Würfelzucker von nande („Ein guter Detektiv lässt sich nicht von seinen Emotionen leiten. Er lebt für seine Arbeit und erlaubt sich keine Subjektivität“) ================================================================================ Kapitel 50: „Das ist nicht wonach es aussieht“ ---------------------------------------------- »Ich... sterbe«, dachte Near sich hektisch, als er Schritte hörte. Sein Körper war für kurze Zeit wie gelähmt, der Schreck war einfach zu groß gewesen, als dass er sich in den ersten Sekunden bewegen hätte können. Doch kaum hatte er wieder Macht über seine Handlungen gehabt, bückte er sich hastig nach dem Buch. Im selben Augenblick allerdings stand Watari schon in der Türe und betrachtete das Szenario mit undurchschaubarer Miene. „Oh, Entschuldigung“, sagte dieser in englischer Manier und blieb abrupt stehen. Diese Worte, sowie jede Bewegung des älteren Herren spielten sich für Near in Zeitlupe ab. Er starrte den Mann entsetzt an, wandte sich dann aber schnell dem Buch zu um zu kontrollieren, inwieweit man erkennen konnte, worum es sich bei diesem Exemplar handelte. Ironischerweise war genau eine, vermutlich DIE Doppelseite des Buches aufgeschlagen, auf der man sozusagen ein Beispiel betrachten konnte, wie die zuvor beschriebene Stellung im Endeffekt auszusehen hatte. „Ich... Das...“, stammelte der Junge vor sich hin, in der Hoffnung, ihm würde noch etwas Plausibles hierfür einfallen. Doch falsch gedacht, gähnende Leere. Deswegen nahm er einfach schnell das Schriftstück in die Hand und klappte es energisch zu. Währenddessen überlegte er non-verbal wie er aus dieser Situation noch souverän herauskommen sollte und da er keinen einzigen klaren Gedanken fassen konnte, schien alles zwecklos. Erst nachdem er sich langsam erhob und folglich in Wataris Gesicht blickte, war er wieder etwas bei Sinnen. Dabei fragte er sich dann, weswegen es gerade Quillsh Wammy sein musste, der ihn beim Stöbern durch eine Erotiklektüre erwischen musste. Natürlich wäre es bei L auch peinlich gewesen, allerdings bloß halb so sehr wie jetzt. Watari war ein stilvoller alter Herr, wer würde so einem Menschen schon mit Derartigem konfrontieren wollen? - Besser; wer wollte schon von so einem Menschen mit Derartigem konfrontiert werden? Besonders wenn man selbst noch ein Teenager war. Nein, das war zweifelsfrei keine angenehme Angelegenheit. „Das ist nicht... wonach es aussieht“, stammelte Near vor sich hin, wirkte dabei aber gelassener als er in seinem Inneren aussah. Bloß seine geröteten Wangen verrieten ihn. Noch bevor Watari darauf antworten konnte sprach der Junge weiter. „Ich war nur etwas überrascht, so ein Buch hier vorzufinden...“ Danach drehte er sich beschämt zur Seite und drückte den besagten Gegenstand fest gegen seine Brust. „Was Sie nun von mir denken müssen...“, gab er schließlich geräuscharm von sich. Eine ziemlich offene Aussage, jedenfalls in Bezugnahme auf seinen eigentlichen Charakter. Daraufhin schwiegen beide für einige Sekunden, bis Watari sich mit einem sanften, väterlichen Lächeln auf den Jungen zu bewegte. „Da ist doch nichts dabei“, beschwichtige er nachdem er knapp vor Near stehen blieb. „Ich bitte Sie inständig...“, sagte der Junge ernst aber doch noch etwas peinlich berührt als er seinem Gegenüber die Lektüre reichte, „Denken Sie jetzt nichts Falsches von mir.“ Anschließend wandte Near ihm wieder sein Gesicht zu, da er fühlte, dass seine Schamesröte langsam aber sicher wieder verschwand. „Tue ich nicht,“ beteuerte ihm der Grauhaarige und nahm das Buch mit Bedacht entgegen. „Vielen Dank.“ Im Anschluss fischte der Junge nach seiner Bastelkiste und drückte sie leicht gegen sich. „Entschuldigen Sie mich bitte, ich muss wieder hinunter“, sagte er ein wenig steif und ging äußerst aufrecht und elegant an Watari vorbei, auch wenn er sich nicht danach fühlte. Doch zumindest das musste sein, wo er sich bereits diese unglaubliche Peinlichkeit erlaubte. Der alte Herr hingegen bewegte sich nicht, sah ihm nicht einmal hinterher. Hätte man aber in sein Gesicht gesehen, so wäre man auf ein dezentes Schmunzeln gestoßen. Nachdem Near den Raum verließ, wandte der Mann sich wieder dem zu, was er eigentlich vorgehabt hatte; Sauber machen. Near hingegen nahm die Sache nicht einfach so hin. Als er sich wieder am Gang außerhalb des Appartements befand, musste er fürs Erste einmal tief durchatmen. »All’ die Unannehmlichkeiten... Die mir in der letzten Woche passiert sind... Egal wie ich es auch drehe und wende... Schlussendlich habe ich an allem Schuld..« Er fragte sich, wie man sich dermaßen dumm anstellen konnte. In seinem ganzen bisherigen Leben war er noch nie so unvorsichtig wie hier in Japan gewesen. Enttäuscht von sich selbst und der Tatsache, dass dieses Disaster vermutlich noch für längere Zeit so weiter gehen würde, trottete er den Flur entlang. Sein Blick war eiskalt und so mancher der ihn zu Gesicht bekommen würde, würde ihn wohl sein Leben lang nicht vergessen. Dieses Gesicht zog Near übrigens normalerweise immer dann, wenn er das Gefühl hatte versagt zu haben. Zurück im Hauptquartier entschuldigte er sich kühl dafür, falls er die Männer warten ließ und setzte sich wieder feingliedrig auf dem Stuhl neben L. Dabei stellte er seine Bastelkiste vor sich ab und öffnete sie spielerisch. Alle im Raum fragten sich, was es damit wohl auf sich hatte, wollten aber nicht neugierig wirken und fragten somit auch nicht nach. Alle außer L, da diesem Nears Leidenschaften und Denkhilfen durchaus bekannt waren. Somit fiel diesbezüglich kein einziges Wort und die Ermittlungen konnten weitergehen. Zumindest für Near, denn Raito und L machten während seiner Abwesenheit keine Pause. »Es ist gut möglich, dass er dieses Buch bloß besitzt um zumindest informiert zu sein. Ich selbst habe des Öfteren Lektüren nur deswegen gelesen, um mich schlichtweg weiterzubilden.. Wie dumm von mir«, dachte sich der Junge und machte sich wieder sachlich an die Arbeit, auch wenn er mit diesem Gedanken bloß sein übermäßiges Herzklopfen wieder besänftigen wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)