Entsetzen, wozu er selbst fähig war, würde ihn in den Wahnsinn treiben. Diese Erkenntnis änderte jedoch nichts daran, dass Kai solche Dinge gerade in den Momenten des einsamen Wartens auf das Unausweichliche immer wieder im Kopf herumschwirrten. Während er mit Rei, mit Max und Takao zusammen war, sich auf die Uni und den Alltag konzentrierte, schaffte er es, all diese Gedanken unter Verschluss zu halten, sich ablenken zu lassen. Doch wenn er an einer der Betonsäulen lehnte, die die Decke der Lagerhalle in gleichmäßigen Abständen stützten, dann kostete es ihn eine Menge Willenskraft und Konzentration, das dies zumindest weitgehend so blieb. So auch in dieser Nacht, nachdem er schließlich sein Ziel erreicht hatte und wieder einmal den kalten Stein in seinem Rücken spürte. Bis – ja, bis er von draußen ein leise scharrendes Geräusch hörte. Augenblicklich wachsam lauschte Kai angespannt. Jemand näherte sich, stellte er schnell fest. Die Augen für einen Moment schließend weigerte er sich, diese Einsicht zu realisieren, obwohl er eigentlich ganz genau wusste, dass die Person, die da kam, bereits verloren hatte. Die Zeit wandte sich gegen Mitternacht. Seine Verwandlung stand kurz bevor. Als Kai die schemenhafte Gestalt erkannte, die durch die Seitentür, durch die auch er eben die Lagerhalle betreten hatte, hereingekommen war, packte ihn Entsetzen. Er setzte zu einer Warnung an, wollte Rei sagen, dass er rennen musste, weglaufen, so schnell ihn seine Beine nur trugen. Doch seine Stimme versagte, als plötzlich eine Welle heißen Schmerzes durch seinen Körper schoss. Er riss seinen Kopf hoch, wandte sich unter der Qual seiner Verwandlung, während seine Muskeln außer Kontrolle kontrahierten. Seine Fingernägel wurden zu langen gefährlichen Krallen, ohne dass er es verhindern konnte. Er spürte unter immer neuem weißglühenden Schmerz in seinen Adern, wie seine Eckzähne wuchsen, bis sie messerscharfen Reißzähnen glichen. Dann verschärften sich seine Sinne. All jene Geräusche, die für sein menschliches Gehör eben noch nicht zu erfassen gewesen waren, wurden in seinem Kopf für einen Moment zu einem überlauten Dröhnen. Als dieses verebbte, wich auch das Zwielicht in der alten Lagerhalle einer klaren Sicht. Vorher schemenhafte Umrisse waren für ihn nun schärfer geworden, Details ließen sich mühelos erkennen. Mit all dem kam Kai zurecht, hatte er die eigene Verwandlung schon zu oft durchgemacht, als dass ihn irgendetwas davon unvorbereitet hätte treffen können. Niemals zuvor hatte ihm jedoch der Geruch – der Duft – eines Menschen in seiner neuen Deutlichkeit und Differenziertheit so sehr zugesetzt wie der Reis. Es war die süßeste Wonne und teuflischste Verführung zugleich, als er den Duft geradezu in sich aufsog. Denn als der alles verzehrende Blutdurst der Bestie in ihm zuletzt erwachte, wusste er mit einer niederschmetternden Gewissheit, dass er nicht würde widerstehen können. Rei hatte keine Chance mehr. Diese Tatsache zeriss ihm innerlich das Herz, löste Entsetzen und Verzweiflung an einer Stelle tief in ihm drin aus, die selbst die Bestie nicht hatte erobern können. Doch es nutzte ihm nichts, der Blutdurst hatte ihn jegliche Kontrolle verlieren lassen. Es war zu spät zu spät zu spät... Die Worte hallten als leeres Echo in seinen vernebelten umlagerten Gedanken wider, als sein Körper bereits zum Sprung ansetzte. * Brennender Schmerz schoss durch seine Adern, als Krallen und Zähne sich in sein Fleisch bohrten. Rei wurde fast schwarz vor Augen, Schmerz durchflutete jede Zelle seines Körpers, legte seine Nerven blank. Klare Gedanken waren kaum möglich, während sein Bewusstsein von pulsierender Pein erfüllt war. Aber er klammerte sich an den letzten Rest wachen Verstandes, kämpfte um seine Handlungsfähigkeit. Denn in dem Moment, in dem er gesehen hatte, wie Kai sich verwandelte, hatte er seine Entscheidung endgültig getroffen. Er musste durchziehen, wozu er gekommen war, bevor er sich dem Schmerz überlassen konnte. Mit Willensstärke allein schaffte er es, seinen rechten Arm hochzureißen. Das Gewicht der Pistole lag schwer in seiner Hand, geradezu bleiern, aber Rei hielt nicht inne. Zielen war unmöglich, er konnte kaum etwas sehen, doch es musste gehen, er hatte nur eine einzige Chance. Die Waffe war längst entsichert und es brauchte nur die winzigste Bewegung seines Zeigefingers, der um den Abzug gekrümmt war. Der Schuss hallte durch den Raum, noch einmal bäumte sich der Schmerz in ihm auf, als Kai zurücktaumelte und sich dabei aus seinem Fleisch losriss. Mit aufgerissenen Augen starrte Rei zu dem anderen, der rückwärts gegen die Backsteinmauer der Halle geprallt war und sich nur mühsam auf den Beinen hielt. Er hatte das Herz treffen wollen, um es kurz und schmerzlos zu machen, doch es war ihm nicht gelungen. Das Blut pulste aus dem Einschussloch, färbte den hellen Stoff von Kais T-Shirt, tränkte ihn. Aber Kai war nicht tot, er stand noch, er atmete, er lebte. Hustend rutschte der Graublauhaarige die Wand hinab und nur dieser als Stütze in seinem Rücken verdankte er es, dass er schließlich mehr oder weniger sitzend endete. Die braunen Ziegel über seinem Kopf hinterließ er blutverschmiert und mit plötzlicher Gewissheit wusste Rei, dass Kai nicht überleben würde. Die Pistole fiel ihm aus den Fingern, das resultierende Klappern von Metall auf Stein unnatürlich laut und schrill in seinen Ohren. Rei stürzte auf den anderen zu, sank vor ihm auf die Knie. „Kai?“, fragte er, wollte den anderen berühren, ihm durchs Haar fahren, ihn fühlen. Er wusste allerdings nicht, ob das Monster in ihm noch immer präsent war, weshalb er sich zurückhielt und nur reaktionsbereit in seiner Position verharrte. Stöhnend schlug Angesprochener die Augen schließlich auf, brachte ein gurgelndes „Rei?“ hervor. Dieses so gequält gesprochene Wort fuhr Rei wie ein Messer ins Herz. Er sah, dass die Augen des anderen wieder klar waren, dass Kai wieder er selbst war und es war, als zöge jemand das Messer aus seinem Herz und stach ein zweites Mal zu, fester noch. Rei beugte sich vor, strich federleicht über die Wange Kais, bevor er seine Stirn gegen die seines Gegenübers lehnte. Mit geschlossenen Augen genoss er für einen Atemzug die Nähe des Russen und ignorierte sein schmerzendes Herz und seine Verzweiflung. „Rei...“, begann Kai dann, löste sich ein wenig von diesem und suchte dessen Blick, rang nach Worten. „Es tut mir Leid“, setzte er nach einem rasselnden Atmen hinzu. Es kostete ihn sichtlich Mühe, überhaupt zu sprechen und sich zu konzentrieren. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, während er eine blutige Hand auf die Wunde in seiner Brust presste. Rei wollte nicht, dass Kai sich so quälte, und er wollte erst recht keine Entschuldigung von dem anderen hören. Er selbst war derjenige, der um Entschuldigung hätte bitten müssen für etwas, das doch unentschuldbar war... Aber Kai fuhr fort, Wort um Wort zwang er aus seinem Mund. „Tut es...sehr weh?“ Rei war im ersten Moment irritiert, dann schoss seine Hand zu der Wunde, die Kais Zähne in sein Fleisch gerissen hatten, und tastete vorsichtig. Bis zu der Frage hatte er völlig vergessen, dass nicht nur der Russe, sondern auch selbst verletzt war. Jetzt, wo er erinnert worden war, tat es weh, aber es war auszuhalten. Das Adrenalin in seinen Adern übertünchte den Schmerz fast vollständig und außerdem rückte seine Verletzung im Gegensatz zu Kais Zustand völlig in den Hintergrund. Er schüttelte als Antwort den Kopf. „Du warst der Grund, warum ich so lange bei euch geblieben bin. Trotz meines ...obwohl ich...“ Kai brach ab, als sich ein Husten seiner Kehle entrang, sein Atem ging flach und schnell. „Kai... Du weißt, dass ich dich liebe? Du weißt, dass ich es getan habe, weil ich dich liebe?“, fragte Rei, während er dem anderen sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht schob. Eigentlich wollte er weinen, wollte er schreien, doch es ging nicht, stattdessen stand er kurz vor einer Hysterie, weil er Kai umgebracht hatte und sich selbst dafür hasste und Kai doch liebte, und wie sollte es jetzt nur weitergehen? „Bitte vergib mir, Kai. Ich konnte es einfach nicht ertragen zu sehen, wie diese Bestie in dir dein Leben zerstört und dir soviel Schmerz und Leid zufügt. Vergibst du mir? ... Kai?“ Kai sah ihn an, unverwandt, doch er sagte nichts, zeigte keine einzige Regung in seinen Gesichtszügen. Die Stille dröhnte in Reis Ohren und noch während er ein weiteres Mal „Kai?“ fragte, legte er seine Finger auf dessen Lippen, direkt unter die Nase. Nicht der geringste Hauch eines Atems war zu spüren. Nichts. Der Moment des Verstehens ließ bei Rei die Atmung aussetzen und vielleicht auch seinen Herzschlag. Aber es war nicht von Dauer, nicht wie bei Kai. Der Schwarzhaarige blickte auf sein Gegenüber. Noch nie in seinem Leben hatte er größere Trauer empfunden. Trauer, die so tief ging, dass sie ihm alles nahm - jeden Gedanken, jedes Gefühl, jedes Bewusstsein. Unendlich langsam hob er seine Hand, bis er schließlich Kais Stirn erreichte und seine Hand von dort hinabgleiten ließ, um Kais Lider über seine leblosen Augen zu schließen. Erinnerungen strömten auf ihn ein - wie er das erste Mal diese Augen erblickt hatte, wie er so lange Tag für Tag in Blickkontakt mit ihnen gestanden hatte. Es hatte damals nicht lange gedauert, bis er sich in Kai verliebt hatte. Doch bevor Rei sich dazu hatte überwinden können, auch Kai gegenüber diese Gefühle einzugestehen, hatte er jenes Gespräch mitbekommen. Kai und Yuriy hatten in der Küche ihrer Wohnung gesessen und irgendetwas hatte Rei davon abgehalten, dem Gespräch einfach den Rücken zu kehren. So hatte er erfahren, was Kai war, was in ihm wohnte, welche Bestie an Neumond in ihm zu Tage trat. Danach hatten all die Zeitungsartikel von blutigen Morden einen Sinn ergeben und auch, dass Kai nie Zeitung las und so oft distanziert war. Es hatte nichts daran geändert, was er für Kai empfand. Und gerade deswegen hatte er die Entscheidung getroffen, den anderen zu erlösen. Er strich über Kais Hand, ergriff sie ein letztes Mal. Ein kleines rundes Metallstück fiel ihm dabei in die Handfläche und er wusste sofort, was es war. Beinahe im Zeitlupentempo sah er hinunter bis auf den Steinboden, auf dem ihre Hände ineinander verhakt lagen. Er zog seine Hand unter der anderen hervor und während Kais Fingerspitzen noch starr auf den seinen ruhten, war sein Blick auf das YinYang-Medaillon fixiert, das in seiner Handinnenfläche lag. Es war nur wenige Minuten her, dass er selbst es am Hals getragen hatte. Rei erinnerte sich nicht, gespürt zu haben, dass Kai es mitgerissen hatte, aber dieser hatte das Amulett offenbar die ganze Zeit in seiner Hand gehalten, in seiner Faust verschlossen. Tränen rannen endlich seine Wangen hinunter, als er den Anhänger zurück in Kais Finger schob und diese vorsichtig darum schloss. Er würde das Medaillon nie mehr tragen, es sollte Kai in die Ewigkeit begleiten. Und ein drittes Mal stach jemand das Messer in sein Herz und Rei wusste, dass niemand es je wieder herausziehen würde. Hatte er wirklich das Richtige getan? ** * ** Lob, Kritik, Anmerkungen? Kommentare sind herzlich willkommen. ~Shira Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)