100 Themes Challenge von CrackpotCity (every day is writing day) ================================================================================ Kapitel 30: #30 [Rain] ---------------------- - Traum - "Ich hab geträumt, wir hätten einen Streit gehabt." Wobei das ja nichts Außergewöhnliches ist bei uns; das passiert ja mittlerweile fast täglich. Oder gar mehrmals am Tag - so garnicht harmonisch. Wie es sich eben gehört. Da fliegen die Fetzen, oder zumindest die harschen Worte hin und her, bunt gemischt, mal deutsch, englisch, französisch oder italienisch (was ich unfair finde, denn letzteres klingt unerhört sexy), je nach Denkfähigkeit. Und die ist nach ein paar Bieren nun wirklich nicht mehr auf hundert Prozent, da kommt das Sprachzentrum gerne mal durcheinander. Macht aber auch garnichts, wenn man kein Wort versteht. Am Ende zählt nur, dass man den anderen verletzen will. Und zumindest das schaffst du mittlerweile mit nahezu vollendeter Präzision. Du kennst ja meine Schwachstellen und weißt, wo es besonders weh tut. "Und wir waren angepisst." Auch schon ein Dauerzustand. Du weißt genau, was ich meine. Tapirgesicht. "Dann bist du abgehauen, ich glaube eine Kneipe war's. Und irgendwie haben wir dort Billiard gespielt, aber du wolltest mich nicht anständig spielen lassen und hast es dann nicht gepackt, ein paar blöde Biere zu bestellen." "Absurder Traum. Zum Bierbestellen brauch ich nichtmal Worte." "Deshalb sind es ja auch Träume, du Held. Es muss nicht unbedingt etwas mit Realität zu tun haben." Ein bisschen vielleicht. Sagt man doch. Dass in Träumen ein großer Teil dessen verarbeitet wird, was man den Tag über gesammelt hat. Solche.. Dinge, die gerne mal in der Versenkung verschwinden, werden rausgezerrt wie zitternde Flüchtlinge aus ihrem Versteck. "Jedenfalls sind wir dann wieder heimgelaufen. Durch die Stadt, am Friedhof vorbei, untenrum, hat geschüttet wie bekloppt. So richtig dicke, fette, schwere Mördertropfen. Und arschkalt. Und so." Ich sehe es dir trotzdem an, obwohl es in deinem Gesicht kaum arbeitet, während du versuchst, dir das alles vorzustellen und in Gedanken den Weg nachläufst, den ich dir hier vorgebe. Du fährst die Strecke oft genug mit dem Auto und hättest wohl lieber Straßennamen von mir gehabt, würdest du sie denn verstehen. Es amüsiert mich manchmal sehr, wie du dir eine halbe Stunde vorher schon einen abbrichst und darüber sinnierst, wie man dieses verfluchte "Sante Marie aux Mines" wohl ausspricht. "Und dann?" "Dann haben wir uns hingesetzt, an der Bushaltestelle vorm Place du Rois. Beim Brunnen. Und haben da gewartet. Auf den Bus, oder auf den Regen. Ich glaube, ich bin dabei eingeschlafen." Was gibt es denn da zu grinsen? Einen Moment lang denke ich wirklich, du kannst in meinem Kopf sehen, die Bilder betrachten, die in meinem Gedächtnis kleben. An einer Wand voller geheimer Polaroids, die nur mich was angehen. "Du PENNST in deinem eigenen Traum?" Ach, das meint er. Na gut. Vielleicht nicht so unglaublich spektakulär. Aber er hat schließlich gefragt. Meine Schultern zucken von ganz allein, ich kann da auch nix machen. Der Traum hat sich eingebrannt, irgendwie; ich weiß nicht, wieso. Und so oft ich mich erinnere, wenn es draußen regnet, werde ich ganz ruhig. Und meine Fingerspitzen werden warm.. und ich ertappe mich dabei, müde zu lächeln, als wäre ich wieder kurz vorm Einschlafen. Über mir das harte, arhythmische Geprassel des Regens, eine eisige Kühle, die durch nasse Kleidung sickert und trotzdem -völlig paradox- die angenehme Wärme, wenn sich der Kopf auf die Schulter nebenan legt und die Augen schließt. Ein bisschen ausruhen, ein bisschen Frieden, ein bisschen Sicherheit. Ein bisschen Körperwärme schnorren und das Maul halten. Wenn wir uns nicht grade angiften, kommen wir doch eigentlich ganz gut miteinander aus. "Das war's. Weiter geht's nicht." "..öde. Da hätte ich mir bei dir was Besseres vorgestellt." "Du meinst, vollgestopft mit Kitsch und vor Schmalz triefenden Liebesschwüren und so'n Scheiß? Pfff!" Jaja, so schätzt du mich eben ein. Da muss ich dich enttäuschen - Träume, in denen du mal richtig liebevoll bist, gehen in der Regel eher übel aus. "Also, bist du zufrieden damit? Dann bist du an der Reihe. Dein schönster Traum. Ever." Du starrst durchdringend auf einen Punkt über mir; mitten in die Luft, die erschreckt ihre Blöße bedeckt. Siehst du so aus, wenn du ernsthaft nachdenkst? Du öffnest den Mund und ich klebe an deinen Lippen. Auf deinen Sinn für Romantik bin ich gespannt. "Es war dreckig, überall. Staub in der Luft, man konnte kaum was sehen. Und dunkel, teilweise. Hab mich durchgeschlichen, grade an der Grenze zum Krepieren und ich dachte nur: 'Das schaffst du nie, der nächste Gegner macht dich platt', aber ich bin weiter gerannt, immer weiter, hab ein paar Headshots aus dem Hinterhalt abgegeben, Adrenalin in den Adern; mit dem allerletzten Lifepoint hab ich diesen übelst schwierigen finalen Level geschafft und dann--" "Pascal. Ist es das, was ich denke?" "Counterstrike..?" "Du schläfst heute Nacht auf der Couch." "WAS." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)