Der Schreiber... von Monsterseifenblase (...legt seine Seele ins Tintenfass) ================================================================================ Kapitel 21: 021 Tattoo ---------------------- Thema 021 Tattoo Es hatte lange gedauert, bevor ich mich endlich dazu entschieden hatte. Aber als es dann so weit war, wusste ich, dass ich meine Meinung nicht mehr ändern würde. Was meine Frau davon hielt, war mir egal. Unsere Ehe war ohnehin am Ende. Wir konnten uns schon seit Monaten nicht mehr in die Augen sehen und wenn sich unsere Blicke dennoch zufällig begegneten schlugen wir beide schnell die Lider nieder. Es tat mir Leid, dass es so kommen musste, denn ich liebte sie, wie ich keine andere Frau liebte und dennoch konnte ich momentan nichts tun, um das, was uns einmal miteinander verbunden hatte, aufrecht zu erhalten. Als ich die Tür öffnete, die mich in den kleinen Tattoo- und Piercingladen führte, klingelte eine Glocke und überrascht blickte ich nach oben. Ein so liebliches Klingeln hätte ich an vielen Orten erwartet, aber nicht an einem wie diesem. Ich wertete es als gutes Zeichen. Ich tat das richtige. „Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“ Der junge Mann, der mich ansprach, war vielleicht zwanzig Jahre alt und seine Arme waren über und über mit bunten Tattoos bedeckt. Es viel mir schwer die Augen davon abzuwenden, aber schließlich schaffte ich es doch mich davon loszureißen und ihm Gesicht zu blicken, das von mehreren Piercings geschmückt wurde. „Ich habe lange darüber nachgedacht, aber jetzt habe ich mich endlich entschieden. Ich hätte gerne ein Tattoo.“ „Kein Problem“, der Mann lächelte. Obwohl er so viel anderes war, als die Menschen die ich kannte, war er mir sympathisch. „Wissen Sie schon an welcher Stelle und welches Motiv, oder wollen sie sich ein paar Vorlagen ansehen?“ „Nein“, sagte ich. „Ich weiß, was ich will.“ Vorsichtig tastete ich nach dem Foto in meiner Tasche, nur um mich zu vergewissern, dass es auch wirklich noch da war. „Na dann wollen wir mal“, sagte er euphorisch und scheuchte mich nach hinten, in spezielle Räumlichkeiten. Irgendwie schaffte er es mir meine Angst und auch meine restlichen Zweifel zu nehmen. „Sie müssen den Arm so halten. Dann werde ich die Vorlage aufmalen und wenn Ihnen die zusagt, steche ich es mit den Nadeln nach. Ist das in Ordnung?“ „Ich will die Vorlage nicht sehen. Machen Sie einfach, ich vertraue Ihnen.“ Ein paar Sekunden später spürte ich, wie er anfing an der Innenseite meines linken Oberarms herumzufummeln. Was genau dieser Kerl da jetzt tat, wusste ich nicht, ich wollte es auch nicht wissen. Es fiel mir nicht schwer meinen Arm in dieser seltsamen Position zu halten, was mich selber wunderte, aber wahrscheinlich lag es daran, dass ich in den letzten Monaten einfach abgestumpft war, egal worum es ging. Erst als ich spürte, wie mir die Nadel unter die Haut fuhr, zuckte ich kurz zusammen. Es war, als würde ich aufwachen. Als würde mir irgendetwas einen Schups geben und sagen: „Bekomm dein Leben endlich in den Griff!“ Aber so einfach war das nicht. Als das Tattoo fertig war, war meine Haut wund und rot. Alles war ein wenig geschwollenen, aber der Mann, der es mir gestochen hatte, lächelte wieder auf seine freundliche Art. „Das ist normal, sie müssen es die nächsten Tage gut eincremen, weil die Haut jetzt natürlich stark beansprucht wurde. In knapp zwei Wochen sieht das dann schon ganz anders aus.“ Ich nickte nur und blickte zu meinem Tattoo herab. Es würde auf ewig mein sein. „Darf ich fragen, warum Sie das Tattoo haben wollten? Ich mache das nicht bei jedem, wirklich und wenn sie nicht drüber reden wollen, ist das auch OK….nur, irgendwie habe ich das Gefühl, dass es nicht nur einfach nur ein Tattoo ist, sondern auch etwas zu erzählen hat…“ Der Mann war ein wenig unsicher und es schien, als würde er es schon bereuen, dass er mich darauf angesprochen hatte, aber dass machte ihn seltsamerweise nur noch sympathischer. Irgendetwas an ihm mochte ich und ohne sagen zu können was es war, bewegte es mich dazu, ihm – einem völlig Fremden – meine Geschichte anzuvertrauen. Genau zehn Tage vergingen, bis meine Frau das Tattoo bemerkte. Es mag wie eine Ewigkeit klingen, dafür, dass wir verheiratet sind, aber mich überraschte es, dass es nicht noch länger gedauert hat. „Was hast du da am Arm?“, fragte sie mich und ich tat so, als wüsste ich nicht, was sie meinte. Sie hasste Tattoos und Piercings, war der Meinung dass eine reine, saubere Haut etwas viel wunderbareres war, als eine bunte. „Was meinst du?“ „Na, das an deinem Arm.“ Sie schaute mich wütend an, denn ihr war bewusst, dass ich genau wusste, worauf sie anspielte und ein paar Sekunden später schien auch sie es zu erkennen, was es war. „Du hast dich tätowieren lassen?“ Ungläubigkeit sprach aus ihrer Stimme und ein wenig entsetzt strich sie sich ihre blonden Haare hinters Ohr. „Ohne es mir zu sagen? Du weißt doch genau, dass ich- “, dann brach sie ab. Ihr schien bewusst zu werden, dass sie genau dort anfing, wo wir noch vor kurzem aufgehört hatten. Wir schrien uns an, waren wütend aufeinander. Vor einer Stunde hatten wir uns darauf geeinigt damit aufzuhören, sie hätte es nicht gewollt. „Darf ich es mir ansehen?“, fragte sie plötzlich leise in die Stille hinein. Ich war überrascht und nickte schließlich. Sie stand auf und kam zum Sofa hinüber, wo sie sich neben mir nieder ließ. Dann fasste sie sanft meinen Arm und drehte ihn ein wenig. Sie schwieg. Eine ganze Weile starrte sie das kleine Bild an und als sie mich schließlich wieder losließ, wischte sie sich die Tränen aus den Augen, bevor sie mich schließlich ansah. Direkt in die Augen. Ich konnte dem nicht lange standhalten und lenkte meine Aufmerksamkeit auf das Tattoo. „Ich hatte Angst, dass ich sie sonst vergesse. Dass ich irgendwann aufwache und mich einfach nicht mehr genau daran erinnern kann, wie sie aussieht.“ Meine Stimme versagte und jetzt spürte auch ich die Tränen in die Augen, während ich auf das kleine lachende Gesicht schaute, dass jetzt meinen Oberarm zierte. Meine kleine vierjährige Tochter. Sie war alles für mich gewesen, nein sie war es immer noch. Ich wusste, dass ich seit dem Autounfall, seit ihrem Tod nicht mehr derselbe war, aber ich schaffte es einfach nicht, mich von ihr loszureißen und dann vor einer Weile war ich aufgewacht und hatte das erste mal nicht direkt ihr Gesicht vor Augen gehabt. Eine panische Angst war in mir aufgestiegen, die Angst, dass ich irgendwann vielleicht aufwachen würde und mich nicht mehr an ihr Gesicht erinnern konnte. Doch jetzt trug ich sie immer bei mir und wenn ich meinen Arm an meinen Körper drückte, war sie direkt an meinem Herzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)