Schwan und Wolf von --Tina-- ================================================================================ Kapitel 3: Mondsüchtig ---------------------- Liest das hier überhaupt wer? ^^ ----------------------------------------------------- Das erste, was ich wahrnahm, waren die leisen Geräusche aus dem arbeitenden Holzgebälk. Es duftete nach Büchern und Rosen anstelle nach dem kalten Rauch oder Schimmel meiner sonstigen Unterkünfte und ich seufzte lächelnd auf. Ich wusste zwar nicht wo ich war, aber ich fühlte mich seltsam erholt. Genüsslich streckte ich mich, doch zuckte zusammen, als ich einen stechenden Schmerz an der Seite fühlte und das war es, was die Erinnerungen an die letzten Stunden zurückbrachte. Blitzschnell schreckte ich hoch, riss ich die Augen auf und sah mich leicht panisch im Zimmer um. Keine Vampirin. Erleichtert seufzte ich wieder auf und entspannte mich etwas, während ich versuchte die ungefähre Uhrzeit zu ermitteln. Irgendwas mitten in der Nacht, denn das Zimmer war dunkel und nur dank meiner etwas verbesserten Sicht, ein Gratisgeschenk des Werwolfbisses, konnte ich etwas mehr als nur die Konturen erkennen. Das Fenster war nicht durch irgendwelche Gardinen verdeckt und so sah ich auf dem Fensterbrett immer noch Sinas Buch im Schein des abnehmenden Mondes liegen. Ich ließ mich wieder zurück in das Kissen fallen und machte mich gleich daran, meine Verbände zu überprüfen. Ich wickelte zuerst eine Bandage am rechten Oberarm ab und musste breit grinsen, als ich eine kaum zu erkennende Narbe auf ansonsten unversehrter Haut sah. Die paar Stunden Schlaf hatten wahre Wunder gewirkt, denn ich fühlte mich zwar immer noch schrecklich erledigt und meine Seite und ein, zwei andere Stellen schmerzten noch etwas, aber der Rest meiner Verletzungen war mittlerweile wohl verheilt. Was mich allerdings erschreckte war, dass ich meine Rippen zählen konnte, als ich die Verletzung an meiner Seite begutachten wollte. War ich wirklich so dünn? Es stimmte zwar, dass ich manchmal nicht genug zu Essen hatte, weil bei mir das Geld eigentlich immer knapp war und ich in meinem Wandererleben auch mal einfach nur wochenlang durch den Wald strich. Aber es war auch schwer an Geld zu kommen, denn wer gab einem Kerl wie mir ohne Referenzen gut bezahlte Jobs und auf illegale Sachen wie Raubüberfälle griff ich nur zurück, wenn ich wirklich hungrig war, brachten sie doch nur Ärger ein. Doch mein jämmerlicher Zustand fiel mir erst jetzt auf, wo ich hier friedlich in meinem Bett lag und mich auf mich konzentrieren konnte. Ich schüttelte den Kopf, um ihn frei zu kriegen. Für solche Gedanken war jetzt keine Zeit. Ich schwang die Beine aus dem Bett und wickelte alle anderen Verbände ab, die Stoffstreifen warf ich neben das Kopfende. Es war ein ganz schöner Haufen, der auf dem Boden zu liegen kam, ich hatte mir wohl ganz schön was eingefangen letzte Nacht. Ich stand mit Schwung auf, oder eher gesagt ich versuchte es, denn beinahe sofort knickten meine Beine wieder unter mir weg und ich fiel zurück auf die weiche Matratze. Scheiße, das war so aber nicht geplant gewesen! Ich hätte nicht gedacht, dass ich so erschöpft war, fühlte ich mich doch eigentlich verhältnismäßig gut. Aber was erwartete ich auch von meinem Körper? Immerhin hätte ich gestern beinahe das Zeitliche gesegnet. Zögernd versuchte ich erneut aufzustehen, diesmal aber langsamer und tatsächlich knickten die Beine nicht wieder ein, auch wenn sie vor lauter Anstrengung zitterten. Eigentlich hatte ich vor die Vampirin zu umgehen, das Haus zu verlassen und weiter zu ziehen, doch mir fiel auf, dass ich nur meine Boxershorts trug. So konnte ich natürlich nicht in der nächsten Stadt auftauchen, also flog mein Blick einmal durchs Zimmer auf der Suche nach meinen Kleidungsstücken. Auf dem Stuhl, auf dem Sina gesessen hatte, lagen nun ordentlich zusammen gefaltete Sachen, was ich ziemlich umsichtig von der Vampirin fand, denn meine Klamotten hätten wohl nur noch als Putzlappen dienen können. Als ich die Kleidung näher betrachtete, erkannte ich eine saubere Jeans, ein weißes T-Shirt und einen dunkelblauen Pullover, sogar an Unterwäsche hatte meine Gastgeberin gedacht. Doch waren weder Socken noch Schuhe zu finden und ich fluchte leise. Nur weil dieses naive Vampirmädchen barfuss hier herumlief, hieß das noch lange nicht, dass ich das auch musste! Im Wald war es kalt und ich wollte mir nicht den Tod holen, außerdem hatte ich meine Schuhe gerade so schön eingelaufen, die wollte ich wieder haben! Leise grollend zog ich mich an und wäre die Vampirin jetzt zur Tür herein gekommen, hätte ich für nichts garantiert. Dieses vermaledeite Miststück, klaute einfach meine Schuhe! Wenn man so sah, war das das Einzige, was ich besaß und irgendeinen Wert hatte. Okay, eigentlich war es das Einzige, was ich überhaupt besaß, denn mein Rucksack mit den anderen wenigen Habseligkeiten hatte das Rudel unter sich aufgeteilt, als sie mich so gut wie tot hatten liegenlassen. Mit den Erinnerungen verrauchte auch der Zorn auf die Vampirin, der Groll auf das gegnerische Rudel war für mich ein viel besseres Feindbild. Ich versuchte mir, wenig erfolgreich, einzureden, dass ich mit dem Kapitel von letzter Nacht abgeschlossen hatte. Ich wusste doch eigentlich, dass diese Erinnerung tief in mir noch lange schlummern und in Form von Albträumen oder übertriebener Vorsicht immer wieder ans Tageslicht kommen würde. Mit dem abklingenden Zorn kehrte ein anderes Gefühl in den Vordergrund oder eher gesagt ein dringendes Bedürfnis: ich musste mal für kleine Wölfe. In Ermangelung von Schuhen und Socken, die Schränke und Schubladen wollte ich nicht durchsuchen, ging ich einfach barfuss bis zur Tür. Leicht schwankte ich dabei und musste mich an dem Türrahmen festhalten, schwer atmend und mit zittrigen Beinen. Die Tür war zu und fragte mich, wie ich es nur hatte überhören können, dass Sina hier herein gekommen war und mir die Kleidung auf den Stuhl gelegt hatte. Normalerweise wachte ich ja schon davon auf, wenn sich eine Person vor der Tür meines Motelzimmers bewegt oder in der Nähe war, wo ich schlief. Ich öffnete die Tür und sah mich um. Vor mir lag ein hell gestrichener Flur mit noch fünf anderen Türen, am einen Ende des Flures führte eine Treppe sowohl nach oben, als auch nach unten. Leise Rockmusik war von unten zu hören und Geräusche, als würde dort jemand herumlaufen, jetzt wusste ich wenigstens, wo sich das Vampirmädchen aufhielt. Ich ließ das Licht aus, reichte mir doch das dämmrige Licht des fast vollen Mondes, der durch zwei Fenster in den Flur hineinstrahlte. Auf Gutglück öffnete ich eine Tür und sah eine kleine Küche vor mir, die aber eher selten genutzt aussah und für das vermutlich große Haus winzig wirkte. Ich bekam immer mehr den Eindruck in einer richtigen Villa gelandet zu sein, denn wo gab es sonst eine Zweitküche? Doch das war im Moment egal, ich suchte ein Bad, also öffnete ich die nächste Tür. Dahinter befand sich ebenfalls ein Schlafzimmer, was allerdings eindeutig von einer weniger ordentlichen Person bewohnt wurde wie meines, denn hier lagen alle möglichen Kleidungsstücke und andere Gegenstände auf dem Boden herum. Den Kopf schüttelnd ging ich weiter, ein schlampiger Vampir, wo gab es denn so was? Bei der nächsten Tür hatte ich Glück und ich fand ein Badezimmer. Alles wirkte auf dezente Weise teuer und edel und ein angenehmer Geruch nach Zitrusreiniger kitzelte in meiner Nase. Nachdem ich die Toilette benutzt und mir die Hände gewaschen hatte, spritzte ich mir einen Schwall Wasser ins Gesicht, um endlich richtig wach zu werden. Das kalte Wasser tat gut und war erfrischend kühl. Einmal tief durchatmend lehnte ich meine Hände auf den Rand des Waschbeckens und schaute mich in dem diffusen Licht in den darüber befindlichen Spiegel an. Über mein gebräuntes Gesicht liefen die klaren Wassertropfen und fielen von meiner Nasenspitze oder dem Kinn hinunter ins Waschbecken. Meine braunen Augen wirkten bei den tiefen Schatten darunter und dem fehlenden Licht noch glanzloser als sonst an manchen Tagen und die Wangen waren eingefallen. Ja, die letzten beiden Tage hatten ganz schön an meiner Substanz gezehrt und ich sollte mir wirklich einen Job suchen sobald ich hier weg war und mich an einem Ort für ein paar Wochen aufhalten, um wieder zu Kräften zu kommen. Doch wer gab mir schon eine Stelle? Ich sah nicht nur kränklich aus, meine Papiere waren mitsamt dem Rucksack verschwunden und mit meiner Werwolfs-Ausstrahlung war ich nicht gerade Vertrauen erweckend. Wütend holte ich aus, um den Spiegel zu zerschlagen der mich zu verhöhnen schien, doch lenkte ich im letzten Augenblick meine Faust um und traf so nur die Fliesen der Wand. Schmerz durchzuckte meine Hand und mit einem Blick sah ich, dass zwar die Fliese und meine Knochen gehalten hatten, doch die Haut am Knöchel aufgeplatzt war. Vor mich hin grummelnd wischte ich mit einem Handtuch das Blut von den Knöcheln meiner rechten Hand. Sollte sich die Sina doch über das blutige Handtuch ärgern, das nahm ich im Moment billigend in Kauf. Ich trat an das Badezimmerfenster und schaute hinaus. Der immer noch fast volle Mond erhellte eine großzügige Parkanlage und den dahinter beginnenden Wald und ich merkte ein schmerzhaftes Ziehen in meiner Herzgegend. Ich würde einiges dafür geben, jetzt unverletzt und ausgelassen in meiner Wolfsform durch den Wald zu toben, vielleicht aus Spaß ein Tier zu hetzen oder einfach nur das Bad im Mondschein zu genießen. Doch dafür musste ich erstmal heile wieder aus den Fängen des Vampirmädchens kommen, denn ich glaubte erst, dass sie mich gehen lassen würde, wenn ich unbeschadet den Waldrand hinter mir gelassen hatte. Es war unwahrscheinlich, dass ich an der Vampirin vorbei kam, doch ich konnte es mal versuchen. So leise wie möglich schlich ich zurück auf den Flur und zu den Treppen und schnupperte in der Luft, um nahe Personen zu bemerken, bevor ich mir innerlich vor den Kopf schlug und an die Geruchlosigkeit von Vampiren dachte. Je weiter ich die Treppe herunter ging, desto heller wurde es und desto lauter wurde die Musik, bis sie schließlich fast unangenehm war. Das Gehör eines Werwolfes war also zumindest ein bisschen besser, als das eines Vampirs, diese Erkenntnis speicherte ich unter „Dinge die vielleicht dein Leben retten können“ ab und schlich weiter. Obwohl ich mir anscheinend gar nicht so große Mühe hätte geben müssen, denn das was ich vom letzten Treppenabsatz sah, ließ mich völlig perplex stehen bleiben und mich offenen Mund in den großen, als Wohnzimmer eingerichteten Raum starren. Zu den rockigen Klängen irgendeiner Band, ich stand eher auf Metall und konnte das Lied daher nicht einordnen, hüpfte, drehte und wirbelte die kleine Vampirin durch das nur von einer Stehlampe erhellte Zimmer. Sie sprang sogar auf dem großen Sofa herum, doch bewegte sie sich dabei mit der ihr eigenen Eleganz eines Vampirs. Ich konnte wirklich nicht anders, als wie eingefroren da zu stehen und sie anzusehen, dabei wäre dies ein guter Zeitpunkt gewesen von hier zu fliehen, doch das fiel mir erst später ein. Es war aber nicht ihr zugegebener Maßen recht niedlicher Anblick, sondern eher die Verwunderung, dass ein Blut trinkendes Monster wie ein Teenager durch die Wohnung hüpfte, was mich sie völlig perplex anstarren ließ. Wie lange ich die Vampirin beim Tanzen beobachtete, wusste ich nicht, doch war es nicht mehr als wenige Augenblicke bevor Sina mitten in einer Drehung inne hielt und mich fixierte. Innerhalb eines Augenblicks ließ sie sich auf dem Sofa fallen, dass sie dort diszipliniert saß und schaffte es sogar irgendwie ihren weiten Rock so zu fassen, dass er nicht hochflog sondern züchtig auf ihren Knien zu liegen kam. Sina machte so ein harmloses unschuldiges Gesicht, doch ihre kurzen Haare standen durch das Herumhüpfen in alle Richtungen ab, so dass ich einfach nicht anders konnte als zu grinsen. Für einen weiteren Augenblick sahen wir uns einfach nur in die Augen und das kleine Vampirmädchen hatte darin ein übermütiges Glitzern liegen, das ich nicht ganz einordnen konnte. Sina brach den Bann, indem sie zur Anlage ging und die Musik ausstellte, wobei sie für meine Ohren noch deutlich hörbar vor sich hin summte. Langsam kam ich die restlichen Stufen herunter, vorsichtig weil ich meinen Beinen nicht ganz vertraute und weil ich die Vampirin nicht aufscheuchen wollte. Das Mädchen war also gerade wieder in der zutraulichen und freundlichen Stimmung, was mich dazu veranlasste, mich ihr auf wenige Meter zu nähern, auch wenn es gegen meinen Instinkt ging. Die Vampirin drehte sich um und kam ein paar Schritte von der Musikanlage auf mich zu, blieb aber stehen sobald ich mich anspannte. „Hast du gut geschlafen? Oder hab ich dich mit der Musik geweckt?“, fragte Sina mit einem ehrlichen und einnehmenden Lächeln. In Ordnung, was war hier los? Meine Gastgeberin – und gleichzeitig Kerkermeisterin – fragte mich tatsächlich, wie ich geschlafen hatte und meinte es anscheinend ernst. Das hatte seit Jahren niemand mehr ernsthaft getan und irgendwie irritierte mich das. Also nickte ich stumm. „Was hast du an deiner Hand gemacht?“, fragte die Vampirin plötzlich erstaunt und versuchte danach zu greifen, doch kaum kam sie mir zu nah, zog ich instinktiv meine Hand zurück. Sie schaffte es zwar kurz meine verletzten Knöchel zu berühren, aber ich brachte schnell mehrere Meter zwischen uns. Sina sah etwas erschrocken aus, ich konnte nicht genau einordnen worüber, vielleicht weil ich so heftig reagiert hatte oder vielleicht auch weil sie über ihre eigene unüberlegte Handlung schockiert war, hatte sie doch das gerade beginnende Zutrauen von meiner Seite zerstört. Alle meine Sinne waren wieder darauf fixiert, wie sich das Vampirmädchen bewegte und ob ich nicht in ihren Augen ein Zeichen von Angriffslust erkennen konnte. Nur mit Mühe gelang es mir ein Knurren zu unterdrücken und sollte die Vampirin mir zu nahe kommen, würde ich nicht so hilflos sein wie heute Morgen – oder war es Mittag gewesen? Sina schaute auf ihre rechte Hand und ich folgte ihrem Blick. Daran waren feine Abdrücke meines Blutes zu erkennen und als wäre es eine völlig natürliche Reaktion, leckte sie die kleinen Blutspuren ab. Angewidert verzog ich das Gesicht. Hatte diese Vampirin das letzte Nacht etwa auch gemacht? Ich hätte gerne mein Blut behalten und Sina würde besser daran tun, ihre Zähne von meinen Adern zu lassen! Doch auch das Vampirmädchen schien nicht sonderlich erfreut zu sein, denn sie verzog das Gesicht ebenfalls vor lauter Ekel. Sie streckte sogar die Zunge raus und wischte sich mit der Hand darüber. „Pfui! Dein Blut schmeckt ja zum … eklig!“, schimpfte sie und schüttelte den Kopf, als hätte sie in eine Zitrone oder Grapefruit gebissen. Doch trotz ihrer unter anderen Umständen lustigen Reaktion verzog ich keine Miene sondern überlegte. Damit wäre die Frage geklärt, ob sie letzt Nacht auch mein Blut getrunken hatte, etwas Positives hatte die ganze Sache, ich musste keine Angst haben am nächsten Morgen mit ein paar Litern weniger Blut aufzuwachen. „Jetzt weiß ich wenigstens, wieso sich unsere Völker nicht verstehen. Ihr könnt uns wortwörtlich nicht riechen und uns schmeckt ihr einfach nicht.“, erklärte Sina und brach in albernes Gekicher aus. Da half es auch nicht, dass sie die Hand vor den Mund hielt um das kindische Lachen zu unterdrücken. Ich rollte genervt mit den Augen und seufzte auf. Wo nahm dieses Mädchen nur diese Energie her, immer so überdreht und fröhlich zu sein? Mir ging der andauernde Gemütswechsel der Vampirin ziemlich auf die Nerven, auch wenn sie im Moment eher auf der fröhlichen anstelle der vorsichtigen Schiene lief. „Wo sind meine Schuhe?“, fragte ich gereizt. Ich wollte hier weg. Fort von dem Haus, wo eine ganze Sippe von Vampiren wohnte, auch wenn gerade nur das Vampirmädchen vor mir anwesend war und dafür brauchte ich nun mal meine verdammten Schuhe. Ich sah es nicht ein, barfuss durch den Wald zu rennen. Wohl etwas über meinen aggressiven Ton erstaunt zog Sina die Stirn kraus und sah mich mit schräg gelegtem Kopf an, als überlege sie angestrengt. Dann verdüsterte sich ihr Gesicht und sie schob schmollend die Unterlippe vor. „Du willst gehen. Mitten in der Nacht? Siehst du da draußen überhaupt was? Ich kann mich an die Zeit erinnern, als ich noch ein Mensch war, da wäre ich völlig blind durch den Wald geirrt.“, stellte die Vampirin fest und machte eine Geste mit der Hand in Richtung Fenster und die für menschliche Augen dahinter liegende Dunkelheit. Ich brauchte ihrer Geste gar nicht mit den Blicken zu folgen, um zu wissen dass ich dort draußen mehr als nur die Umrisse erkennen konnte, wenn ich auch nicht so gut wie am Tag sah. Doch das musste ich der Vampirin ja nicht direkt auf die ohnehin schon viel zu neugierige Nase binden, war es doch besser immer noch ein Ass im Ärmel zu haben, besonders gegen potentiell tödliche Gegner. „Ich bin nicht gerade jemand, den man einsperren sollte.“, knurrte ich mit einem leicht drohenden Unterton. Die Vampirin sollte nicht denken, dass ich mich hier wie ein kleines Schoßhündchen einsperren ließ. Langsam trat ich nun doch zum Fenster und sah hinaus, hatte dabei aber immer noch die Vampirin im Blick. Wieder fühlte ich diese Sehnsucht durch den vom Mond beschienen Wald zu rennen oder meinen Übermut anders abzureagieren. Ich war zwar noch etwas schwach auf den Beinen, doch der Mond brachte mich dazu das alles zu vergessen und etwas an Selbstüberschätzung zu leiden. Aber wie es aussah, würde ich diese Nacht nicht mehr nach draußen kommen, denn erstens hätte mich die Vampirin eingeholt bevor ich die Haustür auch nur erreichen konnte und außerdem zeigte ein leicht rosiger Streifen am Horizont an, dass die Sonne bald aufgehen würde. Enttäuscht drehte ich mich um, ging zu dem großen Sofa und ließ mich darauf fallen, das Gesicht vergrub ich in meinen Händen „Wie wär’s: Ich mache dir Frühstück, du ruhst dich solange noch aus und dann zeig ich dir den Weg in Richtung Stadt.“, seufzte Sina auf. Sofort schoss mein Kopf hoch und ich sah die Vampirin mit einer Mischung aus Verwunderung, Erleichterung und Unglauben an. Sie wollte mich wirklich freiwillig gehen lassen, ohne dass ich mir den Weg freikämpfen musste? Und das alles nur für eine Gegenleistung von ein paar Fragen beantworten? So recht wollte ich das nicht glauben, doch die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. Außerdem tat mir jede Sekunde Ruhe gut, die ich bekommen konnte. Ich nickte Sina zu und sie ging auf eine Tür zu, hinter der ich die Küche vermutete. Irgendwie sah sie dabei etwas traurig oder eher enttäuscht aus. Hatte sie wirklich geglaubt, dass ich hier freiwillig oder gar gerne war? Armes, naives Ding! Kopfschüttelnd legte ich mich auf das Sofa und starrte die Decke an. Mein Leben war ganz schön kompliziert und ich wusste nicht, ob es durch die Begegnung mit dem kleinen Vampirmädchen nicht noch schlimmer geworden war. Aber zumindest lebte ich noch – vorerst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)