Ich sehe Dich! von GeezKatsu (Taito - ...schließe deine Augen und du erblickst auch mich...) ================================================================================ Kapitel 3: Erklärungsversuch ---------------------------- Tai hielt seinen dampfenden Tee mit beiden Händen umklammert um die Wärme der Tasse zu genießen. Seine halb erfrorenen Hände dankten es ihm gerade mit einem leichten Brennen. Hiru hatte es sich auf seinen Füßen bequem gemacht und er hörte sie leise hecheln. Im gegenüber saß Izzy, der von seiner Vergangenheit plapperte wie ein Wasserfall, doch Tai konnte nicht richtig zuhören. Noch saß der Schock von vorhin zu tief. Wie konnte er sich nur plötzlich so verloren fühlen. Das letzte mal war vor 10 Jahren gewesen. Leise seufzend tastete er den kleinen Tisch ab und fand was er suchte. Den Zuckerstreuer. Leicht leckte er an seinem Finger, nachdem er etwas von den Krümeln zum Mund schob. Jap, das war Zucker. Sein linker Zeigefinger wurde so tief in die Tasse geschoben, das die Fingerspitzen die heiße Flüssigkeit berührten. Diesmal scheinen sie an Tee gespart zu haben, denn die Tasse ist ja nicht mal annähernd voll. "Warte Tai, ich helfe dir!", und schon im nächsten Moment wurde ihm der Streuer aus der Hand genommen. Eine braune Augenbraue zuckte nach oben. "Wie viel Zucker möchtest du?" Tai räusperte sich und setzte sich bequemer hin. "Nehme es mir nicht übel, aber ich kam die letzten Jahre ohne Hilfe klar, dann werd ich es beim Tee auch noch schaffen." Eine kleine Stille setzte ein, die Tai dafür nutzte, den Streuer wieder in die eigene Hand zu nehmen. Izzy war das mehr als peinlich. Der Typ, der vor ihm saß, war um einiges selbstständiger als andere Leute, die sogar noch das Augenlicht besaßen. Überrascht sah er dabei zu, wie geschickt wieder der Finger in den Tee geschoben wurde. Wozu soll das gut sein?, fragte er sich noch, doch im nächsten Moment sah er die Antwort. Der Zucker purzelte sanft in die Flüssigkeit und langsam stieg der Wasserspiegel. Sein Finger wurde immer mehr in Tee getaucht. Iiih, dachte Izzy noch, als er mitbekam, wie viel Zucker dort bereits hineingeschüttelt wurde. Bei Tai war es wohl nicht Zucker in Tee, sondern Tee in Zucker. Noch schien der Braunhaarige keine Anstalten zu machen, den Streuer zu stoppen. Als Izzy schon fast befürchtete, die Tasse könnte überlaufen, wurde der Streuer an seinen Platz zurück gestellt. Verwundert stelle er fest, das es genau die Stelle war, wo er wirklich vorher gestanden hat. Ein gutes Gedächtnis. Izzy lies sich seufzend nach hinten fallen und rutschte somit tiefer unter dem Tisch, streckte sein Beine aus, aber daran bedacht, Taichis nicht zu treten. Einige Zeit wackelte er mit seinen Schuhen, doch dann schaute er von seinen Füßen Tai direkt ins Gesicht. Selbst hier im Café hatte er die Sonnenbrille nicht abgenommen. Es war mittlerweile schon spät und nach dem Blick der Kellnerin zu urteilen, schien sie nicht zu billigen, das jemand im Dunkeln diese Brille noch auf hatte. "Weißt du Taichi, wir alle hatten uns damals riesige Sorgen gemacht. Von einem Tag zum anderen warst du verschwunden und kein Lebenszeichen kam von Dir. Über Monate hinweg versuchten wir Dich zu erreichen. Sturmklingelten an Eurer Wohnungstür, ließen Euren Anrufbeantworter heißlaufen und verplappertem die ganze Aufzeichnungszeit. Doch nie kam etwas zurück. Leider war zu diesem Zeitpunkt das Thema Handy noch nicht so weit verbreitet, aber ich glaube, selbst wenn du eins gehabt hättest, wäre es aus gewesen. _________________-+++++++-_________________ "Wir könnten doch einfach zu ihm nach Hause fahren. Er kann doch nicht vom Erdboden verschluckt sein!" rief Mimi entrüstet und schob sich eine pinke Haarsträhne hinter das Ohr. Doch Izzy schaute an seinen Beinen runter und wackelte mit den Schuhen. Das tat er immer, wenn er über etwas nachdachte. "Ich finde, wir sollten es versuchen." Von einem braunhaarigen Mädchen mit einer roten Haarspange kam ein nicken. Dann schaute sie nach rechts. Yamato schien ebenfalls gedankenverloren zu sein. Kurzerhand kniff sie ihm in die Seite. "Oder was meinst du dazu?" "Sorry, ich hatte Dir eben nicht zugehört Sora." Mimi lachte kurz auf. "Lasst uns einfach gehen. Taten sind meistens besser als nur Worte." Yamato trottete den Weg etwas weiter hinter der Gruppe hinterher. Seine erste Begegnung mit dem Wuschelkopf war doch gerade mal 4 Monate her. Damals im Park. Ein lächeln huschte über seine Lippen, als ihn der Anblick wieder einfiel, wie Tai von Ast zu Ast gehüpft ist. Und noch putziger, wie er auf dem Boden lag und versuchte Schlagfertig zu sein, es aber nicht bei dieser schmerzverzerrten Miene gelingen wollte. Izzy vorneweg bemerkte das Fehlen des Blondschopfes und drehte sich. Wenige Meter hinter Mimi ging er langsam hinterher, dennoch mit einem abwesenden Blick. Doch plötzlich zeichnete sich ein Lächeln ab, doch so schnell wie es gekommen ist, war es verschwunden. Einen komischen Kauz hatte Taichi da angeschleppt. Vor der Wohnung angekommen blieben alle stehen und schauten auf die Aushängeschilder. "Weiß einer, wie Tai mit Nachnamen heißt?" "Yagami" kam es sofort aus der hintersten Reihe. "Schon traurig, wenn Ihr den Nachnamen eines Freundes nicht wisst, den Ihr seit dem Kindergarten kennt." Sora schaute Yamato finster an, doch mit ihrem Babyspeck auf den Wangen, glichen die aufgeplusterten Wangen ehe die eines Teddybären. "Ich nenn halt alle nur bei ihren Vornamen!" Yamato zog eine Augenbraue hoch. Dieses kleine Mädchen vor ihm war genauso groß wie er, hatte aber eine noch größere Klappe als die eines Krokodils. Izzy schaute in die Runde und musste ein Lachen verkneifen. Ja, Taichi hatte wirklich einen komischen Kauz mitgebracht. Aber dieser Kauz passte perfekt in diese Gruppe rein. Doch dann wurde er ernst und drückte seinen kleinen Zeigefinger oben auf den Klingelknopf... Nun ja, zumindest hatte er das vor, doch nachdem er selbst auf den Zehenspitzen stand, den Arm weit ausgestreckt und die Zunge vor Anstrengung in den Mundwinkeln hatte, kam er nicht ran. "Scheiße, warum wohnt der Typ auch nur im 16.ten Stockwerk?!" Die Mädchen drückten seinen Hintern weiter nach oben, was Izzy etwas rot um die Nase werden lies und mit gemeinsamen Anstrengungen, vielen Fluchen und abgerutschte später ertönte das leise Klingeln aus den Lautsprechern. _________________-+++++++-_________________ "Doch nach 9 Monaten hatten wir keine Kraft und Laune mehr, Dir nachzusuchen." Izzy griff nach vorn zu seinem Kaffee und drehte die Tasse zwischen seinen Fingern. "Wir alle waren es leit und dachten am Ende, Du wolltest nichts mehr mit uns zu tun haben. Aber weißt du was? Nur einer gab nicht auf!" Taichi rührte noch immer in seinem Tee mit dem Löffeln, aber sonst kam keine Regung. "Yamato Ichida war der einzige aus unserer Gruppe und ich muss gestehen, das ich auch aufgegeben hatte, der noch weitere Monate jede Woche zu Dir nach Hause ging und klingelte. Ob es vor der Schule war, danach oder am Wochenende. Unermüdlich ging er bei jedem Wetter in dein Viertel." Tai hörte mit einem Ruck auf zu rühren. Wenn das wirklich wahr sein sollte, was Izzy dort erzählte, dann waren das Sturmklingeln das seine Nachbarin mal erwähnte immer von Ihm.Vor seinem Auge erschien ein blasses Gesicht, auf den Lippen ein neckisches Grinsen. Das sympathische Grübchen am Mundwinkel. Blondes Haar zu einem Zopf gebunden, aber widerspenstige Strähnen hinter seinen Ohren geklemmt waren. Und blaue Augen die soviel Ausstrahlung besaßen. Ein bitterer Geschmack lag ihn auf der Zunge. Mit einem Mal war der Tee nicht mehr süß, sondern scheußlich. In dieser Zeit, die Izzy erwähnte lag er im Krankenhaus. Seine Schwester jeden Tag an seiner Seite. Nicht einen Gedanken hatte er an seine Freunde verschwendet sondern dachte nur an sein eigenes Leid. Doch als er damals seinen Fehler bemerkte, war es schon zu spät. Sein Stolz war ein zusätzliches Hindernis. Immer wieder hatte sich Tai eingeredet, das wenn Yamato wirklich gewollt hätte, hätte er ihn gefunden und alles erfahren. Doch heute weiß er es besser. Wie kann ein 10 jähriges Kind denn schon in Erfahrung bringen, was in Indien passiert ist. Dazwischen lag ein Meer und unzählige Versuche von den Ärzten, Taichi ein normales Leben zu verschaffen. "Ich war lange Zeit nicht daheim und an mir musste einiges... sagen wir mal..." Er schluckte. "... erneuert werden." Schon wieder spürte er die musterhaften Blicke seines Gegenübers und die Unsicherheit, die inzwischen so dick zwischen den Beiden schwebte, das man danach greifen konnte. Tai konnte schon förmlich die Gedanken von Izzy hören. Wie er Eins und Eins zusammen zählte. Dass das lange verschwinden mit seiner Blindheit zusammen hängen musste. Und... das er es selbst zu verschulden hatte. Tais Lippen verzogen sich zu einem traurigem lächeln. "Ich weiß, Izzy. Du brauchst nichts zu sagen" Er schloss seine Augen, hob seine Hand, griff nach dem Bügel der Brille und zog sie sich langsam von der Nase. Damals war ein band zwischen ihm und Yamato gewesen. Er hatte es so deutlich gesprührt. Doch anstatt es weiter zu stärken, nahm er eine Schere und hatte es zerschnitten. Wenn Tai früher nicht so egoistisch gewesen wäre dann... Izzy schaute wie in Hypnose in Tais Gesicht. Jetzt, wo die Brille fehlte, sah er etwas, was er nie geglaubt hätte dort zu sehen. Um seine Augen waren viele hauchfeine Narben, die nur beim genaueren hinschauen sichtbar wurden. Durch das schwache Licht des Cafés wirkten sie wie kleine Silberfäden, die sich über seine Lieder zogen. Dann öffnete er sie und zum Vorschein kamen zwei haselnussbraune Augen, die Izzy den Atem raubten. Sie waren von einer solch intensive Farbe, das man darin versinken könnte. Jedoch schauten sie ihm nicht in die Augen, sondern irgendwie ... durch ihn hindurch. Jeglicher Glanz war ihnen entwichen und Trauer spiegelte sich dort wieder. Verletzt, Enttäuschung und unendlich viel Schmerz. Taichi fasste an den Ärmel seines Pullovers und schob ihn bis zum Ellenbogen hoch. "Wie hätte ich denn das alles erklären sollen, wenn ich es selbst noch nicht verstanden habe?" Riesige wulstige Narben verunstalteten seine braune Haut. Von der Größe nach zu urteilen, mussten sie noch am Arm weiter hoch gehen. Izzy schaute völlig entsetzt zu, wie Tai immer weiter den Ärmel hochzog. Wie in Zeitlupe, wurde eine Narbe nach der anderen frei gelegt. "In solchen Momenten bin ich froh, nicht sehen zu können." Er schloss seine Augen wieder und drehte seinen Kopf leicht weg. Dies alles Preis zu geben, kostete unendlich viel Überwindung. Doch die wahre Ursache wird ein Geheimnis bleiben, bis er die richtige Person gefunden hatte, die ihm auch verstand. Kari konnte er nicht alles erzählen. Würde er seine Gedanken mit seiner Schwester teilen, würde sie nur umso mehr in der Nacht weinen. Sie hatte schon genug gelitten. Es war besser, wenn er soviel Bitterkeit von ihr fern hielt, wie er konnte. Lieber sollte er ein psychisches Frack werden, als dieses liebevolle Mädchen, das viel mehr verdient, als man ihr geben kann. Er konnte nicht anders. Izzy musste seinen Blick abwenden. "Meinst du nicht, das wir Dir beim verstehen hätten helfen können? Mensch, wir waren alle deine Freunde und hätten auf alle Fälle hinter Dir gestanden!" Ohne es zu wollen, wurde er bei jedem Wort lauter. "Nur weil du keine glatte Haut mehr hast und dein Augenlicht erloschen ist, heißt das doch noch lange nicht, das du ein anderer Mensch geworden bist! Du bist und bleibst in Dir drinnen Taichi Yagami. Egal wie du aussiehst." Mit seiner rechten Faust schlug er auf den Tisch. Tais Tee wackelte auf der Untertasse, kippte um und verteilte die braune Flüssigkeit auf der Tischdecke. Vieles floss zum Rande des Tisches und tropfte leise auf den Fußboden. "Ich-.. Wir wissen nicht, was genau geschehen ist, dass du Dich der Meinung hingibst das du Dich jeden abwenden musstest. Ich weiß auch nicht wie fest das Band der Freundschaft zwischen Dir und Matt war, aber eins weiß ich: Er hätte Dich nie im Stich gelassen! Wenigsten ihm bist du eine Antwort schuldig. Nicht mir oder den Mädels, sondern einzig und allein ihm." Der Rest seiner Worte war nur noch ein Flüstern. Izzy stand auf und kramte in seiner Hosentasche bis er das gefunden hatte, was er suchte. Er faltete ein Taschentuch auseinander, ging zur Kellnerin um sich ein Stift zu besorgen und kritzelte eine Nummer auf das Stück Stoff. Anschließend drückte er es Taichi in die Hand. "Dies ist die Nummer von der Person, die in all der Zeit versuchte hinter Dir zu stehen. Eventuell ist es noch nicht zu spät für einen Neuanfang Taichi Yagami." **** Als Izzy das Lokal verlassen hatte, saß Tai noch eine Weile dort allein. Hatte sich seit den Moment nicht mehr bewegt, hielt das Stück Stoff noch in seiner Hand. Die Augen weit vor Schock aufgerissen starrten sie einfach nur gerade aus. Ohne es zu wollen rollte ihm eine vereinzelte Träne seine Wange hinab, verschwand im Kragen seines Rollkragenpullover. Hirus Kopf lag auf seinem linken Oberschenkel und winselte leicht. **** Tai stand vor einer Telefonzelle und tastete die Tür ab. Er hatte sie gefunden. Eine halbe Stunde ist er durch die verfluchte Gegend gelaufen. Dank eines älteren Herren stand er nun vor ihr und schob die Tür auf. Der Schnee rieselte durch die Bewegung leicht vom Dach und alte abgestandene Luft schlug ihm entgegen. "Bevor sie gehen... könnten sie mir bitte noch diese Nummer hier noch vorlesen und hier wählen?" Er konnte die Stimme des Mannes schwer verstehen, die ihm antwortete. Zu sehr schrien seine Gedanken im Kopf. Aber als ihm den Hörer in die Hand gedrückt wurde, wusste er, das es so weit war. Mit einer Verbeugung in der Richtung der Stimme verabschiedete er sich, ging vollständig in die kleine Zelle hinein. Durch das Gewicht auf seinen Füßen bemerkte er, das sich Hiru mit hinein gequetscht hatte und nun auf seinen Schuhen lag. Den Hörer legte er leicht auf sein Ohr. ---Tuuuut--- Dies war gerade eine dumme Aktion. ---Tuuuut--- Sofort verfiel er wieder in das Schema, als er noch klein war. Die Nervosität lies sein Herz laut gegen seine Rippen pochen. ---Tuuuut--- Doch dieses schmerzvolle Drücken erinnerte ihn daran, das noch Leben in Ihm steckte. Nun wurde es Zeit, es auch wieder heraus zu lassen. Der erste Schritt wurde getan. ---Tuuuut--- Mit einem Mal hielt er die Luft an. Er konnte es selbst nicht zuordnen woher die Gewissheit plötzlich kam, aber es war soweit. Die Tonlage seiner individuellen Stimme drang an seinem Ohr. Sie war neu und fremd aber dennoch so verdammt vertraut. ---Tuuuut---... "Ichida." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)