Der Fluch des smaragdgrünen Drachen von Lionheart_Schwestern (The Neverending Stories Of The 108 Stars) ================================================================================ Kapitel 11: Nachts am Hafen --------------------------- Je länger Miakis' Urlaub andauerte, desto mehr verfluchte Roan seine Kollegin in Gedanken. Aus irgendeinem Grund war er von Königin Lymsleia zu ihrem Vertrauten auserkoren worden, weswegen er sie wirklich jeden Abend zu Faramond begleiten und vor der Tür warten musste – und das war nun einmal ziemlich... langweilig. Ihr Vertrauen und dass sie nicht ihren Bruder oder Lyon darum bat, ehrte ihn zwar, aber gleichzeitig war es eben nicht das, was er eigentlich während seiner Dienstzeit tun wollte. Er hatte erwartet, genau wie Faroush und Lyon öfter losgeschickt zu werden, um in ganz Falena den Frieden zu wahren und sicherzugehen, dass das Volk sich beschützt fühlte. Und nun hatte er seit Beginn seines Dienstes Sol-Falena nicht mehr verlassen und musste den Ersatz für Miakis stellen. Dementsprechend schlecht gelaunt reagierte er deswegen auch auf den Boten, der ihm an diesem Tag einen Brief in das Zimmer der Ritter brachte. Wenn ihm jemand einen solchen schrieb, konnte das nur seine Schwester sein und dann ging es darin ohnehin nur darum, dass sie sich übertrieben viele Sorgen machte und ihn stets auf Dinge hinwies, die ihm ohnehin bewusst waren. Eigentlich las er diese Briefe schon gar nicht mehr, aber an diesem Tag war genau das der Tropfen, der das Fass für ihn zum Überlaufen brachte. Nachdem der Bote, nun auch schlecht gelaunt, da er angefaucht worden war, wieder aus dem Raum verschwand, wollte Roan den Brief bereits zerreißen und wegwerfen, um sich nicht noch weiter aufzuregen – als ihm plötzlich auffiel, dass die Handschrift nicht jene von Rowena war und auch jeglicher Absender fehlte. Da er im Moment allein war und auch nicht glaubte, dass sich das so bald ändern würde, öffnete er den Umschlag sofort, schon allein weil er gern das ungute Gefühl in seinem Magen ersticken wollte. Doch kaum erblickte er den Inhalt, kam es ihm so vor, als würde jemand versuchen, ihm den Boden unter den Füßen wegzuziehen, dabei waren es nur wenige Worte. Komm heute Nacht zum Hafen, Yanagisawa. Es wird Zeit, dass du an deinen für dich bestimmten Platz zurückkehrst. Wenn du auch nur daran denkst, nicht zu kommen, wirst du es bereuen. Das allein, ohne jeden Hinweis auf den Absender, sagte ihm bereits, dass dieser Brief ihn in eine Zeit zurückbringen würde, zu der er eigentlich gar nicht zurückkehren wollte. Plötzlich fühlte er sich sogar in diesem Raum, im Inneren des Sonnenpalastes nicht mehr sicher. Er glaubte, von allen Seiten beobachtet zu werden, dass unsichtbare Feinde seine Gedanken zu lesen versuchten, um wirklich zu erfahren, ob er darüber nachdachte, dieses Treffen nicht wahrzunehmen. Doch was konnten sie tun, um es ihn bereuen zu lassen? Seine Schwester töten? Dafür würde er ihnen eher noch eine Dankeskarte schreiben. Aber sicher fanden sie noch ganz andere Mittel, um ihre Drohung in die Tat umzusetzen und er wollte gar nicht so genau wissen, was sie sich einfallen lassen würden. Nein, ihm blieb keine Wahl, er musste zu diesem Treffen und sich zumindest anhören, was sie zu sagen hatten. Vielleicht könnte er die gewonnenen Informationen auch nutzen, um die Organisation direkt zu untergraben. Frustriert zerknüllte er den Brief in seiner Hand, ehe er sich doch anders entschied, ihn in möglichst kleine Stücke zerriss und dann die Schnippsel in den nächstgelegenen Papierkorb beförderte. Er würde zu diesem Treffen gehen und dann würden sie schon sehen, was sie davon hatten, ihn wieder zu kontaktieren. Als er schließlich nachts am Hafen stand, schien es ihm dennoch wie ein Fehler. Er lehnte mit dem Rücken gegen die Wand und starrte in den Himmel hinauf, wo unzählige Sterne den Himmel zu erhellen versuchten. Der abnehmende Mond machte ihnen dabei nur zusätzliche Arbeit. Für Roans Geschmack war es viel zu hell, dabei hatte er sogar eine der Fackeln gelöscht, als fürchtete er, irgendjemand könnte ihn mit dieser Person beobachten, obwohl alle bereits tief und fest schlafen dürften. Schlafen... das würde ich auch gern. Doch während er am liebsten einfach die Augen geschlossen hätte, um an Ort und Stelle einzuschlafen, hörte er plötzlich Schritte, die sich ihm näherten. Sein ganzer Körper spannte sich augenblicklich an, er stellte sich aufrecht hin und blickte der Person entgegen. Im ersten Moment erkannte er sie nicht. Es war eine Frau mit hüftlangem blondem Haar, das von einem blauen Haarreif gebändigt wurde, ihre blauen Augen musterten ihn mit einem amüsierten Glitzern, das ihn bereits bereuen ließ, gekommen zu sein. Immerhin trug sie keine Uniform, so dass selbst zufällig Vorbeikommende nicht bemerken würden, mit wem er sich unterhielt. „Yanagisawa, interessant, dich einmal wiederzusehen.“ Ihre Stimme erkannte er allerdings sofort, weswegen er leise brummte, da er nicht unbedingt die besten Erinnerungen mit ihr verband. „Yuko...“ Sie fuhr sich mit der Hand durch das Haar und lächelte dabei amüsiert. „Ich wusste doch, dass du kommen würdest. Manchmal bist du eben wirklich berechenbar.“ Er ging nicht weiter darauf ein, immerhin interessierte ihn auch etwas anderes wesentlich mehr: „Was wollt ihr von mir? Ich dachte, es wäre klar, dass ich fertig mit euch bin?“ Es war allgemein bekannt, dass er Faroush und Lyon begegnet war, als er ihnen gegen verbliebene Attentäter des Dunklen Tors unter die Arme gegriffen hatte. Wie deutlich sollte seine Nachricht eigentlich noch werden? „Oh, keine Sorge, das ist uns klar“, erwiderte sie, aber allein ihr Unterton sagte ihm bereits, dass sie nicht nur zum fröhlichen Plaudern gekommen war. „Aber wir dachten uns, mit ein wenig Druck, würdest du uns liebend gern wieder unter die Arme greifen.“ Ihm gefiel nicht, worauf das hinauslaufen würde, aber er beruhigte sich wieder damit, dass es ohnehin nichts gab, was sie gegen ihn einsetzen könnten. Es gab keinerlei vernünftiges Druckmittel, er besaß keine Bande zu irgendwem und auch seine Vergangenheit könnte ihm nicht schaden, davon war er überzeugt. Er war immerhin nicht der einzige Ritter der Königin mit einem solchen Hintergrund. „Vielleicht hast du ja schon davon gehört, dass deine Schwester verschwunden ist“, fuhr Yuko genüsslich fort. „Natürlich haben wir diesem Verschwinden ein wenig nachgeholfen.“ Das war ihm bislang unbekannt gewesen, aber diese Worte ließen ihn fast schon innerlich frohlocken, er konnte nicht anders als zu schmunzeln. „Oh, ist das so? Euch verdanke ich es, keine Briefe mehr von Rowena zu bekommen? Vielen Dank.“ Yuko verzog das Gesicht, als hätte sie eben in eine saure Frucht gebissen. Mit Sicherheit lag es daran, dass er sich nicht einfach so auf dieses Spielchen einließ, aber sie schob natürlich etwas anderes vor: „Rowena? Was für ein Name...“ Er setzte bereits zum Gehen an und hob die Hand zum Abschied. „Na, wie auch immer. Macht mit ihr ruhig, was ihr wollt, mich kümmert das nicht.“ Damit lief er an Yuko vorbei und wollte gerade die Treppe erklimmen, um den Weg in den Palast anzutreten, als ihre Stimme ihn noch einmal innehalten ließ: „Was bist du nur für ein Ritter, dass du deine arme, wehrlose Schwester ihrem Schicksal überlässt?“ Unter anderen Umständen hätte er erwidert, dass Rowena alles andere als wehrlos war, aber in diesem Moment konnte er tatsächlich nur daran denken, dass es kein gutes Licht auf sein neu aufgebautes Leben warf, dass er jemanden einfach so einem Schicksal überließ, das möglicherweise schlimmer als der Tod war. Unwillig presste er die Lippen aufeinander, aber Yuko nutzte die Gelegenheit dennoch, um weiter in diese Kerbe zu schlagen, die ihren Zweck zu erfüllen schien: „Wenn du Rowena unserer Gnade überlässt, weißt du, was wir mit ihr tun werden. Das ist etwas, was Yanagisawa, der grausame Schlächter zulassen kann, aber auch Roan, der Ritter der Königin?“ Sie hatte recht, er konnte es nicht zulassen. Es ging hier um ein Prinzip, das er erfüllen musste: Seine Vergangenheit und sein altes grausames Ich hinter sich lassen und das ging nur, wenn er sich wirklich strikt daran hielt, nicht mehr so zu sein. Das bedeutete, er war geschlagen. Mit einem leisen, kraftlosen Knurren, fuhr er herum. „In Ordnung. Was soll ich tun?“ Ehe sie ihm das verriet, fuhr Yuko sich noch einmal durch das Haar, als würde sie damit ihren Sieg auskosten. Er hasste diese Geste, verabscheute sie regelrecht und hätte ihr am Liebsten kurzerhand selbst das Haar abgeschnitten. Oder gleich den ganzen Kopf, flüsterte diese leise Stimme in seinem Inneren, die er lieber ignorieren wollte und genau wegen der er nicht nachgeben wollte. „Du musst nichts Schlimmes tun“, sagte Yuko, als wolle sie ihn beruhigen. „Du kannst dir sicher vorstellen, dass es für uns nicht gerade einfach ist, uns in Falena zu bewegen und dabei Informationen zu sammeln.“ Er war gerade schon überrascht genug, dass sie sich hierher getraut hatte. Allerdings sah Yuko nicht wirklich aus wie eine Attentäterin, sie war entsprechend ihrer Ausbildung an alles angepasst. Also dürfte es auch ihr selbst möglich sein, Informationen zu sammeln, wofür brauchte sie ihn dann? „Wer könnte besser dafür geeignet sein, Informationen zusammenzutragen, als ein ehrenwerter Ritter der Königin?“, schmeichelte sie ihm spöttisch. „Rück endlich raus mit der Sprache: Was wollt ihr genau von mir?“ „Du sollst ein Mädchen für uns finden.“ Im ersten Moment konnte er sie nur entgeistert ansehen, während ihr Blick sich nicht im Mindesten änderte. Aber es war ihm nicht möglich, zu glauben, dass sie das wirklich ernst meinte. Warum sollten sie ein Mädchen suchen? Vor allem ein ganz bestimmtes? „Soll das ein Witz sein?!“, empörte er sich auch gleich. „Falls ja, hast du dir echt die falsche Person dafür ausgesucht!“ Sie neigte den Kopf, als könnte sie nicht verstehen, wie er auf diese Erwiderung kam. „Das ist mein voller Ernst. Wir suchen ein Mädchen. Ein adeliges Mädchen, die Tochter von Sayuri.“ „Ist das wirklich alles?“, fragte er entnervt über diese wenigen Hinweise. Sicher, es mochte nicht unzählige Adelige in Falena geben und sicher noch weniger mit dem Namen Sayuri, aber dennoch war es nicht wirklich sonderlich viel. Und wie sollte er überhaupt an diese Information kommen? Er konnte kaum hingehen und in irgendeinem Register nach Adeligen suchen, deren Vorname Sayuri war und die eine Tochter hatten. Er wusste nicht einmal, ob ein solches Register überhaupt existierte. Erwarteten sie etwa Wunder von ihm? „Mehr wissen wir nicht, ja.“ „Und was wollt ihr von diesem Mädchen?“ Vielleicht würde diese Information ihm bei der Suche weiterhelfen. Wenn sie ein besonderes Merkmal trug oder er zumindest nur irgendein bestimmtes Alter bekam, wäre die Suche wesentlich einfacher. Aber Yuko schien ihm diesen Gefallen nicht tun zu wollen. „Das geht dich absolut nichts an. Du wirst sie auch so finden, da bin ich mir ganz sicher. Denk einfach immer daran, was wir deinem Schwesterchen antun werden, wenn du keine Ergebnisse lieferst.“ Auch wenn ihm das eigentlich immer noch egal sein sollte, wie er fand. Zu dumm, dass er seinen Prinzipien auch in diesem Bereich folgen musste. Noch einmal strich Yuko sich durch das Haar, dann wandte sie sich von ihm ab. „Ich bin sicher, dass du uns nicht enttäuschen wirst.“ Doch bevor sie fortgehen konnte, hielt er sie noch einmal auf: „Wie kontaktiere ich euch denn, wenn ich Informationen für euch habe?“ „Oh, mach dir keine Gedanken darum“, erwiderte sie schmunzelnd. „Ich werde mit dir Kontakt aufnehmen, wenn es soweit ist – und ja, ich werde es wissen, wenn du etwas für uns hast.“ Wenn sie so etwas sagte, bedeutete das wirklich, dass er beobachtet wurde, möglicherweise sogar ohne dass er es bemerkte und das vielleicht schon seit einiger Zeit. Er müsste sich also wirklich in Acht nehmen. Sie lief einige Schritte und blieb dann noch einmal stehen. „Ach ja, eines noch: Denk nicht einmal daran, irgendjemandem zu erzählen, was wir hier besprochen haben oder dass wir wieder hier sind. Wenn du nur ein Wort verrätst, wird nicht nur deine Schwester dafür bezahlen müssen.“ Sie hob die Hand zum Abschied und ging dann tatsächlich davon. Roan war froh darüber, dass sie endlich aus seinem Blickfeld verschwand, auch wenn sie ihn mit dieser schier unmöglich erscheinenden Aufgabe zurückließ. Wie sollte er nur anfangen? Er schnaubte leise. „Ich wünschte, ich hätte gerade Urlaub, statt Miakis.“ Für ihn blieb jetzt allerdings nur, sich jetzt mit dieser neuen Situation auseinanderzusetzen und alles zu irgendeinem Ende zu bringen – auch wenn er genau wusste, dass ihm kein Ausgang dieser Geschichte gefallen würde. Aber dann gab es noch etwas, das er ganz sicher wusste, ohne dass Yuko es ihm sagen musste, und dieses Wissen schien sein Inneres mit Eiswasser zu füllen: Das Dunkle Tor war wieder zurück in Falena und es war auf dem besten Weg, sich für seine damalige Vertreibung zu rächen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)