Götterdämmerung von Knispell (Wenn die Unsterblichen wiederkehren...) ================================================================================ Kapitel 1: Entschlossen. ------------------------ . . . Warm streichelte die aufgehende Sonne die weißen, weichen Konturen ihres Gesichts, auf dem sich ein stilles Lächeln ausbreitete. Sie verlieh ihrem langen, offenen schwarzen Haar einen bläulichen Glanz und spiegelte sich in ihren milchig trüben Augen. Summend hob sie ihre Arme und ließ sich von den Strahlen liebkosen. Es war ein Mysterium für sie, wie die Sonne ohne die Führung Apollons weiter um die Erde kreisen konnte. Der Wagen war da, ja, ebenso Pegasus, der den Wagen unermüdlich antrieb. Die Sonne kam näher, nein, wurde größer, heißer. Irgendwann würde sie die Erde verschlingen, in nicht absehbarer Zukunft. Leider war sie wohl die einzige der Jungfrauen, die dieses Phänomen, den goldenen Streitwagen, sehen konnte. Und auch nur sie kam jeden Morgen auf die langsam verwitternde Terrasse. Weder eine Priesterin noch eine der anderen Jungfrauen kam zum allerheiligsten der Rituale an jedem Morgen, das einst die Pflicht aller gewesen war, die dem Tempel dienten. Doch schon seit sie hier war, hatte sie niemanden bemerkt, der auch nur einen Gedanken daran verschwendet hatte, daran teilzunehmen. Der Glaube verkommt, dachte sie und ließ langsam die Arme sinken. Das letzte Heiligtum des Sonnengottes verfiel direkt vor ihren Augen. Lange konnte sie das nicht mehr mit ansehen, es war so eine Schande. Doch es gab noch Hoffnung in ihr. Die Götter konnten nicht tot sein, sonst wäre die Erde schon längst im Chaos versunken. Sie mussten also noch auf der Welt weilen, andernfalls ergäbe alles keinen Sinn. Sie lebten, genährt vom Glauben der letzten Wissenden, Sehenden. „Hinata, dachte ich mir doch, dass du hier bist.“ „Kurenai“, war die leise Antwort. Kurenai war kein Mitglied des Tempels, sie war eine Dienerin, die beste Freundin, die sie hatte. Manchmal, wenn ihr Zeitplan es ihr erlaubte, kam sie hierher, um ihr Gesellschaft zu leisten. Und die Frau hielt ihre Ansichten nie hinterm Berg, wenn sie bemerkte, dass Hinata wieder zu grübeln anfing. Sie war der Meinung, dass diese Gedenkstätte eine Farce war, etwas Verdorbenes. Einst sagte sie, sie glaube, Hinata wäre die einzige wirkliche Jungfrau in diesem Haus, rein und bar jeder verruchter Gedanken. „Du denkst zu viel nach, Kind“, murmelte die Brünette und legte ihr einen Arm auf die Schulter. „Ja, ich weiß, du hast Recht, aber ich halte es einfach nicht mehr aus. Sie verspotten mich, weil ich an den Traditionen festhalte. Sie rühmen sich als Mitglieder des letzten Heiligtums des großen Apollons, doch es gibt nichts, mit dem sie sich wichtig tun sollten.“ Kurenai schwieg einen Moment, dachte kurz nach und neigte dann zustimmend den Kopf. „Vergiss diese Leute. Ich habe gestern mit Asuma gesprochen.“ Ohne es großartig zu vertuschen, wechselte sie das Thema. „Und?“, fragte die angehende Priesterin leise, fast schon ängstlich, leicht verkrampfte sich ihr Körper. Das beruhigende Lächeln, das ihr geschenkt wurde, machte es für sie nicht unbedingt leichter. „Alles ist vorbereitet. In einer Woche wird der Rest arrangiert sein. So oft kann er den Tempel nicht verlassen, es wäre sonst zu auffällig. Wir treffen ihn zur Dämmerung im Garten.“ Langsam entspannte sich Hinata wieder und ein kleines Lächeln zierte ihr Gesicht. Alles würde gut werden. Sie konnten von hier fortgehen, weg von diesem gedanklichen Gift, das sich unter den Menschen ausbreitete. Asuma war einer der jüngeren Priester, gerade mal Anfang 30. Sein Wesen war ein stilles, tiefes Wasser, beruhigend und freundlich. Wahrhaft gläubig. Hinata wusste, dass er vorhatte, Kurenai zur Frau zu nehmen, auch wenn er das eigentlich nicht dürfte, aber sie hatte es gesehen. In nicht allzu ferner Zukunft. Und sie war überglücklich, dass sie vorhatten, sie mitzunehmen. Doch es gab ein Wagnis, eine selbstmörderische Gefahr. Sie würden dem Tempel das Wertvollste rauben, das sich in seinen Hallen befand. Eine Steintafel, die verriet, was mit den Göttern geschehen war, warum sie sich zurückgezogen hatten. Und nur wahre Unsterbliche vermochten sie zu lesen. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, eben jene zu finden und herauszufinden, was mit ihnen geschehen war. Doch das war nicht alles. Sterblichen sollte sie helfen, ihre Gottheiten zu finden, wenn sie in größter Not waren, nur dann. Doch für sich gab es keine größere Not als dieses Vergessen. Sie würde diese Tafel benutzen, um die Götter ausfindig zu machen. Mit oder ohne ihre liebsten Freunde, die den Grund für die Existenz der Tafel nicht kannten. Nur den Jungfrauen war dieses Geheimnis anvertraut. Und sie waren nicht in der Lage, dieses weiterzugeben. In gut einer Stunde würde die Sonne untergehen, sie musste sich beeilen, sonst könnte sie es nicht schaffen. Nur einmal im Monat hatte sie die Aufgabe, das Heiligste zu bewachen; wenn sie es nicht entwenden konnte, musste sie fortgehen, ohne eine greifbare Möglichkeit, die Götter zu finden. Das Vorhaben war in der Theorie leicht umzusetzen, doch in der Praxis dafür nur umso schwerer. Es gab immer unbekannte Faktoren. Zum Beispiel in Form einer störrischen Priesterin, die einfach nicht verschwinden wollte. Nur wegen irgendwelcher Belanglosigkeiten konnte sie nicht weg, welch Ironie. Nach einigem hin und her verschwand sie schließlich doch. Gerade noch rechtzeitig, um ihr Vorhaben in die Tat umsetzen zu können. Es würde nicht leicht sein, ungesehen zu entkommen, doch es war eigentlich egal. Es würde so oder so klar sein, wer die steinerne Platte entwendet hatte, wenn sie erst einmal weg waren. Aber es wäre gut, wenn nicht gleich Alarm geschlagen werden würde, ein Vorsprung war immer von Vorteil, wenn man auf der Flucht war. Es war ungewiss, wie die Sache ausgehen würde, wenn sie die Dinge erst einmal ins Rollen gebracht hatte und es würde sich auch nicht rückgängig machen lassen. Aber alles wäre ihr lieber als dieses Leben. Da konnte auch ihre Furcht nichts mehr ausrichten. Ihr Entschluss stand endgültig fest. Sie würde von hier fortgehen und jetzt würde sie den ersten Schritt in ihre unbekannte Zukunft machen, aber sei's drum; es war ihr egal. „Heiliger Zeus!“, keuchte sie entsetzt und setzte sich ruckartig auf. Doch sie musste feststellen, dass das nichts für ihre alten Knochen war und sank langsam wieder zurück in ihr Kissen. Der Schrecken saß ihr noch in den Gliedern und kalter Schweiß klebte an ihrem Nacken. Nur mühsam konnte sie ihr Herz beruhigen, während sie blicklos an die schmucklose Decke starrte. Dieser Traum war anders gewesen. Dringlich, beinahe schmerzhaft auffordernd. Er hatte sich in ihre Gedanken gefressen wie ein Wurm und in ihre Erinnerung eingebrannt. Hatte sie zu etwas aufgefordert, das sie tun sollte. Es war wie eine Eingebung durch die Götter. Durfte man so etwas ignorieren? Konnte man so etwas ignorieren? Ihre Antwort war ein entschiedenes Nein, besonders dann, wenn man eine der letzten Anhänger der alten Götter auf diesem Planeten war. Sie waren wieder da, sie hatten ihr ein unmissverständliches Zeichen geschickt. Sie sollte sich auf den Weg machen. Den Pfad zu ihnen finden und sie endgültig befreien. Allein waren sie dazu nicht in der Lage, sie brauchten ihre Hilfe. Die Hilfe einer alten Frau. In ihrem Traum war ein Mädchen gewesen, rotbraune Haare, die fast in rosa übergingen und grüne Augen hatte sie gehabt. Mit einem Kentauren und augenscheinlich zwei Männern unterwegs, war sie dem Licht gefolgt, das sie gerufen hatte. In ihren Zügen konnte sie meinen, jemanden wiedererkannt zu haben, doch sie war sich nicht sicher. Ein Ausdruck der Entschlossenheit hatte in ihren Zügen gelegen, der auch der Göttin Artemis einst zu eigen war. Ja, die Zwillingsschwester Apollons hatte sich in ihrem ausdrucksstarken Gesicht gespiegelt. War dies ein Traum, den sie einst gehabt hatte? Oder war das eine Nachfahrin der Göttin der Keuschheit? Aber diese hatte doch keine Kinder... durfte keine- Vielleicht war es auch ein Blick in die Zukunft? Wenn sie Glück hatte, konnte sie vielleicht noch erleben, wie die Unsterblichen wieder auf der Erde wandeln würden. Sie würde alles dafür geben. Doch nun hatte sie etwas zu tun, dachte sie, während sie bedächtig ihre Beine über die Bettkante schwang, um ihre Gelenke nicht wieder überzustrapazieren. Vorsichtig setzte sie sich auf und griff die Kleidung, die auf der Truhe lag, die sich an ihrem Bettende befand. In Gedanken versunken starrte sie vor sich hin, während sie sich anzog und in ihre Sandalen schlüpfte, die sie sich selbst gemacht hatte. Erschrocken wandte sie ihren Kopf zur Tür, als jemand dagegen klopfte. Sie machte keine Anstalten, zur Tür zu gehen oder sich gar zu erheben. Wer sollte denn schon zu ihr kommen? Sie lebte abgeschieden von allem und jedem, außer von den Kentauren. Vielleicht war etwas passiert und sie brauchten ihre Hilfe? Eilig rappelte sie sich auf und schlich zur Tür. Jemand hämmerte erneut gegen das Holz, dann zog sie kurz am Griff und das Brett schwang auf. Und tatsächlich stand an ihrer Schwelle ein Mitglied der Kentaurengruppe, die in ihrer Nähe lebte. Er hatte lange, braune Haare wie die Mehrheit von ihnen, aber sehr auffällige Augen. Die Augen eines Blinden, eines Sehers, aber trotz dieser Mattheit lag Leben in ihnen. Dieser junge Bursche war nicht blind und er musterte ausgiebig ihr Gesicht, um in ihm zu lesen. Aber dort war nichts zu sehen als Freundlichkeit und ein wenig Verbitterung. Und dem unbeugsamen Willen, etwas zu vollbringen. „Ah“, murmelte er, „ich habe richtig gesehen.“ Fragend hob sie eine ihrer grauen Augenbrauen und schaute ihm ungehemmt in die Augen. Der Moment zog sich in die Länge und sie schätzten einander ab. Als sie nichts sagte, sprach er weiter. „Du hast vor, fortzugehen, nicht wahr? Ich werde mit dir kommen.“ Kurz presste sie ihre schmalen Lippen aufeinander, die einmal sinnlich und voll gewesen waren, deren Zug aber nichts mehr davon ausstrahlte. „Du hast richtig gesehen, Neji von den Kentauren. Aber sage mir, mein Junge, warum sollte ich dich mitnehmen?“ Die Antwort kam prompt. Er war nicht überrascht, dass sie seinen Namen kannte. „Weil du mich brauchst. Frauen reisen nicht allein. Zumindest nicht, wenn sie keine Amazonen sind.“ - „Ja, da hast du wohl recht. Du besitzt Weisheit. Du kannst sehen. Ich respektiere Weisheit.“ Eine indirekte Zusage, aber eine, die verstanden wurde. Es wurde Frühling, ihre Tiere würden jetzt ohne sie überleben. Nun gab es nichts mehr, das sie hielt. Es war zwar ihre eigene Entscheidung, ihre Zuflucht zu verlassen und doch stimmte es sie traurig. Das hier war so lange ihr Zuhause gewesen, hier hatte sie Jahre ihre Gewohnheiten gepflegt und nun wollte sie es verlassen, wollte alles aufgeben. Wie ein Zwang saß dieses Vorhaben in ihrem Hinterkopf und erinnerte sie immer wieder daran, dass sie nicht zu lange weilen sollte. Das hatte sie schon zu lange getan. Morgen würden sie und ihr neuer Reisegefährte aufbrechen. Neji war ruhig, sprach nur das Nötigste, aber sie wollte auch nicht reden. Ihn umgab eine Aura des Wissens, trotz seiner jungen Jahre. Er konnte höchstens 22 sein, aber Sehende hatten es nie leicht. Sie sahen Liebe, Glück, Hass, Wut, Kummer, Tod. Das machte sie reif und ohne Kindheit wurden sie erwachsen, begleitet von Qual. Kein einfaches Unterfangen. Viele wurden verrückt, andere jedoch waren wir er, wenige waren wie er, sehr wenige. Sein Volk wusste mit solchen Dingen umzugehen, die Menschen konnten es nicht. Sie vergaßen viel zu schnell. Die Sonne war schon vor Stunden untergegangen, es war tiefste Nacht, doch sie dachte nicht mal daran, dass sie Schlaf benötigen könnte. Eine Flamme spiegelte sich in ihrem Blick, überlegend saß sie ein letztes Mal vor ihrem kleinen Kamin. Die Füße ausgestreckt und ein Kissen hinter dem Rücken saß sie an die Wand gelehnt. Draußen war es kalt, doch hier drinnen erreichte der letzte Frost, der in der Nacht herrschte, sie nicht. Es war merkwürdig. Sie träumte jedes Mal denselben Traum, doch sie kam einfach nicht voran. Sonst, wenn solche Träume abbrachen, lief es beim nächsten Einschlafen nahtlos weiter. Immer wieder sah sie dasselbe, konnte aber aus welchen Gründen auch immer, nur das Mädchen erkennen. Da waren diese zwei Männer, aber sie hatte nicht mal den Ansatz einer Idee, wer diese zwei sein könnten. Sie sah nur Schemen von ihnen, vielleicht war die Pferdegestalt auch keiner von den Kentauren, es könnte auch einfach nur ein Reiter auf seinem Hengst sein. Dann war die junge Frau also mit drei Männern unterwegs. Aber was sollte ihr das sagen? Sie hatte nie von so einer Geschichte gehört. Doch mit einem Mal blitze die Erkenntnis in ihren grauen Augen auf, deren Iris von einem grünen Ring umschlossen wurde. Diese Vision war wirklich die Zukunft! Sie musste dieses Mädchen und die Männer finden, das war ihre Aufgabe, die sie zu erfüllen hatte. Sie hatte dafür zu sorgen, dass dieses Abbild der Artemis an ihrem Ziel ankam. Wozu auch immer. In dieser Hinsicht hatte sie keine Fragen zu stellen, sie war eine Dienerin und sie würde sich auf den Weg machen. Ohne Zweifel. Ihre Sachen hatte sie bereits gepackt, alles war aufgeräumt und die verderblichen Vorräte aufgebraucht. Das Einzige, was sie jetzt noch gebrauchen könnte, war Schlaf. Sie würde es schaffen. ~*~ Oh mein Gott, wie ich dieses Kapitel verabscheue. ûu Ich finde es zu gepresst, die Übergänge sind zu stockend und alles geht viel zu schnell... Wenn ich irgendwann mal die Zeit finde, werde ich es mir noch mal vorknöpfen, aber ich will jetzt erstmal meine Ruhe und mich anderen Dingen widmen... Danke übrigens noch für die Kommis. Hat mich sehr gefreut. x3 Lg Knispell Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)