Sins and Serpents von Gayagrod ================================================================================ Kapitel 2: Herbst 1979 (II) --------------------------- Aus den Erinnerungen von Lily Evans-Snape und James Potter. Herbst 1979. Spinner’s End. „Du hättest nicht herkommen sollen.“ Lily schien über James‘ Besuch nicht besonders glücklich zu sein. Allerdings hatte er das Gefühl, dass die junge Hexe schon länger nicht mehr glücklich gewesen war. „Woher hast du überhaupt diese Adresse?“, fragte Lily mit einem leichten Stirnrunzeln. Bisher hatte es James nicht interessiert, wo sie und Severus wohnten. Die Eulen, die er ihr an Weihnachten und zu ihrem Geburtstag schickte, landeten regelmäßig bei ihren Eltern, obwohl sie dort schon vor fast zwei Jahren ausgezogen war. „Mr. Lupin war sehr ... zuvorkommend.“ Remus‘ Vater war Lilys Vorgesetzter in St. Mungo’s. Er hatte James Lilys Adresse in Spinner’s End gegeben, obwohl Mr. Lupin klar gemacht hatte, dass er es für keine gute Idee hielt, Lily zu besuchen. „Sie hat im Moment eine Menge Stress. Bestimmt war ihre Reaktion einfach übereilt und hat nichts Besonderes zu bedeuten“, hatte Mr. Lupin gemeint, als James ihm Lilys Flucht nach ihrem kurzen Gespräch geschildert hatte. Doch James war nicht dafür bekannt, Dinge einfach auf sich beruhen zu lassen. „Du hattest es nach unserem letzten Treffen so eilig zu verschwinden, da musste ich einfach herkommen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Bisher ist noch nie eine Frau vor mir weg gelaufen.“ „Tja ...“ Lily starrte auf den niedrigen Stubentisch mit den beiden gefüllten Teetassen darauf, der vor ihr und James stand. Ihr Exfreund war ziemlich enttäuscht gewesen, als Lily sich von ihm weg ans andere Ende des Sofas gesetzt hatte. Sicherheitsabstand war genau das, was Lily wollte. Egal, was James Potter darüber denken mochte. „Es tut mir Leid, wenn ich einen wunden Punkt getroffen habe“, meinte James so einfühlsam wie möglich. Er blickte Lily von der Seite her an. „Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst.“ „Es gibt aber nichts zu erzählen“, erwiderte Lily harsch und griff nach ihrer Teetasse. Sie nahm hastig einen Schluck, dann noch einen. „Das glaube ich dir nicht.“ „Wieso?“ Wütend funkelte sie James an. Warum musste er in ihrem Leben herumwühlen? Konnte er es nicht einfach sein lassen? „Weil deine Hände zittern.“ Er deutete auf ihre Hände. Tatsächlich, die Tasse in ihrer Hand wackelte gefährlich zwischen ihren unsicheren Händen. Schnell stellte sie das Porzellangefäß ab. „Was ist los, Lily? Irgend etwas stimmt doch nicht.“ Die Rothaarige wandte den Blick von diesen dunklen, besorgten Augen ab. „Es ist halb so wild. Wahrscheinlich mache ich mir nur selbst etwas vor.“ Toll. Hatte sie gerade wirklich den ersten Schritt getan, um ihm von ihren Ängsten zu erzählen? Jetzt würde er garantiert nicht wieder einfach so verschwinden. Doch wenn sie ehrlich war ... Wollte sie wirklich, dass er einfach so ging? Während Lily darüber grübelte, ob sie ihrem alten Freund mehr erzählen sollte, wartete dieser geduldig, wie ihre Entscheidung ausfallen würde. James hoffte, dass die junge Frau sich ihm öffnen würde. Er hatte sich vor seinem Besuch ein wenig umgehört und erfahren, dass sie kaum noch Kontakt zu ihren alten Freunden aus Hogwarts hatte. Selbst ihre Eltern hörten nur ab und zu etwas von ihr. James konnte sich gut vorstellen, dass Lily jemanden zum Reden brauchte – und er würde nur zu gerne derjenige sein, dem sie ihre Geheimnisse anvertraute. Ja, er liebte es, in Geheimnisse eingeweiht zu werden, aber das war nicht der einzige Grund, warum er gerne mehr gewusst hätte. Als sie in Hogwarts ein Paar gewesen waren, hatten sie keine Geheimnisse voreinander gehabt – nun ja, fast keine – warum sollte es jetzt anders sein? Außerdem wurmte es James ein wenig, dass Lily sich jetzt anderen Leuten anvertraute. Nein, es ärgert dich, dass sie sich jetzt Snivellus anvertraut, so ist es doch, nicht wahr? Der Zauberer musste seiner inneren Stimme leider Recht geben. Umso besser, dass es etwas zu geben scheint, über das sie mit ihm nicht reden kann. Sonst würde es sie doch wohl kaum so mitnehmen, oder? Dass Lily ihrem Mann etwas vorenthielt, stimmte ihn gleich ein ganzes Stück fröhlicher. Lily seufzte herzergreifend und der Zauberer schreckte aus seinen Gedanken auf. „Es ist so ...“, begann sie vorsichtig. „Ich dachte, ich sei glücklich. Oder besser, ich dachte, das Glück würde bleiben. Aber jetzt ...“ Sie schüttelte traurig den Kopf. „Vielleicht soll es einfach nicht sein, dass Gryffindors und Slytherins eine Verbindung eingehen. Vielleicht sind unsere Wesenszüge einfach zu verschieden.“ Im Stillen gab James ihr Recht. Seines Wissens war es noch nie vorgekommen, dass zwischen Schülern dieser Häuser mehr als kühle Freundschaft geherrscht hätte. Meist war sogar eher das Gegenteil der Fall – seine Feindschaft mit Snape war wohl der beste Beweis dafür. „Am Anfang war ich glücklich, ohne Frage.“ Ein warmes Lächeln huschte über Lilys Gesicht. „Aber mittlerweile hat sich so Vieles geändert ... Severus ist oft fort und ich weiß nicht, wo er ist und mit wem er sich trifft. Er meint, Freunde würden ihn um Hilfe bitten, weil er sich gut mit Zaubertränken auskennt.“ „Und du glaubst ihm das nicht so ganz“, stellte James fest. Sie zuckte mit den Schultern. „Übertreibe ich? In Zeiten wie diesen würde doch wohl jeder so denken, oder?“ „Du denkst, dass er für Du-weiß-schon-wen arbeitet?“ Das würde er Snivellus auf jeden Fall zutrauen. „Allerdings sind das auch ziemlich brisante Anschuldigungen“, gab er zu. „Hast du mit ihm darüber gesprochen?“ „Naja, ich habe ihm nicht gerade ins Gesicht gesagt: ‚Hey Severus, arbeitest du für Todesser?‘“ Sie schüttelte erneut den Kopf. „Das könnte ich nie. Ich habe viel zu viel Angst, dass ...“ „Dass du ihn verletzen könntest?“ Der Andere hob zweifelnd eine Augenbraue. „Ich bin was ihn angeht wohl nicht der objektivste Mensch, aber wenn er dich ohne eine Erklärung oft alleine lässt, dann sind deine Zweifel berechtigt. Das kann dir niemand vorwerfen.“ „Es ist nicht nur das ... Ich mache mir Sorgen um ihn. Es macht mich krank, nicht zu wissen, wo er ist und jedes Mal bangen zu müssen, ob er überhaupt wieder nach Hause kommen wird.“ Sie lächelte James schwach an. „Tut mir leid, das ist wohl das Letzte, was du von mir hören möchtest. Und damit du verstehst, warum ich neulich die Flucht ergriffen habe ...“ Sie holte tief Luft. „Es kann tatsächlich sein, dass Severus demnächst zu einem Todesser ernannt wird.“ Und wir wissen beide, was das heißt, dachte James. Man wurde nicht ohne besondere Verdienste in den engeren Kreis Lord Voldemorts aufgenommen ... „Ich ... Es tut mir leid, Lily.“ Er wusste nicht, was er Anderes sagen sollte, und überlegte, ob er sie noch auf andere Weise trösten könnte. Was er aber ganz genau wusste, war, dass er es Snape nie verzeihen würde, wenn er sich Lord Voldemort wirklich anschließen würde. Das hatte Lily einfach nicht verdient. Doch im nächsten Augenblick wichen diese Gedanken purer Verwirrung, denn Lily klammerte sich an ihn und ließ ihren Tränen freien lauf. Langsam legte James die Arme um die zerbrechliche Hexe. Er wünschte sich, es wäre anders gekommen. Er hätte ihr niemals solchen Kummer bereitet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)