Das Blut des Königs von CAMIR (Gibt es überhaupt Helden in Zeiten des Krieges?) ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Und gerade war der nächste gefallen. Voller Sorge schüttelte Perregrin den Kopf. Er wusste nicht, wie viele Stunden vergangen waren, seitdem er die Auffrischung erhalten hatte. Nachdem die Magier das Tor verstärkten, hatte er wirklich geglaubt, sie würden es schaffen. Nun war er sich dessen nicht mehr so sicher. Seine Bolzen und seine Kameraden wurden weniger und zwei der Magier waren bereits zusammengebrochen. Zwar wurden sie durch andere ersetzt, aber es war abzusehen, dass auch ihre Vertreter nicht ewig durchhalten konnten. Zumal keiner der Zusammengebrochenen bisher wieder aufgestanden war. Andere hingegen hielten sich standhaft. Dazu gehörte auch die Frau, die Perregrin geheilt hatte. Er fragte sich, ob es etwas mit dem Trank zu tun hatte, den sie von Zeit zu Zeit einnahm. Denn auch, wenn sie weiterhin stand, so wurde sie doch schwächer. Inzwischen war sie in die Knie gegangen, genau wie ihre Kollegen. Er konnte nur erahnen, welche Kämpfe diese Menschen ausfochten und er wollte sie so gut es ging unterstützen. Dann sah er das Katapult… Zunächst wunderte sich Perregrin über das Verhalten der Tamuraner. Er hatte fest damit gerechnet, dass sie nun dazu übergingen, die Stadt wahllos zu bombardieren, Bauwerke zu zerstören oder gar Soldaten und andere zu treffen. Dann fiel ihm ein, dass man dafür normalerweise mehr als ein Katapult benutzte. Am Horizont zeichnete sich zwar bereits Verstärkung in Form von schneller näher kommenden Belagerungswaffen ab, aber damit wurde Perregrin klar, dass dieses Katapult eine andere Funktion hatte. Er hörte einen Befehlshaber brüllen: „Wenn ihr noch Feuerpfeile habt, beschießt das Katapult!“, aber da dies auf ihn nicht zutraf, versuchte er stattdessen die Menschen zu treffen, die das Gerät bedienten. Leider schoss er häufig daneben. Es stellte sich als unmöglich heraus, die Tamuraner davon abzuhalten, das Katapult in Gang zu setzen. In Windeseile jagte es Schwerter, Speere, Messer und andere Waffen mitten in das Holz des Stadttors. Bevor Perregrin aufgrund dieser unnützen Aktion laut auflachen konnte, sah er wie einer der Magier zusammenbrach. Darauf hatten sie es also abgesehen. Oh nein! Amaryll spürte, wie sich tausende kleiner Spitzen in ihr Bewusstsein bohrten. Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Tamuraner die Schwachstelle des Tors entdeckt hatten, aber sie hatte gehofft, dass sie weniger brutal vorgingen. Viele ihrer Kollegen waren bereits in die Knie gegangen und sie wusste, sie würde ebenfalls nicht mehr lange durchhalten. Einen kurzen Augenblick überlegte sie, die Verstärkung des Tores sein zu lassen und sich besser anderen Dingen zuzuwenden. Dadurch ließ sie ihre Deckung für einen kurzen Moment fallen. Erst als sich der Schmerz in ihr Bewusstsein grub und von ihr Besitz ergriff, erkannte sie, dass ein Fehler gewesen war. Aber dann wurde auch schon alles schwarz um sie, als sie zusammenbrach. Ich habe versagt! Sairen beobachtete voller Genugtuung wie das Stadttor zerbarst! Nun dürfte es eine Kleinigkeit sein, die Stadt einzunehmen. Auch die Magier stellten keine Bedrohung mehr dar, die meisten von ihnen waren durch die Zerstörung des Tores ausgeschaltet. Es lief alles nach Plan. „Zum Angriff!“ brüllte er und genoss den Anblick seiner Männer, die die Stadt stürmten. „Das Stadttor ist gefallen!“ Der Soldat brachte Tam Jardin keine Neuigkeiten. Er hatte das berstende Holz bis hierher hören können. „Und die meisten Magier auch!“ „Ich wusste es! Wir hätten uns nicht auf sie verlassen dürfen!“ „Sie haben tapfer gekämpft, Herr – und uns wertvolle Zeit erkauft. Immerhin konnten bereits einige der Angreifer an der Stadtmauer ausgeschaltet werden.“ „Leider sind immer noch genügend übrig. Und nun werden sie in die Stadt einmarschieren. Gebt meinen Befehl weiter: Unsere Truppen sollen sich zurückziehen und versuchen den Boden, so gut es geht zu halten. Versucht nicht, verlorenes Land zurückzuerobern, sondern kümmert euch lieber darum, dass sie kein neues einnehmen!“ Der Mann nickte und eilte dann davon. Resigniert schob Tam die Figuren auf seiner Modellkarte um und schüttelte dann den Kopf. Der Soldat sah bereits so schmutzig und abgekämpft aus, dass es keine Hoffnung mehr gab. Er hoffte mit seinen Befehlen noch so viele Männer wie möglich zu retten, aber ein Sieg war nicht mehr einzuholen. „Neeeeeeeein!“ Perregrin war überrascht seine eigene Stimme zu hören. Das Holz war zerbrochen und nun schwärmten sie in die Stadt. Er lud seine Armbrust nach und versuchte so viele Angreifer wie möglich zu töten, doch dann gingen ihm seine Bolzen aus. Kurz darauf ertappte er sich dabei, zu den gefallenen Magiern zu laufen und das obwohl sein Kommandant brüllte, dass alle beisammenbleiben sollten. Es waren zwar schon Soldaten vor Ort, die versuchten die Bewusstlosen aus der Schusslinie zu befördern und möglicherweise wieder aufzuwecken, aber irgendwie fühlte sich Perregrin den Magiern zusehr verbunden, als dass er diese Aufgabe alleine den anderen überlassen wollte. Ohne groß darüber nachzudenken, ergriff er einen leblosen Körper, schulterte ihn und rannte damit die Stadtmauer entlang, so schnell er konnte. Er musste irgendwo einen sicheren Platz suchen. König Aran stand am Fenster seines Palastes und betrachtete das Treiben unter sich. Auch wenn er keine Referenz hatte, so erkannte er doch am Stand der Sonne, wie viel Zeit bereits verstrichen war. Als die Abenddämmerung einsetzte, wusste er, dass sein Schicksal unabwendbar war. Die Hälfte der Stadt brannte bereits, die Einwohner wurden auf die Straße getrieben und die Soldaten abgeschlachtet. Er konnte das Blut sogar von hier aus sehen und der Geruch von verbrannten Leichen stieg ihm ebenfalls in die Nase. Ja, der Magierrat war eine schöne Idee gewesen und auch die Macht der Alten. Aber nun war es zu spät. Anareana war gefallen. Perregrin zitterte noch immer. Es war zwar schon einige Stunden her, dass er Unterschlupf in einer alten Scheune gesucht hatte, aber was draußen vor sich ging, das hörte er sehr wohl. Auf der einen Seite fühlte er sich schuldig, sich aus dem Kampfgeschehen zurückgezogen zu haben, aber auf der anderen Seite galt seine gesamte Pflege der verletzten Person neben ihm. Er hatte erst, nachdem er die Scheune gefunden hatte, bemerkt, dass es sich hierbei um die Frau handelte, die ihm beigestanden hatte. Von Zeit zu Zeit strich er mit einem wassergetränkten Stofffetzen über ihr Gesicht, doch bisher hatte sie nicht die geringste Regung gezeigt, sah man von dem Nasenbluten ab, das er nur mühsam zum Stillstand gebracht hatte. Dennoch wusste er, sie war nicht tot und er wollte alles in seiner Macht stehende tun, um sie wieder aufzuwecken. Teils geschah dies aus Dankbarkeit für ihre Hilfe, aber ein kleiner Teil in ihm hoffte, die Magierin vermochte noch irgendetwas zu tun, um das Ruder herumzureißen. Vielleicht waren seine Erwartungen zu hoch gegriffen, aber er brauchte einen Hoffnungsschimmer, an den er sich klammern konnte. Vorsichtig schichtete er das um ihn herumliegende Stroh um, damit er bequemer saß, während er ihren Kopf auf seinen Schoß gelegt hatte. Von Zeit zu Zeit wagte er einen Blick nach draußen, aber was er sah, gefiel ihm überhaupt nicht. Brennende Häuser, schreiende Menschen, Leichen, Feuer, Gestank, Gewalt... Es wunderte ihn, dass man ihn bisher nicht entdeckt hatte, aber er war nicht undankbar darüber. Stattdessen trieb ihm das Gesehene Tränen in die Augen. Er hatte sich immer für stark und hart gehalten, doch nun musste er schmerzlich erkennen, all dies war nur jugendlicher Übermut gewesen. Er wusste nicht einmal, ob seine Familie noch am Leben war, geschweige denn seine Verlobte. Um diese Gedanken zu vertreiben, wandte er sich wieder der Bewusstlosen zu. Er überlegte, ob er noch genügend Wissen aus seiner Ausbildung zusammenkratzen konnte, um einen Heilzauber anzuwenden. Es war ihm immer schwergefallen, sich zu konzentrieren und die nötige Energie zu fassen zu bekommen, um den Zauber in die Wege zu leiten. Insgeheim hatte er immer gehofft, niemals darauf zurückgreifen zu müssen und nun war er genau in dieser Lage und es gab niemanden, der ihm helfen konnte. Er versuchte mehrmals, seinen Kopf freizubekommen, auf die Magie zugreifen zu können, aber es gelang ihm einfach nicht. Schließlich gab er resigniert auf und versuchte es mit konventionelleren Mitteln. „Wach auf, bitte wach auf!“ flüsterte er verzweifelt. Er wusste nicht wie viel Zeit verstrichen war, aber es war definitiv zu viel. Die Frau rührte sich nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)