Der Fluch des smaragdgrünen Drachen von Lionheart_Schwestern (The Neverending Stories Of The 108 Stars) ================================================================================ Kapitel 10: Im Tiefen Zwielichtwald ----------------------------------- Nicht weit entfernt von Sauronix und Gordius, im Tiefen Zwielichtwald, bekamen Rina und Landis nichts von den Ereignissen im Ausbildungslager der Drachenkavallerie oder deren Hauptquartier mit. Nicht zuletzt deswegen, weil sie sich beide in diesem Wald verlaufen hatten. Seit Stunden liefen sie bereits durch die Gegend, ohne zu wissen, wo sie gerade genau waren oder wie sie wieder nach draußen kommen würden. Die mit Pflanzen überwucherten Ruinen, sowie die verwachsenen Straßen, die einst gepflastert gewesen waren, boten keinen sonderlich guten Anhaltspunkt und schienen auch in keine Richtung, außer im Kreis herum, zu führen. Abzweigungen waren durch das Gestrüpp schwer zu entdecken und dann auch nur äußerst unbequem zu betreten, weswegen Landis sich nicht so sicher war, ob sie sich überhaupt auf einem Weg befanden, der irgendwo hinführte. „Ich habe dir gesagt, du sollst eine Karte mitnehmen“, murrte Rina mit gedämpfter Stimme. Sie versuchte, leise zu sprechen, um eventuelle Wachposten nicht auf sich aufmerksam zu machen, obwohl es besser gewesen wäre, ganz zu schweigen. Aber wenn die beiden sich streiten mussten, gab es keinen Weg darum herum. „Und ich habe dir gesagt, dass es keine Karte von diesem Ort gibt“, erwiderte er flüsternd, mit deutlich hörbarer Frustration. „Wo soll ich denn eine hernehmen?“ Sie blickte ihn finster an. „Warum muss ich dir denn alles sagen?“ Er erwiderte diesen mindestens ebenso finster und wollte gerade etwas nicht sonderlich Nettes antworten, um einen neuen Streit zu entfachen, als plötzlich eine Stimme nicht weit entfernt hörbar wurde. Sie verstummten beide schlagartig und warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Wer immer sich außer ihnen an diesem Ort befand, musste ihr gesuchtes Ziel sein. „Scheint als hätten wir das Ziel erreicht“, bemerkte er leise und nickte Rina zu, ehe sie gemeinsam vorsichtig nähergingen. Verborgen hinter Bäumen und Büschen, hatten sie einen direkten Blick auf ein mühsam errichtetes Lager aus Zelten, zwischen denen noch immer geschäftige Menschen umherliefen, um weitere dieser Behausungen aufzubauen. Entweder waren mehr Leute anwesend, als es gerade den Anschein hatte oder es würden noch um einige mehr werden. Keine der beiden Alternativen wollte Landis so richtig gefallen. Von Interesse waren allerdings eher die fünf Personen, die abseits des Lagers, in der Nähe von Rinas und Landis' Aufenthaltsort, standen und sich miteinander unterhielten. Während zwei der Männer noch schwarzes Haar hatten, das mit ersten grauen Strähnen durchzogen war, waren die anderen drei, die ihnen gegenüber standen, bereits ergraut. Einer von ihnen hielt die Arme vor der Brust verschränkt, das kurze Haar war schneeweiß und stand wild ab, sein Gesichtsausdruck war finster, die kreuzförmige Narbe, die quer über seine Nase verlief, sprach Geschichten über ihn – während er selbst schwieg und auch nicht die Absicht zu haben schien, den Mund zu öffnen. Neben ihm stand ein Mann, der sein langes graues Haar zu einem hochgebundenen Pferdeschwanz trug. Sein Blick wirkte spöttisch, ein wenig herablassend, wie man ein Kind ansah, wenn es etwas besonders Dummes von sich gegeben hatte und man noch nicht wusste, ob es wirklich ernst gemeint gewesen war und man es bestrafen sollte. Der eine, der am aufrechtesten dastand, den Rücken durchgedrückt und langes, weißes Haar hatte, trug eine Augenklappe über seinem rechten Auge, die den finsteren Eindruck, der ihn umgab, nur weiter verstärkte. „Wie ist das Ergebnis, Kentso?“ Selbst seine Stimme war düster und furchteinflößend, so dass Landis ein Schauer über den Rücken lief. Der Mann mit schwarzem, langsam ergrauenden Haar und Schnauzbart, der allem Anschein nach Kentso war, ergriff das Wort, um zu antworten: „Zu meinem Bedauern muss ich mitteilen, dass der Runenträger sich nicht mehr an seinem Ursprungsort befindet. Und wir wissen nicht, wohin er gegangen ist.“ Der Grauhaarige griff sich nachdenklich an das Kinn. „Dann werden wir nun doch auf Yanagisawa zurückgreifen müssen?“ Landis zuckte leicht bei der Erwähnung dieses Namens, gab allerdings keinen Ton von sich. „In seiner neuen Position als Ritter kann er uns wirklich hilfreich sein“, bestätigte der Mann mit der Augenklappe. „Vom erstklassigen Attentäter zur Informationsquelle, welch Verschwendung.“ Seine Mundwinkel schienen noch weiter herabzusinken, er wirkte tatsächlich enttäuscht darüber, aber bei seinem ohnehin standardmäßigen, säuerlichen Gesichtsausdruck, war das schwer zu sagen. Kentso runzelte die Stirn. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er gewillt ist, uns zu helfen.“ „Natürlich ist er das nicht“, sagte der Grauhaarige schmunzelnd. „Deswegen haben wir ein gutes Druckmittel gefunden und seine Schwester als unfreiwilligen Gast zu uns geholt.“ Das machte den Mann neben Kentso, der bislang eher desinteressiert gelauscht hatte, schlagartig aufmerksam. „Redet ihr von Kiara?“ Die drei Männer achteten nicht einmal auf ihn, dafür übernahm Kentso es, ihn zu tadeln: „Wie viele Schwestern hat er, deiner Meinung nach denn noch? Bleib bei der Sache, Yargo! Wir haben das bereits ausdiskutiert!“ Leise grummelnd klinkte er sich tatsächlich wieder aus dem Gespräch aus und starrte mit leerem Blick in die Entfernung. Kentso wandte sich erneut den drei Männern zu, worauf der Grauhaarige das Gespräch wieder aufnahm: „Es war lächerlich einfach, sie in Estrise zu finden und gefangenzunehmen. Ein sehr enttäuschendes Zeichen für meine Ausbildung, wirklich.“ Seine spöttisch tadelnde Stimme sollte seinen Worten eigentlich die Ernsthaftigkeit nehmen, aber dennoch lief Landis ein kalter Schauer über den Rücken. Er meinte das, was er sagte, vollkommen ernst und war auch gewillt, die Person, die seinen Unmut erregt hatte, dafür zurechtzuweisen – und das wollte Landis sich gar nicht erst vorstellen. Besonders nicht bei dieser Person, über die gerade gesprochen worden war. „Mit dieser Geisel wird Yanagisawa uns jede Information beschaffen“, fuhr der Mann mit der Augenklappe fort. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir die Rune in unseren Händen halten.“ Dies war offenbar das Zeichen, dass das Gespräch beendet war, denn nach einem verschwörerischen Nicken, dem sich sogar der unbeteiligte dritte anschloss, ehe sich die kleine Versammlung wieder auflöste, indem die beiden Gruppen gemeinsam in je eine Richtung davongingen. Es wirkte, als wären sie sich lediglich zufällig an diesem Ort über den Weg gelaufen, was Landis umso seltsamer fand. Aber anscheinend wähnten sie sich derart tief im Wald sicher genug, dass niemand sie belauschen könnte. Rina tippte ihm vorsichtig auf die Schulter und bedeutete ihm dann, sich gemeinsam mit ihr zu entfernen, damit sie über das Belauschte sprechen könnten. Er folgte ihr bis sie entschieden hatte, dass sie weit genug fort waren und hielt dann genauso abrupt inne wie sie. Als sie sich zu ihm umdrehte, bemerkte er ihre gerunzelte Stirn, ein Anblick, den er nur allzusehr von ihr gewöhnt war, da sie nicht selten wegen ihm derart überlegen musste. „Die haben sie also“, stellte Rina schließlich mit gedämpfter Stimme fest. Landis zuckte wieder ein wenig und verschränkte die Arme, um das zu verbergen. „Sieht ganz so aus. Was sollen wir jetzt tun?“ „Dass ich dir wirklich immer alles sagen muss“, seufzte sie. „Wir müssen jetzt irgendwie dafür sorgen, dass sie gerettet wird. Das ist doch logisch.“ „Das weiß ich auch. Ich war daran interessiert, ob du schon einen Plan hast.“ Er hoffte fast schon, dass sie nun eine fauchende Erwiderung bringen würde, damit sie ihren zuvor nicht durchgeführten Streit nachholen könnten, aber da glaubte er plötzlich, eine Bewegung wahrnehmen zu können. Rinas Kopf ruckte ebenfalls herum, auf der Suche nach dem Ursprung. Sie sprang zurück – und im nächsten Moment steckte ein Dolch dort, wo sie eben noch gestanden hatte. Die Augen der beiden wanderten nach oben, verfolgten die angenommene Flugstrecke der Waffe und verharrten auf einem maskierten, dunkel gekleideten Mann, den bislang keiner von ihnen beachtet hatte, der nun aber ihren Blick erwiderte. Alle drei verharrten gleichermaßen überrascht auf ihren Positionen, bis Landis ein leises Surren hörte. Er wich einen Schritt zur Seite, die nadelförmigen Senbon schlugen mit Wucht in den Baumstamm ein und blieben dort stecken. Sie vibrierten noch ein wenig, als Landis zu ihnen hinübersah und dann anhand des Winkels den zweiten Attentäter ausmachen, der gerade hinter einem anderen Baum hervorkam. „Das ist jetzt mehr als unpassend“, bemerkte Rina und warf Landis einen Seitenblick zu. „Willst du jetzt wieder fragen, was wir tun sollen?“ „Keine Sorge, so viel weiß ich auch noch.“ Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, genau wie sie es ebenfalls tat. „Wir rennen!“ Noch ehe er den Satz beendet hatte, waren er und Rina bereits losgerannt, direkt an dem ersten Attentäter vorbei, der zu überrumpelt war, um überhaupt zu reagieren. Doch diese Atempause hielt nur einen flüchtigen Moment, dann nahmen die beiden Männer die Verfolgung auf. Landis wusste nicht, wohin er überhaupt rannte und er wusste nicht, ob Rina sich darüber im Klaren war, wohin sie laufen musste. Alles in diesem Wald sah absolut gleich aus, ohne Zeit für die Details sogar noch wesentlich mehr als zuvor. Es schien ihm fast, als bewegten sie sich gar nicht wirklich vorwärts. Er bereute es mehr als zuvor, sich nie mit diesem Wald auseinandergesetzt zu haben. Aber wer kann schon ahnen, dass man mal an so einem Ort um sein Leben rennen muss? Zumindest musste er sich nicht umsehen, um zu wissen, ob sie noch verfolgt wurden. Immer wieder hörte er, wie etwas nur haarscharf an seinen Ohren vorbeischoss und es erstaunte ihn, dass sie derart gute Zielfähigkeiten hatten, selbst bei dieser Geschwindigkeit. Doch in diesem Erstaunen fragte er sich wieder, wie sie nur entkommen sollten. Vielleicht liefen sie auch, ohne es zu wissen, im Kreis und würden im Lager ihrer Feinde landen, wo sie auf jeden Fall verloren waren. Dieser unangenehme Gedanke verfolgte ihn derart, dass er nicht mehr auf seinen Weg achtete – und prompt über eine hervorstehende Wurzel stolperte. Mit einem erschrockenen Schrei fiel er zu Boden, schaffte es aber geistesgegenwärtig, sich abzurollen und schließlich auf seinen Knien zu landen. Dennoch verlor er damit Zeit und noch ehe er aufstehen konnte, hatte einer der Attentäter ihn bereits eingeholt. Landis hob den Blick, entschlossen, sich seine Furcht nicht anmerken zu lassen. Eigentlich gab es doch auch gar nichts zu befürchten, er müsste nur... Der Attentäter hob die Hand, in der er seine Klinge hielt, in Gedanken machte Landis sich bereit, eine Rune einzusetzen, wusste gleichzeitig allerdings, dass er es nicht mehr rechtzeitig schaffen würde. Doch ein flammender Pfeil, der über seinen Kopf hinwegschoss, kam ihm zuvor. Der Geruch verbrannten Fleisches erfüllte rasch die Luft, die rechte Schulter des Angreifers rauchte, unter seiner versengten Kleidung war schwarzes, verbranntes Fleisch zu sehen. Er taumelte zurück, keuchte und ging dann ebenfalls in die Knie. Landis sah durch die Öffnungen der Maske direkt in die Augen des anderen. Sie waren dunkel, kalt, kein Anflug des Schmerzes war darin zu sehen, obwohl er diese gerade durchmachen musste und Mitleid suchte man darin erst recht vergeblich, er hätte sein Opfer ohne jede Gnade getötet. Schon im nächsten Moment stürzte er zur Seite, offenbar ohne Bewusstsein. Landis wollte sich gar nicht erst vorstellen, wie schmerzhaft es sein musste, eine solche Verletzung zu erleiden, wenn schon die kleinste Verbrennung einem Tränen in die Augen trieb. Die Bewusstlosigkeit musste wirklich einem Segen gleichkommen. „Komm endlich, Lan!“, drängte Rina, die nur wenige Schritte von ihm entfernt stand. Die Feuerrune an ihrer Hand glühte noch leicht und verriet, dass sie es gewesen war, die den Zauber gewirkt und ihm damit das Leben gerettet hatte. Wie gut, dass ich nicht allein unterwegs bin. Er stand auf und wollte gerade etwas erwidern, um dann wieder weiterzulaufen – aber da bemerkte er eine Bewegung hinter ihr, die ihr anscheinend nicht auffiel. Ohne darüber nachzudenken, riss er die Hand hoch, deutete auf die Gestalt hinter ihr. „Runter, Rina!“ Glücklicherweise zögerte sie nicht, hakte auch nicht nach, sondern ließ sich direkt fallen. Die Windrune auf seinem Handrücken begann zu glühen und im nächsten Moment fegten bereits zahlreiche Böen auf den Attentäter zu. Sie waren nicht stark genug, um ihn zu verletzen, aber immer noch ausreichend, um ihn gegen den nächsten Baumstamm zu schleudern, wo er benommen zu Boden sank. Vorerst würde er sie nicht mehr verfolgen können. Rina streckte die Hand aus, die Landis sofort ergriff, um ihr aufzuhelfen, ehe sie beide zusammen weiterrannten. Noch immer wusste er nicht genau, wohin sie laufen müssten, aber ohne Verfolger fühlte er sich wesentlich weniger panisch, so dass es ihm auch wieder gelang, Details wahrzunehmen, die ihm helfen könnten, den Weg nach draußen zu finden. Rina ging es glücklicherweise ähnlich und so dauerte es nicht allzulange, bis sie endlich wieder im Freien standen. Dort blieben sie allerdings nicht sofort stehen, sondern begaben sich, ein wenig langsamer nun, in Richtung des Hafen Spinax, in der sicheren Erwartung, dass die Attentäter ihnen nicht bis zu einem bevölkerten Ort folgen würden. Sie hielten sich immer noch an den Händen, als würde es ihnen helfen, sich gegen jeden weiteren Angreifer zu verteidigen. Erst als sie sich nicht mehr in unmittelbarer Gefahr befanden und nicht mehr rennen mussten, spürte Landis, dass sein Herz derart schnell schlug, dass seine Brust bereits schmerzte. „Das war... ein wenig zu aufregend für meinen Geschmack“, bemerkte er noch ein wenig atemlos. Da sie schwieg, wandte er ihr neugierig den Blick zu. Ihr Gesicht war gerötet und er war sich ziemlich sicher, dass es nicht an der Anstrengung lag. Ihr Gesichtsausdruck ließ aber nicht darauf schließen, aus welchem Grund sie derart aussah. „Stimmt etwas nicht?“, hakte er nach. „Danke für vorhin“, murmelte sie zur Antwort. Er winkte allerdings sofort ab. „Bedank dich nicht, das war doch selbstverständlich – und du hast mich zuerst gerettet, vergiss das nicht.“ Nach einem kurzen Moment der Überlegung, nickte sie entschieden. „Du hast recht! Ich habe dir schon öfter das Leben gerettet.“ Doch schon nach einem kurzen Überlegen wurde sie wieder ein wenig leiser: „Trotzdem danke.“ Da er sie nicht weiter in Verlegenheit bringen wollte, beschloss er, das Thema zu wechseln: „Gut, was sollen wir jetzt mit unseren Informationen anfangen?“ Sofort wandelten sich ihre Gesichtszüge, so dass sie wieder so selbstbewusst aussah wie eh und je. „Das ist ganz einfach. Als erstes werden wir...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)