Möge sie das Leben lieben von HekaChebiut (Tea x Atemu) ================================================================================ Kapitel 12: Die Magie des 21. Jahrhunderts ------------------------------------------ Ich fühle mich bleiern und schwer. Meine Gliedmaßen spüre ich kaum noch. Den Grund dafür sehe ich eindeutig in der gestrigen Arbeit. Und trotzdem fühle ich mich nicht schlecht, nicht wirklich. Seit einer Weile liege ich hier schon wach. Nur nebensächlich bekomme ich die stetige Verfärbung des Himmels mit, die den Tag ankündigt. Alles ist noch still und schläft. Nur ich nicht. Und warum? Etwas hat mich aus dem Schlaf gerissen. Nur eine einzige Bewegung ist es gewesen, die mich aufschrecken ließ. Eine Gänsehaut schleicht sich über meine Haut. Mein Stolz... -oder naja, sagen wir etwas ähnliches-, schiebt es einzig und allein auf die Kälte des jungen Tages. Etwas ganz anderes sagt eine kleine Stimme im hintersten Teil meines Kopfes. Schon seltsam. Immer wieder habe ich es mir in Gedanken vorgestellt, wie es sich anfühlen würde, wie gut es sich anfühlen würde. Doch erschrocken stelle ich nun fest, dass es für mich völlig ungewohnt ist, fast beängstigend. Ich liege hier, zusammen mit ihm. Ja, er war es, der mich aus dem Schlaf gerissen hat. Er hat es nicht einmal bemerkt. Und selbst wenn, könnte er es wahrscheinlich nicht im Entferntesten verstehen, nicht nachvollziehen, dass er es war, wie er es getan hat. Wie kann es sein, dass etwas, das ich mir mein Leben lang ausgemalt habe, so befremdlich, ja so beängstigend auf mich wirken kann? Warum kann ich denn nicht einfach glücklich sein? So wie es ist? Innerlich seufze ich. Die ganze Nacht hatte er mich in den den Armen gehalten, habe mir eingebildet glücklich und zufrieden zu sein. Aber nun ist irgendwie der Zauber der Nacht verschwunden. Mir wird bewusst, was ich getan habe, wie schutzlos ich mich in seine Arme begeben habe. Das macht mir Angst! Im Schlaf, ohne bewusst darüber nachgedacht zu haben, zog er mich noch näher an sich heran, näher an seinen warmen, festen Körper. Im ersten Moment des Erwachens war ich völlig steif, sogar erschrocken. Ich wusste nicht, was mit mir passierte. Und das alles ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass ich schon immer nur alleine war. Allmählich gewöhne ich mich doch an dieses fremde Gefühl, lerne es zu ertragen. Und darum nur darum liege ich hier. Hier bei ihm. Demjenigen, der mir so viel Leid angetan hat. Doch irgendetwas, ganz tief in mir sagt, dass es richtig ist. So wie ich hier bin, wie er ist, dass er seine Arme um mich schlingt. Das alles ist richtig und doch falsch. Jedoch, wenn ich alles vorher Gewesene völlig vergesse, bleibt nur dieser Gedanke: Hier gehöre ich her. Erneut schließe ich meine Augen und bringe mich dazu meine angespannten Muskeln zu lockern. Fast im selben Moment höre ich, wie er schläfrig meinen Namen flüstert. „Tea...“ Ich reiße meine Augen auf. Ist er wach? Plötzlich scheint mir das Blut pulsierend durch die Adern zu jagen. Doch seine tiefen Atemzüge sagen mir, dass er noch immer schläft. Ein ungewohntes Kribbeln jagt meinen Rücken hinunter, während mein Gesicht seltsam heiß wird. Zittrig atme ich ein. Ich möchte es noch einmal hören. Dieses „Tea“, welches er so verschlafen in meinen Nacken nuschelt. „Atemu?“, wispere ich. „Atemu?“ Tief atme ich ein. Warum wispere ich denn nur so? Ich möchte doch, dass er mich hört. Oder etwa nicht? „Mmmh?“ Huch... Er hat mich gehört! Ein riesiger Kloß bildet sich in meinem Hals. Warum konnte ich denn nicht einfach die Klappe halten? Was soll ich denn jetzt sagen? Doch meine Gedanken brechen mit einem mal ab, als ich eine Berührung spüre. Ganz leicht streichen seine Fingerkuppen über meinen Oberarm. Rauf und runter und wieder rauf und runter. „Mmh...“ Kam das aus meinem Mund? Unbewusst rücke ich noch näher an ihn heran, will ihn spüren. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass es mir immer noch nicht reicht. Auf einmal zieht Atemu seinen Arm unter meiner Taille hervor. Ich will schon protestieren, will den Kontakt zu ihm nicht verlieren! Doch er deutet mir den Kopf zu heben. Ich komme seiner stummen Bitte nach. Währenddessen wandern seine Finger langsam in meinen Nacken und streichen sanft mein Haar zur Seite. Ein schönes Gefühl... Als er mir deutet mich wieder zu legen, kommt mein Kopf auf seiner Armbeuge zu liegen. Sein anderer Arm hingegen ist wieder um meine Taille geschlungen und drückt mich erneut an seinen männlichen Körper. Mein Herz jubelt. Ich zittere beinahe schon vor Freude. Glücklich reibe ich mein Gesicht an seinem Arm, schmiege mich an ihn. Klares Denken ist jetzt nicht mehr möglich. Ich fühle mich benebelt. Doch plötzlich spüre ich, wie er mein Gesäß an seinen Schoß drückt. Augenblicklich spüre ich seine harte Erektion, heiß und pulsierend. Ich stelle mich auf den Ekel ein, der unweigerlich in mir aufkommen muss. Doch nach einigen Warten wird mir bewusst, dass er ausbleibt. Lediglich ein kleines Gefühl der Furcht und des Unwohlseins lauert in meinem Hinterkopf. Jedoch wird er von anderen Empfindungen weit überlagert. Ich spüre, wie er versucht, sein Bein zwischen die meinen zu drücken. Doch das ist etwas, was ich nicht kann, nicht will! Angst kommt in mir auf. Ich versteife mich sofort und versuche ihn weg zu drücken. „Nein...“ Zu meinen Erstaune, lässt er von mir ab. Einfach so. Scheint es kompromisslos zu akzeptieren. Warum? Er hält mich einfach nur weiter und ganz langsam beruhige ich mich wieder. Ich nehme seinen warmen Atem in meinem Nacken war und für einen kleinen Moment empfinde ich zum ersten mal tiefen inneren Frieden. Plötzlich spüre ich seine heißen Lippen in meinem Nacken. Ein erregtes Zittern durch fährt meinen Leib. „Oh...“ Heiß und pulsierend. Ein berauschendes Ziehen. Was machst du nur mit meinem Körper? Tief atme ich ihren süßen weiblichen Duft ein. Ich kann es einfach nicht sein lassen. Selbst wenn ich es wollte, ich kann nicht von ihr lassen. „Nein...“ Ich spüre wie sie sich versteift, als ich versuche mich zwischen ihre Beine zu drängen. Sofort ziehe ich mein Bein zurück. Ich will sie nicht verschrecken. Und trotzdem... wenn ich wollte, könnte ich sie mir auf der Stelle nehmen. Niemand würde mich daran hindern. Einfach so, ohne ihren Zuspruch. Aber ich kann nicht, bring es nicht über mich. Vor meinem inneren Auge taucht dieses Bild auf, wo sie dort am Boden kauert. Völlig verschreckt, sich hin und her wiegend, ihr Blick... In Gedanken schüttle ich den Kopf. Nein, das geht nicht. Das kann ich nicht mehr, nicht so. Mit den Lippen streife ich ihren Nacken. Der weiche Flaum ihrer Haare kitzelt sinnlich meine Haut. „Oh...“ Mein Mund verzieht sich zu einem Lächeln. Diese leichte Andeutung eines Stöhnens... Ich möchte es noch ein Mal hören. Meine Zähne streifen die empfindsame Haut ihres Nackens. Zufrieden lausche ich ihrem ihren flachen Atemstößen. „Aufstehen, ihr habt lang genug geschlafen! Die Arbeit wartet!“, hören ich plötzlich einen Wächter brüllen. Erschreckt zuckt Tea in meinen Armen zusammen. Ich richte mich auf. Nicht jetzt! Wie aus einer Art Traum gerissen scheint sie nun zu realisieren, was gerade passiert ist. Schnell macht sie sich von mir los, wendet mir den Rücken zu. Ich strecke die Hand nach ihr aus, will sie zurückholen. Aber sie ist bereits aufgestanden. Verdammt! „So eine Scheiße.“, brummle ich vor mir her. „Diese verdammten Steine.“ Mein Geduldsfaden ist mittlerweile gefährlich dünn geworden. Und Tea habe ich auch schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen. Erneut suche ich das Plato mit meinen Augen ab. Nichts. Langsam aber sicher werde ich unruhig. Und das liegt sicherlich nicht nur an meinem leeren Magen, der schon eine ganze Weile lautstark gegen die fehlende Nahrung rebelliert. „Schluss für heute.“, ruft einer der Wächter aus. Augenblicklich lockern sich meine angespannten Muskeln. Ich lasse das Werkzeug, welches ich den ganzen Tag über benutzt habe, achtlos in den Sand fallen. Soll sich doch jemand anders darum kümmern. Müde schlurfe ich zu dem Platz, an dem Tea und ich die Nacht zuvor verbracht haben. Und nun stiehlt sich, ganz zum trotz meiner derzeitigen Situation, doch ein kleines Lächeln auf mein Gesicht. „Tea.“ Ich möchte sie endlich wieder Spüren, ihren verlockenden Körper streicheln. Sichtlich erschöpft lasse ich mich an der Felswand nieder und warte. Währenddessen machen meine Gedanken sich selbstständig, wandern zurück in die vergangene Nacht. Sie in meinen Armen, da wo sie hin gehört, wo ihr Platz ist. Ihr zierlicher Körper, ihre sanfte Art. Alles an ihr ist so ganz anders, als ich es von meinem Harem gewohnt bin. Natürlich, wenn ich es verlange, sind meine Frauen auch devot. Aber trotzdem... In meinen Fingern fängt es an zu kribbeln. Ich möchte ihr so gerne über den Kopf streicheln, ihr seidiges Haar berühren, ihr etwas Gutes tun. Dabei möchte ich einen Blick in ihrem Gesicht sehen, der Zufriedenheit ausstrahlt, der sagt: Ich bin glücklich. Aber warum? Warum ist es mir so wichtig, dieses scheue Lächeln auf ihren Lippen zu entdecken, welches sie versucht zu verbergen? Was habe ich davon? Und doch, wenn ich darüber nachdenke... Ich möchte sie so gerne lachen sehen, offen, ohne Scheu. Bei diesem Gedanken bekommt mein Herz einen seltsamen Stoß. „Bei Re, langsam drehe ich durch.“ Plötzlich fällt mir auf, dass die Nacht schon angebrochen ist. „Wo, bei allen Göttern, bleibt sie nur?“ Langsam aber sicher werde ich nervös und blicke mich suchend um. Aber nirgendwo kann ich sie entdecken. Mit den Fingern tippe ich unruhig auf meinem Knie herum. Wann habe ich sie zum letzten mal gesehen? Fieberhaft denke ich nach. Doch ich kann mich einfach nicht erinnern. Nach einer ganzen weil springe ich auf. „Da stimmt etwas nicht.“ Langsam bewege ich mich durch den Steinbruch, suche Ecken und Nischen ab. Die hämischen Blicke der anderen Sklaven ignoriere ich schlicht weg. Auch wenn es mein Stolz nicht wahrhaben will. Ich halte es für gut möglich, dass sie sich vor mir versteckt. Höchstwahrscheinlich bin ich heute morgen wieder zu harsch zu ihr gewesen. Das zu mindestens rede ich mir ein. „Bitte, Tea, hab dich einfach nur vor mir versteckt!“ Doch mit der Zeit sinkt auch langsam meine Zuversicht. Warum kann ich sie nicht finden? Ich bewege mich immer schneller, nervöser. Außer dem Blut, welches in meinen Ohren rauscht, höre ich nichts mehr. Furchtbare Bilder schleichen sich in meinen Kopf, quälen mich, bringen mich um den Verstand. Bilder von Tea. Tea, wie man sie... Nein! Widerstrebend schüttle ich meinen Kopf. Eine widerwärtige Mischung aus Wut und Angst frisst sich durch mich hindurch. „Niemand darf es wagen ihr etwas anzutun!“ Plötzlich fallen mir die Zelte ins Auge. Doch nicht die Zelte der einfachen Wächter sind es, die meine Aufmerksamkeit erregt haben. Nein, nur dieses eine, jenes große. Ein flüstern Geistert durch meinen Kopf, wird lauter, schreit: LAUF! So schnell ich kann, presche ich los. Ohne zu denken, einfach nur laufen. SCHNELLER! Ich verfluche den Sand, der meine Schritte schluckt, mich langsamer macht. Ich spüre ein scharfes Brennen in meinen Muskeln. Doch ich gebe nicht nach. Immer schneller! Nun verwünsche ich mein verwöhntes Leben. Nie hab ich mich anstrengen müssen, musste nie schnell sein. Ich könnte so viel schneller sein! Meine Lungen drohen zu platzen. Wenn ich zu spät komme... das darf ich nicht...das verzeihe ich mir nie! Ich kann nicht sagen, was es ist, was mich antreibt, was mir doch noch die Kraft, die Schnelligkeit gibt. Angst? Stolz? Zorn? Was auch immer es ist, ich bin dankbar dafür. „TEA!“ Mit einer einzigen Bewegung reiße ich den Eingang des riesigen Zeltes auf. Schwer atmend betrachte ich das Bild vor mir und mir wird schlecht. Mit tränennassen Gesicht liegt sie auf dem Boden eines wunderschönen Teppichs. Verzweifelt versucht sie ihre Arme schützend vor ihrem Körper zu kreuzen, doch er lässt ihr keine Möglichkeit, fixiert ihre Hände seitlich neben ihrem Kopf. Mit kleinen erstickten Lauten versucht sie sich aus seinem Griff zu befreien, doch er ist stärker, lacht sogar über ihre sinnlosen Versuche. Auf allen Vieren kniet er über ihr, verdeckt sie beinahe komplett mit seinem fülligem Körper. „Komm schon, meine kleine Göttin. Sei doch nicht so widerspenstig. Ich gewinne ja doch!“, säuselt er. Alles vor meinen Augen scheint sich rot zu färben. Meine Zähne mahlen aufeinander. Heiße Wut durchströmt jeden Teil meines Körpers, entfesselt eine jähzornige Bestie von deren Existenz, ich selbst noch nicht einmal etwas ahnte.Wie kann er es wagen? „RUNTER!“ Überrascht dreht Rahotep sich zu mir um. Doch seine Überraschung macht schnell Empörung platzt. „Wie kannst du es wagen mich zu stören, Sklave? Du weißt doch nun, was dich erwartet, wenn du nicht gehorchst.“ Er scheint sich seiner Autorität mehr als sicher zu sein. „Und jetzt lass mich in aller Ruhe die Kleine hier besteigen.“ „A.. Atemu...“ Ihr Wimmern ist zu viel für mich! „Jetzt reicht´s!“ Brüllend renne ich auf Rahotep zu und stoße ihn brutal zur Seite, runter von Tea. Ich greife nach seinem fleischigen Hals und drücke zu. Wild schlägt er mir seine Fäuste ins Gesicht, doch die spüre ich in meinem Zorn nicht mehr. Ich sehe wie sein Gesicht sich verfärbt, wie er versucht zu schreien. Doch nichts als ein Röcheln dringt aus seinem Mund. Mein ganzes Gewicht verlagere ich auf seinem Hals, drücke immer fester zu. In seinem Blick steht nackte Angst, Panik. „Bit...t...e“, krächzt er. „N..ei..n.„ Mit einer gewissen Genugtuung stelle ich fest, dass eine Ader in seinem Auge geplatzt ist und seinen kompletten Augapfel rot färbt. Niemals! Niemals lass ich ihn am leben! Nicht, nachdem er sie angefasst hat! Hinter mir höre ich verängstigte Laute. Doch ich kann nicht aufhören, verdränge sie einfach. Plötzlich höre ich ein Knacken und augenblicklich fallen die Arme des Mannes unter mir schlaff zur Seite. Schwer atmend knie ich noch immer über ihm, drücke noch immer zu. Ich kann noch nicht von ihm ab lassen. Meine Wut ist noch lange nicht verraucht. Brüllend fordert sie Vergeltung, will weiter gefüttert werden. „Mhmha...ahm“ Wieder diese Laute. Ich drehe mich um, sehe sie, sehe ihre kleine, zierliche Gestalt. Hin und her wiegend wimmert sie vor sich hin: „...kann nicht mehr... soll... aufhören... bitte...“ Mein Herz verkrampft bei diesen Anblick. Der tote Körper unter mir ist plötzlich vergessen. Leise und vorsichtig gehe ich auf sie zu. „Tea?“ Doch wie zum Widerspruch schüttelt sie nur den Kopf, wiegt sich weiter. Unbeholfen stehe ich da, starre ihren Rücken an und weiß nicht, was ich tun soll. Noch nie im Leben habe ich mich so hilflos gefühlt. Ich könnte schreien. Doch sie scheint irgendetwas entdeckt zu haben. Ich folge ihrem Blick. Ein Dolch? Ehrfürchtig betrachtet sie ihn, als ob er die Lösung all ihrer Probleme darstellt. Mit zittrigen Fingern greift sie nach dem fein gearbeiteten Stück. Mir kommt ein Gedanke und augenblicklich sinkt mir das Herz. Will sie mich angreif... Doch bevor ich diesen Gedanken auch nur zu ende geführt habe, sehe ich ihr wirkliches Vorhaben. Mit einem geübten Schnitt, führt sie das Messer quer über ihren Arm. „Nein!“ Erschrocken stürze ich auf sie zu und packe ihren Arm, der den Dolch hält. „Nein, lass los.“, schreit sie mich an und kämpft wie besessen, um ihren Arm frei zu bekommen. Den Dolch hält sie eisern fest. „Bist du wahnsinnig? Warum verletzt du dich selbst?“ Meine Nerven liegen blank. Ich verstehe überhaupt nichts mehr. „Lass mich!“, brüllt sie. Plötzlich beißt sie in meinen Arm, gräbt ihre kleinen Zähne in mein Fleisch. „Aaah ah...“ Langsam wütend werdend, greife ich in ihr Haar und versuche ihren Kopf zurückzureißen. Sie gibt nicht nach. Doch als ich die Tränen sehe, die stetig über ihre Wangen kullern, halte ich inne. Und nun erkenne ich diese tiefe Verzweiflung in ihrem Gesicht, die an keine Hoffnung mehr glaubt und aufgegeben hat. Mein Blick wandert weiter über ihre Arme, die meinen umklammert halten. Etwas tief in mir drin schmerzt plötzlich unerträglich. Diese Narben. Diese vielen Narben auf ihren Armen, die schon viele Jahre alt sind. Warum sind sie mir noch nie aufgefallen? Ich lasse ihre Haare los, berühre federleicht eine ihrer Schnitte, fahre mit dem Finger darüber. Schock ist gar kein Ausdruck mehr. Es fühlt sich an, als hätte sie jeden Schnitt, den sie ihrer Haut einmal zugefügt hat, ebenso mir zugefügt. Ja, in diesem Moment erleide ich unvorstellbare, innere schmerzen. Langsam öffnet sie ihre Augen einen Spalt breit. Es scheint, als ob meine kleine Berührung irgendetwas in ihr geweckt hätte, die wilde Angst vertrieben hätte. Zögerlich gibt sie meinen Arm frei und lässt ihren Kopf hängen, als ob er auf einmal viel zu schwer für sie wäre. Ihr gesamter Körper zittert unkontrolliert. Ob vor dem Schreck oder unseren kleinem Kampf, kann ich nicht sicher sagen. „Atemu... tut... mir Leid.“, weint sie. „Oh Tea.“ Ich kann nicht anders. Alles in mir schreit danach sie in den Arm zu nehmen und sie nie wieder loszulassen. Ich schlinge meine Arme um ihren Oberkörper und drücke sie ganz fest an mich. Ich rechne schon mit ihren Widerstand, doch stattdessen vergräbt sie ihr Gesicht an meiner Brust und schlingt ebenfalls ihre Arme um mich. Ich bin mir nicht sicher, was ich nun tun soll, wie ich sie trösten kann. So etwas habe ich in meinem Leben nie machen müssen. Und mir wird auf einmal bewusst, wie wenig ich über die Menschen um mich herum weiß. Was sie brauchen, was sie fühlen. Nichts davon weiß ich. Sie alle sind fremde Wesen für mich. Ich beginne mich leicht hin und her zu wiegen, so wie sie es immer tut. Ich weiß nicht recht, was es bewirken soll, doch ich hoffe darauf, dass diese Bewegung sie beruhigt, sie etwas tröstet. Und tatsächlich, ihr Zittern lässt nach und ihr Körper erschlafft in meinen Armen. Mir fallen die Augen zu. Mein gesamter Körper scheint in seinen Armen zu schmelzen. „Du brauchst dich nicht mehr zu fürchten. Ich bringe uns beide hier weg.“, nuschelt er in meinem Haar. „Ich verspreche es.“ Ich weiß um die Unmöglichkeit seines Versprechens und trotzdem nicke ich, möchte ihm einfach so glauben. Doch darüber möchte ich nicht nachdenken. Nicht jetzt. Nicht hier. Und schon gar nicht bei ihm. Selig. Ja, dass ist das Wort, welches durch meinen Kopf geistert. Selten habe ich mich so selig gefühlt. Während eines Augenschlags entdecke ich etwas am anderen Ende des Zeltes. Meine Tasche! Erfreut etwas Vertrautes zu sehen, richte ich mich auf und will darauf zu laufen. Zu meiner Bestürzung hat man uns alles, was wir bei uns hatten, am ersten Tag weggenommen. Diese wertlosen Dinge erscheinen mir wie ein fester Anker in einem konfusen Alptraum. Doch als Atemu bemerkt, dass ich aufstehen will, hält er mich fest. Irritiert sehe ich ihn an und sehe eine Mischung aus Missfallen und Besorgnis in seinem Gesicht. „Wohin willst du?“ „Meine Tasche.“, und zeige darauf. Seine Augen folgen meiner Bewegung. „Ich möchte sie unbedingt wiederhaben.“ Daraufhin scheint er sich zu entspannen und lässt mich nur zögerlich los. „Na schön. Hol sie dir.“ Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen und stürze mich schon beinahe auf sie. Hastig reiße ich sie auf, um zu sehen, ob nicht etwas fehlt. Erleichtert atme ich aus. „Heiliger Strohsack. Alles ist noch da.“, murmle ich erleichtert und drücke sie an mich. „Heiliger, was?“, fragt Atemu irritiert. Ah, ich dämliches Plappermaul! „Ich ähm... Naja weißt du, das ist ein Gott, der nicht all zu bekannt ist.“, plappere ich vor mich hin. „Er soll das... Stroh beschützen.“ Na prima. Würde es in dieser Zeit Irrenheilanstalten geben, wüsste ich ganz genau, wo der Pharao mich jetzt hin beordern würde. „Bist du dir da sicher?“ Nein. „Ja.“ Die Skepsis in seinem Gesicht ist nur schwer zu übersehen. Doch es scheint ihn nicht sonderlich zu interessieren, was ich daher rede. Er lässt das Thema einfach fallen und sieht sich stattdessen suchend in dem geräumigen Zelt um. Gleich darauf beginnt er sich durch die persönlichen Gegenstände Rahoteps zu wühlen. Was sucht er denn nur? Vielleicht Geld? Oder etwas zu Essen? Neugierig sehe ich ihm dabei zu, wie er systematisch jede Truhe, jeden Beutel und jede Amphore gewissenhaft durchforstet. Ab und an sehe ich, wie er einige Gegenstände in die Mitte des Zeltes wirft, die anscheinend seinem Beuteschema entsprechen. Einige Kleidungsstücke sind dabei. Als ich ein kleines Säckchen klimpernd landen sehe, weiß ich, dass ich mit dem Geld schon mal mal richtig lag. Nach einiger Zeit wird es mir zu dumm. „Was willst du mit den ganzen Sachen?“ Ich kann mir die Frage einfach nicht verkneifen. „Hier nutzen sie dir doch nichts.“ Ohjee, mir geht ein Licht auf. „Du willst fliehen?“ Bitte sag nein. Bitte sag nein. Zu meiner Bestürzung nickt er zustimmend. „Hier können wir nicht bleiben. Wenn sie ihn tot vorfinden, werden sie auch uns töten.“ Mir bricht der Schweiß aus. Als Atemu an Rahotep vorbeigeht, um auch dort nach nützlichen Dingen zu suchen, vermeide ich es tunlichst, einen Blick auf ihn zu werfen. „Woher...“ Ich atme tief ein, versuche den Gedanken, dass nur ein Paar Meter weiter neben mir, ein toter Mann liegt, aus meinem Kopf zu verbannen. „... weißt du, dass sie uns dafür...“ Ich fuchtle nervös mit den Fingern in der Luft herum. „...verantwortlich machen werden?“ Ganze Sätze sind bei mir nun wohl Luxus. Atemu dagegen scheint in keinster Weise, auch nur betroffen über seine Tat zu sein. Dem Himmel sei Dank, dass sich mein rationales Denken für heute ausgeschaltet zu haben scheint. Denn sonst wäre ich angesichts seiner Gefühlskälte, bei so einer Tat, in Panik geraten. „Sie alle haben meine Wutausbrüche mitbekommen. Jeder hier weiß, dass ich mich nicht einfach dominieren lasse. Ich, jedenfalls, würde mich auf jeden Fall für den Täter halten.“ „Mmh.“ Ich muss zugeben, auch wenn ich vorher nicht viel auf seinen Verstand gegeben habe, dass er da absolut richtig liegt. Er wäre der Erste, den man verurteilen würde. „So ein Mist.“ Wieder nickt er, als ob der Satz an ihn gegangen wäre. „Was machen wir denn jetzt?“, frage ich klein laut. Das er fliehen will, ist mir klar. Doch wie er es anstellen will, ist mir ein Rätsel. „Wir nehmen so viel mit, wie wir tragen können und versuchen ein paar Pferde zu stehlen.“, erklärt er mir in einem ruhigen Ton. Ich hebe eine Augenbraue. „Und du bist dir sicher, dass das klappt?“ „Nein. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es uns nicht gelingen wird. Aber haben wir eine andere Wahl?“ Ich erspare es mir, darauf zu antworten. Plötzlich drückt Atemu mir einen ledernen Beutel in die Hände. Als ich ihn fragend anblicke, wendet er sich ab und schnappt sich selbst auch zwei davon. „Es wäre besser, wenn wir uns beeilen.“ Ich komme seiner unausgesprochenen Aufforderung nach und erhebe mich. Da bemerke ich, dass meine Beine noch immer am Zittern sind. Ich schenke dem jedoch keine Beachtung und folge Atemu. Am Eingang des Zeltes bleibt er mit dem Rücken zu mir stehen. „Verhalte dich still und bleib immer dicht hinter mir.“ Murmelnd stimme ich zu. Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich bin nicht sicher, ob ich einen ordentlichen Satz zu Stande gebracht hätte. Ich höre ihn tief einatmen. „Gut.“ Mit festen Griff umklammert er meine Hand. Ich drücke seine ebenfalls, denn ich spüre auch seine Angst, selbst wenn man sie nicht sieht. Wir verlassen das Zelt und bewegen uns unauffällig in den Schatten. Immer darauf bedacht leise zu sein. Erst nach circa einer Minute fällt mir auf, dass ich vor lauter Anspannung die Luft angehalten habe. Schnell zwinge ich wieder Sauerstoff in meine Lungen. Atemu dreht sich mit einem angespannten Gesichtsausdruck zu mir um und deutet mir leise zu sein, indem er seinen Zeigefinger vor seine Lippen hält. Beschämt stelle ich fest, dass ich wohl zu laut war. Ich nicke entschuldigend. Anscheinend zufrieden dreht er sich wieder um und zieht mich weiter. Nach einiger Zeit bleibt er erneut stehen. Neugierig blicke ich über seine Schulter. Pferde! Einige Meter von uns entfernt stehen einige Pferde unter einer gespannten Plane. Anscheinend, um die Tiere vor direkter Sonne zu schützen. Für einen Moment juble ich innerlich. Könnten wir es tatsächlich schaffen? Doch meine Freude ist nur von kurzer Dauer. Denn auf den zweiten Blick, fällt mir der Mann auf, der ebenfalls unter der Plane schläft. Ein Blick auf Atemu verrät mir, dass auch er ihn nun entdeckt hat. Ein Muskel beginnt gefährlich unter seinem Auge zu zucken. Er dreht sich langsam zu mir um und legt seinen Mund an mein Ohr. „Bleib hier.“ Ohne auf meine Antwort zu warten, wendet er sich von mir ab und geht in die Richtung des provisorischen Pferdestalls. Langsam, als wäre jeder Schritt genau geplant und durchdacht. Meine Nerven liegen blank. Die Zeit scheint still zustehen, während ich seine langsamen Bewegungen beobachte. Währenddessen kauer ich weiterhin im Schatten eines Zeltes. Nicht einen einzigen Muskel bewege ich. Auf keinen Fall will ich jemanden auf mich aufmerksam machen. Bitte, Atemu, lass mich nicht so lange allein. Als wenn er meine Gedanken gehört hätte, winkt er mich nun zu sich. Erleichtert erhebe ich mich und schleiche auf ihn zu. Ich muss mich bremsen. Alles in mir schreit laut: Flüchte! Mehr als einmal schaue ich über meine Schulter. Ich spüre Blicke in meinem Nacken, die nicht da sind. Meine Wahrnehmung spielt mir einen üblen Streich. Als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre, will ich instinktiv los schreien. Doch mir wird, Gott sei dank schnell klar, dass es nur Atemu ist, der mir den Beutel abnehmen möchte. Erleichtert überlasse ich ihm das Ding. Sogleich verstaut er es auf einem der Pferde. Dabei wandern seine Augen gehetzt hin und her. Als er auch nach meiner Tasche greifen will, halte ich sie fest umklammert. Niemand fässt meine Tasche an! Atemu scheint meinen Gesichtsausdruck richtig gelesen zu haben und wendet sich kommentarlos von mir ab und bindet zwei der Pferde los. „Da sind sie!“ Erschrocken drehen wir uns um. „Verdammt!“ Atemu spricht mir aus der Seele. Als ich die ganzen Männer sehe, die sich nach und nach vor uns versammeln, sinkt mir das Herz in die Hose. „Verdammt.“ „Sie haben Rahotep umgebracht.“, spricht jemand. „Und jetzt wollen sie fliehen. Die dachten wohl, sie kommen damit einfach so durch.“ „Hängt sie!“ Langsam schiebt Atemu sich schützend vor mich. „Wenn ich dir ein Zeichen gebe, schnappst du dir ein Pferd und machst, dass du hier weg kommst.“, flüstert er mir zu. „Was?“, meint er das ernst? „Ich lass dich nicht zurück!“ „Entweder du, oder keiner von uns.“ Ich überlege fieberhaft. Soll ich es einfach tun? Soll ich ihn einfach so zurücklassen? „Mach schon!“ Doch statt seiner Aufforderung nach zu kommen, springe ich vor und stelle mich vor Atemu. Ich spüre seinen verblüfften Blick in meinem Rücken. „So, keiner bewegt sich!“ Mit zitternden Fingern versuche ich meine Tasche zu öffnen, doch es will mir einfach nicht gelingen. „Äh, einen Moment noch, bitte.“ Aus dem Augenwinkel sehe ich die verwirrten und auch teils belustigten Blicke der Männer. Oh man. Endlich habe ich es geschafft meine Tasche zu öffnen und hole mein Feuerzeug, dass ich immer für meine Kerzen benutze und das Haarspray für meine Bilder, hervor. Drohend halte ich die Sachen vor mich. „Lasst uns in Frieden ziehen, dann geschieht auch niemanden was!“ Die Männer brechen in lautes Gelächter aus. Verwirrt sehe ich sie an und auch Atemu wirft mir zweifelnde Blicke zu. Da wird mir bewusst, dass niemand die Wirkung von Feuer und Haarspray kennt, geschweige denn was Haarspray ist. Ich laufe bis zum Haaransatz rot an. „Ok, ihr habt´s nicht anders gewollt.“, rufe ich tapfer. Ich zünde das Feuerzeug und drücke auf den Kopf der Dose. Sofort entzündet sich eine riesige Stichflamme vor mir. Erschrocken trete ich einen Schritt zurück, spüre die plötzliche Hitze deutlich auf meinem Gesicht. Mit einem Aufschrei treten auch hastig die Männer zurück. Ich lasse die Flamme erlöschen. Alles ist still. Niemand wagt es auch nur einen Mucks zu machen. Selbst Atemu mustert mich misstrauisch. Die Augen der Menschen um mich herum sind starr geweitet. Gut. „Ihr werdet uns jetzt ziehen lassen, oder ich verwandle euch alle in Brathähnchen!“ Noch immer keine Reaktion. „Verschwindet!“ Mit einem Mal scheinen sie aus ihrer starre erwacht zu sein. Wie aufgeschreckte Hühner huschen sie davon. „Lauft, oder die Göttin verwandelt uns alle in Brathähnchen!“ „Wir müssen verschwinden!“ „Brathähnchen!“ Wäre diese Situation nicht so verdammt lebensgefährlich, ich wäre auf der Stelle in einem Lachkrampf ausgebrochen und hätte mich auf dem Boden gewälzt! Stattdessen schnappe ich mir den noch immer misstrauisch guckenden Atemu. „Komm, wir müssen hier weg.“ Zu meiner Erleichterung, folgt er mir widerstandslos. Er scheint sich wieder gefasst zu haben. Schnell steigt er auf eines der Pferde und reicht mir seine Hand, damit ich hinter ihm aufsteigen kann. Nachdem ich hinter ihm zum sitzen gekommen bin, schnappt er sich die Zügel des Pferdes mit den Beuteln. Ohne weitere Zeit zu vergeuden, gräbt er seine Fersen in die Seite des Tieres und prescht los. Ohne zurückzublicken, lassen wir das Chaos und die schreienden Menschen hinter uns. „BRATHÄHNCHEN!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)