Würfelzucker von nande („Ein guter Detektiv lässt sich nicht von seinen Emotionen leiten. Er lebt für seine Arbeit und erlaubt sich keine Subjektivität“) ================================================================================ Kapitel 40: Weiß in weiß ------------------------ Die Fahrt zurück zum Hauptquartier und somit zu Ls Wohnung verging für Near schneller als erwartet. Er dachte zu wissen, dass es an seiner Vorfreude seinem Geschenk gegenüber lag, selbst wenn es einem dann gewöhnlich länger vorkommt. Aber was wäre es denn sonst gewesen? Nach der Ankunft verlief wieder alles recht schnell. Sie stiegen aus, Watari und L nahmen Nears Sachen und schließlich befanden sich alle drei wieder im Appartement. Im Wohnzimmer angekommen ließ Near seinen Blick etwas schweifen, mit dem Ziel eine Uhr zu entdecken. Es dauerte nicht lange, da erspähte er eine im Jugendstil gehaltene Standuhr neben einem mit Büchern voll gestopftem Regal. »15:36 Uhr... Schon so spät?« Der Junge drehte sich skeptisch zu L, versuchte sich seine Verwirrung jedoch nicht anmerken zu lassen und wandte sich deswegen bald wieder ab. Er fragte sich, weswegen L ihm zuvor im Krankenhaus so viel Zeit ließ, obwohl sie doch mitten in einem Fall steckten. Bald aber kam ihm die Einsicht, dass der aktuelle Tag ein Sonntag war und selbst L an solchen anscheinend nicht arbeitete, auch wenn Near das nicht erwartete. Er dachte immer, dass sein Vorbild immerwährend damit beschäftigt war, Fälle zu lösen. Die Tatsache, dass er es diesmal nicht tat erklärte er sich bloß so, dass es für die momentane Investigation unnötig war, da der Täter bloß werktags zuschlug und die neuesten Informationen wohl bereits durchdacht waren, weswegen es im Augenblick nichts zu unternehmen gab. „Du stehst so verloren im Raum herum“, merkte L überraschend dicht hinter Near stehend an. Von Schock übermannt, da er in diesem Moment nicht im Geringsten damit rechnete, machte der Junge einen gewaltigen Schritt nach vorne, sodass es beinahe so wirkte, als ob er stolperte. „Hören Sie auf damit, mich ständig zu erschrecken!“, meinte Near recht atemlos während er sich zu dem Älteren umdrehte. „Ständig?“ - Natürlich, was auch sonst? Nun wollte L sich also die Bestätigung dafür holen, dass er das, was er erreichen wollte, auch erreicht hatte. Diesen Erfolg wollte Near ihm allerdings nicht gönnen, beziehungsweise hatte er nicht vor, ihn in seinem Triumph zu unterstützen, deswegen tat er so, als hörte er ihn nicht. Ihm war klar, dass das mehr als unglaubwürdig war, da L in normaler Lautstärke sprach und es in diesem Raum dermaßen leise war, dass man höchst wahrscheinlich eine zu Boden fallende Nadel hören würde. Einzig und allein das Ticken der Uhr brachte etwas Unruhe in die Stille hinein, welche dadurch jedoch so minimal gestört wurde, dass es schon lächerlich war, es auch nur gedanklich in Betracht zu ziehen. Doch selbst nach all diesen Fakten blieb der Junge stur. Um die ganze Sache abzurunden entfernte er sich allmählich von L, was ihn langsam aber sicher vor seine Zimmertüre führte. »Ob da drinnen mein Geschenk ist?« Welch’ ein Glück Near doch hatte, dass ihm dieses Schlupfloch, das zuvor angekündigte Präsent, offen stand, wodurch er sich mit einem sogar mehr als akzeptablen Grund von L abwenden konnte. Eigentlich war er immer schon höflich, wenn auch sehr kühl und antipathisch, gewesen. Aber diesmal kam es ihm nicht einmal in den Sinn zu fragen, ob er den Raum betreten dürfe. Hätte er nicht voller Erwartung und Übereifer seinem Stofftier entgegen gefiebert, so wäre ihm ein solcher Fehltritt nie passiert. Doch wie Kinder nun mal sind, und er war eindeutig eines wenn es um Spielsachen ging, vergaß er alles um sich herum. Wollen wir aber nicht weiter in Persönlichkeitstheorien abdriften und nähern uns endlich dem wahren Zielobjekt dieses Augenblickes, dem überdimensional großen Hasenstofftier, welches geradezu aufdringlich in der Mitte des Raumes auf den Jungen wartete. »Ein... riesiger... Hase.« Etwas fassungslos darüber, dass Ls Wiedergutmachung so gigantisch war, betrat Near recht zögerlich das Zimmer. Die Tatsache, dass das Tier mit jedem weiteren Schritt immer größer und größer zu werden schien machte die Sache nicht einfacher für ihn. Mit einer Sprachlosigkeit, die ihm praktisch ins Gesicht geschrieben war, kniete er sich lethargisch vor diesem stattlichen Berg aus Plüsch. Dabei musste er perplex feststellen, dass er theoretisch seinen gesamten Körper damit bedecken könnte, es wahlweise für ihn aber auch als Matratze verwendbar wäre. »Wie soll ich das denn transportieren?!« Es vergingen einige Sekunden, bis sein Entsetzen sich wieder etwas legte. Gleich darauf bewegte er beide Hände nach vorne, um das Riesenkanickel zu berühren. Der weiche, flauschige Stoff des Bezugs verursachte ein äußerst angenehmes Kribbeln auf seiner Haut, wodurch er sich, müsste er es beschreiben, wie ein behüteter Embryo im Mutterleib fühlte – allerdings bloß auf den Handflächen. Deswegen krallte er sich schon nahezu in das Tier hinein, um es somit zu sich ziehen zu können, was Aufgrund dessen fulminanten Gewichtes viel schwieriger zu meistern war als geplant. Dennoch wäre die Aussage, dass Near dafür zu schwach war eindeutig übertrieben gewesen. Also dauerte es nicht lange, dass der weißhaarige Junge, mit seinem gleichfalls weißen Pyjama, den perfekter Weise ebenso weißen Hasen, weitgehend umarmte. „Süß“, hörte man L, zugegeben recht unerwartet, vom Türrahmen aus sagen. Zwar konnte man kaum Emotionen in seiner Tonlage erkennen, was aber nichts Neues für Near war und daher von ihm unbeachtet blieb. Es war vielmehr dieses kleine Wort, welches ihn erschaudern ließ. »Süß, ich?« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)