Denn man sieht nur mit dem Herzen gut von Wo_Ai_Ni (Und manchmal ist alles erschreckend normal) ================================================================================ Kapitel 2: Computerkenntnisse ----------------------------- Da stand sie nun. Ein langer Gang mit vielen Türen lag vor ihr, ganz am Ende befanden sich zwei Fahrstühle. Sie hätte nicht gedacht, dass dieses Gebäude so verwinkelt sei. „Was hat die Tussi gesagt? 7. Stock, Raum 107? Na dann mal los.“ Reimi atmete einmal tief durch. So schwer konnte es doch nicht sein. Immerhin war Seto Kaiba auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut. Sie tat ja gerade so, als sei er ein Dämon aus einer anderen Welt. Reimi kam sich selbst schon lächerlich vor. Als sie endlich im Fahrstuhl stand und die Taste für den 7. Stock betätigt hatte, belächelte sie ihre Angst bereits. Sie musste ihm nur klar machen, dass sie mit ihm zusammen arbeiten müsse. Er hatte ja schließlich auch keine andere Wahl. Der Aufzug kam im 7. Stock an, eine automatische Stimme verkündete es. Gespielt gelassen trat Reimi aus dem Aufzug. „Also, Zimmer 107.“ Suchend schaute Reimi auf die Zimmernummern. Sie orientierte sich daran, bis sie bei Nummer 106 angekommen war. Gespannt blickte sie nach vorne. „War ja klar. Seto Kaibas Büro muss natürlich hinter der größten und protzigsten Tür des ganzen Gebäudes liegen“, flüsterte sie zu sich selbst, als sie die riesige Eichentür betrachtete, die zu Zimmer Nummer 107 führte. Noch einmal atmete sie tief durch, dann klopfte Reimi an die Tür. Ein grobes „Herein“ ertönte, und Reimi begann sich schon wieder über diesen Mann zu ärgern, öffnete jedoch brav die Tür. Gespannt trat sie ein. Sie hatte Recht behalten. Seto Kaibas Büro war riesig und protzig. Ein gewaltiges Panoramafenster befand sich hinter seinem Schreibtisch. Ein edles Ledersofa stand in einer Ecke und ein gewaltiger Schrank füllte den Raum, der trotzdem noch riesig war. Schließlich war da Kaibas Schreibtisch, bestimmt aus edlem Holz und der Chef persönlich saß dahinter. „Willst du da Wurzeln schlagen?“ Erschrocken sah Reimi dem Mann, dem diese schroffe Stimme gehörte in die Augen. „Äh...nein“, war lediglich ihre Antwort. So kam sie vorsichtig näher, fast schon so, als ob Kaiba sofort über sie herfallen und sie zerfleischen könnte. Dabei hatte sie sich doch gesagt, dass sie keine Angst vor ihm zu haben brauchte. Pustekuchen, natürlich hatte sie Angst vor diesem mächtigen Mann. „Wie heißt du noch mal?“, fragte Kaiba grob. „Äh...Rei...Reimi Yanagiwara“, antwortete das verschüchterte Mädchen kleinlaut. „Ja, ich erinnere mich, diese lächerliche Lyrikanalyse. Ich habe nicht vor, dir dabei zu helfen, ist das klar?“ Überrumpelt nickte Reimi, bemerkte aber sogleich ihren Irrtum. „Äh...aber das musst du wohl“, widersprach sie immer noch kleinlaut. „So, und wer sagt das?“ Er war wirklich furchteinflössend und schrecklich unhöflich. Am Liebsten wäre Reimi auf dem Absatz umgekehrt, doch sie hatte keine Wahl. Sie musste sich dem tobenden Löwen stellen. Es ging hier schließlich um ihre Zukunft. „Nun, es ist eine Schulaufgabe, die niemand einfach so ignorieren kann.“ „Natürlich kann ich das. Ich behalte trotzdem meine perfekten Ergebnisse, egal ob ich das hier ignoriere, oder nicht.“ „Achso“, antwortete Reimi immer noch eingeschüchtert. Sie hätte fast angefangen zu zittern, aber sie durfte nicht aufgeben. „Aber ich möchte diese Aufgabe erledigen.“ „Ich glaube eher, du möchtest nicht noch einmal versagen, oder? Ist es nicht so, dass du völlig aufgeschmissen bist, wenn ich dir nicht helfe? Versager bleibt nun mal Versager!“ Reimi war bis jetzt eingeschüchtert gewesen, doch diese Aussage ließ Wut in ihr aufkochen. Sie war kein Versager. Und von jemandem, wie Seto Kaiba würde sie sich das schon gar nicht sagen lassen. Nur weil sie mit künstlerischen Dingen nichts anfangen konnte, war sie noch lange nicht weniger wert, als er. Plötzlich war all ihre Furcht verschwunden und ihr Körper kochte vor Wut. Die Röte stieg ihr ins Gesicht, als sie Kaiba Contra gab. „Was bildest du dir eigentlich ein, du arroganter Fatzke? Nur weil du hier deine tolle Firma hast, die du sowieso nur geerbt hast und niemals aus eigenem Antrieb hättest aufbauen können, brauchst du dich nicht über andere Leute lustig zu machen. Ich bin ganz sicher kein Versager, immerhin schaffe ich es mit anderen Menschen auszukommen, nicht so wie du. Du bis ein menschlicher Versager!“ Doch Reimi hatte es übertrieben. Mit ihrer Aussage über seine Firma hatte sie auch ihn wütend gemacht. Und Seto Kaiba wütend zu machen, war ein dummes Vergehen, eines das man mit dem Leben zu bezahlen hatte, oder zumindest mit einem Körperteil. „Du wagst es? Verschwinde sofort aus meinem Büro, bevor ich dich eigenhändig aus dem Fenster werfe.“ Reimi hatte so ein wenig das Gefühl, als würde sie gerade von einem Tornado überrollt. Doch sie hatte keine Angst mehr vor Kaiba. Natürlich war er ein normaler Mensch, der einfach nur schnell wütend wurde und anscheinend nicht fähig war, Kritik einzustecken. „Achja, mach es doch, dann verklag ich dich wegen Körperverletzung.“ „Fordere mich ja nicht heraus“, war Kaibas aggressive Antwort. „Und was wenn doch? Du hast doch nur eine große Klappe!“ Kaiba rastete nun völlig aus. Wütend packte er Reimi am Kragen ihrer Schuluniform. Reflexartig hielt sie sich die Hände vors Gesicht, bereits damit rechnend von Kaiba geschlagen zu werden. Doch ein lautes Schrillen stoppte Kaibas Wutausbruch. Sofort ließ er Reimi los, der fast der Atem versagt wäre. Das Schrille kam aus Kaibas Handy. Er nahm ab. „Was ist los?“, fragte er und man konnte immer noch die Wut in seinen Worten vernehmen. Reimi verstand die andere Stimme nicht, doch Kaibas Gesichtsausdruck zufolge, war es keine angenehme Nachricht. „Was? Bin ich nur von Unfähigen umgeben? Ich komme sofort!“, waren seine knappen Worte. Ohne auch nur noch einmal auf Reimi zu achten, verließ Kaiba sein Büro. Reimi keuchte immer noch vor lauter Schreck. Hätte er sie wirklich geschlagen? Sie konnte es kaum glauben, aber so einfach wollte sie ihn nicht davon kommen lassen. Noch den Schreck in allen Gliedern sitzend, folgte sie Kaiba. Er war mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock gefahren, und sofort nahm Reimi den zweiten. Als sie im dritten Stock angekommen war, fürchtete sie bereits ihn verloren zu haben, als sie das Ende seines Mantels hinter einer Tür verschwinden sah. „Na warte! So einfach kommst du Mistkerl mir nicht davon. Glaubst du, ich würde mich einfach so von dir schlagen lassen? Ich verklag dich wenn nötig!“, rief sie ihm hinterher und lief zur Tür, in welcher er verschwunden war. Eigentlich wollte sie diese wütend aufreißen, als sie Kaibas lautes Gebrüll aus dem Raum dahinter vernahm. Erschrocken lauschte sie zunächst. „Gibt es denn hier nur Vollidioten? Wie lange ist unser System bereits von dem Virus befallen?“ „Ich weiß nicht, Herr Kaiba, etwa zwei Stunden?“, antwortete eine schüchterne Männerstimme. „Und wieso haben sie das Problem noch nicht gelöst?“ „Wir können den Virus im System nicht lokalisieren. Er ist anders, als die Viren die die Firewall sonst abfängt.“ „Wenn Sie unfähig sind, können Sie sich gleich einen anderen Job suchen.“ Reimi wusste selbst nicht, was sie da tat, als sie es tat. Doch plötzlich öffnete sie die Tür so abrupt, dass alle Augen auf sie gerichtet waren. „Das ist doch ganz einfach!“, meinte sie selbstsicher. Wenn es etwas gab, womit sie sich auskannte, waren es Computer. „Du? Was fällt dir ein...“, begann Kaiba außer sich vor Zorn, als er dieses unverschämte Mädchen erkannte. „Reg dich ab, ich weiß, wie du den Virus lokalisieren kannst. Ich habe selbst schon Erfahrungen damit gemacht.“ Sie ging schnell an Kaiba vorbei, bereits erwartend, dass er sie wieder packen würde, auf den Hauptrechner zu. „Vielleicht ein Trojaner?“, meinte ein Computerwissenschaftler. „Nein, etwas Neuartiges. Er zerfrisst alles, selbst wenn man versucht ihn im abgesicherten Modus zu löschen. Es liegt an seiner Signatur. Er nutzt keine polymorphe Signatur, sondern ein verstecktes, ungenutztes Byte“, meinte Reimi, während sie wie eine verrückte für einen normalen Menschen völlig unverständliche Codes eingab. „Moment, ich programmiere dem Virenscanner dieses Systems die neue Signatur ein. Es ist eigentlich ganz einfach, sobald man das Schlupfloch des Virus entdeckt hat.“ Reimi hatte selbst bereits Erfahrungen mit dem Virus gemacht. Sie hatte wochenlang daran getüfftelt, die Systeme ihrer Computer hundertmal neu programmiert. Ganz sicher würden es die Computerwissenschaftler der Kaiba Corporation schneller schaffen, doch warum sollte sie sich dieses kurzzeitige Erfolgserlebnis nehmen lassen? Immerhin kannte sie den Virus schon. Es dauerte eine Weile, doch dann wurden die Systeme neu gestartet und der Virus war verschwunden. „Ich bin beeindruckt. Darauf wäre ich nie gekommen“, meinte der Programmierer ehrfürchtig und auch die übrigen Softwaretechniker schienen beeindruckt. Erst jetzt wagte Reimi wieder einen Blick zu Seto Kaiba, der sie doch tatsächlich hatte gewähren lassen, was sie niemals erwartet hätte. Noch überraschter war sie über seinen Anblick. Von seiner Wut war nichts mehr zu sehen. Stattdessen betrachtete er sie nachdenklich mit verschränkten Armen und sagte nichts. „Für welche Firma arbeiten Sie?“, fragte der Programmierer neugierig. „Was? Oh...ich arbeite für keine Firma. Ich bastele nur Privat etwas an Computern und deren Software“, antwortete Reimi verlegen. Sie wusste genau, weshalb sie sich so viel besser mit diesen Dingen auskannte, als andere. Schließlich verbrachte sie seit ihrem 5. Lebensjahr jede freie Minute an Computern. Sie war ein regelrechter Freak. Computer waren ihre besten Freunde und sie schien sie auch als einzige etwas zu verstehen. „Ein Hacker!“, rief plötzlich ein anderer der Programmierer. „Wahrscheinlich haben Sie selbst diesen Virus programmiert, und deshalb wussten Sie auch, wie man ihn löscht.“ „Was? Nein, das ist...“, versuchte Reimi erschrocken sich zu verteidigen. „Nur weil Sie unfähig sind, brauchen Sie die Schuld nicht auf andere zu schieben.“ Verwundert sah Reimi zu Kaiba. Hatte er gerade für sie Partei ergriffen? Was war in ihn gefahren? „Sie gehen sofort wieder an Ihre Arbeit. Du, komm mit!“, Kaiba drehte sich um und war gerade dabei den Raum zu verlassen, als er noch einmal sich an den Programmierer wendete, der soeben Reimi für den Virus beschuldigt hatte. „Komura, Sie wissen wo der Ausgang ist. Sie brauchen in dieser Firma nicht mehr aufzutauchen.“ Ehe der Genannte etwas sagen konnte, war Kaiba bereits aus der Tür getreten. Reimi hatte die Situation mit offenem Mund beobachtet. Erst jetzt realisierte sie, dass Kaiba ihr befohlen hatte zu folgen. Ihre Wut war wieder zurück gekehrt. „Was bildet sich dieser Kerl eigentlich ein?“ Sie folgte ihm, aber nur um ihm die Meinung zu sagen. Zornig riss sie die Tür auf und wollte bereits in Richtung Fahrstuhl gehen, als sie bemerkte dass Kaiba noch neben der Tür stand. Er hatte sich an die Wand gelehnt und die Arme verschränkt. „Was bildest du dir eigentlich...“, begann Reimi, wurde aber von Kaiba unterbrochen. „Die Signatur war recht billig, das weißt du.“ Reimi starrte ihn mit offenem Mund an. Woher hatte er erkannt, welche Signatur der Virus hatte? Aber wieso fragte sie sich das eigentlich? Natürlich hatte Kaiba ihr System durchschaut. Immerhin war er ein Genie und hundertmal so begabt wie sie, wenn es um Computerwissenschaft ging. „Mag sein, aber sein Schlupfloch war gut gedeckt. Meist sind es einfache Signaturen, auf die die Virenscanner nicht programmiert sind“, verteidigte sich Reimi standhaft. „Du bist also kein Hacker?“ „Was? Nein, natürlich nicht! Aber wieso...“ „Und du bist zu jung, um für eine andere Softwarefirma zu arbeiten. Also woher kennst du dich damit aus?“ Reimi starrte ihn zunächst ungläubig an. Noch immer war sie wütend, aber sie sah auch keinen Grund darin, ihm diese Frage nicht zu beantworten. „Ich sagte doch, ich beschäftige mich damit in meiner Freizeit.“ „Für eine Onlinespielerin kennst du dich etwas zu gut aus.“ „Wer sagt denn, dass ich Onlinespiele spiele? Ich baue Computer auseinander und zusammen und schreibe Programme.“ „Wieso sollte eine Oberschülerin so etwas tun?“ „Weil es mir Spaß macht. Seit ich 5 bin, sitze ich fast den ganzen Tag an Computern. Außerdem, was geht dich das überhaupt an?“ Kaiba betrachtete sie eine Weile. Anscheinend schien er über etwas nachzudenken. „Wenn du wirklich so gut bist, wie du vorgibst zu sein, wirst du wohl keine Angst vor einem kleinen Test haben.“ Verwundert sah sie ihn an. Er wollte sie testen? Aber warum? „Wie meinst du das?“, fragte sie überrumpelt. Ihre Wut war zwar noch da, doch recht klein geworden. „Ich will, dass du ein Programm schreibst. Du hast eine Woche. Ein Kampfsystem für ein RPG. Und wehe du kommst mit so einer billigen Scheiße.“ „Warum sollte ich dir ein Programm schreiben?“, fragte sie, nun wieder von Zorn erhitzt. Was bildete er sich ein. Er glaubte wohl, er könne jeden einfach so herum kommandieren. Aber nicht mit ihr. „Ganz einfach. Du willst, dass ich dir helfe, also wirst du dieses Programm schreiben.“ Ein siegessicheres Grinsen bildete sich auf Kaibas Lippen. Reimi fehlten die Worte. Sie hätte niemals gedacht, dass der berühmte Seto Kaiba, den sie nun schon so lange kannte, und doch nicht kannte, so erpresserisch sein konnte. „Also?“ Immer noch siegessicher sah er ihr in die Augen. „Gut. Ich schreibe dir ein Programm. Ich entwickele dir das beste Kampfsystem, das du jemals gesehen hast. Aber im Gegenzug bist du mein Partner bei diesem Lyrikmist.“ „Vorausgesetzt dein Programm ist so gut, wie du behauptest.“ Mit einem letzten eindringlichen Blick betrachtete er sie, dann ging er in Richtung der Fahrstühle und ließ das verwirrte Mädchen allein zurück. Großartig, jetzt hatte sie also einen Deal mit Kaiba. Sie musste leider zugeben, dass ein perfektes Kampfsystem für ein RPG nach heutigen Standards zu entwickeln, eine unmöglich zu bewältigende Aufgabe war, in dieser kurzen Zeit und für einen Einzelnen. Warum hatte sie das überhaupt getan. Seit einer Ewigkeit hatte sie niemandem mehr gezeigt, wie gut sie sich mit Computern auskannte. Sie hasste es, wenn man sie als Freak bezeichnete, oder Witze darüber machte, dass Frauen und Technik nicht zusammen passen würden. Doch Seto Kaiba demütigte sie, so oder so. Eigentlich war es sogar ein Vorteil ihm zu zeigen, dass sie doch wenigstens eine Sache beherrschte. Doch nun hatte sie den Salat. Sie hatte ihre große Klappe aufgerissen, vielleicht sogar zu weit. Aber sie würde nicht versagen und wenn sie sieben Tage ohne Essen und Schlafen durcharbeiten würde. Sie würde nicht versagen, nicht vor diesem Mann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)