I'm sorry von Schneizel ================================================================================ Kapitel 1: I'm sorry -------------------- [Time-Line: Flashback - Schulzeit, wie im Picture Drama] I'm sorry „Es tut mir wirklich Leid“, beteuerte Schneizel, doch Kannon blieb stur. Kerzengerade stolzierte der junge Baron durch den Korridor, und um nicht von seinem verärgerten Blick gestreift zu werden, schritt der Prinz ein kleines Stück hinter ihm. Kannon sprach kein Wort. Die Unterlippe hatte er trotzig vorgeschoben, und kein einziger Laut außer einem wütenden Grummeln drang aus seiner Kehle. Genervt verdrehte Schneizel die Augen- wie konnte jemand, der bald achtzehn wurde, noch so schmollen wie ein Fünfjähriger? Zugegeben, es sah schon irgendwie niedlich aus. Aber es jagte Schneizel trotzdem einen unwohligen Schauder über den Rücken, dass er selbst gerade im Zentrum von Kannons Zorn stand. Seufzend legte er seinem Mitschüler eine Hand auf die Schulter, doch Kannon schüttelte ihn murrend ab. „Ich hab’ doch schon gesagt, dass ich es nicht so meinte“, sprach Schneizel. Kannon hingegen verschränkte bloß die Arme vor der Brust und lief weiter. Die langen Haare wehten im Zopf hinter ihm her, wie der Schweif eines Kometen. Eines altrosa Kometen, wohl gemerkt. Die beiden zogen einige Blicke auf sich, doch sie störten sich nicht daran. Wann immer Schneizel das Schulgebäude durchquerte, stand er im Mittelpunkt, doch der Prinz hatte sich bereits daran gewöhnt. Seit seiner Kindheit ruhte der Fokus der Öffentlichkeit auf ihm, genau wie auf den anderen Kindern der Krone. Momentan jedoch war ihm diese Tatsache ziemlich egal – viel mehr galt es, sich mit Kannon zu versöhnen. „Das sollte keine Beleidigung sein, wirklich.“ Und doch hatte Kannon es wie eine aufgefasst, war mürrisch aus Schneizels Zimmer gestapft und redete nun nicht mehr mit dem Prinzen. Es war beinahe zum Verrücktwerden. Nein, es war nicht nur beinahe, es war tatsächlich zum Verrücktwerden. Gut, Schneizels Verstand drehte so oder so gerne ein bisschen am Rad, wenn der Baron bei ihm war. Kannon hatte es wahrhaftig geschafft, ihm den Kopf zu verdrehen, doch er arbeitete bereits an dem Problem; langsam, aber sicher, gewann er die Kontrolle über seine Gedanken zurück. Aber selbst der kühlste, berechnendste Verstand half Schneizel nicht durch den Wutausbruch, dessen Opfer er gerade wurde. „Es tut mir leid“, wiederholte Schneizel mit sanfter Stimme, während er eingehend Kannons Miene betrachtete. Das Gesicht des Barons war leicht gerötet, und er hatte die Augenbrauen wütend zusammengezogen, was unschöne Zornesfalten auf seine Stirn warf. Als Schneizel noch dabei war, Kannons Mimik zu entschlüsseln, blieb dieser abrupt stehen; sie waren vor seinem Zimmer angelangt. Kannon wandte sich zu Schneizel um, starrte ihn kurz an und riss dann die Tür auf. Wie hübsch seine Augen doch funkelten, wenn er sich aufregte. Hellblau, und mit einem unruhigen Schein. Es erinnerte an einen Sonnenstrahl, der durchs Blau des Sommerhimmels brach, nur war Kannon gerade bei weitem nicht so friedfertig, wie es das Firmament war. Schwungvoll warf er die Tür hinter sich ins Schloss, als er das Zimmer betrat, direkt von Schneizels Gesicht. Einige verwirrte Schüler sahen in Richtung des Geschehens, trauten jedoch nicht, zu fragen, was vor sich ging. Schneizel ignorierte sie, lehnte den Kopf gegen das dunkle Holz der Tür und seufzte erneut. „Kannon, das ist kindisch“, stellte er fest, und das war es tatsächlich. Selbst einige der jüngeren Geschwister des Prinzen stritten sich gesitteter. „Du weißt genau, dass ich dir nicht weh tun wollte. Ich hab’s nur etwas… unglücklich formuliert.“ Die Zuschauer zerstreuten sich allmählich. Vor dem Prinzen herrschte großer Respekt an der Schule, seine Privatsphäre wurde geachtet. Und die Debatte mit Baron Maldini kam den meisten äußerst privat vor. Der Prinz redete weiterhin beruhigend auf Kannon ein, oder eher auf die Tür, denn er erhielt keine Antwort. Kurz schwieg er, um nach Geräuschen im Zimmer zu lauschen. Er hörte Schritte, die durchs Zimmer eilten, und es schien, als würde Kannon an verschiedenen Stellen des Raumes nach etwas suchte, denn er kramte lautstark in Schubladen und seiner Schultasche. Schließlich wurde er fündig, und anstatt wild im Zimmer umherzulaufen, entfernte er sich ruhig so weit wie möglich, bis in die hinterste Ecke des Zimmers, damit Schneizel nicht erraten konnte, was er tat. Mit nachdenklicher Miene löste Schneizel sein Ohr von der Tür und klopfte an. „Kannon?“, hob er fragend an, „komm schon, ich habe mich zigmal entschuldigt. Es wird schon dunkel draußen, ich will nicht zerstritten zu Bett gehen.“ Tatsächlich ging die Sonne bereits unter, und der Gang war in das sterile, künstliche Licht der Deckenbeleuchtung getaucht. Es war Spätsommer, und die Tage waren noch ziemlich lang. Eigentlich hatte Schneizel mit einem Glas Rotwein in der Hand auf dem Balkon stehen gewollt, um sich die warme Färbung des von der Dämmerung gezeichneten Himmels anzusehen. Zusammen mit Kannon. Doch dann hatte er diese dumme Bemerkung gemacht, ein kleiner Satz nur, nicht im entferntesten Sinne böse gemeint, und doch hatte er Kannon zutiefst verärgert. Die Folgen waren ein schmollender Baron und ein langsam entnervter Sprinz, getrennt durch eine verschlossene Tür. „Ich mag deine Haare, das weißt du doch“, erklärte Schneizel, die Stirn an das kühle Holz gelegt, „ich hab’ nichts dagegen, weder gegen die Farbe, noch gegen die Länge.“ Das entsprach der Wirklichkeit – Schneizel liebte Kannons Haare, fuhr nur zu gerne mit den Fingern durch die endlos langen, weichen Strähnen, die Kannons hübsches Gesicht einrahmten. Und der Abendhimmel hatte zwischen einigen rot-orangen Streifen ihre Farbe gehabt, als die Sonne hinter dem Horizont versank. Lächelnd hatte er Kannon darauf hingewiesen, und mit einem leisen Lachen den fatalen Satz hinzugefügt. „Sieht irgendwie etwas schwul aus.“ Kannon hatte es dummerweise nicht lustig gefunden, sondern sich persönlich angegriffen gefühlt. Der Baron hatte ein etwas feminines Äußeres, mit seinen weichen Gesichtszügen, der schmalen Taille und vor allem den langen, rosanen Haaren. Seit er mit dem Prinzen befreundet war, waren Spott und Hohn eher unterschwellig geworden; man fürchtete, in die Missgunst des Prinzen zu fallen. Doch kannon reagierte dennoch sensibel auf dieses Thema, und Schneizel musste für seinen Fehler bezahlen. „Also mach’ endlich die Tür auf“, murrte Schneizel, „bitte.“ Tatsächlich drückte Kannon die Tür einen Spalt breit auf, doch ein Türkettchen spannte sich zwischen Holz und Wand. „Endlich“, stöhnte Schneizel auf, der Kannon mit festem Blick ansah. Noch immer glänzte Ärger in Kannons blauen Augen, doch er schien sich etwas beruhigt zu haben. „Tut es dir richtig leid?“, hakte der baron skeptisch nach, und Schneizel raufte sich die Haare, ein schiefes Lächeln auf dem Gesicht. „Ja, tut es“, erwiderte er ruhig, „zum tausendsten Mal.“ „Tja“, gab Kannon knapp zurück, dafür ist es zu spät.“ Er löste die Türkette, und Schneizel trat einen Schritt zurück, denn die Tür öffnete zum Gang hin. Ein leises Knarzen dokumentierte die langsame Bewegung, mit der die Tür den Blick auf Kannon frei gab, und das Geräusch läutete eine angespannte Stille ein. Minuten verstrichen, in denen Schneizel sein Gegenüber einfach nur anstarrte, mit leicht geöffnetem Mund. Es war nicht leicht, den Prinzen zu überraschen; er war ein Mensch, der sich gut in andere hineinversetzen konnte, und dessen Prognosen fast immer zutrafen. Doch auf den Anblick, der sich ihm bot, war er nicht vorbereitet gewesen. In der Hand, mit der Kannon soeben etwas umständlich das Türkettchen geöffnet hatte, befand sich eine Schere, blitzendes Metall. Und in der anderen Hand hielt Kannon seinen Zopf. Das Haarband, mit dem er ihn stets zusammenhielt, klammerte sich noch verzweifelt um die abgeschnittenen Haare, die noch vor kurzem eine sachte Linie auf Kannons Rücken beschrieben hatten. Nun spielten kurze Strähnen um Kannons Kopf, gerade einmal auf Nackenlänge. „Du… du hast…“, setzte Schneizel an, doch die Worte wollten einfach nicht über seine Lippen. „Zu spät“, antwortete Kannon nur, „jetzt sind sie ab.“ „Das kann man wohl sagen“, schnaubte Schneizel, „Warum hast du das gemacht?“ „Weil ich’s leid war“, erwiderte Kannon. Er wich Schneizels forschendem Blick aus, biss sich auf die Lippe. “Schade“, hauchte Schneizel kopfschüttelnd, „sie waren wirklich hübsch.“ „Und schwul. Hast du selbst gesagt.“ „Aber ich habe nie behauptet, dass da etwas Schlechtes dran ist“, beharrte Schneizel, der wie in Trance die Hand nach dem Zopf ausstreckte, doch Kannon zog bereits das Haarband heraus und ließ die losen Haare auf den Boden fallen. Noch immer sah er zu Boden, die Wangen schamvoll gerötet. Kannon konnte nicht gut wütend sein; er war warmherzig, sanftmütig und weich. Und diese Seite an ihm kam nun wieder zum Vorschein. „Ich meine, was soll schon schlimm daran sein?“, fuhr Schneizel fort, während er mit der Hand, die den Zopf nicht erreicht hatte, über Kannons Wange strich. Der Baron zuckte zusammen und drückte die Hand weg. „Ich mag das Wort trotzdem nicht“, meinte er zerknirscht. Inzwischen war es vor dem Fenster dunkel geworden, und bald würden die Auftsichtslehrer mit Kontrollgängen überprüfen, ob alle Schüler auf ihren Zimmern waren. Schneizel genoss als Prinz Britannias gewisse Privilegien, doch an grundsätzliche Schulregeln musste auch er sich halten. „Tut mir leid“, sagte er einmal mehr, dann zog er die Hand zurück und wandte sich zum Gehen, „ich sollte mich wohl besser auf den Weg machen.“ Wortlos nickte Kannon. Schneizel ging ein paar Schritte, besann sich dann jedoch eines Besseren, da die Tür noch immer offenstand. „Bekomme ich wenigstens einen Gute-Nacht-Kuss?“, fragte er mit leiser Stimme, und Kannon lief rasch auf den Gang hinaus, um seiner Bitte nachzukommen. Selbst, wenn sein Gesicht noch eben wutverzerrt gewesen war, seine Lippen blieben behutsam, und sein Kuss war auf versöhnliche Art so zärtlich wie immer. Schneizels „Schlaf schön“ blieb jedoch unbeantwortet, denn Kannon huschte so schnell in sein Zimmer, wie er herausgekommen war. Die Tür fiel erneut zu, und Stille griff nach dem Korridor. Kopfschüttelnd schlug Schneizel den Weg zurück in sein eigenes Internatszimmer ein. „Es tut mir wirklich leid.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)