Release Me! von Yami-No-Yuuki (Zwispalt Hass & Liebe -- ♥♥ Seto X OC X Yami Yugi ♥♥ ~~ >Wird überarbeitet!<) ================================================================================ Prolog: Memories Of Past ------------------------ Prolog: Memories Ein paar Worte vom Autor Endlich ist die neue FF da, an der ich schon Tage und Nächte meinen Kopf zerbrochen habe. +freu+ Es hat sich tatsächlich gelohnt, sie anzufangen. Finde ich jedenfalls. Wie viele schlaflose Nächte mich diese FF schon gekostet hat, kann ich gar nicht mehr zählen. Zum Glück habe ich zur Zeit Sommerferien, die allerdings in wenigen Tagen vorbei sein werden. Ich bin echt froh, dass ich viele (nicht alle) Gedanken zusammenfügen konnte und den Beginn einer Story hinbekommen habe. Ich hoffe, ich scheitere nicht an dieser FF wie an den beiden zuvor. Übrigens ist dies hier meine dritte FF, die ich schreibe. Die erste schreibe ich schon gar nicht mehr weiter, nach über 50 Kapiteln und etwa 130 DIN A4 Seiten gehen Inspiration und Gedanken flöten. Ich habe sie schon lange aufgegeben. Die zweite habe ich zur Zeit zu den Akten gelegt. Vielleicht werde ich sie irgendwann hochladen und fortsetzten, ich bin mir aber nicht sicher, ob ich die Zeit dafür finde, zumal ich in die Oberstufe komme und ich mich dann vor Arbeit wahrscheinlich kaum noch retten kann... Nichts desto trotz viel Spaß beim Lesen. Eure Rioku --------------------------------------------------------------------------------- ~In der Kaiba-Villa~ Es war bereits spät in der Nacht, als Seto Kaiba seinen Laptop zuklappte. Auch die letzten Vorbereitungen für das Turnier, das er veranstaltete, waren nun getroffen. Er lehnte sich in seinem Ledersessel zurück, fuhr sich durch die Haare und seufzte. Morgen begannen bereits die Vorausscheidungen des Turniers, die Hälfte aller Teilnehmer würde schon in dieser ersten Runde kläglich scheitern, dachte Kaiba. Doch eine Duellantin bereitete ihm schon seit Tagen Kopfzerbrechen. Immer wieder dachte er an sie. Irgendwo hatte er sie schon einmal gesehen, das Aufeinandertreffen seinerseits und diesem Mädchen lag zwar schon Jahre zurück, doch es schien ihm, als wäre es erst gestern gewesen. War sie es wirklich? Oder verwechselte er sie mit jemand anderem? Diese Ähnlichkeit zwischen ihr und dem Mädchen, dass er aus seiner Vergangenheit kannte, war verblüffend. Doch Beweise dafür, dass sie und seine damalige Bekanntschaft ein und die selbe Person seien, hatte er nicht. Er könnte sich irren. Aber die Tatsache, dass sich ein Kaiba nie irrt, ließ ihn grübeln. Er hatte nachgedacht, jede auch noch so kleine und noch so verblasste Erinnerung könnte helfen. So viel er auch nachdachte, seine fast vergessenen Erinnerungen an seine Kindheit brachten ihn nicht weiter. Er hatte recherchiert, doch ohne großen Erfolg. Stundenlang, wenn nicht sogar tagelang hatte er sich durch die vielen Fanseiten dieser durchaus begabten und talentierten jungen Frau gegraben, Nachschlagewerke gewälzt und sich durch die Ergebnisse der Suchmaschinen gekämpft. Er hatte seine Angestellten beauftragt, mehr über sie herauszufinden. Aber auch bei diesem Auftrag blieben Erfolge aus. Das einzige was er mit Sicherheit über sie sagen konnte, war ihr Name und ihr Alter. Doch dieser Name taucht in keinem Schülerverzeichnis auf. Das hieß also, dass ihr Name nicht echt war, sondern, wie der Rest ihrer Identität, unbekannt war. Ein Pseudonym. Sie war ein wie ein Phantom. Würde sie nicht an so vielen Duel Monsters Turnieren teilnehmen, wäre sie eine Unbekannte. Andererseits hätte er sie nie gesehen, er hätte nicht über sie nachdenken und recherchieren müssen. Einmal von der Neugier gepackt konnte er es nicht auf sich beruhen lassen. Wer war dieses Mädchen? Wieso zur Hölle verband er sie mit seiner Kindheit? Mit seiner Zeit, die er im Heim verbracht hatte? Fotos von ihr hatte er ausgedruckt und in einen separaten Ordner geheftet. Das bisschen, was er über sie in Erfahrung hatte bringen können, dazugelegt. Doch der riesige Ordner war gar nicht notwendig. Ein paar Zeilen über sie und ein paar Fotos, das war alles, was er von ihr hatte. Selten hatte ihn etwas so sehr beschäftigt. Er wollte einfach wissen, ob sie es war. Ob sie das Mädchen war, dass er vor zehn Jahren das letzte Mal gesehen hatte. ~Zur selben Zeit an einem noch unbekannten Ort~ Das Mädchen saß auf der Fensterbank, starrte aus dem Fenster ihres Zimmers und blickte in die Schwärze der Nacht. Der Regen trommelte an ihr Fenster und der Mond versteckte sich hinter dichten Wolken. In ihrem Zimmer war es dunkel, nur eine kleine Nachttischlampe nahe ihres Bettes spendete ein wenig Licht. Dessen Glühbirne flackerte, bald würde diese ihren Geist aufgeben. Da ging die Türe leise quietschend auf und ein Schatten stand in der Türe. „Kannst wohl wieder nicht schlafen, was?“, fragte eine Jungenstimme und schaltete die Deckenleuchte ein. „Dass du auch immer in der völligen Dunkelheit sitzen musst.“ Sie schwieg und starrte noch immer aus dem Fenster. Dem Jungen hatte sie nicht einen Blick zugeworfen. Dieser hatte damit zu kämpfen, zu ihr durchzudringen. Da überall hohe Bücherstapel auf dem Boden lagen und den Weg versperrten, war dies nicht so einfach für ihn. Er war sichtlich erleichtert, als er es endlich zu ihr geschafft hatte. „Nun sag' schon, was bedrückt dich, Schwester?“, fragte er, doch sie schwieg eine Zeit lang. Nach einigen Momenten unterbrach sie die Stille, die zwischen beiden herrschte. „Ich muss die ganze Zeit an morgen denken. Ich habe Angst davor, ihn wiederzusehen. Dabei wollte ich ihn doch für immer vergessen.“ „Was hat dich auch geritten, als du dich bei seinem - ausgerechnet bei seinem - Turnier hast einschreiben lassen?“, fragte der Junge und setzte sich neben sie auf einen Stuhl. „Ich hab' dir von Anfang an abgeraten, bei einem seiner Turniere teilzunehmen. Aber du konntest es natürlich nicht lassen.“ Seine letzten beiden Sätze ignorierend antwortete sie mit immer aggressiver werdender Stimme: „Keine Ahnung. Aber davonlaufen werde ich nicht. Nicht vor ihm. Er hat mir damals so weh getan...das verzeihe ich ihm nie!“ Sie machte eine Pause. „Ich habe allen Grund dazu, ihm eins auszuwischen, und wer weiß, wann ich wieder so eine Gelegenheit habe.“ „Wo du recht hast, hast du Recht. Es wäre nur gerecht, wenn du ihm eins reinwürgen könntest. Aber du solltest dich wenigstens für die letzten paar Stunden hinlegen, auch wenn es nur die Vorausscheidungen sind, die morgen auf dich zukommen, du musst auf jeden Fall topfit sein.“, antwortete der Junge mit ruhiger Stimme. „Ja ja. Gleich. Lass' mich noch ein paar Minuten nachdenken.“ Er legte ihr die Hand auf de Schulter, küsste sie auf die Stirn und wandte ihr den Rücken zu. „Gute Nacht, Kleine. Schlaf gut.“ „Du auch, Bruder.“, antwortete sie, während er sich durch die Bücherstapel auf die Türe zu bewegte. Irgendwann erreichte er sie, schaltete die Deckenlampe wieder aus und zog die Türe hinter sich zu. Wieder ein leichtes Quietschen, dann war die Türe geschlossen. „Warte nur, Seto Kaiba, wenn ich mich mit dir messe, wirst du untergehen! Ich werde dich dafür büßen lassen, was du mir vor zehn Jahren angetan hast!“, flüsterte sie wütend und legte sich schlafen. Kurz darauf war sie auch schon im Reich der Träume. ~Prolog-Ende~ Kapitel 1: Calm Before The Crash -------------------------------- Kapitel 1: Calm Before The Crash Ein paar Worte vom Autor Ja, endlich ist das erste Kapitel meiner neuen FF da. Nach dem Prolog hatte ich zuerst keine Ahnung, wie ich anfangen sollte, hatte dann aber eine geistige Eingebung und habe sie direkt niedergeschrieben +lach+ Ich weiß, der Anfang scheint noch recht kurz, aber ich werde mich bemühen, bei den noch folgenden Kapiteln mehr zu schreiben. Damit ihr auch einiges zu Lesen habt. Ich bin echt skeptisch, ob das folgende Kapitel nicht misslungen ist...ich habe echt Angst davor, dass die ganze FF ein Griff ins Klo wird. Ich bitte deshalb um viele Verbesserungsvorschläge und auch um Kritik, falls notwendig... Außerdem weiß ich nicht, ob der Titel so gut passt, da Kaiba in diesem Kapitel alles andere als ruhig ist. Aber irgendwie passt das so gut zu ihm... Schon so komisch, dass es fast wieder passen könnte. Und obwohl es für ihn zum Ende hin aussichtslos scheint, es gibt für ihn doch noch ein Happy End. Aber lest selbst. +gg+ Viel Spaß beim Lesen, ich hoffe, es gefällt euch und ihr bliebt mir und meiner Story treu. Ich geb' mir auch ganz viel Mühe. Versprochen. Eure Rioku --------------------------------------------------------------------------------- ~~Am nächsten Morgen~~ ~An einem noch immer unbekannten Ort~ (xD) „Riiko, Frühstück ist fertig! Komm' schon, raus aus den Federn, Kleine!“, rief der Junge, der am Bett des Mädchens stand, seine Schwester sanft an der Schulter festhielt und sie schüttelte. „Du hättest nicht so lange auf bleiben sollen. Selber Schuld, wenn du jetzt nicht aus dem Bett kommst.“ Das Mädchen gab nur ein Stöhnen von sich. „Lass' mich in Ruhe, Jun. Du nervst. Verschwinde aus meinem Zimmer. Und lass' mich schlafen.“, knurrte sie. Sie steckte ihren Kopf in ihr Kopfkissen und presste es zusammen. Ein Seufzten war zu hören. Als sie merkte, dass er sich nicht abwimmeln ließ, wurde sie lauter. „Worauf wartest du? Auf 'ne Extra-Einladung? Raus hier, lass' mich ausschlafen!“ „Aber wir haben schon 10 Uhr! In einer Stunde fängt das Turnier an!“, brüllte er panisch und sein Gesicht zierte ein fieses Grinsen, das sie, die noch im Bett lag, nicht bemerkte. „WAAAS?“ Das Mädchen sprang aus dem Bett, rannte zur Türe, riss sie auf und rannte schnurstracks nach unten, um zu frühstücken. Jun ging lässig die Treppe herunter und sah zum Esstisch. Er sah, wie das Mädchen, das sich an den Tisch gesetzt hatte, so schnell wie möglich alles in sich hineinstopfte. Es erinnerte ihn an ein Wettessen. Ein weiteres belustigtes Grinsen zeigte sich auf seinen Lippen und er begann unscheinbar ein Lied zu summen. „Du kannst ruhig langsam essen.“ Der Junge kugelte sich schon fast vor lachen. „Wahsch sahksd duh djah?“ (Was sagst du da?) Das Mädchen schaute auf die Wanduhr, die gerade acht Uhr schlug. Schlagartig hörte sie auf zu kauen, stand auf und schlug ihre Essstäbchen auf den Tisch. „Duh klaihnar Mischtkeahrl...“ (Du kleiner Mistkerl...) Sie schluckte. „Du hättest mich noch ne ganze Stunde schlafen lassen können! Du bist echt das letzte!“, brüllte sie, rannte mit geballten Fäusten auf ihren Bruder Jun zu und sprang ihn an. „Riiko, lass' das! Du tust mir weh!“, jammerte der Junge, der mittlerweile auf dem Boden lag und von seiner Schwester gewürgt wurde. „Selber Schuld, wenn du mich viel zu früh weckst!“ Kurz darauf saßen beide am Tisch und aßen, was kurz zuvor von Riiko verschont geblieben war. „Und, bist du gut vorbereitet?“, fragte er, während er sich an einer Schale Reis und einem gebratenen Fisch zu schaffen machte. Selbstsicher hob Riiko die Hand und ballte diese zur Faust. „Aber klar doch! Ich bin immer gut vorbereitet! Vor allem, wenn ich diesem arroganten, gefühlskalten, gar nicht so toll aussehenden, nie zufriedenen, scheinbar perfekten, großkotzigen, rund um die Uhr arbeitenden Ich-bin-über-eurem-Niveau-Arsch endlich einen gewaltigen Tritt verpassen kann. Am besten so, dass er sich immer, wenn er sich in seinen riesigen Chefsessel setzt, vor Schmerz laut aufschreit, weil er auch Jahre später noch den gewaltigen Schmerz verspürt, den mein Fuß an seinem Allerwertesten verursacht hat. Der hat echt 'ne Abreibung verdient.“, sagte sie und grinste. Doch nach kurzer Zeit verschwand das Grinsen wieder und sie blickte traurig auf die Tischplatte. Dann fuhr sie fort: „Er kann sich nicht vorstellen, was ich durchgemacht habe. Wenn ich in ihm doch nur einen Funken Mitleid in ihm entzünden könnte. Er soll endlich begreifen, wie ich gelitten habe. Und das, obwohl er mir versprochen hat, dass er...“ Ihre Tränen konnte sie nicht zurückhalten, nachdem sie wieder an ihre Kindheit dachte. Sie wischte sie sich aber schnell aus dem Gesicht. „Vergieß' doch keine Tränen für diesen Kerl. Er ist es nicht wert. Und jetzt lächle wieder. Das steht dir viel besser, als diese verheulten Augen.“, sagte Jun und legte seine rechte Hand auf ihre linke Schulter. „Wenn ich dich nicht hätte, dann hätte ich alles schon lange aufgegeben. Danke, dass du noch immer zu mir hältst, Jun.“ „Du bist und bleibst eben meine kleine Schwester.“ Er lächelte sanft, was in Riikos Innerem einen Hoffnungsschimmer aufkeimen ließ. Kurz darauf warf er einen Blick in die Zeitung und fand einen Artikel, der über eine erfolgreiche Duellantin geschrieben wurde. Er lächelte und zeigte ihr den Zeitungsartikel. „Sieh' mal, du stehst in der Zeitung, Riiko.“ ~Derweil in der Kaiba-Villa~ Kaiba saß mit seinem kleinen Bruder Mokuba im Speisesaal und frühstückte. Er blätterte in der 'Domino Times' und nippte ab und zu an seinem dampfenden Kaffee. Er studierte, wie sein kleiner Bruder vermutete, Börsengänge und Aktienkurse. „Sag' mal, Bruder, wieso muss ich eigentlich hier blieben, während du das Turnier eröffnest?“ Mokuba stocherte mit seiner Gabel in seinem Rührei und hinterließ mit jedem Stich drei weitere tiefe Löcher. Er blickte traurig auf das bereits völlig durchlöcherte Toastbrot, dessen Krümel um den ganzen Teller des kleinen Jungen lagen. Kaum einer war noch da, wo er sein sollte, auf dem Teller. „Mokuba, ich dachte, das Thema wäre abgehakt. Ich habe dir gesagt, du bleibst hier, weil dort viel zu viel Trubel herrscht. Jede Menge Journalisten, Duellanten, Zuschauer. Und jetzt sieh' zu, dass du nicht noch den Rest deines Essens über den Tellerrand auf die Tischdecke beförderst.“ „Aber Seto, wenn ich ganz brav bin, darf ich dann mitkommen?“ „Nein.“, antwortete der ältere eiskalt, ohne seinen Bruder auch nur anzusehen. „Und wenn ich die ganze Zeit bei dir bleibe?“ „Nein.“ Wieder eiskalt. Der Dackelblick, den Mokuba aufgesetzt hatte, hatte nichts genützt. Mokuba wurde nun sauer. Nie hatte er seinen Bruder begleiten dürfen. Doch diesmal gab er sich nicht mit einem 'Nein' zufrieden. „Wieso willst du mich nicht dabei haben? Ich bin dein kleiner Bruder! Ich bin kein Kleinkind mehr!“ „Und trotzdem sage ich nein. Du bliebst hier!“ Er hielt es noch immer nicht für notwendig, seinem kleinen Bruder ins Gesicht zu schauen, wenn er mit ihm redete. „Du bist gemein, Seto...!“ „Ich habe nein gesagt und dabei bleibt es auch!“, brüllte er wütend und schlug mit der flachen Hand so stark auf den Tisch, dass seine Kaffeetasse umkippte, der Kaffee auslief und von der Tischplatte auf seinen Anzug und den Teppichboden tropfte. Mokuba zuckte im ersten Moment zusammen, wandte dann seinen traurig werdenden Blick ab und aß den Rest seines Rühreies (Ruhreies oder Ruhreis? Sieht beides komisch aus xD) auf. Seto begann währenddessen zu fluchen, warf die Zeitung auf den Tisch und ging auf sein Zimmer, um sich einen anderen Anzug auszusuchen und ihn anzuziehen. Der weiße, den er jetzt trug, war voller Kaffee-Flecken. Seto sah aus, wie eine braun-gefleckte Kuh. Fehlte nur noch, dass dieser auf allen Vieren durch die Gegend lief und sich hinten einen Kuhschwanz an die Hose klebte. Dieser Gedanke ließ Mokuba schmunzeln. Kurz nachdem der Schrecken aller Chefs den Raum verlassen hatte, kam eine seiner Dienstmädchen hereingelaufen und wischte den Kaffee auf. Ein anderes begann damit, den Fleck im Teppichboden zu entfernen. Als ein drittes nach der Zeitung griff, um sie wegzuwerfen, hielt Mokuba sie zurück. „Ich möchte auch noch einen Blick in die Zeitung werfen.“ „Wenn Sie meinen, gern, Herr Kaiba. Wenn ich Ihnen sonst noch helfen kann, dann sagen sie mir Bescheid.“ Das Dienstmädchen überließ Mokuba die Zeitung und verschwand in der Küche. Er blätterte und blätterte, bis er einen riesigen Artikel fand. „Was ist das? 'Erfolgreiche Duellantin nimmt an neuem Duel Monsters Turnier teil'.“ Er blickte auf ein Foto, das neben dem Artikel beigefügt wurde. „Das ist doch...“, begann Mokuba, brach aber ab. Der Morgen war echt chaotisch. Erst fällt Master Kaiba aus dem Bett, als er den Wecker hört, beim Gang unter die Dusche macht er das letzte Handtuch, was noch im Schrank lag, völlig nass, er findet keinen passenden Anzug für das Event in seinem Schrank (das Event ist nicht in seinem Kleiderschrank, sondern die Anzüge xD) und dann kippt er noch die Kaffeetasse um, verbrennt sich und sein dann doch noch gefundener Anzug ist ruiniert. Und er ließt einen Artikel, einen Artikel über sie. Es brachte ihn zur Weißglut. Sie hatte der Presse bekannt gegeben, dass sie ihn vom Thron stürzten würde und er dann nur noch drittbester Duellant der Welt sein werde. Sie wäre an seiner jetzigen, direkt hinter dem König der Spiele, Yugi Muto. „Wie kann es diese Göre wagen....?“, flüsterte Kaiba und wühlte zum zweiten Mal an diesem Morgen in seinen Kleiderschrank. Er fand nichts, was ihm gefiel. Also tobte er durch den Schrank, warf seine Anzüge durch den ganzen Raum und verursachte einen totalen Saustall. „Das kann doch nicht sein...verdammte schei...“, brüllte Kaiba, als die Türe plötzlich aufging. „Was ist denn hier los? Du hast hier rumgebrü...“, sagte Mokuba, der zunächst seine Augen geschlossen hatte, dessen Stimme aber versagte, als er die Augen öffnete und das Chaos in dem Zimmer seines Bruders vor fand. Er fing furchtbar an zu lachen, als er sah, dass Seto, der nach vorne gebückt und in Boxershorts vor seinem Schrank stand, die Anzüge durch die Gegend schmiss und diesen bösen, vor Wut kochenden Blick aufsetzte, der leider zum Pech des großen Bruders mehr wie ein Oh-Bitte-hilf-mir-damit-ich-meinen-perfekten-Anzug-noch-finde-und-der-Tag-noch-gut-ausgeht-Blick aussah. „Was gibt es da zu lachen, Mokuba?“, fragte Seto, sein kleiner Bruder schaffte es jedoch nicht, zu antworten, lachte aber nur noch mehr und kugelte sich auf dem Boden. Vom vielen Lachen bekam er sogar Bauchschmerzen. Seto hatte es jetzt endgültig satt, also packte er Mokuba am Kragen und setzte ihn buchstäblich vor die Türe. „Hat man denn hier gar keine Ruhe mehr?“, fragte er sich. Kurze Zeit später trommelte jemand lautstark gegen die Türe, dessen Ton und Geschwindigkeit dem Abfeuern mehrerer Duzend Kugeln mit einem Maschinengewehr ähnelte. „Seto, Seto, Seto, es tut mir leid, bitte verzeih' mir, dass ich dich wütend gemacht habe...“, jammerte Mokuba laut und wurde etwas leiser. „Obwohl das echt zum Schreien ausgesehen hat...“ „Mokuba, lass' mich in Ruhe. Ich habe zu tun. Geh' auf dein Zimmer. Sonst darfst du nicht mitkommen.“ Seto bereute jetzt schon, was er da sagte. Da Mokuba aber sonst nie aufhören würde zu plappern, überwand er sich dazu, ihn nachher beim Turnier doch noch mitzunehmen. Wenigstens hatte er für den Moment seine Ruhe. Als Mokuba ansetzte, ihm zu antworten, entgegnete ihm Seto: „Und jetzt geh dir was ordentliches anziehen. Ich möchte um 9:30 Uhr losfahren, um vor Ort noch etwas zu klären.“ Mit diesen Worten verschwand Mokuba freudig in seinem Zimmer. „Das gibt es doch echt nicht. Wie kann jemand wie ich nur so vom Pech verfolgt werden? So was wie heute ist mir noch nie passiert. Verdammt. Ich bin wirklich überarbeitet...“ ~Zurück in Riikos Haus~ (nein, nicht mehr der unbekannte Ort xD) Nachdem sie das Frühstück beendet hatte und ihr Bruder zur Arbeit gefahren war, ging sie die Treppe hinauf und verschwand im Bad. Sie stellte sich unter die Dusche und genoss es, wie die vielen, heißen Wassertropfen auf ihren Kopf und ihre Stirn niederprasselten. Ein Moment der Ruhe. Sie konnte sich entspannen und ihr Kopf war für einen Moment frei von allen Gedanken. Doch dieser Moment der Ruhe war auch so schnell wie er kam auch schon wieder verschwunden. Denn als sie aus dem Bad kam, waren es bereits neun Uhr. Sie wollte unbedingt etwas früher da sein, um die Turnierplätze zu begutachten. Es geht doch nichts über eine ausgeklügelte Strategie. Man weiß ja nie, vielleicht kam ja mal der Moment, in dem ihr dieses Wissen zu Gute käme. Sie ging auf ihr Zimmer und zog ihre Sachen an. Nach der Unterwäsche folgten Top und Rock, dann den Gürtel mit der kleinen Box für ihr Deck, die bis kurz unter die Kniekehlen reichenden Socken, dann das Halsband, das Stirnband in ihrem Haar, die Schuhe, die Handschuhe und schließlich ihr Umhang. Dann ging sie auf ihren Schreibtisch zu, holte einen Koffer aus einer Schublade, öffnete diesen und nahm eine Duel Disk heraus. Sie begutachtete sie und dachte zurück, an den Tag, an dem ihr Halbbruder sie ihr geschenkt hatte. Es war ihr fünfzehnter Geburtstag, als er mit dieser speziell für sie angefertigten und von ihm entworfenen Duel Disk nach Hause kam. Sie war schwarz-metallic und hatte an den Rändern knallrote Verzierungen. Zusammengeklappt sah man nur zwei Felder, beim Einschalten klappte sie sich auf, aus der rechten Seite kam ein weiteres Feld hervor, auf der linken zwei und außerdem eine stark an ein Säbel erinnernde Klinge, die ebenfalls schwarz-metallic war. Dann öffnete sie ein weiteres Fach ihres Schreibtisches, nahm eine Kassette heraus, schloss sie auf, nahm ihr Deck heraus, welches sie in der Box an ihrem Gürtel verstaute, und versteckte die Kassette wieder in ihrem Schreibtisch, genau so wie den Koffer der Duel Disk. Sie befestigte die Duel Disk an ihrem linken Arm und schaute auf die Wanduhr in ihrem Zimmer. Es war bereits 9:35 Uhr. Zeit zu gehen. „Langsam wird es ernst, Riiko. Oder sollte ich besser Kyoko sagen...?“, sagte sie zu sich und verengte die Augen. Sie verließ nun das Haus und begab sich zur Garage, wo ihr Motorrad parkte. Sie drehte sich in Richtung Sonne, die an diesem Tag schien und eine sommerliche Wärme auslöste. Eine leichte Brise durchfuhr ihr Haar, als sie sich bückte, um den Griff des Garagentors umzulegen. Sie schob ihr Motorrad in die Einfahrt, schloss hinter sich das Garagentor und griff nach dem Helm, der in einem Stauraum des Motorrades gelegen hatte und brauste los. Noch einmal richtig Gas gebend fuhr sie auf die wie leer gefegt wirkende Straße. Sie fuhr eine Zeit lang durch die Stadt, bis sie an einer roten Ampel halt machen musste. Die Sonne knallte auf ihren Rücken und sie bereute es, dass sie dunkle Kleidung trug. >Mist, es ist viel wärmer, als ich dachte. Wenn ich nicht bei lebendigem Leibe verbrenne, kann ich mich glücklich schätzen.<, dachte sie, als sie sich wieder auf die Ampel konzentrierte, die noch immer auf rot stand. >Ganz ruhig bleiben. Ich darf auf keinen Fall die Nerven verlieren. Das könnte mich meinen Sieg kosten.< Sie versuchte sich abzulenken, was ihr auch mehr oder weniger gelang. Bis plötzlich neben ihr eine pechschwarze Limousine halt machte. >Ganz ruhig. Da könnte jeder reiche Pinkel drin sitzen. Das muss ja nicht Seto Kaiba sein, der in dem Wagen neben mir zum Turnierplatz gefahren wird.< ~In der Limousine~ „Sieh' mal, Seto. Die Frau auf dem Motorrad. Sie hat eine Duel Disk am Arm. Sie ist bestimmt auf dem Weg zum Turnier.“, sagte Mokuba. Doch Seto ignorierte ihn und tippte wie von einer Tarantel gestochen auf dem Laptop herum. „Sie hat die selbe Haarfarbe wie das Mädchen von damals sie hatte.“ Dieser Satz von seinem kleinen Bruder, der neugierig an der verdunkelten Fensterscheibe klebte und zu der Motorradfahrerin schaute, hatte Seto aufsehen lassen. Auch er sah aus dem Fenster. „Woher willst du das wissen? Durch die getönten Scheiben kannst du das doch gar nicht sagen.“, blockte dieser ab, schaute nun aber intensiv zu der Fahrerin, die direkt neben seinem Wagen stand und darauf wartete, dass die Ampel das Zeichen für das Weiterfahren anzeigte. „Na und? Sieh' doch mal genauer hin.“, sagte Mokuba, der das Fenster ein ganzes Stück weiter herunterließ. Seto verstummte daraufhin und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. >Wo er Recht hat...sie ist auch ähnlich gekleidet, wie auf dem Foto in der Zeitung. Das muss sie sein. Diese außergewöhnliche Duellantin, die ich für meine Bekannte hielt, die ich vor zehn Jahren das letzte Mal sah.< ~Draußen, bei Riiko~ Riiko, die wie gebannt auf dem Motorrad saß, ließ den Motor mehrmals laut aufheulen und gab so viel Gas, wie nur möglich war, als die Ampel endlich auf grün sprang. Sie schaute kurz auf den Tacho, der, zu ihrer Überraschung, bereits 82 km/h anzeigte. Mit steigender Tendenz. In der Ortschaft, durch die sie fuhr, waren gerade mal 40km/h erlaubt. >Werde ich jetzt erwischt, gibt’s n saftiges Bußgeld. Aber Geschwindigkeit drosseln, damit er mich ein- und dann überholte? Ohne mich!<, dachte ich sauer. >Von dem Kerl lass' ich mich nicht überholen. Er weiß ja schließlich nicht, wie gut ich Motorrad fahren kann.< Völlig in Gedanken sah sie erst im letzten Moment eine rote Ampel. Einfach drüber fahren ging nicht, ein LKW kreuzte ihren Weg und blockierte die ganze Straße. Also blieb nur noch bremsen. Aber wie macht man das, wenn der Bremsweg vielleicht zwanzig, höchstens fünfundzwanzig Meter betrug und ihre Geschwindigkeit mittlerweile die 90 km/h überschritten hatte? Notgedrungen legte Riiko eine Vollbremsung hin, die sich gewaschen hatte. Sie geriet ins Schleudern und die Kontrolle über das Gefährt unter ihr war so gut wie gleich 0. Panisch versuchte Riiko alles in ihrer Macht stehende, um noch halbwegs heil aus der Problemsituation herauszukommen. Sie musste an diese Actionsfilme denken, wo ein Motorrad unter einem LKW hindurchschlitterte. >Aber dann hätte mein schönes Motorrad Kratzer ohne Ende, wenn es nicht vollkommen hinüber wäre. Außerdem hab' ich so was nie gemacht. Und in den Filmen wird alles tausend Mal geprobt. Außerdem ist das immer ein Stuntman. Verdammt.< Aussichtslose Situation. Wieso musste gerade sie in so eine verzwickte Situation kommen? Naja, wer sündigt, den bestraft der liebe Gott sofort, könnte man sagen. Schließlich hatte sie nicht auf die Ampel geachtet, sondern schwelgte lieber in ihren Gedanken. Hätte sie aufgepasst, dann wäre sie nicht in dieser Lage. In dieser verdammt gefährlichen Lage. Diese kleine Unachtsamkeit könnte sie im schlimmsten Falle nun das Leben kosten. >Eine Rampe wäre auch was schönes, aber wenn ich auf der anderen Seite ankäme, wär' ich Brei... und der nächste dahergelaufene Passant kann mich vom Asphalt kratzen. Sehr amüsant. Und vor allem: sehr lecker. Brechreiz ich komme.< Bei diesem Gedanken drehte sich ihr Magen um. Aber zurück zum Film. Währenddessen hatte sie noch immer damit zu kämpfen, dass sie nicht mitsamt ihres Motorrades mit dem LKW kollidierte. Doch es ließ sich nicht vermeiden, dass Riiko, oder besser Kyoko, auf eine sehr schmerzhafte Art und Weise Bekanntschaft mit dem Boden machte. Irgendwann konnte diese ihr Motorrad nicht mehr halten und ließ es los. Sie rutschte noch einen Meter oder zwei über den Boden, bis sie regungslos auf dem Asphalt und nur wenige Zentimeter, vielleicht eine Handlänge von einem Hinterrad des LKWs entfernt liegen blieb. Würde der LKW jetzt nach vorne fahren, würde er sie überfahren. Doch daran dachte sie nicht. Sie war vollkommen bewegungsunfähig. Jemand musste sie da rausholen, sonst wäre es um sie geschehen. Schmerzen schlimmster Art durchfuhren ihren gesamten Körper. So halbwegs merkte sie noch, dass ihr Motorrad unter dem LKW hindurch geschlittert war und nebenbei ein grauenvolles, ohrenbetäubendes Geräusch verursachte. Neben Motorgeräuschen und dem Davonschlittern ihres heiß geliebten Motorrades war da noch das Quietschen von Autoreifen, das in ihre Ohren drang und schreckliche Kopfschmerzen verursachte. Und dann war alles tiefschwarz und sie verlor das Bewusstsein. Irgendwann später wurde sie wach, und das an einem Ort, den sie nie zuvor gesehen hatte...dachte sie jedenfalls... Kapitel 2: Hatred, Humor & A Harlequin -------------------------------------- Kapitel 2: Hatred, Humor & A Harlequin Ein paar Worte vom Autor Neues Kapitel, neues Glück. Diesmal ist das gesamte Kapitel aus Setos und aus Kyokos Sicht, also kein allwissender Erzähler da. Ich hoffe, auch das ist ganz gut gelungen. Zum Titel dieses Kapitels: Diese drei Wörter habe ich ganz bewusst gewählt. Hass, um die Gefühle Kyokos/Riikos Seto gegenüber auszudrücken, Humor, um die ständigen, ironischen, sarkastischen und witzigen Streitigkeiten zwischen ihr und Seto zu verdeutlichen und Harlekin, nun ja, dieses Wort soll eine der beiden Personen darstellen. Aber ich möchte nicht zu viel verraten, also schön selber lesen. Harlekin (eng.: Harlequin) bedeutet übrigens „Narrengestalt“ und wird in der französischen Sprache verwendet. Ich hab das Wort mehr oder weniger zufällig beim Suchen eines Wortes mit 'H', das in den Zusammenhang passt, im Duden gefunden. +lach+ Naja, ich wollte eigentlich nicht so viel sagen, wie die beiden Male zuvor. Jetzt kommt nur noch: Viel Spaß beim Lesen. +gg+ Eure Rioku ----------------------------------------------------------------------------------------------- Rückblick: Kyoko wurde bewusstlos, als sie, nachdem sie vom Motorrad gestürtzt war. Sie lag noch immer kurz vor einem Hinterrad des LKW. ~Setos Sicht~ Der Wagen hielt und mein Bruder stürmte aus dem Wagen, direkt auf die junge Frau zu, die regungslos am Boden lag. Mein Chauffeur stieg aus und starrte zu ihm und dem Mädchen, tat aber nichts. Das könnte mich ja schon dazu veranlassen, ihn zu feuern. Aber vielleicht brauchte ich ihn noch. Also behielt ich das erstmal für mich. Ob ich ihn heute oder morgen feuere, spielt keine Rolle. Diese Typen sind doch eh nur wehr- und nutzlose Bauern auf einem Schachbrett. „Seto, hilf' mir! Ich kriege sie allein nicht da weg!“, rief mein kleiner Bruder. Seine gequält klingende und traurige Stimme riss mich ins Diesseits zurück. Sofort eilte ich zu ihm und wir zogen sie an den Handgelenken. Im nächsten Moment bewegte sich der LKW nach vorn, ich zog sie mit einem kräftigem Ruck zu mir, wobei ich rückwärts zu Boden fiel, sie fiel auf mich. Ihr Helm versetzte mir einen harten Stoß in die Magengegend. Doch ich verdrängte den Schmerz, der sich dort breit zu machen schien und nahm ihr den Helm ab. „Ist sie...tot?“, fragte Mokuba ängstlich, worauf ich ihren Puls an der Halsschlagader fühlte. Ich schüttelte den Kopf – er seufzte erleichtert. Sie war schon mal nicht tot. Aber sie könnte immer noch innere Blutungen, Zerrungen, Knochenbrüche, eine Gehirnerschütterung, Blutergüsse oder vielleicht sogar eine gebrochene Wirbelsäule haben. Ich bin zwar kein Arzt, aber es war mir bekannt, dass Motorradunfälle viele Folgen haben konnten. Alle fielen mir jedoch nicht aus Anhieb ein. Auch ich war, zugegeben, irgendwie froh, dass sie nicht den Löffel abgegeben hatte. Warum? Keine Ahnung. >Frag' mich was leichteres. Oder in einer Stunde nochmal.<, dachte ich und ein kleines, aber durchaus noch erkennbares Lächeln zeigte sich auf meinem Gesicht. Ich drehte sie auf den Rücken und versuchte, zu ergründen, ob sie verletzt war. Da ihr Umhang dabei störte, zog ich ihr diesen aus, bewegte sie dabei so wenig wie möglich. „Was stehen Sie da so rum? Rufen sie einen Krankenwagen!“, brüllte ich den Chauffeur an, der es noch nicht für notwendig hielt zu helfen. Dieser griff sofort zu seinem Handy und ließ es durch Panik, aus Versehen oder aus welchem Grund auch immer, auf den Boden fallen - es zerschellte in viele kleine Einzelteile. „Sobald das hier zu Ende ist, sind sie gefeuert!“, war meine Reaktion. Jetzt war es raus. Und ein wenig mehr Wut in mir abgebaut. Unfähig, diese Leute. Ich frage mich, wieso ich solche Leute eigentlich noch einstelle. Aber vernünftiges und effizientes Personal steht nicht an einer Straßenecke und wartet darauf, dass man anhält und sie mitnimmt. Nicht so, wie ein paar meiner gekauften One-Night-Stands. Ich hatte meine Augen nicht von ihr abgewendet und strich ihr über die Wange. Ihre Gesichtszüge, ihr Haar, ihre Ausstrahlung. Alles erinnerte mich an dieses Mädchen aus meiner Vergangenheit. „Was denkst du? Ist sie es?“ „Später. Das interessiert jetzt nicht. Erst einmal müssen wir zusehen, dass sie ärztlich versorgt wird.“, blockte ich ab, als Moki fragte. Nichts desto trotz, es interessierte mich schon, ob wir uns endlich noch 10 Jahren wieder getroffen hatten oder ob nur eine Verwechslung vorlag. Ihre Ähnlichkeit...es wäre ein Zufall, wenn sie es nicht wäre. Ich schaute auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass es bereits 9:52 Uhr war. „Verdammt. Hätte sie nicht so einen Mist gebaut, dann wären wir schon lange da und ich könnte mich dem Turnier widmen.“ „Dann...fahr' doch, wenn dir das Turnier wichtiger ist als die Tatsache...dass ich hier rum liege.“, ertönte es von unten. Das Mädchen, dessen Kopf auf meinen Oberschenkeln lag, war tatsächlich wach geworden. Sie hatte langsam, ein wenig undeutlich und leise gesprochen und doch konnte ich jedes ihrer Worte verstehen. Doch das, was sie sagte, versetzte mir einen Schlag. Ich hatte innerlich gefühlt, als hätte sie mir eine gescheuert, oder vielleicht sogar, eine reingehauen. Und ein weiteres Rätsel erschien in meinen Gedanken. >Warum fühle ich so, wenn sie so mit mir redet? Sie könnte mir vollkommen egal sein, das ist sie aber nicht. Wieso fühle ich so? Bei einer Wildfremden würde ich nie so handeln und denken.< Sichtwechsel: ~Kyokos Sicht~ „Du bist ja endlich aufgewacht.“, kam in einem eiskalten Ton von oben. Zunächst erkannte ich die Stimme nicht. Und erkennen konnte ich ihn auch nicht, alles in meinen Augen war so verschwommen. „Was ist mit meinem Motorrad? Wie viel Uhr ist es?“, fragte ich ein wenig panisch. Stille. Eine zweite, etwas kleinere Person war gegangen, scheinbar zu meinem Motorrad. „Ich bin kein Experte, aber es sieht nach einem Totalschaden aus.“, sagte eine Stimme, die sich als die eines kleinen Jungen entpuppte. „Na super. Echt toll. Und wie viel Uhr...“, rief ich wütend, konnte meinen Satz aber nicht zu Ende führen, da ich einen stechenden Schmerz in meinem rechten Arm verspürte, als ich mich auf ihn stützte, um mich aufzusetzen. Ich schrie auf und ließ mich wieder auf die andere Person fallen, die jenseits meines Blickfeldes hockte und mir als Kopfkissen diente. „Mittlerweile kurz vor 10 Uhr. Und das gerade hat höllisch weh getan. Mach' das ja nicht nochmal!“, drohte die Person, die ich nicht sehen konnte. „Entschuldige, dass ich versuche, von dir loszukommen!“, schrie ich. „Ich will zu diesem Duel Monsters Turnier, koste es, was es wolle!“ Ich versuchte erneut, aufzustehen, als mich die Person hinter mir an sich drückte. „Du bleibst schön hier bei mir, Kyoko Karasuma.“, sagte diese. Langsam dämmerte es in mir. Irgendwo hatte ich diese Stimme schon mal gehört. Aber ich konnte mich nicht erinnern wo. Als ich dann noch in seine eisblauen Augen sah und seine braunen, leicht zotteligen Stähnen in seinem Gesicht entdeckte, erschrak ich und weitete die Augen. „Nein, du bist es wirklich...“ Er weitete die Augen, als ob er dachte: Ist sie es wirklich, das Mädchen, das er von damals kannte? In diesem Moment war er mehr als durchschaubar. Er hatte einen Schwachpunkt gezeigt. „Du bist dieses arrogante, machthungrige, gehirnamputierte, Ich-bin-besser-als-ihr-alle-zusammen-denkende, auf alle herabblickende und sich nie bedankende Arschloch, über das die Zeitung jeden Tag einen neuen Artikel veröffentlicht! Du bist Seto Kaiba!“, brüllte ich ihn an, der daraufhin zusammenzuckte und mich extrem sauer ansah. Er musterte mich von oben bis unten. „Sag' mal, was denkst du dir eigentlich, mit wem du sprichst? Und zweitens: Wer hat dir denn das Leben gerettet und erste Hilfe geleistet, damit du nicht drauf gehst?“ Die Wut, die sich langsam in ihm staute, spiegelte sich in seinen Blicken, die er mir zuwarf. „'Was denkst du dir eigentlich, mit wem du sprichst? Wer hat dir denn das Leben gerettet und erste Hilfe geleistet?' Bla bla bla.“, wiederholte ich in einem verächtlichen Ton und verzog eine belustigte, gleichzeitig auch eine Ignoranz ausstrahlende Grimasse. Sein Blick verfinsterte sich immer mehr. Der Versuch, ihn nachzuäffen und diese urkomische Stimme, die ich angewandt hatte, brachten mich dagegen zum Schmunzeln. >Ja ja, Kaibalein, dein Kopf kocht bei 85°C. Irgendwie krieg' ich bei dem Gedanken Hunger.<, schoss es mir doch den Kopf. Bei einem weiteren Grinsen, das meine Lippen umspielte, schien er gleich auszubrechen, wie ein Vulkan. Doch das war mir egal. Stattdessen dachte ich nach, was ich jetzt sagte. >Ich habs!< Seto wurde für mich immer durchschaubarer. Für mich war es reine Unterhaltung, sogar Belustigung, er hätte mir am liebsten den Hals umgedreht. Er dachte wohl, ich war fertig. Denn das leichte Grinsen, das sich auf seinen Lippen zeigte, sprach mehr als Tausend Worte. >Aber nicht mit mir. Lass' dir schon mal einen Sarg bringen. Wenn ich mit dir fertig bin, kannst du dich direkt reinlegen und dich begraben lassen. Auf nimmer Wiedersehen. Und ich wünsche dir alles andere als „Ruhe in Frieden.“. Schmor' in der Hölle, du Charakterschwein!< Aber jetzt legte ich richtig los. Ich hab' mich doch gerade erst aufgewärmt. Ich kicherte. Sein Grinsen verschwand und er schien böses zu ahnen. Aber jetzt legte ich erst richtig los. „Mir wäre es lieber gewesen, wenn du mich unter dem LKW hättest liegen lassen. Dann hätte ich wenigstens nicht in deine selbstgefällige Fratze gucken und einen Brechreiz bekommen müssen. Ich hätte nicht auf dir gelegen und du hättest mich nicht so begaffen können, und gedacht: >Man ist das geil, so eine heiße Braut auf mir liegen zu haben!<. Wie jemand, dessen Verlangen nach Frischfleisch nicht gestillt werden kann. So ein perverser Chef, wie du, der immer seine Sekretärinnen vögelt und jede andere, die ihm über den Weg läuft, so lange sie große Brüste, 'nen Knackpo und 'n Gehirn so groß wie 'ne Bohne hat! Wenn ich nur daran denke, könnt' ich kotzen. Ich krieg' die Krätze, totalen Ausschlag! Bah! Igitt! Pfui Teufel! Und so jemand wie du guckt mich, und packt mich sogar an! Ich glaub' ich sterbe vor Ekel, den ich verspüre, wenn mir auch nur ansatzweise ausmale, was du da mit mir gemacht hast!“ >Na, was ist? Gibst du schon auf, Kaibalein?< Ich hatte ganz vergessen, dass ich eigentlich zum Turnierplatz wollte. Und ich merkte, dass mein Kopf noch immer aus seinen Oberschenkeln lag und wir uns so giftig wie möglich ansahen. >Aber wenn ich jetzt 'nen Rückzieher mache, dann wird er mich als feige und was weiß ich noch beschimpfen. Und das gönne ich ihm mit Sicherheit nicht.< Ich glaube, wir hatten alles um uns herum vergessen. Aber nicht in diesem Sinne. Sondern wir waren vielmehr auf den Erzfeind gegenüber konzentriert und bewarfen diesen mit so viel Schimpfwörtern und Beleidigungen, die unsere geistigen Vokabulare enthielten. Beziehungsweise ich bewarf ihn damit. >Mal ausrechnen, wie viel es steht.<, dachte ich. Ich begann damit, unser 'Gespräch' nachzuvollziehen und die Beschimpfungen seiner- und meinerseits zu zählen. Es war nicht ganz einfach, aber letzten Endes stellte ich fest, dass ich ihm um die zwei Dutzend Beleidigungen, Schimpfwörter und Beschimpfungen, inklusive Grimassen, sarkastischen und ironischen Ausdrücken, überlegenes Grinsen, ein böses Kichern und einen mit Hass gespickten Wunsch für die Nachwelt abgelassen oder mir gedacht hatte. Von ihm kam wenig. Genauer gesagt: nichts. Nada. Niente. Nothing. Einfach gar nichts. Nicht ein sterbens Wörtchen. Das ist doch langweilig, wenn er nichts sagt. Aber seine Reaktionen und Blicke machen das locker wett. Ich würde also sagen, dass ich eindeutig in Führung liege. Und ich glaube kaum, dass er diesen Rückstand noch aufholen wird. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie er mich aufstützte und ich nun zwischen seinen Beinen kniete, mit dem Gesicht zu ihm. Nach einigen Minuten der Stille, ich glaubte jedenfalls, es waren Minuten, öffnete er endlich seinen Mund. Und ich erwartete, dass er mich anschrie. „Du bist echt das letzte. Tickst bei der kleinsten Kleinigkeit aus und wirfst einem im Eifer des Gefechts echt harte Beleidigungen an den Kopf. Aber das gefällt mir so an dir.“, sagte er mit einer nicht mehr so wütenden, nicht mehr so eiskalt klingenden Stimme, nein, sie klang sanft und irgendwie...verführerisch. >Dieser Narr! Denkt er wirklich, dass er mich so einfach weichkochen könnte?! Wenn er sich da mal nicht irrt!< Ich verstand zwar nicht, was der Zusammenhang zwischen 'Du bist das letzte' und dem Austicken meinerseits war, aber okay. Wenn er meinte. Dann wurde ich schon wieder aus meinen Gedanken in die Realität zurückgeholt. Denn... Er strich mir mit dem Daumen seiner rechten Hand über die Lippen und legte seinen linken Arm um meinen Rücken, presste mich weiter zu ihm. „Was...“ „Ich mag Mädchen wie dich. Die sich nichts gefallen lassen und so viel Stolz und Würde ausstrahlen.“ „Das ist mir total e...“ Und im nächsten Moment spürte ich nur, wie er seine Lippen auf meine drückte. Wir hatten uns geküsst. Warte mal: geküsst? Dieser Mistkerl hat mich geküsst? Ich drückte ihn von mir und gab ihm eine schallende Ohrfeige, hielt meine Hand vor meinen Mund und wischte mir mit dem Handrücken meiner rechten Hand über die Lippen. „Du fängst immer an zu reden. Nie bist du mal ruhig. Aber jetzt schien es ja endlich geklappt zu haben.“ Er grinste, trotz der Ohrfeige, die seine linke Wange derweil rötlich verfärbt hatte. „Was zur Hölle fällt dir ein? Spinnst du? Hast du sie noch alle?“, schrie ich ihn an und Tränen bahnten sich ihren Weg in meine Augen. Ich befreite mich aus seinem lockerer gewordenen Griff und versuchte, aufzustehen. Zwar wankte zuerst hin und her, schaffte es dann aber doch, einen sicheren Stand auf meinen Füßen zu garantieren und bewegte mich immer weiter von ihm weg. >Der ist wirklich ein Narr! Ein Vollidiot! Ein totaler Schwachkopf!< Erneuter Sichtwechsel: ~Setos Sicht~ >Was macht die denn jetzt für einen Aufstand? Sag' nicht, ich hab' ihr den ersten Kuss geraubt. Wenn doch, mir doch egal. Wenn sie denkt, sie kriegt nur Küsse von dem, den sie liebt, dann hat sie Pech gehabt. Ich achte nicht auf Gefühle. Schon gar nicht auf ihre.<, dachte ich. Doch im nächsten Moment durchfuhr mich ein Schock. Durch Mark und Bein. Und jagte mir einen Schauder über den Rücken. >Hoffentlich hat das die Presse nicht mitbekommen. Sonst heißt es morgen in der Zeitung, sie und ich, wir wären...ein...Paar? Sie und ich: Seit heute morgen als Rivalen bekannt. Und wir sollen ein Paar sein?< Ich wollte gar nicht daran denken und meine Blicke suchten sie, die verzweifelt versuchte, sich auf den Beinen zu halten und zu ihrem Motorrad zu kommen. Mokuba stand nur da und beäugte die Situation, er sagte nichts. Der Chauffeur saß leicht krampfhaft im Wagen und starrte auf das Lenkrad. Wie der drauf war...ich brauche dringend einen neuen Chauffeur. Da noch immer kein Krankenwagen in Sichtweite war, dachte ich mir schon, dass er keinen gerufen hat. >Alles muss man selber machen.<, dachte ich genervt. Ich schaute erneut auf meine Armbanduhr. Na toll, es war bereits 10:12 Uhr. Noch 48 Minuten, bis das Turnier begann. Ich sah, wie sie auf das Motorrad aufstieg und versuchte, ihren Helm aufzusetzen, was sie nicht schaffte. Sie schien starke Schmerzen zu haben, besonders in ihren Armen. Währenddessen richtete sich mich auf, klopfte mir den Staub von meinem Anzug und schritt auf sie zu. „Du willst doch nicht ernsthaft in deinem Zustand mit dem Motorrad fahren!“, sagte ich. Ich sah die Tränen, die sich in ihren Augen stauten und langsam ihre Wangen herunterliefen. „Das kann dir doch egal sein!“, keifte sie zurück. Ein weiterer Schlag unter die Gürtellinie. Irgendwie schmerze es in meinem Inneren, als sich schlagartig eine Erinnerung aus meiner Kindheit vor meinen Augen abspielte. (Flashback) „Wohin gehst du?“, fragte ich sie. „Das kann dir doch egal sein, Seto!“, rief das Mädchen sauer. „Das ist es aber nicht! Und das weißt du auch! Also, was ist? Warum zickst du 'rum?“ „Es geht dich einfach nichts an! Du hast meine Gefühle einfach ausgenutzt und dein Versprechen gebrochen! Und das werde ich dir nie verzeihen! Verschwinde aus meinem Leben – ich will dich nie wieder sehen!“, schrie sie unter Tränen und rannte aus dem Raum nach draußen. (Flashback-Ende) >Was war das für eine Erinnerung?<, fragte ich mich in Gedanken. „Ich fahre dich, und mir ist es egal, was du davon hälst. Du wirst dich nicht noch einmal in Gefahr begeben! Und ich habe ehrlich gesagt keine Lust, dir nochmal das Leben zu retten!“ Meine Stimme zeichnete die Wut aus, aber auch einen Hauch Angst. Ich gruselte mich plötzlich. Ich gruselte mich vor dem, was sie aus mir gemacht hatte. Ich hatte noch nie so verspürt wie in diesem Moment. Sie hatte mir meine Schwächen gezeigt, und mich fühlen lassen, wie ich noch nie empfunden hatte. „Ich will auch nicht, dass du mich rettest! Ich hätte auch dieses Mal gut und gerne darauf verzichtet! Bilde dir bloß nichts ein!“ Das Motorrad war wirklich kaputt, so wie es Moki geahnt hatte. Der Motor funktionierte jedenfalls nicht mehr und sprang nicht an, als Kyoko ihn zu starten versuchte. „Du wirst nirgendwo hinfahren! Wir nehmen dich mit und fahren dich nach Hause!“ „Du hast mir gar nichts vorzuschreiben! Du Idiot! Ich hätte mir gleich denken können, dass du nur mit mir spielst!“, schrie sie in mein Gesicht, als sie sich plötzlich an die die Brust fasste und begann, unregelmäßig zu atmen. „Alles okay? Was ist los mit dir?“ Ich packte sie am Handgelenk und wartete, dass sie endlich von ihrem Motorrad stieg. „Fass' mich nicht an, verstanden?“ Sie riss sich los und stieg von ihrem Gefährt. „Ich würde dir einen Deal vorschlagen. Du fährst mit mir zum Krankenhaus, lässt dich durchchecken und wir fahren dann zu dir nach Hause, um dir andere Sachen anzuziehen. Dann fahren wir zum Turnier.“ „Und wenn ich ablehne?“ Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Dann werde ich dich disqualifizieren und dich für die nächsten zehn Turniere sperren lassen. Also, was sagst du?“ „Meinetwegen.“, sagte sie leise und ihre letzten Tränen verschwanden aus ihrem Gesicht und auch aus ihren Augen. Ihr Blick sprach Bände. Sie hatte zwar absolut keine Lust, von mir abhängig zu sein, aber es war die einzige Chance, die sie hatte. Ich wandte mich Mokuba zu. „Mokuba, du wirst schon mal zum Turnierplatz vorfahren. Geh' durch die Hintertür ins Hauptgebäude, nach oben in die Zentrale. Sag' einem der dort arbeitenden Angestellten, dass das Turnier um eine halbe Stunde verschoben wird. Und lass' dich auf gar keinen Fall in der Haupthalle blicken!“ Der Kleine nickte, stieg in die Limousine, die kurze Zeit später hinter den Häuserecken verschwand. „Und was hast du jetzt vor? Wir haben keinen Wagen, mit dem wir zum Krankenhaus kommen.“ Ich stellte ihr Motorrad in eine nahe gelegene Parklücke und schloss es ab. „Lass' das mal meine Sorge sein.“ Letzter Sichtwechsel: ~Kyokos Sicht~ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging. „Worauf wartest du? Oder soll ich dich tragen?“, fragte er, doch ich schüttelte den Kopf. „Ich kann schon noch alleine laufen. Aber trotzdem danke!“, sagte ich und legte mit meiner Stimmlage auf den letzten Satz besonders viel Ironie. Und so machten wir uns auf den Weg zu einem Autohaus. Ich fragte mich, was er damit bezweckte. Es war nicht der beste Zeitpunkt, sich jetzt einen Wagen auszusuchen. Kurz darauf verstand ich, was er vorhatte. Jedenfalls ein kleines bisschen. Schätze ich. Er war anscheinend doch nicht so ein Narr, wie ich dachte. Zumindest, was das angeht. ----------------------------------------------------------------------------------------------- Noch ein paar Worte vom Autor +gg+ Das war's auch schon. Und wieder ist ein Kapitel abgeschlossen. Sorry, für die öfter auftauchenden Sichtwechsel, aber ich wollte die Gefühle von beiden, also Kyoko/Riiko und Seto, so genau wie möglich zur Geltung bringen. Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen. Kritik ist natürlich immer erwünscht! Vielen Dank für's Lesen, ich hoffe, wir lesen uns bald wieder! +lach+ Und vielen Dank, dass ihr mir bis jetzt treu geblieben seid! Ich werde mir mit den nächsten Kapiteln mehr Mühe geben! Eure Rioku Kapitel 3: Detours ------------------ Kapitel 3: Detours Seto ging schnurstracks auf ein Autohaus zu, das nicht weit entfernt lag. Kyoko ging langsam hinter ihm her, als er plötzlich stehen blieb. Und was natürlich kommen musste: Sie stieß mit ihm zusammen. „Hey, du Trantüte! Pass' auf, wo du hinläufst!“, kam es eiskalt von ihm, der vor ihr stand und über seine Schulter böse zu ihr herunterblickte. „Was bleibst du auch einfach stehen!“ Seto ignorierte sie gekonnt und überflog die ausgestellten Autos vor dem Autohaus. Aber nichts, was ihn vom Hocker holen konnte war dabei. Als ich seinen Blicken folgte, merkte ich, dass er sich nach drinnen begab. „Mach' schon, wir haben nicht ewig Zeit.“, rief er. „Entschuldige, es geht eben nicht schneller, wenn man kurz vorher einen Motorradunfall hatte!“, sagte ich ein wenig theatralisch. >Was bildet sich dieser Kerl eigentlich ein? Schleppt mich hier mit sich herum, hält es nicht mal für nötig, nachzufragen, ob es mir gut geht und ob ich allein laufen kann. Nein, jetzt muss der Herr noch schnellen Schrittes ein paar hundert Meter weitergehen. Und fragt dann, ob es nicht noch langsamer geht. Hackt es bei dir, Kaiba? Eins verspreche ich dir. Wenn das ganze hier vorbei ist, lauf' ich Amok! Mach' dich darauf gefasst, kalt gestellt zu werden, Kaiba.<, dachte sie wütend. Schon allein der Gedanke an ihn und seine Arroganz machte sie rasend. „Dann werde ich mal was gegen deine Lahmheit tun.“ Und ehe sie sich versah, hatte er sie gepackt und trug sie auf seinen Händen in Richtung Eingang. “Hey, was soll das -“ Ein Rotschleier legte sich auf ihr Gesicht. Sie war total überrumpelt. Das hat echt gesessen. Alles, was sie ihm bisher getan hatte, die Beleidigungen, die Ohrfeige, einfach alles war nichts im Gegensatz zu dem hier. Er hatte sie in allem übertroffen. „Zick' nicht 'rum und vor allem: Zappel nicht so. Und tu' einmal das, was ich dir sage!“ >Verdammt. Er hat mich wirklich ins Wanken gebracht.<, dachte sie. „Du kannst mich mal!“, blockte sie ab. „Gern. Ich hoffe du kannst noch warten, bis wir nach dem Turnier ungestört bei MIR zu Hause auf MEINEM Bett liegen.“, sagte er und ein Grinsen umspielte seine Lippen. Beleidigt wandte Kyoko sich von ihm ab und schwieg. Kurz darauf kam ein Verkäufer zu den beiden und sah sie ein wenig schräg an. „Guten Tag. Wie kann ich dem jungen Paar helfen?“, fragte dieser und grinste. Sein Grinsen verschwand wieder, als Seto in eiskalt anstarrte. „Wir sind kein...“, begann Kyoko, die von Seto noch immer durch die Gegend getragen wurde, Seto schnitt ihr jedoch das Wort ab. „Verkaufen Sie uns das schnellste Auto, was sie da haben! Der Preis spielt keine Rolle.“ „Wie meinen?“, fragte der Verkäufer irritiert. „Na los! Wir haben nicht ewig Zeit!“ Kyoko gab ihren Senf auch noch dazu, was Seto zum Schmunzeln brachte. Der Verkäufer verschwand kurz in einem kleinen Büro. „Was dagegen, wenn ich dich kurz absetze, Lahmschnecke?“, fragte Kaiba mit einem selbstgefälligen Grinsen. „Überhaupt nicht. Tu' was du nicht lassen kannst.“ Daraufhin spürte sie den Boden unter ihren Füßen wieder. Nachdem er sie abgesetzt hatte, ließ er seine Hand über ihren Po gleiten, so, als wäre es ein Versehen gewesen. Wieder bedeckte ein Rotschleier ihre Wangen. „Lass' das, Perversling!“, sagte sie leise und warf ihm einen giftigen Blick zu. „Was denn? Gefällt dir das nicht? Und wie ist es damit?“, fragte er, sein Grinsen verbreitete sich, als er ihr in den Po kniff. Kyoko konnte gerade noch verhindern, aufzuschreien. Aber nicht wegen des kleinen Schmerzes, sondern wegen ihrer Wut auf diesen Kerl. Und ihrer Verlegenheit. Da kam auch schon der Verkäufer zurück, der mit einem Blatt Papier in der Hand auf sie zu kam. „Wir haben einen Bugatti EB 110 da...“ „Preis?“, fragte Seto genervt. Der Verkäufer zeigte auf eine Stelle auf dem Blatt, wo eine etwa neun-stellige Zahl stand. Seto zog einen Check aus der Innentasche seines Jackets, füllte ihn aus, setzte seine Unterschrift darunter und gab ihm dem Mann, der verblüfft aus der Wäsche schaute. „Wo steht er?“ „Gleich da vorn.“, antwortete der Verkäufer und zeigte auf eine Zufahrt vor dem Autohaus. „Wir nehmen ihn sofort mit, wenn's recht ist.“ Das 'wenn's recht ist', hatte Kaiba dabei so betont, dass der Verkäufer keine Wahl mehr hatte, außer anzunehmen. „Aber...“ Doch Seto warf ihm einen erzürnten Blick zu, worauf der Verkäufer nachgab und wohl oder übel annehmen musste. „Na-Natürlich, Mister Kaiba.“, sagte der Verkäufer und gab sich geschlagen. „Es war mir eine Freude, mit Ihnen ein Geschäft geführt zu haben.“ Seto hob Kyoko wieder hoch und trug sie nach draußen. Sie standen vor einem blutroten Bugatti. Der Verkäufer war den beiden noch kurz gefolgt und öffnete nun die Beifahrertüre. „Du kannst mich jetzt absetzen.“, flüsterte Kyoko, doch Seto ignorierte sie und setzte sie auf den Beifahrersitz. Als er sich über sie beugte, um sie anzuschnallen, roch sie sein angenehmes und sehr maskulines Aftershave. Ein passender Duft für so einen Typen. Sie wurde rot, als er ihr so nah kam und den Dreipunktgurt vor ihrer Brust einrastete. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt und war ihm näher als je zuvor. Den ersten aufgezwungenen Kuss von ihm ausgenommen. „Bitte sehr, mein Schatz.“, flüsterte er, die Betonung auf 'mein Schatz' legend, in ihr Ohr, worauf sie nur noch roter im Gesicht wurde. Er hingegen grinste hämisch. Sie starrte auf ihre Knie und wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Er schloss die Türe, ging schnell zur Fahrertüre, öffnete sie und stieg ein. „Eine gute Fahrt wünsche ich Ihnen.“, hörte ich den Verkäufer noch sagen, dessen Stimme dann aber durch das Aufheulen des Motors übertönt wurde. Seto gab Gas, fuhr auf die Straße und bretterte durch das nahe gelegene Industriegebiet. Minutenlang war es ruhig, keiner von beiden sagte etwas, bis Kyoko allen Mut zusammennahm und ihn ansprach. „Sag' mal, wie viel hat dich das gute Stück hier gekostet?“ „Wieso interessiert dich das?“ „Weil ich gerne wüsste, wie viel du für mich ausgegeben hast?“ Seto lachte nur. „Hab' ich dir das Auto geschenkt? Nicht, das ich wüsste. Ich wollte mir sowieso einen neuen Supersportwagen für meine Sammlung kaufen. Und da kommt mir der hier sehr gelegen.“ +drop+ „Supersportwagen? Sammlung?“, fragte Kyoko ungläubig. „Du hast echt keine Ahnung von Autos. Supersportwagen sind um einiges besser als Sportwagen, aber auch teurer und wertvoller. Dafür verbrauchen sie je nach Art und je nach Fahrgeschwindigkeit zwischen 20 und 100 Liter Sprit auf 100 Kilometer.“ Seto machte eine kurze Pause und stieß einen Seufzer aus. „Denkst du etwa, ich habe einen einzigen Wagen? Für so naiv habe ich dich wirklich nicht gehalten!“ Kyoko wandte sich ab und schwieg. Beide sagten für ein paar minuten nichts. „Wenn du's unbedingt wissen willst...Knappe 110 Millionen Yen.“, sagte Seto ein wenig abwertend und wandte seinen Blick nicht von der Straße ab. „110 Millionen?“ Ungläubig weitete Kyoko die Augen. „Genauer gesagt 100.375.000.“ (das sind etwa 700.000 Euro) „Das ist ein Witz, oder?“ „Sieht es für dich so aus, als ob ich lüge?“ „Kein Kommentar.“ Kyoko grinste, Seto blieb davon unbeeindruckt. Kyoko schmollte, als sie keine Reaktion von Setos Seite erkannte. „Was erwartst du? So einen Wagen gibt’s nicht umsonst. Der wird schon gar nicht mehr produziert. Schon seit Jahren nicht. Und so viel ist das nun auch wieder nicht. Für den neueren muss ich noch ein bisschen sparen. Außerdem müsste ich dann ein paar Wochen warten, bis er für mich speziell angefertigt und mir geliefert wird.“ „Du und sparen? Wer's glaubt, wird selig - wer's nicht glaubt, kommt auch in den Himmel!“ „Kleiner Scherz. Der ist aber noch um eine kleine Ecke teurer. Ungefähr das doppelte.“ „Ihr reichen Schnösel habt echt Geld ohne Ende.“ „Neidisch?“, fragte er und sah sie an, als sie an einer roten Ampel standen. „Auf dich? Nie und nimmer. Ich würde mein Geld lieber auf dem Straßenstrich verdienen, wenn ich das Geld so sehr nötig hätte, als auf dich nur ansatzweise neidisch zu sein! Außerdem bin ich ganz froh, dass ich bei meinem Bruder wohnen kann. Nach allem, was passiert ist...“ Ein weiteres Grinsen auf Setos Gesicht. „Was gibt’s da schon wieder zu lachen?“, fragt Kyoko genervt. „Irgendwie mag ich deine Art.“ Kyokos Gesicht zierte wieder ein roter Schleier und schaute aus dem Fenster. „Was meintest du eigentlich gerade damit, 'nach allem, was passiert ist'?“ „Pfft. Geht dich nichts an. Lass' mich doch einfach in Ruhe, Kaiba!“, blockte sie ab und begutachtete ihre Duel Disk, die bei dem Unfall zum Glück verschont blieb. „Es macht viel zu viel Spaß, dir auf die Nerven zu gehen. Außerdem hast du ja auch etwas davon, nicht wahr?“, fragte Seto mit verführerischer Stimme und berührte Kyokos Oberschenkel. „Finger weg!“, fauchte sie und schlug seine Hand weg. „Bist wohl verklemmt, was?“ „Verklemmt? In deinen Träumen! Ich lass' mich nur nicht von jedem dahergelaufenen Typen begrapschen! Und schon gar nicht von Typen wie dir!“ Kurze Zeit später erreichten sie das Krankenhaus und beide stiegen aus. „Damit es noch was schneller geht, werde ich dich wieder tragen. Damit das klar ist!“, rief Seto, der den Wagen abschloss und auf Kyoko zu kam. „Nein.“ „Was hast du gesagt?“, fragte Seto, der mittlerweile vor ihr stand. „Ich habe nein gesagt! Ich lasse mich von dir nicht einlullen!“ „Dann mach' doch, was du willst!“, brüllte er sie an, wandte sich von ihr ab und ging. Kyoko trottete hinter ihm her. >Ich hab's ein wenig übertrieben, schätze ich. Warte mal: Wieso denke ich das? Habe ich Mitleid mit dem Kerl? Diesem Arsch? Der hat es doch verdient, so behandelt zu werden! Also habe ich keinen Grund, mich schlecht zu fühlen.< „Ich will, dass Sie sie gründlich durchchecken. Sie hatte einen Motorradunfall. Und machen Sie schnell.“, sagte dieser in dem gewohnten, eiskalten Ton. Ich blickte kurz auf die Wanduhr, die im Eingang hing. Bereits 10:49 Uhr. „Natürlich, Mister Kaiba.“ „Kleinen Moment noch.“, rief Kyoko. Sie nahm ihre Duel Disk vom Arm und ihren Gürtel ab, den sie um ihre Hüfte trug. „Pass' darauf auf. Und wehe, du gehst an mein Deck!“ „Wie heißt das Zauberwort?“ „Bitte!“ „Na also. Geht doch! Warum nicht gleich so?“, fragte Kaiba, nahm ihren Gürtel mit der Deck-Box und die Duel Disk entgegen und setzte sich an einen Tisch in der Caféteria, der weit von den anderen Besuchern in einer Ecke stand. „Behandeln Sie sie mit Sorgfalt. Und seien Sie nicht zu grob zu ihr. Sonst hat das seine Konsequenzen!“, hatte Kaiba den Ärzten zugerufen, bevor sie mit Kyoko verschwanden. Sie hingegen wurde derweil von einem halben Dutzend Schwestern und Ärzten verschleppt und auf Verletzungen geprüft. ~Bei Seto~ Ein paar Minuten waren vergangen, bis endlich eine Bedienung an seinen Tisch trat und in fragte, ob sie ihm etwas bringen dürfe. Seto antwortete gelangweilt, dass er einen Kaffee wollte, worauf die Bedienung verschwand. Während er auf seinen Koffein-Kick wartete, beäugte er die Duel Disk der Duellantin, die sich nun in der Obhut der Ärzte befand. Er fragte sich, ob sie wirklich so viel auf dem Kasten hatte, wie man in den Medien verbreitete. Ein Duell gegen sie wäre bestimmt eine Abwechslung. Sonst duellierte er sich immer mit zweit- oder drittklassigen Duellanten, wie er sie nannte, die er ausnahmslos besiegte. Und die Duelle gegen den König der Spiele waren auch langweilig geworden, da dieser immer einen Hauch besser als Kaiba war. Sie war bestimmt eine Herausforderung für ihn, da sie schon ein paar Dutzend kleinere und größere Preise in ganz Japan abgestaubt hatte. Und ihr Siegeszug nahm kein Ende. Bis jetzt jedenfalls. Endlich kam die Bedienung zurück und stellte die Kaffeetasse mit dem Unterteller auf den Tisch. Als sie noch immer ihm gegenüber stand, und auch nicht den Anschein machte, gehen zo wollen, schien Kaiba ein wenig sauer zu werden. Er wollte in Ruhe ihr Deck und ihre Karten studieren, ohne, dass ihm jemand dabei zusah. „Sie können gehen.“, sagte er kalt und ein wenig sauer. Die Bedienung wandte sich ab und verschwand aus seinem Blickfeld. Er legte die Duel Disk beiseite und nahm nun ihren Gürtel in Augenschein. Er versuchte die Box zu öffnen, doch es funktionierte nicht. Sie war und blieb verschlossen. Erst kurze Zeit später bemerkte er das Schloss an der Unterseite der Box. >Wieso muss sie ihr Deck einschließen? Aber eins muss man ihr lassen: Die Kleine ist echt gerissen.<, dachte er und ein Grinsen zierte seine Lippen. Er versuchte daraufhin, das Schloss zu knacken. Doch es öffnete sich einfach nicht. Anscheinend brauchte man einen Schlüssel, um sie öffnen zu können. „Ich dachte mir schon, dass du versuchen würdest, einen Blick in mein Deck zu erhaschen. Aber das kannst du dir abschminken. Du bekommst mein Deck nicht zu sehen. Und erst recht nicht meine stärksten Karten, die ich bisher in keinem Duell verwendet habe, weil sie nicht notwendig waren, um meine zweitklassigen Gegner aus dem Weg zu räumen.“ Kaiba zuckte zusammen, als er ihre Stimme hörte. „Du bist schon fertig?“, fragte Kaiba, der insgeheim hoffte, dass sie nicht gemerkt hatte, wie er zusammengezuckt war. Kyoko ignorierte ihn und stellte eine Gegenfrage. „Du hattest mich wohl noch nicht erwartet, was?“ „Nicht wirklich. Und, was ist herausgekommen?“, fragte Kaiba und erhob sich. Kyoko hatte sich ihre Duel Disk wieder an ihrem Arm befestigt und ihren Gürtel um ihre Hüfte gelegt. „Mein rechter Arm ist leicht verstaucht. Und ich habe eine leichte Gehirnerschütterung. Aber sonst bin ich mit ein paar Schrammen und Kratzern davon gekommen.“ „Bist du sicher, dass du mit einem verstauchten Arm und einer Gehirnerschütterung am Turnier teilnehmen kannst?“ „Willst mich wohl loswerden, was?“ „Für wen hälst du mich? Dich und loswerden? Dann schick' ich lieber die anderen in die Wüste, wenn ich dich haben kann!“ „War das jetzt ein Kompliment?“ „Nehm' es, wie du willst.“ Wieder Stille zwischen den beiden. „Der Arzt meinte jedenfalls, ich hätte einen Schutzengel gehabt. Ich könnte von Glück reden, dass nicht noch mehr passiert ist.“ Beide gingen nebeneinander her in Richtung Ausgang. Als die Bedienung, die Kaiba den Kaffee brachte, an ihm vorbei ging, sagte er eiskalt: „Der Kaffee, den Sie mir gebracht haben, schmeckte grauenvoll.“ Er wandte sich wieder Kyoko zu. „Dann war ich wohl ein Schutzengel, was?“ „Wovon träumst du eigentlich nachts?“ „Womöglich von dir.“, antwortete er mit einem eiskalten Lächeln. Kyoko seufzte genervt. Dieser Kerl hatte es schon wieder geschafft, sie in Verlegenheit zu bringen. Inzwischen hatten sie das Krankenhaus verlassen und waren auf dem Weg zum Wagen. „Einbildung ist auch 'ne Bildung, Kaiba.“ Kaiba war ihr zur Beifahrerseite gefolgt und drückte sie an den Wagen, sodass sie nicht mehr von ihm weg konnte. „Woher willst du wissen, dass ich nicht in den letzten Tagen nur an dich gedacht habe?“, fragte er draufgängerisch und drückte sie an die immer fester an den Wagen. „Wieso solltest du das tun? Du kennst mich seit etwa einer Stunde! So ein selbstverliebter Kerl denkt nicht an das andere Geschlecht, außer, wenn er ein Betthäschen für eine Nacht braucht!“ Irgendwo hatte sie ja recht. Er hatte sich nie um Frauen geschürt und auch nie an welche gedacht, außer, wenn er den Wunsch verspürte, eine flachzulegen. Er ließ von ihr ab und stieg auf der Fahrerseite ein. Auch sie stieg in den Wagen. Sie hatte es geschafft, ihn zum Aufgeben zu zwingen und von ihr abzulassen. Kaiba fuhr vom Parkplatz auf die Hauptstraße zurück und gab noch mehr Gas, als auf der Hinfahrt. „Sag' mal, bist du wütend auf mich?“, fragte Kyoko leise. „Nein, überhaupt nicht!“, brüllte er. „Schrei' mich nicht an, klar?“ „DU, ausgerechnet DU, willst mir etwas befehlen?“ „Und ob ich das will! Ich will eine Antwort von dir! Eine, in einem normalen Gesprächston, und ohne Brüllen! Ich kann es nicht leiden, wenn mich jemand ohne Grund anschreit! Damit das klar ist!“ „Ohne Grund? Ich habe genug Gründe, um dich anzuschreien!“ „Ach ja? Welche denn?“ „Ich werde dir gar nichts sagen, bis du dir endlich eingestehst, dass du mich rasend machst!“ Seto gab noch mehr Gas und die Geschwindigkeitsanzeige überschritt die 120 km/h. Kyoko krallte sich an ihrem Sitz fest und schloss die Augen. >Der macht mich noch wahnsinnig! Ich werde aus ihm überhaupt nicht schlau! Erst ist er völlig durchschaubar, dann wieder nicht! Erst zieht er mich bloß auf und jetzt ist er fuchsteufelswild und total sauer auf mich! Warum nur? Was soll das ganze? Was zur Hölle will er damit bezwecken?< „Was ist auf einmal? Wieso sagst du nichts mehr?“ Der Zeiger auf dem Tacho zeigte auf die 130. Kyoko schwieg und biss sich auf die Unterlippe. „Jetzt fang' bloß nicht an zu schmollen! Sag' mir endlich, was los ist!“ Sie schwieg noch immer. 140km/h. „Red' endlich Klartext, Kyoko!“ Sie schreckte hoch. Er hatte sie das erste mal beim Vornamen genannt. Für eine kurze Zeit herrschte Stille, nur der Motor des Sportwagens war zu hören. „Es...tut mir Leid.“, flüsterte sie. „Was sagst du da?“, fragte er ungläubig. Er konnte seinen Ohren nicht trauen. Er glaubte einfach nicht, was sie da gesagt hatte. Seto legte im selben Moment eine Vollbremsung hin. Sie standen vor einer roten Ampel. „Es tut mir Leid, verdammt!“, schrie sie. Sie konnte selbst nicht glauben, was sie da sagte. Doch es schien ihr das Beste zu sein, was sie tun konnte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Entschuldige! Ich wollte dich nicht wütend machen. Ich hätte nicht so überreagieren sollen. Du hast so viel für mich getan, hast mir das Leben gerettet, hast sogar das Turnier um eine halbe Stunde verschieben lassen, was dich bestimmt eine ganze Stange Geld gekostet hat, das ich dir nicht ansatzweise zurückzahlen kann, um mich zum Krankenhaus zu bringen. Du kaufst dir mal eben so einen neuen Wagen für 110 Millionen, fährst mich damit zum Krankenhaus und jetzt auch noch nach Hause, nur, damit ich mir was anderes anziehen kann und nicht so beim Turnier erscheinen muss. Ich mache immer alles kaputt! Es ist alles meine Schuld! Es tut mir Leid!“ Insgeheim sträubte sich in ihr so einiges, da sie keinen Sinn darin sah, sich bei ihm zu entschuldigen. Sie hatte, wie sie dachte, doch gar nichts schlimmes verbrochen. Doch irgendetwas sagte ihr, dass sie sich bei ihm entschuldigen musste. Er hatte bis hier hin so viel für sie getan, auch, wenn er es scheinbar und vor allem sie es überhaupt nicht wollte. Und dann fauchte sie ihn auch noch an und stellte Anforderungen. Wäre er nicht gekommen, wäre sie schon längst... >Ich bin wirklich das letzte.<, dachte sie. Sie zog ihren Rock ein Stück hoch, löste ein Band von ihrem Oberschenkel und zog einen Schlüssel hervor, womit sie ihre Deck-Box aufschloss. Sie nahm das Deck heraus und legte es auf die Ablage vor dem Radio. Kaiba weitete die Augen. Sie schien es mit der Entschuldigung wirklich ernst zu meinen. „Du darfst dir mein Deck ansehen, wenn du es willst. Das ist das mindeste, was ich tun kann, um es wieder gut zu machen. Wenn ich dir schon nicht das Geld zurückzahlen kann, dass beim Verschieben des Turniers draufgegangen ist...“, sagte sie und ballte die Hände zu Fäusten. Ein paar Tränen tropften von ihrem Kinn auf ihre Hände. „Scheiße. Jetzt fange ich auch noch an, zu heulen. Ich bin echt armselig. Echt zu bemitleiden.“ „Red' keinen Unsinn. Pack' dein Deck weg.“ Er reichte ihr ein Stofftaschentuch. Die Ampel zeigte ein gelbes Licht. Als Kyoko nach dem Taschentuch griff, packte er sie sanft am Handgelenk, zog sie zu sich und küsste sie. Die Ampel wurde grün. Es war das zweite Mal an diesem Tag, dass sich ihre Lippen berührten. Kyoko weitete die Augen, die sie dann aber schloss. Sie wollte und konnte sich nicht wehren. Der Kuss hatte ihr alle Sinne geraubt. Der Kuss endete augenblicklich, als sie das Hupen mehrerer Autos hörten, die hinter ihnen standen. Viel zu früh hatten sich die Lippen der beiden getrennt, dachten beide. „Entschuldigung angenommen.“, sagte Kaiba und lächelte. Nicht eiskalt, wie man es von ihm gewohnt war, sondern liebevoll und freundlich. Kyoko war verwirrt. Was hatte er mit der eiskalten, unberechenbaren, rücksichtslosen Kyoko gemacht? Sie wusste es nicht. Doch auch auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Lächeln und ein leises „Danke.“ entfuhr ihren Lippen. Aber eines stand mit Sicherheit fest: Er hatte sie wirklich in die Knie gezwungen. Und das mit Bravour. ----------------------------------------------------------------------------------------------- Wieder ein paar Worte vom Autor Das war mein drittes Kapitel. Es hat mich echt Mühe gekostet. Es sieht vielleicht nicht danach aus, aber es ist so. Vier ganze Tage und zwei volle, durchgemachte Nächte, habe ich mir den Kopf zerbrochen und mich gefragt: -Was schreibst du jetzt? -Wie wird das Kapitel strukturiert sein? -Wer tut und wer sagt was? -Was ist alles enthalten? -Was kommt erst in Kapitel 4? Jetzt ist schon das dritte Kapitel vorbei und sie sind noch immer nicht am Turnierplatz angekommen +heul+ Dabei hatte ich doch vor, sie noch in diesem Kapitel dort antreten zu lassen... Naja, im nächsten Kapitel schaffen sie es aber! Dann kommen sie an und Kyoko trifft auf ihren ersten Vorrundengegner! So viel verrate ich schon mal. +lach+ Ich hoffe, dass euch dieses Kapitel gefallen hat. Vielen Dank für's Lesen. Hoffentlich sehen wir uns beim nächsten Kapitel wieder. Wie schon gesagt – Fortsetzung folgt... Eure Rioku Kapitel 4: Easy Victories, Heavy Obstacles ------------------------------------------ Kapitel 4: Easy Victories, Heavy Obstacles ~Kyokos Sicht~ Derweil waren wir bei mir zu Hause angekommen. Ich öffnete die Haustür, Seto parkte den Wagen in der Einfahrt und zog dabei die Blicke der Nachbarschaft auf sich. „Hier wohnst du also? Am Rande der Stadt? So weit außerhalb? Ein wirklich mickriges Haus.“ „Es sind eben nicht alle so stinkreich, wie du. Und ich bin ganz zufrieden, hier zu leben.“ Ich ging ins Haus, Seto folgte mir und schloss die Türe. „Willst du was trinken?“ „Wir sind nicht zum Kaffeekränzchen hier.“ „Ja ich weiß. Hätte ja sein können.“ Ich ging die Treppe hinauf, um auf mein Zimmer zu gehen. „Ich geh' mich umziehen. Warte hier, ich bin gleich wieder da.“ „Kann ich nicht mitkommen?“, fragte er und grinste. „Haha. Sehr witzig!“ „Fang' nicht schon wieder an rumzuzicken! Verstehst du keinen Spaß?“ „Nicht, wenn es um solche Dinge geht. Und jetzt entschuldige mich.“ Ich wandte ihm den Rücken zu und ging nach oben in mein Zimmer. Ich knallte die Türe hinter mir zu, schloss sie sicherheitshalber ab, zog die Vorhänge zu und entledigte mich meiner leicht zerfetzten Kleidung. Seto wartete unten, nahm ich an. Und das hoffte ich auch. Ich hing mein Oberteil über die Türklinke, um sicher zu gehen, dass dieser perverse, jede-Nacht-eine-andere-flachlegende, arrogante, nervtötende Idiot nicht durch das Schlüsselloch schaute, um einen Blick auf meine nackte Haut zu erspähten. Ich kramte einen kurzen, schwarzen Rock und ein ärmelloses, leicht bauchfreies, schwarz-rotes Korsett aus meinem Kleiderschrank hervor. Als ich beides angezogen hatte, bemerkte ich, dass ich das Korsett nicht richtig zugeschnürt bekam. Verdammt, mein Bruder war nicht da und außer diesem Mistkerl, der mich bereits zwei Mal mit einem Kuss entwaffnet hatte, war niemand sonst hier. Und um das Korsett wieder auszuziehen und etwas neues zu suchen, blieb nicht genug Zeit. Also ging ich zur Türe, schloss sie wieder auf und entdeckte Seto, der direkt neben der Türe mit verschränkten Armen an der Wand lehnte. „Hilf' mir mal bitte.“ Seto rührte sich nicht. „BITTE Kaiba.“ Immer noch nichts. „Du willst doch zeitig zum Turnier kommen, oder?“ „Denkst du, du kannst mich dadurch aufhalten?“ „Ich hab' den hier.“ Ich hielt die Schlüssel in der rechten Hand und wedelte glücklich damit herum. „Wie hast du -“ „Geheimnis. Hilfst du mir jetzt?“ „Meinetwegen.“ Er kam auf mich zu und ich hielt das Korsett vor meiner Brust fest. Dem Typen war es zuzutrauen, dass er versuchte, es mir vom Leib zu reißen und sonst etwas zu tun... Doch auch er schien zu wissen, dass dafür keine Zeit blieb. Und ich war auch nicht scharf darauf, dass er versuchte, mich flachzulegen. Er nahm die Schnüre in seine Hände und knöpfte mir das Korsett langsam zu. „Du kannst ein wenig fester ziehen. Ich zerbreche schon nicht.“ „Das wäre auch zu schade.“, hörte ich ihn flüstern. Er zog das Korsett fester und knotete es fest. „Gut so?“ „Perfekt. Danke für die Hilfe.“ Er wandte mir den Rücken zu und ging in Richtung Treppe. „Können wir?“ „Sofort. Einen Moment noch.“ „Wieso braucht ihr Frauen immer so lange?“ „Wieso machst du immer so eine Hektik?“ „Ich habe keine Lust, wegen dir noch zu spät zu kommen. Ich habe eh schon zu viel Zeit verschwendet.“ „Dann geh' doch zu Fuß, wenn es dir nicht in den Kram passt.“ Er schwieg. Ich zog meine hohen Plateau-Stiefel an, die bis über meine Knie gingen und band mir einen zu meinem Outfit passenden Gürtel für mein Deck an. Außerdem noch ein Umhang, der recht kurz war und nicht zu sehr ausfiel. Er reichte über den Rock, aber nur etwa bis zur Mitte meiner Oberschenkel. Dann kam noch ein wenig Schmuck, eine Sonnenbrille und die Duel Disk, die ich wieder an meinem Arm festschnallte. „Von mir aus können wir fahren.“ Er war bereits unten an der Treppe, ich warf ihm die Schlüssel zu, die er fing, ohne seinen Körper auch nur einen Millimeter zu bewegen. „Wird auch Zeit.“ Nach einigen Minuten Fahrt erreichten wir auch schon fast den Turnierlatz, wo schon Duellanten, Journalisten und anderes Gesindel auf uns warteten. Ich schob die Sonnenbrille auf meiner Nase nach oben und sah durch die roten Gläser. „Lass' mich früher raus. Ich bin nicht scharf darauf, morgen in der Zeitung zu lesen, dass ich mit dir was am laufen hätte und du mit mir im Schlepptau zu spät kommst...Die werden sich schon was denken...“ „Was die denken, ist mir egal. Und das sollte bei dir auch so sein. Dass du noch nicht da bist, haben sie eh' gemerkt. Ob ich nun kurz vor dir oder direkt mit dir dort aufkreuze macht da keinen Unterschied mehr.“ Kaiba fuhr in die Einfahrt und wurde augenblicklich bejubelt, als er von den umstehenden Leuten entdeckt wurde. Die Menge spaltete sich und Kaiba fuhr geradewegs auf eine große Bühne zu, wo schon die Duellanten, die an dem Turnier teilnahmen, nebeneinander aufgereiht, warteten. „Du wartest hier. Steig' erst aus dem Wagen, bis ich dich aufrufe.“ „Was soll das? Was hast du vor, Kaiba?“ Doch ohne mir zu antworten verließ er auch schon den Wagen. Er ging die Treppe hinauf und auf ein Podest zu, wo er seine Rede begann. Ich hörte ihm gar nicht zu, bis ich plötzlich hörte, dass er von mir sprach. „...begrüßen Sie mit mir eine der weltweit erfolgreichsten Duel Monsters Spieler, die seit zwei Jahren ungeschlagene Duellantin: Kyoko Karasuma!“ Das war mein Stichwort. Applaus ertönte. Ich öffnete langsam die Wagentüre, setzte einen Fuß auf den Boden, dann den zweiten. Zugegeben, ich war ein wenig nervös, aber das war nichts neues für mich. Das war bei jedem Turnier so, an denen ich bisher teilgenommen und natürlich immer gewonnen habe. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und erhob mich aus dem Wagen. Die Journalisten machten wie wild Fotos - ein Blitzlichtgewitter folgte dem nächsten - und alle Kameras waren auf mich gerichtet. Anmütig ging ich auf die Bühne zu und kassierte alle Sorten von Blicken. Angst, Neid, Respekt, was auch immer. Hunderte Augenpaare waren auf mich gerichtet. Auch Kaiba sah mich an und ich gesellte mich zu den Duellanten. Ich nahm nicht einmal meine Sonnenbrille ab, sondern richtete meinen Blick auf Kaiba, der bereit war, seine Rede zu beenden. Selbst der König der Spiele, Yugi Muto, vor dem ich, zugegeben, wirklich ein wenig Respekt hatte, der in der Mitte der Reihe stand, warf mir einen Blick zu. Und ein kleines, dennoch erkennbares Lächeln, das ich jedoch nicht erwiderte. Meine Fassade war durch Kaiba schon genug ins Bröckeln geraten. Und diesen zweitklassigen Duellanten gegenüber werde ich mich doch nicht gnädig erweisen. Auch nicht vor dem König der Spiele. Auch ihn werde ich irgendwann schlagen. Aber erst war Kaiba dran. Er hatte als erster der beiden die Ehre, von mir besiegt zu werden. Kaibas Rede war zu Ende und alle Duellanten warteten auf die Bekanntgabe der Duelle in der Vorrunde. Ich sah dem Spektakel gelassen entgegen, mir war egal, auf wen ich traf - keiner, außer vielleicht Yugi Muto, konnte mir hier auch nur annähernd das Wasser reichen. Wie erwartet traf ich auf einen Amateur, der vor mir ziemlichen Schiss hatte, aber dennoch versuchte mich nervös zu machen. Auf dem Weg zu meinem Duell ging mir Yugi hinterher. „Was willst du?“, fragte ich eiskalt, als ich spürte, dass seine Blicke auf mir ruhten. „Du bist also Kyoko Karasuma, die begabte und seit zwei Jahren ungeschlagene Duellantin. Ich bin Yugi Muto. Du kennst mich wahrscheinlich aus den Medien. Freut mich, mit dir Bekanntschaft zu machen.“ Er reichte mir die Hand. „Kein Interesse. Ich bin nur hier, um zu gewinnen, und nicht, um Freundschaften zu schließen. Und jetzt entschuldige mich, ich muss meinen Gegner aus dem Turnier werfen.“, sagte ich abweisend. Der Junge, der kaum größer als ich war, weitete die Augen, verengte sie kurz darauf aber wieder und lächelte. Ich wandte ihm den Rücken zu und ging weiter. „Na dann, viel Glück.“ Ich blieb stehen und drehte mich leicht zu ihm. „Ich brauche kein Glück. Ich habe vollstes Vertrauen in mich und mein Deck. Und das reicht, um zu gewinnen.“ Genervt ging ich weiter und erreichte kurz darauf den Platz, wo ich mich mit meinem Gegner, der nicht den Hauch einer Chance und nicht die leiseste Ahnung hatte, worum es bei diesem Turnier überhaupt geht, traf. „Mach' dich darauf gefasst, zu verlieren!“, drohte er mir. Ich bemerkte an seiner Stimme, wie viel Angst er hatte. „Keine Angst, ich werde dich kurz und schmerzlos abservieren. Und mach' es mir nicht zu leicht, klar, Kleiner?“, rief ich und das Duell begann. Ortswechsel: ~Setos Sicht~ Ich hatte mich bereits im Kontrollzentrum auf meinem Platz niedergelassen und betrachtete auf etwa einem Dutzend großer Flachbildschirme die verschiedenen Duelle, die bereits begonnen hatten. Doch in Wirklichkeit waren meine Augen nur auf einen gerichtet: Auf den, der Kyokos Duell zeigte. Ich sah, wie sie sich mit allem, was sie hatte, duellierte, sich aber nicht sonderlich anstrengte, sondern relativ gelassen da stand, da sie schon von Beginn an wusste, dass er nicht den Hauch einer Chance gegen sie hatte. Schon beim ersten Zug hatte sie ihren Gegner voll und ganz in der Hand, was nicht wirklich verwunderlich war. So stark wie sie war, war es kein Wunder, dass sie diesen unerfahrenen kleinen Wichtigtuer in allem deutlich überlegen war. Sie hatte Erfahrung, eine Strategie, Entschlossenheit und hatte ein Ziel, dass sie erreichen wollte. Den Titel. Meinen Titel. Den sie aber nie bekommen wird. Doch was ihn sichtlich überraschte, war, dass sie noch nicht einmal herausragend gute Karten einsetzte. Nein, nur ein paar recht schwach aussehende Monster, genauer gesagt vier. Eine Karte beim ersten Zug, die sie mit einer Falle ausrüstete, um das gegnerische Monster zu beseitigen, dieses und ein weiteres opferte sie direkt nach dessen Aufruf beim zweiten Zug, um eine sehr mächtige Kreatur zu rufen, mit der nicht zu spaßen war. Diese Kreatur, die aber gerade mal Level sieben hatte, fusionierte sie mit einem weiteren, ihrem letzten Monster, das sie speziell mit einer ihm bisher unbekannten Zauberkarte aufrief. Auf ihrem Feld war nun ein Monster mit, 4200 Angriffs- und 3600 Verteidigungspunkten. Und einer besonderen Fähigkeit, die es in sich hatte. Wenn ihr Besitzer eine Karte auf den Friedhof schickte, dann war sie in der Lage, so oft anzugreifen, bis das gesamte gegnerische Feld leergefegt war, dieses Mal war sie in der Lage, drei Mal anzugreifen und die gegnerischen Monster zu vernichten. Und dann blieb noch der eigentliche Angriff. Außerdem blockierte das Monster die gegnerischen Fallen, die auch gleich mit zerstört wurden. Ein Angriff und ihr Gegner war besiegt. Nach nur zwei Zügen. Er lehnte sich zurück und lächelte. Auch er würde sich bald duellieren, schließlich nimmt er auch an seinem Turnier teil. Aber noch hatte er genug Zeit, um sich über sie Gedanken zu machen. Yugi hatte seinen Gegner auch besiegt, auch er hatte keinen sonderlich starken Gegner. Sogar Wheeler gewann nach einiger Zeit sein Duell. Aber er hatte Ewigkeiten gebraucht, um das Duell unter seine Kontrolle zu bringen. Es war knapp für ihn ausgegangen. Aber immerhin hatte er gewonnen. „Master Kaiba, aus den zwölf bisherigen Duellen sind, wie erwartet, alle Favoriten siegreich hervorgegangen. Die nächsten zwölf Duelle werden in etwa zehn Minuten beginnen.“, sagte eine junge Frau, die neben einigen weiteren Angestellten die Verläufe der Duelle und die weiteren Verfahren zur Ermittlung der nächsten Runden überprüfte. „Auch ihr Duell wird dann stattfinden.“ Ich begab mich ohne ein Wort zu verlieren zum Aufzug und fuhr mit dem Aufzug nach unten. Ich hatte den Anzug mittlerweile gegen meine Duelluniform ausgetauscht und nun auf dem Weg zu dem Duellplatz, wo mein Gegner bereits auf mich wartete. Dort angekommen stieß ich auf Kyoko, die mich von oben bis unten musterte. „Ich wusste gar nicht, dass du auch teilnimmst, Kaiba.“, sagte sie ironisch und grinste. „Ich habe dein Duell beobachtet. Hast du ja ganz gut hingekriegt, was?“ Ich stand ihr gegenüber und grinste ebenfalls. Wir zogen die Blicke der Duellanten auf uns die in der Nähe standen. Ich konnte sogar Yugi sehen, wie er Kyoko lange Zeit ansah. Als er merkte, dass ich ihn herablassend und ein wenig sauer anstarrte, ging er. >Ich kann es nicht leiden, wenn er sie ansieht. Niemand darf sie so ansehen. Weder er noch sonst irgendwer. Ich weiß selbst nicht wieso ich so denke, aber...< Währenddessen plapperte Kyoko weiter niederträchtig über ihren Gegner. „Dieses Kleinkind war kein Gegner, es war eine Plage! Und so etwas nimmt an einem Turnier teil! Aber wenigstens bin ich ohne große Mühe einen Schritt weiter.“ Ich wandte mich wieder ihr zu. „Sag' mal, was war eigentlich eben mit Yugi und dir los?“ „Woher weißt du davon?“ „Zufällig stehen hier überall Kameras.“ Kyoko seufzte. „Er hat mich angesprochen und wollte mich anscheinend kennen lernen.“ „Das habe ich gesehen. Was hat er noch gesagt?“ „Wieso interessiert dich das?“ „Nur so. Also, was hat er gesagt?“ „Er hat mir Glück gewünscht. Das war alles.“ Ich wusste, dass sie mir etwas verschwieg. Und doch hakte ich erst einmal nicht nach. Eine Durchsage ertönte. „In fünf Minuten beginnt die zweite Runde der Vorausscheidung. Die Duellanten, die in dieser Runde auf ihre Gegner treffen, begeben sich bitte zu den bekannten Duellplätzen.“ „Du musst dich jetzt auch duellieren, was?“ Ich nickte. „Lass' noch was von ihm übrig. Wenn du ihn schon zerfleischen musst...“ „Was soll das denn heißen?“ „Mir ist es egal. Seh' es wie du willst. Gewinn' nur das Duell. Mehr erwarte ich nicht von dir.“ Sie wandte sich ab und ging. „Wir sehen uns.“ Zum Abschied hob sie die linke Hand leicht und ging. Dass sie nicht die rechte Hand hob, wunderte mich nicht, aber ich wollte dennoch wissen, wie es ihr geht. „Warte mal!“, rief ich ihr nach. Augenblicklich blieb sie stehen und drehte sich zu mir um. „Was denn noch?“, fragte sie leicht genervt. Ich gab ihr ein Zeichen, dass sie zu mir zurück kommen soll. Sie kam auch wieder zurück und blieb etwa einen Meter vor mir stehen. „Soll ich dich anfeuern, damit du auch garantiert gewinnst?“ Sie kicherte. „Was ist mit deinem Arm und deiner Gehirnerschütterung?“ Ihre gute Laune verschwand so schnell, wie sie gekommen war. „Alles bestens.“, antwortete sie und klang erneut genervt. Sie wollte anscheinend nicht darüber reden, doch ich sorgte mich ein wenig um sie. „Ich finde, du solltest dich schonen und das nicht auf die leichte Schulter nehmen.“ „Das ist mir egal. Ich habe mich nicht eingeschrieben, um nur wegen ein paar Kratzern und ein wenig Kopfschmerz aufzugeben.“ „Ich wollte es dir nur sagen. Und beschwer' dich nicht, wenn du nachher höllische Schmerzen hast. Oder schlimmeres.“ „Ich kann auf mich selbst aufpassen.“ Sie wandte sich ab. „Aber trotzdem danke.“, sagte sie etwas leiser. Sie verschwand wieder und ich konzentrierte mich auf das Duell, das vor mir lag. Ich gewann mein Duell natürlich, ich traf auf einen Gegner, der etwa das Potential wie Yugi, aber nur das Hirn wie Wheeler es hat, besaß. Hätte er mehr Grips, wäre er ein besserer Duellant. Und doch hatte ich ihn in wenigen Zügen erledigt. Der frühe Nachmittag war bereits angebrochen, als die Vorrunden abgeschlossen waren. Es waren nur noch 32 Teilnehmer von ursprünglich 64 übrig. Eine weitere Runde, aus der 16 der 32 als Sieger hervorgehen, wird in der nächsten halben Stunde beginnen. Ich war wieder auf dem Weg zum Kontrollzentrum, als ich Yugi, Wheeler und den Rest des Kindergartens an einem Café, das sich in der nähe befand, traf. Ich hörte, dass sie über Kyoko sprachen. Sie schienen über sie zu lästern, bis ich ihre Unterhaltung störte. „Was tuschelt der Kindergarten hier rum? Habt ihr nichts besseres zu tun?“ „Verschwinde, reicher Pinkel! Es geht dich 'nen feuchten Dreck an, über was wir reden!“ „Habe ich mit dir gesprochen, Wheeler?“ „Wir haben uns über Kyoko unterhalten.“, räumte Yugi ein. „Das habe ich durchaus mitbekommen. Aber ich würde euch raten, sie in Ruhe zu lassen. Sonst hat das seine Konsequenzen!“ „Ich wüsste nicht, warum du uns irgendetwas vorschreiben solltest. Wir machen was wir wollen, klar?“, sagte der Braunhaarige. Wie war nochmal sein Name? Tristan Taylor? „Was ist hier los?“, fragte Kyoko, die plötzlich hinter mir stand. Sie hob ihre linke Hand, griff mit zwei Fingern nach dem linken Bügel ihrer Sonnenbrille und nahm sie mit einem nachfolgenden leichten Kopfschütteln ab. Ihr Haar wehte dabei mit einer leichten Windböhe. „Kaiba macht Stress.“, sagte Wheeler, den ich böse anblickte. „Ist das was neues?“, fragte Kyoko, die sich rechts neben mich gestellt hatte und lachte. Auch sie kassierte einen bösen Blick von mir. „Mach' dich darauf gefasst, nach der nächsten Runde von mir in den Boden gestampft zu werden, Kaiba!“, rief Wheeler mir zu. Ich blickte ihn herablassend an. „Nichts für ungut, aber das übernehme ich schon.“, sagte Kyoko mit einem breiten Grinsen in ihrem Gesicht. „Das werden wir ja noch sehen. Meinen Titel kriegst du nicht.“, antwortete ich, sie schien davon aber relativ unbeeindruckt zu sein. „Du willst also wirklich Vize-Weltmeisterin bei Duel Monsters werden?“, fragte Yugi. „Klar. Und dich werde ich auch irgendwann besiegen. Ich freu' mich schon drauf.“, prahlte Kyoko. „Das werden wir noch sehen.“, sagte Yugi und lächelte sie an. „Das reicht jetzt. Komm', wir gehen.“, rief ich und drehte mich um. „Hey, was soll das, Kaiba? Seit wann hast du mir was zu sagen?“ „Ich habe gesagt, wir gehen!“, blockte ich ab. Ich packte sie am linken Arm und zog sie hinter mir her. „Ey, Kaiba! Wenn sie nicht will, dann lass' sie!“, brüllte Wheeler mir nach, ich ignorierte sein Geschrei. „Nein, nein, schon okay. Bis irgendwann. Und Yugi?“, hörte ich Kyoko rufen. „Ja?“ „Lass' dich bloß nicht von irgendeinem Amateur schlagen. Nur ich darf dich besiegen. Und Kaiba. Vielleicht. Klar?“, fragte sie und wandte sich noch einmal zu ihm um. Dieser stand aber nur da und sagte nichts. ~Kyokos Sicht~ „Sag' mal, was sollte das?“ Er antwortete mir nicht und zog mich immer noch hinter sich her. „Jetzt sag' endlich, was los ist! Habe ich dich wieder wütend gemacht?“, fragte ich traurig. Plötzlich blieb er stehen. „Kyoko, ich will einfach nicht, dass dir etwas passiert. Das ist alles.“ Ich stieß einen Seufzer aus. „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich auf mich selbst aufpassen kann? Die Verletzungen sind nicht weiter schlimm. Glaub mir. Mir geht es gut. Kein Grund zur Sorge.“ Sowohl er, als auch ich schwieg. „Sag mir lieber, mit wem ich mich in der nächsten Runde duelliere.“, forderte ich, doch er sagte nichts. „Dann sag' mir wenigstens, wie viele Runden noch stattfinden.“ „Die nächste Runde, die in ein paar Minuten beginnt, ist die letzte für heute. Dann werden aus den jetzigen 32 Teilnehmern wieder 16 Sieger hervorgehen. Morgen um 10 Uhr beginnt das Achtelfinale, die acht besten ziehen ins Viertelfinale ein, aus denen wieder 4 hervortreten und sich im Halbfinale duellieren. Die beiden Sieger stehen sich dann im Finale gegenüber.“ „Hmm.“ „Ging das zu schnell?“ Seto grinste. „Nerv' nicht und lass' mich in Ruhe.“ „Wie du meinst.“ Auch die anderen 30 Duellanten kamen zu uns und starrten wie gebannt auf die Anzeigetafeln, die nahe der Bühnen aufgebaut waren. Ein paar Minuten später war dann endlich bekannt, gegen wen ich antrat. Ich hatte wieder mal Glück, ich musste wieder gegen einen drittklassigen Duellanten antreten, den ich auch diesmal innerhalb von nur vier Runden besiegte. Ich schlenderte durch die Anlage, holte mir bei dem Café in der Nähe des Kontrollzentrums einen Tee und ging ziellos durch die Gegend, bis ich irgendwann an einem Brunnen halt machte. Ich setzte mich auf eine Parkbank, die nur wenige Meter davon entfernt war und nippte an meinem Tee. Plötzlich legte mir jemand seine Hand auf meine linke Schulter und ich fuhr voller Schrecken hoch. „Entschuldige, habe ich dich erschreckt?“, ertönte es hinter mir. „So ziemlich.“, antwortete ich und erkannte, dass der König der Spiele mal wieder ein Gespräch anzetteln wollte. „Ist dein Duell schon vorüber?“ „Ja, schon seit etwa zwanzig Minuten.“ „Dann hast du deinen Gegner wohl ziemlich schnell geschlagen, was?“ „Nach vier Zügen. Wieso fragst du?“ „Ach, nur so.“ Erst jetzt kam er vor mich und fragte, ob er sich setzen dürfe. Ich nickte und rückte ein wenig nach außen. Zwischen uns lag etwa ein Meter Platz. Er lehnte sich nach vorn, seine Ellbogen auf seine Oberschenkel legend und die Hände gefaltet. „Dürfte ich dich etwas fragen?“ Er sah in die Ferne. „Kommt darauf an.“ „Was für eine Beziehung hast du zu Kaiba?“ „Be – Beziehung? Wie kommt du denn darauf? Ich und der Kerl sollen ein Paar sein? Du denkst das also auch!“, rief ich wütend. Yugi zuckte zusammen. „Wir. Sind. Kein. Paar. Und. Haben. Auch. Nichts. Mit. Ei - nan - der.“ Jedes einzelne Wort betonend schien ich es ihm schon entgegen zu schreien. „Weil du und er – naja, ihr scheint euch ja gut zu verstehen.“ „Der und ich sollen sich gut verstehen?“ „Kaiba ist immer so abweisend allen gegenüber, aber deine Nähe scheint er ja schon zu suchen. Das ist ziemlich offensichtlich.“ „Er tut was?“ „Komisch, dass er immer da ist, wo du dich auch gerade befindest, oder? Er lässt dich so gut wie nie aus den Augen. Und wenn doch, dann beginnt er so schnell wie möglich mit der Suche nach dir.“ „Kann schon sein. Ich hatte heute morgen einen Motorradunfall. Und er hat mir das Leben gerettet und mich zum Krankenhaus gefahren. Aber das war dann auch alles.“ „Du hattest einen Unfall und bist trotzdem hier?“ „Als ob ich wegen so ein paar Schrammen das Turnier sausen lasse. Und fang' du nicht auch noch an und frag' mich alle paar Minuten, ob es mir gut geht. Mein rechter Arm tut nur ein wenig weh und mein Kopf...Mir ist nicht mehr so schlecht wie zu Beginn des Turniers, also kein Grund zur Sorge.“ Eine weitere Durchsage ertönte durch die Lautsprecher. „Vielen Dank, dass ihr an diesem Turnier teilgenommen habt. Der heutige Teil des Turniers ist nach dem letzten Duell, das gerade entschieden wurde, beendet. Morgen um 10 Uhr beginnt das Achtelfinale. Seit bitte pünktlich da, sonst droht die Disqualifikation. Einen erholsamen Abend.“ Ich sah auf eine Uhr, die in der Nähe stand. „Ich muss los. Ich habe noch zu tun. Bis morgen dann.“ Ich verabschiedete mich von ihm, nahm meine mittlerweile leergetrunkene Flasche Tee und ging. „Hey, Yugi. Sag' mal, was ist an der so besonders, dass du immer ein Gespräch mit ihr suchst?“, fragte jemand, der zu ihm gestoßen war. „Darf ich mich mit ihr etwa nicht unterhalten?“, rief Yugi wütend. Sie schienen sich zu streiten. >Wieso habe ich eigentlich gewartet? Ich könnte schon fast zu Hause sein. Ich Trottel.< Ich setzte die Sonnenbrille auf meinen Kopf, die zuvor an meinem Ausschnitt baumelte. Ich ging in Richtung Kontrollzentum und weiter in Richtung Hauptstraße, nahm mein Handy aus meiner Rocktasche und beschloss, meinen Bruder anzurufen. Kurz nachdem mein Handy die Verbindung zu seinem aufgebaut hatte, hörte ich diesen nervigen Freizeichenton. Eine komische Melodie ertönte und es läuteten einige Glocken, ein Chor sang irgendwas, was ich nicht verstand, und ein Orchester spielte. Ich wusste nicht, was Jun an diesem Ton gefiel, ich fand diesen ohrenbetäubenden Krach einfach nur schrecklich. Und dann die Erlösung: die Stimme meines Bruders. Doch nur auf der Mailbox. Ich legte auf. Nie ging er dran, wenn man ihn brauchte. „Kyoko-chan?“, ertönte es hinter mir, ich drehte mich um und der kleine Kaiba rannte auf mich zu. „Mokuba, hallo. Was machst du denn hier?“, fragte ich den kleinen Schwarzhaarigen und beugte mich zu ihm herunter, der sofort errötete und zu Boden blickte. Ich nahm an, dass ich mich etwas zu weit nach unten gebeugt habe und er wahrscheinlich in meinen Ausschnitt sah – wahrscheinlich unabsichtlich. Das nahm ich jedenfalls an. „Belästige meinen Bruder nicht, klar?“, ertönte es hinter dem kleinen Kaiba. Ich blickte auf und erkannte Kaiba, der wieder seinen Anzug vom Morgen trug. „Entschuldige, Kyoko.“, sagte der kleine. „Ach was, schon gut. Ich muss mich entschuldigen.“, antwortete ich und legte meine rechte Hand auf seine Schulter. Endlich sagte auch Seto wieder etwas. Was er aber besser nicht von sich gegeben hätte. „Auf wen oder was wartest du? Einen Freier? Die gibt’s in dem Viertel nicht, vergiss' es.“ Er schien auf meinen Kleidungsstil anzuspielen. Da schoss mir das Gespräch mit Yugi durch den Kopf. >„Weil du und er – naja, ihr scheint euch ja gut zu verstehen. Kaiba ist immer so abweisend allen gegenüber, aber deine Nähe scheint er ja schon zu suchen. Er lässt dich so gut wie nie aus den Augen. Und wenn doch, dann beginnt er so schnell wie möglich mit der Suche nach dir.“< Nach jedem Satz wurde ich wütender. „Das geht dich einen Scheißdreck an, Kaiba. Lass' mich gefälligst in Ruhe.“, fuhr ich ihn an. „Wow, wie bist du denn drauf? Bei unserer letzten Begegnung warst du noch nicht so zickig.“ „Ich habe gesagt, du sollst mich endlich in Ruhe lassen! Hörst du schlecht, oder was?“, schrie ich wütend. „Sorry, Mokuba, ich muss los. Wir sehen uns bestimmt wieder.“ Ich legte ihm die rechte Hand auf den Kopf, auf seinem Gesicht war erneut ein roter Schleier zu sehen. „Schönen Abend noch.“ Ich lächelte. „Auf Wiedersehen, Kyoko-chan!“, rief mir Mokuba nach. Ich verließ die beiden und ging die Straße hinunter, um nach Hause zu gehen. Als ich eine ganze Weile ging und schon etwa einen Drittel des Weges hinter mir hatte, überlegte ich, ob ich nicht vielleicht noch in die Stadt gehen sollte. Vielleicht in der Firma meines Bruders vorbei sehen, in einen Klamottenladen gehen und mir da schon die neuen Kollektionen ansehen sollte. Damit ich schon mal wusste, was ich als nächstes kaufe. Oder einfach nur ein Eis essen gehen sollte. Denn zu Hause war mein Bruder noch nicht, er arbeitete immer bis spät in den Abend hinein. Und da ich dort auch nichts zu tun hatte, schlenderte ich durch die Stadt. Ich war gerade in einer Markenboutique und durchwühlte die Regale. Bis plötzlich mein Handy klingelte. „Jun...“, sagte ich leise und drückte auf den grünen Hörer. „Ja?“, fragte ich. „Riiko, hey. Sorry, dass ich erst jetzt anrufe.“ „Kein Problem. Was gibt es denn, Jun?“ „Du hast mich doch angerufen?“ „Ach ja, entschuldige. Ich wollte fragen, wann du nach Hause kommst.“ Ich klemmte mein Handy zwischen Schulter und Kopf und beäugte im Spiegel, der mir gegenüberstand, ein Oberteil, dass ich aus einem Regal genommen hatte und vor meinen Oberkörper hielt. „Nun, ja, ehrlich gesagt, keine Ahnung. Ich muss massig Überstunden machen, weil mein Assistent, angeblich aus Versehen, wichtige Dateien auf meinem Laptop unwiderruflich gelöscht hat, an denen ich über drei Monate gearbeitet habe. Da in zwei Tagen ein wichtiges Meeting stattfindet, muss ich wahrscheinlich die ganze Nacht durcharbeiten, um vielleicht ansatzweise die Dateien wieder neu zu schreiben.“ Seine Stimme zeichnete den Zorn an, den ich nur zu gut nachempfinden konnte. Im Hintergrund seiner Stimme hörte ich ein leises Knacken, dass ich sofort als das eines Feuerzeuges identifizierte. Mein Bruder auch im zarten Alter von dreiundzwanzig Jahren extremer Kettenraucher und paffte, wenn es hoch kam und er viel Stress hatte, an einem Tag etwa zwanzig Zigaretten. Ich legte das Oberteil wieder weg. Es war bei genauerem Betrachten grottenhässlich. „Tut mir leid.“ Er armete aus. Er rauchte sich wahrscheinlich wieder eine. Ein weiteres Oberteil musste meinen skeptischen Blicken standhalten. „Schon okay. Da kann man nichts machen.“, sagte ich und stieß einen Seufzer aus. „Wie geht’s dir so? Wie war das Turnier bisher?“ „Mir geht’s echt beschissen. Mein Motorrad ist schrott, weil ich heute Morgen einen Unfall gebaut habe, mein Lieblingsoutfit ist zerfetzt, und ich habe Zoff mit dem wahrscheinlich mächtigsten Mann Japans. Und ich bin im Achtelfinale.“ Ich konnte hören, wie er hochschreckte. Und wie sein Stuhl umfiel. „Du hattest einen Unfall? Geht es dir gut? Warst du im Krankenhaus? Wieso hast du mich nicht angerufen?“, rief er empört. Ich nahm das Oberteil mit zur Kasse, kaufte es und verließ den Laden. „Mir geht es gut. Nur ein leicht verstauchter Arm und eine Gehirnerschütterung.“ „Und du hast Stress mit Seto Kaiba?“ „Ja, mein Motorrad ist kaputt. Ich hasse es. Wie soll ich ohne mein schönes Motorrad überleben?“ „Beantworte meine Frage!“, fordere er, er schien sich wieder beruhigt zu haben. „Ja, habe ich. Er bemuttert mich total. Dieser Kerl ist noch abartiger, als ich dachte.“ „Du hast ihn aber nicht beschimpft, bis es nicht mehr ging oder geohrfeigt oder geküsst?“ „Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.“ „Du hast mit ihm rumgeknutscht?“ „Er hat mich gezwungen! Ich habe das nicht gewollt! Er hat einfach seinen Mund auf meinen gedrückt, als ich nicht aufmerksam war! Es war so ekelig!“, rief ich gespielt traurig, als ich mich von den Menschenmassen entfernt hatte. Aber es war mir wirklich unangenehm, dass gerade er mich schon satte zweimal geküsst hatte. „Ganz ruhig, Riiko. Weißt du was?“ „Was denn?“ „Wenn ich ihn das nächste Mal treffe, mache ich ihn fertig. Ich werde es, wenn's nötig ist, aus ihm rausprügeln, wenn er mir nicht sagt, warum er dich so belästigt!“ „Nein, ich krieg' das schon allein hin. Trotzdem danke für deine Hilfe.“ „Bist du sicher?“ „Natürlich bin ich das. Ich werde ihn schon klein kriegen, diesen egoistischen Workaholic.“ „Wenn du dir da mal nicht die Latte zu hoch legst.“, sagte eine mir bekannte Stimme hinter mir. „Kai – Kaiba...“ Ich drehte mich wieder um und entfernte mich einige Meter von Kaiba. „Riiko, was ist los?“, brüllte mein Bruder ins Telefon. „Alles okay. Du, ich muss Schluss machen. Wir sehen uns nachher.“ „Oder morgen früh beim Frühstück.“ „Okay. Dann eben dann.“ „Ciao, meine Kleine.“ „Bis dann, Jun. Und übernimm dich nicht. Ich möchte noch was von dir haben.“ „Keinesfalls. Für dich tu' ich alles.“ Ich legte auf. „Dein Freund?“, fragte Kaiba. Er schien die Neugier in seiner Frage mit Gleichgültigkeit übertönen zu wollen, was nicht ganz klappte. „Geht dich das was an? Was willst du schon wieder? Mich beschatten? Oder wieder fragen, ob es mir gut geht?“, fauchte ich ihn an. „Wieso verstehst du's nicht? Du sollst mich in Ruhe lassen. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, klar? Und jetzt verschwinde, bevor ich die Polizei rufe.“ „Willst du mir etwa drohen?“ „Ich will nur, dass du mich nicht immer bemutterst! Ich bin kein Kind mehr! Verschwinde, geh' mir aus den Augen, du nervst!“ Er weitete die Augen. „Hör' auf, mir ständig hinterher zu laufen! Und versuch' nicht, mich vor allem zu schützen! Das stört!“ , schrie ich. Ich versuchte wegzulaufen, doch er hielt mich an meinem linken Handgelenk fest. „Es – tut mir leid.“ „Du willst dich entschuldigen? Seit wann kannst du das? Ich dachte, dass Seto Kaiba immer eiskalt zu allen ist. Aber ausgerechnet zu mir ist er freundlich und er sucht immer meine Nähe! Wenn du mit mir spielst, dann sag' es mir! Wenn du mit mir schlafen willst, dann sag' es mir! Und wenn du endlich einsiehst, dass du mich mit deiner abnormalen Haltung mir gegenüber nur verletzt, dann sag es mir endlich, verdammt!“ Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte, meine Tränen zurückzuhalten. „Du kotzt mich an! Verschwinde aus meinem Leben! Und sprich' mich nie wieder an!“ Ich riss mich los und rannte weinend davon. Kaiba ließ ich erschrocken, gleichzeitig aber über meine Worte nachdenkend, zurück. ~Fortsetzung folgt...~ Kapitel 5: Persecution, Fear & Jealousy --------------------------------------- Kapitel 5: Persecution, Fear & Jealousy „Verdammt!“, rief ich, als ich in der Küche stand und mir mit einem Küchenmesser in die Hand schnitt. Ich war gerade dabei, das Abendessen zu kochen. Und da schnitt ich mir in meinen Gedanken versunken mit dem Messer quer über den linken Handrücken. Zuerst sah es nicht schlimm aus, doch die Wunde war tiefer, als ich dachte. Das Blut lief heraus wie das Wasser aus einem aufgedrehten Wasserhahn. Es war kaum zu stoppen. Ich hielt die Hand unter kaltes Wasser, um die Blutung zu stoppen, doch das brachte nichts. Ich band mir mit einer Hand ein Tuch um die Wunde, darüber einen Verband, der, mehr oder weniger fest anliegend, meine Hand vor weiteren Schnitten, aber auch vor Wasser und Schmutz schützte. Der Schmerz quälte mich, ging durch Mark und Bein, wenn ich die Hand bewegte. Irgendwann gab ich auf, legte das Geschirr in die Spüle und machte mir im Backofen ein Fertiggericht warm. >“Es – tut mir leid.“< Kaibas Worte hallten unaufhörlich in meinem Kopf wider, als ich mich an den Esszimmertisch gesetzt hatte und an meinem Verband zupfte. Ich war bereits über zwei Stunden zu Hause. Hinter mir lagen eine Viertelstunde Dauerlauf mit eingelegtem Sprint zu Beginn des Rennens auf Plateau-Stiefeln mit fünf Zentimeter dicker Sohle und weiteren sieben Zentimetern am Absatz. Meine Füße fühlten sich an, als wären sie abgestorben. Die Langeweile hatte mich eingenommen. Wie gerne würde ich mit einer Freundin telefonieren und über irgendwelche Klassenkameraden lästern, über den neuen Schwarm an der Schule reden oder einfach nur über Gott und die Welt tratschen. Doch mit wem sollte ich das? Ich musste zugeben, ich war nicht die beliebteste, aber auch nicht die Außenseiterin. Von den Jungs bekam ich massenweise Anträge, ich war aber bekannt dafür, dass ich immer nur Körbe verteile. Aber die gaben einfach nie auf. Und die Mädchen. Naja, für die war ich ein übermenschliches Wesen. Ich war gut in der Schule, kam bei den Jungs gut an und hatte einen gut aussehenden Halbbruder, auf den mehr als die Hälfte der Mädels der Schule scharf waren. Und trotz dieser Tatsachen bekam ich nie Besuch von einem meiner Klassenkameraden oder meiner 'Freunde', die nur in meiner Nähe waren, um bei anderen angeben zu können. Ich war ein Idol für sie. Nicht mehr und nicht weniger. >“Es – tut mir leid.“< Wieder Kaibas Worte in meinem Kopf. Ich schaltete den Fernseher ein. Sport interessierte mich nicht im geringsten, also vielen von den paar Dutzend Sendern schon ein paar weg. Politik war auch nichts für mich. Wieder ein paar einiger. Wirtschaft – ohne mich. Mit jedem Taschtendrücken zappte ich durch die Programme, als ich einen Liebesfilm sah. Ich wollte umschalten, doch irgendetwas hielt mich davon ab. Eine dunkelhaarige Frau und ein sportlicher, großer Kerl küssten sich. „Kazuha, ich liebe dich. Ich möchte nicht nur mit dir zusammen sein, ich möchte dein Geliebter sein. Ich will dich nicht nur küssen, ich will dich liebkosen und dich verwöhnen.“ „Aber Satoshi, ich weiß noch nicht, ob ich dazu bereit bin -“ >“Es – tut mir leid.“< Nein, das wurde mir eindeutig zu bunt. Ich hatte keine Lust, den beiden beim Vögeln zuzusehen. Also schaltete ich um. >“Es – tut mir leid.“< „Verdammt, wieso kann ich an nichts anderes mehr denken, als an seine Worte?“, rief ich. Bereits 20:00 Uhr vorbei, das zeigte die Wanduhr im Wohnzimmer. >“Es - tut mir leid.“< „Jetzt reicht es mir! Ich ruf' bei ihm an oder mache sonst irgendwelche Anstalten! Aber dieser scheiß verdammte Satz soll endlich aus meinen Gedanken verschwinden!“, rief ich. Prompt klingelte das Telefon. „Honami?“ „Hey, Kyoko. Wieso meldest du dich mit Honami?“, sagte Seto, der am anderen Ende der Leitung saß. „Falsch verbunden!“ Ich knallte den Hörer auf. Einige Sekunden später klingelte erneut das Telefon. Ich nahm den Hörer ab, sagte aber nichts. „Kyoko? Knall' nicht wieder den Hörer auf.“ „Was willst du schon wieder? Du bist mir genug auf den Geist gegangen!“ „Ich will mit dir reden.“ „Ach ja? Ich wüsste nicht, was es da noch zu bereden gibt.“ Wir schwiegen, bis ich die Stille brach. „Ich wollte dir auch etwas sagen.“ „Das wäre?“, fragte Seto neugierig. „Ich sag' es nur einmal. Also hör' genau zu.“ „Immer raus damit.“ „Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe. Aber bitte geh' mir in Zukunft aus dem Weg. Und misch' dich nie wieder in mein Leben ein.“, sagte ich ruhig. „Okay.“ Es kam mir komisch vor, dass er einwilligte, und das ohne Gegenwehr. Der heckte doch etwas aus. „Und noch was.“ „Ja?“ „Werd' nicht dauernd eifersüchtig.“ Wieder Stille. „Bis morgen dann. Gute Nacht.“ „Ich hol' dich ab. Schlaf gut.“ „Nein, das tust du nicht. Du auch.“ Ich legte auf. >Komisches Gespräch.<, schoss es mir durch den Kopf und lächelte. Ich hatte meine Tiefkühlpizza vergessen. Verdammt. Eilig rannte ich zum Backofen, dessen Klappe ich einen Spalt öffnete. Wieder durchfuhr mich der stechende Schmerz aus meiner linken Hand, der sich durch meinen gesamten Körper jagte. Die Augen zusammenkneifend zog ich die Backofentür ganz auf - eine riesige schwarze Wolke kam mir entgegen. Ich machte die Backofenklappe wieder zu. >Wenn es draußen ganz dunkel ist, kann ich das Fenster öffnen, dann sieht auch keiner den Rauch. Sonst hab' ich gleich noch die Feuerwehr auf der Matte stehen, weil einer meiner Nachbarn denkt, es brennt hier.< Vollkommen am Ende legte ich mich auf mein Bett. Ein echt harter Tag lag hinter mir. Ich starrte an die Decke. >Dieser Kaiba raubt mir den letzten Nerv. Der versteht wirklich etwas davon, andere in den Wahnsinn zu treiben.<, dachte ich. Irgendwann schlief ich voller Gedanken an den nächsten Tag ein. ~Am nächsten Morgen~ Das schrille Klingeln meines Weckers riss mich von einem Moment auf den anderen aus dem Reich der Träume. Ich schlug mit meiner Faust auf den Wecker, der endlich Ruhe gab, drehte mich um, doch an Schlafen war nicht mehr zu denken. Ich stöhnte. Ich hatte definitiv noch gar keine Lust aufzustehen. „Aufstehen, Kyoko. Raus aus den Federn!“, hörte ich aus einer Ecke des Zimmers. „Lass' mich schlafen, Jun!“ Die Vorhänge wurden aufgezogen und Sonnenstrahlen trafen auf mein Gesicht. „Du sollst aufstehen!“ „Nein! Lass' mich in Ruhe! Raus aus meinem Zimmer! Ich schlafe, so lange ich will!“, motzte ich, und stutzte, als ich über die Stimme nachdachte, die sich ganz und gar nicht nach meinem Bruder anhörte. Die Türe meines Zimmers ging auf. „Komm' schon, steh' endlich auf, Kyoko!“ Das war die Stimme meines Bruders. Ich öffnete endlich die Augen und sah ihn. Er stand nicht weit von meinem Bett entfernt. Vor lauter Schreck krallte ich meine Decke und zog sie nach oben, um meinen Körper zu verdecken. „Jun, was soll das? Was macht Kaiba hier? Und was hat er hier in meinem Zimmer verloren?“, brüllte ich, mein Gesicht hatte mittlerweile die Farbe einer überreifen Tomate angenommen. „Er kam vor einer Stunde vorbei, als ich gerade von der Arbeit kam. Kaiba hat mich gebeten, hier auf dich zu warten zu dürfen.“ „Bist du verückt? Sofort raus mit dir! Verschwinde!“, brüllte ich und warf mit einem schweren Buch nach ihm, doch bevor es seinen Kopf traf, hatte er die Türe geschlossen und war wieder verschwunden. Kaiba kletterte gekonnt über die Bücherstapel zu mir. Wie er das wohl geschafft hatte? Jun brauchte mehrere Wochen und Monate, bis er so gekonnt über sie klettern konnte, wie Kaiba es gerade getan hatte. „Was hast du vor?“ „Ich will mit dir reden. Du hast mich ja gestern Abend einfach unterbrochen.“ Ich schwieg für kurze Zeit und dachte nach. Kaiba hatte sich inzwischen an das andere Ende meines Bettes gesetzt. Er wollte mich scheinbar nicht bedrängen. Und das war auch gut so. „Stimmt. Das habe ich. Aber aus gutem Grund.“ „Tut mir Leid.“ Es klang leise, aber dennoch nahm ich jedes seiner Worte wahr. Ich begann zu lachen, er sah mich nur fragend an. Mir eine Träne aus dem Augenwinkel meines rechten Auges zischend sagte ich: „Schwamm drüber.“ Er sagte nichts, blickte mich aber weiterhin an. „Schon okay. Ich verzeih' dir.“ „Ah...okay. Danke.“ Zögernd nahm er meine linke Hand und presste sie an sein Gesicht. Er schloss die Augen. Einen kurzen Augenblick später erschrak er, ließ meine Hand augenblicklich los und stand auf. Sein Blick ruhte nicht mehr auf mir, sondern schweifte ab und er starrte Löcher in die Luft. „Ich gehe jetzt besser.“ „O – okay.“ Er verließ das Zimmer, ich kletterte über die Bücher zu meinem Kleiderschrank und kramte ein paar Sachen hervor, verließ mein Zimmer und verschwand im Bad. Ich duschte, trocknete mich ab, zog mir einen Bademantel über und ging nach unten, um zu frühstücken. Mein Ruf nach meinem Bruder hallte durch den hausflur und durchs Treppenhaus, mit ihm hatte ich schließlich noch ein Hühnchen zu rupfen. Dieser Typ lässt diesen widerwertigen Seto Kaiba in unser Haus, schlimmer noch, er lässt ihn in mein Zimmer! Doch als ich unten ankam, und Jun rief, erklang nur Kaibas Stimme. „Der ist vor ein paar Minuten zur Arbeit gefahren.“ >Na toll. Der lässt Kaiba in die Wohnung und lässt mich dann mit dem allein. Wenn ich den wiedersehe, ist er dran! Und der nennt sich mein toller, vertrauenswürdiger Bruder!< Ich kochte vor Wut. „Setz' dich. Du hast bestimmt Hunger.“ „Kein Bedarf.“ Doch mein Magen sagte etwas anderes. Er knurrte lautstark, so laut, dass Kaiba, der mehrere Meter entfernt am Esstisch saß, es hören konnte. „Du hast Hunger. Also setz' dich hin und iss was.“ „Nein.“ „Dann verhunger' eben.“ Ich wandte mich von ihm ab. „Was ist eigentlich mit deiner linken Hand passiert?“ „Ich hab' mich gestern Abend beim Kochen geschnitten. Das ist alles.“ Er kaute auf einem Weißbrot mit Honig herum. >Der setzt nicht nur einen Schritt in unser Haus, er kommt auf mein Zimmer, sitzt an unserem Esstisch und isst unser Essen – mein Essen! Dreist hoch drei, der Kerl! Denkt wohl, der kann sich alles erlauben, nur weil ihm jeder zu Füßen liegt! Fast jeder, mich natürlich ausgenommen...< „Wie geht’s deinem Arm?“ „Ganz gut soweit.“ „Und deinem Kopf?“ „Was hab' ich dir gestern gesagt?“ „Sorry, wenn ich mich um dich sorge. Aber ich habe Angst um dich.“ „Du...hast was?“ Er wandte sich von mir ab. „Vergiss' es einfach.“ Plötzlich erkannte ich, als ich durch das Esszimmerfenster sah, eine Gestalt, die mit etwas auf uns zielte. „Weg da!“, rief ich, doch Kaiba reagierte nicht. Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen. Ein Knall war zu hören, das Küchenfenster zersprang in tausend Scherben, die sich auf der Arbeitsplatte, auf den Küchengeräten, die nah am Fenster standen, und auf dem Boden verteilten.. Ich stieß Kaiba von dem Stuhl, auf dem er saß, worauf er zu Boden fiel – ich lag auf ihm. „Was -“ Er war sprachlos. Anscheinend war das jetzt zu viel auf einmal für ihn. Seine Augen waren geweitet, er war unfähig, zu verstehen, was das gerade war. Jedenfalls sah es so aus. Er regte sich nicht, lag einfach nur da, unter mir, auf dem Boden. Nahe seinen Füßen lagen ein paar Scherben des zerbrochenen Fensters. Ich stand auf. „Wehe, du bewegst dich! Bleib' hier und halt dich von Fenstern und Türen fern! Da ist jemand...“ Ich bewaffnete mich mit einem Messer aus dem Messerblock, der in meiner Nähe auf der Arbeitsplatte der Küche stand. „Was geht hier vor?“, rief Kaiba wütend. Er dachte wohl, dass das alles hier ein blöder Scherz war. „Keine Ahnung. Ich werde der Sache auf den Grund gehen.“ Selbstsicher ging ich in Richtung Küchenfenster, kletterte auf die Arbeitsplatte und setzte einen Fuß auf das Fensterbrett. „Bleib hier! Das ist zu gefährlich!“ „Ich kann auf mich selbst aufpassen. Und außerdem habe ich den schwarzen Gürtel. Mir passiert schon nichts.“ Mit diesem Satz wandte ich mich von ihm ab. „Aber...“ „Psst.“, sagte ich leise und hielt meinen rechten Zeigefinger vor meine Lippen. Er verstummte und starrte in meine Richtung. Vorsichtig spähte ich aus dem Fenster, dessen Scherben unter meinen Füßen auf der Arbeitsplatte und dem Fensterbrett knirschten. Ich sprang aus dem Fenster und landete auf den gepflasterten Pfad, der von der Terrasse in den Garten führte und direkt neben dem Blumenbeet am Fenster lag. Ich sah mich um, entdeckte jedoch niemanden. Der, der auf uns geschossen hatte, war verschwunden. „Na toll. Wer auch immer das war, derjenige hat sich aus dem Staub gemacht.“, rief ich durch das Fenster zu Seto, der sich aufgerappelt hatte und derweil den Schaden ansah, den der Schütze angerichtet hatte. „Du blutest am Arm, Kyoko!“, brüllte Kaiba und ich begutachtete meine Arme. Ich hatte mich anscheinend verletzt, als ich aus dem Fenster stieg. „Ach, verdammt. Egal, keine große Sache. Und mach' nicht o einen Aufstand wegen so einem kleine Kratzer!“ Naja, es war eigentlich alles andere als ein kleiner Kratzer. Im Gegenteil. Die Wunde war etwa so lang wie meine Hand und verlief quer über meinem Oberarm. „Scheinst dich ja ganz schön oft zu verletzen, was?“ „Pfft.“ Ich stieg durch das Fenster wieder in die Wohnung. Es klingelte währenddessen an der Türe, wahrscheinlich hatten die Nachbarn den Schuss gehört und machten sich nun Sorgen, ob mir was zugestoßen ist. Ein Mordanschlag geschieht ja nicht jeden Tag. „Erst der verstauchte Arm und die Gehirnerschütterung, dann der Schnitt in die Hand und jetzt das.“ „Das ist nichts schlimmes. Begreif' das...doch...end - “ Ich spürte plötzlich etwas. Mein Kopf schmerzte für einen Moment, ein Stich in meinem Herzen, was mich dazu brachte, das Fleischmesser, womit ich mich bewaffnet hatte, fallen zu lassen und mir an die Brust zu fassen. „Was ist los? geht’s dir nicht gut?“ Kaiba stand mir gegenüber, war jedoch ein ganzes Stück kleiner als ich, denn ich stand gekrümmt auf der Arbeitsplatte, er auf dem Fußboden. Er sah mir in die Augen, eindringlich und besorgt. Er war in dem Moment anders, nicht mehr kalt, sondern zeigte wirklich Gefühle. Und dann war alles wieder normal. Dachte ich. Doch dann verlor das Gleichgewicht, mir wurde schwarz vor Augen und ich kippte nach vorn über. Ich verengte die Augen, versuchte, mich am Fenstergriff festzuhalten, doch meine Glieder gehorchten mir nicht mehr, ich verlor den Halt und fiel vorn über, direkt auf Kaiba zu. Ich spürte, wie er mich zu sich zog, damit ich nicht in die Scherben fiel. Stattdessen fiel ich geradewegs in seine Arme, er machte ein paar Schritte nach Hinten, um nicht selbst umzufallen. „Kyoko? Kyoko, was hast du? Sag' doch was!“, hörte ich Setos besorgt klingende Stimme sagen, doch dann war da nichts mehr, ich sah, hörte und spürte nichts mehr. ~Etwas später~ Nach einiger Zeit wachte ich in einem mir unbekannten Raum auf. Das Bett, in dem ich lag war weich, irgendwie samtartig, und schön warm und ziemlich kuschelig. So ein Bett hatte ich zu Hause nicht. Außerdem war es ein Himmelbett – ein Bett, wie ich es nicht hatte. Also war ich wirklich nicht zu Hause. „Endlich bist du aufgewacht. Ich dachte schon, du schläfst 1000 Jahre!“, hörte ich Kaiba ironisch sagen. Als ich mich umsah, merkte ich, dass ich in seinem Zimmer sein musste. Er saß an seinem Schreibtisch und tippte auf den Tasten seines LapTops herum. „Was mache ich hier? Was hast du mit mir gemacht?“, fragte ich ihn. Ich war sauer, dass er mich nicht zu Hause ließ. Lieber wäre ich allein zu Hause geblieben. Nein, er musste mich ja mit zu sich nehmen. „Ich konnte dich nicht bewusstlos bei dir zu Hause liegen lassen. Da hab' ich dich hergebracht. Das Fenster wurde bereits repariert und alles ist wieder so, wie es war.“ „Dann kann ich ja gehen.“ Ich stand ein wenig schwerfällig auf und ging mehr oder weniger aufrecht in Richtung Türe, erreichte sie jedoch nicht. Denn plötzlich und völlig unerwartet stand er hinter mir und hielt mich am Handgelenk fest. „Du wirst nirgendwo hingehen!“ Eine männliche Stimme ertönte wie aus dem nichts, woher sie kam, wusste ich nicht. „Herr Kaiba, hier ist Besuch für Karasuma-sama.“ Da entdeckte ich an der Türe eine Sprechanlage mit einem Bildschirm. Ein Lämpchen leuchtete immer im selben Intervall auf und ging wieder aus. Kaiba ließ mich augenblicklich los und ging darauf zu. „Was will Yugi hier?“, fragte ich irritiert. „Ich habe beim Turnier bekannt gegeben, dass du einen kleineren Unfall hattest und du nicht kommen konntest. Er wollte dich daraufhin besuchen kommen.“, meinte Kaiba und drückte einen roten Knopf. „Er soll reinkommen.“ Er ließ den Knopf wieder los. „Wieso tust du das?“ „Wieso nicht? Willst du, dass ich ihn wegschicke?“ >Ich weiß, worauf du anspielst, Kaiba. Aber darauf falle ich nicht rein!< Ich grinste. „Nein.“, antwortete ich kalt. Gekonnt wich ich seinen Blicken aus und wandte mich von ihm ab. Ich legte die letzten Schritte in Richtung Türe zurück und legte meine rechte Hand auf die Klinke. „Wohin gehst du?“, fragte Kaiba ein wenig wütend. „Dorthin, wo ich mit Yugi allein sein kann und nicht von dir belauscht und beschattet werde.“, sagte ich abweisend. Ich nahm ihm noch immer wütend, dass er mich hier her geschleppt hatte und er mich aus dem Turnier einfach ausgeschlossen hatte. „Man wird sich ja wohl noch mit anderen Leuten unterhalten dürfen. Oder bist du eifersüchtig auf ihn?“ Ich drückte die Türklinge herunter, als ich spürte, dass Kaiba direkt hinter mir stand, mich festhielt und seine Lippen auf meinen Hals drückte. Ich konnte mich nicht regen, war vollkommen überrascht. Von ihm und seiner draufgängerischen Art. „Hey...lass' das...“, entfuhr es mir, doch es klang nicht drohend oder wütend, wie es klingen sollte, sondern so, als wäre ich ihm vollkommen verfallen. Er saugte ein wenig an der Stelle, fuhr dann mit der Zunge über meinen Hals. Ich begann zu zittern. Es war mir unangenehm. Ich kniff die Augen zusammen. „Du gehörst nur mir allein. Und glaub' nicht, dass ich dich so einfach gehen lasse.“, flüsterte er in mein rechtes Ohr. „Bitte, hör' auf damit...“ Doch er machte weiter, seine rechte Hand umfasste meine Rechte, die an der Türklinke haftete, sich aber langsam davon löste und legte seinen linken Arm um meinen Körper, seine Hand glitt zu meiner Brust. Ich zitterte mehr und mehr. Ich hatte Angst. „Nein...bitte, hör' auf...“ Einige Tränen liefen aus meinen Augenwinkeln. „Ich bitte dich,...“ Ich schluckte. „Seto...“ Ich spürte, wie er in sich kehrte und darüber nachdachte, was er tat, denn er ließ mich los und drehte sich um. „Geh' jetzt bitte.“ „Was...“ „Verschwinde! Na los! Raus aus meinem Haus!“ „Wenn du das sagst, gern. Und glaub' nicht, dass ich mich bei dir bedanke! Ich hasse dich, Kaiba!“, brüllte ich wütend und rannte aus dem Zimmer. Einige Tränen bahnten sich ihren Weg auf mein Gesicht und liefen mir über die Wangen. Ich rannte den Flur entlang, in eine Richtung, wo ich dachte, dass sie nach draußen führte, doch ich verlief mich. Ohne Orientierung sah ich mich um. Ich wollte nur noch hier raus: Da glaubte ich den Ausgang entdeckt zu haben und begann wieder, zu rennen. Bis ich zum Stehen kam, da ich mit jemand anderem zusammen stieß. Die Person fiel prompt auf den Hintern, ich fiel auf ihn. So viel konnte ich sagen. Es war ein Kerl, der nur wenige Zentimeter vor mir saß. Ich kniete vor ihm, meine Hände neben seinen Beinen auf dem Boden, abgestützt auf meinen Armen. Wir sahen uns direkt in die Augen, unsere Gesichter berührten sich schon fast. Seine violetten Augen, sie waren so tief und fesselnd, dass es mir die Sprache verschlug und ich meinen Mund nicht aufbekam. Und dann sah ich, wie ihm eine leichte Röte in den Kopf stieg. Augenblicklich vergrößerte ich den Abstand zwischen uns und setzte mich auf meine Beine. „Oh, ähm, tut mir sehr Leid, ich habe nicht aufgepasst.“, stammelte ich und kratzte mich am Hinterkopf. „Macht doch nichts.“, antwortete mein Gegenüber mit einem zauberhaften Lächeln. Erst jetzt wurde ich stutzig. Ich begriff endlich, mit wem ich zusammengestoßen war. „Yu – Yugi?“ „Was ist?“, fragte er verwundert. „Was machst du hier?“ „Ich wollte nach dir sehen. Nachdem Kaiba mir auf dem Turnier eröffnete, dass du einen Unfall hattest, habe ich mir ein wenig Sorgen gemacht und jetzt bin ich hier.“, sagte er ein wenig rot werdend. Ich lächtelte. Er stand auf und reichte mir die Hand. „Danke.“ Wir schwiegen. Wie ich diese Stile hasste. Egal mit wem ich sprach, immer breitete sich so eine Stille zwischen mir und meinem Gegenüber aus. >Egal, mit wem ich rede. Mit Yugi, mit Seto...warte mal, wieso denke ich an dieses Charakterschwein? Der Kerl will mich flachlegen! Der will nicht mich, der will meinen Körper! Wieso denke ich an diesen Arsch?< Ich nahm seine Hand, er zog mich hoch und ich, ja ich ließ mich in seine Arme fallen. Wieder errötete er ein wenig. Er hielt mich in seinen Armen, meine Hände lagen auf seiner Brust. Auch ich errötete ein wenig, ich genoss diesen Moment. Die Wärme, die er mir schenkte, diese ein wenig verführerisch klingende Stimme, die in meinem Kopf widerhallte, sein warmer Atem, den ich an meinem Hals spürte, seine sanften Berührungen seiner Hände, seine starken Arme, die mich fest hielten seine Augen, die strahlten, wie Sterne, sein Haar, dass im Licht der Kronleuchter, die an der Decke hingen, schimmerte. All das gefiel mir an ihm. Er war das totale Gegenteil von diesem Eisblock. Wir sahen uns an, sahen einander in die Augen. Der Moment schien still zu stehen, bis ein „Lass' uns gehen.“ seine Lippen verließ. Wir gingen Treppen hinunter. „E – Entschuldige.“ „Warum entschuldigst du dich?“ „Dass ich mich so habe gehen lassen. Und dich in Verlegenheit gebracht habe.“ „Das macht doch nichts. Du brauchst dich wirklich nicht zu entschuldigen.“ „O – okay.“ „Sag' mal, hast du dich mit Kaiba gestritten?“ „Wie kommst du denn darauf?“ „Naja, ich habe die Tränen gesehen, die an deinen Wangen herunterliefen. Und deine Augen waren ganz rot. Außerdem warst du auf der Flucht und wolltest nur noch weg von hier, habe ich Recht?“, fragte er, als wir die Kaiba-Villa verließen. Ich nickte. >Er hat mich weinen sehen! Verdammt! Nicht nur Kaiba, jetzt hat er auch noch gesehen, dass ich geheult habe!< Er riss mich aus den Gedanken. „Wenn du reden willst, bin ich für dich da.“ „Eh – was?“ „Ich sagte, ich bin für dich da, wenn du reden willst. Wenn etwas ist, dann sag' es mir.“ Sein Blick war in die Ferne, zum Horizont gerichtet. Der Himmel, der bereits rötlich verfärbt war und die Sonne, die langsam unterging, schafften eine romantische Atmosphäre. „Danke, Yugi.“ Erst im Nachhinein merkte ich, wie sehr ich meine Fassade wieder abgebaut hatte. Ich wollte doch nicht, dass er oder Kaiba mein wahres Ich erkennen. Ich sollte für sie die knallharte, selbstsichere und ehrgeizige Kyoko bleiben. Da klingelte mein Handy. „Du darfst ruhig rangehen. Es stört mich nicht.“ „Entschuldige.“ Ich klappte mein Handy auf. „Hallo?“ „Wo bist du?“, schrie Jun am anderen Ende der Leitung ins Telefon. „Schrei' nicht so, ich verstehe dich auch so.“ Wieder hielt ich das Handy weiter von meinem Ohr entfernt. „Wo zur Hölle steckst du? Ich sitze seit Ewigkeiten zu Hause und warte auf dich!“ „Sorry, heute morgen gab es einen kleinen Zwischenfall. Ich erklär's dir später.“ Endlich hatte sich mein Bruder beruhigt. „Wann kommst du nach Hause? Soll ich dich abholen?“ Und wieder diese Frage, die mich langsam nervte. „Wo bist du, Kleine?“, fragte Jun. „Erstens, ich komme nach Hause, wenn es mir passt und ich Lust dazu habe. Und die habe ich noch nicht. Ich habe mit dir nachher noch ein Hühnchen zu rupfen. Wegen der Aktion heute morgen. Zweitens, ich komme zu Fuß oder wie auch immer, du brauchst mich nicht abzuholen. Und drittens, ich lauf noch etwas durch die Gegend und will mir die Beine vertreten. Vielleicht gehe ich noch ein Eis essen oder trödele durch ein paar Geschäfte. Und glaub' bloß nicht, dass du so ohne weiteres davon kommst, Jun. Ich mach' dir die Hölle heiß, sobald ich zu Hause bin. Verlass' dich drauf.“, drohte ich. Im Hintergrund hörte ich die Türklingel. „Oh, das ist mein Besuch für heute Abend.“ „Aber treibt es bitte nicht im Wohnzimmer oder in meinem Zimmer. Ich habe keine Lust, morgen die Unterwäsche dieser Frau irgendwo zu finden oder die Flecken aus den Polstern und meiner Matratze zu waschen.“ Yugi sah mich verdutzt an. „Ach, Riiko?“ „Was denn jetzt noch?“ „Kannst du heute vielleicht wo anders übernachten?“ „Wie bitte? Ich glaub, ich hör' nicht richtig! Wo denn bitte?“ „Bei Kaiba...viellei...“ „Eher sterb' ich!!!“, brüllte ich. Yugi schreckte zusammen. Ich machte ihm anscheinend richtig Angst... „Tust du? Bitte!“ „Ja ja, schon okay. Aber verschwinde das nächste Mal bitte zu deinen Nachtbekanntschaften.“ „Danke, Riiko. Du bist ein Schatz!“ „Ja ja. Und tschüss.“ Ich legte auf. „Manno man, mein nerviger großer Bruder schon wieder.“ Wir gingen weiter. „Was hat er gesagt?“ „Er wollte wissen, wo ich bin und hat mich gebeten, heute wo anders zu übernachten. Er hat mal wieder eine Braut abgeschleppt und will sie ungestört vögeln. Seine kleine Schwester nervt da nur. Ich beschwere mich ja immer, wenn ich zu Hause bin und er es mit einem Betthäschen treibt. Das laute Gestöhne ist nicht auszuhalten.“ Yugi errötete. „Oh, entschuldige, dass ich so rede. Aber das ist so ziemlich das, was mich an ihm am meisten aufregt. Er ist ein totaler Weiberheld.“ „Nein, schon okay. Ich kann nachvollziehen, wie sehr es dich stört.“ „Das heißt, dass du...“ „Ich meine nur...ich kann mir denken, dass es für dich alles andere als angenehm ist, wenn dein Bruder mit einer Frau...wenn sie bei dir zu Hause sind...“ Es war ihm peinlich, über ein Thema wie dieses zu sprechen, man sah es ihm an den Augen ab. Es war irgendwie süß. "Ich war zwar noch nicht in so einer Lage, aber mir würde es wahrsscheinlich genauso gehen. Bestimmt würde ich auch so reagieren.", fügte er hinzu. „Schon gut. Ich will nicht länger darüber reden. Und du sicher auch nicht.“ Er nickte. „Wenn du willst, dann kannst du – ich meine, wenn du noch nicht weißt, wo du übernachtest, dann kannst du bei mir...“ Erneut klingelte mein Handy. „Entschuldige.“, sagte ich und klappte mein Handy auf. „Hallo?“ „Ich sehe dich.“ Ich erschrak. Wer war das? Was wollte er? „Wer ist da?“ „Du denkst, du bist unbeobachtet. Aber ich habe dich die ganze Zeit im Auge. Pass' bloß auf, was du tust. Sonst wird es dir noch Leid tun.“ Der Mann am anderen Ende der Leitung legte auf. „Was – ?“ Ich blieb stehen und starrte mit geweiteten Augen auf das Display meines Handys. „Ich gehe besser nach Hause.“ „Aber du sagtest doch...“ „Wir sehen uns bestimmt irgendwann wieder.“ „Warte!“, rief er, ich drehte mich um. „Tut mir Leid, aber es ist besser so. Ich will niemanden verletzen.“ Ich wandte mich von ihm ab und lief davon. ~Kurze Zeit später~ Das dritte Mal, dass mein Handy in so kurzer Zeit klingelte. „Versuch' doch, wegzulaufen, du entkommst mir nicht!“, sagte der Mann, der mich kurz zuvor bereits angerufen hatte. Er war wahrscheinlich ein Stalker. Vielleicht auch der, der heute morgen bei mir zu Hause war und auf mich und Kaiba schoss. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass jemand mich umbringen wollte. Ich klappte mein wieder zu und warf es in den nächsten Mülleimer. >Nein, das ist alles nur ein böser Traum! Das ist alles nicht wahr!<, redete ich mir ein. >Bitte, lass' es nur ein Traum sein! Bitte! Das soll aufhören!< Ich rannte die Straßen entlang, immer weiter, ich wollte nur noch weg von hier. >Nein! Das kann nicht wahr sein! Das ist alles irreal!< „Kyoko-chan!“, hörte ich eine kindlich klingende Stimme rufen. Ich blieb stehen, mitten auf der Straße, was ich viel zu spät bemerkte. Ich sah, dass ein LKW auf mich zu gefahren kam, er hupte, doch ich konnte mich nicht bewegen. „Weg da! Kyoko-chan! Pass' auf!“ Da war sie wieder. Diese Stimme. Wie angewurzelt blieb ich stehen. Bis ich das Gefühl in meinen Beinen zurückerlangt hatte und wegsprang. Der LKW schaltete die Warnblinkanlage ein und stoppte einige Meter neben mir. Der Fahrer kam heraus, rannte zu mir und fragte mich, ob es mir gut gehe. Ich nickte nur stumm. Ich hatte wahrscheinlich einen Schock erlitten. Ein Kind kam auf mich zugerannt. Der keine, Schwarzhaarige kniete bereits neben mir, als ich merkte, dass er mit mir sprach und an meinem Arm rüttelte. „Kyoko-chan, Kyoko-chan! Geht es dir gut? Was ist los mit dir?“ Ich erkannte, dass es Kaibas kleiner Bruder war, der mich da zu Boden redete. Ihn hatte ich ja schon kurz nach dem Motorradunfall kennen gelernt. „Es geht mir gut, lass' mich zufrieden.“ „Kyoko, ich hole Hilfe! Mein Bruder wird dich ins Krankenhaus fahren und pflegen.“ „Nein, das wirst du nicht!“ Ich packte das Handy, das er aus seinem Rucksack kramte, und ließ es nicht mehr los. „Dein Bruder kann mir gestohlen bleiben!“ „Habt ihr euch gestritten?“ „Ja, haben wir! Und jetzt geh! Geh' nach Hause! Lass' mich hier...“ Mokuba sah mich traurig an. „Ich wollte nur helfen.“ Er stand auf. „Warte, Mokuba!“ Ich setzte mich auf, Mokuba kniete sich leicht zu mir herunter. Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Danke, dass du dich um mich sorgst. Aber bitte, ich möchte nicht, weder mit dir, noch mit deinem Bruder, Freundschaft schließen, der was auch immer du dir erhoffst. Es tut mir Leid.“ Ich versuchte aufzustehen, schaffte es auch irgendwie, mich aufzurappeln. Mokuba stand nur da und sah mich an. Ich ging zu dem Fahrer des LKWs, bat ihn um Verzeihung, dass ich fast einen Unfall ausgelöst hätte, der daran weniger, an meiner Gesundheit aber umso mehr interessiert war, und mich mehrmals fragte, ob es mir wirklich gut ginge und ob er nicht besser einen Krankenwagen rufen solle. Ich verneinte jedes Mal. Mokuba stand noch immer da, der LKW war bereits fort und der Verkehr ging wie gewohnt reibungslos von statten. „Du bist ja immer noch da.“ „Ich mache mir Sorgen um dich. Ich will nicht, dass es dir schlecht geht.“ Ich kicherte und knete mich zu ihm herunter. „Das ist wirklich süß von dir. Ehrlich. Du scheinst deinem Bruder ja sehr zu ähneln. Jedenfalls sagt er auch immer, dass er sich Sorgen um mich macht, was ich mir bei ihm jedoch nicht vorstellen kann. Vor allem, warum, ist mir ein Rätsel. Wieso gerade ich? Wieso ist er zu mir nicht so abweisend, wie zu all den anderen wildfremden Leuten? Ich werde einfach nicht schlau aus ihm...“ Ich machte eine Pause. „Oh, entschuldige. Ich rede wieder unsinniges Zeug.“ „Du machst dir ja ganz schön viele Gedanken über Seto.“ Ich errötete und wandte mich ab. „Gar nicht wahr. Ich rege mich nur immer über diesen Kerl, der leider dein Bruder ist, auf. Ich verstehe ihn einfach nicht. Er behandelt mich wie einen Gegenstand, etwas wertvolles, dass nur ihm gehört und nicht kaputt gehen darf.“ „Weißt du, er und ich, wir waren, als wir noch klein waren, in einem Kinderheim. Dort war ein Mädchen, dass dir sehr ähnlich sah. Wir waren mit ihr befreundet, bis sie eines Tages für uns völlig unerwartet abgeholt wurde. Seto hat mir erzählt, dass ihr euch gestritten habt, bevor sie verschwand, er hat lange darüber nachgedacht. Nach langer Zeit hat er dann die Erinnerung an dieses Mädchen verdrängt, aber als du in der Zeitung standest, schien in ihm alles wieder hoch zu kommen.“ Ich weitete die Augen und erstarrte für einen Moment. >Was? Das kann nicht wahr sein! Er hält mich wirklich für dieses Mädchen? Er ahnt, dass ich seine Freundin aus der Vergangenheit bin! Unfassbar! Gar nicht gut, er darf es nicht herausfinden! Weder er, noch Mokuba, noch sonst irgendjemand!< „Ist was nicht in Ordnung oder warum schaust du so schockiert?“ „Nein, alles okay. Hör' mal, ich gehe jetzt nach Hause. Wenn du deinen Bruder siehst, dann erzähl' ihm bitte nichts von dem ganzen hier. Ich will nicht, dass er sich wieder um mich sorgt. Ich möchte, dass wir beide unsere eigenen, getrennten Wege gehen. Wir sollten Rivalen bleiben. Und er soll mich nicht mit einem Mädchen von damals vergleichen. Ich kenne dieses Mädchen nicht, das ihr beiden kanntet, und will auch nicht mit ihr verglichen werden.“ Mokuba blickte traurig zu Boden. „Versprichst du mir das?“ „Okay.“ Ich streckte den kleinen Finger meiner rechten Hand aus. Wir kreuzten die kleinen Finger und verhakten sie. „Dann ist ja alles klar.“ Ich stand auf. Noch immer sah Mokuba traurig aus. „Hey, Mokuba, jetzt schau' mich nicht so traurig an.“ „Aber ich hab' dich wirklich gern. Auch, wenn ich dich noch nicht sehr lange kenne.“ „Ich weiß. Vielleicht können wir uns ja anfreunden, wenn ich deinen Bruder bei einem Duell geschlagen habe.“, scherzte ich. Mokuba erstrahlte. Er schien das ganze nicht als einen Scherz aufzufassen, sondern dachte wohl, ich hätte das ernst gemeint. „Danke, Kyoko-chan. Ich hoffe, dass wir irgendwann vielleicht Freunde werden. Du, Seto und ich.“ „Das wäre schön.“, log ich. Ich wollte den kleinen nicht belügen. Doch ich hatte keine andere Wahl. Jetzt hoffe ich nur noch, dass er wirklich Stillschweigen über den Vorfall bewahrte. ~Bei Seto~ Meine Fingerspitzen jagten über die Tastatur meines Computers. Doch dann rührten sie sich nicht mehr. Meine Gedanken waren gefüllt mit Kyoko. Ihren Worten, ihrem Handeln, ihren Reaktionen. Ich sehe sie noch immer vor meinem inneren Auge. Die Bilder, die durch mein Gedächtnis rasen, bringen mich völlig aus dem Konzept. >Verdammt. Anstatt an die Arbeit zu denken, macht sie sich in meinen Gedanken breit.< In meiner Firma waren bereits alle Lampen aus, alle meine Mitarbeiter hatten schon Feierabend. Nur ich ackerte noch wie blöd. Wie ich das hasste. Ich erhob mich aus meinem Chefsessel und schritt in die Küche auf der Etage, um mir noch eine große Kanne Kaffee zu holen. Es war ja niemand mehr da, der für mich den Überlebenstrunk schlechthin zubereitete und an meinen Schreibtisch brachte. Der Kaffee lief durch die Maschine, hoffentlich war er bald fertig. „Du bist noch da, Ai?“, fragte ich, als ich eine Frau hinter mir hören könnte. Die Absätze ihrer Schuhe klackerten lauterwerdend über den Boden, als sie auf mich zu trat. Sie wollte wohl unbedingt auf sich aufmerksam machen. „Natürlich bin ich das, Seto. Für dich doch immer.“ Sie umarmte mich und fuhr mit ihren Händen über meine Brust. „Ich sehne mich nach dir.“ „Ai, ich habe dir bereits gesagt, dass zwischen uns nichts mehr läuft.“ „Aber warum? Ich dachte, du wärst mit mir immer auf deine Kosten gekommen.“ „Du kennst deinen Platz nicht, Ai.“ „Den kenne ich.“ „Nein, tust du nicht!“ Ich drehte mich zu ihr um, sie küsste mich auf den Mund und versuchte, mich anzuheizen. „Komm' schon. Ich weiß doch, dass du mich willst.“, flüsterte sie. Diese Frau nervte mich. „Geh'. Mach' Feierabend. Lass' mich.“ „Wieso, Seto? Gibt es etwa eine andere?“ „Wer weiß? Und wenn schon, dich geht das ganz bestimmt nichts an.“ „Keine ist besser als ich. Und das weißt du auch. Also? Wer ist sie? Kenne ich sie? Arbeitet sie hier?“ „Du weißt nicht, was du für mich bist.“ Mit der gefüllten Kaffeekanne ging ich in mein Büro zurück, sie folgte mir und versuchte noch immer, mich dazu zu bringen, dass ich wieder mit ihr schlafe, wie die vielen Male zuvor. „Du bist für mich nichts weiter als ein Zeitvertreib. Und wenn du das nicht einsiehst, dann verschwinde.“ „Wieso kann nicht mehr aus uns werden?“ „Ich habe gesagt, verschwinde.“ „Was soll das? Sag' schon, wer ist die andere?“ Jetzt zickte sie auch noch rum. Kann sie nicht endlich aufgeben? „Was gehst dich das an, Ai? Nichts! Mach' das du hier rauskommst! Lass' mich allein!“ , brüllte ich. Endlich ließ mich meine Sekretärin zufrieden und verließ das Gebäude. Das sagten mir die Sicherheitskameras. Diese Frau nervte mich. Dass sie nicht versteht, dass sie für mich nur ein langweilig gewordenes Spielzeug war, was jetzt weggeworfen wurde. Sie glaubte doch nicht wirklich, dass ich was von ihr wollte, nur, weil ich ein paar mal mit ihr geschlafen hatte. Ich nippte an meinem Kaffee und hoffte inständig, dass sie, die jetzt wieder in meinen Gedanken herumgeisterte, endlich zu mir kam, obwohl ich wusste, dass sie das nie tun würde. Dabei war sie das einzige, was mich berührte. Sie war diejenige, die für mich etwas besonderes war. Ich hatte mich auf sie und ihr Spiel eingelassen, aber es war mir egal. Ich habe es nicht darauf angelegt, doch ich habe sie gesucht und gefunden...Kyoko, wieso kommst du nicht zurück zu mir?... ~Fortsetzung folgt...~ Kapitel 6: Welcome - And Welcome Back! -------------------------------------- Kapitel 6: Welcome - And Welcome Back! Mit schnellem Schritt ging ich nach Hause. Ich dachte, ich hatte nun meine Ruhe, nach diesem ganzen Trubel, doch weit gefehlt. ~Setos Sicht~ Mokuba war gerade nach Hause gekommen und ungewöhnlich schnell in sein Zimmer verschwunden. Etwas verheimlichte er mir doch. Das ahnte ich. Ich war ziemlich neugierig, es könnte ja sein, dass es etwas mit Kyoko zu tun hatte. Doch erst einmal sah ich mir die 20.00 Uhr-Nachrichten an. Es war doch tatsächlich etwas passiert, nicht weit von hier. Ein LKW hatte beinahe ein Mädchen überfahren. Und wen sah ich da im Hintergrund? Natürlich Kyoko. Sie schien das Unglück ja gerade zu magisch anzuziehen. Ein Grinsen huschte für einen kurzen Moment auf mein Gesicht, das aber, so schnell wie es kam, auch wieder verschwand. Denn da entdeckte ich auch Mokuba. Das war es also. Nachdem ich die Nachrichten zu Ende gesehen hatte, ging ich nach oben und ging auf dessen Zimmer. Ich klopfte, keine Antwort. Ich öffnete sie, doch ich fand nur einen schlafenden Mokuba vor. Er lag bereits im Bett. Wahrscheinlich war er erschöpft, dieser Tag war, wie die letzten, ziemlich anstrengend für ihn. Ich wollte ihn zudecken, als ich einen kleinen Papierfetzen in seiner leicht zu einer Faust geballten Hand entdeckte. Eine Telefonnummer stand darauf. Vorsichtig öffnete ich seine Hand und nahm den Zettel heraus. Ich deckte ihn zu und verließ sein Zimmer. Auf meinem Zimmer angekommen, setzte mich auf meinen Sessel und klappte mein Laptop auf. >Mit ein wenig Trick und Wissen wird es mir bestimmt gelingen, herauszufinden, wessen Telefonnummer das ist.< Kurze Zeit später wusste ich auch, wessen Nummer es war, es war tatsächlich Kyokos. Und sich herausstellte, war es ihre Handynummer. Ich rief auf ihrem Handy an, mehrmals, aber nie ging jemand ran. Kurzerhand entschloss ich mich dazu, die Nummer dem Telefonbuch in meinem Handy hinzuzufügen, sowie die Nummer ihres Haustelefons. Ich drehte mich in meinem Sessel, um neunzig Grad, und sah durch die ganz verglaste Rückwand meines Zimmers, hinaus in das Dunkel der Nacht. Der Drang, sie anzurufen, war da, ich verspürte ihn, er war so stark, dass ich den Hörer des Telefons in die Hand nahm, ihre Nummer wählte und das Freizeichen ertönte, doch nach dem ersten 'Tuut' legte ich auf. Wenn sie sähe, dass ich anrufe, dann würde sie wahrscheinlich wieder wütend werden und auflegen. Doch ich wollte ihre Stimme hören. Ich wollte in ihrer Nähe sein. Zumal sie nach dem Vorfall heute morgen und unserem Streit ziemlich zerstreut wirkte. >Ich frage mich, ob sie das nicht gemerkt hat.< Mein Inneres verlangte nach ihr, nach ihrer Nähe und nach ihrer Zuneigung. Verdammt, was war das für ein Gefühl? Wollte ich sie nur für eine Nacht, oder war es das Gefühl, was man 'Liebe' nannte? Ich beschloss, noch einmal nach draußen zu gehen, um meinen Kopf frei zu bekommen. Es lag noch ein Haufen Arbeit vor mir, was das Turnier betraf, das in zwei Tagen mit dem Halbfinale und schließlich mit dem Finale endete. Doch wie sollte man an Arbeit denken, wenn ein Mädchen, was man begehrt, einem alle Sinne vernebelt? Die Sonne war schon lange untergegangen, es war dunkel und die Straßenlaternen, die von Insekten umflogen wurden, warfen ein grelles Licht auf die Straßen. Es war eine recht kühle Sommernacht, mir war ein wenig kalt, denn es war kühler geworden, als ich dachte. Meine Hände vergrub ich in den Taschen meines Mantels. Der Kies, der überall verstreut war und die Wege kennzeichnete, knirschte unter meinen Füßen. Der Rasen und die Wege waren durch die Laternen, die rechts und links neben dem Weg standen, reichlich und zu genüge erhellt. Es war viel heller, als auf den Straßen. Ich schritt auf das Tor vor meiner Villa zu, die mein Eigentum von dem der Stadt trennte und ging die Straßen hinunter. Ich zog das Handy aus meiner Manteltasche und rief auf ihrem Handy an, da ich mit ihr reden wollte – wie immer. Wir hatten uns gestritten, was auch nichts neues mehr war. Ich wollte mich bei ihr entschuldigen, doch sie würde mir garantiert nicht zuhören. Sie denkt, ich könnte so etwas ja nicht. Ich meine es doch gar nicht ernst. Ich wolle sie ja nur benutzen, sie um den Finger wickeln, mit ihr schlafen und sie dann wieder wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. So dachte sie bestimmt – zuzutrauen wäre es ihr ja. Dabei entschuldigte ich mich nie bei anderen Leuten, außer bei Mokuba. Und neuerdings bei ihr, die mein Leben von jetzt auf gleich verändert hatte. Da hörte ich gleichzeitig ein Klingeln eines Handys. Ich erinnerte mich, es war der gleiche, wie Kyoko ihn hatte. Ich hatte in gehört als sie von ihrem Bruder angerufen wurde. Ich bin ihr nachgegangen, als sie nach dem Turnier durch die Stadt bummelte. Davon weiß sie jedoch nichts... Das Handy klingelte, ich legte auf, im selben Moment verstummte das Klingeln, und das Surren des Vibrationsalarms. Ich rief erneut an, wieder das Klingeln, zeitgleich. Es kam aus einer überfüllten Mülltonne. Es lag oben auf, ich nahm es mit einem Taschentuch in die Hand, wischte es damit ab, bis der Schmutz , der es benetzte, vollkommen zwischen den Fasern des Taschentuchs haftete und das Handy seine ursprüngliche, blutrote Färbung zeigte. >So ein Handy würde zu ihr passen. Die Farbe, der Typ, die Marke...< Ich klappte es auf, und testete, ob es wirklich ihr Handy war. Ich hielt beide Handys an meine Ohren, fragte, wer da sei, und tatsächlich: Meine Stimme hallte als dem anderen Handy wider. Also war es wirklich ihres. Aber was sollte ich jetzt tun? Es ihr zurückbringen? Oder sollte ich es behalten? Sie würde ihr Handy doch nicht ohne Grund in den Mülleimer werfen. In Gedanken versunken merkte ich erst kurze Zeit später, dass ihr Handy ein weiteres Mal klingelte. Mit einem eiskalten 'Wer ist da?' begann ich das Gespräch. „Oh, entschuldigen Sie, ich wollte eigentlich mit meiner Schwester sprechen. Vielleicht habe ich mich nur verwählt.“ „Warten Sie!“, sagte ich schon ein wenig wütend klingend. Der junge Mann am anderen Ende der Leitung brachte ein eingeschüchtertes „Was ist denn?“ heraus, mehr nicht. „Ich habe das Handy Ihrer Schwester in einer Mülltonne gefunden, als ich versuchte, sie zu erreichen.“ Der junge Mann am anderen Ende der Leitung räusperte sich. „Oh, ähm...Entschuldigen Sie, sind Sie vielleicht Seto Kaiba?“ „Wer will das wissen?“, fragte ich in einem arroganten Ton. „Jun Ishino. Ich bin Kyokos Halbbruder, sie wohnt bei mir. Ich mache mir große Sorgen um sie, weil sie noch immer nicht zu Hause ist.“ Ich erschrak. Sie war nicht zu Hause und meldet sich nicht, ihr Handy lag in einer Mülltonne...sie wird doch nicht... „Sie ist noch nicht zu Hause?“ „Nein, sie meldet sich auch nicht. Hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen...“ „Ich werde sie suchen. Wenn sie nach Hause kommt, soll sie sich melden.“, brüllte ich voreilig in das Handy. „Das kann ich nicht von Ihnen verlangen,...“ „Ich sagte, ich suche nach ihr. Und ich werde nicht aufhören, bis ich sie gefunden habe!“ „Wenn Sie meinen...Vielen Dank für Ihre Unterstützung.“ „Ich melde mich, wenn es etwas neues gibt.“ Damit beendete ich das Gespräch und legte auf. Ich eilte zurück zur Villa, um einen Wagen aus der Garage zu holen. Dort angekommen, traf ich auf Roland, dem ich sagte, dass ich nach Kyoko suchen werde, da sie seit heute Abend verschwunden war. Er versicherte mir, dass er sich in der Zeit, in der ich weg war, um Mokuba kümmerte, wenn er wach wurde, würde er ihm sagen, dass ich zurück in die Firma musste. Er musste ja nicht wissen, dass Kyoko, an der er ganz offensichtlich sehr hing, unauffindbar war. Der Wagen raste durch die Stadt, durch die Viertel der Reichen und der weniger Reichen, bis hin zu den Plattenbauten im Armenviertel der Stadt. Doch ich fand sie nicht. Die Anzeige in meinem Auto zeigte bereits nach Mitternacht. Es regnete in Strömen. „Verdammt, wo ist sie bloß?“, murrte ich vor mich hin, bis ich an einem Spielplatz vorbeikam. Ich hielt kurz an, da ich jemanden auf einer Schaukel sitzen saß. Es war eine Frau, oder eher ein Mädchen, das dort saß, den Kopf gesenkt, die Hände an den Seilen und ziemlich zusammengekauert. Sie war nicht sehr warm gekleidet, sie fror wahrscheinlich. Ich kurbelte das Fenster herunter. „Kyoko, bist du es?“, rief ich, worauf das junge Mädchen aufblickte und ich ihre leuchtend roten Augen sah. Kein Zweifel, sie war es. Ich stellte den Wagen in einer Parklücke ab und stieg aus dem Wagen, blieb an der Autotüre stehen, das Mädchen hatte ihren Blick wieder gesenkt. Eine Windböe wehte einige Blätter herum und fuhr mir, und ihr, die entfernt auf der Schaukel saß, und sich nicht rührte, durchs Haar. Ich ging langsam auf sie zu. Sie würdigte mich keines Blickes und machte den Eindruck, dass sie sich wünschte, dass ich sie nicht gefunden hätte. „Verschwinde.“ Ich stand vor ihr und blickte auf sie herab. Sie war durchnässt, ihre Kleidung sowie ihr schwarzes Haar klebte an ihrer Haut. Das Make-up in ihrem Gesicht war verlaufen. „Ich will nicht, dass du mich so siehst.“ Noch immer sah ich auf das Mädchen herab, das vor mir auf der Schaukel saß und den Boden anstarrte. „Lass' mich allein, Kaiba!“ „Und wenn ich es nicht tue?“ Sie schwieg. Das einzige, was ich hörte, war ein leises Schluchzen, das von ihr kam. „Ver – Verschwinde einfach!“ „Ich lasse dich nicht allein hier. Dein Bruder macht sich schließlich Sorgen um dich.“ „Was geht dich das an? Dann sorgst sich mein Bruder eben um mich! Kümmer' dich gefälligst um deinen eigenen Kram...“ Ihre Hände ballte sie zu Fäusten. Ich reichte ihr ihr Handy. Sie sah es ein wenig schockiert an und schlug meine Hand weg, worauf das Handy einige Meter weggeschleudert wurde und zu Boden fiel. „Sag' mir, was ist eigentlich in dich gefahren? Spinnst du? Du solltest froh sein, dass ich dich gefunden habe!“, schrie ich sie an, doch sie regte sich nicht. Das einzige, was sie tat, war, noch wütender, als ich es war, zu klingen und noch immer meinen Blicken auszuweichen. „Ich bin nicht froh darüber! Ich werde dich nur in ein Unglück stürzen! Ich will nicht, dass du dich weiterhin in mein Leben einmischst!“ Sie starrte noch immer zu Boden. „Was redest du da für einen Unsinn?“ Ich verstand nicht, was sie da sagte, ich hielt es für einen dummen Scherz. „Es – Es war kein Unfall...“ „Wovon redest du? Ich verstehe kein Wort!“ „Der Schuss auf uns, gestern morgen – “ „Was ist damit?“ „Ich habe das Gefühl, dass jemand hinter mir her ist...“ „Was?“ Ich klang schockiert und wütend zugleich. >Wieso sollte sie jemand verfolgen? Hat sie irgendwas verbrochen?<, dachte ich. Es machte für mich keinen Sinn. >Wieso sollte jemand, den sie wahrscheinlich noch nicht einmal kennt, sie, ausgerechnet sie hassen?< „Du hast richtig gehört. Deshalb habe ich auch mein Handy weggeworfen. Weil mich immer wieder jemand angerufen und bedroht hat.“ „Du machst Witze! Das glaube ich dir nicht! Wieso sitzt du dann in so einer abgelegenen Ortschaft rum? Hier kann dich jeder überfallen oder dir sonst etwas tun...“ „Was sollte ich denn machen? Was hättest du an meiner Stelle getan? Nach Hause konnte ich nicht, wir hatten uns gestritten und Yugi habe ich einfach auf der Straße stehen lassen, weil ich abgehauen bin. Ich will niemanden in Gefahr bringen! Wann verstehst du es endlich?“ Endlich sah sie in mein Gesicht. Ich sah, wie ihre Tränen ihre Augen füllten und aus ihren Augenwinkeln an ihren Wangen zum Kinn herunterliefen und auf ihre Oberschenkel tropfte. „Wieso hast du mir das nicht eher gesagt?“, fragte ich sie, doch sie wich aus. „Jetzt, wo du es weißt, solltest du so schnell wie möglich von hier verschwinden. Ich will nicht, dass dir oder Mokuba etwas zustößt.“ „Du bist so stur, Kyoko! Nie siehst du etwas ein! Denkst du wirklich, dass ich dich hier in diesem abgelegenen Kaff zurücklasse?“ „Was bleibt dir denn übrig?“ „Du wirst mit mir kommen.“ „Auf gar keinen Fall!“ Sie sah mir wütend in die Augen und schien zu hoffen, dass ich nachgab. Doch nicht mit mir. Niemand legt sich mit mir, Seto Kaiba an. Auch wenn sie es ist, die ich in meinem Inneren so sehr begehrte... „Wenn du nicht freiwillig mit mir gehst, dann nehme ich dich eben mit Gewalt mit. Und glaub' nicht, dass du mir entkommst!“ Ich packte sie am Handgelenk und spürte ihre eiskalte Haut, als ich sie von der Schaukel zum Wagen zog. Sie hatte ihren Blick wieder gesenkt und starrte den Boden an. Am Wagen angekommen setzte sie sich ohne Gegenwehr auf den Beifahrersitz. Ich machte sie fest, da sie jede noch so kleine Bewegung zu meiden schien, und schloss die Türe, eilte zur Fahrertüre und stieg ein. „Bring' mich nach Hause.“, forderte sie leise. „Nein.“ „Nein?“ „Du kommst mit zu mir. Ich werde dich nicht unnötig in Gefahr bringen.“ „Ich kann auf mich selbst aufpassen! Verstehst du's nicht oder willst du es nicht verstehen?“ Ich warf ihr wortlos mein Handy auf den Schoß. „Ruf' deinen Bruder an, er soll alles notwendige von dir und ihm einpacken. Ihr werdet zu mir ziehen.“ „Das kannst du voll vergessen! Eher erschieße ich mich, als bei dir einzuziehen!“ „Na gut. Wenn du meinst...steig' aus.“, sagte ich genervt, als wir an einer Ampel hielten. Sie schwieg. „Na mach' schon. Wenn du willst, dann geh', ich werde dich nicht aufhalten.“ Erneut schwieg sie. Die nahm das Handy in ihre zitternden Hände und wählte eine Nummer. „Jun? Pack' ein paar Klamotten zusammen, ein paar von dir und welche von mir. Ich werde es dir später erklären.“, sagte sie in das Handy, kurz nachdem sie die Verbindung zum Handy ihres Bruders aufgebaut hatte. „Mach' schon. Halte dich bereit, du wirst abgeholt. Und stell' keine Fragen.“ Sie machte eine Pause. „Tu's für mich.“, hörte ich sie sagen, dann legte sie auf. „Er macht sich bereit.“, sagte sie leise. „Gut gemacht.“, lobte ich sie. Ich schaute auf die Straße und gab Gas, als die Ampel auf Grün sprang. „Dir wird nichts passieren. Verlass' dich ganz auf mich, Kyoko.“, sagte ich in einem halbwegs einfühlsam klingenden Ton. „Wenn ich mich auf dich verlasse, dann kann ich mich ja gleich umbringen! Du willst mich doch nur benutzen! So, wie du die anderen Frauen benutzt!“ „Du bist aber nicht wie andere. Wenn ich dich haben könnte, dann wären mir alle anderen Frauen egal.“ Ich glaubte selbst nicht, was ich da sagte. Ich dachte nach, wie sie wohl reagieren würde. „Du willst mich doch nur flachlegen!“ „Will ich das? Jetzt, wo du es sagst, du bist ein wunderschönes Mädchen, bist intelligent und lässt dir von niemandem etwas vorschreiben. Das könnte spaßig werden. So eine Frau wie dich habe ich noch nicht flachgelegt. Danke für den Tipp.“ Ihrem Blick nach zu urteilen dachte sie wohl darüber nach, was sie da schon wieder gesagt hatte. Dass sie auch nie die Klappe halten konnte. In diesem Moment war sie wirklich durchschaubar. Ich grinste. Irgendwie war es das, was sie so interessant machte. >Sie ist irgendwie, auf ihre eigene Art und Weise, echt süß. Warte mal, wo denke ich hin? Wegen dieser Zicke? Wieso will ich, dass sie bei mir, nur bei mir und bei keinem anderen Kerl, ist?< Sie stieß einen Seufzer aus. „So tief bin ich also schon gesunken, dass mit dir in einem Haus wohnen muss, ja?“, sagte sie, die sich die Hände rieb, um ein wenig Körperwärme zu erzeugen. Ich schaltete die Heizung des Wagens ein. „So schlecht wie bei dir wohnt es sich bei mir ganz bestimmt nicht. Ach, übrigens, du wirst in das Zimmer direkt neben meinem einziehen. Dann habe ich dich wenigstens unter Kontrolle.“ „Kannst du vergessen. Eher schlaf' ich auf dem Dach oder auf dem Flur oder sonst wo!“ „Dann schlaf' eben neben mir in meinem Bett.“ Ihre Kinnlade näherte sich immer mehr dem Boden an. „Dann haben wir das ja geklärt.“ „Kaiba...du...Perversling!“ Nach mehreren Minuten der Stille erreichten wir die Kaiba-Villa. „Mach' mich nicht dafür verantwortlich, wenn dir oder deinem Bruder etwas passiert. Ich habe dich gewarnt!“ „Ja ja. Schon kapiert. Mach' mich genau so wenig dafür verantwortlich, wenn dir was passiert.“ „Pfft.“ Wir stiegen, in der Tiefgarage angekommen, aus dem Wagen. „Sobald ich die Gelegenheit habe, verschwinde ich.“, hörte ich sie flüstern. „Hast du was gesagt?“ Ich drückte sie an den Wagen und sah ihr in die Augen. Feurig rot traf eisig blau. „Nö. Nichts, was dich interessieren sollte.“ „Das will ich auch hoffen.“ Ich entfernte mich von ihr, die auf ihren Wangen eine rote Farbe angesetzt hatte. „Mokuba wird sich freuen, wenn er hört, dass du ab jetzt hier wohnst.“ „Ha ha, echt guter Witz.“, sagte sie ironisch. „Dafür hasse ich es umso mehr, dass ich mit dir unter einem Dach leben muss.“ Sie seufzte erneut. „Was habe ich dir mal gesagt: Du sollst dich nie wieder in mein Leben einmischen?“ „Ich lasse mir von niemandem etwas vorschreiben. Auch nicht von dir, Kyoko.“ Meine Betonung lag auf ihrem Namen, sie errötete erneut und sah zu Boden. Ich grinste. „So schüchtern kenne ich dich gar nicht.“ „Ich und schüchtern? Du bildest dir da aber was ein!“ Ich frage mich wirklich was das für Konsequenzen hat, wenn sie hier wohnt. Oder ob es doch ein Nutzen für mich wäre. ~Einige Zeit später~ Wir gingen in die Villa, wo uns schon Kyokos Bruder erwartete. „Hey, Rii – Kyoko! Sag' mal, was soll das ganze hier eigentlich?“, fuhr er sie an und packte sie an den Schultern. Ich stutzte. >Wieso hatte er erst Rii – gesagt, und dann erst dann Kyoko? Hat sie einen anderen Namen? Ist dieses Mädchen nun doch eine Unbekannte für mich? Ein Name, der nicht echt, sondern nur ein Pseudonym ist? Was verschweigt sie mir noch? Was will sie damit bezwecken?< „Das erfahren Sie schon noch. Lassen Sie sie jetzt erst mal in Ruhe. Sie sehen doch, wie miserabel es ihr im Moment geht.“, sagte ich – es ging mir gediegen auf den Keks, dass er sie, jetzt, wo sie wirklich total am Ende war, so derartig mit Fragen löcherte. Der junge Mann murrte. „Pfft.“ Kyoko war nicht gerade begeistert. Ihre Reaktionen zauberten mir immer wieder ein Grinsen auf meine Lippen. „Du, Kyoko,...“ Ich wurde hellhörig, als ihr Bruder wieder mit ihr sprach, ließ es mir jedoch nicht anmerken. „Was denn noch? Soll ich ihn noch heiraten oder was willst du jetzt schon wieder?“ Kyoko verabscheute es. Sie hasste die Situation, in der sie sich nun befand. Und wie sich später ergibt, wird es noch schlimmer für sie werden. „Ich muss morgen Mittag los, ich muss mit meinem Chef auf eine Geschäftsreise. Ich werde dann die nächsten sechs Wochen nicht hier sein.“ „Das sagst du mir jetzt? Was soll das, Jun? Du willst mich doch hier nicht mit diesem Kerl allein lassen? Und schon gar nicht für sechs Wochen?!“ „Tut mir Leid, Kyoko, dass ich es dir nicht schon früher gesagt habe.“ „Das will ich auch meinen –“ „Machen Sie sich keine Sorgen, ich kümmere mich um Ihre kleine Schwester. Sie wird bei mir in guten Händen sein. Es wird ihr an nichts fehlen.“ Kyoko zog eine Grimasse. Sie versuchte wohl, mich nachzuahmen. „Vielen Dank, Mister Kaiba. Ich weiß nicht wie ich Ihnen danken soll! Sie kümmern sich bestimmt rührend um sie. Vielen Dank.“ „Jetzt übertreib' mal nicht! Der verdient deine Dankesreden nicht, Bruder.“ Ich warf ihr einen genervten Blick zu, worauf sie einen kleinen, dennoch hörbaren Seufzer ausstieß. „Ich ziehe zu Yugi. Der nimmt mich bestimmt bei sich auf.“ „Oh nein, du bleibst hier.“ „Was? Schon wieder eifersüchtig? Denkst du, dass er dir nicht nur den Titel als weltbester Duellant wegnimmt, sondern dir auch noch dein von dir ausgesuchtes neues Betthäschen wegschnappt?“ Das war zu viel des Guten. „Wieso sagst du nichts mehr? Ich hab' wohl ins Schwarze getroffen, was? Komm', gib' es zu, du hast mich nur hier her gebracht, um mich flachzulegen, stimmt's?“ Jeder Satz war zu viel. Ich kochte vor Wut. Ich hätte ihr eine knallen können. Doch ich bin nicht der Typ von Mann, der Frauen schlägt. „Los, sag' es!“, forderte sie. „Kyoko, Schluss jetzt! Hör' sofort auf, ihn zu beleidigen. Entschuldigen Sie, dass meine kleine Schwester so vorlaut ist –“ „Schon gut. Ich will sie nicht aufhalten. Wenn sie will, dann soll sie doch gehen. Das ist mir völlig egal. Und was sie denkt interessiert mich nicht im geringsten.“ Ich drehte mich um und ging schweigend nach oben. „Ja, geh' doch, Kaiba! Mir soll es Recht sein! Wieso hast du nicht gleich aufgegeben?! Du kriegst mich nicht rum! Du hast schon bei deinem ersten Zug verloren, in deinem eigenen Spiel! Du bist ein Versager, ein Mistkerl, ein hinterlistiges Arschloch!“, brüllte sie mir hinterher. „Weißt du was, Kyoko?“ Sie starrte mich an. „Ich gebe zu, ich bin zerfressen von Eifersucht. Ich hasse es, wenn du auf Stur stellst. Ich mag es nicht, wenn du mich ignorierst und du einfach nicht das tust, was man von dir verlangt. Aber ich mag dich und deine Art. Und daran ändert sich auch nichts. Auch nicht deine Zickereien.“ Mit einem Schlag war sie ruhig gestellt. „Gute Nacht.“ Ein Lächeln huschte auf mein Gesicht. „Ach ja, bevor ich es vergesse...“ Ich ging die Treppe wieder hinunter, nahm sie am Handgelenk und zog sie hinter mir her. „Roland, zeigen sie Ishino-san sein Zimmer. Ich werde dafür sorgen, dass sich Kyoko etwas frisch und für's Bett fertig machen kann.“ „Natürlich. Eine gute Nacht wünsche ich, Master Kaiba.“ Wir gingen zusammen zu meinem Zimmer. „Was wird dass denn jetzt wieder?“ Ich zog sie in mein Schlafzimmer, weiter durch zum eigenen Badezimmer. „Geh' dich erst einmal duschen. Handtücher liegen in Schrank, einen Schlafanzug kannst du dir von mir leihen.“ Sie sah mich grimmig an. „Ich werde heute in einem anderen Zimmer schlafen, du kannst also unbesorgt sein.“ Damit verschwand ich aus meinem Zimmer und ging über den Flur, mit dem Gedanken, wo ich jetzt schlafen sollte. ~Kyokos Sicht~ Die Türe ging zu. Kaiba war nach draußen auf den Flur gegangen. >Ich habe doch gesagt, ich würde wo anders schlafen. Der hat wohl was an den Ohren!<, dachte ich, warf meine durchnässte Kleidung auf den Boden und drehte die Dusche auf. Ich schloss die Augen, stellte mich unter die Brause und ließ das Wasser an meiner Haut herunterlaufen. So eine Dusche war wirklich toll. Bis ich feststellte, dass in der Dusche nur Shampoo von Seto stand, was ja sehr verwunderlich ist, wenn es sein eigenes Bad war. Ach, nein, was bin ich heute wieder sarkastisch. Wieso sollte hier denn auch mein Shampoo, mein Lieblingsshampoo, was so schön nach Zitrone duftete, stehen? Also blieb mir nun nichts anderes übrig, als seines zu benutzen, wohl oder übel. Ich wollte ja schließllich sauber werden, außerdem fände ich es nicht so toll vor Kaiba ungepflegt zu stehen. Oh, nein, das sicher nicht. Ich leerte die Shampooflasche, es war nicht mehr sehr viel drin. Ich wusch mir die Haare und mit einem ebenso sehr teuren und edlen Duschgel den Rest meines Körpers. Selbst solche Sachen mussten bei ihm von einer weltbekannten, sehr teuren und noblen Marke sein. Auch wenn es nur Seife war. Man(n) kann es mit der Eitelkeit auch übertreiben, nicht wahr, Kaiba? Der Gedanke, er würde eine dumme Bemerkung machen, wenn er mitbekommt, dass ich sein Duschzeug benutzt habe, jagte mit einen Schauder über den Rücken. Es bereitete mir Kopfschmerzen. Jetzt rieche ich genau so wie er. Total maskulin. Ich fühle mich schon, als hätte ich meine weiblichen Reize verloren, die nicht gerade unauffällig waren. Ich wäre von ihm abhängig, wenn ich ihn nicht hätte. Aber warte mal, er wollte doch unbedingt, dass ich duschen gehe. Na dann hat er Pech gehabt. Dann hat er eben kein Shampoo mehr. Auch egal. Mich geht es nichts an, solange er nicht bestialisch nach Moschusochse oder einem ekelerregenden Parfüm seiner One-Night-Stands riecht. >Ich bin ja nur für diese Nacht hier. Gleich morgen früh werde ich meine sieben Sachen packen, die Jun mir mitgebracht hat und mir ein Hotelzimmer nehmen. Ich werde doch nicht bei Yugi einziehen. Das habe ich eigentlich nur gesagt, um zu testen, ob Seto wirklich so eifersüchtig wird, was ja geklappt hat. Jun ist ab morgen sowieso nicht mehr da. Die große Frage bleibt aber. Wer passt auf unser Haus auf, wenn Kaiba mich zwingt, hier zu wohnen? Oder ich wo anders wohne? Oder soll ich es wagen, wieder nach Hause zu ziehen?< Ich drehte das Wasser ab und griff nach einem Handtuch, trocknete mich ab und trocknete meine Haare. Des Weiteren fand ich ein weißes Hemd und eine graue Boxershorts, beides gewaschen und ordentlich zusammengelegt auf einem kleinen Hocker liegend, beides zog ich an, um nicht völlig unbekleidet zurück in sein Zimmer gehen zu müssen. Meine Sachen waren wahrscheinlich in Juns Zimmer, wo das war, wusste ich nicht. >Ich gehe doch nicht nur mit einem Handtuch bekleidet durch Kaibas Haus. Schon gar nicht, wenn ich nicht weiß, wo er gerade herumgeistert.< Barfuß ging ich in sein Zimmer zurück, er war gar nicht da. Er war wohl noch immer auf dem Flur, oder mittlerweile sonst wo. Ich nutzte die Zeit und sah mich ein wenig um. Denn an schlafen war noch nicht zu denken. Ich war hellwach, zwar nicht mehr die fitteste, aber wach. Und konnte nicht einschlafen. Ich stöberte durch die Bücherregale und fand ein paar Fotos von ihm und seinem kleinen Bruder. Der kleine lachte, Seto schien dem Betrachter des Fotos direkt anzustarren. Ich nahm das Foto in die Hand und wischte leicht mit dem rechten Daumen über das durch das Glas, das das alte, blass gewordene Foto umfasse. Es war lange her. Ich würde Seto um die neun einschätzen, Mokuba war noch klein, er war etwa halb so alt wie er. Ich wusste es nicht genau, aber so ungefähr sahen die beiden aus. Es muss nachdem ich verschwand aufgenommen worden sein. Der Hintergrund war jedenfalls nicht ein Teil des Heimes, wo wir drei früher waren. Außerdem lächelte Mokuba, während der Zeit im Heim habe ich ihn nicht ein einziges Mal lächeln sehen. Ich erinnere mich an diesen Tag, als wäre es erst gestern gewesen. Als ich fortging, da hatte der kleine geweint. Er wollte nie, dass ich ihn verließ, da ich für ihn wie eine große Schwester war, ein Mädchen, das, für ihn jedenfalls, voll und ganz zu seiner Familie gehörte. Seto allerdings, er verzog keine Mine, als ich ging. Er stand nur da, neben seinem Bruder, der sich an seiner rechten Hand festhielt, flennte und Seto sagte, er solle mich aufhalten. Doch er stand nur da und starrte in meine Richtung. Ich hatte mich nicht umgedreht, ich brachte es nicht über's Herz, in das mit Tränen überflutete Gesicht Mokubas, aber auch in das ernste, nichts sagende Gesicht von Seto zu sehen. Ich verließ das Heim, nicht ahnend, was die Zukunft für mich bereit hielt. Eine Träne kullerte aus meinem Augenwinkel, ich schloss die Augen. Ich zitterte ein wenig und legte meine rechte Hand auf die Lippen. Verdammt, dieses Foto ließ meine ganzen Erinnerungen aus meiner Kindheit wieder in mir hochkommen. Ich bekam ein flaues Gefühl in der Magengegend, stellte das Foto wieder in das Regal und schritt eiligen Schrittes ins Bad zurück, wo ich mich vor die Toilette kniete. In mir schien alles hochzukommen, nicht nur der Inhalt meines Magens, sondern auch die Erinnerungen, die ich um jeden Preis vergessen wollte. Einige Zeit später hörte ich Stimmen von nebenan. „Kyoko, wo bist du? Was ist los?“, hörte ich Seto fragen, er befand sich wahrscheinlich in seinem Schlafzimmer, ein Zimmer weiter. Ich hockte noch immer vor der Toilette, der Inhalt meines Magens hatte bereits den Weg nach draußen gefunden. Er war leer, dachte ich, so viel, wie ich gebrochen hatte... Da ging die Badezimmertüre auf und ich spürte, wie der eiskalte Blick zweier Augen meinen Rücken zu durchbohrten schien. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte er eiskalt. Ich blieb sitzen und drehte mich auch nicht um. „Was willst du? Ich bin beschäftigt. Und bevor ich mich gleich wieder übergebe, solltest du gehen.“ Er starrte mich an. „Ich wollte eigentlich nur meine Sachen holen, da du sie jetzt aber an hast, kann ich das wohl vergessen.“ „Entschuldige, dass ich mir deine Klamotten geliehen habe. Aber meine hatte ich ja leider nicht. Außerdem werde ich bestimmt nicht nackt durch dein Haus rennen.“, rief ich. Und wieder beugte ich mich über die Schüssel, als er mir die Haare nach hinten weg hielt. „Lass' mich in Ruhe. Ich hab' schon den Geschmack meines Erbrochenen im Mund, da muss ich nicht noch so einen großkotzigen Typen hinter mir stehen haben.“ „Hm.“ „Nun geh' schon.“, forderte ich. „Ich kann mich auch alleine auskotzen.“ „Wie du willst. Wenn etwas ist, ich warte drüben.“ Meine Haare fielen auf meinen Rücken und in mein Gesicht. Er verließ das Bad. Ich blieb noch eine Weile auf den Marmorfliesen sitzen, bis ich mich aufrappelte und in sein Schlafzimmer zurückging, wo er schon auf mich wartete. „Endlich fertig?“ Ich sah ihn giftig an. „Pfft.“ „Beleidigt?“ „Geht dich nichts an.“ „Und ob mich das was angeht.“ „Lass' mich doch.“ „Mit nichten.“ Ich starrte aus dem Fenster. Draußen regnete es noch immer in Strömen und es grummelte. Der Mond war nicht zu sehen, er versteckte sich hinter den riesigen, dunklen Wolken. „Willst du nicht langsam schlafen? Du musst erschöpft sein.“ „Ich kann nicht schlafen.“ Ich zitterte, die hellen Blitze am Himmel ließen meine Knie wanken. „Du bist zu stur, Kyoko.“ „Ach ja? Würdest du es mir vergelten? Ist meine Sorge nicht gerechtfertigt?“ „Du kannst beruhigt sein. Ich werde nicht über dich herfallen – ich habe bereits ein anderes Zimmer weiter weg von hier bezogen.“ „Na und? Meinst du, ich würde darauf reinfallen? Die Masche zieht bei mir nicht!“ Ich hielt die Hände vor mein Gesicht. Ich hatte Angst, wollte sie aber nicht zeigen. Ich hatte Angst davor, in den gewittrigen Himmel zu schauen, aber auch davor, mich umzudrehen und zu Seto aufzusehen. Er würde in mein mit Angst erfülltes Gesicht sehen, eine weitere Schwäche entdecken. „Denk, was du willst. Wenn du mir nicht vertraust, ist es nicht an mir. Ich habe gesagt, was ich sagen wollte.“ Er war sauer, drehte sich um und ging auf die Türe zu. „Tu', was du für richtig hälst. Ich werde dich nicht aufhalten. Gute Nacht.“ Er wollte gerade den Raum verlassen, als ich eilig auf ihn zu ging und ihn am Hemd festhielt. Ich schloss die Augen. „Was soll das schon wieder?“ Ich zuckte zusammen, als das grelle, weiße Licht eines weiteren Blitzes das Zimmer erhellte. „Hast du Schiss oder was?“ kam es genervt von dem Kerl, der knapp zwei Köpfe größer als ich war. Plötzlich ließ ich los, als ich merkte, was ich gerade getan hatte. „Vergiss' es einfach! Geh' schon!“ Wieder zuckte ich zusammen, als sich das grelle Licht eines weiteren Blitzes im Zimmer ausbreitete und es für den Bruchteil einer Sekunde erhellte. Plötzlich spürte ich seine warmen Hände auf meinen Ohren. „Hör' nicht hin. Dann ist es nicht so schlimm.“ „Weißt du, ich hatte schon immer Angst vor Gewittern. Meine Mutter nahm sich nie Zeit für mich, auch nicht, bevor uns mein Vater verlassen hatte. Er war ständig unterwegs, für mich hatte er nie Zeit. Niemand war da, um mich zu trösten, mich zu beschützen. Ich war ständig allein zu Hause, bis mein Vater für immer fortging. Und während der Gewitter habe ich mich immer versteckt, unter den Tischen, in Schränken oder sonst wo. Ich hatte Angst, einfach höllische, panische Angst.“ Er sagte nichts dazu, schloss stattdessen die Augen. „Leg' dich schlafen. Es reicht jetzt.“ Er schloss die Vorhänge, die kein Licht von draußen mehr hineinließen. Er schaltete eine Lampe ein, die ein wenig Licht spendete, damit wir nicht im völligen Dunkel standen. Das warme Licht ließ mich Geborgenheit spüren. „Hier. Das hilft dir vielleicht ein wenig ruhiger zu werden.“ Er reichte mir ein paar große Kopfhörer, aus denen bereits beruhigende Klänge zu hören waren. Ich legte sie um meinen Nacken. „Danke, Kaiba.“ „Du brauchst dich nicht zu bedanken. Aber du schuldest mir was.“ „Was denn jetzt bitte? Wofür?“ „Dafür, dass du dank mir nicht auf der Straße in irgendeinem Drecksloch schlafen musst. Du bist hier sicher, hast ein Bett und bekommst Essen. Apropos, Lust auf einen Mitternachtsschmaus? Es ist zwar gleich schon drei Uhr, aber wenn du Hunger hast, dann könnten wir uns noch etwas zu essen machen.“ „Kein Bedarf. Ich habe mich bis vor kurzer Zeit noch Übergeben. Ich habe keine Lust, den Rest der Nacht vor der Toilette zu kauern und die Schüssel mit meinem halbverdauten Essen zu fluten. Und du willst das sicher auch nicht.“ Doch mein Magen schien seinen eigenen Kopf zu haben. Er knurrte, so laut, dass man es hörte. „Ich werde uns auch etwas machen, was du nicht direkt wieder ausspeist. Versprochen.“ „Meinetwegen.“ Mit diesen Worten verließen wir das Schlafzimmer und gingen über die Korridore. Ich lauschte der Musik, die aus den Kopfhörern um meinem Nacken kam, ein neues, wie ich fand, ein wundervolles Lied begann. Kaiba hatte mich an der linken Hand genommen und ein wenig hinter sich her gezogen, aber nicht zu stark und nicht zu fest. Meine blanken Füße tippelte über den glatten, eiskalten Marmorboden. Kaiba schien das nicht zu stören, er hatte ja Hausschuhe an. „Frierst du noch immer?“ Ich fror nicht nur ein wenig, ich dachte, ich werde eine Eisskulptur. >Dummkopf. Wieso musst du so blöd sein, Kaiba?< „Ein wenig. Warum?“ „Du zitterst.“ Diesen Satz hätte ich nicht erwartet. Ehrlich nicht. Wie blöd war Kaiba eigentlich? War er wirklich so naiv, wie er gerade tat? >Man Kaiba, was bist du aufmerksam. Blödmann. Das tue ich doch schon die ganze Zeit!<, dachte ich. „Ach, ne.“, rutschte es mir heraus. Zum Glück nahm er seine stechenden Blicke von mir, als er etwas aus dem Korridor vor uns wahrnahm. Auf dem Gang kam uns ein Mann entgegen. „Sie sind noch auf, Master Kaiba?“ „Kyoko und ich wollen noch eine Kleinigkeit essen. Wie geht es ihrem Bruder, Roland?“ „Er hat sich Schlafen gelegt. Hier sind übrigens ihre Sachen, Kyoko-sa-...“ Ich merkte, wie Seto in böse anstarrte. Dieser Mann sollte wohl nicht das falsche sagen. „Kyoko-sama.“ Er hielt eine größere Tasche in der Hand, die ich an mich nahm, auf dem Boden abstellte, um einen Pullover, meine Hausschuhe und ein paar Socken herauszukramen, was ich alles sofort anzog. „Jetzt friere ich mir glücklicherweise nicht mehr den Allerwertesten ab. Vielen Dank...“ Der Mann vor mir verbeugte sich leicht. „Gern, Kyoko-sama.“ Er wandte sich Kaiba zu, der neben mir stand und erst mich, dann wieder ihn, musterte. „Soll ich Ihnen noch in der Küche helfen, Master Kaiba?“ „Wir kommen zurecht. Bringen Sie noch bitte die Tasche zu meinem Schlafzimmer, dann können Feierabend machen.“ „Sehr wohl, Master Kaiba. Eine erholsame Nacht wünsche ich.“ Er verschwand im Dunkel der Korridore, mit meiner Tasche in der Hand. Wir gingen weiter, bis wir irgendwann im Erdgeschoss ankamen, durch ein paar Zimmer in Richtung Küche gingen. Seto schlich geradezu durch die Küche. „Kann ich auch etwas machen?“ „Du darfst nachher den Abwasch machen.“ Ich verzog eine gelangweilte Mine. „Kleiner Scherz. Das können die Haushälterinnen und Dienstmädchen nachher machen, wenn wir schlafen.“ Ich drehte ihm den Rücken zu und ging durch eine Türe, die, wie sich herausstellte, ins Esszimmer führte. Langsam durch den langen Raum schreitend begutachtete ich die Gemälde an den Wänden, die Kronleuchter an den Wänden und Decken und den riesigen Tisch, der in der Mitte des länglichen Zimmers stand und worum einige Dutzend Stühle nebeneinander und ganz gerade am Tisch standen. Ich ging durch die nächste Türe, die ich vor mir sah und öffnete, schaltete das Licht ein, als ich einen Billardtisch in diesem Nachbarzimmer des Esszimmers sah. „Wow, ein echt toller Billardtisch. Auf so einem habe ich schon lange nicht gespielt.“ Ich griff nach einem Billardstab, stellte mich auf eine mir gut erscheinende Position und spielte die Kugeln an, die an ihrem Platz standen und sich im nächsten Augenblick mit ein paar 'Klick'-Geräuschen gegenseitig abstießen und sich auf dem Billardtisch verteilten. „Du spielst Billard?“ „Früher einmal. Ich habe es aber vor ein paar Jahren an den Nagel gehängt. Ich habe Zeit und Lust verloren.“ Zwei Kugeln versenkten sich in zwei verschiedenen Löchern und auch die letzte Kugel stoppte und bewegte sich keinen Millimeter mehr. Ich spiele eine weitere Kugel an und brachte eine Kugel, die ich bereits anvisiert hatte, in die richtige Lage, um sie beim nächsten Zug einlochen zu können. Kaiba hatte sich ebenfalls einen Stab genommen und auch er spielte eine Kugel an, doch ihm gelang es nicht, eine Kugel zu versenken, auch nicht die, die ich mir schon platziert hatte, da ein paar andere Kugeln im Weg waren und ein Einlochen dieser oder einer anderen Kugel unmöglich war. Ich war wieder am Zug und versenkte die von mir anvisierte Kugel. Und eine weitere. Und noch eine. Bald war das Spiel entschieden, ich schlug Kaiba, wie ich es mir gedacht hatte. Er versenkte gerade mal fünf Kugeln, ich den Rest. Der Tisch war abgeräumt. „Du spielst sehr gut. Ich verstehe nicht, warum du es aufgegeben hast.“ Ich ging zurück in die Küche, um nachzusehen, was er bis jetzt gemacht hatte. Ich lauschte noch immer der Musik, ich hatte mich wirklich beruhigt. Ich sah aus dem Esszimmerfenster. Draußen war es still geworden, man hörte nur noch das Rauschen der Blätter im Wind. Ich ging weiter in Richtung Küche, Kaiba kam mir schnellen Schrittes hinterher. „Setz' dich ins Esszimmer und warte dort. Essen ist gleich fertig.“ „Ich will aber nicht.“ „Du sollst aber. Keine Widerrede.“ „Sagst du mir wenigstens, was du da fabrizierst?“ Er schwieg. „Hoffentlich nichts mit Meeresfrüchten.“ „Du magst also keine Meeresfrüchte. Gut zu wissen.“ >Ich habe mich verplappert! Die ganze Zeit schon!< „Wie lange dauert es noch?“ „Ein paar Minuten. Du kannst ins Esszimmer gehen und fernsehen, wenn du dir die Zeit vertreiben willst.“ „Da ist doch kein -“ Kaiba stand in der Türe zum Esszimmer, drückte auf eine Taste der Fernbedienung, nach der er gegriffen hatte und die Wand teilte sich, ein riesiger Flachbildschirm kam hervor. Ich traute meinen Augen kaum und rieb sie, sah noch einmal hin, nein, ich hatte mir das nicht eingebildet. „Verdammte reiche Pinkel.“, sprach ich in mich hinein, worauf ich wieder nur einen giftigen Blick einstecken musste. Er schaltete den Fernseher ein, ich musste die Augen im ersten Moment zukneifen; die extreme Helligkeit des Bildschirms biss in meinen an die Dunkelheit gewöhnten Augen. Zufällig liefen gerade die Nachrichten, die Kaiba genau unter die Lupe zu nehmen schien. Hatte er von dem Unfall Wind bekommen? Das hatte ich total vergessen! Verdammt! „Denkst du nicht, dass wir langsam essen sollten? Ich möchte deinen Fraß endlich essen und mich dann hinlegen, ich fühle mich nicht gut.“ Doch er durchschaute mein Vorhaben. „Willst du etwas vor mir verstecken? Das gelingt dir nicht. Raus mit der Sprache. Was war heute Nachmittag? Warum waren du und Mokuba in den Nachri-“ „Vor etwa einer Stunde wurde ein Stalker festgenommen, der mehrere Prominente bedroht und verfolgt haben soll – unter anderem der berühmten Duel Monsters Duellantin Kyoko Karasuma und dem weltweit bekannten Firmenchef der Kaiba Corporation, Seto Kaiba. Der bis zu seiner Festnahme schwer bewaffnete und sehr gefährliche Mann, der zu den Vorwürfen weiterhin schweigt, soll sogar auf Karasuma und Kaiba geschossen haben. Karasuma soll von ihm Drohanrufe bekommen haben, worauf sie versuchte, ihn zu stellen.“ Ich starrte mit geweiteten Augen auf den Bildschirm, der Bilder von ihm und mir zeigte – und meinem vermeintlichen Stalker. Mein Körper zitterte, die Angst war noch immer da. Auch, wenn er jetzt in Gewahrsam war. Die Nachrichtensprecherin sprach weiter, wechselte dann aber zu einem anderen Thema, von dem ich nichts mehr mitbekam, weil Kaiba mich angesprochen hatte und ich in seine eisblauen Augen sah. „Dann haben wir wenigstens unsere Ruhe.“ „Tust du nur so, oder bist du tatsächlich so naiv?“ Er sah mich verwundert an, ich fuhr fort. „Selbst wenn der Kerl hinter Gittern ist, heißt das nicht, dass nichts mehr passiert. Ich kann es schon spüren, die ganzen Fotografen und Pressesprecher, die Nachrichtensprecher und ihre Teams, alle vor den Toren dieser Villa. Nicht mehr all zu lange und sie werden hier sein; wer weiß, vielleicht sind sie ja schon hier und beschatten uns. Man weiß ja nie.“ „Und genau deshalb bleibst du hier. Du wirst so lange hier wohnen, bis keine Gefahr mehr für dich besteht. Und komm jetzt nicht schon wieder mit deinen Ausreden, du willst mich schützen und so. Das ist mir egal. Deine Sicherheit hat höchste Priorität.“ „Bla bla. Bist du endlich fertig? Es ist mein Leben, ich kann auch-“ „Auf mich selbst aufpassen, ja klar. Die Wahrscheinlichkeit, dass du unverletzt bleibst, wenn dir was passiert ist doch genauso klein, wie die, dass du mich in einem Duell schlägst.“ „Bist du dir da sicher?“ Kaiba schritt in die Küche zurück und nahm das Essen vom Herd. Zugegeben, es roch wirklich köstlich. Wenn es genauso schmeckt, wie es riecht – was auch immer es sein mag – dann hat Kaiba mir etwas gezeigt: dass er gar nicht so schlecht kochen kann, obwohl er immer bekocht wird und sich nie etwas selbst macht. „Sollten wir das nicht mal überprüfen?“ „Bist du so scharf darauf?“ „Dich in den Boden zu stampfen? Klar, immer doch!“ Ich trotzte nur so vor Motivation und Ehrgeiz. „Dann lass' es uns gleich morgen austragen. Wir werden ja sehen, ob du so gut bist, die du immer tust.“ „Gern.“ Ich nahm im Esszimmer Platz und Kaiba brachte das Essen, stellte es auf ein Metallgestell, damit der Tisch nicht heiß wird und auch nichts auf den Tisch oder das Tischtuch aus Samt kleckerte und nahm ebenfalls Platz. „Es ist nicht sehr viel und nichts besonderes, aber ich hoffe, es reicht, um dich satt zu bekommen und dich zufrieden zu stellen.“ Wir griffen nach dem Besteck, als sich plötzlich unsere Hände berührten und wir uns in die Augen sahen. Wir konnten unsere beiden Blicke nicht von einander lösen. Sein Blick, der nicht eiskalt, sondern sehr vertraut und irgendwie angenehm wirkte, und meiner, der an seinen Augen haftete, aber nichts lesen konnte, von dem, was er gerade fühlt – Verlangen oder einfach nur die Lust, mir den Kopf zu verdrehen - oder was auch immer er gerade denkt, trafen sich und vertieften sich ineinander, aber leider war nichts für mich sichtbar, denn seine nichts sagende Mimik blockierte jegliche Ich-durchschaue-dich-Versuche. >Wenn ich doch nur wüsste, was er gerade denkt...< ----------------------------------------------------------------------------------------------- Nach langer Zeit mal wieder ein paar Worte vom Autor Ich glaube, das war das bisher langweiligste Kapitel von allen. Oder irre ich mich schon wieder? Wäre ja nichts neues mehr... +heul+ Ich hab das mit den Einteilungen der Szenen und Ereignisse nicht richtig hinbekommen. Es passe einfach nichts, egal, wie ich es aufteilte. Und ich finde es doof, wenn erst Kapitel mit 3000/4000 Wörten (+) und dann plötzlich welche mit nur knapp 1000 oder höchstens 1500 Wörtern da sind, die sich dann noch total in die Länge ziehen. Hätte ich alles in sich aufgeteilt, hätte die FF nicht, wie bisher, sechs Kapitel und das Prolog, sondern bestimmt insgesamt mehr als ein Dutzend. Aber das Chapter hat ja 'nur' 7300 Wörter +... Ich hab's gar nicht geglaubt, als ich es hochgeladen habe! Da sieht man mal, was einfaches Drauf-los-Schreiben so bringen kann...was für 'ne Steigerung im Gegensatz zu den ersten Kapiteln... o_O +lach+ Ich hoffe, dass euch dieses Kapitel trotzdem, zumindest ein bisschen, gefallen hat. Vielen Dank für's Lesen. Hoffentlich bleibt ihr mir treu. Dann sehen wir uns beim nächsten Kapitel wieder. Kommis bitte - besonders bei dem Kapitel. P.s.: Merkt man, dass ich meinen Schreibstil ändern will/ändere? Im Vergleich zum ersten Chapter besteht ein Unterschied, oder? Wie findet ihr's? Fortsetzung folgt natürlich...ich geb' mir auch ganz viel Mühe! Eure Rioku Kapitel 7: Heartbeats? ---------------------- Kapitel 7: Heartbeats? >Wenn ich doch nur wüsste, was er gerade denkt...< Erschrocken zog ich meine Hand zurück, als ich realisierte, was ich gerade tat – es war keinesfalls das, was ich tun wollte. Er verdrehte mir den Kopf und ließ mich das tun, was ich nie tun würde, schon gar nicht, wenn es etwas mit ihm zu tun hatte. Ich umfasste meine Hand und kniff die Augen zusammen, als hätte ich einen stechenden Schmerz in meiner Hand gespürt. „Was war das denn gerade?“, fragte Kaiba, der inzwischen zum Besteck gegriffen hatte und eine kleine Flasche Sprudelwasser öffnete, dessen Inhalt er in ein Glas schüttete. „Nichts. Alles okay.“ >Verdammt, was mache ich eigentlich hier? Er wird noch herausfinden, wer ich wirklich bin!< Ich griff nach den Essstäbchen und aß ein paar von den Hähnchennuggets, die Kaiba zubereitet hatte. Nach einigen Minuten der Stille stand ich auf und legte beide Hände auf den Tisch, sah auf meinen Teller und sagte: „Danke für das Essen. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht.“ „Warte.“, rief Kaiba, als ich meine Hand auf die Klinke der Tür legte und sie herunterdrücken wollte. „Wenn du noch eine Minute warten könntest, bis auch ich fertig bin. Du findest ganz sicher nicht zu meinem Schlafzimmer zurück.“ „Ich hab' einen super Orientierungssinn, trotzdem danke.“ „Wenn du es nicht vor mir zu meinem Schlafzimmer schaffst, werden du und ich in einem Zimmer schlafen.“ „Das schaff' ich doch locker.“, sagte ich hochmütig und floh aus dem Zimmer. „Das schafft die doch nie.“, hörte ich Kaiba sagen. Den Flur herunterrennend rief ich ihm ein „Das habe ich gehört!“ zu und verschwand im Treppenwirrwarr. Irgendwann erreichte ich sein Schlafzimmer – aber leider zu spät. Kaiba war schon längst da, doch er schien nicht zu merken, dass ich in sein Zimmer kam. Er lag bereits auf dem Bett und schlief, ich deckte ihn ein wenig zu, da seine Decke neben ihm und nicht auf ihm lag. >Du bist echt ein Verrückter!<, dachte ich und lächelte. Plötzlich bewegten sich seine Lippen, und ich hörte ein Wort, wovon ich nie dachte, ich würde es in solch einer Situation hören. „Riiko.“ Ich erschrak. Wieso kannte er meinen wahren Namen? Erinnerte er sich an seine Vergangenheit, unsere gemeinsame Vergangenheit im Heim? >Nein, das kann nicht sein! Völlig unmöglich!< Doch er sagte noch etwas. „Geh' nicht weg.“ Das war zu viel des Guten. Ich hielt es nicht aus. Er flüsterte im Schlaf meinen wahren Namen; und sagte dann noch, ich soll nicht gehen. >Aber warte, er träumt. Bestimmt träumt er von einer seiner Betthäschen. Ja, das muss es sein. Bestimmt heißt eine von denen genauso wie ich und er will mehr, als er bekommen hat.<, dachte ich und setzte mich auf ein Ledersofa, das gegenüber des Bettes, in dem Kaiba lag und schlief, stand. Über die letzten Stunden und Tage nachdenkend starrte ich an die Decke. >Echt verrückt. Ich konnte Kaiba bis vor ein paar Tagen nicht ausstehen. Nicht mit der Kneifzange anpacken. Und jetzt? Verdammt, was mache ich nur? Ich will nicht von ihm abhängig sein, aber das werde ich, wenn ich weiterhin hier bleibe - aber wenn ich gehe, dann verfolgt er mich bestimmt wieder überall hin. Außerdem werden wir beide bestimmt von Journalisten verfolgt, nachdem das mit dem Stalker rausgekommen ist. Und was die ganze Sache noch komplizierter macht, ist, dass er nicht herausfinden darf, dass ich das Mädchen aus seiner Vergangenheit bin, das ihn einmal geliebt hat...< Ja, ich habe ihn geliebt. Seto, Mokuba und ich waren damals beste Freunde, fast wie eine Familie, wie Geschwister. Er hat nie herausgefunden, dass ich in ihn verliebt war. Okay, ich war damals noch klein, aber das spielt keine Rolle. Doch diese Liebe zerbrach von einen Moment auf den anderen, als er sein Versprechen, was er mir gab, brach. „Ich werde dafür Sorgen, dass wir drei immer zusammenbleiben. Ich verspreche es dir! Uns drei kann nichts und niemand trennen, Riiko!“, hatte er damals gesagt. Ich war von zu Hause weggelaufen, da aber niemand wusste, wer meine Mutter war oder wo sie wohnt, hat man mich für ein Waisenkind gehalten und ins Heim gesteckt, wo wir uns kennen lernten. Dort war ich einige Wochen, wie viele genau weiß ich nicht mehr. Aber lange genug, um mit Mokuba und Seto eine feste Freundschaft aufzubauen. Seto wusste, dass ich von zu Hause weggelaufen war, er wusste auch warum. Meine Mutter hatte den Verdacht, dass mein Vater sie betrog. Und ich war ihr Sündenbock. Er wusste das alles, ich hatte es ihm erzählt. Er wusste auch, dass meine Mutter bald kommen würde, um mich zu holen, sobald sie wusste, dass ich hier war. Und doch gab er das Versprechen, mich nie im Stich zu lassen, dass wir für immer zusammen blieben, wir drei, er, sein Bruder und ich. Mir war damals egal, und ehrlich gesagt hatte ich nicht einmal daran gedacht, wie er meine Mutter daran hindern könnte, mich mitzunehmen und uns zu trennen. Doch ich vertraute ihm, ihm, dem mein Herz gehörte. Nicht viel später kam meine Mutter dann auch, tat vor den Heimleitungen einen auf 'Supermama' und dass es ihr Leid tue, dass sie nicht besser auf mich aufgepasst hätte. Sie würde sich besser um mich kümmern. Doch dann zerrte sie mich gewaltsam nach draußen, auf den Hof, der vor dem Heim lag. Sie zog mich hinter sich her, ich sah Seto und Mokuba, wie sie miteinander spielten und dann zu mir sahen, als sie mich und meine Mutter entdeckten. Mokuba begann zu weinen. Seto stand nur da. „Mama, ich möchte mich noch verabschieden.“ „Nichts da! Du kommst jetzt mit! Sofort! Schon schlimm genug, dass du dich einfach aus dem Staub gemacht hast!“ Ich drehte mich zu den beiden um und sah sie noch kurz an, streckte den Arm zu ihnen aus, doch wieder keine Reaktion von Seto. Mokuba wollte mir sogar nachlaufen, doch Seto hinderte ihn daran, indem der ihn an der Hand festhielt. Ich war todtraurig, weil er einfach nichts, rein gar nichts unternahm. Er stand einfach nur da und starrte in meine Richtung. Ob er mich überhaupt ansah, wusste ich nicht einmal. Sein starrer, leerer Blick, seine glasigen Augen waren scheinbar nicht auf mich gerichtet. Verzweifelt drehte ich mich wieder um, in die Richtung, in die mich meine Mutter zerrte. Ich drehte mich nicht noch ein zweites Mal um – ich ahnte, dass er mich nicht zurückholen würde. Vor dem riesigen Gittertor, das auch noch bewacht wurde, stand das Auto meiner Mutter. Wir gingen durch das Tor hindurch zum Wagen, meine Mutter stieß mich unsanft in den Wagen und knallte die Wagentüre zu. Sie stieg vor mir auf der Fahrerseite ein. „Anschnallen. Wir fahren nach Hause.“ Ich gab keine Widerworte, denn die Angst vor meiner Mutter war zu groß. Die Angst, geschlagen zu werden war immer da. Besonders, wenn meine Mutter so wütend war, wie in diesem Moment. Ich warf noch einen letzten Blick auf das Heim, sah durch das Fenster und das Gittertor zu der Stelle, wo Mokuba und Seto standen. Doch sie waren weg. Alle beide. Verschwunden. Ich weinte bitter, was nicht gerade angebracht war, aus der Sicht meiner Mutter jedenfalls. Sie sagte keine aufmunternden Worte, sie versuchte nicht mal, mich zu trösten. Ein wütendes „Hör' endlich auf zu heulen.“ war das einzige, was sie von sich gab. Und von diesem Tag an beschloss ich, Seto zu hassen. Er hatte mir versprochen, dass wir zusammen blieben. Ich hatte ihn geliebt, und er versuchte nicht einmal, mich zurückzuholen. Nein, er verschwand einfach. Was aus mir wurde, schien ihm egal gewesen zu sein. Vielleicht war er sogar erfreut darüber, dass ich endlich abgeholt wurde; abgeholt von meiner gewalttätigen Mutter, die mich dafür verantwortlich machte, dass die Ehe mit meinem Vater zerbrach. Da war wieder dieses Wort, was er leise vor sich hin murmelte. „Riiko.“ Er hatte es erneut gesagt und mich aus meiner Gedankenwelt geholt, in die reale Welt zurück. Ich dachte weiter nach, über ihn, über sein Verhalten und über meines. Meine Fassade, die bei ihm zu bröckeln begann, war früher oder später ganz zerstört und er würde mich wiedererkennen, als das Mädchen, dass er von früher kannte, welches er zehn Jahre lang nicht gesehen hatte. Das Mädchen, das er einfach gehen ließ, obwohl er ihr ein Versprechen gab. >Bereits fünf Uhr morgens.< In meine Gedanken und Erinnerungen versunken merkte ich gar nicht, dass es schon früh am Morgen war. Ich sollte langsam daran denken, zu schlafen. Und irgendwann übermannte mich dieser auch und versank im Reich der Träume. ~Eine ganze Weile später~ „Willst du mir nicht endlich sagen, was los ist? Was zur Hölle versuchst du mir vorzuspielen? Was willst du damit bezwecken?“, schrie mich ein wütender Kaiba an. „Erst verschwindet Mokuba und jetzt kommst du an und sagst, du wärst Riiko, das Mädchen aus meiner Vergangenheit. Was soll das Ganze? Hast du etwas mit seinem Verschwinden zu tun? Hast du einen Grund dafür, meinen Bruder zu entführen? Wenn ja, dann sag' es mir! Und zwar gleich! Sonst bereust du es noch!“ „Kaiba, ich kann das erklären...“, hörte ich mich sagen. „Erklären? Was gibt es da zu erklären? Du hast das alles mit Absicht gemacht. Das Pseudonym, deine Art, wie du dich anderen gegenüber verhälst, dein Charakter. Das war alles nur gespielt. Nur, damit du daraus Vorteile ziehen kannst. Du hast alles inszeniert, du hast mich in eine Falle gelockt!“ „Es tut mir Leid, dass ich es dir nicht schon früher gesagt habe.“ „Ach ja? Glaubst du, ich kaufe dir das ab? Dir tut doch gar nichts Leid, gib' es doch endlich zu!“ Jetzt begann ich zu schreien. Er hörte mir einfach nicht zu, dieser Idiot! „Es ist mir egal! Hast du verstanden? Du hast dich einen Dreck um mich gekümmert! Du hast mir damals versprochen, dass du nicht zulässt, dass uns irgendjemand trennt! Du hast nicht nur mich im Stich gelassen, sondern auch deinen kleinen Bruder!“ „Lass' meinen Bruder daraus! Er hat nichts damit zu tun.“, verteidigte sich Kaiba, der mir, mich wütend anstarrend, gegenüberstand. „Du hast mich hintergangen! Und ihn auch! Du hast ihm und mir versprochen, dass wir zuammenbleiben, aber als es ernst wurde, hast du dich in ein stilles Eckchen verkrochen und nichts getan! Du hast keine Ahnung, was meine Mutter mit mir gemacht hat! Und das nur, weil du mich nicht beschützt hast, wie du es mir versprochen hattest! Ich habe dir vertraut, Seto!“ „Wer weiß, vielleicht hatte ich auch nie Lust dazu, dich bei uns zu halten. Vielleicht wollte ich ja, das man dich von uns wegholt.“ „Das glaubst du doch wohl selbst nicht! Du hast mit mir und deinem Bruder deine ganze Zeit verbracht, wir haben alles zusammen gemacht. Du hast mir das Duellieren beigebracht und hast mir gesagt, dass du auf den Tag warten wirst, an dem wir uns duellieren, sobald ich eine starke, dir ebenbürtige Duellantin geworden bin!“ „Sei ruhig...“ „Ich habe mir gewünscht, dass du mich beschützt, ich habe dir dein Versprechen abgekauft und ich habe dich damals geliebt!“ „Sei ruhig...!“ „Und was machst du? Du machst alles kaputt! Ich hasse dich, Seto! Ich hasse dich mehr als alles andere auf der Welt!“ „Sei endlich ruhig, verdammt!“ Ich erschrak und jagte aus dem Bett hoch, hielt mir den Kopf und dachte nach. >Nur ein Traum... Aber er wirkte so real...< Mich umsehend erinnerte ich mich zurück. >Moment, wieso liege ich in einem Bett? Wieso in Kaibas Bett?< Ich starrte nach rechts, auf die Bettdecke. Kaiba war also bereits aufgestanden. Ein nächster Blick galt dem Wecker, der auf dessen Nachttisch stand. Er zeigte, dass es schon wieder Abend war. 19:27 Uhr. „Na toll ich habe fast den ganzen Tag geschlafen.“ Ich stand auf, auf meine Tasche zu, die inzwischen neben dem Bett stand, und kramte eine lange Hose, meine Unterwäsche und einen Pullover heraus. Gerade schlüpfte ich in meine Hausschuhe und schritt mit meiner Kosmetiktasche in Richtung Bad, als Kaiba plötzlich nur mit einem Handtuch um die Hüfte bekleidetet vor mir stand. Es war schon ein schöner Anblick, diesen durchtrainierten Körper zu sehen, normalerweise sieht man ihn ja nicht so, da er meist ein Hemd und eine eng geschnittene Hose trug, die ihm auch stand. Und diese Mäntel, von denen er bestimmt ein knappes Dutzend im Schrank hängen hatte, die seine breiten Schultern so gut betonten. Doch so, dachte ich, hätte ich ihn nie sehen sollen. Und wollen. Ein paar Wassertropfen liefen hier und da an seiner Haut herunter, auf der sich seine Muskeln abzeichneten. Irgendwie verführerisch. Aber irgendwie auch anstößig. Als ich realisierte, dass er halbnackt vor mir stand und mich breit grinsend anstarrte, nachdem er gesehen hatte, dass ich purpurrot angelaufen war, stieß ich einen so lauten, fast undefinierbar hohen Schrei aus, was zur Folge hatte, dass sich mein gegenüber schon die Ohren zuhalten wollte. „Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeee!“, schrie ich, als ich er noch immer so unbekümmert vor mir stand. Ihm schien das nichts auszumachen. Ich dagegen war total perplex und stand nur da, mit der Befürchtung, er würde mir zu nahe kommen und mich dann überfallen. „Auch schon wach? Sind vierzehn Stunden Schlaf genug?“ Endlich hatte er mal seinen Mund geöffnet und etwas gesagt, anstatt mich die ganze Zeit nur blöd anzugaffen. Doch das hätte er sich auch verkneifen können. Er sah verwundert in mein Gesicht und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ihn ignorierend ging ich hinter ihn und stieß ihn erst einmal aus dem Badezimmer. Bis er mal reagierte, hatte ich die Türe schon zugeworfen und hinter mir abgeschlossen. Kaiba hämmerte gegen die Türe und fragte, was das denn wieder sollte und dass er noch ein paar Sachen aus dem Bad brauchte, weil er nochmal zur Firma müsste. Irgendein Meeting oder so was in der Art hatte er gefaselt. „Vergammle doch da draußen. Ich komme nicht eher hier raus, bis ich fertig bin.“, rief ich und ich hörte, wie Kaiba einen Seufzer ausstieß. Seiner Reaktion zu urteilen war es doch nicht so wichtig. Oder er sah nicht ein, sich aufzuregen, da ich ein solcher Dickschädel war, dass es nichts nutzen würde, wenn er vor Wut tobte. Dann kam er eben etwas später dort an. Wenn es einem nicht passen sollte, gibt’s noch die Möglichkeiten, denjenigen zu feuern oder die geschäftliche Zusammenarbeit mit ihm abzubrechen, was nicht für Kaiba, sondern eher für die andere Firma ein Problem darstellen würde. Die würde wahrscheinlich nach allzu kurzer Zeit bankrott gehen. Doch nun galt nur noch dem Spiegel, und nicht mehr dem eiskalten Egoisten vor der Badezimmertüre, meine volle Aufmerksamkeit. Doch dann, einen Wimpernschlag danach, bereute ich es. Meine Haare zerzaust und zu allen Seiten abstehend, meine Augen, die einen verschlafene Ausdruck vermittelten und um die sich dicke, unübersehbare Augenringe gelegt hatten, meine Lippen spröde, brüchig und hart. Und so hatte ich mich Kaiba gezeigt. Er würde mich bestimmt damit aufziehen, sobald ich aus dem Bad kam. Aber was war das? Dort hing ein Bademantel, einer, der sichtbar von einer Frau war. Er sah sehr weich und flauschig aus, aber auch sehr elegant und teuer. Warum Kaiba wohl solch ein Teil im Bad seines Männerhaushaltes hängen hat... Währenddessen stellte mich unter die Dusche und stellte fest, dass dort bereits neues Duschzeug stand. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, noch schien er es mir nicht übel zu nehmen, dass ich seinen Männerkram benutzt hatte, oder er hatte es schlicht und einfach vergessen. Mr. Workaholic muss sich ja so viel merken, da kommt er über eine Flasche Shampoo noch drüber. Ist ja nur seins. Außerdem duschten sich seine Betthäschen nach einer heißen Nacht bestimmt auch mal ab und zu hier – also wäre es nicht verwunderlich für ihn, dass eine Frau seinen Männerkrämpel benutzt und ausleert. Die werden wohl kaum ein Duschgel mitbringen, um nach der tollen Nacht so zu riechen, wie sonst auch, und nicht maskulin wie Kaiba. Aber warte mal, wollte ich mich mit seinen One-Night-Stands gleichstellen? Oh, nein, sicher nicht. Die nächste Zeit beschäftigten mich diese Fragen dann doch – musste ich zugeben. Nach etwa zwanzig Minuten kam ich aus dem Bad – Kaiba hatte sich mittlerweile eine enge, schwarze Hose und ein schwarzes Hemd angezogen, das er oben am Kragen nicht zugeknöpft, sondern bis zur Mitte der Brust offen gelassen hatte. Um seinen Nacken hing eine offene Krawatte, er war gerade dabei, die Knöpfe an den Ärmeln seines Hemds zuzuknöpfen. „Endlich bist du fertig. Hat ja lang genug gedauert. Ach ja, danke für's Ausleeren meines Duschgels.“ „Bitte, immer wieder gerne. Du musst gleich in die Stadt?“, blockte ich ab, er sah mich gelangweilt an. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich noch ein Meeting mit ausländischen Geschäftsleuten habe. Wegen der Zeitverschiebung ging es nicht früher.“ „Nimmst du mich mit?“ „Was?“ Ungläubig sah er ich an. „In die Stadt meine ich. Ich würde mir gerne noch ein wenig die Beine vertreten.“ „Kommt nicht in Frage.“ „Schon vergessen, dass der Stalker gefasst ist?“ „Und die Pre -“ „Und mit ein paar Pressefuzzies komme ich auch ganz gut allein klar. Wenn mich jemand bedrängen sollte, kriegt er meine Faust zu spüren.“ „Okay, du kannst mitkommen. Weil du es bist.“ Wir machten uns für die Abfahrt fertig, als Kaiba an seiner Krawatte zupfte und versuchte, sie zu richten. „Ach, verdammt.“ „Lass' mich mal.“ Ich löste den Knoten, der nicht wirklich wie ein Krawattenknoten aussah und machte ihn neu. Das Gefühl, er würde gleich etwas anstellen, war da, doch ich machte mir nichts daraus. Ich versuchte einfach, es, so gut es ging, zu ignorieren und mir nichts anmerken zu lassen. „Passt, sitzt, hat Luft.“ Er wandte sich ohne ein Wort zu verlieren von mir ab. „Du brauchst mir nicht zu danken.“ „Vielen Dank, Kyoko, ich bin dir ja so dankbar.“, sagte er sarkastisch. „Können wir?“ „Ja, sofort.“ Doch im nächsten Moment ging die Türe auf und ein kleiner Junge stürmte herein, Mokuba hatte meine Anwesenheit bemerkt. „Kyoko, was machst du denn hier?“ „Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie dir morgen. Ich muss jetzt zu einem Meeting.“, sagte Seto, als ich gerade meinen Mund öffnete, um dem Kleinen alles zu erklären. „Und wo geht Kyoko hin? Wieso kann sie nicht hier bleiben und mit mir spielen? Das ist gemein. Jetzt bin ich wieder ganz allein, Seto.“ Ich kniete mich ein wenig zu dem Kleinen herunter und sah ihn an. „Ich werde bald zurück sein und dann wirst du mir dein Zimmer zeigen, ja?“ „Au ja!“ Der kleine strahlte. So freudig hatte ich ihn lange nicht erlebt. „Aber bis dahin wirst du dir die Zeit ein wenig vertreiben und schön brav sein. Ich verspreche dir, dass ich so schnell wie möglich wieder da sein werde. Ich gehe nur ein paar Minuten spazieren. Das tut mir bestimmt gut.“ „Okay. Wir sehen uns dann! Auf Wiedersehen, großer Bruder, bis später, Kyoko! Und beeil' dich!“, rief er, als wir die Villa verließen. Draußen war es ziemlich kalt, okay, es war Herbst, aber selbst für diese Jahreszeit kalt. Resultat war, dass ich ein wenig fröstelte. Ich nieste sogar und hustete zwischendurch, als wir im Auto saßen. „Bist du sicher, dass du fahren willst? Du scheinst krank zu sein.“ „Ich bin nicht krank. Nur ein wenig erkältet. Das ist alles. „Was für ein Unterschied.“ Stille. „Dann nimm' wenigstens meinen Mantel und zieh' ihn dir über. Ich will nicht, dass du ab morgen ganz flach liegst. Dann darf ich dich auch noch gesund pflegen. Als hätte ich nicht schon genug zu tun.“ Bei meiner Antwort geriet sogar Kaiba ins Stocken. „Aber wenn du von dem Meeting nach Hause kommst, dann wirst du frieren.“ Was hat mich bloß geritten, als ich das gesagt habe? >Was kümmert es mich, wenn er sich den Allerwertesten abfriert?<, dachte ich, warum musste ich so eine Klappe haben. „Ich habe es nicht so weit, im Gegensatz zu dir.“ „Danke.“ Wir schwiegen. „Sag mal, hat mein Bruder noch etwas gesagt, als er ging?“ Zunächst sagte Kaiba nichts, dann reichte er mir einen Brief. „Ich soll dir diesen Brief geben.“ Ich machte ihn auf und las ihn. Liebe Kyoko, es tut mir Leid, dass ich mich auf diese Weise von dir verabschiede. Ich hätte mir gewünscht, dass es auch auf eine andere Art und Weise gehen würde. Ich habe von Kaiba gehört, dass es dir nicht so gut ging und du erst am frühen Morgen schlafen konntest. Du solltest dich auskurieren - wenn ich dich geweckt hätte, dann wäre es nicht besser geworden. Hoffentlich geht es dir jetzt besser. Ich bin mir sicher, dass sich Kaiba gut um dich kümmern wird. >Das glaube ich weniger. Aber naja. Wen kümmert's.< Was jetzt kommt, ist sehr wichtig für dich. Ich habe einen guten Freund von mir gefragt, ob er für die sechs Wochen, wenn ich nicht da bin, auf unser Haus aufpassen kann, er hat zugestimmt, da er in unserer Nachbarschaft wohnt. Du brauchst dir also keinerlei Sorgen zu machen, was derweil mit unserer Wohnung passiert. Du kannst unbesorgt sein und weiterhin bei Kaiba wohnen, bis ich wieder zurück bin. Ich habe das schon geregelt, er ist damit einverstanden. >Wieso kann ich mir das denken?<, dachte ich und las weiter. Außerdem habe ich dich auf der Domino High School angemeldet, die du ab morgen besuchen wirst. Da du nicht mehr auf deine alte Schule gehen kannst. Du wirst die selbe Klasse wie Kaiba besuchen, ich glaube mich daran zu erinnern, dass mir die Schulleitung sagte, dass in dieser Klasse auch Yugi Muto geht. Ich hoffe, dass du mit beiden ganz gut zurecht kommst. >Hat der 'nen Kaiba-Komplex oder was soll das? Ich lebe in den selben vier Wänden wie er, gehe auf die gleiche Schule und er soll sich noch gut um mich kümmern. Geht’s noch? Hallo~? Man, Jun, du hast aber auch gar nicht daran gedacht, wie es mir dabei geht!< Ich werde mich melden, wenn ich in Shanghai angekommen bin. Habe ich dir eigentlich gesagt, dass ich in den sechs Wochen in Shanghai bin? Jetzt weißt du es aber. Alles Gute, pass' auf dich auf und mach' keinen Unsinn. Bei deinen nächsten Duellen werde ich dir natürlich vom Fernseher zusehen. Ich habe mir schon extra an Vor- und Nachmittagen frei genommen, um dich, auch wenn es weit weg ist und ich dich nur durch die Live-Übertragung sehe, anfeuern zu können. Dein großer Bruder Jun Ich seufzte. „Und was schreibt er?“ „Das weißt du doch schon. Du hast ihn doch selbst gelesen. Habe ich nicht Recht?“ Er nickte. „Aber ich wollte ihn dir noch geben, bevor ich heute Nacht nach Hause komme. Wo soll ich dich rauslassen?“ „Gleich da vorn.“ Er fuhr an den Straßenrand und hielt an. „Danke für's Mitnehmen. Wir sehen uns.“ Ich stieg aus und schloss die Wagentüre. Er brauste in seinem Wagen davon. Zurück in Richtung Kaiba Villa gehend, sah ich mich um, merkte dann, dass ich nun doch Kaibas Mantel in seinem Wagen habe liegen lassen. Ich fror also doch, bis ich wieder in der Villa war. Zu meiner Erleichterung kannte den Ort, wo er mich rausgelassen hatte – ich hatte gar nicht genau gesehen, wohin ich gezeigt hatte, als er mich fragte, wo er mich absetzten könnte, meine Augen klebten ja schon fast an dem 'Abschiedsbrief' meines Bruders – aber ich entsinnte mich, es war nicht sehr weit bis zur Villa. Vielleicht nahm ich dann doch noch einen kleineren Umweg. Die paar Minuten 'Freiheit' möchte ich genießen. Die Sonne ging bereits unter und tauchte den Himmel in ein wunderschönes, helles Rot. Ich sah in den Himmel und schritt die Straße hinunter, zurück in Richtung Kaiba Villa. Bis ich jemanden vor mir sah, der mir bekannt vorkam. Ein Stück rennend, auf die Person zu, die mir weiterhin de Rücken zugedreht hatte, dachte ich nach. Nein, er musste es sein. Seine Frisur war unverkennbar. „Yugi? Bist du es?“, rief ich, als er stehen blieb und sich zu mir umdrehte. Ganz klar, er war es. Mit geweiteten Augen sah mich der König der Spiele an. Mit mir hatte er wohl nicht gerechnet. „Kyoko, was machst du denn noch hier?“, fragte er, als ich neben ihm stehen blieb und meine Arme auf meinen Knien stützte. Völlig aus der Puste schnappte ich nach Luft. „Das selbe wollte ich... dich auch gerade fragen.“ „Ich bin auf dem Weg nach Hause.“ „Aber die Shoppingmeile liegt doch in der anderen Richtung. Wo warst du denn?“ Ich gewann meine Kraft langsam zurück und wir gingen weiter. „Ich habe mich mit meinen Freunden getroffen und mich prompt mit ihnen gestritten.“ „Bin ich der Grund dafür?“, fragte ich traurig. Normalerweise ist es mir egal, ob sich andere wegen mir zerstitten haben, aber bei ihm war es das irgendwie nicht. „Sie denken, du hättest einen schlechten Einfluss auf mich. Du würdest zu viel mit Kaiba rumhängen und so. Sie glauben, du bist so ein Spießer wie er. Doch ich glaube, du bist nicht so, wie alle meinen.“ „Woher weißt du das?“ Er sah mich fragend an. „Ähm...ich – ich meine, woher willst du das wissen, dass ich gar nicht so bin?“ „Ich weiß auch nicht, aber es ist einfach so. Muss meine Intuition sein. Einfach aus dem Bauch heraus.“ „Danke, dass du zu mir hältst. Es tut mir Leid, dass ich dafür verantwortlich bin, dass du dich mit den anderen gestritten hast.“ „Die kriegen sich schon wieder ein. Aber lass' uns über etwas anderes reden.“ Gesagt, getan. Wenn er das sagt, dann tun wir das auch. „Wo kommst du eigentlich her? Du warst auch noch unterwegs, oder?“ „Ich wollte mir die Beine etwas vertreten. Den ganzen Tag über habe ich mich kaum bewegt.“ „Ist was passiert?“ „Nein, nein. Nur ein kleinerer Grippeinfekt oder so. Und die Erschöpfung. Das ist alles.“ „Da bin ich aber erleichtert.“ „Kannst du auch. Aber von mir aus könnte es schon wieder morgen sein.“ Er stutzte und konnte scheinbar nicht so recht nachvollziehen, was ich damit meinte. „Ich habe bis heute Abend durchgepennt. Genauer gesagt, bis vor einer knappen Stunde. Oh man. Ich verstehe immer noch nicht, wie ich vierzehn Stunden am Stück schlafen kann.“ „Du bist wirklich komisch.“ Er kicherte, ich nahm es ihm aber nicht übel. Es erleichterte mich, so mit ihm reden zu können. Sich nicht verstecken zu müssen. „So bin ich nun mal.“, antwortete ich, worauf sich auf seinen Lippen ein Lächeln einschlich. „Obwohl du es anderen Leuten nie zeigst.“ Dieser Satz erinnerte mich daran, dass meine wahre Identität nicht bekannt werden sollte. Wer weiß - vielleicht kriegt er es ja raus. Und erzählt es Kaiba. Dann wäre ich besser nicht mehr hier. Schnell wechselte ich das Thema wieder. „Tut mir Leid, dass ich dich einfach habe stehen lassen.“ „Wie?“ „Dass ich einfach weg gerannt bin. Du weißt schon.“ „Macht nichts. Was war eigentlich los? Ich habe in den Nachrichten gehört, dass dich jemand verfolgt hat. Ich habe mir ziemliche Sorgen gemacht.“ >Er hat was? Er hat sich Sorgen gemacht? Um mich?< Ich glaube, ich wurde knallrot, als er das sagte. „Ha – Halb so schlimm. Wie du siehst bin ich noch heile.“ Doch die Verharmlosung nutzte bei Yami nichts. „Hast du deshalb auch das Turnier abgebrochen?“ >Stimmt das Turnier. Wundert mich, dass das nicht in der Presse breitgetreten wurde.< „Nein, ich war nur körperlich etwas angeschlagen. Aber mir geht’s jetzt wieder super!“ Yugi lächelte. „Das freut mich zu hören.“ Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Ich hätte dir zu gerne zugesehen, wenn du dich mit Kaiba duellierst. Ich habe deine Duelle bisher nur im Fernsehen mitverfolgt. Dein Duell live mitzuerleben wäre bestimmt grandios!“ „Du hast dir meine Duelle angesehen?“ Er nickte. Ich glaube, ich lief wieder ein wenig rot an. Dass sich ausgerechnet der König der Spiele meine, ja, ausgerechnet meine, Duelle ansieht, hätte ich nie gedacht. Verlegen kratzte ich mich am Kopf. Zum Glück sagte er wieder etwas – meine Bemerkung blieb also so im Raum stehen und ich musste nicht noch erklären. „Du hast ja ganz schön viele Preise gewonnen.“ „Ja, das stimmt. Ich will ja nicht angeben, aber zu Hause habe ich einen ganzen Schrank voller Pokale und Auszeichnungen. Es ist immer eine Heiden-Arbeit, sie abzuwischen, wenn sie staubig geworden sind.“ „Kann ich mir vorstellen.“ Verständnisvoll lächelte er, auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Hättest du nicht Lust, dich mir mir zu duellieren?“ Das hatte er genauso wenig erwartet, glaube ich. Er starrte mich an und sagte erst einmal nichts, bis er nach einigen Augenblicken wieder zu reden begann. Er musste sich scheinbar erst sammeln, bevor er meine Frage beantwortete. Irgendwie ist er ja schon süß. >Moment...< „Warum nicht? Ich trete gerne gegen dich an, Kyoko. Ich habe schon seit längerer Zeit gehofft, mich mit dir zu duellieren.“ „Echt?“, fragte ich ungläubig. „Natürlich. In den Medien wird doch nur noch über deine Duelle gesprochen, wenn das Thema Duel Monsters ansteht.“ Wir reichten uns die Hände, als wären wir beim Armdrücken. „Dann ist es besiegelt. Du kannst dich jederzeit melden, wenn du bereit bist.“ „Willst du denn nicht einen Tag vorschlagen, an dem wir uns duellieren?“ „Auf ein Duell bin ich immer vorbereitet. Es ist mir egal, wann und wo wir uns duellieren.“ Zwinkernd grinste ich, als wäre mein Sieg schon besiegelt. Er lächelte erneut. „Wenn du es sagst, dann soll es auch so sein.“ Mittlerweile standen wir vor der Kaiba Villa. „Ach ja, hast du dein Handy dabei?“ „Ehm, ja warum fragst du?“ „Darf ich mal kurz?“ „Klar. Wenn du mir sagst, warum du es haben willst.“ Ich tippte schnell etwas ein und gab ihm sein Handy kurz darauf wieder. „Wenn etwas ist, hier ist meine Handynummer.“ Kaiba hatte mir zuvor mein altes Handy zurückgegeben, ich hatte aber eine neue Nummer, weil er eine neue Sim-Karte darin einbauen ließ. Er bot mir zwar an, dass er mir ein neues Handy kaufen würde, ich lehnte aber ab. „Okay. Danke.“ Eine leichte Röte schlich sich auf sein Gesicht. „Du wohnst bei Kaiba?“, fragte er kurz nachdem er das Handy in seiner Jackentasche verstaut hatte. „Ja, aber hoffentlich nicht mehr lange. Mein Bruder ist seit heute für die nächsten sechs Wochen in Shanghai und damit ich nicht allein am entfernten Stadtrand wohnen muss, hat mich mein Bruder bei Kaiba untergebracht. Ich nehme es ihm immer noch übel. Zumal ich gar nicht weiß, wie ich die sechs Wochen bei Kaiba überstehen soll. Dieser eingebildete Schnösel bringt mich noch um!“ Er stutzte kurz. „Wie wär's wenn dir einen Deal vereinbaren?“ „Einen Deal?“ „Wenn du mich schlägst, dann kannst du aus Kaibas Villa ausziehen und wo du willst einziehen. Aber wenn ich gewinne...“ „Ja?“ „Nun, wenn ich dich schlage, dann möchte ich mit dir einen Tag verbringen.“ Ich sah ihm an, dass es ihm ein wenig peinlich war. „Klar, okay!“ „Es ist okay für dich?“ „Natürlich ist es das!“ Ich lächelte. „Ich frage mich nur, wie du es schaffen willst, dass Kaiba mich gehen lässt. Es ist schon schwer für mich, auch nur einen Schritt aus der Villa zu machen, ohne dass ich von ihm oder seinen Untergebenen beschattet werde. Aber ausziehen wäre wirklich schon fast unmöglich.“ „Aber auch nur fast. Dann mache ich es eben, wie wir. Wenn ich gegen ihn gewinne, dann muss er dich gehen lassen. Und ich verliere nie. Nicht wahr?“ „Außer gegen mich!“ „Mal schauen.“ Wir lachten. Es war eine ganz andere Atmosphäre, wenn wir beide zusammen sind, anders als bei Kaiba und mir. Ich genoss diesen Moment, ich konnte alles, was zwischen mir und ihm noch zu klären war, klären und nebenbei lernten wir uns noch genauer kennen. „Naja, ich muss dann auch. Mokuba erwartet mich schon. Ich habe ihm versprochen, dass ich so schnell wie möglich nach Hause komme.“ „Na dann viel Spaß. Ich ruf' dich an. Was das Duell angeht.“ „Okay. Wir sehen uns morgen.“ „Tun wir?“ „Ich gehe ab morgen in die selbe Schule wie du.“ „Ah, okay. Dann bis morgen. Schönen Abend noch. Und eine gute Nacht.“ „Danke, dir auch. Bis morgen.“ >Oh man, was für ein toller Kerl. Er ist ganz anders als Kaiba. So verständisvoll, einfühlsam, emotional,...nett, freundlich...einfach nur toll!<, dachte ich als mir schon Mokuba entgegen kam. „Endlich bist du wieder da, Kyoko-chan! Ich will dir unbedingt mein Deck zeigen, was ich mit Seto zusammengestellt habe!“ Ich lächelte und antwortete mit einem freundlichen „Gern.“. Mokuba nahm mich an der Hand und zog mich schon regelrecht in sein Zimmer. „Du hast ein wirklich schönes Zimmer. Noch schöner, als das von deinem Bruder.“, sagte ich, als ich mich in seinem Zimmer ein wenig umgesehen hatte. „Echt? Findest du?“ „In dem Zimmer deines Bruders entsteht immer so eine bedrückte und extrem stressige Atmosphäre. Aber hier wirkt alles so leicht und unbeschwert. Es erinnert mich an mein Zimmer zu Hause.“ Auf das riesige Bücherregal zu schreitend, überflog ich die Bücher, die darin standen. Es waren viele Kinderbücher, aber auch Wissensbücher und sogar ein paar Jugendromane hatten sich zwischen ihnen versteckt. „Das einzige, was dein Zimmer von meinem unterscheidet, ist die ständige Unordnung bei mir.“ Ein Lachen konnte ich mir nicht verkneifen. „Mein Bruder sagt immer ich soll aufräumen und meine Spielsachen nicht auf dem Boden liegen lassen. Das nervt ab und zu. Aber manchmal sehe ich es ja auch ein.“ „Ich sehe das nie ein. Mein Bruder hat in den drei Jahren, die ich bei ihm wohne, gelernt, über meine Bücherstapel zu klettern. Du musst wissen, dass ich sehr viel lese. Ich besitze zwar Bücherregale, aber um einiges mehr Bücher, als je dort hineinpassen würden. Aus diesem Grund und aus dem Grund, dass ich sie öfters lese, fliegen sie in etwa einem halben Meter hohen Stapeln gut sortiert auf meinem Fußboden herum.“ „Ich will dein Zimmer unbedingt mal sehen!“ „Aber erst, wenn ich aufgeräumt habe. Und wenn mein Bruder wieder da ist.“ Ich lachte. Trotz kurzem Schmollens gab er sich damit zufrieden, auch er begann zu lachen. Mein Blick blieb auf einem der vielen nebeneinander stehenden Buchrücken haften, denn ich fand ein Buch, dass ich noch aus meiner Kindheit kannte. Vorsichtig nahm ich das schon mit ein wenig Staub bedeckte Kinderbuch aus dem Regal, wischte mit der Hand darüber und entdeckte den Titel. 'Drei Freunde halten zusammen.'. So war der Titel. Es erinnerte mich immer an die gemeinsame Zeit mit Seto und Mokuba im Heim. „Kennst du dieses Buch?“, fragte mich der kleine, der sein Deck in der Hand hielt und vor mir stand. „Eine Freundin von mir hat es sehr oft gelesen, als wir kleiner waren. Sie hat mir immer vorgelesen, bis zu einem Tag, an dem sie von ihrer Mutter aus dem Kinderheim abgeholt wurde. Ich habe es nur für sie aufbewahrt - wer weiß, vielleicht begegnen wir uns irgendwann wieder...“ In seiner Stimme lag eine ganze Menge Traurigkeit. Er ist wohl noch immer betrübt, dass ich die beiden einfach verlassen hatte - mehr oder weniger aus meinem Verschulden oder eher, weil ich es wollte. Ich zuckte zusammen, begann dann aber zu erklären. >Er erinnert sich daran? Dass ich ihm immer aus diesem Buch vorgelesen hatte, weil wir es so mochten?< „Als ich noch kleiner war, habe ich dieses Buch geliebt. Ich habe es ganz oft gelesen, weil ich die Geschichte darin so toll fand. Sag' mal, darf ich es mir ausleihen? Du bekommst es auch wieder.“ „Klar. Ich habe dieses Buch schon so oft gelesen, du kannst es ruhig haben. Aber jetzt sieh' dir endlich mein Deck an. Ich bin gespannt, was du dazu sagen wirst.“ Wir setzten uns auf den Teppichboden und studierte das Deck des Kleinen. Ich fand ein paar wirklich starke Karten, die, mit der richtigen Kombination mit anderen, sogar mich ins Wanken bringen würden. „Sag' mal, dürfte ich dein Deck auch einmal sehen? Ich habe es immer nur teilweise gesehen. In den Duellen, die im Fernsehen liefen.“ „Nun ja, eigentlich sind meine Karten mein größter Schatz, meine allerbesten Karten habe ich noch nie ausgespielt. Und damit ich nicht ausspioniert und bei meinen Duellen durchschaut werde, verwende ich nur die Karten, die ich auch wirklich benötige.“ „Du weißt schon vor dem Duell, mit welchen Karten du deinen Gegner schlägst? Du sortierst sie nach nützlich und nicht notwendig? Wow.“ „Ich investiere viel Zeit in die Entwicklung und Perfektionierung meiner Strategien und Fähigkeiten. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass ich nie die selbe Strategie anwende, jeden Duellanten schlage ich auf eine andere Art und Weise. Dahinter steckt wirklich harte Arbeit. Aber sie lohnt sich, so denke ich jedenfalls. Naja, ich werde die nächsten Stunden und Tage sehr beschäftigt sein, um mir eine neue Strategie auszudenken. Und meine besten Karten werden zum Einsatz kommen.“ „Willst du dich mit Seto messen?“ „Nein, mit dem König der Spiele höchstpersönlich.“ „Du willst gegen Yugi antreten?“ „Aber ja! Ich habe ihn eben getroffen, er meldet sich bei mir, wenn er einen geeigneten Tag gefunden hat.“ „Ist das nicht riskant? Er ist doch dann im Vorteil, weil er bestimmen kann, wann ihr euch duelliert. Und wenn er sagt, dass er sich morgen mit die duellieren will?“ „Und wenn schon. Ich würde es erahnen, wenn er solch einer wäre. Meine Intuition sagt mir, dass er noch etwa eine knappe Woche warten wird. Nein, er gehört nicht zu den stürmischen, aufdringlichen Duellanten. Er ist einer der durchdachteren Strategen.“ Ich stand kurz auf. „Du gehst schon?“ „Ich komme sofort wieder. Ich gehe nur kurz mein Deck holen.“ „Okay.“ Hoffend, dass mein Bruder mein Deck eingepackt hatte, als er die Tasche zum Umzug gepackt hatte, ging ich ins Zimmer schräg gegenüber, in Setos Schlafzimmer. Ich durchsuchte die Tasche und nahm meine gesamte Kleidung heraus, bis ich zwischen ihnen meine Duel Disk fand, und die kleine Geldkassette heraus, in der ich mein Deck und meine seltenen Karten aufbewahrte. Beides nahm ich mit in Mokubas Zimmer. „So, da bin ich wieder. Hat ein wenig gedauert, weil ich die Sachen nicht auf Anhieb gefunden habe. Ich dachte schon, mein Bruder hat sie zu Hause gelassen. Aber anscheinend hat er ausnahmsweise mitgedacht.“ Sofort griff er zu meiner Duel Disk. „Ich möchte auch später so eine tolle Duel Disk. Ich finde sie total schön.“ „Mein Bruder hat sie für mich entworfen. Als Geburtstagsgeschenk.“ „Ich werde mir auch so etwas wünschen. Aber meine wird dann nicht so toll aussehen, wie deine. Und ich will dich ja auch nicht nachmachen.“ „Du bist wirklich süß.“, sagte ich und legte ihm meine rechte Hand auf den Kopf, worauf er leicht errötete. „Ich scheine ja ein richtiges Vorbild für dich geworden zu sein.“ „Mein Vorbild ist immer noch mein großer Bruder! Ich will so gut im Duellieren werden, wie du.“ „Danke. Aber ich bin eigentlich nicht so herausragend...“ Er schnitt mir das Wort ab. „Aber du bist so cool, super stark, total nett, echt freundlich und sehr hübsch. Wie schön wäre es, wenn du für immer hier wohnen könntest und mit Seto Freundschaft schließt...“ Ich verschwieg ihm, dass ich vor hatte, so schnell wie möglich aus dieser Villa auszuziehen – ich wollte ja schließlich nicht seine Gefühle verletzen. „Aber jetzt sag' mal, was hälst du von meinem Deck?“ „Ich muss sagen, da habt ihr zwei ein gutes Deck zusammen gestellt – ich habe es auch nicht anders erwartet. Es fehlen noch ein paar Karten, die für ein paar Kartenkombinationen von Vorteil wären. Wenn du die noch in dein Deck mischst, dann würdest du vielleicht ein mir ebenbürtiger Gegner werden.“ „Ehrlich? Toll! Ich werde mir ganz viel Mühe geben und auch so gut werden, wie du und mein großer Bruder! Aber jetzt möchte ich dein Deck sehen.“, sagte er schon fast befehlend. Ich tippte schnell den Sicherheitscode in die Tastatur des Mini-Saves – wie ich ihn manchmal nannte – ein und schon konnte ich ihn öffnen. Mein Deck war an seinem Platz, ich nahm es heraus und reichte es dem kleinen, der mir gespannt gegenüber saß und vor Übereifer schon fast mein Deck fallen ließ, als er es in die Hände nahm. Seine Kinnlade näherte sich immer mehr dem Boden an, je weiter er in mein Deck vertieft war. Aber das waren noch nicht einmal meine stärksten Karten. Die waren in einem weiteren, mit einem Sicherheitscode abgeschlossenen Fach innerhalb der Geldkassette. „Das sind aber noch nicht meine besten Karten, meine besten Karten hat bisher noch niemand zu Gesicht bekommen. Ich werde sie wahrscheinlich beim Duell gegen Yugi einsetzen. Ich will ja schließlich gegen ihn gewinnen.“ Wir plauderten noch ein wenig über meine Duelle, bis ich Mokuba sagte, dass es langsam Zeit zum Schlafen gehen wäre. Eilig zog er seinen Schlafanzug an und legte sich ins Bett. „Gute Nacht, Mokuba. Schlaf' gut.“, sagte ich ihm und gab ihm einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn. „Du auch, Kyoko-chan.“ Und schon war er eingeschlafen. Ich nahm meine Duel Disk, meine Geldkassette, in die ich mein Deck gepackt und abgeschlossen hatte, und das Buch, das ich mir von Mokuba ausgeliehen hatte und ging ins gegenüberliegende Schlafzimmer von Seto. Der war noch immer nicht zu Hause, sondern wahrscheinlich noch bei seinem Meeting. Auch ich zog meinen Schlafanzug an, den ich aus meiner Tasche gekramt hatte. Es war bereits nach 22 Uhr, doch an Schlaf war nicht zu denken. Nicht, wenn man bis vor etwa drei Stunden noch vierzehn Stunden geschlafen hatte. Also verstaute ich Duel Disk und Deck im Nachtschrank auf der rechten Seite des Bettes, wo ich auch immer schlief, griff zum Lesestoff und setzte mich mit dem Buch an die verglaste Wand des Zimmers, gegenüber der Flurseite. Ich vertiefte mich in das Buch, das ich eigentlich schon in und auswendig kannte, weil ich es früher immer gelesen habe, als ich noch mit Mokuba und Seto im Heim war; las Seite für Seite, blätterte um und war fast am Ende angelangt, als die Türe leise aufging und ein mich niederträchtig musternder Kaiba vor mir stand. Der große natürlich, der kleine schlief bereits. „Willkommen zurück.“, sagte ich gelangweilt, Notiz davon nehmend, dass er nach einem bestialischen Parfum roch und sich einen magentafarbenen Knutschfleck an seiner rechten Halsschlagader eingefangen hatte. Ich sah ihn jedoch nicht an, beides war ja wohl kaum zu übersehen. Der Gestank konnte man sogar zehn Meilen gegen den Wind riechen und die Farbe des Lippenstiftes stach im Gegensatz zu den schwarzen Klamotten, die er trug, total hervor, so, als wäre es ein neongrelles Pink. „Wie war das Meeting?“ „Seit wann interessierst du dich für Geschäftliches?“, fragte er irritiert. „Hast du dich für heute Nacht verausgabt? Hat die Frau dich auf Touren gebracht?“, blockte ich ab, erst jetzt schien er zu merken, auf was ich hinaus wollte. „Ach, davon redest du. Wenn du schon so direkt fragst, bekommst du auch eine genauso direkte Antwort von mir. Ich habe sie zurückgewiesen.“ Er knöpfte seinen Mantel auf und hing ihn in seinen Schrank. Erst jetzt wandte ich mich ihm zu, lehnte mich in seine Richtung und legte meine Hand an meine Ohrmuschel, um besser verstehen zu können, was er sagte. „Sag' das nochmal!“ „Ich sagte, ich habe sie zurückgewiesen.“ „Wow, das hätte ich nie von dir erwartet, dass du eine Frau zurückweist, wenn sie scharf auf dich ist. Das muss dich ja einen Haufen Überwindung gekostet haben. Normalerweise legst du doch jede flach, die du kriegen kannst.“ „Ich hatte meine Gründe.“ „Die hoffentlich nichts mit mir zu tun haben?“ „Geht dich nichts an.“ „Also hatten sie mit mir zu tun. Du willst mich wohl immer noch flachlegen, was? In der Hoffnung, dass du in dieser Nacht endlich bekommst, was du haben willst, hast du dir deine Energie für mich aufgespart. Ich fühle mich geschmeichelt, aber meinetwegen hättest du sie auch so lange vögeln können, bis sie tot umfällt – mich kriegst du nicht um den Finger gewickelt. Finde dich endlich damit ab, Kaiba.“ Er schwieg und sah lieber zu, dass er seine Krawatte löste und sie auf das Sofa warf, das nahe des Bettes stand. Ich wandte mich wieder dem Buch zu und blätterte weiter. „Könntest du bitte damit aufhören, dich vor meinen Augen auszuziehen?“ „Es ist immer noch mein Schlafzimmer. Und wenn es dir nicht passt, dass ich vor dir stehe und mich ausziehe, dann ist es dein Problem. Ich habe kein Problem damit, dass du mich anstarrst. Ich weiß auch selbst, dass ich gut aussehe.“ „Wenn du meinst, Angeber...“ „Wieso liest du eigentlich so ein Kinderbuch? Ich dachte, so was interessiert dich nicht.“ „Was geht dich das an, was mich interessiert und was nicht? Ich will dieses Buch einfach lesen. Ich habe meine Gründe.“ Auch sein Hemd landete auf dem Sofa. Er strich sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ich nieste. „Du hast übrigens meinen Mantel im Wagen liegen lassen.“ „Habe ich im Nachhinein auch gemerkt.“ Und ein weiteres Niesen war zu hören. „Hast du sehr gefroren?“ „Nö.“ „Das musst du mir erklären. Du hast doch gesagt, dass dir kalt ist.“ „Ich habe Yugi getroffen, er hat mir seine Jacke geliehen und mich hierher begleitet.“ Ersteres war natürlich erstunken und erlogen, letzteres stimmte. Eifersüchtig sah Kaiba aus dem Fenster. „Man, Kaiba, du bist eifersüchtig auf Yugi? Oh man, du bist ja echt arm dran. Er und ich sind befreundet. Nicht mehr und nicht weniger.“ „Das ist schon Grund genug, eifersüchtig zu sein. Ich habe doch gemerkt, wie er dich während des Turniers angestarrt hat.“ „Du bildest dir etwas ein. Zwischen ihm und mir läuft nichts! Nichts! Kein bisschen! Und ich bin auch nicht scharf darauf, dass er es herausfindet –“ >Scheiße!! Verplappert!< „Was herausfindet? Ich wusste es doch, du verschweigst mir was! Raus mit der Sprache!“ Wütend schritt er auf mich zu, ich zog meine Beine an meinen Körper. >Verdammt, lass' dir was einfallen, Kyoko!< „Ich – Ich bin nicht scharf darauf, dass er denkt, dass du und ich was am Laufen haben! Das – Das meinte ich.“ „Lüg' mich nicht an!“ Eiskalt zu mir herunterblickend stand er vor mir. >Verdammt. Los, denk nach, Kyoko, denk nach! Na mach' schon!< „Na gut. Ich bin nicht scharf darauf, dass er ein Geheimnis meinerseits herausfindet.“ „Was für eins? Sag's mir!“ „Dann ist es ja kein Geheimnis mehr...“, schmollte ich. „Kyoko, sag es!“, sagte er wütend. „Frag' mich nochmal in 'ner Stunde.“ „Kyoko?“ „Ich weiß selbst, wie ich heiße. Aber danke für's Erinnern.“ „Ach, verdammt. Wieso werde ich nicht schlau aus dir?“ Endlich schien er locker zu lassen. „Weiß ich doch nicht.“ „Weiber.“ „Nur, weil du mich nicht verstehst und ich dir nicht, wie andere Frauen, zu Füßen liege. Du kannst mir gestohlen bleiben.“ Ich nieste ein drittes Mal, seit er zurückgekommen war, worauf er sich vor mir herunterbeugte und mir ins Gesicht sah. Alle Wut war wie weggeblasen. „Du bist ziemlich blass.“ Er legte mir seine Hand auf die Stirn, dann auf seine. „Und leichtes Fieber hast du auch.“ „Na und? Mir doch egal. Ich sterbe schon nicht daran. Und jetzt geh' dich duschen, ich will nicht länger diesem Gestank ausgesetzt sein. Und der Fleck an seinem Hals soll verschwinden.“ Wow, er hörte auf mich, stand wirklich auf und verschwand im Bad. „Du bist also doch eifersüchtig!“, rief er, bevor er verschwand, blieb in der Badezimmertüre stehen und drehte sich um, als würde er sich eine Antwort meinerseits erhoffen. „Bin ich nicht. Und wehe, du kommst wieder raus und stinkst noch immer. Und vergiss' nicht dir den pinken Fleck abzuwaschen. Und jetzt ab unter die Dusche! Kusch, kusch! Ab mit dir!“ Endlich konnte ich mich wieder auf das Buch konzentrieren, was unmöglich war, während er halbnackt vor mir stand. Ich musste zugeben, er sah wirklich gut aus, aber seine Nähe war mir schon sehr unangenehm. Kurze Zeit später hatte ich das Buch durchgelesen, ich legte es auf meinen Nachtschrank und legte mich ins Bett, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und dachte nach. Bis Kaiba aus dem Bad kam und im Handtuch bekleidet durch das Zimmer lief. Ich seufzte. „Du bist noch wach?“ „Wie soll ich denn bei dem Krach, den du machst, schlafen?“ „Wie soll ich bei dem Krach, den du machst, wenn du schläfst, schlafen?“ „Was mache ich denn bitte?“ Kaiba ging in den begehbaren Kleiderschrank und suchte nach seiner Unterwäsche. „Soll ich dir das wirklich sagen? Es wird dir so peinlich sein, dass du im Boden versinken würdest.“ Ich setzte mich im Bett auf. „Sag' es!“ „Du redest, als würdest du einen Roman lesen.“ „Na und? Was ist daran so peinlich?“ „Ach ja, du fängst an zu stöhnen, wenn du schläfst.“ Ich wurde knallrot und ließ mich zurück in mein Kopfkissen fallen. „Ich muss mich schon beherrschen, sonst hätte ich schon was weiß ich nicht gemacht.“ „Pfft.“ „Musst ja ganz schön wilde Träume haben.“ „Aber bestimmt nicht von dir, Ekelpaket.“ „Danke für das Kompliment.“ „Wenn es doch nur gute Träume wären...“, murmelte ich. „Alpträume?“ Ich schwieg und starrte wieder an die Decke. „Erinnerungen an früher. Alles kommt wieder hoch.“ „Ist was passiert?“ „Nein. Seit ich hier bin träume ich immer von der Zeit bei meiner Mutter.“ „War es so schlimm?“ Er setzte sich auf seine Bettseite und kramte in seinem Nachschrank. „Ich gehe noch mal kurz runter, mir etwas zu Trinken holen. Bin gleich wieder da.“ Er stand auf und verließ das Zimmer. Ich drehte mich zu Kaibas Bettseite und schaute in Richtung Türe. „Seto...warum hast du mir das bloß angetan...ich kann dir einfach nicht verzeihen...“, flüsterte ich, als ich hörte, wie er den Korridor hinunter ging. Eine Träne lief aus meinem linken Auge. „Magst du auch etwas, Kyo..“, fragte er, als ich weinend im Bett lag. Er stellte die Flasche neben dem Bett ab, legte sich neben mich und sah mir ins Gesicht. „Was ist los?“, fragte er. „Nichts. Gute Nacht.“ Ich wollte mich umdrehen, doch er hinderte mich daran. Er hielt meine linke Hand ganz fest, so fest, dass sie fast schmerzte. „Sag' mir doch endlich, was los ist.“, sagte er eindringlich, aber ganz sanft und nicht mehr so eiskalt wie sonst. „Ich kann es dir nicht sagen. Du würdest mich dafür hassen.“, antwortete ich unter Tränen. „Wie könnte dich dich hassen, Kyoko? Dafür habe ich dich viel zu gern.“ Ich schwieg. „Was machst du nur mit mir?“, flüsterte er leise, bis er mich auf die Lippen küsste und sich in mir ein Kribbeln breit machte, ein unbeschreibliches Gefühl. >Wohl eher: Was machst du mit mir, Kaiba? Wieso tust du so was?< ----------------------------------------------------------------------------------------------- Ein paar Worte vom Autor Hilfe, meine Kapitel werden immer länger! Dauert nicht mehr lange, bis ich bei 10000 Wörtern pro Chapter angelangt bin! Die Kapitel werden viel zu lang – für meine Verhältnisse... Bitte ein paar Kommis mit euren Meinungen – ich finde, ich sollte mich in Zukunft mehr drosseln und die Wörterzahl definitiv um ein paar Tausend runterschrauben. Es wird sonst wirklich zu viel und total unübersichtlich. Das ist jedenfalls meine Meinung. Außerdem will ich euch nicht zu sehr belasten – ich würde auch nur ungern ein Kapitel lesen, das 10000 Wörter (+) hat... ;D Damit ich aber eure Wünsche noch berücksichtigen kann, bitte ich euch nochmal, ein paar Kommentare zu schreiben, außerdem wären ein paar Bewertungen über meinen Schreibstil, meine Erzählperspektive, Charaktere – was euch so einfällt – nett, damit ich mich daran ein wenig orientieren kann und mich möglichst nah an euren Gedanken, Interessen und Wünschen arbeiten kann. Da ich zur Zeit nur recht wenig Kommentare bekommen habe und ich auch von anderen Lesern, und auch von dir (:D), ein paar Anregungen erhalten möchte, bitte ich euch aufrichtig um ein paar Tips und Ratschläge. Ich kann doch keine Gedanken lesen oder so was, um herauszufinden, ob die FF jetzt gelungen oder eine neue Aufgabe für den Aktenvernichter ist!!! Ansonsten hoffe ich, dass euch dieses Kapitel gefallen hat. Die Wendung im Ende ist ein bisschen komisch geworden, aber naja. Fortsetzung folgt natürlich, wie immer. Ich hoffe, ihr bliebt mir gewogen, eure Rioku-chan P.S.: WICHTIG FÜR'S VERSTÄNDNIS!!!Mit 'König der Spiele' ist zu Beginn (und etwa bis Kapitel 7 einschließlich) YAMI gemeint - Kyoko weiß dann noch nicht, dass es Yami/Atemu und den kleinen Yugi gibt. Und zu seinem Wohnort komme ich noch! Kapitel 8: Give Me A Smile -------------------------- Kapitel 8: Give Me A Smile Ein paar Worte vom Autor Gooooooooooooooooooomen nasai! Ich bin echt spät dran! Sorry, dass ihr so lange auf das neue kapitel warten musstet! Aber zur Entschädigung gibt es Kapitel 8 und 9 auf einmal! ;) Bei diesem Kapitel hat mir, glaube ich, die Kreativität gefehlt. Irgendwie fast wie ein Filler.... Aber trotzdem ist dieses Kapitel ein Muss, wenn man den weiteren Gang der Handlung verstehen will, so denke ich als Autorin jedenfalls. Jetzt ist auch schon wieder genug geredet, ihr wollt ja mein neues Kaiptel lesen und nicht mein Geschwafel... Viel Spaß beim Lesen - und nicht die Kommis vergessen! ;D ----------------------------------------------------------------------------------------------- Am nächsten Morgen wurde ich wach, neben Seto, der noch im Tiefschlaf mit dem Gesicht zu mir lag und leiste atmete. Leise stand ich auf, um ihn nicht zu wecken, kramte in meiner Tasche und fand meine alte Schuluniform, die ich nach einer kurzen Stip-Visite im Bad anzog, da ich die neue noch nicht erhalten hatte. Leiste nahm ich auch meine alte Schultasche, die sich auch in der Tasche befand mit und ging auf den Korridor, wo mir Mokuba über den Weg lief. „Guten Morgen, Kyoko-chan. Ist Seto schon wach?“, fragte mich ein hellwacher Mokuba. „Nein, er schläft noch.“ „Dann werde ich ihn mal weck –“ „Lass' ihn noch ein paar Minuten schlafen. Ich habe tierischen Hunger. Zeigst du mir den Weg zur Küche?“ Und schon nahm ich ihn mit, mit der Absicht, dass Seto in Ruhe aufstehen und sich fertig machen konnte. Vielleicht motzte er mich dann nicht für meine nächtlichen Reden an. Verdammt, was kann ich denn dafür?! „Sag' mal, Kyoko, du bist ziemlich blass. Und deine Haut ist ganz heiß. Bist du krank?“ „Nein, mir geht es super. Schon okay.“, log ich. „Doch, ganz sicher. Du bist ganz sicher krank. Dann solltest du hier bleiben und dich ausruhen.“ Nicht nur Kaiba schien mich leicht durchschauen zu können, auch Mokuba war dazu in der Lage. Ich nieste. Man, wie ich es hasste, erkältet zu sein. „Nein, schon gut. So schlimm ist es nun auch wieder nicht.“ „Gesundheit.“, sagte der kleine, der sich, als wir gerade im Esszimmer kamen, neben Kaibas Platz setzte. „Sag' mal, warum sitzt du so weit weg?“, fragte er, als ich mich ans andere Ende des Tisches setzte. „Ich will nicht Schuld haben, wenn du und dein Bruder in geraumer Zeit krank seid. Er wird mich dann bestimmt wieder für alles verantwortlich machen. Und darauf habe ich echt keine Lust.“, rief ich laut – Kaiba war bestimmt aufgestanden und schon auf dem Weg hierher. Wenn ja, würde er es ganz bestimmt hören. Ein paar Dienstmädchen schneiten mit aufgesetzten Lächeln herein. „Guten Morgen, Mokuba-sama.“, riefen sie, der kleine sah freudig zu ihnen zurück. Doch anstatt mich freundlich zu begrüßen, erntete ich nur eifersüchtige und wütende Blicke von ihnen und wurde mit einem teuflisch klingenden „Morgen, Kyoko-sama~.“ begrüßt. „Seien Sie gefälligst freundlich unserem Gast gegenüber! Sonst stelle ich bald neue Leute ein, die mehr Anstand und Respekt besitzen! Und jetzt bringen Sie das Frühstück herein, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“, hörte ich einen wütenden Kaiba hinter mir, worauf die Dienstmädchen gleich in der Küche verschwanden. „Morgen, Seto. Hast du gut geschlafen?“, fragte der kleine der beiden Brüder. „Ich habe gar nicht geschlafen, weil sie die ganze Nacht über geredet hat, wie ein Wasserfall! Aber danke der Nachfrage.“, rief Seto sauer und sah mich mal wieder mit seinem berühmt berüchtigten giftigen, eiskalten Blick an, während er sich auf seinem Stammplatz niederließ. „Wenn ich erst ausgezogen bin, dann kannst du wieder ruhig schlafen. Du kannst dich schon mal drauf freuen, Frostbeule.“, meinte ich und sah zu ihm, ohne den Kopf zu verdrehen. „Du ziehst aus?“, fragte Mokuba. Ich schwieg daraufhin, um den traurigen Mokuba nicht noch mehr zu enttäuschen. „Sag' mal, hast du heute was vor?“, fragte ich stattdessen den großen Kaiba, der mich verwundert musterte. „Kein Date, du Idiot, ein Duell!“ Sie machte eine Pause. „Und starr' mich nicht so erwartungsvoll an. Was auch immer du erwartest, du bekommst es nicht. Jedenfalls nicht von mir.“ „Nach der Schule muss ich zur Firma. Also nein.“, antwortete Seto, der ein Dienstmädchen anfauchte, dass sie ihm endlich den heiß ersehnten Kaffee hole, inklusive der Zeitung. „Ich schlage dich auch ganz schnell. Ich werde dich nicht lange aufhalten.“, bettelte ich und grinste. „Ist wohl eher andersherum. Ich schlage dich.“ „Oder soll ich mich mit Yugi messen, während du in deiner Firma verschimmelst?“ „Das schaffst du doch nie. Ihn zu schlagen meine ich.“Er bekam den Morgenkaffee und blätterte wie wild in der Zeitung herum. Wonach der wohl suchte... „Doch das schafft sie ganz bestimmt.“, rief Mokuba überzeugt und stocherte wie jeden Morgen mit der Gabel in seinem Frühstück herum, was deutliche Spuren in seinem Essen hinterließ. Ihm schien es ja nicht sonderlich zu munden.. „Was redest du da für einen Unsinn, Mokuba?“, fragte der große ungläubig. „Sie hat mir ihr Deck gezeigt und ein paar ihrer echt starken Karten. Selbst du erblasst bei ihren Karten – sie ist ein ernst zu nehmender Gegner für dich.“ „Sie hat – was?“, fragte Seto noch ungläubiger und sah über den oberen Rand der Zeitung zu seinem kleinen Bruder auf, dann zu mir. „Tja, im Gegensatz zu dir genießt Mokuba mein vollstes Vertrauen.“, sagte ich verachtend, noch niederträchtiger sprach ich jedoch seinen Namen aus, nachdem ich meinen Satz beendet hatte. „Nicht wahr, Seto?“ Dieser verschluckte sich an seinem Kaffee und hustete, als ich ihn ansah. Meine Grippe machte sich bemerkbar. Ich keuchte mir fast die Lunge aus dem Leib, so fühlte es sich jedenfalls an. „Du hörst dich nicht gut an. Bist du sicher, dass du zur Schule gehen willst?“, fragte Mokuba. „Keine Sorge, ich schaffe das schon.“ „Sicher?“ „Sicher. Danke, dass du dich um mich sorgst, aber du tust es ohne Grund.“ Seto beäugte mich. Seine stechenden, abfälligen Blicke machten es mir schwer, ihm ins Gesicht zu sehen. ~Einige Zeit später~ Kurz nach dem Frühstück brachen wir zur Schule auf, wir saßen in einer der großen Limousinen der Kaibas. Ich starrte meine Schultasche an und dachte an die Erinnerungen an der alten Schule – und was mich an der neuen für welche erwarten könnten. „Ist irgendwas?“, fragte ich, als ich die Blicke des kleinen auf mir ruhen spürte. „Nein, nichts. Entschuldige.“, antwortete dieser, dem ich jedoch weniger Beachtung schenkte, da ich seinen mit seinem Laptop beschäftigten großen Bruder ansah, daraufhin wieder den mit weichem Teppichboden überzogenen Boden anstarrte. Die gesamte Fahrt über war es ruhig, das einzige, was man hören konnte, waren Motorengeräusche und das Klicken und Klackern von Kaibas Laptoptasten. Erst, als wir die Schule erreichten, klappte er sein Notebook zusammen und hielt es unter seinem rechten Arm fest. Ich stieg als letzte aus dem Wagen, weit nach den beiden Brüdern. Die beiden gingen ein ganzes Stück vor mir in Richtung Haupteingang der Schule, nicht gerade sehr unauffällig. Alle beachteten die beiden Brüder, besonders Seto, und starrten sie an. Doch als sie mich sahen, warfen sie mir nur neidische Blicke zu, die sich noch mehr verfinsterten, als Seto mich zu sich rief. „Kyoko, nun mach' schon, Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, nur weil du trödelst!“ Schweigend und mit gesenktem Kopf eile ich schnellen Schrittes, jedoch ohne auch nur ansatzweise zu rennen, zu den beiden Brüdern, hielt aber trotzdem einen Abstand von ein paar Metern ein. Verdammt, wieso zeigte ich ihnen nicht, wer ich bin? Ich war doch kein Angsthase! Überall durch Anmut, Charakter und Eitelkeit, Egoismus und Selbstsicherheit bekannt wie ein bunter Hund. Doch warum musste ich gerade jetzt so ein unterwürfiges Verhalten aufzeigen? Vielleicht hatte ich ja Angst davor, mich so zu zeigen, wie ich sonst immer bin. Aber ich und Angst... Oder es war wegen Seto. Vielleicht würde er versuchen, mich loszuwerden, sobald er von allen bewundert und umschwärmt wird und ich, so protzig und überheblich wie ich bin, ihm im Weg stünde. Ich wäre ihm da nur ein Klotz am Bein. Oder es war wegen meinen Erinnerungen. Ich war es eigentlich gewohnt, nicht beachtet oder vielleicht sogar missachtet zu werden. Schon immer war ich ein Einzelgänger gewesen – vielleicht war diese Schule eine der vielen, wo ein Einzelgänger nicht akzeptiert und toleriert wurde, vielleicht sogar von den anderen Gruppierungen runter gemacht wurde. Vielleicht fürchtete ich mich davor, wieder eine Außenseiterin zu sein, die von allen missachtet wurde. Wenn doch bloß meine beste Freundin aus der alten Schule hier wäre. Die einzige beste Freundin, die ich jemals hatte. Doch das Ganze wurde nur noch schlimmer, als Seto mich am Arm packte und mich hinter sich her zu schleifen versuchte. Das wurde mir zu viel. Unter dem Raunen und den neidischen, eifersüchtigen und ausgrenzenden Blicken der gesamten Schule, riss ich mich von ihm los. Auch er sah mich verwundert an. Ich blieb stehen, sah niemandem in die Augen. „Entschuldige.“, flüsterte ich, als ich an Seto vorbei rannte. Wieder hielt er mich fest, diesmal an der Schulter. „Was soll das Theater, Kyoko?“, fragte er erzürnt. „Ich erkenne dich nicht wieder.“ „Es ist nur... Ach, vergiss' es einfach! Es geht dich nichts an!“ „Wenn das so ist, dann geh'. Mach' doch, was du willst.“ >Wieso ist er so wütend auf mich? Was habe ich schon wieder gemacht, dass er mal wieder sauer auf mich ist...< Ich lief ins Schulgebäude hinein. >Verdammt, wieso ich? Ich war doch die selbstbewusste Kyoko Karasuma!< „Kyoko?“ Ich drehte mich um und sah Yugi, an dem ich gerade vorbei gerannt war. „Sorry, ich muss zum Sekretariat.“ „Jetzt warte doch mal! Was ist mit dir los? Ich habe dich noch nie so aufgelöst erlebt.“, fragte er mich, als er mich am Handgelenk festhielt, als ich versuchte, wegzulaufen. Alle hielten mich fest und hinderten mich daran, fortzulaufen, vor der Situation und vielleicht sogar, vor mir selbst. Warum? Warum nur? Zum Glück waren die anderen Schüler noch draußen und umringten die Kaiba-Brüder, also waren wir beide ungestört und ich konnte ihm erklären, was los war. „Ist es wegen unserem Duell?“ „Nein, das ist es nicht.“ „Was ist es dann?“, fragte er und hob mein Gesicht ein wenig an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. „Versprich' mir, dass du dafür sorgst, dass ich von Kaiba wegkomme, sobald ich dich geschlagen habe. Ich halte es bei ihm nicht länger aus.“, sagte ich unter Tränen. „Ich kann einfach nicht mehr.“ „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir helfe. Jetzt mach' dir keine Sorgen und hör' auf zu weinen. Das führt doch zu nichts.“ „Wie soll ich mir keine Sorgen machen? Ich werde von allen verachtet, nur, weil Kaiba seinen Beschützer-Instinkt entwickelt hat und niemanden mehr an mich heran lässt. Ich kann nichts mehr tun, nicht das Haus verlassen, nicht in der Stadt einkaufen gehen, ich darf dir nicht einmal begegnen, ohne, dass er eifersüchtig wird und mich beschatten lässt.“ Die Tränen, die mein Gesicht herunterliefen, ließen ein Brennen auf meinen Wangen zurück. „Jetzt fange ich noch an zu heulen. Ich bin anscheinend doch nicht so selbstbewusst und unerschütterlich. Sondern eher nah am Wasser gebaut. Entschuldige.“ Yugi nahm mich tröstend in die Arme und sprach ein paar tröstende Worte. Was war ich froh, dass er für mich da war. Ich schloss die Augen und versuchte, Tränen und Schmerz so weit wie möglich zu verdrängen. „Ich werde tun, was in meiner Macht steht, damit du nicht mehr leiden musst, Kyoko.“ Seine liebevolle Art ließ mich Geborgenheit spüren. Nur bei ihm fühlte ich so, egal, wer bei mir war, ob es mein Bruder war oder sonst jemand, nie hatte mich jemand so empfinden lassen. „Danke, Yugi.“ Wir schwiegen einen Moment, er ließ mich langsam los. „Kyoko, ich...“, begann Yugi, der aber von einem wütenden Kaiba, der uns leider aufgespürt hatte, unterbrochen wurde. „Hier steckst du also. Wieso hätte ich mir das denken können?“, brüllte Kaiba mir ins Gesicht. Verdammt, er war mir tatsächlich gefolgt. „Kaiba, hör' auf, so mit ihr zu reden. Sie ist völlig fertig mit den Nerven.“ Yugi nahm mich in Schutz. Das hätte er nicht tun sollen – Kaiba war stocksauer. Warum wusste ich nicht, aber ich konnte es erahnen. Seine Eifersucht. Seine scheiß verdammte Eifersucht. Die noch nicht mal begründet war. Aus meiner Sicht jedenfalls. Aber jetzt kommt der Gipfel. Als Seto seine Hand gegen Yugi erhob und er kurz davr war, ihm eine zu verpassen, stellte ich mich dazwischen und fing den Schlag ins Gesicht ab, worauf ich donnernd zu Boden ging. >Dieser Mistkerl macht Yugi dafür verantwortlich, dass er so scheiße eifersüchtig ist. Nur, weil er mich nicht weichgekocht kriegt! Dieser Idiot! Dieses dreckige Arschloch!...< „...Mistkerl...du und deine scheiß verdammte Eifersucht...“, nuschelte ich. „Kyoko, nein...“, hörte ich Yugi sagen, der sich neben mich gekniet hatte und mich aufstützte. Ich sah Kaiba in die Augen, der sich nicht einmal entschuldigte, nein, er drehte sich um und ging. „Soll ich dir etwas sagen, Kaiba?“ Der angesprochene blieb stehen und drehte sich leicht zu mir um, sah über seine breiten Schultern zu mir herunter. „Noch heute werde dich mich von dir losreißen. Endlich werde ich wieder das tun können, was ich will. Und weißt du, was ich noch tun werde? Ich werde bei Yugi einziehen! Er kümmert sich wenigstens um mich und behandelt mich, wie einen Menschen und nicht wie eine Trophäe, die man besitzen kann, wie du es tust!“, schrie ich ihn brüllend an. „Du wirst mir nie wieder in die Quere kommen! Du wirst mich nie rumkriegen! Und verdammt nochmal, lass' deine scheiß Eifersucht nicht an mir oder Yugi aus! Klar?“ Sowohl Kaiba als auch Yugi erschraken, als sie über meine Worte nachdachten. Jedenfalls merkte ich, wie beide mit geweiteten Augen in meine Richtung starrten. Langsam stand ich auf, der Schmerz des Schlages, aber auch der Schmerz in meinem Herzen, breitete sich in meinem Körper aus, wie ein Lauffeuer. Und nicht nur das – mein Körper war sowieso schon genug angeschlagen, die Grippe verschlimmerte sich von Minute zu Minute spürbar. Taumelnd bewegte ich mich auf Kaiba zu und hielt mich an der Jacke seiner Schuluniform fest, um nicht wieder in die Knie zu gehen. Mein Körper bebte förmlich, als ich ihn berührte. Ich zitterte am ganzen Körper und konnte mich ohne Hilfe kaum auf den Beinen halten. „Sag' mir, warum du das tust, Kaiba. Macht es dir Spaß, mich zu quälen? Mich zu küssen, mich zu necken und mich dann wieder eiskalt abblitzen zu lassen? Mich fallen zu lassen, als wäre nichts gewesen? Und dann nimmst du mich wieder auf, und tust so, als wäre gar nichts passiert... macht es dir Spaß?“, fragte ich. „Ich hätte mich nie auf dich einlassen sollen. Schon damals nicht. Hätte ich doch früher schon gewusst, was du für ein gefühlskaltes Arschloch bist. Dann hätte ich mich damals nicht in dich ver...“ >Nein, nicht jetzt!<, dachte ich, als meine Beine nachgaben. „Kyoko, jetzt ist es genug –“ „Halt dich da raus, Yugi. Das ist eine Sache zwischen Kaiba und mir!“, fauchte ich, schnell bereute ich das, was ich sagte. Meine Überheblichkeit und meine Zickerei ließ mich erneut in die Knie gehen. Mein Körper war vollkommen kraftlos. Kaiba sah niederträchtig zu mir herunter. Für ihn war ich jetzt nicht mehr als eine billige Schlampe, die sich erst von ihm hat durchfüttern lassen und sich dann gegen ihn auflehnt. Jetzt war ich sicher nicht mehr wert, als seine One-Night-Stands. Oder vielleicht war ich noch wertloser als diese...Dieser Gedanke stimmte mich traurig. Warum wusste ich nicht. „Du solltest nach Hause gehen und dich ausruhen. Fieber hast du auch, und das nicht zu knapp. Bevor du hier noch zusammenbrichst.“ „Nach Hause? Soll das ein Witz sein, Yugi? Wohin soll ich denn gehen? Zu Kaiba gehe ich nicht mehr zurück, niemals.“, rief ich, als ich Kaiba wütend anstarrte. „Mach', was du willst, Kyoko. Dann habe ich wenigstens wieder meine Ruhe.“ Kaiba ging den Gang hinunter. „Ja, verpiss' dich nur, Kaiba! Du nichtsnutziger Schwächling! Ziehst den Schwanz ein, wenn's ernst wird! Aber sonst den Dicken markieren! Du kannst deinem Bruder sagen, dass ich nie, nie wieder, mit euch was zu tun haben will! Nicht mit dir! Mit keinem von euch! Du hast immer alles kaputt gemacht!“, schrie ich ihm nach; ich zog alle Blicke von all den Schülern, die zum Gong das Schulgebäude betraten, auf mich. „Kyoko, er ist es nicht wert. Komm', ich bring' dich zum Sekretariat. Und dann bring' ich dich zu mir nach Hause, damit du dich in Ruhe auskurieren kannst.“ „Yami, hey.“, ertönte es hinter uns, als er mir aufgeholfen hatte und mich stützte. „Guten Morgen, Joey.“, sagte Yugi freundlich. „Ich wusste gar nicht, dass die auch auf unsere Schule geht.“, kam es ein wenig herablassend von dem größeren Blondschopf. Sein rechter Zeigefinger war auf mich gerichtet, dessen Besitzer sah jedoch nur Yugi an und würdigte mich keines Blickes. „Erst seit heute.“, kam es knapp von mir. „Nett, dich kennenzulernen.“ „Ganz meinerseits.“, antwortete dieser Junge, Yugi sagte, er hieß Joey, oder so. >Nicht so überzeugend, Junge. Ach, dann ist er bestimmt dieser Wheeler, von dem Kaiba immer erzählte. Er war doch auch ein Teilnehmer bei dem Turnier. Jetzt erinnere ich mich.< „Naja, wir gehen eben ins Sekretariat und bringe Kyoko dann nach Hause. Sie ist ziemlich krank.“ Skeptisch sah er mich an. „Okay...“ Mein Ruf schien mir dann doch vorauszueilen. „Okay, wir sehen uns dann nachher. Oder so.“ Er verschwand im selben Gang wie Kaiba vorhin. „Ich mache allen nur Stress.“, murrte ich leise. „Stimmt doch gar nicht. Zerbrech' dir nicht den Kopf über so was.“ „Kein Wunder, dass mich niemand akzeptiert.“ „Hör' endlich auf, so einen Stuss zu erzählen und dich selbst runterzumachen. Du bist ein toller Mensch, auch, wenn die anderen anders denken. Ich weiß ganz genau, dass du nicht so bist, wie die anderen meinen, du seist es. Du bist ein emotionaler, aber auch sehr kämpferischer Mensch, der auch mal ab und zu zu Überheblichkeiten neigt. Solche Menschen und auch ihre Fähigkeiten weiß ich zu schätzen. Weil ich jemanden kenne, der so ist wie du, und dieser Mensch ist einer meiner Freunde.“ „D – Danke, Yugi.“ Errötend wandte ich mich von ihm ab. Kurz nach dem kleinen Gespräch erreichten wir das Sekretariat, wo ich ein paar formale Dinge klären musste, aber aufgrund meiner Krankheit direkt wieder nach Hause geschickt wurde. Mein erster Unterricht würde für mich erst beginnen, sobald ich wieder ganz gesund bin, so die alte Schrulle im Sekretariat, dessen gelocktes, rostrotes Haar stark an einen Mopp erinnerte. Auch Yugi sei vom Unterricht freigestellt, nachdem er der älteren Dame, der ich ab jetzt den Namen 'Frau Moppkopf' gab, erklärt hatte, wie meine derzeitige Situation wäre, dass mein Bruder im Ausland sei, und so was halt – das einzige, was er eigentlich tun musste, war, mich nach Hause zu bringen. Aber ich glaube, er würde mehr tun, als er eigentlich brauchte. Also verließen wir das Schulgelände wieder – für die anderen hatte der Unterricht bereits angefangen, also musste ich mir keinerlei Sorgen machen, dass mir die anderen Schüler eins auswischen wollten, oder so. Gleichzeitig hieß das, dass ich Kaiba auch nicht über den Weg laufen würde. Was für ein Glück. Seine selbstgefällige Fratze will ich nicht mehr sehen. Aber irgendwie verspürte ich einen stechenden Schmerz in meinem Herzen, wenn ich an ihn dachte und daran, dass ich ihn so schnell nicht mehr wiedersehe. Andererseits hat das auch Vorteile – seine unzulässige Eifersucht macht mir noch das Leben zur Hölle. Nur, weil er mich flachlegen will, es aber nicht kann, weil ich mich mit allen Mitteln dagegen sträube. Der glaubt echt, er könne sich alles erlauben, nur, weil er der mächtigste Mann Japans ist. Nachdem Yugi mir sagte, dass ich mich die ihm abstützen sollte, und er meinte, dass er Angst davor hätte, dass ich zusammenbreche, legte ich meinen linken Arm um seinen Nacken. Wie Recht er hätte, So konnte ich besser laufen, als ohne ihn. „Wo gehen wir eigentlich hin?“, fragte ich, als Yugi in die entgegengesetzte Richtung zu meinem zu Hause ansetzte. „Ich werde dich erst einmal bei mir unterbringen, wenn du nichts dagegen hast.“ „Äh...ja okay. Wenn ich dir nicht zur Last falle, gern.“ „Du und zur Last fallen...was hast dir Kaiba denn da wieder eingetrichtert?“ Er schüttelte den Kopf. „Vorübergehend kannst du bei mir wohnen, wenn du mit Kaiba nicht klar kommst. Ich will dir nicht zumuten, in deinem gesundheitlichen Zustand alleine im hinterletzten Eckchen der Stadt zu wohnen. Wenn dir was passiert, würde das kein Mensch merken. Ich glaube nicht, dass mein Vermieter meckern wird. Und wenn doch, dann gehst du immer noch vor.“ „Danke, Yugi.“ Nach kurzer Zeit erreichten wir einen Spieleladen. Ein Laden, der nur Duel Monsters Karten verkaufte. Was er wohl hier wollte...Hoffentlich nicht sein Deck aufpeppen, während ich hier fast zusammenbreche vor Kraftlosigkeit. Als wir den Laden betraten, läutete ein kleines Glöckchen, dass über der Türe hing und ein alter Mann schneite herein. „Oh, hallo. Du bist es, Yami. Was führt dich denn schon hierher? Und wer ist dieses Mädchen? Warte mal, ist das nicht...“ „Großvater? Ist Yami zurück?“, ertönte es aus einem Hinterzimmer, die Stimme wurde lauter und ein kleinerer Junge kam zu uns dreien, er sah haargenau so aus, wie der Yugi neben mir. „Kyoko Karasuma!“, sagten der Miniatur-Yugi und der alte Mann gleichzeitig. „Was geht denn hier ab?! Was ist das denn jetzt hier?“, fragte ich. „Das sind Yugi und sein Großvater. Ich bin übrigens Yami Yugi oder Atemu.“ „Hääääääääää? Wo ist die versteckte Kamera? Wollt ihr mich vergackeiern? Das muss ein Scherz sein! Zwei Yugis?! Niemals!“ „Komm' mit, ich erkläre es dir, wenn wir oben sind. Das muss nicht jeder mitbekommen, der am Laden vorbeigeht oder hereinkommt.“, sagte Yami, der noch immer neben mir stand. Yami, Yugi und ich gingen eine Treppe hinauf, die in eine kleinere Wohnung oberhalb des Ladens führte. ~Einige Zeit später~ „Jetzt nochmal zum mitschreiben...du bist Yugi“ Ich zeigte auf den kleinen, der mir gegenüber saß, „und du bist Yami beziehungssweise Atemu, ein alter Pharaoh aus dem alten Ägypten?“ Ich zeigte auf den großen, der ebenfalls mir gegenüber auf der selben Couch saß, wie der kleinere von beiden. Beide hatten versucht, mir zu erklären, wer wer ist, warum die beiden bis auf die Größe fast identisch waren und warum es zwei von der Sorte Yugi gab. „Das ist zu viel für mich.“ Ich legte meinen Hinterkopf auf der Rückenlehne der Couch, auf der ich saß, ab und starrte an die Decke. Ein Seufzer entfuhr meinen Lippen. „Aber jetzt solltest du dich wirklich ausruhen.“, sagte Yami, der um den Tisch zwischen uns zu mir gekommen war und seine Hand auf meine Stirn legte. Ich legte mich auf das Sofa, Yami nahm eine mollig warme Decke und deckte mich damit zu. Der kleine Yugi war dabei, Umschläge für mich zu machen. So langsam fragte ich mich, wann er wohl mit ihnen zurück kam, denn er hatte schon vor knapp zehn Minuten das Zimmer verlassen. „Wie soll ich dir dafür danken. Du hast mich ohne ein Duell von Kaiba weggeholt und kümmerst dich jetzt so...um mich. Womit habe ich das bloß verdient...“ Ein Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. „Hör' auf, dich ständig zu bedanken.“ „Und es ist wirklich okay für dich, Yugi und seinen Großvater, dass ich für ein oder zwei Tage hier wohne?“ „Natürlich ist es das. Du kannst hier wohnen bleiben, bis dein Bruder wieder da ist, das macht gar nichts.“, antwortete Yami und strich mir durch das Haar. „Ähm, was tust du da?“, fragte ich. Plötzlich weitete er die Augen, errötete und antwortete „D – Du hattest etwas ihm Haar.“ und schaute weg. „Achso.“ Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich etwas im Haar hatte. Oder war das jetzt nur eine Ausrede? Wenn es eine war – warum hatte er nicht die Wahrheit gesagt? Warum sagt er mir nicht, was er denkt...über mich, und so... Egal, dachte ich, ich bin ihm unendlich dankbar. Und das war alles, was mir jetzt durch den Kopf ging. Wenn meine seelischen Schmerzen doch so schnell verfliegen würden, wie meine körperlichen... Ohne vorher nachzudenken setzte ich mich auf dem Sofa auf und drückte ich meine Lippen auf Yamis linke Wange. „Danke. Für alles.“, flüsterte ich in sein Ohr und ließ mich wieder ins Kopfkissen sinken. Endlich kam Yugi mit den Umschlägen zurück. „Entschuldigt, dass es so lange gedauert hat.“, sagte er und stellte die Schüssel mit Wasser und das Tablett, worauf sie stand, auf dem Sofatisch ab. „Ich bin sehr froh, dass ihr mich aufgenommen habt. Ich weiß wirklich nicht, wie ich euch danken soll. Auch dir, Yugi, du machst dir so eine Mühe. Vielen Dank.“ Ein Lächeln umspielte die Lippen des kleineren. „Ich muss noch ein paar Sachen erledigen. Wenn du etwas brauchst, dann sag' meinem Großvater Bescheid, Yami.“ „Wir sehen uns dann. Bis später, Yugi.“ Der kleine verschwand hinter der Türe und zog sie hinter sich zu. Yami zog die Jacke seiner Schuluniform aus und legte sie zusammengefaltet auf den Tisch, ließ sich neben mir an der Kante des Sofas nieder und legte mir einen Umschlag auf die Stirn. „Hast du Hunger? Was soll ich dir zu Essen machen?“ „Ich möchte nicht, dass du das auch noch für mich tust.“ „Keine Ausreden. Was möchtest du?“ „Das musst du wirklich nicht tun, Yami.“ Er senkte den Kopf und starrte an einen mir unbekannten Punkt – ich sah ihn zwar an, aber er wollte mir anscheinend nicht in die Augen sehen. „Ich kann dir den Luxus, den Kaiba dir vermittelt hat, nicht bieten, aber...“ „Auf diesen 'Luxus' kann ich verzichten. So etwas interessiert mich nicht im geringsten. Wenn er denkt, er könne mich erkaufen, dann hat er sich geschnitten. Ich will mich endlich mit ihm duellieren, damit ich ihm endlich eine vorlaute Klappe stopfen kann!“ „Kaiba ist auch nur ein Mensch.“ „Mag sein, dass er nur einer ist, aber er ist einer der wenigen Menschen in meinem Leben, von denen ich wünschte, dass sie mir nie begegnet wären. Er hat mich schon damals nur benutzt, aber jetzt...“ „Damals? Seit wann kennst du ihn?“ „Seit wir klein waren. Unser erstes Aufeinandertreffen liegt bereits zehn Jahre zurück.“ „Zehn...Jahre?“ Er musterte mich zweifelnd. „Zehn Jahre, du hast richtig gehört. Oh, entschuldige. Das sollte eigentlich niemand wissen – weder er, noch du oder sonst irgendjemand...“ Scheiße. Jetzt wusste er davon, oder zumindest Ansätze davon. Ich und meine verdammte, vorlaute Klappe. Jedes Mal könnte ich mich ohrfeigen, wenn ich wieder einmal zu viel gesagt hatte. „Wenn dich etwas bedrückt, kannst du es mir ruhig erzählen. Ich werde darüber schweigen.“ Er stand auf und drehte sich von mir weg. Wenn er schon so viel wusste, dann machte es auch keinen Unterschied mehr, es ihm jetzt zu sagen, oder irgendwann. So wie ich ihn kenne und was ich so in den Medien über ihn gehört und gesehen habe, ist er ein Mensch, der andere auf's genaueste beobachtet. Vor ihm bleibt kein Geheimnis verborgen. Schlussendlich fasste ich das bisschen Mut, das ich noch übrig hatte und tat das, was mir mein Bauchgefühl vorschrieb – ich erzählte ihm die Wahrheit. „Bitte, sag' es ihm nicht! Das ich das Mädchen bin, das er aus Kindertagen kennt. Bitte, versprich es mir!“, reif ich und krallte mich in der Decke fest. >Wird mich Yami jetzt verraten, obwohl er versprach, nichts zu erzählen? Würde er Kaiba alles erklären, alles über mich, eine Heuchlerin und Lügnerin, und vor allem, über meine Vergangenheit, die ich doch um jeden Preis vor ihm verheimlichen wollte, preisgeben? Ja, sag' mir, würde er das, so etwas wie das, tun? Wer auch immer – sag' mir, ob Yami das tun würde. Dann hätte ich noch die Gelegenheit, von hier zu verschwinden. Denn Kaiba hat mir Angst gemacht und würde mich tot sehen wollen, wenn er das herausbekommt. Er würde nicht ruhen, bis er mich aus dem Weg geräumt hatte.< Yami wandte sich mir leicht zu und schaute über seine Schulter zu mir herunter. „Dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben. Er wird nie davon erfahren.“ Ein Seufzer entfuhr ihm. „Und wenn du mir nicht sagst, was du essen magst, dann werde ich dich eben überraschen.“ Auch mir entfloh ein kleiner Seufzer. Ich schloss die Augen. „Aber meine Sachen werde ich selbst abholen. Darauf bestehe ich.“ „Du bist nicht in der Verfassung, deine Sachen selbst abzuholen. Ich werde sie dir bringen.“ „Dann warte ich eben bis morgen und gehe dann zu ihm. Der Kerl denkt sich sonst was, wenn ich meine Sachen nicht höchstpersönlich abhole. Dass ich Angst vor ihm hätte – oder weiß Gott, was der sich alles einbilden könnte. Dem ist doch alles zuzutrauen.“ Ich machte eine Pause. „Der einzige, der mir Leid tut, ist Mokuba. Er hockt jetzt bestimmt in der Schule und freut sich, dass wir uns heute Nachmittag wiedersehen, aber ich werde nicht da sein.“ „Ruf' ihn doch nachher mal an.“ Yami verschwand in der Küche, die direkt an das Wohnzimmer, wo ich auf der Couch lag, grenzte. Ich sah ihm zu, wie er ein Mittagessen zubereitete. Ja, es war bereits Mittag. Die Zeit war verflogen, so schnell konnte man gar nicht gucken. „Dann geht der Stinkstiefel ran, und was dann?“, rief ich und tobte auf der Couch liegend herum. Ich schlug um mich vor Wut und stemmte meine Beine in die Luft, als wolle ich Kaiba zu Tode prügeln, würde er jetzt vor mir stehen. „Er wird dir schon nicht den Kopf abreißen.“ Mich beruhigend blieb ich wieder ruhig auf der Couch liegen und lachte. „Oh, doch, das wird er ganz bestimmt. Dass ich jetzt bei dir wohne macht seine Eifersucht nur noch unerträglicher, als sie eh' schon ist. Er kochte ja schon bevor uns beide 'erwischt' hat, vor Eifersucht, aber wenn er weiß, dass ich bei dir wirklich eingezogen bin...der Typ macht mich noch kalt, nur weil ich ihm nicht auf's Wort gehorche.“ „Dann muss er aber erst an mir vorbei.“ Yami kicherte und rührte in einem Topf, der auf dem Herd in der Küche stand. „Kaibalein, oh Kaibalein, wenn du nur wüsstest... sag' mal, was kochst du da eigentlich?“, fragte ich nach einigen Augenblicken des Schweigens. Es duftete himmlisch, aber ich wusste einfach nicht, was es für ein Geruch war. Noch nie hatte ich so etwas gerochen. „Eine Überraschung. Ich hoffe, mal, dass ich deinen Geschmack getroffen habe.“ „Also duften tut es schon mal köstlich.“ „Das freut mich zu hören. Naja, eigentlich wollte ich es für nachher kochen, damit es noch etwas ziehen kann. Dann schmeckt es noch besser. Aber wenn du willst, kannst du jetzt schon was Essen.“ Er hatte eine Miso-Suppe gekocht, die, wie ich es mir bereits vorher dachte, total lecker schmeckte. „Danke für das Essen.“ Wir saßen am Tisch und waren eifrig dabei, die Suppe schlürfend ins Innere unserer Körper zu befördern. „Wow. So eine leckere Miso-Suppe habe ich noch nie gegessen!“, sagte ich erstaunt, als ich meine Schüssel leergegessen hatte. „Nimm' dir ruhig noch was, es ist genug da.“ Er war noch immer mit seiner ersten Schüssel beschäftigt, als ich mir bereits zum zweiten Mal Nachschub holte. Er aß langsam, im Gegensatz zu mir. Ich hatte einen Bärenhunger. „Hat dich Kaiba verhungern lassen oder hast du gefastet, während du bei ihm gewohnt hast?“ „Weder noch. Er hat mir zwar ein Dach über dem Kopf gegeben, mich ernährt und mir einen Ort zum Schlafen gegeben, aber ich habe immer versucht, so distanziert und unabhängig wie möglich von ihm zu sein. Ich habe total auf Sparflamme gelebt, auch, wenn es nur für kurze Zeit war, weil ich keine Lust hatte, mir nachher etwas über seine Ich-habe-mich-um-dich-gekümmert-und-will-jetzt-eine-Gegenleistung – Vorträge anzuhören.“ „Hm.“ „Naja, wie soll ich sagen, er hat sich ganz gut um mich gekümmert, aber sich zu oft in mein Leben eingemischt. Und das war sein Fehler. Hätte er mich in Ruhe gelassen, wäre es nie so weit gekommen. Dieser Idiot. Ich will ihm verzeihen, aber wenn er so ist, wie er ist...ich kann es einfach nicht!“, fuhr ich leiser werdend fort. „Ich werde mich jetzt hinlegen. Entschuldige mich.“ Ich stand auf, brachte mein Geschirr in die Küche und drehte den Wasserhahn am Spülbecken auf. „Lass' es stehen. Ich kümmere mich später darum.“ Wortlos ging ich zur Couch zurück und legte mich unter die Decke. „Willst du fernsehen?“, fragte er, ich schüttelte den Kopf. „Wenn ich etwas für dich tun kann, dann ruf' mich, okay? Ich bin unten, wenn du was brauchst.“ Noch immer wortlos nickte ich und schloss meine Augen. „Bitte geh' nicht weg.“ Ich merkte, wie er sich wieder zu mir umdrehte, als ich diesen Satz gesagt hatte. „Ich will nicht allein sein. Bitte bleib.“ Prompt kniete er sich neben die Couch und hielt meine rechte Hand fest. „Ich bleibe bei dir, versprochen.“ Er legte mir noch einen Umschlag auf die Stirn, den er kurz vorher aus der Schüssel mit dem kalten Wasser genommen hatte, die neben uns auf dem Sofatisch stand. „Danke.“ Und schon war ich eingeschlafen. ~Währenddessen bei Kaiba~ >Vielleicht habe ich etwas übertrieben. Ich hätte meine Hand nicht gegen sie erheben sollen. Naja, wenn sie sich in den Weg stellt, wenn ich Yugi eine Scheuern will...hat sie eben Pech gehabt. Aber nicht nur, dass ich sie ins Gesicht geschlagen habe, überhaupt, dass ich es gewagt hatte, sie zu ohrfeigen, so stark, dass sie vor mir zu Boden gegangen war und vor Schmerzen nur so wimmerte, nein, ich habe sie auch noch angeschrien. Sie angebrüllt und für alles verantwortlich gemacht, was mir in dem Moment in den Sinn gekommen war. Auch für Dinge, für die sie schlussendlich gar nichts konnte. Und das schlimmste ist ja noch, um nicht nur die Spitze des Berges zu nennen, dass ich sie in die Arme von meinem Konkurrenten gegeben – ja geradezu getrieben habe. >„Ich will nicht Schuld haben, wenn du und dein Bruder in geraumer Zeit krank seid. Er wird mich dann bestimmt wieder für alles verantwortlich machen. Und darauf habe ich echt keine Lust.“ ... „Tja, im Gegensatz zu dir genießt Mokuba mein vollstes Vertrauen.“ ... „Noch heute werde dich mich von dir losreißen. Endlich werde ich wieder das tun können, was ich will. Er kümmert sich wenigstens um mich und behandelt mich, wie einen Menschen und nicht wie eine Trophäe!“< All ihre Worte gingen mir durch den Kopf. Ich konnte sie einfach nicht vergessen. Ihre Worte, ihre Wut und ihr Hass mir gegenüber. Es konnte mir egal sein, wie sie gelaunt war, das war es aber nicht. Wie gerne würde ich auch mal ein Lächeln, kein überlegenes, herablassendes Grinsen, sondern ein normales, erfreutes Lächeln sehen. Endlich ertönte die Schulglocke und der langweilige Unterricht war vorüber. „Hallo Seto. Stell' dir vor...“ Begeistert rannte mein kleiner Bruder auf mich zu, als ich das Schulgelände verlassen hatte und im Begriff war, in die Limousine zu steigen, die schon auf uns wartete. „Nicht jetzt, Mokuba.“ „Sag' mal, wo ist eigentlich Kyoko?“ „Kurz nach Schulbeginn wieder krank nach Hause gegangen.“, antwortete ich genervt. „Wirklich? Dann können wir sie ja pflegen, damit sie wieder gesund wird.“ „Sie ist nach Hause gegangen. Nach Hause. Sie kommt nicht mehr zurück.“ „Was? Sie ist wirklich ausgezogen? Warum denn?“ Ich dachte nach, wir setzten uns in die Limousine, ich tippte wie wild auf den Tasten meines Notebooks herum. Mokuba wäre traurig, würde er erfahren, dass ich der Grund dafür war. „Ich weiß es nicht.“ „Dann lass' uns zu ihr fahren und mit ihr reden. Dann wird sie bestimmt ihre Meinung ändern.“ „Das wird sie nicht, Mokuba!“ „Woher willst du das wissen?“ „Sieh' endlich ein, dass sie gegangen ist. Sie wird nie zurückkommen.“ „Du hast dich mit ihr gestritten, nicht? Ich habe gehört, dass ihr vor Augen der ganzen Schule gestritten habt. Und, dass Yugi bei ihr war. Sag' mir doch, was passiert ist, Seto.“ „Na und? Was spielt das für eine Rolle? Ob ich mit ihr gestritten habe oder nicht gehört nicht zur Sache.“ „Was soll das denn, großer Bruder? Ich erkenne dich nicht wieder. Ich dachte, dass sie für die nächsten Wochen bei uns wohnt... und ich dachte, du wolltest auch, dass sie bei uns bleibt.“ „Es reicht jetzt, Mokuba! Was wirfst du mir vor? Es war ihre Entscheidung, auszuziehen, also beschuldige mich nicht dafür!“ Ich sagte dem Chauffeur, dass ich bei der nächsten nur möglichen Gelegenheit aussteigen wollte, das tat ich dann auch mit meinem Aktenkoffer, den ich immer bei mir hatte und meinem Laptop. Mokuba raubte mir noch den letzten Nerv. >Was denkt er sich eigentlich? Dass ich Schuld habe?< Die Limousine, in der ich bis vor einigen Augenblicken gesessen hatte, verschwand in einer Seitenstraße. >Was mache ich nur...< Ich drehte mich um und ging in Richtung Innenstadt. >Eine Ablenkung wäre nicht schlecht. Es muss doch etwas geben, was mich nicht an sie erinnert.< In einer gewaltigen Menschenmasse eingeschlossen ging ich mit dem Strom zu den Einkaufszentren. Obwohl ich nichts vorhatte, nichts kaufen wollte oder etwas anderes zu tun, die Einkaufsmeilen waren so ziemlich das einzige, was mich noch ablenken konnte. Vielleicht würde ich nachher wieder in die Firma gehen, es war noch genug zu tun. Aber das hatte Zeit – bis meine Sekretärinnen Feierabend haben und nach Hause gegangen sind. Dann betteln sie wenigstens nicht danach, dass ich meine Zeit mit ihnen verbringe. Ansonsten könnte ich mich in eine Ecke im Park setzen und dort meine Arbeit machen. Gesagt, getan. In einem Café am Rande des Parks bestellte ich mir einen Kaffee und setzte mich mit dem Kaffeebecher und meinem Notebook auf eine Parkbank, wo ich einige Stunden, bis zum Einbruch der Dämmerung, arbeitete. Manche schenkten mir ein paar Blicke, die von Respekt, aber auch von Missachtung gekennzeichnet waren, bis mich ein mir bekannter Junge ansprach. „Ey, reicher Pinkel. Hat man dich aus deiner Firma rausgeschmissen, dass du jetzt auf der Straße arbeiten musst? Oder warum hockst du hier rum?“ „Was willst du von mir, Straßenköter? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?“ Wheeeler war gekommen. Woher er kam, oder was für eine Absicht er damit verfolgte, mir auf die Nerven zu gehen, wusste ich nicht. Ich wusste nur, das der Kerl nervt! „Beantworte meine Frage!“ „Beantworte meine Frage, klar Wheeler?“ Noch immer schaute ich auf den Bildschirm meines Laptops. „Fass' dich kurz, ich habe noch genug zu tun. Und dann verschwinde.“ „Ich bin nicht scharf darauf, dich mit dir abzugeben.“ „Dann verschwinde doch!“ „Oder hast du dich vor dieser Karasuma versteckt? Hast wohl doch Schiss, gegen sie zu verlieren, was?“ „Es geht dich einen feuchten Dreck an, was ich aus welchem Grund mache, klar, Straßenköter?“ „Guck' mal, die Karasuma ist da drüben!“ Ich blickte auf, entdeckte sie aber nicht, nirgends war sie zu sehen. Jetzt war das Maß endgültig voll. >Dieser kleine Möchtegern will mich bloßstellen! Aber nicht mit mir!< „Du bist echt ein Idiot, Kaiba. Lässt dich von mir reinlegen.“ Wutentbrannt sprang ich Wheeler an die Gurgel. „Du mieser...“ „Hey, Joey.“ >Yugi? Was will der denn hier?<, schoss es mir durch den Kopf. „Alter, hey. Was führt dich hierher? Oh, Karasuma ist ja auch dabei...“, sagte Wheeler leise. Er bekam kaum Luft, da ich ihn am Hals gepackt und die Luft abgedrückt hatte. „Kaiba, lass' Joey los.“, sagte sie. Endlich war sie da. Sie war wirklich gekommen. Aber sie schien nicht erfreut über unser Aufeinandertreffen zu sein. Warum auch, nach allem, was passiert ist... „Ich habe gesagt, du sollst ihn loslassen! Sofort!“ Sie packte mich am Handgelenk, an der Hand, mit der ich Wheeler gepackt hatte. „Mach' schon. Oder es wird dir noch Leid tun.“ Der Blondschopf sah erst sie und dann mich verwundert an, ich regte sich kein bisschen. „Soll ich etwa Angst vor dir haben?“ „Du hast es nicht anders gewollt. Aber glaub' nicht, dass ich allzu zimperlich dir gegenüber bin.“ Und im nächsten Moment hatte sie mich gepackt, Wheeler befreit und mich bewegungsunfähig gemacht. Wie sie das machte, war mir unklar, zumal ich über zwanzig Zentimeter größer war und als Mann viel kräftiger sein müsste. „Ich habe dir gesagt, dass du Yugi und mich in Ruhe lassen sollst. Und das schließt auch Yugis Freunde mit ein. Hör' endlich auf, andere zu gefährden. Wenn du mich unbedingt fertigmachen willst, dann lass' die anderen aus dem Spiel. Verstanden?“ Es klang in keinster Weise drohend oder frustriert, nein, dieser Versuch, überzeugend zu wirken, misslang ihr. Sie klang traurig und verzweifelt. Nach kurzer Zeit konnte ich nachvollziehen, was passiert war. Es ging alles so schnell, als würde alles in Zeitraffer ablaufen. Blitzschnell hatte sie meinen Griff, der Wheeler in Schach gehalten hatte, gelöst und mich zurück auf die Parkbank gestoßen – letzteres hatte in meinem Körper einen stechenden Schmerz in meinem Rücken verursacht. Sie stand noch immer vor mir und sah zu mir herunter. In ihren Augen blitzte die Verzweiflung und die Traurigkeit. Bis zu dem Augenblick, in dem sie sich umdrehte und sich ein paar Schritte von mir entfernte. „Ich fühle mich nicht gut. Besser, wir gehen zurück, Yugi.“ „Okay.“ „Kyoko-san...“, rief Wheeler. Plötzlich war er nicht mehr der Straßenköter mit der großen Klappe, sondern ein Würstchen, dass den Mund nicht aufbekam. Sie drehte sich zu ihm um, worauf er ein „Ich glaube selbst nicht, was ich da sage. Danke für deine Hilfe. Er mich bestimmt umge – “ herausbrachte, aber sie unterbrach ihn. „Kein Problem. Aber sei in Zukunft etwas vorsichtiger. Kaiba reagiert allergisch, wenn er mitbekommt, dass andere von mir reden, besonders, wenn es Jungs sind.“ Sie zwinkerte. Ich musste ihr insgeheim zustimmen, irgendwo hatte sie ja Recht. Ich saß noch immer auf der Parkbank und sah dem ganzen Kindergraten dabei zu, wie sie sich nach Herzenslust amüsierten. Doch das einzige, was mich dabei interessierte, war ihr Lächeln. Ihr bezauberndes, wundervolles, strahlendes Lächeln, dass sie Yugi und Wheeler zuwarf, während sie sich unterhielten. Wenn sie doch nur für mich so lächeln würde. Wheeler, Yugi und Kyoko verließen den Park und unterhielten sich eifrig. Bis ich seinen Blick bemerkte. Yugis Blick. Der Kyoko die ganze Zeit fixierte. Und da war es wieder. Das Gefühl, das Kyoko als 'scheiß verdammte Eifersucht' bezeichnete. „Kyoko, warte!“, rief ich ihr nach. „Was ist denn noch? Reicht es dir nicht, eine Abfuhr bekommen zu haben?“ Sie wandte sich dem Kindergarten zu. „Geht schon mal vor. Ich komme gleich nach.“ „Okay. Bis gleich.“ Yugi verschwand mitsamt dem Straßenköter. Währenddessen ging ich auf sie zu und sah ihr ins Gesicht, sie stieß ein Seufzen aus und schaute sich um. Kaum jemand war mehr da. Nur ein älterer, nicht sehr wohlhabender Mann, der auf einer Bank saß und schlief und ein junges Pärchen, das sich Arm in Arm von mir entfernte. Dann stand sie vor mir und sah mir ins Gesicht. „Mach' es kurz, ja?“ Sie klang sichtlich genervt. „Ich werde dich in Ruhe lassen, wenn du es dir wünschst. Aber du sollst wissen –“ Plötzlich versagte meine Stimme, ich bekam keinen Ton mehr heraus. Als wolle mein Körper meinen Verstand daran hindern, ihr die Wahrheit zu sagen – oder wenigstens einen Teil davon. >Wieso versagt meine Stimme? In diesem Moment?< Ich näherte mich ihrem Gesicht und küsste sie. Aber nur auf die Stirn. „Dass ich dir nicht weh tun will. Ich bin glücklich, wenn du glücklich bist.“ Wie angewurzelt stand sie da und bewegte sich nicht. Ich dagegen drehte mich um und wollte zur Parkbank zurückgehen, um mein Notebook zu holen, als sie mich am Ärmel meiner Jacke festhielt. „Woher der Sinneswandel? Siehst du ein, was du mir angetan hast oder ist das wieder eins deiner Spielchen, bei dem du dir dein Vertrauen erkaufen willst, um es dann zu missbrauchen?“ „Ich will dich nicht verletzen. Weder verletzen, noch verlieren.“ „Das sind ja ganz neue Töne, die du da anschlägst, Großmaul. Was hast du genommen?“ „Hör' mir doch endlich mal zu.“ „Sag' mal, bist du ein Double oder so?“ Ungläubig tippte sie mit ihrem rechten Zeigefinger auf meiner Brust herum und musterte mich skeptisch. „Wenn du ein Double bist, hast du gute Arbeit geleistet. Aussehen ist Eins-A, aber der Charakter, da müssen Sie noch dran feilen. „Ich will dich nicht wieder anschreien müssen. Also lass' mich jetzt ausreden.“ „Kyoko, kommst du?“, hörte ich Yugi von weitem rufen. „Ich komme gleich.“, rief sie zurück und wandte sich wieder mir zu. Ihre blutroten Augen trafen auf meine. Ich ballte die Hände zu Fäusten. „Du wirst mir wahrscheinlich nicht glauben, dass ich es ernst meine, aber... wenn du etwas brauchst, dann melde dich bei mir. Wenn irgendetwas ein sollte, dann ruf' mich an. Ich bin für dich da.“ Sie schwieg, sah erst zu Boden, dann in den dunkelblauen Himmel. „Wenn doch alles so einfach wäre...“ „Verzeih' mir.“ Die Straßen- und Parklaternen um uns herum gingen an. Dann lächelte sie und sah sich um, wich meinen Blicken aus. „Ich verzeihe dir, wenn du mir versprichst, dass du nie wieder so etwas tust. Aber ich weiß nicht, ob ich dir jemals wieder vertrauen kann. Nach allem was passiert ist...“ Sie sah mir in die Augen. Ich sah in ihre weinerlichen Augen. Ich strich mit der linken Hand über ihre rechte Wange, die ich am Morgen noch geschlagen hatte. „Du solltest jetzt gehen. Sie warten schon.“ „Du... hast nichts dagegen?“ >Was soll denn die Frage? Bin ich ihr Vater oder was?< „Nun geh' schon.“ Sie entfernte sich von mir und eilte in die Richtung, in die Yugi und Wheeler gegangen waren. „Kyoko?“ „Ja?“ „Pass' auf dich auf.“ Und dann tat sie das, wonach ich mich gesehnt hatte. Sie schenkte mir ein Lächeln. Auch wenn es nur ein kleines und nicht lange währendes Lächeln war, ich erfreute mich daran. ~Fortsetzung folgt...~ (Kommis bitte... :D) Kapitel 9: Dreams & Nightmares, Happiness & Unhappiness ------------------------------------------------------- Kapitel 9: Dreams & Nightmares, Happiness & Unhappiness Ein paar Worte vom Autor Was soll ich noch großartig sagen... eigentlich alles ihm Kommentar von Kapitel 8... Viel Spaß beim Lesen! ;D ----------------------------------------------------------------------------------------------- ~In der Kaiba-Villa~ Ein Alptraum riss mich aus meinem Schlaf. Aufrecht saß ich im Bett und keuchte. Mein Herz raste, meine geweiteten Augen fixierten ihren Blick auf das Sofa gegenüber meines Bettes. >Was war das für ein Traum?<, dachte ich. Mich zu meinem Nachtschrank herunter beugend, öffnete ich die Schranktüre und griff nach einer Flasche Wasser, doch es war keine da. Also schwang ich mich aus dem Bett und setzte meine nackten Füße auf den Teppich. Mein Blick schweifte zum Wecker auf meinem Nachtschrank – er zeigte, dass es kurz nach zwei am frühen Morgen war. Draußen hörte ich den Wind pfeifen und das Trommeln der Regentropfen gegen die verglaste Wand hinter mir, hinter meinem Schreibtisch und gegenüber der Flurseite. Die Vorhänge waren nur halb zugezogen, der weiße Vollmond leuchtete zwischen ein paar tiefschwarzen Wolken hervor. „Hast du schlecht geträumt, Seto?“, fragte mich eine verschlafene Frauenstimme. „Habe ich dich aufgeweckt?“ Ich drehte mich leicht zu ihr, hielt meine müden Augen nahezu verschlossen. „Nein. Ich kann schon seit Stunden nicht einschlafen.“ Ich erhob mich aus meinem Bett und ging in Richtung Bad. Die Frau in meinem Bett rieb sich die Augen, als ich an ihr vorbei ging. Das Licht im Bad blendete mich, als ich es einschaltete, um zum Waschbecken zu gehen und aus dem Zahnputzbecher ein wenig Wasser zu trinken, da ich zu faul war, nach unten in die Küche zu gehen und mir eine neue Wasserflasche zu holen. Mein Hals war ganz trocken; ich schluckte das Wasser herunter, aber nicht schnell genug, da aus meinen Mundwinkeln ein paar Wassertropfen durchgesickert waren und nun an meinem Kinn herunterliefen. Einige Becher mit Wasser später wischte mir mit meiner rechten Hand das restliche, an meinen Mundwinkeln auslaufende Wasser ab und sah in den Spiegel, den ich kurze Zeit wieder hinter mir ließ und wieder zurück ins Bett ging. Ich drehte mich zu der Frau, die neben mir in meinem Bett lag, deren Gesicht aufgrund der Dunkelheit im Zimmer aber nicht erkennen konnte. „Ich liebe dich, Seto.“ Im nächsten Moment flog die Türe auf und Kyoko stand in der Türe, bepackt mit Koffern und Taschen, die sie zu Boden krachen ließ, als sie mich mit der mir noch unbekannten Frau im Bett liegen sah. Aus ihren blutroten Augen taten sich Tränen hervor und liefen über ihre Wangen zum Kinn herunter. Ohne ein Wort zu sagen verschwand sie im Korridor, ich zog mir einen Morgenmantel über und eilte ihr nach, als ich von der Frau in meinem Bett festgehalten wurde. „Wer ist dir wichtiger, Seto? Ein dahergelaufenes, kleines Flittchen oder ich, deine Verlobte?“ Endlich zeigte die Frau ihr Gesicht. Ich konnte es nicht fassen, diese Frau war... Ich lief Kyoko nach, ich konnte sie schluchzen hören und ihre klackenden Stiefel hallten in den Gängen wieder. „Kyoko, warte! Du missverstehst da etwas!“ Sie rannte jedoch unbeirrt weiter, aus der Villa hinaus auf den Vorhof. „Was soll ich denn da missverstehen? Du und diese Frau habt miteinander geschlafen, obwohl du mir versprochen hast, dass du nie mehr mit einer anderen Frau etwas anfängst. Wir waren ein Paar, Seto! Du wolltest mich lieben und mich eines Tages heiraten! Ich hasse dich!“ Sie lief auf die Straße, ich konnte sie nicht mehr einholen, da ihr Vorsprung viel zu groß war. Im nächsten Moment sah ich das Licht von Autoscheinwerfern, die die Straße durch den niederprasselnden Regen erhellten. Ein lauterwerdender Motor war neben dem Rauschen des Regens zu hören. Ein Knall. Ein lautes Scheppern. Der Wagen hielt nach einer Vollbremsung an, eine Türe ging auf, eine Männerstimme, die laut „Scheiße!“ brüllte und ein lautes Knallen einer zugeworfenen Autotüre, der Motor, das Quietschen von Reifen und schon war der Wagen verschwunden. Sie wurde angefahren. Wenn nicht gar überfahren. Ihr Körper lag mitten auf dem Asphalt und rührte sich nicht mehr. Ich rannte auf sie zu und drehte sie um, auf den Rücken, und sah ihre Wunden, die Kratzer und Flecken an ihrem Körper. Und die klaffende, stark blutende Wunde an ihrer Stirn. „Halt durch! Ich rufe einen Krankenwagen.“ Ich nahm verzweifelt ihre Hand und drückte sie. „Es ist zu spät.“ „Nein! Sag' so etwas nicht! Du wirst weiterleben! Gib' nicht auf.“ „Nein, Seto. Ich schaffe es nicht mehr. Mein Leben ist zu Ende. Aber meine Liebe zu dir wird unaufhörlich weitergehen, bis wir uns irgendwann wiedersehen.“ Sie schloss ihre Augen und ihr Kopf sank in meine Richtung. „Nein! Nein! Neeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!“, brüllte ich in die Nacht hinein und drückte ihren leblosen, blutverschmierten Körper an mich. ~*~ Das alles war ein Traum. Ein so real wirkender Traum. Ich sah auf, in meinem Bett lag niemand, außer mir. Draußen war es still, bis auf das Rauschen der Blätter, von denen sich die ersten von den Bäumen lösten und den Boden mit einer braunen Sicht aus Laub gedeckten. Es war eine kalte, nasse Herbstnacht gewesen, recht kalt für Mitte Oktober. In meinem Traum war es Winter gewesen. Der Regen, den ich dort gesehen hatte, löste einige kleinere Hügel aus Schnee, die sich am Rande der Straße und der Einfahrt zur Villa befanden. Ich wunderte mich, dass es in meinem Traum nicht geschneit hatte. Es musste wohl die Übergangszeit von Winter und Frühling gewesen sein, in der sich mein Traum abgespielt hatte. Über meinen Alptraum von Kyokos tragischem Tod nachdenkend schritt ich ans Fenster und zog die Vorhänge auf. Die Sonne ging langsam auf; der Himmel wies ein paar dünne, magentafarbene Streifen auf, die sich zwischen noch dunklen Wolken zu verstecken schienen. Ich beschloss, um mir erst einmal eine kalte Dusche zu gönnen, um meinen Kopf frei zu bekommen. Als ich zurück in mein Schlafzimmer kam, klingelte mein Handy, als ich den Anruf entgegennehmen wollte, wurde bereits aufgelegt. „Dreizehn Anrufe in Abwesenheit.“, las ich von dem Display ab. Ohne auf die Nummer zu achten, rief ich den Anrufer zurück. „Sie haben versucht, mich anzurufen. Was ist so dringend, dass Sie mich mehr als ein Dutzend Male anrufen?“, rief ich verärgert in das Handy. „Oh, entschuldige, habe ich dich geweckt?“, fragte die mädchenhafte Stimme am anderen Ende der Leitung. „K-K...“ „Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich heute Nachmittag vorbei komme, um meine Sachen abzuholen. Das ist alles.“ Und schon ertönte ein 'Tuut. Tuut. Tuut. Tuu...', bis ich, wie meine Gesprächspartnerin, auflegte. „Verrückte. Das hätte sie mir auch in der Schule sagen können.“ Der frühe Morgen verging wie im Fluge und ehe ich mich versah, war ich auch schon auf dem Schulhof. Mokuba war bereits vorgegangen und bereits im Schulgebäude, weil er heute irgendeinen Dienst hatte. Wie immer betrat ich den Schulhof und beachtete die anderen Schüler nicht. Dass sie mir Beachtung und Respekt bewiesen, nahm ich zur Kenntnis, aber ich erfreute mich nicht daran. Diese Leute wären auch zu blöd, würden sie sich nicht unter mir in der Rangliste einordnen. Am Haupteingang angekommen, öffnete ich die Türe, als ich einen Namen hörte. „Da ist diese Karasuma, die sich gestern mit Kaiba angelegt hat. Dieses Miststück.“, sagte eines der Mädchen, das nicht weit von mir in einer Gruppe aus anderen Mädchen über Kyoko verausgabte. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. „Sie ist kein Miststück. Respektiert und achtet sie, sonst werdet ihr es bereuen.“ „Na – Natürlich, Kaiba-sama.“ Ich sah in Kyokos Richtung, sie benahm sich nicht wie am vorherigen Tag unterwürfig und schüchtern, sondern aufmüpfig und egoistisch. Es fühlte sie sich so an, als wäre sie in etwa so wie ich. Ihr Erscheinungsbild war großartig. Sie sah einfach umwerfend aus und zog alle Blicke, inklusive meinem, auf sich. Sie hob ihre linke Hand an und warf eine Haarsträhne über ihre Schulter nach hinten und schaute geradewegs zur Eingangstüre. Die anderen waren blind vor Neid und Respekt, vielleicht auch vor Angst, dass sie gar nicht merkten, dass sie dadurch ihre Anmut und ihren Egoismus noch deutlicher betonte. Nur ich hatte es bemerkt und lobte sie in Gedanken wie einen Welpen, den man lobt, wenn er etwas gut gemacht hatte. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Im Gegensatz zu gestern war sie wie ausgewechselt. Ich musterte sie von oben bis unten und umgekehrt, sie war einfach wundervoll. Ein Traum. Ein wunderschöner Traum. >Naja, auch ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn.< Ab und zu blickte sie niederträchtig zu den Schülern, die für sie Platz gemacht hatten, wandte sich dann aber wieder ihren Gesprächspartnern, Yugi, Straßenköter und dem braunhaarigen zu, Tristan oder so war doch sein Name. Ab und zu lächelte sie und strahlte geradezu. Komisch, dass die Kleine, die sonst immer mit Yugi rumhängt, nicht dabei war. Anstatt Téa war wohl Kyoko nun sein Objekt, worauf er achtet, als wäre sie sein Augapfel. Als sie in meine Richtung sah, lächelte sie kurz, wandte sich dann aber Wheeler zu, der wohl einen Witz erzählte oder über eine Trantüte aus der Schule sprach, vielleicht redete er ja von sich, wer weiß. Jedenfalls begann Kyoko zu kichern, das in ein Lachen ausartete. Sie verschwanden im Schulgebäude, kurz nach ihnen ging auch ich in die Klasse und setzte mich dort auf meinen Platz. Kyoko war währenddessen noch auf dem Flur und wurde von unserer Klassenlehrerin an die Wand geredet. Ob es ihr denn gut ginge, nachdem sie gestern fast zusammengebrochen wäre und ob sie wieder gesund wäre, ob sie dachte, dass sie den Schultag heil überstehe und ob sie sich nicht noch einen Tag ausruhen wollte. Sie hatten alle, sowohl Schüler, als auch Lehrkräfte, einen Heidenrespekt vor ihr. Anscheinend wussten sie, wer wie war und hatten Angst vor Konsequenzen, falls Sie Kyoko nicht gerecht behandelten. Kurz nachdem die Lehrerin eintrat, trat auch Kyoko ein, die Klasse staunte, flüsterte und achteten sie, manche der Jungen gafften und stierten sie gerade zu an. Die glauben doch nicht ernsthaft, dass sie bei ihr eine Chance hätten oder dass Kyoko sie an sich ran lassen würde. Wenn sie jemand bekommt, dann bin ich das. Immer noch. Und daran wird sich auch nichts ändern. Die werden schon noch sehen, Kyoko wird in nicht allzu langer Zeit mir gehören. „Stell' dich doch bitte deinen Mitschülerin vor.“ „Ich bin Kyoko Karasuma. Mehr geht euch einen feuchten Dreck an. Guckt fernsehen, dann wisst ihr alles, was ihr über mich wissen müsst.“ Ich grinste, als sie ihre Antwort beendet hatte. Es machte mich Stolz, mehr als alle anderen über sie zu wissen. „O – Okay. Dann setz' dich bitte dort hin.“ Die Lehrerin zeigte in meine Richtung, Kyoko setzte sich auf den freien Platz direkt vor mir. „Morgen, Kaiba.“ Ich wandte mich meinem Laptop zu und tat so, als wolle ich nichts mit ihr zu tun haben, was mir auch ganz gut gelang. „Du arbeitest in der Schule?“ „Ich spiele Tetris, Scherzkeks.“ Sie sah mich skeptisch an, sagte jedoch nichts. „Natürlich arbeite ich. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt hier bin, ich kann schon längst alles, was man hier lernen soll. Mein fotografisches Gedächtnis und die vielen Stunden, die mich mein Möchtegern-Vater hat lernen lassen, haben mich noch nie im Stich gelassen.“ Sie drehte sich um und sah nach vorn, als mir ein Duft nach Zitrone in die Nase stieg. Sie war wahrscheinlich der Grund dafür. Ein erneutes Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. Der Unterricht war langweilig wie immer. In der kurzen Pause zwischen der ersten und der zweiten Stunde drehte sie sich erneut zu mir um. „Jetzt sag' mir mal, was du da machst.“ „Das interessiert dich nicht. Und verstehen wirst du es noch weniger.“ „Guckt sich der kleine Kaiba etwa während der Schule Pornos an oder was?“ Sie beugte sich von vorn über das Notebook und sah auf den Bildschirm. Sie kam mir so nah, wie sie es lange nicht mehr war – durch ihren Willen versteht sich, ohne meine aufgezwungenen körperlichen Kontakte. Sie machte mit ihrer linken Hand eine Kreisbewegung und sagte, dass ich 'das Ding' mal herumdrehen sollte. Ich verneinte. Etwas über Kopf zu lesen war wohl nicht ihre Stärke. „Oh man, Spielverderber.“ Sie versuchte, mir das Notebook abzuluchsen. „Das ist meins. Lass' deine Finger davon, bevor du etwas kaputt machst.“ „Ich mache nichts kaputt!“ „Ich kenne dich doch! Immer sagst du, lass' mich mal, und kurze Zeit später kommt dann das 'Oh, kaputt.'.“ „Wo – woher...“ „Dein Bruder hat es mir erzählt. Er ist eine wirklich gute Quelle, wenn ich dich ausspionieren will.“ Sie setzte ihr rechtes Knie auf meinem Schreibtisch ab und beugte sich zu mir. „Du verdammter...“ Und prompt verlor sie ihr Gleichgewicht und fiel über den Tisch auf mich, der auf dem Stuhl nach hinten umkippte. „Oh, ähm, 'tschuldigung.“ Ich sah in ihre Augen und sie in meine. Ihr weiches, duftendes Haar fiel über ihre Schulter in meine Richtung. Kein Zweifel, der Duft nach Zitrone kam von ihren Haaren. Zurück zu mir. Ich lag auf dem Boden, Kyoko stützte ihre Arme links und rechts von mir auf dem kalten, PVC-ähnlichen Boden ab, ihre Beine befanden sich zwischen meinen. Eine ganze Weile verweilte sie und bewegte sich nicht, bis ich sie fragte: „Wenn du willst können wir in der Pause weitermachen, wo wir jetzt aufhören müssen. Es wäre nicht so schön, wenn uns alle hier 'dabei' zusehen würden. Findest du nicht?“ Peinlich berührt wie sie war, bewegte sie sich einige Zentimeter weg von mir, langsam und sehr vorsichtig, als ob sie Angst vor mir hätte, dass ich nun über sie herfallen würde. Die gesamte Klasse sah uns an, auch Yugi musterte Kyoko. Ein Raunen war zu hören. Doch anstatt Kyoko für ihre Art zur Rechenschaft zu ziehen – sie von mir wegzuzerren, sie zu ohrfeigen oder es wenigstens zu versuchen, oder sonst etwas zu tun versuchten – und ihr zu drohen, dass sie sich von mir fernhalten solle, schwärmten sie nur von ihr und mir. Die Jungs wollten wohl an meiner Stelle sein, die Mädchen in ihrer – im Normalfall jedenfalls. Auf mögliche Minderheiten gehe ich nicht ein. Nur Yugi sah mich ein wenig giftig an, er war aber der einzige. Womöglich passte es ihm gar nicht, dass sie und ich uns so nahe kamen. Obwohl das doch noch nichts war. Wenn der nur wüsste... Ein Grinsen zeigte sich auf meinen Lippen. Nach einigen Augenblicken sprang sie errötet auf und setzte ich wieder auf ihren Platz. In der Klasse kehrte wieder Ruhe ein und alle taten das, was sie sonst auch immer taten. Essen, trinken, mit anderen reden, Musik hören. „Ach ja. Zeig mal her.“ Sie hatte es wirklich geschafft, mir mein Notebook zu klauen! In diesem Punkt hatte ich einen Hauch Respekt vor ihr – das hatte noch niemand geschafft. Okay, außer Mokuba hat es auch noch niemand versucht. Sie starrte auf den Bildschirm und sah ein paar Tabellen und Graphen. Tausende Zahlen und Daten jagten über den Bildschirm, mit denen sie wahrscheinlich nichts anfangen konnte. „Lass' mich raten. Dieses 'Objekt #276-27', wie es da oben steht, bin ich, nicht wahr?“ „Wie kommst du denn darauf?“ „Ist doch ganz einfach. Du gehst das Alphabet von A bis Z durch und gibst ihnen jeweils eine Zahl. Die Zahl eins für den Buchstaben A, zwei für B, drei für C und so weiter. Mein Name hat die Zahlen elf, fünfundzwanzig, fünfzehn, elf und noch eine fünfzehn. Jetzt nimmst du zum Beispiel bei der ersten elf die erste Zahl, also die eins, und addierst sie zu der zweiten. Also eins plus eins. Das ergibt zwei. Dann machst du für die restlichen Zahlen das selbe. Und herauf bekommst du die Zahlen zwei, sieben, sechs, zwei und sieben. Ich hätte mir an deiner Stelle etwas komplizierteres ausgedacht, und nicht so einen Kinderkram, Kaiba.“ „Du hast mich durchschaut. Alle Achtung.“ „Kinderspiel. Aber du denkst doch nicht, dass du mich dadurch besiegen kannst.“ „Doch, das tue ich. Sonst würde ich nicht stundenlang davor sitzen und daran arbeiten.“ Auch diese Stunde verging schnell und es war Pause. Kyoko flüchtete mit ihrem Handy, dass sie in ihre Rocktasche steckte, nach draußen, da neben mir wahrscheinlich auch sie gemerkt hatte, dass jemand versucht hatte, sie anzurufen, während wir uns im Unterricht langweilten. Außerdem hatte mein Notebook eine Störung wahrgenommen – der Bildschirm zeigte, dass in der Nähe ein Handy eine magnetische Störung durch einen Anruf oder eine SMS verursachte. Und ehe ich mich versah war sie auch schon im Gang verschwunden. Aus irgendeinem Grunde musste ich an den Alptraum von letzter Nacht denken. Dieser Traum ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich verließ die Klasse als letzter. Schließlich hatte ich absolut keine Lust, mich durch die Schülermassen zu kämpfen. Auf dem Weg nach draußen sah ich Kyoko erneut, diesmal verschwand sie in der Mädchentoilette. Ich ging darauf zu, bis mir Yugis kleine Ex-Freundin Téa den Weg abschnitt und wie von der Tarantel gestochen aus der Toilette gestürmt kam. Sie wollte scheinbar verschwinden, aber ich stellte mich ihr in den Weg, sodass sie keine Möglichkeit hatte, an mir vorbeizukommen. „Hey, tust du mir bitte den Gefallen und holst Kyoko mal eben raus?“ „Warum gehst du nicht selbst rein und holst sie dir?!“, fauchte sie mich an. „Rede nicht so mit mir! Na los, geh' rein und hol' sie raus!“ „Mit nichten. Kümmer' dich selbst um dieses Flittchen!“ Und schon war sie im nahe liegenden Treppenhaus verschwunden. >Zicke. Die ist wahrscheinlich sauer, dass Yugi ein neues Mädchen an der Angel hat. Aber was faucht die mich so an? Ich habe auch keine Lust, dass mir mein größter Rivale mir neben dem Titel 'Duel Monsters Champ' auch noch mein Mädchen aus den Händen reißt. Eigentlich sitzen wir in einem Boot. Aber versteh' einer spät-pubertierende Mädchen.< Niemand war mehr hier, und trotzdem beschloss ich, erst einmal zu klopfen. Falls doch jemand vorbei kommen würde und mich im Mädchenklo sähe, wäre das nicht gut für mein Image. „Kyoko? Komm' bitte raus. Ich will mit dir reden.“ Doch von drinnen kam keine Antwort. Sie schien es ernsthaft darauf anzulegen, dass ich vor Wut kochte, während sie sich da drinnen auf irgendeine Art und Weise amüsierte und mich ignorierte. „Kyoko, komm' raus da!“ „Was ist los, Kaiba? Ist was passiert?“ „Das geht dich einen Scheißdreck an, Yugi. Und jetzt verschwinde.“ „Machst du schon wieder Stress?“, fragte sie gelangweilt, sie endlich aus der Mädchentoilette kam. „Kaiba, du machst vielleicht einen Aufstand. Hallo Kyoko.“ „Hey Yugi. Kommst du mit runter?“, fragte sie, mich sah sie gar nicht an. „Klar.“, antwortete der angesprochene. >Sie ignoriert mich schon wieder! Sie wagt es, mich wie Luft zu behandeln? Na warte, das zahle ich dir heim, Kleine!< „Kaiba, lauf' mir nicht andauernd hinterher! Ich bin kein kleines Kind mehr, verstanden?“ „Und wer hat dich angerufen? Dein Bruder? Dein Freund? Deine Mutter?“ Sie schwieg und wich meinen Blicken aus. Das hätte ich besser nicht sagen sollen. Ich habe sie anscheinend in ihrem Inneren verletzt. Andererseits lerne ich mehr über sie und finde mehr über sie heraus. „Das geht dich nichts an, Kaiba.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verschwand sie im Treppenhaus und ging nach unten auf den Schulhof. „Merkst du nicht, wie sehr sie leidet, während du auf ihren Gefühlen herum trampelst?“ „Ich will nur wissen, was sie wieder mal vor mir zu verbergen versucht. Das ist alles.“ „Du bist selbst Schuld, wenn sie dir nicht vertrauen will. Ich kann sie verstehen, so wie du mit ihr umgehst, ist es kein Wunder, dass sie sich dir nicht alles sagen will, was ihr auf der Seele liegt.“ „Ach ja? Und du weißt mal wieder alles besser. Ich weiß schon selbst, wie ich mit ihr umgehe. Dafür brauche ich keinen Berater wie dich.“ „Das will ich damit nicht sagen. Das einzige, was ich dir raten kann, ist, dass du auf ihre Gefühle achten solltest. Sie hat es in ihrer Kindheit schon schlimm genug gehabt. Also zeig' ihr, dass du sie nicht nur verletzen, sondern auch ein wenig Mitgefühl für sie empfinden kannst. Wenn schon niemand anderem, dann wenigstens ihr gegenüber.“ Auch er verschwand im Treppenhaus. 'Rumms.' Ich knallte meine rechte, zur Faust geballte Hand gegen die Wand hinter mir. >Ich werde einfach nicht schlau aus diesem Weib. Immer missversteht sie mich. Ich will doch nur ihr bestes.< Durch die Fenster im Flur, gegenüber der Wand, gegen die ich nun meinen Rücken lehnte, sah ich nach draußen in den Himmel. Regenwolken verdeckten von Minute zu Minute mehr und mehr die Sonnenstrahlen. Ein recht starker Wind kam auf. Und ich könnte schwören, dass ich gerade einen Blitz am Himmel zucken sah. Ich machte mir Sorgen um Kyoko, zumal ich wusste, wie groß ihre Angst vor Gewittern war. Ich hörte ein Donnern, kurz nachdem ich an eines der Fenster getreten war, um hinauszuschauen, ob sich Kyoko in meinem Blickfeld befand. Und tatsächlich. Ich entdeckte sie nur wenige Meter von mir entfernt, ich befand mich jedoch im zweiten Stock der Schule. „Sollten wir nicht reingehen? Es wird bestimmt bald regnen.“, hörte ich sie sagen. Es war nicht sonderlich schwer, sie akustisch zu verstehen, da sonst kaum jemand in ihrer Nähe war und Lärm machte, das Rauschen der Blätter war ebenfalls nicht sehr laut. Ich sah, wie Yugi den Mund bewegte, hörte jedoch nicht, was er sagte, da das Rauschen der Blätter mir nun doch einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Wieder ihre Stimme. „O – okay. Wenn du meinst.“ Ihre Angst schien sich zu steigern. Ihre Schritte wurden schneller, sie wollte so schnell wie möglich in die Schule. Sie hatte doch seit klein auf immer Angst vor Gewittern. Wieso musste es jetzt noch ein Gewitter geben? Mitte Oktober gab es doch nie Gewitter. Und warm war es auch nicht. Das Grollen wurde immer lauter und der Himmel dunkler. Viele Schüler waren bereits nach drinnen gegangen, nur die beiden liefen noch draußen herum. >Verdammt, mach', dass du rein kommst, Kyoko!<, dachte ich. Zum Glück war noch niemand hier oben angekommen. Alle Schüler mussten sich während der Pausen draußen aufhalten, außer bei schlechtem Wetter. Dann durften sie sich im Erdgeschoss in der Cafeteria aufhalten. Mir war es jedoch erlaubt, dass ich mich hier aufhielt. Meines geschäftlichen Ranges und Rufes wegen. „Das ist ein Gewitter. Komm', wir gehen rein.“ Ihre Stille verhallte bei den ersten Wassertropfen, die vom Himmel fielen. Ein greller Blitz zuckte plötzlich am Himmel, ich sah, wie vor lauter Schrecken zusammenzuckte und plötzlich davonrannte. Es fing zu regnen an. Yugi versuchte ihr nachzulaufen, ging dann aber in den nächsten Eingang der Schule. „Der lässt sie einfach allein? Er läuft ihr nicht nach?“ Ich eilte die Treppen hinunter und rannte nach draußen, wo es schon aus Eimern regnete. >Schon wieder muss ich ihr hinterher laufen. Langsam nervt es mich, dass sie vor allem immer nur davon läuft, anstatt sich ihren Problemen zu stellen.< Schon völlig durchnässt durch den heftigen Regen fand ich nach dem Schellen der Schulglocke endlich eine Spur von ihr. Vor der Schulkapelle waren einige kleinere Pfützen, die sich im Eingang der Kapelle fortsetzten. Ich ging auf die offene Türe zu und zog sie auf, ein lautes Quietschen war zu hören, neben ihrem Schluchzen. Ich schaute in Richtung Altar, als ich sie einige Zentimeter vor ein paar Stufen, die nach oben zum Altar führten, auf dem Boden kauern sah. „Du hast mich...gefunden. Herzlichen...Glückwunsch.“, jammerte sie leise. Sie kniete mit dem Rücken zu mir auf den kalten Steinfliesen. Ich stand noch immer an den Eingangstüren der Kapelle und schloss diese. Dann schritt ich langsam auf sie zu. „Geh' wieder. Du wirst den Unterricht verpassen.“ „Du weißt doch, dass ich dort nichts neues lerne.“ „Jemand wird dein Notebook klauen.“ „Es ist mit einem Passwort abgesichert. Niemand kommt an die Daten, selbst wenn es jemand stehlen würde. Außerdem ist ein Sender eingebaut, den eh' niemand finden würde.“ „Dann geh' nach Hause oder mach' was weiß ich nicht was! Lass' mich allein!“ „Es gibt für mich keinen Grund, zurückzugehen. Ich lasse dich nicht allein. So sehr du auch darum bittest.“ Wenige Meter hinter ihr blieb ich stehen. „Kyoko.“ Ich trat zum Altar, riss das Altartuch herunter und legte es um sie, als ich mich vor ihr in die Knie ging. „S – Se – Seto.“ „Komm' her.“, sagte ich, für meine Verhältnisse sehr einfühlsam. Und keine Sekunde später hatte sie schon ihre Arme um meinen Hals gelegt und mich umarmt. „Ich hatte so eine Angst!“, schrie sie. „Jetzt ist alles wieder gut.“ Ich spürte, wie sie sich in meiner Jacke festkrallte. „Es tut mir Leid. Bitte verzeih' mir, obwohl ich so viel falsch gemacht habe.“ „Nein, mir tut es Leid. Dich trifft keine Schuld. Ich habe alles falsch und dich damit unglücklich gemacht. Verzeih'.“ Unsere Augen trafen sich und vertieften sich ineinander. Ich legte meine Hände an ihre Wangen und hob es leicht. Die Sekunden kamen mir wie Stunden vor, als sich unsere Gesichter langsam näher kamen und sich unsere Lippen schließlich trafen. Sie schloss meine Lippen mit ihren. Ich bat um Einlass in ihre Mundhöhle, sie wollte sich nicht widersetzen und ließ sich auf eine kleine Spielerei unserer Zungen ein. „Ich bin so glücklich, Seto.“, sagte sie, als unser Kuss beendet war. Sie errötete, lächelte glücklich und auch ihre letzten Tränen trockneten. Glücklich. Sie war also glücklich. Wenn ich es doch auch einmal wäre. Wenn ich ein Mal in meinem Leben Glück hätte. Dass sie irgendwann zu mir gehörte. Bei mir wohnte, mich liebte, alles für mich tat. Ja, das wäre Glück für mich. Dann wäre ich auch mal glücklich. Aber das alles war nur ein Traum, ein Hirngespinst, eine Wunschvorstellung, die wahrscheinlich nie wahr werden würde. Ich öffnete die Jacke ihrer Schuluniform und küsste sie an ihrem Hals. Scheinbar wusste Kyoko, was ich nun wollte. „Seto, nein. Bitte nicht.“ Ich machte weiter und öffnete die Schleife um ihren Hals, um ihr die Bluse aufzuknöpfen. „Nein. Bitte hör' auf. Nicht hier.“ „Ich kann mich nicht zurückhalten. Hättest du mich nicht so leidenschaftlich geküsst...“ Sie zitterte, was mich dazu verleitete, von ihr abzulassen. „Ich kann mich in deiner Gegenwart einfach nicht beherrschen. Entschuldige.“ Sie schüttelte den Kopf und küsste mich erneut, aber dieses Mal artete er nicht in einen Zungenkuss aus. „Sag' mal, liebst du mich?“ Plötzlich erstarrte sie. „Wa – Was? Ich und dich lieben? Ha ha, da – da musst du dir sicher etwas ein – einbilden. Ich verliebe mich nicht in so einen eiskalten Kerl wie – wie dich.“, stotterte sie. „Ach ja? Und was sollte der leidenschaftliche Kuss von eben und der Satz, dass du so glücklich wärst?“ „Du – Du hast mich verführt. Ja gen – genau.“ „Wenn es dich nicht mehr gibt, dann soll es mich auch nicht mehr geben.“ „Ähm, was?“ Sie hat es nicht verstanden. Ich seufzte. „Ach, vergiss' es!“ „Nun sag' schon!“ „Nein.“ „Bitte bitte.“ „Nein.“ „Ach, komm' schon, Seto! Bitte!“ „Wenn ich nein sage, dann meine ich auch nein. Und dabei bleibt es auch.“ Dieses Mal hatte ich sie geküsst. >Komisch, dass sie sich meinen Küssen nicht widersetzt, mich aber aufhält, sobald ich einen Schritt weitergehen will. Komisches Weib. Aber früher oder später krieg' ich dich und deinen ganzen Körper.<, schoss es mir währenddessen durch den Kopf. Plötzlich ging die Türe auf und ein verdatterter Yugi stand in der Türe und beendete unseren Heile-Welt-Kuss. „Oh, entschuldigt, wenn ich euch bei irgendetwas gestört habe.“ „Nein, Yugi, du missverstehst da etwas...“, versuchte Kyoko zu erklären. „Nein, das tust du nicht“, mischte ich mich ein. „Du kannst deinen Augen trauen. Weil Kyoko und ich ein Paar sind.“ Ich grinste. „Erzähl' doch nicht so einen Schwachsinn, Se...“, sagte sie leise, doch sie wurde wieder unterbrochen. Aber von Yugi. „Ich verstehe schon. Ach ja, bevor ich es vergesse, ihr sollt euch so schnell wie möglich im Klassenzimmer einfinden.“ Mit diesen Worten verschwand er. Endlich war diese Nervensäge wieder verschwunden. Dass er nicht einsieht, dass sie nur mir gehört und dass er gegen mich keine Chance hat. Bevor er zum Zug kommt, habe ich sie schon längst für mich gewonnen. „Sag' mal, was sollte das denn? Wir sind kein Paar!“ „Nicht? Warum fängst du dann an, mich zu küssen und mich anzuheizen?“ „Du hast mich verführt! Ich hätte es nie getan, hättest du mich nicht dazu verführt!“ „Sicher? Ist es nicht eher, weil du lieber mit mir schlafen willst? Gern, komm' heute Abend zu mir. Ich würde mich freuen.“ „Nein! Und jetzt hör' sofort auf, über Sex zu reden, wir sind in einer Kirche!“ Ich grinste. „Als ob das jetzt noch einen Unterschied macht. Ob wir es bei mir zu Hause tun oder vor dem Traualtar spielt doch wohl keine Rolle. Wenn wir noch einen Pfarrer hätten, könnten wir sofort heiraten.“ „Hei – Heiraten? Du hast 'nen Sockenschuss! Ich heirate dich nie! Ich versau' mir nicht den Rest meines Lebens!“ „Ich würde mir mein restliches Leben auch versauen, wenn ich es mit dir verbringen würde. Aber ich würde es in Kauf nehmen, weil mir nichts so wichtig ist, wie du.“ Sie errötete und senkte ihren Kopf. „Das sagst du jetzt nur so. Weil du mich ins Bett kriegen willst. Habe ich Recht?“ „Vielleicht.“ „Mistkerl.“ Und wieder küsste sie mich. „Na, na, na, was wird das denn, wenn's fertig ist?“, fragte ich die hämisch grinsend. „Nichts. Gar nichts.“ „Sag' doch einfach, dass du auf mich abfährst.“ „Soll ich dir den Arm brechen?“ „Wenn das der Fall sein sollte, dann sehe ich keinen Grund, mich zurückzuhalten. Dann bekomme ich auch endlich, was mir zusteht.“ „Ich breche dir beide Arme. Einverstanden?“ „Ich weiß doch, dass du es auch willst. Also zier' dich nicht so.“ „Jetzt reicht's.“ Blitzschnell war sie hinter mir und drehte mir den rechten Arm auf den Rücken. „Noch so ein Spruch und dein Arm wird für die nächsten sechs bis acht Wochen von einem Gips umschlossen sein. So lange braucht es nämlich, biss ein gebrochener Arm verheilt. Und ich glaube kaum, dass du mit mindestens einem kaputten Arm genauso schnell auf einem Notebook tippen kannst, wie mit zwei gesunden.“ „Wir sollten in die Klasse zurück. Ich habe keine Lust, wegen dir nachsitzen zu müssen. Zu aller erst müssen wir uns aber erst zwei neue Schuluniformen abholen.“ „Und wo bekommen wir welche her, wenn ich fragen darf?“ „Ich weiß schon.“ Wir verließen die Kapelle und gingen durch den Regen zum nicht weit entfernten Haupteingang der Schule. Sowohl sie, als auch ich, schwieg, bis ich plötzlich ein unnatürliches Rascheln in einem Gebüsch wahrnahm. Doch ehe ich sie warnen konnte, war ein Schuss zu hören und Kyoko sackte zusammen. „Kyoko!“ „Schnapp' dir diesen Kerl. Mir geht es gut. Nicht so schlimm.“ Ich sah ihren linken Oberarm an. Sie hielt ihre rechte Hand vor die Wunde, aus der ihr Blut unaufhörlich heraus lief. Selbst zwischen ihren Fingern rann das Blut heraus. „Es sieht nicht danach aus. Los, wir gehen zum Krankenzimmer.“ „Ich sagte, dass du ihn dir schnappen sollst! Na los!“ Ich durchsuchte die umliegenden Sträucher und Gebüsche, doch das einzige, was ich fand, waren Fußabdrücke im durch den Regen durchgeweichten, schlammigen Boden. Der Grüße der Spuren nach zu urteilen, war der Schütze ein Mann. „Kyoko, hier ist niemand mehr. Der Kerl ist abgehau...“ Regungslos lag sie auf dem Pflaster. Sie war bewusstlos geworden. „Kyoko. Kyoko!“ Schnell hob ich sie auf meine Arme und trug sie ins Krankenzimmer. Dort angekommen erschrak die Krankenschwester beim Anblick von Kyokos Schusswunde und eilte zu uns. „Was ist passiert?“ Gleichzeitig machte sie eine Handbewegung, dass ich sie auf das erste Bett legen sollte, was zur Verfügung stand. „Wir waren auf dem Weg nach drinnen, als plötzlich auf uns geschossen wurde. Ich habe nachgesehen, ob der Schütze noch in der Nähe war, fand aber niemanden.“ „Warum haben Sie sie nicht gleich hergebracht? Sie hat Unmengen an Blut verloren! Ein Streifschuss ist keine Verletzung, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Und jetzt gehen Sie bitte. Ich muss sie ärztlich versorgen.“ „Aber...“ „Gehen Sie zurück in den Unterricht. Sie ist bei mir gut aufgehoben. Vertrauen Sie mir.“ „Ich werde nach Schulschluss vorbeikommen und nach ihr sehen.“ „Tun Sie das. Aber Sie sollten jetzt wirklich gehen. Auch ihretwegen. Es wäre besser für sie, wenn sie jetzt allein ist.“ Notgedrungen verließ ich also das Krankenzimmer und holte mir eine neue Schuluniform. Ich hing die alte zum Trocknen vor eine Heizung, verließ die Umkleide und betrat das Klassenzimmer, so mich sofort neunundzwanzig Augenpaare anstarrten. „Wo kommen Sie her, Mister Kaiba? Der Unterricht hat schon längst begonnen! Und wo ist Karasuma-san?“ „Sie liegt im Krankenzimmer und wird dem Unterricht heute nicht mehr beiwohnen können.“ „Nach der Stunde will ich Sie sprechen. Und jetzt setzen Sie sich bitte. Ich möchte mit dem Unterricht fortfahren.“ >Alte Schachtel. Wenn die nur wüsste...< ~Bei Kyoko~ Es war wie ein Traum. Ein Alptraum. Ein Unglück. Eine Illusion. Etwas, was nicht der Realität entsprach. Hoffentlich. Langsam öffnete ich meine Augen. Geblendet von dem hellen Licht der Leuchtstoffröhren, die über meinem Bett hingen, kniff ich meine Augen zusammen, blinzelte einige Male und öffnete meine Augen erneut. >Wo bin ich? Und was mache ich hier?< Ich setzte mich auf und verspürte einen stechenden Schmerz in meinem linken Oberarm. Jetzt erinnerte ich mich wieder. Man hatte auf mich geschossen. Die Erinnerung daran schoss mir durch den Kopf. Der Knall, die Kugel, die meinen Arm streifte und der Schmerz, der durch Mark und Bein ging. Ein verwirrter und bangender Seto, der nur so tat, als wäre er tapfer und mutig, und der in den umliegenden Sträuchern nach dem Angreifer suchte. Und wieder der Schmerz, der mich, trotz mehrerer Versuche, nicht zu Boden zu gehen, übermannte und mich das Bewusstsein verlieren ließ. Ich hörte ein leises Klicken. Gleich wusste ich, dass musste Seto sein. „Seto...“, flüsterte ich leise. Die Krankenschwester kam zu mir und erzählte mir, dass sie ihn, kurz nachdem er mich hergebracht hatte, weggeschickt habe. Er wollte nach Schulschluss wiederkommen. >Aber es war bereits vier Uhr am Nachmittag. Ob er noch kommt?< Seine Abwesenheit enttäuschte mich. >Ich wünschte, er wäre hier.< Er war es also nicht. Anscheinend war es nur die Schwester, die ein paar Angaben in den Computer eingegeben hatte. „Ich habe dir eine andere, trockene Schuluniform angezogen, damit du dir keine Lungenentzündung einfängst. Es ist doch okay, wenn ich dich duze?“ „Natürlich. Vielen Dank.“ Die Krankenschwester ging wieder, nachdem sie mir sagte, dass ich mich ausruhen und nicht überanstrengen sollte, da der Streifschuss kein gewöhnlicher war, weil er eine Hauptader getroffen hatte und nicht nur eine Wunde in Form eines Schnittes in der Haut hinterließ, sondern eine große, stark blutende und offene, die Adern freilegende Wunde, die sie zunähen musste. Leider musste ich erfahren, dass diese Wunde wieder aufreißen konnte, sobald ich eine zu schnelle oder eine falsche Bewegung mit meinem Arm machte. Und das wäre fatal, da das eine schwere, innere Blutung zur Folge haben konnte und außerdem auch eine ganze Menge Blut verlieren würde. Ich sah eine Weile aus dem Fenster, das vielleicht eineinhalb Meter von meinem Bett entfernt war. Am Himmel hingen riesige, schwarze Wolken und es regnete noch immer in Strömen. Wieder und wieder dachte ich an die Eskapade in der Schulkapelle. Ich höre noch immer, wie ich sagte, dass ich glücklich war. Aber ich war nicht glücklich. Ich wäre erst glücklich, wenn ich weit weg von hier, ohne Erinnerungen an meine Vergangenheit, ohne Seto, einfach ohne alles, was ich früher und noch heute kenne und gern habe, leben würde. Ohne Familie, ohne Freunde. Irgendwo, wo mich nichts mehr an die alten Zeiten erinnerte. Das wäre mein Glück. Dann das, was mir jetzt geblieben war, war Trauer und Schmerz. Ein reines Unglück, es war alles wie ein böser Traum. Ein Alptraum. „Entschuldigen Sie die Störung.“ Ich weitete die Augen. >Seto...< „Endlich bist du da...“ „Hallo Kyoko. Seto hat mich geschickt. Ich soll dich abholen, da er verhindert ist.“ „Yami...“ Ich war enttäuscht. Er war also nicht gekommen. „Du denkst an ihn, nicht wahr?“, fragte er nach einer kurzen Sprechpause. „Du siehst in immer so an, wenn du ihm gegenüberstehst. So wie du gerade schaust.“ „Weißt du ich...“, sagte ich überstürzt laut. „Du hast ihn sehr gern, habe ich Recht?“ Ich spürte es, wie mein Kopf ganz heiß wurde und mir die Röte in den Kopf stieg. Ich nickte, er sah traurig zu Boden. „Naja, dann habe ich wohl doch keine Chance gegen ihn. Das, was ich für dich empfinde, wird von dir wohl nicht erwidert.“ „Es tut mir Leid, dass ich deine Gefühle nicht erwidern kann.“ „Das muss es nicht. Jetzt, wo du weißt, was ich für dich fühle... Ich will dich unterstützen, damit du mit ihm glücklich wirst.“ Ich schwieg einige Zeit, bis er das Thema wechselte. „Was macht dein Arm? Ist es sehr schlimm?“ „Es tut höllisch weh. Die Krankenschwester hat die Wunde nähen müssen. Ich darf den Arm kaum belasten, sonst platzt die Wunde auf und ich verliere noch mehr Blut. Zum Glück hatte sie ein paar Blutkonserven hier, die meiner Blutgruppe entsprechen. Auf einen Krankenhausaufenthalt hätte ich wirklich keine Lust gehabt.“ Er lächelte. „Ich bin froh, dass es dir so gut geht.“ „Hat es sich rumgesprochen?“ „Was meinst du?“ „Das wieder auf mich geschossen wurde. Es war ja nicht das erste Mal.“ „Auf dich wurde schon wieder geschossen? Das hat Kaiba nicht erwähnt. Er meinte nur, dass du plötzlich ohnmächtig wurdest und dir beim Sturz eine Wunde zugezogen hast.“ „Naja, dann wollte er wohl nicht, dass sich das ganze herumspricht. Aber jetzt wo du es weißt, erzähl bitte niemandem, was wirklich passiert ist. Und dass du uns in der Kapelle erwischt hast.“ „Ich schweige wie ein Grab.“ „Und – naja, wie soll ich es ausdrücken – Seto und ich, wir sind eigentlich gar kein Pa....“ „Karasuma-san, Besuch für dich.“, rief die Schwester und zog den Vorhang, der an einer Stange an der Decke rund um mein Bett verlief, bei Seite. Endlich war er da. Seto war gekommen. „Kyoko, meine Kleine.“ Nein, wieder eine Enttäuschung. Er war es nicht, aber dafür jemand, den ich kannte und ich gleich nach Seto sehen wollte. „Jun, was machst du hier?“ Er umarmte mich. Ich roch den Qualm der Zigaretten, die er immer rauchte. Seine ganze Kleidung roch danach. Yami sah ein wenig verwirrt drein. Er wusste wohl nicht, wer der große, rothaarige Schrank war, der mich da besuchte. „Ich bin gleich her geflogen, als ich einen Anruf von Kaiba bekam. Er hat mich heute Vormittag angerufen und mir Bescheid gegeben, dass ich mir keine Sorgen machen sollte und dass es mir wahrscheinlich bald wieder gut gehe. Und trotzdem bin ich gekommen, worauf mein Chef mich gleich gefeuert hat.“ Endlich hatte er mich losgelassen. „Yugi, das ist Jun, mein großer Bruder. Jun, das ist Yugi, ein guter Freund von mir.“ „Du bist der König der Spiele, hab' ich Recht? Hab' schon viel von dir gehört. Nett dich kennenzulernen.“ „Sehr erfreut. Ich wusste nicht, dass du einen Bruder hast.“ „Tja...“ Ich kratzte mich am Hinterkopf. „Naja, jetzt wo du hier bist, Jun, können wir doch wieder in unser Haus am Stadtrand ziehen.“ „Ähm, also, weißt du...“ „Ich ahne böses. Was hast du jetzt schon wieder verbrochen?“ „Ich wäre eher dafür, dass wir noch eine Weile bei Kaiba wohnen.“ „Ohne mich. Du kannst gern bei ihm einziehen, dann bleib' ich aber weiterhin bei Yugi. Wenn das okay ist...“ Yugi schüttelte den Kopf und flüsterte mir etwas ins Ohr. „Na gut. Meinetwegen. Aber nur, weil du es bist. Und du bist mir garantiert nicht sauer?“ „Nein nein.“ „Danke. Für alles.“ Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange, worauf er errötete. Ich sah ihn lächelnd an. „Dann lasst uns jetzt langsam gehen. Die Schwester will auch mal Feierabend machen.“, sagte ich und setzte mich auf die Bettkante. Mein Bruder stützte mich und trug mich zur Türe. „Vielen Dank, dass Sie sich so gut um mich gekümmert haben, Sensei.“ „Keine Ursache. Das ist mein Job. Und denk' daran, dass du alles ein wenig langsamer angehst.“ „Das mache ich. Auf Wiedersehen.“ Wir gingen zu dritt nach draußen. Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen, obwohl noch schwarze Wolken am Himmel hingen. „Wir bringen dich nach Hause, Yugi. Wenn du nichts dagegen hast.“ „Das wäre nett, danke.“ Wir stiegen in den blaugrauen Mini-Van meines Bruders ein und setzten Yugi nach ein paar Minuten Fahrzeit vor dem Laden von Yugis Großvater ab. „Richte Yugi und seinem Großvater meinen Dank aus. Ich bin sehr froh, dass ihr mich aufgenommen habt, auch, wenn ich nur knappe vierundzwanzig Stunden hier war. Wenn ich dich nicht gehabt hätte, dann wüsste ich nicht, was mit mir passiert wäre...“ „Kein Problem. Das habe ich gern für dich getan. Wir sehen uns morgen in der Schule.“ „Ja. Bis dann.“ Ich stieg wieder in den Wagen ein und schnallte mich an. „Ich hab' vielleicht Angst um dich gehabt. Als ich im Fernsehen gesehen habe, dass du von einem Stalker verfolgt wurdest, hatte ich schon Angst um dich. Ich habe überlegt, zurückzukommen, aber ich dachte mir, dass du bei Kaiba gut aufgehoben warst. Aber als er mich dann heute Vormittag anrief, da musste ich einfach kommen.“ Schweigend sah ich aus dem Fenster. >Wir wohnen also wieder bei Kaiba, hm? Na das kann ja heiter werden.< „Das wäre nicht nötig gewesen. Nur wegen mir hast du deinen Job verloren.“ „Ich war mit dem Job eh' nicht zufrieden. Schließlich bin ich schon seit Wochen dabei, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Und diese Arbeit in Shanghai war eh' der letzte Mist. Ich bin, froh, dass ich schon nach ein paar Tagen wieder hier bin.“ Nach etwa fünfzehn Minuten Fahrt erreichten wir die Villa, wo wir schon sehnsüchtig von Mokuba erwartet wurden. Mein Bruder stellte den Wagen vor der Villa ab, so, dass er Seto, wenn er nachher mit der Limousine von der Arbeit kam, nicht im Weg stand. Ich dachte jedenfalls, dass er in der Firma war, und arbeitete. „Kyoko, du bist wieder da! Hallo Jun!“ Mokuba jubelte, dass ich wieder da war und sprang mich fast an vor Freude. „Ja, das bin ich. Aber bitte sei nicht so stürmisch, ich habe mir den Arm verletzt. Wenn ich Pech habe, reißt die Wunde wieder auf.“ Er antwortete nicht, sondern ging gleich die Treppe hinauf. „Wartet hier. Ich gehe eben Seto holen.“ „Er ist hier?“ „Natürlich. Oben in seinem Arbeitszimmer.“ Schnell verschwand er in einem der vielen Korridore im ersten Stock. „Jun, versteck' mich. Bitte.“ „Was ist denn?“ „Erzähl' ich dir später.“ „Ich will wieder weg. Der hat vor, mir meine Unschuld zu stehlen!“, flüsterte ich, anscheinend war ich aber nicht leise genug. Jun warf mir einen für mich undefinierbaren Blick zu. Was er wohl gerade dachte... „Du bist noch Jungfrau?“, fragte Seto mit einem hämischen Grinsen, der bereits die Treppe herunter ging. „Scheiße.“, flüsterte ich und versteckte mich hinter meinem Bruder. „Hör' auf zu lachen. Ich bin eben nicht wie deine anderen Frauen.“, brüllte ich peinlich berührt. „Schön, dass du wieder da bist.“ „Ich will mein eigenes Zimmer. Und einen Schlüssel dazu. Damit das klar ist.“ „Du kriegst aber keins.“ „Du hast tausende Zimmer frei. Zur Not schlafe ich eben auf dem Sofa im Wohnzimmer. Oder bei meinem Bruder. Der wird bestimmt nicht in deinem Zimmer schlafen.“ „Du schläfst bei mir.“ „Du legst mich nicht flach. Das du dir das noch immer nicht aus dem Kopf geschlagen hast.“ „Nachdem, was heute Morgen passiert ist, glaube ich nicht, dass du noch immer auf ein eigenes Zimmer bestehst.“ „Hab' ich irgendwas wichtiges verpasst?“ Stimmt ja, Jun wusste ja nichts 'davon'. Und das war auch gut so. „Nein.“, schrie ich. „Ja.“, sagte Kaiba. Beides gleichzeitig. „Wem glaubst du mehr? Deiner kleinen Schwester oder diesem Mistkerl?“ „Ähm,...“ Mehrmals blickte er zu mir, dann zu Kaiba. Dann wieder zu mir und wieder zu ihm. „Sorry, Kyoko.“ „Oh man, ich fasse es nicht! Mein eigener Bruder verrät mich! Das gibt es nicht.“ Ich rastete völlig aus. Das er diesen reichen Sack mir vorzieht, der schon wieder ein Grinsen auf seinem Gesicht zeigte. Kaiba ist eben ein Arsch. „Und ich dachte, dass du immer zu mir hältst, Jun!“ Jetzt war ich beleidigt. >Jun hat für die nächste Zeit bei mir verschissen.<, dachte ich. „Wenn du versuchst, mich ins Bett zu kriegen, platzt die Wunde auf und ich zeige ich wegen schwerer Körperverletzung an. Dann ziehst du dich wärmer an und machst dich nicht mehr an mich ran.“ Ich warf Seto einen giftigen Blick zu. „Dann darfst du dich eben nicht wehren.“ „Perverser. Vögel' gefälligst deine Sekretärinnen, wenn du's unbedingt brauchst!“ Zunächst schwieg ich, bis ich schnell das Thema wechselte. „Ich gehe noch shoppen. Ein paar neue Klamotten wären von Vorteil.“ „Dann komme ich mit.“, rief Kaiba. „Du bleibst hier, Spanner. Jun, du fährst mich doch in die Stadt?“ Keine Reaktion. „Dann geh' ich eben zu Fuß hin. Ich geh' mich nur kurz umziehen.“ Ich rannte an Kaiba vorbei nach oben, wo ich Mokuba traf, welcher mich zu Setos Schlafzimmer brachte. Aber meine Sachen waren weg. Wütend stapfte ich zu Kaiba zurück. „Wo sind meine Sachen?“ Er grinste. Wie sehr würde ich ihm diese Fratze aus seinem Gesicht schneiden. „Entweder du sagst mir, wo meine Sachen sind, oder ich gehe gleich in deine Garage und zerkratze deine schönen Supersportwagen. Also, raus damit.“ „Das würdest du nicht tun.“ „Oh doch, das würde ich.“ „Seto, du weißt doch, ihre Gesundheit steht auf dem Spiel. Wenn die Naht aufgeht, dann...“ >Mokuba, du bist ein Schatz. Der hat was bei mir gut, im Gegensatz zu Seto.< „Na gut. Ich habe sie in meinen begehbaren Kleiderschrank einsortiert. In meinem Schlafzimmer.“ Also rannte ich wieder nach oben und kam umgezogen wieder zurück. Die Schuluniform hatte ich oben gelassen, ich trug jetzt eine schwarze Dreiviertel-Jeans, dazu passende Stiefel, die in meiner Abteilung des Kleiderschrankes standen und ein schwarz-rotes Longshirt. Darüber eine lange Halskette, dessen Anhänger an meinem Dekolleté baumelte, ein paar knallrote, etwa einen Zentimeter breite Kreolen und eine kurze schwarze Jacke. Außerdem suchte ich nach meinem Portemonnaie, fand es aber nicht. „Du leihst mir doch bestimmt deine Kreditkarte, nicht wahr, Jun?“, fragte ich meinen großen Bruder, der, zusammen mit Seto am Absatz der Treppe stand und sich unterhielt. „Du kannst meine haben. Aber nicht ohne Gegenleistung.“ >Kaiba, irgendwann hast du nichts mehr zu lachen. Das schwör' ich dir.< „Lass' stecken. Sag' mal, hast du mir mein Portemonnaie geklaut?“ „Ich brauche das bisschen Geld was du hast nicht. Ich habe viel mehr und verdiene pro Stunde ein paar hunderttausend Yen. Auf die paar Yen kommt es dann auch nicht mehr an.“ „Jun, gib' mir deine Kreditkarte. Sofort.“ Der angesprochene sagte nichts. „Sofort! Sonst dreh' ich dir den Zigarettenhahn zu.“ „Okay, okay. Weil du es bist.“ Endlich reichte er mir die Kreditkarte. „Aber lass' sie dir nicht klauen.“ „Die klaut mir keiner.“ Ich steckte die Kreditkarte in eine der inneren Manteltaschen. Ich sah zu Seto. „Du hast doch bestimmt mindestens ein Motorrad, nicht wahr?“ „Ein paar. Wieso?“ Ein paar Minuten später fuhr ich mit einem von Kaibas Motorrädern davon. Kurz bevor ich das Gelände der Villa verließ, hupte ich einige Male, sodass Kaiba durch die Haustüre nach draußen und mich davonrasen sah. „Die will es ja nicht anders.“ „Was ist das denn?“ „Kyoko?“ „Kaiba? Hast du hier ein Mikrofon in dem Helm eingebaut?“ „Ja, warum?“ „Und was tust du gerade?“ „Ich lasse den Motor meines schnellsten Supersportwagens an. Du entkommst mir nicht.“ Ich grinste. „Dann fang' mich mal. Versuch' es wenigstens.“ „Aber wenn ich dich kriege, dann schuldest du mir was.“ „Und was soll das sein?“ „Naja, wie wäre es mit einem Date?“ „Ein Date?“ „Und ich allein bestimme wann und wie lange.“ „Meinetwegen.“ ~Fortsetzung folgt...~ (Please leave some comments...) Kapitel 10: Chaos - Work, Emotions & the Fourth Copy ---------------------------------------------------- Kapitel 10: Chaos - Work, Emotions & the Fourth Copy Ich grinste. „Dann fang' mich mal. Versuch' es wenigstens.“ „Aber wenn ich dich kriege, dann schuldest du mir was.“ „Und was soll das sein?“ „Naja, wie wäre es mit einem Date?“ „Ein Date?“ „Und ich allein bestimme wann und wie lange.“ „Meinetwegen.“, antwortete ich siegessicher. Ich beschleunigte das Motorrad auf 80 km/h. Noch war nichts von Seto zu sehen. >Verdammt.<, fluchte ich, als ich bemerkte, dass ich mitten im Berufsverkehr steckte. Jetzt kam ich nur noch im Schneckentempo voran. Einen Blick in den Rückspiegel bereute ich schnell, da ich bereits nach wenigen Minuten Kaibas Proll-Auto etwa zwanzig Meter hinter mir entdeckte. „Gleich habe ich dich.“, hörte ich ihn in das Mikrofon sagen. „Wart's nur ab, wart's nur ab.“ Ich entfernte mich von den überfüllten Hauptstraßen, als ich endlich weiter kam und niemanden mehr vor mir hatte, der mir den Weg hätte versperren können. Leider sank damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass ich meinen Verfolger namens Stinkstiefel Kaiba abwimmeln konnte. Irgendwann kam ich zum Park, leider hatte ich in der letzten halben Stunde deutlich getrödelt, sodass Kaiba nun direkt hinter mir im eine Häuserecke auf mich zu gerast kam. „Jetzt hab' ich dich.“ „Ich habe noch ein Ass im Ärmel. Pass' bloß auf.“, hörte ich ihn durch das Mikrofon sagen, durch das wir in Verbindung standen. Ich wusste, dass es nur wenige Meter eine große Treppe gab, die, wenn man ihr folgte, in die untere Ebene des Parks führte, wo es außerdem noch zum nahe gelegenen Flussufer führte. „Du willst doch nicht...“ „Und ob ich das will!“ Und schon bretterte ich mit Vollgas auf die Treppe zu und flog geradezu mit dem Motorrad über die fünf Dutzend Treppenstufen unter mir, bis ich mit dem Vorderrad nach etwa acht Sekunden Freiflug den Boden berührte und eine nahezu perfekte Landung hinlegte. Ein klatschender Kaiba kam die Treppen zu Fuß herunter. „Hätte ich gar nicht von dir erwartet, dass du so einen Stunt drauf hast.“ Ich sah auf die Anzeigen des Motorrads. Zu meinem Pech war der Tank mittlerweile leer. >Scheiße.< Ich öffnete den Verschluss des Motorradhelms unter meinem Kinn und zog den Helm aus. „Wochenlanges Training mit meinem alten Motorrad, das leider einen Totalschaden erlitten hat, als ich auf dem Weg zum Turnier in einen Unfall verwickelt wurde.“, antwortete ich ironisch. Etwa zwei Meter von mir entfernt blieb er stehen. „Jetzt, da der Tank leer ist und dir keine Möglichkeit zum Fliehen mehr bleibt, gehe ich davon aus, dass ich die Wette gewonnen habe.“ „Ich kann noch immer abhauen. Vergiss' das nicht.“ „Und ich habe noch meinen Ferrari. Falls du also versuchen solltest, wegzulaufen, jage ich dich durch die ganze Stadt. Für dich gibt es kein Entrinnen. Und jetzt will ich die Belohnung für meinen Sieg abholen.“ Bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, hatte er mich geküsst und fuhr mit seiner Zunge über meine Lippen. Ich kam seiner Aufforderung nach, den Mund für ihn zu öffnen und schon begann zum zweiten Mal heute der Kampf unserer beiden Zungen. Doch als er begann, an meinem Ohrläppchen zu knabbern, nachdem sich unsere Lippen getrennt hatten, stieß ich ihn von mir. „Ich bin nicht hergekommen, um mich von dir wieder um den Finger wickeln zu lassen. Bevor die Geschäfte schließen, will ich noch etwas bummeln gehen. Also halte mich nicht unnötig auf, ja?“ Er antwortete nichts, griff stattdessen zu seinem Handy und befahl einem seiner Untergebenen, das Motorrad abzuholen. „Wenn es dir nicht schnell genug geht, nehme ich dich in meinem Wagen mit.“ „Nein danke, kein Bedarf.“ „Du zierst dich schon wieder, weil du denkst, deine Unschuld wäre in Gefahr, stimmt's?“ Dieser Mistkerl lachte schon wieder über mich. „Irgendwann schneide ich dir dein selbstgefälliges Grinsen aus deiner hässlichen Fratze. Arschloch. Lass' mich in Ruhe.“ „Wenn du meinst. Dann werde ich nach Hause fahren. Ich habe besseres zu tun, als mir deine Zickerei noch länger antun zu müssen.“ Er wandte sich von mir ab und ging die Treppe wieder hinauf zu seinem Wagen. Ich dagegen drehte mich um und betrachtete den Sonnenuntergang. Kaiba ließ den Motor seines Wagens aufheulen und raste davon. Also hatte er es ernst gemeint mit dem nach Hause Fahren. Ein tiefer Seufzer entfuhr mir. Jetzt war ich hier, weit weg von der Villa und der Einkaufsmeile, mit einem Motorrad ohne Sprit und niemandem, der mich durch die Gegend fahren würde. >Ob ich noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück bin?<, dachte ich, >Naja, je weniger ich trödle, desto schneller bin ich zurück.< Enttäuscht von allem, ging ich die vielen Treppenstufen in Richtung Straße nach oben und was ich dort sah, ließ mich stocken. „Hast es dir doch überlegt, was? Komm' steig endlich ein, wenn du nicht zu Fuß gehen willst.“ „Was – Wieso – Ich dachte, du wärst nach Hause gefahren?!“ „Du sollst nicht denken. Steig' endlich ein.“ Widerwillig stieg ich in Kaibas Wagen ein. „Fahr' mich zur Einkaufsstraße. Den Rest des Weges kann ich nachher auch zu Fuß gehen.“ „Ich bin sowieso auf dem Weg dorthin. Ich muss noch ein paar Sachen für unser Date besorgen.“ „Ach, scheiße. Ich habe schon inständig gehofft, dass du es vergessen hast. Und wann will es der Herr denn über die Bühne bringen?“ „In einer Woche.“ „Eine Woche hat sieben Tage. An welchem Tag?“ „Am Sonntag.“ „Der 25.?“ „Vergiss' das Geburtstagsgeschenk nicht.“ „Wer hat Geburtstag?“ „Na rate mal.“ „Von mir kriegst du nix. Reicht schon, wenn du mich auf ein Date einlädst. Mehr bekommst du nicht von mir.“ „Ich will aber ein Geschenk von dir haben.“ „Kriegst. Du. Aber. Nicht. Ende der Diskussion.“ „Ich kriege aber immer, was ich will. Dich miteinbezogen.“ „Halt bloß die Klappe. Können wir jetzt mal fahren? Ich will heute noch ankommen.“ „Können wir nicht lieber da weitermachen, wo wir heute morgen aufgehört haben?“ „Fahr' endlich.“ „Wenn du dich mir heute Nacht zur Verfügung stellst, gern.“ „Ah, scheiße. Ich glaube, die Wunde ist aufgerissen.“ Ich drückte mit meiner rechten Hand auf die Wunde am linken Oberarm und kniff die Augen zusammen. Wer weiß, vielleicht glückte mein Versuch, ihn reinzulegen. Seto sag mich an und grinste. „Um mich reinzulegen musst du schon früher aufstehen.“ „Ich lege dich nicht rein!“ Er sah mich noch immer skeptisch an. „Du hast gewonnen. Und jetzt hör' auf, mich so anzugrinsen! Sonst hast du nachher nichts mehr zu lachen.“ „Soll ich jetzt Angst kriegen? Vor dir?“ „Soll ich dir beide Arme brechen? Mit Vergnügen.“ Endlich fuhr Kaiba los und bretterte mit 105 km/h durch die Stadt, in der es mittlerweile wieder ruhiger war. Der Berufsverkehr hatte sich gelegt und man hatte keine Mühe mehr, zügig durch die Stadt zu kommen. ~Etwas später~ Ich glaube, ich ging Kaiba mit meiner hin und her Springerei ziemlich auf den Nerv. Von einem Regal zum anderen, wieder zurück, ab zur Umkeide. „Kaiba, hol' mir dies, bring' mir das, das eine Größe größer, aber häng' dieses potthässliche Teil weg.“ Ich genoss es sichtlich, ihn herumzukommandieren. Er rannte dutzende Male quer durch das Kaufhaus und wieder zu meiner Kabine, bis er feststellte, dass die Sachen noch immer nicht passten. Bis er mir irgendwann Reizwäsche in die Kabine reichte. „Zieh' das doch mal an.“ „Zieh' es selbst an, Perversling! Und jetzt hol' mir das Shirt eine Größe größer.“ „Sieht doch super aus.“ „Ha ha. Für dich vielleicht. Meine Oberweite ist viel zu groß dafür. Sieht aus wie Wurst in Pelle.“ „Beschwer' dich doch nicht, sie sind schön handlich. So wie ich's mag.“ „Jetzt reicht's. Raus aus meiner Kabine. Wenn du Spaß haben willst, dann angel' dir die Verkäuferin da hinten.“ „Die ist nicht mein Typ.“ „Dann eben eine andere. Und jetzt raus. Tschüss. Auf Wiedersehen.“ Gewaltsam stieß ich ihn aus der Umkleide. „Untersteh' dich und lass' wieder so einen dummen Spruch ab. Denk' an deine Arme. Wäre ein echtes Hindernis, wenn du wie immer deine Sekretärinnen vögeln willst. Och, wie schade für dich. Sechs Wochen Sex-Entzug für den armen Kaiba.“ Plötzlich ging der Vorhang auf und wieder zu. Nur Leider stand jetzt Kaiba vor mir und musterte mich von oben bis unten. Da ich nur in Unterwäsche, genauer gesagt, in einem schwarzen BH und schwarzen Hotpants mit roten Rüsschen, vor ihm stand, lief ich purpurrot an und nahm meine Jacke, um meinen Körper zu verdecken, was jedoch nichts nutzte, da er sie mir sofort wieder aus den Händen riss. „Ich sagte doch, dass sie handlich sind.“, meinte er mit einem Grinsen, als er meine Brüste mit seinen Händen massierte. „Finger weg!“ „Schluss mit den Kommandos. Jetzt bin ich dran.“ „Ich darf darum bitten, dass Sie das unterlassen, was immer Sie gerade in der Umkleide tun.“ Kaiba steckte seinen Kopf aus dem Vorhang, darauf bedacht, dass mich niemand von außen sah. Sein Hintern lud zu einem deftigen Arschtritt ein, den ich mir aus einem unbekannten Grund verkniff. „Halten Sie sich gefälligst da raus. Was ich mit meiner Freundin wo und wann mache, geht sie einen feuchten Dreck an. Und wenn Sie die Polizei oder wen auch immer rufen wollen, bitte, ich will Sie nicht davon abhalten. Dabei sollten Sie aber bedenken, dass ich ihren Laden dicht machen kann, wenn Sie sich gegen mich auflehnen.“ „Na – Natürlich, Mister Kaiba. Entschuldigen Sie.“ Die Verkäuferin verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Na toll. Dann musste ich mich also wieder selbst gegen ihn verteidigen. „Gut zu wissen. Ich bin also deine Freundin, was?“ „Was ist dir lieber? Freundin? Geliebte? Sexgespielin?“ Dieses fiese Grinsen. Wie ich ihn dafür hasste. „Hör' bloß auf. Und wenn du heute noch nach Hause willst, solltest du jetzt lieber diese Kabine verlassen und das tun, was ich dir sage.“ Nach kurzer Zeit gelang es mir dann doch, ihn wieder dazu zu zwingen, zu tun, was ich ihm sagte, so lange wir uns durch die Kaufhäuser kämpften. Um kurz nach halb neun ging es dann in Richtung Villa zurück, der Wagen voll mit Tüten und Taschen. Ich wusste gar nicht mehr, was ich gekauft und wie viel ich insgesamt ausgegeben hatte. Aber was ich wusste war, dass erstens nicht alles auf meine Kosten ging, weil der Herr unbedingt darauf bestand, mir Unterwäsche und durchsichtige, extrem knappe Nachthemden zu kaufen. Dass er es nie versteht. Die ganze Fahrt über sagten wir nichts, bis Kaiba das Schweigen brach. „Was macht dein Arm?“ „Nach deinen sexuellen Übergriffen tut er noch immer höllisch weh. Ich werde gleich mal den Verband aufschneiden und mal sehen, ob die Wunde mittlerweile aufgegangen ist. Wäre ja kein Wunder, wenn, nach dem ganzen Theater.“ Als wir die Villa erreichten, trug ich die nicht zu schweren Taschen nach drinnen, Seto dagegen rief lieber drei Hausmädchen herbei und ließ sie nach oben in sein Zimmer tragen. Dort angekommen stellte ich die Taschen rechts neben der Türe an die Wand. „Ich will noch immer mein eigenes Zimmer. Gib' mir einen Schlüssel dafür und dann hat sich die Sache.“ „Du kriegst aber kein eigenes. Du wirst weiterhin hier schlafen. Ist gemütlicher.“ „Ja, klar. Sich aber beschweren, wenn ich nachts rede, weil ich Alpträume habe.“ „Hm.“ „Dann klau' ich mir eben den Generalschlüssel und nehme mir mein eigenes Zimmer, wenn du mir eins geben willst. Aber ich schlafe auf keinen Fall mit dir in einem, nachdem was heute morgen passiert ist...“ „Und ich dachte, dir hat es gefallen.“ „Das hat es auch...aber...aber...“ Auf meine Wangen legte sich ein roter Schleier. „Sag' ich doch. Also warum bist du so verklemmt? Ich werde dich schon nicht vergewaltigen. Außerdem kriege ich früher oder später, was ich will. Weißt du, was mir bei dem Gedanken einfällt?“ „Ich will es gar nicht wissen. Ach ja, ich bin nicht verklemmt!“ „Du hast mir heute morgen gesagt, dass du es nicht in der Kirche tun willst. Jetzt sind wir ungestört. Mokuba ist außer Haus und auch die letzten Hausmädchen haben Feierabend.“ Er kam auf mich zu und strich mir mit seinen Fingerspitzen über mein Gesicht. „Glaub' nicht, dass du mich schon wieder rum kriegst.“ „Und wenn ich das hier mache?“ Ich fiel rückwärts auf sein Bett und er stütze sich über mich, sah mir tief in die Augen und küsste mich. Schon unzählige Male hatten seine Lippen die meinen berührt. Und jedes Mal hat es mir gefallen. Ich kann seinen Küssen einfach nicht widerstehen. „Das machst du absichtlich. Weil du weißt, dass ich deinen Küssen nicht widerstehen kann.“ „Kann sein.“ Und wieder küsste er mich und begann damit, mein lästiges Oberteil von mir zu entfernen, um meinen Hals mit feurigen Küssen zu übersähen. Ich wusste, was er wollte, und wozu unsere Handlung führte. Aber ich ließ ihn. Weil ich ihm nun verfallen war. Obwohl ich mich immer dagegen sträubte, jetzt konnte ich einfach nicht anders. Schon seit längerer Zeit hatte mich ein Gefühl verspürt, das ich nur bei ihm entwickelt hatte und nur er war in der Lage, mich so empfinden zu lassen. Das Gefühl dieser starken Zuneigung ihm gegenüber, vielleicht nannte es dich sogar Liebe. „Du weißt, ganz genau, dass ich dir, wenn du so weiter machst, mehr und mehr verfalle. Habe ich Recht?“ Ein verschmiltztes Grinsen umspielte seine Lippen. „Kann sein.“ Seine Hände wanderten weiter zu meiner Hose, um sie mir ebenfalls zu entledigen, die auch nach kurzer Zeit schon ihren Weg auf den Fußboden beendet hatte. „Dir kann es wohl nicht schnell genug gehen.“ „Psst.“ Er legte mir seinen rechten Zeigefinger auf die Lippen und küsste mich leidenschaftlich... ~*~*~ Er ließ sich, ebenso erschöpft, wie ich es war, neben mir auf dem Bett nieder, als er meinen Körper verlassen hatte. Mir liefen ein paar Tränen die Wangen herunter, als sich Seto zu mir drehte. „Was ist los?“ „Nichts.“ Wir atmeten beide noch recht schnell, beruhigten uns aber nach kurzer Zeit. Ich war schläfrig geworden und streichelte Seto über sein Gesicht. „Seto...“ „Hm?“ „Ich liebe dich...“ Und schon schlief ich in seinen Armen ein... ~*~*~ Am nächsten Morgen wachte neben ihm auf. Er hatte mich wirklich um den Finger gewickelt, obwohl ich mich anfangs stickt dagegen gewehrt hatte. Ich hatte ihn sehr gern, so sehr, dass ich ihn zu lieben gelernt hatte, wie damals; ich konnte einfach nicht ohne ihn sein. Aber jetzt, da er bekommen hatte, was er wollte, hatte ich Angst, ihn zu verlieren. Ja, ich habe mit ihm geschlafen. Und ich bereue es nicht. Denn jetzt wusste er, was ich für ihn empfand und ich hoffte stetig, dass er meine Gefühle erwiderte. Und nicht nur er war sich über meine Gefühle im Klaren geworden. Ich war es auch, da ich jetzt wusste, wie sehr ich ihn liebte – abstreiten wäre sinnlos. Leise stand ich auf und wickelte die seidige Decke um meinen nackten Körper. Vorsichtig, um ihn nicht zu aufzuwecken, schritt ich zu den Einkaufstaschen und entnahm einen Schwung Unterwäsche, die ich gleich anzog, nachdem ich mich im Bad nebenan ordentlich geduscht hatte. Und Seto schlief noch immer. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Die Nacht mit mir musste ihn ja wirklich Kraft gekostet haben. Nachdem ich meine mittlerweile gewaschene Schuluniform anzog und nach unten ging, um zu frühstücken, merkte ich, wie ruhig es doch im Haus war. Keine Dienstmädchen zu sehen, nicht mal der kleine Mokuba, der schon am frühen Morgen quicklebendig durch die Villa hastete und dem einen oder anderen damit ziemlich auf den Geist ging. Damit war natürlich sein großer Bruder gemeint. >Komisch. Wo sind denn alle? Noch immer aus dem Haus? Aber heute ist doch Schule.< Also bereitete ich ein Frühstück zu, weil niemand da war, der es mir hätte machen können. Nach einigen Minuten Umher-Schleicherei, um niemanden aufzuwecken, fand ich auch endlich die Küche, die bestimmt schon knappe vierzig Quadratmeter groß war. Hier war eben nichts normal. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis ich alles für ein vernünftiges Frühstück da hatte, konnte dann aber endlich anfangen, etwas zu kochen. Ich hatte vor, Onigiri zu machen. Mit verschiedenen Füllungen und noch ein paar Beilagen. „Guten Morgen, Kyoko. Du machst Frühstück?“ Erst bemerkte ich nichts, da ich zu konzentriert ausdie Reisbällchen war. Bis Mokuba plötzlich neben mir stand und ich einen riesigen Schrecken bekam. „Ah, guten Morgen, Mokuba. Ja. Ich dachte mir, da noch niemand da war, als ich nach unten kam, dass ich mal als kleine Entschädigung ein Frühstück zubereiten sollte.“ „Das sieht lecker aus. Was ist das?“ „Das sind selbstgemachte Onigiri, wie sie meine Mutter immer gemacht hatte, als ich klein war. Mit verschiedenen Füllungen in der Mitte.“ Die Traurigkeit in meinen Worten war unüberhörbar, der Gedanke an meine Mutter versetzte mir einen Stich ins Herz. „Darf ich mal eins probieren?“ „Oh, ja klar, natürlich. Bedien' dich ruhig. Ich mache noch mehr.“ War heute wirklich nicht mein Tag, so wie er begonnen hatte. Ich bin total durch den Wind! Und das scheinbar nur wegen ihm... Schon griff der kleine Schwarzhaarige nach einem der Onigiris, die auf einem etwa vierzig Zentimeter langen und etwa zwanzig Zentimeter breiten Silbertablett lagen. „Das ist super lecker!“ Ich lächelte. „Danke. Es freut mich, dass es dir schmeckt.“ Er kaute noch eine Weile, bis er zu einer Frage ansetzte. „Kann ich dir helfen? Oder besser gesagt, kannst du mir zeigen, wie man so lecker kocht?“ „Ich weiß nicht...“ Mokuba legte wieder seinen Dackelblick ein. >Ich kann einfach nicht nein sagen. Er ist so süüüüß!< „Okay. Ich bringe es dir bei.“ Und so zeigte ich Mokuba, wie man gefüllte Onigiris macht. „Das ist ja ganz leicht! Danke, Kyoko! Ich werde meine gleich Seto geben!“ Schnell verschwand Mokuba mitsamt ein paar Onigiris aus der Küche, um seinen Bruder aufzuwecken und ihn bis in die Küche zu schleifen; was er jedoch nicht wusste, war, dass sein großer Bruder im selben Moment durch eine andere Türe eintrat. „Na, habe ich dich doch bekommen, was?“ „Guten Morgen, Kaiba, ja ich habe gut geschlafen, danke der Nachfrage.“ >Lustmolch.< „Hast wohl die Gedächtnis nach dieser durchaus erfolgreichen und schönen Nacht verloren, was? Wir haben heute Samstag. Heute ist keine Schule. Außerdem war ich überrascht von dir, zumal du bis letzte Nacht noch eine Jungfrau warst.“ „Ich hab' Frühstück gemacht. Willst du probieren?“ >Dieser Kerl macht mich nur rasend. Hätte ich mich doch nicht von ihm verführen lassen! Ich hätte mir doch denken können, dass er mir das mindestens noch einen oder mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen nachträgt. Scheiße.< „Von dir probiere ich immer gern, Zuckerstückchen.“ „Hier bist du also, Seto. Sieh' mal, Kyoko hat Frühstück gemacht.“ „Wann ist es fertig?“, fragte der große hinter mir. >Nicht so desinteressiert, Seto.<, dachte ich. „Dauert noch was. Geht ins Esszimmer und wartet.“ Und schon verschwand Mokuba wieder, so schnell, wie er wiedergekommen war. „Du sollst auch dort warten.“ „Ich ziehe dich lieber ein wenig auf.“ Er umarmte mich von hinten und ließ eine Hand unter meinen Busen und die andere zu meinen Oberschenkeln wandern. „Mir hat es ziemlichen Spaß gemacht. Ich hoffe, dir auch, besonders, als du mir sagtest, dass du mich liebst.“ >Sein fieses Grinsen kotzt mich an. Ganz ruhig bleiben. Der will nur, dass du dich aufregst.< „Naja, ich habe es mir besser mit dir vorgestellt, zumal du so eine große Erfahrung von den Nächten mit den anderen Frauen hast, im Gegensatz zu mir. Dank deinen Verführungskünsten habe ich ja heute Nacht nicht einfach so meine Unschuld verloren.“ >Ha! Damit hast du nicht gerechnet, was, Seto? Tja, spätestens jetzt solltest du wissen, dass man mit mir nicht spielen sollte.< „Du meinst also, dass ich zu sanft zu dir war? Na gut, dann machen wir es heute Nacht eben anders.“ „Eben nicht. Du hast bekommen, was du wolltest. Und was das Liebesgeständis von mir angeht: Das ist mir nur so raus gerutscht. Du hast mir, wie immer, einfach nur den Kopf verdreht. Das ist alles. Also lass' mich in Ruhe. Bilde dir nichts auf unser Techtelmechtel ein.“ Er verließ mit skeptischem Blick und einem kurz darauf sichtbar werdenden Grinsen die Küche und ging wie Mokuba vor ihm, ins Esszimmer nebenan. „Guten Morgen.“ „Morgen, Jun. Du siehst ja alles andere als ausgeschlafen aus.“ „Bin ich auch nicht. Ich konnte nicht schlafen.“ >Oh nein, sag' nicht, er hat gehört, wie Seto und ich...< „Warum nicht?“ „Ich habe nachgedacht. Und bin zu dem Entschluss gekommen, dass...“ „Ja?“ „Ich ab heute mit Kaiba um die Häuser ziehe, um Weiber abzuschleppen. Gleich werde ich ihm den Vorschlag machen.“ Trotzig hob er seinen rechten Arm und ballte die Hand zur Faust. Ich hätte schwören können, ein paar Sternchen in seinen Augen gesehen zu haben. Ich gab ihm eine Kopfnuss, die sich gewaschen hatte. „Idiot. Geh' und setz' dich ins Esszimmer nebenan. Es gibt Frühstück.“ Jun ging sich den Kopf haltend und gleichzeitig langsamen Schrittes ins benachbarte Esszimmer. Alle saßen bereits am Tisch und warteten auf das Essen. „Endlich kommst du mit dem Frühstück. Wo ist mein Kaffee? Und die Zeitung?“ „Ich bin nicht dein Diestmädchen.“ „Nicht?“ Er grinste. >Wie ich es hasse. Wie ich mich hasse. Wie ich Seto hasse.< „Hier Mokuba. Eine Extra-Portion für dich. Ich hoffe, dass dir die anderen Sorten auch schmecken.“ „Danke, Kyoko!“ Mokuba war sichtlich begeistert von meinen Kochkünsten. Sein Lachen erfreute mich und lenkte mich für kurze Zeit von Seto's dummen Sprüchen ab, die mich innerlich vor Wut platzen ließen. „Und eine Portion für dich, Jun. Mit dir hab' ich übrigens noch ein paar Hühnchen zu rupfen.“ Ich grinste und gab ein komisch klingendes, böses Lachen von mir. Jun erstarrte, als ich meinen letzten Satz beendet hatte. Da fiel mir nur ein Wort ein: Evil! Ich nahm zwischen meinem großen Bruder und Mokuba Platz, ganz weit weg von Seto. „Was ist mit meinem Kaffee? Und meiner Zeitung? Warum kriege ich nichts zu Essen?“, rief Kaiba empört. Innerlich lachte ich mich zu Tode. >Das geschieht dir Recht, Großkotz.< „Weil du mich immer aufziehst. Außerdem weiß ich nicht, wo die Zeitung liegt und wie du deinen Kaffee magst. Und wie ich dich kenne, speist du mein Essen sowieso aus, weil es dir nicht mundet. Ich kenne dich doch – das Essen der 'Unterschicht' rührst du nicht an. Bei dir muss es immer Kaviar und Prosecco zum Frühstück geben.“ Beleidigt saß Seto auf dem Tisch und klopfte mit seinen Fingern auf der Tischplatte herum. „Nebenbei hasse ich Prosecco. Das Zeug ist viel zu trocken. Ein Kaffee würde durchaus reichen!“ Voller Euphorie rief ich Seto zu: „Dann hol' dir selbst einen. Da hinten ist die Küche.” und zeigte mit dem rechten Zeigefinger auf die nächstgelegene Türe zu meiner Linken. Ich genoss das Frühstück, wie alle anderen, außer Seto natürlich, dessen Magen lautstark knurrte. Scheinbar war er doch zu bequem, aufzustehen und sich seinen Kram selbst zu holen. „Vielleicht hast du nach dem Frühstück mehr Glück, falls wir dir denn was übrig lassen. Sonst heißt es verhungern.“ Vermutlich dachte er so was wie >Das zahle ich dir noch heim, Kyoko! Glaub' nicht, nur, weil ich dich endlich rumgekriegt und mit dir geschlafen habe, dass du mich abwimmeln kannst und ich dich in Ruhe lasse.<. Jetzt war er so leicht zu durchschauen... „Ach, was ich dich noch fragen wollte...“ Ich lehnte mich über den Tisch, um Seto, der mir sonst nicht sichtbar war, da Jun den direkten Blickkontakt zwischen ihm und mir verhinderte, anzusehen. „Wie wäre es mit einem Duell an diesem Wochenende?“ „Ich muss eine Firma leiten und mussalles für eine Geschäftsreise in einer Woche vorbereiten. Für so einen Kinderkram habe ich jetzt und in den nächsten Tagen überhaupt keine Zeit.“ „Ach ja, Yugi hat mir übrigens Bescheid gegeben, dass wir uns morgen im Park duellieren. Kann ich gleich nutzen, um ein wenig Publicity zu machen. Wenn du gegen mich auch nur eine kleine Chance haben willst, sobald ich mich gegen dich duelliere, solltest du dort morgen besser aufkreuzen. Das heißt, wenn du dich nicht in deiner Firma verbarrikadierst, weil du Schiss hast, gegen mich zu verlieren.“ „Ich und gegen dich verlieren? Niemals!“ „Dann komm' morgen um zwölf Uhr in den Park. Den genauen Ort sage ich dir vorher noch.“ „Du verlierst gegen Yugi. Niemand außer mir wird ihn eines Tages schlagen.“ „Naja, wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich werde mir erst noch meine Beine vertreten und mich dann in einem der vielen Zimmer einschließen, damit ich in Ruhe meine Taktik ausfeilen kann. Und wenn ich 'in Ruhe' meine, dann will ich auch meine Ruhe und von niemandem bis heute Abend gestört werden.“ „Du willst bis heute Abend deine Strategie durcharbeiten?“, fragte Mokuba erstaunt. „Wenn ich einen ernst zu nehmenden Gegner wie Yugi schlagen will, dann muss ich schon für ein paar Stunden dafür arbeiten. Sonst wird das nichts.“ „Das wird so oder so nichts. Da kannst du dich auch für die nächsten zwei Jahre einschließen.“ >Der glaubt wohl, der kann sich alles erlauben, nur, weil ich letzte Nacht mich habe um den Finger wickeln lassen! Aber nicht mit mir! Ich habe auch meinen Stolz!<, grübelte ich und schlug die rechte Hand auf den Tisch, sodass Juns Kaffeetasse, die nicht weit entfernt von mir stand, umfiel und sich der brennend heiße Kaffee seinen Weg über die Tischplatte in Richtung Kante und schließlich auf den Teppichboden bahnte. „Halt bloß deine Klappe, Großmaul. Du hast ihn noch nicht ein einiges Mal gesiegt, obwohl du dich schon tausende Male gegen ihn angetreten bist, also hör' auf, große Töne zu spucken. Ich bin gut auf das Duell vorbereitet! Ich werde Yugi morgen besiegen und dich in der Luft zerreißen, sobald ich mit ihm fertig bin, weil du dann nämlich dran glauben musst!“ „Ernsthaft? Das wagst du nicht.“ „Ach ja? Dann kennst du mich aber schlecht. Noch schlechter, als du immer tust.“ Ich erhob mich von meinem Platz und nahm das Geschirr mit in die Küche. Nachdem ich es weggeräumt hatte, kehrte ich ins Esszimmer zurück und ging zu meinem Bruder. „Vergiss nicht, ihn auf die Sache mit dem Mädels-Abschleppen anzusprechen.“, flüsterte ich in sein Ohr und sah dabei Seto mit einem fiesen Grinsen an. „Was tuschelt ihr da?“ „Was geht dich das an? Ich dachte, du hast für so einen Kinderkram keine Zeit?!“ Er wandte sich von mir ab. Das Beleidigte-Leberwurst-Spielchen schien ihm scheinbar Spaß zu machen. Schon zum zweiten Mal sagte er nichts mehr, kein einziges Wort. „Das kann dir gleich mein großer Bruder sagen. Ich bin jetzt erst einmal für einige Zeit unterwegs, vermisse nicht eines deiner Motorräder. Ich werd' mir nochmal eins leihen. Bis irgendwann.“ Mit diesen Worten verließ ich das Zimmer mit gehobener rechter Hand und ging in Setos Schlafzimmer, kramte ein paar von den neuen Klamotten aus den noch unangetasteten Einkaufstüten, die sich noch immer neben der Türe stapelten und verschwand im Bad. Ich wollte nicht riskieren, dass mich Kaiba beim Umziehen unterbrach und sonst noch etwas tat. Dann holte ich mir mein Deck und meine Duel Disk aus meiner Tasche, die unter meinen Jacken, die im Kleiderschrank hingen, stand, und verließ die Villa mit einem von Setos Motorrädern. Es waren noch nicht viele Leute unterwegs, so mancher lag noch in seinem kuscheligen Bett, hockte am Frühstückstisch und schlürfte an seinem Getränk, saß im Auto und lauschte der Musik, während der Weg zur Arbeit immer kürzer wurde oder langweilte sich am Arbeitsplatz und hoffte, dass der Tag sobald wie möglich wieder endete. Gelassen machte ich mich auf zum Laden von Yugis Großvater, um mich davon in Kenntnis zu setzen, was für Karten er verkaufte und ob er noch ein paar gute da hätte, die mir morgen helfen könnten. Mit dem Motorrad und ohne aufhaltenden Verkehr war ich bereits nach knapp zehn Minuten Fahrt angekommen. Neben dem kleinen Gebäude packte ich mein Motorrad und nahm meinen Helm ab, den ich in meiner Hand hielt, während ich auf die Ladentüre zuging. >Bargeld habe ich keins dabei, ich zahle einfach mit der Kreditkarte meines Bruders.< Ich blickte auf das Schild an der Türe, der Laden war noch eine halbe Stunde geschlossen. Naja, muss ich mir die Zeit eben anders vertreiben. Zur Not könnte ich einfach den Tank des Motorrades leer fahren. Oder zumindest ansatzweise. Doch aus diesem Gedanken wurde nichts mehr, da bereits jemand hinter mir stand. Es war ein kleiner Junge. „Entschuldigen Sie, wenn ich störe. Sind Sie nicht Karasuma Kyoko-san? Die Duellantin, die immer im Fernsehen ist?“ Ich ging in die Hocke und lächelte ihn an. „Ja, die bin ich. Kann ich etwas für dich tun?“ „Geben Sie mir ein Autogramm? Ich habe schon lange davon geträumt, Sie mal zu treffen!“ Er reichte mir einen Stift und ein kleines, bereits von ihm aufgeschlagenes Album. Es war eine meiner Lieblingskarten eingeklebt, allerdings nur eine billige Fälschung von meiner echten, über der rechten Seite des Buches stand mein Name. Das die eingefügte Karte eine Fälschung war, musste ich ihm meiner Meinung nach aber nicht unter die Nase reiben. „Wie heißt du, Kleiner?“ „Rei.“ „Für Rei, den besten Fan, den man haben kann. Kyoko Karasuma.“, sagte ich leise, während ich es in das Buch kritzelte. „Danke, vielen Dank, Karasuma-san!“ Er verbeugte sich und eilte davon. „Du hast ja schon so manchen Fan in deinen Bann gezogen, was?“, ertönte es hinter mir. „Yugi, hallo. Was treibt dich denn so früh schon nach draußen?“ „Das selbe wollte ich dich auch gerade fragen. Ich habe gerade ein paar Sachen für das Frühstück geholt. Willst du mit rein kommen?“ „Ich wollte eigentlich ein paar Karten kaufen, aber der Laden ist noch zu. Es wäre kein Problem für mich, wenn ich hier draußen warte. Ich möchte auch nur ungern euer Frühstück stören.“ Er steckte einen Schlüssel in das Schloss der Ladentüre, drehte ihn ein paar mal um die eigene Achse und schon waren wir drinnen. „Du störst nicht. Komm' ruhig rein. Wir freuen uns über deinen Besuch.“ „Ich bin wieder da!“, rief der kleine neben mir, schloss hinter sich wieder ab und eilte die Treppe hinauf. „Komm' mit. Großvater und Yami sind oben.“ Langsam folgte ich ihm nach oben und senkte den Blick auf der Treppe nach unten, erst, als ich oben in der Wohnung eintrat, hob ich mein Gesicht und sah Yugis Großvater auf der Couch vor dem Fernseher. „Da bin ich wieder. Und ich habe jemanden mitgebracht.“ „Ah, Kyoko-san, guten Morgen.“ Yugis Großvater lächelte. Ich verbeugte mich höflich und trat näher, damit Yugi hinter mir die Türe schließen konnte. „Ich wünsche einen schönen guten Morgen.“ „Yami, ich bin wieder da!“, reif Yugi und steckte seinen Kopf zwischen Tür und Türrahmen eines angrenzenden Zimmers. „Setz' dich doch. Was führt dich schon an so einem frühen Morgen hierher?“, fragte mich, der mir gleich auf der gegenüberstehenden Couch einen Platz anbot. „Ich wollte mir mal den Laden ansehen und vielleicht ein paar neue Karten kaufen. Aber Yugi hat mich gleich mitgebracht, obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich auch unten vor dem Geschäft warten könnte und es mir nichts ausmachen würde, aber Yugi meinte, es wäre okay, wenn ich ihrem Frühstück beiwohnen könnte.“ „Natürlich ist es das. Du bist hier immer willkommen.“, antwortete der ein wenig gebrechlich wirkende, alte Mann. „Yami, nun komm' schon. Gleich muss schon das Geschäft geöffnet werden, dann haben wir keine Zeit zum Frühstücken.“, rief Yugi, der sich zu uns gesellte und sich neben seinen Großvater setzte. Ein verschlafenes „Ja, ja, ich komme ja schon.“ war aus dem Zimmer zu hören, in das Yugi vorhin noch seinen Kopf gehalten hatte und ein halb nackter Yami stand auf einmal vor mir. ~Einige Zeit später~ „Du hättest mir ja mal sagen können, dass sie hier ist! Dann wäre die Situation nicht so eskaliert.“, beschwerte sich ein knallrot gewordener Yami bei Yugi. „Es ist doch nichts passiert. Oder, Kyoko-san?“, fragte der alte. Ich schüttelte den Kopf. „Das müssten Sie eher Yami fragen. Er war ja ziemlich verlegen. Ich war es auch, weil...naja...ist ja auch egal. Vergessen wir das ganze einfach.“ Yami, der noch immer errötet neben mir saß, nickte und nippte an seiner Milch. Er hatte sich mittlerweile auch eine dunkelblaue Hose und ein T-Shirt angezogen. „Was ich dich noch fragen wollte, Yami. Setzt du auch deine Götterkarten bei unserem morgigen Duell ein?“ Ein Grinsen umspielte seine Lippen und seine Augen verengten sich. „Ich will es dir ja schließlich nicht zu leicht machen. Ich verliere nur ungern meinen Meistertitel. Außerdem will ich die Wahrscheinlichkeit, dass du mich besiegst, möglich gering halten.“ Ich seufzte schwer. „Na das kann ja was werden.“ „Sei doch froh. Dann weißt du, wie viel Respekt er vor dir hat. Du bist eine echt harte Nuss.“, meinte Yugi daraufhin. „So gut bin ich doch gar nicht...“ „Jetzt tu' nich so. Wir haben immer deine Duelle verfolgt und du hast wirklich ein hohes Potential. Deine Duelle sind spitzenklasse. Einfach nicht zu toppen.“ Verlegen kratze ich mich am Hinterkopf. „Naja, ich bin unten im Laden, wenn etwas sein sollte.“ Der alte Mann stand auf und ging zur Wohnungstüre. „Okay, ich komme gleich nach und sehe mir ein paar Karten an.“, rief ich ihm nach. „Mach' das.“ Und schon verschwand der ältere Mann im Treppenhaus. „Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?“, fragte mich Yami. „Klar. Was gibt’s?“, fragte ich, als wir uns in Yamis Zimmer begaben. „Naja, weißt du, mich quält schon die ganze Zeit über die Frage, was jetzt eigentlich zwischen dir und Kaiba ist, nachdem du mir gestern gesagt hast, dass du meine Gefühle nicht erwidern kannst. Du weißt schon.“ Er ließ sich auf seinem Bett nieder. „Ach, vergiss' die Frage. Es geht mich ja gar nichts an...“ „Ich weiß es nicht. Ehrlich. Keine Ahnung, was wir für eine Beziehung zueinander haben. Ich habe manchmal das Gefühl, dass er wie jemand, der sich in einer Zwangsgemeinschaft befindet, handelt, aber von einem Moment auf den anderen ist er ungewöhnlich nett und freundlich zu mir, sorgt und kümmert sich sogar liebevoll um mich und tut alles, um mich glücklich zu machen. Doch ganz plötzlich ist er einfach nur eiskalt und abweisend, ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll und das immer, wenn ich denke, dass ich ihn frage, was er von mir hält und was ich eigentlich für ihn bin. Dann mach er mich rasend und ich werfe ihm Schimpfwörter an den Kopf, um seine blöden Sprüche nicht auf mir ruhen zu lassen und einen geknickten Eindruck bei ihm zu hinterlassen.“ „Ich bin mir sicher, dass er nur dein bestes will, auch, wenn er eine komische Art hat, dies auszudrücken. Er hat dich sehr gern und achtet dich und versucht auch, auf deine Gefühle Acht zu geben.“ Ich sah zu Boden und setzte mich auf einen Drehstuhl, der nicht weit von mir im Zimmer stand. Yami sah mir tief in die Augen. „Du bist verzweifelt und du weißt nicht, was du tun sollst. Du hast Angst und wirkst ziemlich verletzt. Du weißt, dass du mir alles sagen kannst, was dir auf der Seele lastet. Ich werde auch alles für mich behalten.“ >Er hat Recht! Und das kann er sehen, in dem er mir in die Augen schaut... einfach unglaublich!< „Daran zweifle ich nicht, aber ich will dir auch nicht meine Probleme auferlegen, zumal du doch gar nichts damit zu tun hast und es für dich dadurch nicht einfacher wird, weil ich weiß, dass du für mich viel mehr, und ich für dich eben nicht mehr als Freundschaft empfinde. Also in solchen Dingen bin ich schon ziemlich vorsichtig, aber danke, dass du mir helfen willst. Ich weiß es sehr zu schätzen und bin auch sehr froh darüber, dass du mich unterstützen willst.“ „Kommt Kaiba morgen eigentlich auch?“ Ich lachte, nachdem er diese Frage gestellt hatte und drehte mich mit einem Strahlen auf dem Gesicht auf dem Drehstuhl einmal um meine eigene Achse. „Er verschanzt sich in seiner Firma. Heute morgen beim Frühstück meinte er, er käme nicht, weil erstens in der Firma die Arbeit auf ihn warten würde und er, ich zitiere, für so einen Kinderkram jetzt und in den nächsten Tagen überhaupt keine Zeit habe. Der hat nur Angst, dass ich dich schlage, was er nie geschafft hat und später gegen mich zu verlieren.“ Yami lächelte. „Da ist bestimmt was dran. Mal sehen, ob er doch morgen aufkreuzt.“ „Er wird es schon sehen. Entweder live oder bei der Übertragung im Fernsehen. Bestimmt werden Journalisten da sein, die das ganze als Live-Übertragung im ganzen Land, vielleicht auf dem ganzen Kontinent verbreiten. Aber wollen wir mal nicht übertreiben.“ Ich machte eine Pause und stand auf. „Wenn du nichts dagegen hast, dann würde ich jetzt gerne runter in den Laden gehen und mir die Karten ansehen.“ „Okay. Wenn noch etwas sein sollte, frag' Yugis Großvater oder komm' nach oben und frag' mich.“ Er zwinkerte. „Gern.“ Ich lächelte. Kurze Zeit später ging ich nach unten und besah mir die Karten, die in verschiedenen Vitrinen zu bestaunen waren. „Muto-san, haben Sie vielleicht auch noch Karten von der sehr seltenen Sorte?“ „Da müsste ich mal nachschauen. Warte kurz einen Moment.“ Der alte Mann verschwand für kurze Zeit in einem Raum hinter dem Tresen. „Hier sind noch ein paar. Schau' sie dir in Ruhe an.“ Es waren wirklich ein paar gute dabei, drei, die mir auf Anhieb gut gefallen und von der Stärke und vom Typ her auch gut in mein Deck passen würden. Außerdem entschied ich mich für zwei weitere Karten. „Schade, dass Sie keinen weißen Drachen mit eiskaltem Blick da haben.“, murmelte ich vor mich hin. „Doch, ich habe einen da.“ „Was? Ehrlich?“ „Ein einziges Exemplar habe ich hier, aber ich darf dich warnen, der Preis dafür ist extrem hoch. Sie ist eine der teuersten Karten, die ich besitze. Viele Leute vor dir wollten diese Karte kaufen, es scheiterte jedoch am Preis und niemand vor dir konnte sie sich leisten.“ „Ich kaufe sie! Egal, wie viel sie kostet!“ „Bist du sicher, dass dir 22 Millionen Yen nicht zu viel sind?“ (22 Millionen Yen sind umgerechnet etwa 150.000 Euro.) „Ich kriege das schon hin! Legen Sie mir die Karte zurück? Ich werde sie nachher abholen und mit Kreditkarte bezahlen.“ „Tut mir Leid, Kreditkarten nehmen wir nicht. Ein Check wäre bei dieser Summe am besten. Und ja, ich lege sie zurück.“ „Dann legen sie die anderen auch dazu. Ich komme nachher vorbei und hole sie mir alle ab. Versprochen.“ „Das macht dann insgesamt 23,5 Millionen Yen.“ „Na – Natürlich. Bis später.“ Ich verließ den Laden und seufzte schwer, bis die Panik mich packte. >Wie zur Hölle soll ich bis heute Nachmittag 23,5 Millionen Yen auftreiben? Ich bin so blöd! Und ich habe versprochen, dass ich sie kaufe! Dabei will ich sie unbedingt! Ich will mein neues Fusionsmonster endlich testen!< Nachdenklich für ich zur Villa zurück und stellte das Motorrad in der Tiefgarage ab, fuhr mit dem Aufzug nach oben und suchte das Zimmer meines Bruders. Er muss mir dabei helfen, auf mein Konto zuzugreifen. Ohne seine Erlaubnis kann ich kein Geld abheben, weil ich noch siebzehn bin. „Jun? Jun!“, rief ich, der einzige, der auftauchte, war Mokuba. „Dein Bruder ist vor einer halben Stunde mit meinem Bruder zur Kaiba Corp. gefahren. Vielleicht stellt Seto ihn ein, nachdem Jun seinen alten Job verloren hat.“ „Ich muss zu ihm und zwar schnell. Dann werde ich mal schnell mit dem Motorrad hinfahren. Wir sehen uns später.“ Und wieder machte ich mich auf zur Tiefgarage, fuhr das Motorrad wieder raus, setzte meinen Helm auf und fuhr zu Setos Firma. Als ich dir Firma betrat, wurde ich von Blicken geradezu durchbohrt. So viele Angestellte, die im Eingangsbereich arbeiteten und herumliefen, als würde jemand mit einem Gewehr hinter ihnen stehen. „Wo finde ich das Büro von Seto Kaiba?“, fragte ich die Frau an der Rezeption, die mich eifersüchtig musterte, als ich die Frage stellte. „Master Kaiba ist zur Zeit beschäftigt und befindet sich in einer Besprechung. Kommen Sie wann anders wieder.“ „Ich muss aber zu ihm. Von mir aus können Sie ihm sagen, dass Kyoko Karasuma hier ist, und dass ich mit Jun Ishino sprechen will, der in diesem Moment bei ihm sein dürfte.“ >Dumme Ziege. Die denkt wohl, ich wär' so einfältig wie sie. Vertan, sprach der Hahn.< Die aufgebretzelte Schnepfe vor mir tippte eine Nummer in ein Telefon und faselte kurz darauf etwas, was ich aufgrund ihrer Distanz, die sie absichtlich herstellte, akustisch nicht verstand. „Was ist jetzt? Ich habe nicht ewig Zeit!“ „Siebzehnte Etage. Das Büro können Sie nicht verfehlen.“ Ich wandte mich mit einem wütend klingenden „Danke.“ ab worauf ich nur das Wort „Bitte sehr, Schlampe.“ an den Kopf geworfen kam. >Der stellt wirklich nur Frauen ein, die blöd wie'n Edding sind und deren Brüste aus ihren fünf Nummern zu klein geratenen Blusen platzen. Wie erwartet. Aber dass er meinen Bruder einstellen will, finde ich komisch. Der wird doch wohl nicht auf Männer und Frauen stehen?< Bei dem Gedanke drehte sich mir der Magen um und der Brechreiz in meinem Magen und meiner Speiseröhre ließ mich die Hände vor den Mund halten. Endlich im Obergeschoss angekommen, sah ich direkt vor mir eine dunkle, riesige, hölzerne Türe, in die das Logo der Kaiba Corporation und noch andere Sachen eingearbeitet waren. Auch auf diesem Gang liefen ein paar Frauen herum, die genauso schlampig gekleidet waren, wie die anderen, die ich bereits gesehen hatte. „Sie dürfen nicht in dieses Büro, wenn Sie keinen Termin haben oder Master Kaiba Sie nicht herein ruft.“ „Das ist mir egal. Man hat mir an der Rezeption gesagt, dass ich hierher kommen und mich bei ihm melden soll – ich werde jetzt bestimmt nicht zurückgehen, weil Sie es mir vorschreiben. Also kümmern Sie sich gefälligst um ihren eigenen Kram und ziehen Sie sich nicht so schlampig an. So werden sie garantiert nicht bei Ihrem Chef landen. Und jetzt entschuldigen Sie mich.“ Wütend riss ich die Bürotüre auf, worauf Seto und Jun, die sich an den riesigen Schreibtisch gesetzt hatten, sofort aufhörten, zu reden. „Ich habe Sie gewarnt. Verschwinden Sie gefälligst, oder sehen Sie nicht, dass sich Master Kaiba in einer Besprechung befindet?“, schrie die Sekretärin hinter mir. „Ich will nur meinen Bruder sprechen. Das ist alles.“, antwortete ich halbwegs gelassen. „Und ich sagte, dass Sie gehen sollen!“ „Ruhe jetzt!“, brüllte Kaiba. „Was soll der Lärm? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?“ „Mokuba hat mich hergeschickt, nachdem ich euch in der Villa gesucht habe. Ich muss unbedingt mit meinem Bruder sprechen. Es ist wichtig.“ „Kann das nicht warten?“, fragte Kaiba. „Nein, kann es nicht.“ Ernst sah ich Seto an und verengte die Augen. Die Frau hinter mir packte mich am Arm und platzte gleich vor Wut. Vielleicht auch, weil ich eine Bekannte von Seto und sie neidisch und eifersüchtig auf mich war. „Master Kaiba, diese Person hat sich unerlaubt in ihr Büro begeben! Werfen Sie dieses Mädchen raus!“ „Ich habe Kyoko gebeten, zu mir zu kommen - noch immer entscheide ich, wer Zutritt zu meinem Büro hat und wer nicht. Ich werfe hier nur einen raus. Und das bist du. Verschwinde, du bist gefeuert. Und jetzt lass' uns allein.“ „Aber sie hat...“ „Ich sagte, dass du verschwinden sollst. Brauchst du es schriftlich oder was? Da ist die Tür. Und sag' allen Bescheid, dass ich nicht gestört werden will, bis mein Besuch das Gebäude verlassen hat.“ Die Türe ging hinter mir zu und eine heulende Sekretärin rannte auf dem Korridor herum, bis es still wurde und wir das Gespräch unter sechs Augen fortsetzten. „Du solltest dir qualifizierteres Personal suchen. Ich werde hier schief angeschaut, beleidigt und fast rausgeworfen. Und ihr Kleidungsstil geht gar nicht.“ „Womit habe ich die Ehre, dass du mich während der Arbeit besuchst?“, fragte Seto stattdessen. „Ich möchte kurz mit meinem Bruder sprechen.“ „Nur zu.“ „Unter vier Augen. Das heißt, nur er und ich, falls du nicht bis vier zählen kannst.“ „Ich werde schon nichts weitererzählen.“ „Darum geht es nicht.“ „Worum dann?“ „Lass' mich einfach unter vier Augen mit ihm reden.“ „Nein.“ „Wann bist du hier fertig, Jun?“ „Dauert noch was. Wenn du es eilig hast, mach' es kurz und kein Geheimnis draus!“, forderte Seto, ich versuchte, ihn einfach zu ignorieren. Ich sah meinen Bruder an. „Du musst gleich mit mir zur Bank. Ich habe ein großes Problem.“ „Ist was passiert?“, fragte Seto. „Bist du mein Bruder?“ „Nicht das ich wüsste.“ „Also halt dich da raus, wenn du uns schon nicht allein lässt.“ Ich wandte mich wieder Jun zu. „Es ist dringend.“ „Dürfte ich wissen, worum es hier eigentlich geht?“ „Sei nicht so neugierig, Seto! Halt endlich die Klappe. Vielleicht sage ich es dir nachher, vorausgesetzt, du lässt mich jetzt mit meinem Bruder reden.“ Beleidigt wandte sich Seto seinem Computer zu und tippte darauf herum. >Und wieder die beleidigte Leberwurst-Nummer! Seto, in solchen Momenten bist du echt zum Schießen komisch!< „Ich brauche unbedingt 23,5 Millionen Yen.“ „Was? Wofür?“ Mein Bruder kippte vor Schreck fast vom Stuhl. „Das sage ich dir, wenn ich mir sicher bin, dass uns Kaiba nicht belausch...“ „Ab morgen wirst du die Graphik-Abteilung leiten. Ich bin auf deine Ergebnisse gespannt und hoffe, dass du diesem lahmen Haufen etwas mehr Disziplin beibringst.“, unterbrach mich Seto. „Vielen Dank, Mister Kaiba.“ „Du kannst gehen.“ Gleich zog ich meinen Bruder nach draußen und lief mit ihm in den nächsten Aufzug. „Wofür brauchst du das Geld?“ „Ich habe mir ein paar neue Karten beschafft, und, naja, wie soll ich es ausdrücken...sie haben einen Gesamtwert von 23,5 Millionen Yen. Von einer dieser Karten, eine Monsterkarte und dazu noch eine ziemlich mächtige, gibt es nur weniger als eine Hand voll, deshalb habe ich sie mir zurücklegen lassen und will sie mir gleich abholen, wenn ich das Geld habe. Und da es schließlich meine Karten sein werden, will ich sie auch selbst bezahlen, auch, wenn der Preis fast das gesamte Preisgeld ist, was ich bei meinen bisherigen Turnieren bekommen habe.“ „Bist du sicher, dass du so viel Geld ausgeben willst?“ „Natürlich. Ich brauche diese Karten, wenn ich Yugi morgen schlagen will.“ „Na gut, wenn du es willst, dann werde ich dich auch nicht daran hindern. Ich kann dir diesen Wunsch nicht ausschlagen, für dich ist das Duellieren alles. Also sollst du auch bekommen, was du haben willst.“ Was ich allerdings nicht wusste, war, dass ich belauscht wurde... ~Seto's Sicht~ Sichtlich gelangweilt drehte ich mich in meinem Ledersessel um neunzig Grad und sah aus der vollkommen verglasten Rückwand meines Büros. >Was für Karten sie wohl bestellt hat...es gibt ja nicht viele Karten, von denen es nicht weniger als fünf gibt.< Wieder drehte ich mich in meinem Sessel und durchstöberte die Duel Monsters Karten-Datenbank, um herauszufinden, welche Karten in Frage kämen. Es waren einige Monster dabei, aber ich bemerkte, dass auch mein 'Weißer Drache mit eiskaltem Blick' darunter viel. Es gab nur drei Exemplare, und alle besaß ich. >Es gibt doch nicht noch eine vierte...< Mein Notebook sagte jedoch etwas anderes. Es gab insgesamt vier Karten. Aber dass ausgerechnet sie diese Karte kaufen würde, wäre recht unwahrscheinlich. Ich betrachtete den Wert der Karte und staunte nicht schlecht. Diese Karte hatte einen Wert von zweiundzwanzig Millionen Yen. >Das könnte doch so ungefähr passen. Wenn sie 23,5 Millionen braucht, dann sind zweiundzwanzig davon bestimmt für das vierte Exemplar...< „Master Kaiba, ein Anruf für Sie.“, ertönte es plötzlich durch einen Lautsprecher an einem Mikrofon auf meinem Schreibtisch. Ich drückte einen Knopf und fragte, wer mich denn nun wieder stören wollte. „Eine Frau namens Kaname Honami.“ „Honami?“ Mir schoss das Telefonat durch den Kopf, dass ich einmal mit Kyoko geführt hatte. Sie meldete sich ein Mal mit Honami. Nicht, dass diese Frau, die mich da anruft, noch mit Kyoko verwandt ist... „Ja, Master Kaiba. Soll ich ihr sagen, dass Sie zur Zeit nicht erreichbar sind?“, fragte eine meiner Sekretärinnen durch die Sprechanlage. „Nein, stell' sie durch. Aber von nun an will ich meine Ruhe haben.“ „Natürlich, Master Kaiba.“ Ich hob den Hörer ab und hörte eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ich hoffe, ich störe nicht, Mister Kaiba.“ „Wer sind Sie? Und was wollen Sie von mir?“ Wütend brüllte ich in das Telefon, doch meine Gesprächspartnerin schien das nicht zu stören und setzte gelassen das Gespräch fort. „Na, wir wollen doch nicht gleich aggressiv werden, Mister Kaiba. Zumal Sie noch nicht einmal den Grund für meinen Anruf wissen. Und ich garantiere Ihnen, wenn dieses Telefonat beendet ist, dann wird ihre Welt von einem Wimpernschlag auf den anderen eine völlig andere sein.“ „Was reden Sie da für ein dummes Zeug?“ „Dummes Zeug also? Lassen Sie mich doch erst einmal ausreden. Zunächst will ich mich vorstellen. Mein Name ist Kaname Honami, bin achtunddreißig Jahre alt, bin geschieden und habe eine siebzehnjährige Tochter.“ „Wollen Sie mir meine freie Zeit nehmen oder warum erzählen Sie mir so einen Mist?“ „Meine Tochter kennen Sie bereits. Sie ist ihre Konkurrentin, ihre Erzrivalin und das Mädchen, dass in ihrem Haus wohnt. Kyoko Karasuma ist meine Tochter.“ „Was?“ „Und nicht nur das. Sie und Kyoko, wie sie sich jetzt nennt, haben sich bereits vor zehn Jahren getroffen. In dem Waisenhaus, in dem Sie und ihr kleiner Bruder lebten, bis sie von Guzaburo Kaiba adoptiert wurden, weil Sie ihn in einer Schachpartie schlugen. Sie ist das Mädchen, dass von mir, ihrer Mutter, abgeholt und von Ihnen getrennt wurde.“ >Dann ist sie es also doch...aber warte...< „Das kann nicht sein! Sie wollen mich wohl verarschen! Ihr Name war nicht Kyoko, sondern ein ganz anderer...“ „Woher wollen Sie das wissen? Kennen Sie überhaupt ihren wahren Namen?“ „Natürlich kenne ich ihn.“ „Und wie lautet er?“ Ich schwieg. Ihr Name war mir tatsächlich entfallen. „Sagt Ihnen vielleicht 'Riiko' etwas?“ >Das war er...< „Sie wollen mir doch nicht ernsthaft weiß machen, dass Riiko und Kyoko ein und die selbe Person sind?“ „Genau das will ich.“ „Völlig unmöglich.“ „Das glauben Sie wirklich? Und warum sieht sie ihr so ähnlich? Warum schleicht sie sich in ihr Haus, lässt sich durchfüttern und lässt sich dann mit ihrem Feind ein? Lässt sie einfach stehen? Sie sind wirklich naiv, noch mehr, als ich es mir dachte.“ „Sie wagen es...“ „Meine Tochter hegt einen tiefen Groll gegen Sie. Sie würde nie, niemals, etwas ernstes von Ihnen wollen. Sie will Sie dafür bluten lassen, dass Sie sie damals im Stich gelassen haben und nichts getan haben, um sie zu retten. Sie hat Ihnen vertraut, sie hat auf Ihr Versprechen, dass sie ihr gegeben haben, gebaut und hat gehofft, dass Sie und meine Tochter für immer zusammen blieben. Doch als Sie ihr Versprechen brachen, da hat sie begonnen, Sie zu hassen und sich geschworen, Sie für alles zur Rechenschaft zu ziehen, was Sie ihr angetan haben. Sie haben ihr gesamtes Leben zerstört, weil Sie von ihr wussten, was passieren würde, was ihr geschehen würde, sobald ich sie nach Hause zurückholen würde. Doch Sie haben sie nicht unterstützt sondern Sie einfach fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel. Sie hat sie geliebt, Mister Kaiba.“ „Sie wollen mich wohl lächerlich machen.“ „Dann fragen Sie doch gleich meine Tochter, wenn sie ihre Bankgeschäfte erledigt hat. Fragen Sie sie, was sie sich bei ihren ganzen Aktionen denkt und wie lange sie noch so weitermachen will. Fragen Sie sie, ob sie Sie damals wirklich so empfunden hat.“ Ich schwieg. „Nehmen Sie sich vor ihr in Acht. Sie hat etwas vor. Und glauben sie nicht, dass sie das Opfer ist. Nein, sie ist der Drahtzieher der ganzen Sache. Wenn es zu spät ist, werden Sie bestimmt darüber nachdenken, was Sie falsch gemacht haben und warum Sie ihr noch weiter vertraut haben. Sie wird ihren Rachefeldzug bald beenden, aber passen Sie auf, Sie werden sehr darunter leiden. Ach, und noch etwas. Passen Sie auf ihren Bruder auf. Vielleicht wird Sie ihm etwas antun...“ „Was...“ “Ich wünsche noch einen angenehmen Tag, Mister Kaiba.” Die Frau hatte aufgelegt. >Dann war es also wahr. Sie und Riiko waren ein und die selbe Person. Und sie hasst mich dafür, was damals passiert ist. Deshalb ist sie auch immer so gereizt, wenn ich mit ihr rede und fährt immer so aus der Haut, wenn sie auf mich sauer ist. Das, was diese Frau da sagte, klingt ein wenig einleuchtend. Wenn Kyoko, oder Riiko, mich wirklich so abgrundtief hasst, dann ist es wohl ein Teil ihres Plans, dass sie sich erst mein Vertrauen erschleichen will, um mir dann ungehindert Schaden zuzufügen. Das einzige, was ich ihrer Mutter nicht recht glauben kann, ist, dass Sie angeblich etwas gegen mich ausheckt. Das kann ich nicht glauben. So verkorkst ist dieses Mädchen nicht. Das traue ich ihr einfach nicht zu. Villeicht würde sie es schaffen, mir einen Streich zu spielen, aber sie würde nie meinem Bruder oder mir etwas antun. Nein, das kann ich einfach nicht glauben...< ~Inzwischen in der Kaiba-Villa: Kyoko's Sicht~ Ich verbarrikadierte mich in einem mir unbekannten Zimmer, weitab von den Zimmern der anderen. Es war abgeschlossen, doch mit ein wenig Fachwissen und einer meiner Haarnadeln konnte ich die abgeschlossene Türe öffnen und fand prompt neben der Türe im Zimmer einen Schlüssel für die Türe und schloss sie von innen ab. „Was ist das hier für ein Raum?“, fragte ich mich. Der gesamte Raum war dreckig, staubig und dunkel, nur durch einen der Vorhänge fiel ein wenig Sonnenlicht, da sie an einigen Stellen große Löcher hatten. Ich suchte nach einem Lichtschalter, griff allerdings ein paar mal ins leere oder in staubig gewordene Spinnennetze. Dieses Zimmer war das einzige, was ungebraucht und schon seit Jahren weder betreten, noch gesäubert zu sein schien. Endlich fand ich einen Lichtschalter und eine kleine, flackernde Funzel an der Decke des Zimmers warf ein wenig Licht auf den staubigen Teppichboden, worauf ich mich notgedrungen setzte. Ob ich mich jetzt auf einen mit Spinnenweben umwickelten, staubigen Stuhl oder den dreckigen Teppich setzte, spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Aber wenigstens hatte ich einen Platz gefunden, wo ich in Ruhe meine Pläne studieren und mich konzentieren konnte. Außerdem würden weder Kaiba noch sonst irgendjemand je auf die Idee kommen, dass ich in diesem Raum war. Nebenbei entdeckte ich alte Gemälde von einem alten Mann mit einer Menge Stirn- und Augenfalten, sowie grauen Haaren und dichte Augenbrauen und einem Schnurrbart. Ich nehme mal an, dass das Guzaburo Kaiba war, der Seto und Mokuba adoptiert hat, als Seto zwölf war. Wahrscheinlich war dieses Zimmer von diesem alten Knacker. Naja, mir sollte es recht sein; es würde bestimmt niemanden stören, wenn ich hier war. Was mir zudem auffiel, war, dass die Luft in diesem Raum recht voll von winzigen Staubpartikeln war und es an frischer Luft mangelte. So langsam musste ich den Raum mal wieder verlassen oder ein Fenster finden, das man auch öffnen konnte, sonst würde ich hier drin vielleicht noch ersticken. Ich vertiefte mich in mein Deck und sortierte meine Karten und ihrer Effektivität. Ja, Raigeki musste in mein Deck. Es war ja immer darin, nur heute freute ich mich besonders darüber, diese Karte zu besitzen. „Wer weiß, vielleicht hilft mir diese Karte noch...“ Eine lange Zeit studierte die neuen Karten, die ich mir nun doch zusammen mit meinem Bruder gekauft hatte und überlegte mir ein paar neue Kombinationen. >Der Kampf gegen die drei ägyptischen Götter morgen wird nicht sehr einfach. Aber zum Glück habe ich nun den 'Weißen Drachen mit eiskaltem Blick', die Zauberkarten 'Buch von Taiyou' und das 'Buch des Mondes' und die Falle 'Letzter Spielzug'. Die werden mich im Kampf morgen sicher gut unterstützen.<, dachte ich. „Kyoko? Bist du hier irgendwo? Wo bist du, Kyoko?“, hörte ich Mokuba auf dem Gang rufen. Sicher vermisst er mich, weil es schon Nachmittag war. >Seto ist bestimmt in der Firma, aber das Risiko eingehen, dass er oder Mokuba mich sieht, sobald ich aus dem Zimmer komme? Nein, ich habe keine Lust darauf. Vielleicht bin ich mit dem Betreten dieses Zimmers doch einen Schritt zu weit gegangen. Verdammt.< Als es im Korridor wieder ruhig war, schloss ich die Türe auf, doch dann passierte das, was ich mir nie erträumt hatte. Der Schlüssel brach ab und die Türe ließ sich nicht öffnen. Verzweifelt dachte ich nach, was nun zu tun war, bis ich mich dazu überwand, an der Türe zu klopfen. „Mokuba? Mokuba! Ich bin hier! Aber ich komme hier nicht raus!“ Keine Antwort. Wahrscheinlich hatte er bereits das Stockwerk gewechselt. Und die Batterie des Handys tat es auch nicht mehr lange, bis sie leer wurde. Ich versuchte, Mokuba auf seinem Handy zu erreichen, doch niemand hob ab. Ich rief sogar auf Setos Handy an, aber auch er ging nicht ran. Und mein Bruder, naja, sein Handy war ausgeschaltet. Und für einen weiteren Anruf war es zu spät – mein Handy gab den Geist auf. „Mokuba. Mokuba!“ Immer noch nichts. „Verdammt, was habe ich mir nur wieder dabei gedacht?“, flüsterte ich und setzte mich mit dem Rücken gegen die Türe gelehnt auf den Boden. Ich klopfte, versuchte, so viel Lärm zu machen, wie es ging, aber niemand schien meine Hilferufe wahrzunehmen. „Mokuba...Seto...irgendjemand muss doch da sein...“ Es war Abend geworden. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, es war schon fast dunkel. Und das hieß, dass ich gleich in einem nahezu unbeleuchteten Zimmer war, das mit mittlerweile immer angsteinflößender und bedrohlicher vorkam. Was noch schlimmer war, die Lüftung ging an – scheinbar hatte sie jemand eingeschaltet – und blies noch mehr Staub in das Zimmer. Die Luft und der auf dem Boden und überall haftende Staub wurde aufgewirbelt und somit befand sich nun noch mehr Feinstaub in der Luft, der mir immer weiter zusetzte. Ich legte meine Arme auf die Knie und vergrub mein nun schon verweintes Gesicht darin. Selbst die Balkontüre war fest abgeschlossen. Das Ausbrechen – in diesem Falle – war aufgrund des Hochsicherheitsschlosses unmöglich. Ich nahm eine alte Schreibtischlampe zur Hand und versuchte, einen Alarm auszulösen, doch weder das Schloss ging kaputt, noch das Glas. >Na toll. Habe ich ja wieder super hinbekommen. Prima.< Die Luft hier drin war auf Dauer unerträglich geworden. Nun saß ich hier bestimmt schon sechs Stunden fest, hatte aber vorher nie so ein großes Problem mit der staubigen Luft gehabt. Aber jetzt durch die vielen Anstrengungen, hier irgendwie herauszukommen, war jeder Atemzug eine Qual. „Mokuba! Seto! Jun! Bitte helft mir...Ich komme hier nicht wieder heraus...“ Der Staub in der Luft ließ mich Husten. „Kyoko? Wo bist du?“ „Hier, Mokuba! Ich bin hier!“ Das brachte ihm auch nicht sehr viel, dachte ich, aber um einen langen Vortrag zu halten, war ich nicht mehr in der Lage. Ich hämmerte von innen gegen die Türe. „Endlich bist du da, Mokuba...bitte, hol' mich hier raus. Ich kriege keine Luft...“ „Ich hole Seto! Der kann dir eher helfen, mehr als ich jedenfalls!“ „Beeil' dich, bitte!“ Die Minuten, die er weg war, kamen mir wie Stunden vor. „Wo ist sie?“ Endlich hörte ich Setos Stimme am Ende des Flures. Ein kleiner Funken Hoffnung und Erleichterung keimte in mir auf. „In Guzaburos Arbeitszimmer.“ „Was?“ „Seto...hilf' mir...ich kann kaum noch atmen...“ „Kyoko? Kannst du mich hören?“, rief Mokuba. „Ja, das kann ich. Bitte hol' mich hier raus, ich weiß nicht, wie lange ich das noch überstehe...“ ~Chapter 10 Ende~ Kapitel 11: Mysteries and Miseries (I) -------------------------------------- Ein paar Worte vom Autor Waaah! Aua! >.< Bitte nicht hauen! Ey, du da hinten, weg mit dem Baseball-Schläger! Ich weiß, ich bin verdammt spät dran, ihr habt so ewig darauf warten müssen. Moment, ähm...ja, mittlerweile sind 3 Monate vergangen seit dem letzten Update. Moment, sogar noch mehr! Genau drei Monate und eine Woche! Gomen nasai! Habe nie die Zeit gefunden und außerdem erst letzte Nacht dieses Chapter zur Vollendung gebracht, weil ich den doofen Duell-Part in diesem Chap nicht hinbekommen habe! *heul* Kurze, dennoch wichtige Info: In nicht allzu langer Zeit kommen die Prologe und ersten Chapter von drei (!) weiteren Fanfics, vielleicht sogar vier, die ich irgendwie in der Zwischenzeit aus Langeweile zusammengetextet habe. Hat geholfen, schließlich hat es mich aus meinem zweiwöchigen Krea-Tief geholt! Jedenfalls handelt es sich hierbei um eine weitere Seto-Story, einer One Piece-Fanfic mit einem eigenen Charakter, der die Strohhutbande ganz schön aufmischt und einer InuYasha-Fanfic mit Sessy-chan als einer der wichtigsten Charas! x'D Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr dazu ebenfalls eine kleine Bewertung schreibt, sobald diese online sind. Außerdem werde ich noch eine ENS-Liste zu den Fanfics erstellen, wer auch drauf will, kann sich melden! So, jetzt kommt aber Kapitel 11, Teil 1! Viel Spaß beim Lesen! ;) Kapitel 11: Mysteries and Miseries – Part 1 Die Minuten, die Mokuba weg war, kamen mir wie Stunden vor. „Wo ist sie?“ Endlich hörte ich Setos Stimme am Ende des Flures. Ein kleiner Funken, gemacht aus Hoffnung und Erleichterung, keimte in mir auf. „In Guzaburos altem Arbeitszimmer.“ „Sie ist was?“ Verdammt, war der schockiert. „Seto...hilf' mir...ich kann kaum noch atmen...“ „Kyoko? Kannst du mich hören?“, rief Mokuba. „Ja, das kann ich. Bitte hol' mich hier raus, ich weiß nicht, wie lange ich das noch überstehe.“ „Geh' von der Türe weg! Ich trete sie ein.“, brülle Seto. Verdammt, war der wütend. „Ich...“ „Nun mach' schon! Wenn ich dich retten soll, dann tu' gefälligst, was ich dir sage!“ Ich krabbelte unbeholfen und nach Luft schnappend über den Boden und entfernte mich von der Türe. Seto zähle. Eins, zwei, drei. Ein lauter Knall ertönte, verhallte aber nach kurzer Zeit wieder. Erneut versuchte er, die Türe einzutreten, doch vergebens. Die Türe öffnete sich einfach nicht. „Roland! Kommen Sie her. Helfen Sie mir, die Türe einzutreten! Kyoko ist da drinnen!“ Ich hörte hastiges Tippeln auf dem Gang und die besorgte Stimme von Mokuba, die dennoch versuchte, mich aufzumuntern. „Kyo-chan! Bitte halte durch! Seto und Roland sind sofort bei dir!“ Erneut war das Knallen gegen die Türe zu hören, doch sie öffnete sich nicht. Völlig kraftlos schloss ich die Augen und vergaß alles um mich herum. „Kyoko? Hörst du mich?“ „Seto...“ „Du darfst nicht aufgeben, hörst du? Wir sind gleich bei dir.“ „Mokuba...“ Die Türe gab ein bedrohliches Knacken von sich, als ein weiterer, recht dumpfer Knall zu hören war. „Es funktioniert nicht, wir kriegen sie nicht auf!“ Dieser Roland klang sichtlich verzweifelt. Seto hingegen bekam hörbar die Krise. „Jemand muss die Lüftung abstellen. Sonst erstickt sie noch da drinnen!“ „Stellen Sie sofort Klimaanlagen und Lüftungen ab! Schnell!“, hörte ich Mokuba rufen, eine junge Frauenstimme antworte mit einem kurzen „Natürlich.“ und verschwand klackernd im Korridor. Kurze Zeit später war das Rauschen der Lüftung verschwunden, doch noch immer war die Türe versperrt. „Komm' schon, geh' auf!“, hörte ich Mokuba flehen. Die Angeln der Türe knarrten, bald würden sie aufbrechen. Hoffentlich. Doch noch immer tat sich nicht und die Türe rührte sich keinen Millimeter. Bald verlor ich jegliche Hoffnung und ließ nochmal das Revue passieren lassen, was ich in der vergangenen Zeit mit den Kaibas durchgestanden habe. Kurz darauf flog auch schon die Türe auf und Seto eilte herein. „Was machst du denn für Sachen? Wir haben uns Sorgen gemacht!“, klagte Mokuba. Seto trug mich nach draußen auf den Korridor, Roland und Mokuba waren in dem Raum verschwunden, letzterer sammelte meine Karten und meine Duel Disk zusammen und kam nach. Während sich die beiden noch im Raum befanden, setzte mich Seto auf dem Boden ab und verschwand, ohne auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen. „Ich wollte gar nicht da rein, was auch immer da drinnen ist, aber als ich wieder raus wollte, brach der Schlüssel ab, auf meine Anrufe hat sich niemand gemeldet, bis es dann den Geist aufgab, die Fensterscheibe war unzerstörbar und die Alarmanlage ging auch nicht an, egal, was ich tat. Und dann war da noch die Lüftung und...“, plapperte ich panisch vor mich her und starrte it geweiteten Augen an einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand. Mein Körper bebte. Noch nie zuvor hatte ich so panische Angst gehabt; die Gewalt meiner Mutter mal außer Acht gelassen. „Jetzt ist ja alles wieder gut.“ Voll Freude umarmte ich den Kleinen, der neben mir kniete. „Danke, dass ihr mich gerettet habt. Ich glaube, wärt ihr nicht da gewesen, dann hätte niemand mir mehr helfen können...“ „Jetzt sag' nicht so was, Kyo-chan! Dir geht es gut und das ist die Hauptsache.“, sagte er ein wenig verschämt, fasste sich dann aber wieder. Er reichte mir meine Duel Disk und mein Deck. „Soll ich einen Arzt rufen?“, fragte Roland, der mittlerweile die Türe verschlossen hatte, jedenfalls so weit es ging, nachdem die Türe eingetreten wurde. Noch bevor Mokuba etwas antworten konnte, rief ich: „Nein, nicht nötig. Das einzige, was ich jetzt brauche, ist frische Luft...“ „Mokuba.“, rief Seto durch den Korridor. „Ich bin gleich wieder da.“ Mokuba sprach sehr leise und versuchte mich aufzuheitern, legte mir seine linke Hand auf die Schulter und lief in die Dunkelheit im Korridor. Schwerfällig stand ich auf und ging, mich immer an der Wand oder einem Geländer anlehnend, in Richtung Haupteingang der Villa. Doch sie war abgeschlossen. Also irrte ich in der weiter in der Villa herum, bis ich einen weiteren Ausgang nach draußen fand. Sie führte in die prunkvolle Gartenanlage, die schon fast einem Park oder sogar dem Vorhof des Versailler Schlosses glich. Erschöpft ließ ich mich auf einer Bank nieder und atmete ein paar Mal tief ein. „Wieso hast du es mir nicht gesagt?“ „Seto?“ „Warum musste es mir deine Mutter sagen?“ „Wovon redest du?“ Seto stand vor mir und blickte zu mir herab, in meine Augen. In seinen Augen spiegelte sich etwas wieder, was ich nicht von ihm kannte. Verzweiflung, Angst und Trauer. „Riiko...Honami Riiko...“ Ich erschrak und senkte mein Gesicht. „Du weißt es also.“ „Deine Mutter hat kurz nachdem du gingst in meiner Firma angerufen und mir so einiges über dich erzählt.“ „Hat sie das? Was hat sie für Lügen verbreitet?“ „Sag' mir nur eins. Bist du nur hier, um mir eins auszuwischen, weil du es bis heute nicht überwunden hast, dass dich damals deine Mutter von mir und meinem Bruder getrennt hat? Dass ich dir ein Versprechen gab und ich es nicht gehalten habe?“ „Nein, so ist es nicht. Zu Anfang wollte ich es, aber jetzt...“ „Menschen ändern sich wirklich nie. Du bist krank. Geisteskrank. Klar, dass man mit solch einem Ereignis nicht schnell fertig werden könnte, aber dass du auch noch Rache nehmen willst, indem du meinem Bruder etwas antust, das ist wirklich gestört!“, rief er wütend. Seine rechte Hand zuckte bedrohlich – ich dachte, dass er mich im nächsten Moment, voller Wut und Verachtung, ohrfeigen würde. „Ich wollte dir oder deinem Bruder nie etwas antun! Das einzige,was ich tun wollte war, dich in einem Duell zu schlagen! Und weiter nichts!“ „Komischerweise hat mir deine Mutter etwas anderes erzählt.“ „Du glaubst meiner Mutter mehr, als mir? Sag' mir, hältst du mich für so unberechenbar? Bin ich so kalt und verkorkst?“ „Ich weiß nicht mehr, wem ich überhaupt noch glauben soll. Du hast nur so getan, als wärst du so, wie du zu sein scheinst. Aber das war alles nur Fassade.“ Plötzlich erschien Jun und trat auf mich zu. „Kyoko, deine Mutter hat angerufen.“ Ich stockte. „Mei – Meine Mutter? Was wollte sie?“ „Sie will, dass du nach Hause kommst. Noch heute Nacht.“ „Warum so schockiert?“, fragte Seto. Einen Moment lang fragte ich mich, ob ich Seto sagen sollte, dass meine Mutter depressiv und geistesgestört war, seit Juns Vater – und damit auch meiner – uns vor ein paar Jahren verlassen hatte. „Ich will das nicht im Freien ausdiskutieren. Das, was du wissen sollst, geht niemanden sonst an.“, sagte ich und ging nach oben, in Kaibas Schlafzimmer, mit ihm und meinem Bruder im Schlepptau. Dann drehte ich den beiden den Rücken zu und zog meine Jacke und mein Shirt aus. „Was ist das für eine Narbe?“ Ich spürte Setos stechende Blicke, die auf meinem Rücken ruhten und hörte das Entsetzen in seiner Stimme heraus. Er meinte die riesige Narbe auf meinem rechten Schulterblatt, die mich bis an mein Lebensende an die Gewalt meiner Mutter erinnern würde. Sie war so groß, dass sie etwa ein Viertel meines gesamten Rückens einnahm. Er hatte sie während unserer gemeinsamen Nacht wohl nicht bemerkt. Wie auch, sehr hell war es nicht zum uns herum gewesen und meistens habe ich auf meinem Rücken gelegen. „Sie stammt von meiner Mutter. Meine Mutter ist...“ Jun beendete den Satz, als er merkte, dass ich es nicht konnte. „Ihre Mutter ist, seit unser gemeinsamer Vater sie für meine Mutter verlassen hat und die beiden sich im Ausland zur Ruhe gesetzt haben, aggressiv und gewalttätig. Das ist auch der Grund dafür, dass sie seit über drei Jahren bei mir wohnt und von zu Hause weggelaufen ist.“ „Sie hat mich ständig geschlagen und mich beschimpft, mir Sachen nach geworfen, wenn sie nicht das bekam, was sie wollte; Alkohol und Zigaretten. Und diese Wunde verfolgt mich seit über fünf Jahren, weil meine Mutter, betrunken, wie sie immer war, eine Glasflasche nach mir geworfen und mich am Schulterblatt getroffen hat. Und das ist auch der Grund dafür, dass ich heute Abend so ausgerastet bin, als du in meine Umkleide kamst. Ich wollte nicht, dass du von dieser Narbe erfährst. Aber jetzt da du es eh' weißt...“ Das ich wegen dieser Wunde in einem künstlichen Koma lag und fast gestorben wäre, behielt ich für mich. Ich zog mein Longshirt wieder an und warf meine Haare wieder über meine Schultern nach hinten. „Das passt aber nicht zu der Frau, die mich da angerufen hat. Sie klang sehr berechnend und nicht gerade wie ein abhängiger oder psychisch labiler Mensch.“ „Glaub', was du willst. Aber beurteile niemals Menschen nach ihrem Auftreten. Sie ist schlimmer, als du es dir auch nur ansatzweise vorstellen kannst.“ Ich stieß einen kaum hörbaren Seufzer aus und fuhr mit einem Hauch Sarkasmus fort. „Bei Gelegenheit stelle ich sie dir mal vor.“ Ich drehte mich zu Seto um. „Glaub' mir, du wirst deine jetzige Aussage revidieren, sobald du sie kennen gelernt hast.“ „Und diese Frau will, dass du nach so langer Zeit zurückkommst?“ „Ja, das tut sie. Warum sie sich erst nach drei Jahren meldet, ist mir unklar. Ich will es auch gar nicht wissen. Fakt ist, dass sie mich wahrscheinlich wieder misshandeln wird, wenn ich zu ihr zurückkehre. Aber wer weiß, wozu sie in der Lage ist, wenn ich mich gegen ihre Anforderungen stäube. Dieser Frau traue ich sogar einen Mord zu, nachdem ich mehrmals zwischen Leben und Tod hing, weil sie auf mich losgegangen ist. Vielleicht wäre es besser, wenn ich mich ihr nicht widersetze. Ich will niemanden in Gefahr bringen.“ Seto setzte sich auf das Sofa, das gegenüber des Bettes stand, schlug das linke Bein über das rechte und legte den linken Arm auf die Rückenlehne. Nachdenklich fasste er sich an den Kopf. „Du wirst nicht zu ihr zurückgehen. Und wenn mir etwas passieren sollte, dann wird es weder deine, noch die Schuld von jemand anderem sein – du wirst dich nicht selbst aufopfern.“ „Was?“, fragte mein Bruder und ich gleichzeitig. „Du hältst immer noch zu mir, obwohl sie so viel von mir und meiner schlimmen Vergangenheit erzählt hat und meinte, ich wolle dir oder deinem Bruder etwas tun?“ „Ich habe dich schon mal verloren, aber das wird mir nicht nochmal passieren. Eigentlich hatte ich das Ziel verfolgt, dich rauszuschmeißen, nachdem ich diesen Anruf von deiner Mutter bekam. Doch durch das Hintergrundwissen, das ich jetzt aber bekommen habe, werde ich ein wenig skeptisch, was das angeht. Aus einem mir nicht erkenntlichen Grund kann ich es nachvollziehen und sehe davon ab, dich vor die Türe zu setzen. Was aber feststeht, ist, dass ich schon damals nicht habe mit ansehen können, wie du von uns getrennt wurdest, aber ich fand mich einfach nicht in der Lage, in der ich ihr hätte helfen können. Und jetzt lasse ich auch nicht zu, dass du mir noch einmal weggenommen wirst, Riiko. Was auch passiert, du bist bei mir sicher.“ Ich war zu Tränen gerührt. Da gab es so viele Dinge, warum. Er wollte mich beschützen. Er erinnerte sich an damals und wollte mir helfen, als meine Mutter uns von einander trennte. Also war er nicht erleichtert darüber, dass ich verschwand. Nein, er hatte mich damals schon gern. Sonst hätte er das nicht so gesagt. Er will mich nicht gehen lassen, er will, dass ich bei ihm bin und er bei mir ist. Ich freute mich insgeheim darüber, weil ich wusste, dass er scheinbar wirklich an mir hing und nicht alles nur aus purer Lust und Laune tat. Ja, ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Aber das machte mir nichts. „Danke, Seto.“, rief ich, als ich mich neben ihm niederließ und ich um den Hals fiel. „Ich bin so froh, dass du zu mir hältst.“ Mehr konnte ich einfach nicht sagen. „Ich bin ja so froh, dass es dich gibt.“ „Gib' mir die Nummer deiner Mutter. Ich will mit ihr sprechen.“, forderte Seto, nachdem ich wieder von ihm abgelassen hatte. Ich drehte mich zu Jun und nickte ihm zu, der Seto gleich sein Handy reichte. Seto erhob sich, ging zu seinem Schreibtisch, tippte schnell auf ein paar Tasten herum und stellte den Lautsprecher ein, dass alle im Raum mithören konnten. Auch ich erhob mich und begab mich zum Telefon, auch mein Bruder kam näher. „Ja? Hallo wer ist da?“ Seit damals schien sie sich in keinster Weise gebessert zu haben. Ich hörte, dass sie eine Zigarette rauchte. „Ich bin es, Mutter.“ „Ach, meldest du dich nach so langer Zeit auch mal wieder. Und was macht mein Töchterchen? Amüsiert es sich in Domino?“ Sie klang sarkastisch, verachtend und wütend zugleich. Noch immer verbot ich, Kaiba sich einzumischen. „Jun hat mir erzählt, dass du angerufen hast und willst, dass ich zurückkomme. Warum meldest du dich erst nach drei Jahren? Warum nicht schon früher?“ „Soll ich ehrlich zu dir sein? Dein Vater hat sich bei mir gemeldet und mir gesagt, dass du bei deinem Halbbruder wohnst. Dieser naive Dreckskerl wusste nicht einmal davon, was schon Jahre zurückliegt. Dann brauchte ich auch nicht mehr meine Handlanger nach dir suchen zu lassen. Und jetzt, wo ich weiß, dass dein Bruder gar kein Sorgerecht beantragt hat und ich deine Erziehungsberechtigte bin, wirst du endlich wieder nach Hause kommen.“ Kaiba schien unsagbar wütend auf sie zu sein. Ihm den Mund zu verbieten brachte nichts mehr, es platze ihm einfach der Kragen. „Sie haben ihr diese Stalker auf den Hals gehetzt? Was sind sie für eine Mutter? Man hat sie angeschossen! Wissen Sie überhaupt, dass sie sich mehrfach strafbar gemacht haben?“ „Mister Kaiba, Sie sind ja auch da. Mit Ihnen habe ich schon gerechnet. Man hat mir gesagt, dass meine Tochter bei Ihnen wohnt. Aber ich darf Sie warnen. Entweder geben Sie meine Tochter frei, oder Ihrem Bruder passiert was. Und das wollen Sie doch nicht, oder?“ „Sie bluffen doch nur.“ „Ach, wirklich? Tue ich das? Dann werfen sie mal einen Blick auf den Bildschirm ihres Computers.“ Kaiba öffnete den Laptop und starrte mit geweiteten Augen auf den Bildschirm. „Sie wollen doch sicher nicht ihre Firma und ihren Bruder verlieren, alles, was sie haben. Also lassen Sie meine Tochter Riiko gehen, sonst werden Sie bald etwas missen.“ Ich sah, wie schockiert und frustriert er war. „Auf gar keinen Fall!“ „Ist schon gut, Mutter. Ich werde nach Hause kommen, so wie du es verlangst. Ich werde gleich meine Sachen zusammenpacken und mich auf den Weg machen.“ „Das wollte ich hören. Aber wehe, du kommst mit Begleitung. Du kommst allein. Sonst blüht dir und deinen Freunden was.“ Meine Mutter hatte den Hörer auf die Gabel geknallt. „Was fällt dir eigentlich ein? Sie wird dir noch sonst etwas tun, wenn du zu ihr gehst!“ Seto war wütend, weil ich letzten Endes doch nachgegeben hatte. „Seto, ich will dich, deinen und meinen Bruder schützen. Und alle, die mit mir befreundet sind. Ich kenne meine Mutter und habe großen Respekt, aber auch riesige Angst vor ihr. Und ich habe Angst um euch. Also werde ich mal wieder meine Sachen packen und auf unbestimmte Zeit bei meiner Mutter leben.“ „Das kannst du nicht tun! Ich will nicht, dass du dich selbst in Gefahr bringst.“ Ich umarmte Seto. „Ich habe dich sehr gern, trotz allem, was du immer sagst und tust. Deshalb will ich nicht, dass dir etwas passiert. Schon damals wollte ich nicht, dass du oder dein Bruder leiden musstet. Ich halte es für das beste, wenn wir uns für die nächste Zeit nicht wiedersehen. Vielleicht gibt meine Mutter irgendwann nach.“ „Und was ist, wenn ich dich nicht gehen lasse?“ „Es tut mir Leid, Seto. Noch heute Nacht werde ich diese Villa verlassen und mich auf den Weg machen.“ „Riiko. Willst du dir das wirklich antun? Willst du mich nicht mitnehmen?“, fragte Jun. „Nein. Ich werde allein fahren und ihren Forderungen Folge leisten. Das Risiko, dass jemandem von euch etwas passiert, ist mir zu groß. Diese Frau ist unberechenbar. Und sie ist nicht der Typ, der nur blufft. Sie macht ihre Drohungen wahr – das musste ich schon oft genug miterleben.“ „Und was ist mit dem Duell morgen?“ „Das werde ich wohl vertagen müssen.“ „Du wirst dich gegen Yugi duellieren. Und gegen mich. Früher wirst du nicht ausziehen.“ „Was redest du da für einen Unsinn? Du weißt genau, dass das nicht geht.“ „Dann wartet deine Mutter eben. Wir werden alle unsere Sachen packen und für zwei oder drei Tage verreisen.“ „Aber deine Firma...und die Schule...“ „Ich werde meine Angestellten anheuern, dass sie meine Arbeit machen sollen. Das notwendigste kann ich auch mit meinem Notebook erledigen und zum Firmencomputer schicken. Und was in der Schule besprochen wird, kann ich; wenn du es nicht verstehst, bringe ich es dir bei.“ „Hältst du das wirklich für richtig?“ „Ich weiß genau, was ich tue. Deine Mutter und ihre Leute werden nichts gegen uns ausrichten können. Das Duell findet morgen statt, aber sobald es zu Ende ist, werden wir verschwinden. Packt eure Koffer. Ich gehe zu Mokuba und sage ihm Bescheid.“ Und schon war Seto verschwunden. Ich ließ mich auf Setos Himmelbett fallen. „Ich glaube, ich bin im falschen Film. Ständig darf ich meine Sachen aus- und wieder einpacken. Kann ich nicht irgendwo für eine längere Zeit wohnen und nicht nur für höchstens zwei oder drei Tage?“ „Gut, dass ich meine Sachen noch nicht ausgepackt habe.“ „Scheiße, dass Seto meine ganzen Klamotten ausgepackt und in seinen begehbaren Kleiderschrank gehängt hat. Dann brauche ich wieder ein paar Stunden, um meine Koffer zu packen.“ „Das geht auch schneller. Ich helfe dir beim Packen.“ Seto war wieder da. „Mokuba ist schon fleißig am packen. Gut, dass er noch nicht am schlafen war, sondern mit seiner PSP gespielt hat.“ „Dann bin ich mal weg.“, sagte mein Bruder und schon wieder hatte er sich erfolgreich verdrückt. „Mein Bruder ist ein Meister im Sich-erfolgreich-aus-der-Affäre-ziehen.“, meckerte ich genervt. „Ich habe noch ein paar große Koffer, wo du auch garantiert alles rein bekommst.“ „Du musst doch auch packen.“ „Aber nicht viel. Ich benötige nicht so viel Kram, wie du. Männer benötigen nie so viel Gepäck wie Frauen.“ „Frauen sind eben vorausschauend und haben zu jedem Anlass andere Sachen dabei. Und Sachen zum Wechseln, falls die anderen schmutzig sind.“, keifte ich zurück. „Frauen übertreiben einfach nur.“ „Frauen achten eben auf ihr Aussehen.“ „Frauen sind in dieser Hinsicht einfach nur nervig.“ „Sag' das noch mal, Spinner.“ „Frauen gleich nervig.“ „Männer gleich perverse Arschgeigen.“ „Frauen gleich Zimtzicken.“ „Geh' deine Sachen packen. Ich habe keine Lust mehr, diese Diskussion weiterzuführen.“ Um zwölf Uhr war ich dann endlich fertig mit packen. Da ich mich nicht recht entscheiden konnte, was ich nun mitnehmen sollte und was hier blieb, standen drei riesige Koffer an der Zimmertüre bereit. „Was willst du mit den drei Koffern? Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Wir werden für drei, vier Tage verreisen und nicht für ein Jahr!“, bemerkte Seto, der bereits im Bett lag und es sich bequem gemacht hatte. „Du bist noch auf?“ „Ich kann nicht schlafen, wenn du nicht neben mir liegst.“ „Dann wirst du wohl auf Entzug sein, wenn ich bei meiner Mutter wohne. Dann hol' dir anderen Beischlaf her.“ „Keine Frau kommt hier rein. Du warst, bist und bleibst die einzige Frau in meinem Schlafzimmer.“ „Noch keine andere war hier?“ „Stört dich das? Mein Schlafzimmer ist mein Heiligtum. Wer sich hier mit mir ein Bett teilt, der kann sich glücklich schätzen, weil ich nicht jede auf mein eigenes Zimmer mitnehme.“ Ich zog einen Pyjama an und legte mich neben ihn. „Ich hätte auch gut und gerne darauf verzichtet, mir mit dir ein Zimmer zu teilen. Und jetzt gute Nacht. Morgen wird ein verdammt harter Tag. Und hör' sofort auf, mich zu befummeln.“ Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht.“, kam es leise von ihm und schon war er eingeschlafen. Ich dagegen blieb noch eine Zeit lang wach, betrachtete das von der vielen Arbeit gezeichnete Gesicht des schlafenden Seto neben mir und dachte an das Duell gegen Yugi, was mich in weniger als zwölf Stunden erwartete, bis mir nach einiger Zeit ebenfalls die Augen zufielen. ~Am nächsten Tag~ Ich schlug meine Augen auf und atmete schnell ein und aus, als ich aus einem Traum aufwachte, der mir meine Kindheit wieder ins Gedächtnis rief. „Schlecht geträumt?“ Seto saß am nicht weit entfernten Schreibtisch und tippte auf den Tasten seines Computers herum, direkt neben dessen Bildschirm stand Setos Notebook. Er betrachtete beide Bildschirme, die vor ihm standen mit Genauigkeit und enormer Konzentration. Selbst als ich aus meinem Traum erwachte, sah er nicht zu mir auf, sondern beließ seinen Blick auf den Computern. „Kann man so sagen. Wie viel Uhr ist es?“ „Zwanzig vor zehn.“ Ich zog einen neu gekauften Morgenmantel über und verließ den Raum, um mir aus der Küche etwas zu essen zu holen. Auf dem Weg dorthin lief mir niemand über den Weg. Nicht, dass Seto seinen Angestellten, gar Untertanen, schon wieder frei gegeben hatte. Der wird noch unmenschlich - aus seiner Sicht der Dinge jedenfalls. In der Küche angekommen griff ich nach einem Teller und einem Messer und holte mir ein Glas Honig und eine Scheibe Brot aus dem Kühlschrank, schmierte den Honig darauf, stellte das Geschirr in die Spülmaschine und ging mit dem Brot im Mund wieder nach oben. „Machst du dir Sorgen um deine Firma?“, fragte ich während ich auf einem Bissen des Brotes herum kaute. Seine Blicke hafteten noch immer auf den Bildschirmen. Hinter ihm stehend legte ich meine Arme über seine Schultern. „Du solltest hier bleiben, wenn deine Abwesenheit schon jetzt Unbehagen in dir auslöst.“ „Es ist nicht wegen unserem Kurzurlaub. Wohl eher, weil man mir drohte, dass ich meine Firma verliere. Wie ich es in den letzten Stunden betrachte, hat die Kaiba Corp immer mehr Verluste zu verzeichnen. Das ist aber erst der Fall, nachdem deine Mutter anrief. Scheinbar wird jemand meine Firma aufkaufen wollen, wenn es soweit ist und du nicht zurückgehst.“ „Dann musst du etwas tun, damit das nicht passiert. Sonst gehe ich wirklich nach Hause zurück.“ „Hier ist dein zu Hause. Nicht bei dieser Frau, die dich jahrelang misshandelt hat.“ „Leider sieht das meine Rabenmutter etwas anders. Sie glaubt wohl immer noch dass ich mich wie damals so leicht unterbuttern und herumkommandieren lasse, aber da denkt sie falsch. Obwohl ich zugeben muss, dass ich in dieser Situation eher zurückgehen würde, als euch auf's Spiel zu setzen. Ich hänge viel zu sehr an euch allen.“ „Ich bin gerührt.“ „Och, man, Seto! Du machst es mir wirklich nicht leicht.“ „So bin ich nun mal. Und jetzt hör' endlich auf, die grauen Zellen in deinem Möchtegern-Strategen-Hirn zu überlasten, sonst kommt es gleich zum Systemabsturz und dein Kopf explodiert. Und ich darf die Schweinerei sauber machen lassen.“ Er lachte und konnte die letzten Wörter kaum aussprechen, so belustigt war er. >Seit wann kann der lachen?“ „Mach' dich nicht lustig über mich. Ich mache mir ernsthafte Sorgen.“ „Hab' ich verstanden. Trotzdem brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Niemand stellt sich mir ungestraft in den Weg.“ Inzwischen hatte ich mein Weißbrot mit Honig aufgegessen. „Du hast da übrigens noch Honig.“ Und schon fuhr er mit einem Finger über meine linke Wange und lutschte am Honig, der sich nun auf seinem Finger befand. „Hast du's bald? Einfach in meinem Gesicht herum hantieren....du hast vielleicht Nerven!“ „Na und? Machte nicht den Anschein, als ob du dem gegenüber abgeneigt wärst.“ „Lass' mich und konzentrier' dich auf deine Arbeit. Ich bin im Bad und komme vorerst nicht mehr wieder raus.“ „Ohne mich?“ „Ohne dich. Du bleibst hier sitzen und starrst auf deine Computer. Oder muss ich dich anketten?“ „Mit Plüschhandschellen?“ „Gleich hats du keinen Grund mehr zu lachen! Ich brech' dir nicht nur die Arme, sondern auch die Beine, wenn's sein muss! Mistkerl.“ „Jetzt spiel' doch mal mit und lass' nicht andauernd die Zicke raushängen!“ „Irgendwann lauf' ich wirklich noch Amok und stell' diesem Mistkerl kalt!“, murmelte ich. „Du und mich kalt stellen? Das will ich sehen.“ „Halt die Klappe. Ich bin im Bad. Und zwar ohne dich! Kapiert?“ „Ja ja. Schon kapiert. Jetzt geh' und nerv' mich nicht noch länger.“ „Ich und nerven, klaro, Dickschädel. Aber wenn ich ausziehen will, darf ich nicht, weil du es nicht erlaubst. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du dich damit abfinden musst, solange ich hier bleiben muss?“ Hinter mir warf ich die Badezimmertüre zu, weil ich keine Lust auf eine weitere Ausführung dieser Diskussion hatte. >Schließlich muss ich heute noch mal fertig werden – schon in zwei Stunden beginnt das Duell gegen Yugi.< Nach einer angenehmen Wechseldusche und weiteren zwanzig Minuten kam ich aus dem Bad, doch Seto war nicht mehr da, was mich sehr wunderte, da Computer und Laptop immer noch auf Hochtouren liefen. Ich warf einen Blick auf die Bildschirme. Von Minute zu Minute wurden die Umsätze geringer und die Verluste immer größer. >Seto will mich einfach nicht verstehen. Er soll nicht immer so stur sein, verdammt. Damit erreicht er nichts, außer das Gegenteil von dem, was er will.< Ich zog mich an und klemmte mir schon mal die Duel Disk an meinen linken Arm; mein Deck verstaute ich in der Tasche, die an einem Gurt an meinem rechten Oberschenkel befestigt war. „Willst du mich eifersüchtig machen oder warum brezelst du dich so auf?“ Seto war inzwischen, mit einer großen Tasse stark dampfenden Kaffee in der Hand, wieder in den Raum eingetreten und ließ sich nun, leise seufzend, auf seinem Schreibtischstuhl nieder. „Wow, der hat sich seinen Kaffee tatsächlich selbst geholt.“, murmelte ich, als ich mich von ihm abgewandt hatte und meinen Haarreifen richtete. Leider schien er das nicht überhört zu haben, wie ich es gehofft hatte und musste prompt wiedermal einen seiner eisigen Blicke einstecken. >Naja, macht nix. Feuer friert nicht ein. Eher schmelzt es das Eis.< „Wer weiß. Ich wüsste nicht, dass du mir vorschreiben dürftest, was ich anziehen darf und was nicht. Ich bin nicht deine Freundin oder so was in der Art. Fährst du zur Firma oder siehst du meinem Duell zu?“ „Liegt dir so viel daran, dass ich dir zusehe, wie du verlierst?“ „Ich werde nicht verlieren.“ „Und trotzdem willst, du, dass ich dabei sein soll? Soll ich dich etwa anfeuern?“ Errötet wandte ich mich von ihm ab. „Das habe ich nie behauptet. Mach' doch was du willst. Naja, ich werde mich jetzt langsam auf den Weg machen. Es dauert nicht mehr lange, bis ich Yugi gegenüberstehe. Fahr' du ruhig in deine Firma, ich lege keinen Wert darauf, dass du meinem Duell live zusiehst, bilde dir ja nichts ein. Ich rufe mir ein Taxi. Und damit basta. Ich will dir nicht noch mehr schuldig sein. Zumal ich es hasse, in anderer Leute Schuld zu stehen. Wir sehen uns irgendwann später.“ „Warte.“ Er hielt mich am Handgelenk fest – Folge war, das sich mich zu ihm umdrehte und er meinem linken Ohr näher kam. „Ich bin sicher, du schlägst ihn. Du schaffst das schon.“ Ich lächelte ihn an und mir entwich ein leises „Danke.“, worauf er meine Lippen mit einem Kuss versiegelte, den sich sogleich erwiderte. „Nach dem Duell kommen Mokuba und ich dich abholen.“ „O – okay.“ Und somit verließ ich die Kaiba-Villa und schlenderte bis zum Park, weil ich zu faul war, mir ein Taxi zu rufen. War ja nicht allzu weit. Bewegung täte mir mit Sicherheit gut. Kleine Aufwärmübung für's Duell. Plötzlich hörte ich jemanden hinter mir meinen Namen rufen. Erschrocken drehte ich mich um und Kaiba kam auf mich zu. „Du gehst also doch zu Fuß. Hier, du hast deinen Weißen Drachen auf dem Flur fallen lassen.“ „Danke. Die Mühe hättest du dir nicht machen brauchen. Aber jetzt muss ich weiter, ich will nicht zu spät kommen. Danke, dass du mir die Karte nachgebracht hast.“ „Ob du die jetzt hast oder nicht, spielt keine Rolle.“ „Bis nachher.“ „Wag' es nicht, zu verlieren. Du würdest dich blamieren und mich gleich dazu.“ „Ich bin seit über zwei Jahren ungeschlagen. Warum sollte ich mich heute besiegen lassen?“ „Vielleicht weil es wegen Yugi ist?“ „Yugi hat sich zurückgezogen.“ „Wie?“ „Vergiss' es. Erkläre ich dir nachher. Auf Wiedersehen.“, reif ich ihm lachend zu, während ich mich von ihm entfernte. ~Etwas später~ Ein Seufzer entfuhr mir, während ich mich dem Park näherte. Viele Menschen sahen aus den geöffneten Fenstern der Häuser, an denen ich vorbei kam und riefen meinen Namen, einige Kinder scharten sich um mich und wollten, wie der kleine Junge vom Vortag, Autogramme. „Ist es wahr, dass du dich mit Yugi Muto duellierst, Karasuma-san?“, fragte ein ganz kleiner Junge. „Ja, das ist es. Wenn ihr wollt, könnt ihr bei meinem Duell dabei sein. Aber dann müsst ihr euch beeilen, ich bin schon ziemlich spät dran. Ich habe nur noch wenige Minuten, bis unser Duell beginnt.“ Die Kinder folgten mir und ich ging in Richtung Treffpunkt. Es war der Platz, an dem Seto mich nach der Hetzjagd vor zwei Tagen eingeholt hatte, an der langen Treppe, direkt neben dem Fluss, wo mein Motorrad nach dem großen Stunt wegen leerem Tank vorübergehend stehen bleiben musste und kurz nachdem Seto und ich in die Stadt fuhren, auch abgeholt und wieder aufgetankt wurde. Die Kinder hinter mir blieben stehen, als ich Yugi mir gegenüber erblickte. Wir gingen aufeinander zu und schlugen die Hände ein. ~Das Duell~ „Möge der bessere Gewinnen. Viel Glück.“, sagte Yugi, ich nickte. „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich kein Glück brauche.“ Wir mischten das Deck unseres Gegners; ich seines und er meines – traten dann auf unsere Plätze und wir begannen mit einem Aufschrei das Duell. „Duell!“ „Ladies first. Ich ziehe!“ Ein Grinsen umspielte meine Lippen. „Ich rufe ich meine Priesterin der Lüfte im Verteidigungsmodus (ATK 400 / DEF 600). Außerdem spiele ich eine Karte verdeckt. Du bist dran.“ „Mein Zug. Ich spiele Ritter der Königin (ATK 1500 / DEF 1600). Los, Ritter der Königin, greif' ihre Priesterin an!“ „Jetzt, da meine Priesterin von dir vernichtet wurde, aktiviert sich ihre besondere Fähigkeit. Denn falls sie durch ein gegnerisches Monster zerstört wird, ist es mir gestattet, zwei Götter-Spielmarken im Verteidigungsmodus (ATK 500/ DEF 0) zu rufen.“ Yami grinste. „Nicht nur du darfst Monster rufen. Ich spiele Ritter des Königs (ATK 1600 / DEF 1400). Und da nun Ritter des Königs und Ritter der Königin auf dem Feld sind, gesellt sich Ritter des Buben (ATK 1900 / DEF 1000) dazu. Dann spiele ich noch eine Karte verdeckt. Das müsste für's erste genügen.“ Ich zog eine Karte, aktivierte den Topf der Gier und zog zwei weitere. „Glaub' mir, ich weiß genau, was du vor hast. Als nächstes willst du eine Gottheit rufen, um mich einfach und schnell fertig zu machen. Aber leider wird daraus nichts. Ich sage es dir jetzt schon.“ „Und wenn es so wäre? Wenn ich wirklich einen der drei Götter rufe?“ „Dann wirst du ihn verlieren, wie alle anderen Götterkarten. Ich rufe Priesterin des Erdgottes im Verteidigungsmodus (ATK 600 / DEF 400).“ „Was setzt du nur so schwächliche Monster ein? Ich dachte, das hier wäre ein Duell.“ „Was ihre Punkte angeht, ist sie ziemlich schwach, das gebe ich zu. Aber dafür hat die eine ganz besondere Fähigkeit. Habe ich zwei Götter-Spielmarken auf dem Feld, kann ich aus meinem Deck direkt die Priesterin des Feuers (ATK 800 / DEF 200) und die Priesterin des Wassers (ATK 500 / DEF 500) auf mein Feld holen. Außerdem setze ich noch drei verdeckte Karten. Du bist dran.“ >Er zieht eine Gottheit. Ganz sicher.< Yami grinste siegessicher und zog eine Karte. „Sorry dich und deine Euphorie unterbrechen zu müssen, aber hier kommt meine Fallenkarte! Gleichzeitiger Verlust, die meine und deine oberste Karte des Decks auf den Friedhof schickt. Außerdem verlierst du die Karte, die du gerade gezogen hast, wenn ich nun 200 Lebenspunkte aufgebe, weil das der Effekt meiner zerstörten Karte war!“ Sein Gesichtszug hatte sich nicht im geringsten verändert, bis er zu lachen begann. „Schade für dich. Leider habe ich ihn schon lange auf der Hand. Ich opfere Ritter des Königs, des Buben und der Königin und beschwöre Slifer den Himmelsdrachen. Komm' und zeig' dich!“ >Soll er mich doch mit seinem Gott angreifen! Er wird schnurstracks in meine Falle laufen. Wenn er mich angreift, kann ich meine Falle Schild der Götter aktivieren, die seinen Angriff sofort abblockt und mir meine Priesterin der Luft von meinem Friedhof direkt in mein Blatt schickt. Ich muss zwar 800 Punkte aufgeben, aber das ist es mir wert. Meine Göttinnen sind stärker als seine Urzeit-Haustiere!< „Leider kann ich dich nicht im selben Zug angreifen, wenn ich ihn gerufen habe. Aber eine verdeckte Karte setze ich trotzdem noch.“ „Mein Zug!“ >Er verschafft mir unabsichtlich Zeit! Was für ein Glück für mich.< „Ich spiele eine weitere Priesterin der Lüfte (ATK 400 / DEF 600) und aktiviere Fusion! Jetzt verschmelze meine vier Priesterinnen, damit ich meine Heilige Beschützerin der vier Elementare (ATK 2800 / DEF 2100) rufen kann. Außerdem rüste ich sie mit der Zauberkarte Flügel der Seraphim aus, was ihr weitere 800 Angriffspunkte verleiht. Heilige der Elementare, setze deine besondere Fähigkeit ein und vernichte seinen ägyptischen Gott!“ „Was?“ Ich grinste. „Tja, meine Heilige Beschützerin kann jedes Monster auf dem Feld meines Gegners, das 3000 oder mehr Angriffspunkte hat, auf der Stelle vernichten. Sag adieu zu deinem Slifer!“ Slifer, der Himmelsdrache wurde vernichtet. „Was grinst du so überlegen?“ „Ich bin überrascht. Damit habe ich nicht gerechnet. Aber glaube mir, du wirst nicht nur ihn wiedersehen, sondern auch meine beiden anderen Götterkarten – Geflügelter Drache des Ra und Obelisk den Peiniger! Also freu' dich nicht zu früh!“ „Du solltest dich auf einen harten Schlag in die Magengegend gefasst machen, anstatt große Töne zu spucken. Ich werde nicht zimperlich dir gegenüber sein, verlass' dich drauf! Heilige Beschützerin der vier Elementare, greif' ihn direkt an!“ Yamis Lebenspunkte gingen mit einem Schlag von 4000 auf 400 runter. Ich heute ein leises Keuchen von ihm. „Nicht schlecht, nicht schlecht. Aber das wird das erste und letzte Mal sein, dass du meinen Lebenspunkten schadest.“ „Sicher?“ Ich beendete meinen Zug. ~Einige Zeit später~ Meine Lebenspunkte hatten ebenfalls einiges abbekommen. Ich hatte noch 1400, um genau zu sein. Yami noch 200. Meine Heilige Beschützerin hatte er vernichtet und nun stand ich Obelisk dem Peiniger gegenüber. Auf meinem Feld befanden sich wieder zwei Götter-Spielmarken, eine Ritterin aus dem Feuerschlund (ATK 1500 / DEF 1200) und eine Kriegerin des Wassers (ATK 1200 / DEF 1600). Ich war am Zug. „Ich ziehe!“ >Verdammt. Ich habe keinerlei Möglichkeit, meine ultimative Waffe zu rufen, mit der ich das Duell schnell und einfach gewinnen könnte. Meinen weißen Drachen habe ich auf der Hand, aber mir fehlt Paladinin des Lichts!< Doch zwei Züge später hatte ich auch diese auf dem Feld und sie mit meinem Weiißen Drachen verschmolzen und mir stand die letzte und mächtigste Gottheit gegenüber: Der geflügelte Drache des Ra. „Wenn ich dieses Duell schon nicht mit bloßem Willen gewinnen kann, dann werde ich eben auf mein Glück setzen und mir so den Sieg holen! Ich aktiviere meine Falle: Letzter Spielzug. Nach dieser Runde ist dieses Duell vorbei!“ „Was...“ Damit hatte Yami wohl nicht gerechnet. „Beide Monster werden sich nun gleichzeitig attackieren, aber am Ende bleibt auf dem Feld. Der Besitzer dieses Monsters gewinnt das Duell.“ Nachdem sich der aufgewirbelte Staub gelegt hatte, der durch den Aufprall der Attacken aufgewirbelt wurde, war nun nur noch Ra auf dem Feld. „Ich würde sagen, das ich gewonnen habe.“ Meine Lebenspunkte fielen auf Null, ich hatte gegen ihn verloren. „Gut gespielt.“ Yami kam auf mich zu und reichte mir die Hand. „Du auch. Danke für das tolle Duell.“ Ein Klatschen kam von der Menschenmenge, die sich um uns versammelt hatten. „Hey Joey!“ Ein blonder Junge kam auf uns zu. „Hi Yugi. Klasse Duell. Hi Kyoko.“ „Hallo.“, kam es kurz von mir. „Willst du dich auch noch mit mir messen?“, scherzte ich. Joey lachte. „Später vielleicht.“ Ja, mittlerweile verstanden auch wir uns prima. Ich hörte einen Hubschrauber am hellblauen Himmel und unzählige, starke Windböen fegten über den Platz. „Du hast noch anderweitig zu tun, was?“, fragte Yami. „Kann man so sagen. Danke nochmal für das Duell.“ „Für dich immer wieder gern.“, antwortete er und lächelte. Da fiel mir wieder die 'Abfuhr' ein, die ich ihm erteilt hatte. Mein Blick erfüllte sich mit Trauer. Er tat mir Leid. Ich hatte Mist gebaut. Gewaltigen Mist. Das mir das immer erst Ewigkeiten später einfällt! Scheiße! Neben mir wurde eine Leiter herunter gelassen, auf der Seto stand. „Wie ich es erwartet habe. Gewonnen hast du wirklich nicht.“ „Sie hat ihre Sache gut gemacht. Immerhin endete es nur knapp für mich...“ „..., so, wie es bei dir und Yugi nie war.“, beendete ich Yugis Satz. „Dafür verlierst du gegen mich haushoch. Können wir?“, fragte Seto. Ich wandte mich Yami zu. „Ich werde für ein paar Tage verreisen.“ „Ist was passiert? Es sind doch weder Ferien, noch wurdest du beurlaubt?!“ „Ich habe zur Zeit ein paar Probleme mit meiner Mutter. Vielleicht habe ich so die Chance, etwas zu entspannen und den Streit mit meiner Mutter mal zu vernachlässigen oder am besten gleich zu schlichten, der uns schon seit Jahren in Zwiespalt lässt.“ „Können wir?“, fragte Seto nachdrücklich. „Ja, sofort.“ Ich drehte mich Yami zu. „Mach's gut. Und pass' auf dich auf.“ „Wie meinst du das, Kyoko?“ „Es wäre besser, wenn du nicht jedes Detail weißt, Yugi. Wenn etwas sein sollte, du hast meine Nummer.“ „O – okay.“, antwortete Yami etwas überrumpelt. Seto wandte sich der Leiter zu. „Wir müssen los, Kyoko.“ „Ja, wir können sofort los. Ich will mich nur noch von Yugi verabschieden.“ Ich umarmte ihn zum Abschied. „Bis die Tage.“ „Bis dann.“ „Wiedersehen, Joey.“ „Bye.“ Kaum hatte ich mich zu Seto umgedreht, hatte er mich schon auf seine Arme gehoben und sich auf die Leiter gestellt, beide Füße auf verschiedenen Stufen, eine Hand an meiner Seite und die andere an einer anderen Stufe der Leiter. „Festhalten.“ „Was...“ Und schon fing ich zu kreischen an, als sich der Helikopter in Bewegung setzte. „So hat man eine viel bessere Aussicht über die Stadt, findest du nicht?“ „Ich will es nicht wissen!“ „Höhenangst?“, fragte Seto schief grinsend, ich nickte kaum. „Denk' nicht dran, denk' lieber hier dran.“ Sanft legte er seine Lippen auf die meinen. Ich zitterte am ganzen Körper. Nicht, weil wir uns küssten, wohl eher, weil ich Angst vor der Höhe hatte. Mein Leben lag nun in seinen Händen. >Soll ich mich jetzt wohl fühlen, dass ich so nah bei ihm bin oder soll ich mich fürchten, dass ich im nächsten Moment drauf gehen könnte?< ~Ende des ersten Teils~ Kapitel 12: Mysteries and Miseries (II) --------------------------------------- Kapitel 12: Mysteries and Miseries – Part 2 Ich zitterte am ganzen Körper. Nicht, weil wir uns küssten, wohl eher, weil ich Angst vor der Höhe hatte. Mein Leben lag nun in seinen Händen. >Soll ich mich jetzt wohl fühlen, dass ich so nah bei ihm bin oder soll ich mich fürchten, dass ich im nächsten Moment drauf gehen könnte?< „Du solltest nach oben klettern. Ich will schließlich nicht, dass du dich fallen lässt.“ „Ich lasse mich ganz bestimmt nicht fallen! Aber hochklettern werde ich auch nicht!“ Den Setz 'Ich habe viel zu viel Angst davor.' ließ ich bewusst weg. Er würde sich bestimmt später darüber lustig machen. „Mach' schon. Wenn du fällst, fang' ich dich auf.“ „Und stürzt mit mir in den Tod. Na toll. Danke für die versuchte Aufmunterung. Lieber sterb' ich allein als mit dir.“ „Wir und in den Tod stürzen. Solange ich dich festhalte, kannst du gar nicht abstürzen. Und jetzt hör' auf zu zappeln, sonst fällst du wirklich noch.“ Ich legte meine Arme um Setos Nacken und kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, nicht zu fallen und gleichzeitig, dass der Trip gleich zu Ende sei. „Du stellst dich aber auch nie deinen Problemen.“ Seto schüttelte den Kopf. „Was weißt du denn schon...Ich habe allen Grund dazu, vor meinen Problemen davonzulaufen.“ „Du wirst nie ein schönes Leben leben können, wenn du dich immer mit Problemen belastest, die du nicht lösen willst. Irgendwann wirst du daran zu Grunde gehen.“ „Das kannst du doch nicht beurteilen!“ „Und ob ich das kann. Glaub' mir, ich weiß, was gut für dich ist und was nicht.“ „Woher willst du das wissen? Hast du wieder mit meiner Mutter gesprochen oder meinen Bruder nach mir ausgefragt? Ich bin dir doch völlig egal, das einzige, was du haben willst, ist deine Abwechslung im Schlafzimmer!“ „Hm.“ „Hab' ich's doch gewusst.“ „Dich kann man nicht überzeugen, oder?“ „Du redest sowieso immer das selbe. Immer den selben Scheiß.“ Was ich nicht merkte, war, dass die Leiter hochgezogen wurde und kurze Zeit später saß ich zwischen den beiden Brüdern im Helikopter. „Wo ist Jun?“, fragte ich Mokuba nach mehreren Minuten der Stille. Setos Finger rasten über sein Notebook, das auf seinen Oberschenkeln lag. „Noch in der Firma.“, antwortete Mokuba kurz. „Und warum ist er dann mitgekommen? Warum sind er und mein Bruder nicht zusammen gekommen?“ „Weil ich heute zu Hause gearbeitet habe. Sonst noch Fragen?“ „Mit dir rede ich nicht, Nervtöter. Ich habe mit Mokuba gesprochen. Konzentriere dich gefälligst darauf, deine beschissene Firma zu retten, anstatt unser Gespräch zu belauschen.“ „Jetzt streitet euch nicht.“, meinte Mokuba leise. „Wir streiten nicht!“, riefen Seto und ich gleichzeitig. „Oh man. Wie ein altes Ehepaar...“, flüsterte Mokuba, was er jedoch kurz darauf bereute. „Waaaaaas? Ich und der ein Ehepaar? Eher springe ich ohne Fallschirm aus einem Flugzeug als den zu heiraten!“, schrie ich Mokuba an. Beleidigt verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Und du hörst endlich auf zu lachen, Seto!“ „Mit dir verheiratet zu sein wäre bestimmt lustig. Immer gibt es was zu lachen.“ „Noch so'n Spruch – Kieferbruch!“ Ich kochte vor Wut. >Arschloch. Und ausgerechnet mit dem verreise ich. Mein Bruder tut alles, was er sagt und ist Seto gegenüber total unterwürfig. Und Mokuba versucht andauernd, Seto und mich zu verkuppeln. Hilfe!!!< „Das war doch nur Spaß, Kyo-chan!“ „Das ist absolut kein Spaß, klar?!“ „Jetzt reg' dich ab. Nur, weil du so empfindlich bist, gehst du wegen so einer Kleinigkeit an die Decke.“ „Kleinigkeit? Kleinigkeit? Ich glaub ich hör' nicht richtig! Du Spinner! Vollidiot!“ „Zicke.“ „Arschgesicht.“ „Kyo-chan...“ „Ich bin nicht Kyo-chan, klar? Und jetzt haltet die Klappe, alle beide.“ „Jetzt reicht es! Hör' auf, meinen Bruder anzuschreien!“, brüllte Seto. „Dann lass' deine Sprüche sein und bring' mich nicht andauernd zur Weißglut! Du weißt doch ganz genau, wie allergisch ich darauf reagiere!“ „Ist schon gut, Seto. Sie hat Recht. Du solltest aufhören, sie unnötig zu reizen.“ „Unnötig?“ In seiner Stimme lag eine gewaltige Ladung Spott. „Schluss jetzt.“ „Knick' nicht ein. Diese Diskussion hätte so schön werden können.“ Seto versuchte mich noch mehr zu provozieren. „Mokuba, der fängt schon wieder an!“ „Kyoko~“ „Lalala, ich hör' dir nicht zu, Seto, bla bla bla.“ Plötzlich schoss mir dieser Gedanke durch den Kopf. Der Grund, warum ich in diesem Moment in einem Hubschrauber in luftiger Höhe saß. Ich starrte traurig und wütend zugleich auf meine Knie und ballte meine Hände zu Fäusten. „Wohin fliegen wir?“ „Weit weg, um Abstand nehmen zu können.“ Eine Träne bahnte sich ihren Weg über meine rechte Wange. Hoffentlich passiert Yugi, seinem Großvater und Yami und den anderen nichts. Nur wegen mir. Ich war doch an allem Schuld. „Verdammt.“, flüsterte ich. „Was ist jetzt schon wieder?“ „Halt endlich dein verdammtes Maul!“ „Red nicht in so einem Ton...“ Mokuba unterbrach jedoch seinen großen Bruder und versuchte mich irgendwie aufzuheitern, was ihm aber nicht sonderlich gelang. Im Gegenteil. „In was habe ich uns da wieder rein geritten? Wenn euch was passiert, dann bin ich allein daran Schuld. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn euch meinetwegen etwas zustößt.“ Setos Blick verfinsterte sich. „Fängst du schon wieder damit an. Ich habe dir bereits gesagt, dass dir nichts passiert. Du bist bei mir in Sicherheit.“ „Du liebst sie also wirklich, Seto?“, fragte Mokuba plötzlich. Ich erstarrte, als ich über Mokubas Worte nachdachte und sah zu Seto. Auch er war über diese Worte mehr als schockiert. „Du willst sie beschützen, weil du sie über alles liebst, nicht wahr, großer Bruder?“ „Ich –“ „Naja, ich dachte, nachdem ihr miteinander geschlafen habt, wärt ihr nun ein Paar.“ „Du – du weißt davon?“, fragte ich sichtlich entsetzt. Ich merkte, wie sich auf Mokubas Wangen mehr als nur ein leichter roter Schleier legte. Er glühte geradezu. „Naja, als ich mitten in der Nacht nicht schlafen konnte, da habe ich mir gedacht, ich gehe zu Seto ins Bett, aber da habe ich euch beide zusammen nebeneinander liegen sehen. Eure Sachen waren auf dem Boden verstreut, ihr wart nackt und ihr lagt so unbekümmert in einem Bett, in Setos Bett, in dem sonst noch keine Frau schlafen durfte. Und dann habe ich eins und eins zusammengezählt und mich wieder in mein Zimmer verdrückt.“ Sowohl Seto, als auch ich gewannen an Schamesröte. „Also, naja,...ich glaube, Seto hat nichts empfunden, als wir...“, begann ich zu erklären. „Dabei dachte ich, dass Seto und du zusammen wärt, euch verloben und vielleicht heiraten würdet und in geraumer Zeit eure Kinder kommen...“ „Du hast schon alles geplant? Das Verkuppeln war also wirklich alles Strategie?“ „Naja, ich wollte, dass Seto endlich die Frau für's Leben findet und dass er endlich mal glücklich wird.“ „Mokuba, ich habe dir doch schon tausende Male erklärt, dass du dich nicht in mein Liebesleben einmischen sollst. Die Frau für mich kann ich auch selber finden. Sie wäre sowieso nicht mein Typ. Und das weiß sie auch. Mehr als Sticheleien ist das nicht. Ich empfinde nichts für sie. Während unserer gemeinsamen Nacht habe ich auch nicht das geringste gefühlt. Das einzige, was ich für sie empfinde, ist höchstens eine Art Bekanntschaft, wie man es normalerweise nennt, weiter nichts. Im Grunde habe ich das alles nur getan, um dich, Kyoko, an mich zu binden, weil Mokuba so an dir hängt. Du warst wie eine große Schwester zu ihm. Da ich ihn am allerwenigsten verletzten wollte, dachte ich, dass du dich mir schon hingeben würdest, wenn ich nur genug Nachdruck verleihe und ich dich da hatte, wo ich dich haben wollte.“ Mein Herz fühlte sich an, als würde es zerreißen. Es fühlte sich an, als würde es zerbrechen. Ein tiefer, stechender Schmerz. Alle Hoffnung, wir könnten uns doch noch irgendwann richtig verstehen, war also umsonst. >Er liebt mich also nicht. Er hat nur mit meinen Gefühlen gespielt, mich verführt und nun lässt er mich eiskalt fallen. Er verlässt mich wirklich, weil er nun bekommen hat, was er wollte. Ich habe es geahnt, aber trotzdem...ich fühle mich, als wäre ich der letzte Dreck.< Wäre es möglich gewesen, wäre ich so weit wie möglich weggerannt. Tränen fluteten meine Augen. „Kyoko...“, flüsterte Mokuba. „Wie ich es mir dachte! Du bist wirklich ein Arschloch! Trittst auf meinen Gefühlen herum, obwohl du ganz genau weißt, wie ich empfinde! Du bist ein eiskaltes, gefühlloses, abartiges, widerwertiges Arschloch!“, schrie ich und konnte kaum noch reden, so sehr weinte ich. „Du hast mir nie gezeigt, was du wirklich fühlst! Immer abgeblockt, mir gezeigt, wie sehr du mich hasst, dein Liebesgeständnis als Ausrutscher widerrufen. Und jetzt tust du so, als ob ich hier der Schuldige wäre?“ Er packte mich am Arm und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. „Seto, hör' auf damit! Du tust ihr weh!“ „Du bist doch an allem Schuld! Spiel' hier bloß nicht das Unschuldslamm!“, fuhr mich Seto aggessiv an und verstärkte seinen Griff. „Seto...ich will dich nur noch einmal spüren lassen, was ich für dich empfinde. Und dann werde ich gehen. Jetzt, wo ich weiß, dass du mich nun hasst.“ Ein letztes Mal legte ich meine Lippen auf die seinen. Indes landeten wir auf einem Privatflugplatz, wo ein Privatjet und mein Bruder bereits auf uns warteten. „Ich habe dich geliebt. Jetzt weißt du es. Dann werde ich mal unsere gemeinsame Reise kurzfristig abbrechen. Von mir aus könnt ihr ohne mich verreisen. Ich, für meinen Teil, werde mich mal wieder meiner Mutter unterwerfen müssen. Ein schönes Leben noch, Abschaum von Seto.“ „Nein, Kyo-chan, bitte komm' mit! Bitte! Ich habe mich so darauf gefreut! Außerdem wissen alle, dass du verreist und dir wird eine kleine Auszeit bestimmt gut tun, nach dem Stress mit deiner Mutter.“ „Ich halte es nicht für gut, mitzukommen, Mokuba. Vor allem wegen Seto. Ich will ihm nicht unnötig zur Last fallen und ihm wegen dem Korb nur noch Probleme machen.“ „Du kommst mit. Ob du willst oder nicht. Und mach' dir über die Abfuhr keine Sorgen. Kannst es ja nach dem Urlaub nochmal versuchen.“ Mit diesen Worten stieg Seto aus dem Hubschrauber und in das Privatjet. >Hast du 'nen Knall? Woher der Sinneswandel? Erst mich anfahren, jetzt wollen, dass ich mit ihm und seinem kleinen Bruder Urlaub mache?! Ehm... Entschuldigung, geht’s noch? Nicht nur, dass er einfach über meinen Kopf entscheidet. „Aber...“ „Ich sagte, du kommst mit. Und dabei bleibt es. Nur wegen dir und deinen Gefühlsausbrüchen. Wir warten auf dich.“ >Was soll ich nur von dir denken, Seto? Erteilst mir eine Abfuhr und plapperst dann irgendwas von 'Versuch's doch nach dem Urlaub nochmal!' Aus dir wird man wirklich nicht schlau.< Mit gesenktem Haupt stieg ich ins Privatjet um, auf dessen Seiten ein riesiges Logo der Kaiba Corporation zu sehen war. „Ich werde versuchen etwas zu schlafen. Dann habt ihr eure Ruhe und ich kann meine Flugangst vergessen.“ Schnell verschwand ich in einer kleineren, aber dennoch platzsparend, sehr vornehm und stilvoll eingerichteten Schlafkabine mit einem Doppelbett und einigen Wandschränken. Das Holz der Möbel war dunkel gehalten, die Innenausstattung belief sich auf Blau- und Weiß- bis Grautöne. Mit dem Rücken zuerst ließ ich mich auf das Doppelbett fallen. Blitzartig kamen die Erinnerungen an die gemeinsame Nacht mit Seto zurück. >Ich muss ihn vergessen! Hör' sofort an ihn zu denken, der Kerl will nur mit dir und deinen Gefühlen spielen! Schluss jetzt!< „Kyo-chan?“ Erschrocken weitete ich die Augen. „Was ist, Mokuba?“, fuhr ich ihn ein wenig genervt an, was ihn sofort traurig machte. „Dann geh' ich eben wieder.“ „Nein, bleib' hier. Was möchtest du von mir?“ „Ich wollte nur fragen, ob ich dir ein wenig Gesellschaft leisten dürfte. Seto arbeitet die ganze Zeit und versucht die Verluste der Firma irgendwie aufzuhalten.“ „Naürlich. Komm' her.“ Freudig warf sich Mokuba neben mir auf das Bett. Wir starrten beide an die Decke. „Tut mir Leid, das mit mir und deinem Bruder. Läuft wohl nicht so ganz, wie du es dir erhofft hattest.“ „Du trägst keine Schuld, Kyo-chan. Mein Bruder hängt trotzdem sehr an dir, er will es nur nicht zugeben.“ „Danke, Mokuba.“ Er lächelte und schloss die Augen. „Warum hast du nicht gesagt, dass du Riiko-chan bist?“ „Ich hatte Angst davor. Angst, euch zu verletzten, Angst davor, von anderen verletzt zu werden.“ „Hm.“ Einige Minuten schwiegen wir vor uns hin, bis der kleine vom Bett aufsprang und eilig aus dem Zimmer verschwand; kurze Zeit später kam er zurück und war voll gepackt mit Konsolen und Spielen. „Hast du Lust, mit mir Playstation zu spielen? Ich habe ein paar ganz neue Spiele bekommen, die noch nirgendwo auf der Welt erschienen sind. Praktisch sind wir die ersten, die sie Spielen. Oder lieber Nintendo DS? Oder willst du lieber mit Wii oder X Box 360 was machen?“ „Nicht so schnell, nicht so schnell. Ich habe kaum Ahnung von Konsolen. Daher überlasse ich dir die Wahl.“ „Dann spielen wir jede Konsole mal und mehrere Spiele. Ich hab' hier ein paar ganz tolle.“ Wo mein Bruder zu dieser Zeit war, wusste ich nicht. Fest stand aber, dass wir kurz nach meine Betreten des Jets abflogen und ich versuchte, meine Flugangst zu unterdrücken. Mokuba reichte mir einen Kontroler von seiner Playstation. „Versuch's auch mal. Du müsstest keine Probleme haben. Ist ganz leicht.“ „Ehm...wie?“ Mokuba seufzte, erklärte mir dann ein zweites Mal, welche Tasten für welche Aktion gut waren, da ich beim ersten Mal nicht zugehört hatte. Wir spielten ein paar Spiele auf verschiedenen Konsolen, bis uns langweilig wurde. Mokuba stand vom Boden auf, auf dem er kurz zuvor noch gehockt hatte und streckte sich, sodass die müde gewordenen Muskeln wieder zu arbeiten begannen. „Ich werde mal zu Seto gehen und ihn fragen, was die Firma so macht und wann wir landen.“ Zu seiner Bestätigung antwortete ich bloß mit einem leichten Nicken, worauf er aus dem Zimmer verschwand. >Ich gehe mir mal was zu Trinken holen. Vielleicht haben die hier auch eine Schmerztablette an Bord.<, dachte ich und versuchte, meine Kopfschmerzen vom vielen Spielen zu verdrängen. Langsam stand ich vom Bett auf und setzte die Füße auf den Flokati, der das Bett einrahmte. Mit leichten Gleichgewichtsstörungen taumelte ich in Richtung Zimmertüre, öffnete diese und lehnte mich an den Türrahmen. „Haben wir eine Kopfschmerztabletten oder auch zwei an Bord?“ Mokuba, der wie gebannt neben seinem großen Bruder saß, Seto selbst, der noch immer wie blöde auf dem Laptop herumhämmerte, und sogar mein Bruder Jun, den ich endlich mal wieder sah, saßen in einer Art Wohnbereich, direkt neben dem Schlafzimmer – alle hochkonzentriert. „Kriege ich mal eine Antwort?“ „Was willst du jetzt schon wieder von mir?“, fragte Seto entnervt. „Von dir will ich gar nichts. Ich will ein oder zwei Aspirin. Das ist alles.“ „Habe ich schon aufgebraucht, als ich versucht habe, die Migräne nach deinen Gefühlsausbrüchen loszuwerden.“ „Na danke. Hab' ich jetzt auch verstanden.“ Ich ließ mich außerhalb der Blickfelder der Kaiba-Brüder neben Jun nieder, der aus dem Fenster starrte. „Hey großer Bruder.“ „Hey Kleine.“ Ich lehnte mich an seine Schulter. „Was ist los? Bedrückt dich etwas?“ „Nein, überhaupt nicht.“ „Nun sag' schon.“ Ich begann zu zittern. „Ich habe Angst. Vor meiner Mutter. Sie wird uns zur Hölle schicken, wenn sie 'raus bekommt, dass wir abgehauen sind. Seto wird die Kaiba Corporation verlieren. Der einzige, der dann Schuld hat, dass es allen beschissen geht, werde ich sein. Ist das was neues?“ „Mach' dir darüber keinen Kopf. Er schafft das schon. Du kennst ihn doch. Niemand nimmt es ungestraft mit ihm auf.“ Langsam fielen mir die Augen zu... ~*~ Plötzlich war ein unnormaler Knall zu hören und die Türe zum Cockpit flog auf. >Irgendwas stimmt da nicht.< Verschreckt stand ich auf und drehte mich um. Auch Seto sah auf und hörte auf, auf den Tasten seines Laptops zu tippen. „Ah, Karasuma-san. Schön, Sie endlich persönlich kennenzulernen.“ „Wer sind Sie? Was wollen Sie?“, rief ich. Jun ergriff mein Handgelenk. „Eine Waffe! Seto, der Mann hat eine Waffe!“, schrie Mokuba. Ehe ich mich versah, wurde ich unsaft von meinem Bruder entfernt, in die Mangel genommen und die Mündung einer Pistole lag auf meiner Schläfe. Mit Mokuba passierte das selbe, wie mir, nur, dass er am anderen Ende des Raumes stand und er scheinbar viel mehr Angst hatte, als ich. Und das wollte was heißen. Ich war schon zittrig und hatte Angst. Aber weniger vor diesen Kerlen oder der Tatsache, dass ich in Lebensgefahr schwebte. Noch mehr, als die anderen. Nein, ich hatte Angst davor, dass sie den Kaibas oder Jun etwas antaten. Äußerlich versuchte ich möglich ruhig zu bleiben, doch innerlich war ich in Panik. Seto schien es zu bemerken – seine Augen sahen direkt in meine, was in mir ein heftiges Unbehagen auslöste. „Mokuba, beruhige dich!“, sagte ich und sah zu dem kleinen, der um sich schlug und versuchte, sich zu befreien. „Was wollen Sie von uns? Lassen Sie sofort die beiden gehen!“, brüllte Jun. „Was wir wollen? Soll das ein Witz sein? Wir wollen die Kleine hier.“ Mir entwich ein gequält klingendes Geräusch, als der Mann hinter mir seine rechte um meinen Hals legte. Ein Schauer nach dem anderen lief mir über den Rücken. „Kyo-chan...“ „Mokuba. Bleib' ganz ruhig. Ich sorge dafür, dass dir nichts passieren wird. Mach' dir keine Sorgen! Hab' keine Angst! Wir schaffen das!“ „Bist du dir da ganz sicher, Kyo-chan?“, fragte der Mann hinter mir gehässig und begann zu lachen. „Machen Sie ihren Mund zu, Sie stinken vielleicht...“ „Kyoko! Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für solche Sprüche.“ „Da muss ihm Recht geben. An deiner Stelle wäre ich nicht so vorlaut, Mädchen.“ „Sie können mich mal. Ich werde tun und lassen, was ich will.“ „Auch, wenn es um das Leben der anderen hier geht? Wärst du in der Lage, sie einfach zu opfern?“ Verdammt. Der Dreckskerl hatte mich. Nein, keine hundert Pferde würden mich dazu bringen, die anderen im Stich zu lassen. Niemals. Auch wenn ich selbst draufgehe, ich bringe die anderen hier raus. Und zwar heil und lebendig. Seto starrte mich noch immer an. Sein Pokerface hatte sich nicht im geringsten geändert. Und doch hatte ich den Eindruck, als würde er in seinem Inneren so wütend sein, wie ich es noch nie bei ihm erlebt hatte. Ich bohrte meine künstlichen Fingernägel in die Unterarme des Mannes hinter mir. >Hoffentlich verliert er nicht die Fassung. Einen total ausflippenden Seto Kaiba wäre hier alles andere als brauchbar...< „Dieser Plan ist einfach nur aus der Luft gegriffen. Hätten Sie mehr Eier in der Hose und mehr Grips im Hirn, dann würden Sie sich nicht hinter Ihren Geiseln verstecken und kämpfen, wie wahre Männer. Geben Sie's doch zu. Sie sind unfähig, uns auszuschalten. Und erst recht nicht in der Lage, mich hier unbeschadet rauszuholen und zu der Frau zu bringen, die sich selbst meine Mutter nennt.“ „Du hast eine ganz schön große Klappe. Findest du nicht, dass das in der jetzigen Situation nicht fatal für dich und deine kleine 'Familie' wäre?“ Er begrapschte mich an meinen Brüsten. „Nehmen Sie ihre dreckigen Pfoten von mir! Und sagen Sie ihrem Kumpanen, dass er Mokuba gehen lassen soll. Sonst werde ich ungemütlich.“ „Du und ungemütlich werden?“ „Schluss jetzt! Lass' dich nicht auf ihre Spielchen ein!“, forderte der zweite der beiden Männer. „Was wollen Sie denn? Sind Sie etwa eifersüchtig, dass der hier mich anfassen kann und nicht Sie? Dann kommen Sie her und holen Sie sich das, was Sie wollen. Ich weiß doch genau, was ich für eine Rolle in ihrem kleinen Spielchen spiele. Ihr wollt doch sicher ein paar Runden mit mir durchgehen, was?“ „Du bist ja gar nicht so naiv, wie du aussiehst.“ „Kyoko, langsam ist es genug...“ Von Juns Kommentar ließ ich mich in keinster Weise beeindrucken. Seto drehte sich leicht zu seinem Bruder um. Endlich hatte er sich von mir abgewendet. Diesen Blick, den er drauf hatte...er machte mich verrückt! Dieser Blick war so furchteinflößend und hasserfüllt. Ich war mir nicht mehr sicher, wie lange ich es noch so aushielt, bis ich die Nerven verlieren und alles radikal zerschmettern würde. Ich hatte gerade noch so die Kerle ein wenig ins Wanken bringen können. „Mokuba...“, flüsterte er. „Seto... Sie sollen aufhören!“, rief Mokuba und schluchzte. „Weißt du was, Karasuma? Deine Mutter brennt schon darauf, dich endlich wiederzusehen.“ „Diese Frau, die Sie meine Mutter nennen, war nie meine Mutter und wird auch nie wie eine sein. Diese Frau hat sich und ihren Kummer im Alkohol und in ihrer Raucherei ertränkt. Selbst schuld, wenn sie mein Vater verlassen hat.“ „Noch ein Wort und ich jage einem deiner Freunde eine Kugel in den Kopf. Warte mal, wie wäre es mit dem netten Seto Kaiba da drüben? Es wird bestimmt Spaß machen, ihn aus dem Weg zu räumen.“ „Lassen Sie ja die Finger von ihm!“, kam es von Mokuba und mir gleichzeitig. Seto weitete die Augen. Hatte er tatsächlich geglaubt, ich ließe zu, dass sie ihn eiskalt umbringen? „Niemals werde ich zulassen, dass ihm etwas passiert! Mag er noch so eiskalt und arrogant sein! Sie werden ihn und unsere beiden Brüder gefälligst in Ruhe lassen! Verdammt nochmal!“ Er wandte sich wieder mir zu. Wieder diese Gefühle. Hass, Verzweiflung, Wut. Bald würde ich wirklich die Nerven verlieren. „Wenn Sie ihm etwas tun, dann...“ „Oder deinem großen Bruder. Dein letzter Halt. Deine Familie. Der einzige, dem du vertrauen kannst.“ „Nein...das lasse ich nicht zu! Niemals! Eher opfere ich mich selbst, als...“ >Seto... sieh' mich nicht so an! Bitte! Sieh' mir nicht in die Augen!< „Lassen Sie die anderen gehen! Wenn Sie mich haben wollen, nehmen Sie mich, aber lassen Sie die anderen in Ruhe! Sie haben nichts mit der Sache zu tun.“ „Oh, und ob sie was mit der ganzen Sache zu tun haben. Ihr wolltet euch alle heimlich aus dem Staub machen. Aber dafür werdet ihr jetzt bitter bezahlen!“ Ich sah, wie sich Mokubas Angst mehr und mehr steigerte – wie der Hass in Setos Augen. Noch immer stand dieser an seinem Platz, vor sich auf dem Tisch das Notebook. >Sieh' mich nicht an! Starr Löcher in die Luft, seh' dir den Fußboden an, schau' zu deinem Bruder, aber sieh' mich verdammt noch mal nicht länger an!< Ich kniff die Augen zusammen. Mir zu wünschen, wir wären alle nicht hier, brachte leider nichts. Aber vielleicht hatte Seto sich ja von mir abgewandt, wenn ich meine Augen wieder öffnen würde. Ich hoffte es inständig. Dieser fast todbringende Blick, der mich rasend und verzweifelt zugleich machte. Mich Fassung und Verstand verlieren ließ. Was uns allen das Leben kosten könnte – im schlimmsten Falle. „Die Entscheidung liegt bei Ihnen, Herr Kaiba. Wählen Sie einen der beiden aus, der oder die Gewählte wird überleben. Den anderen nehmen wir mit.“ Ich öffnete die Augen. Er sah zu seinem Bruder. Ich war erleichtert. Der Blick, der mich so lange zu durchbohren schien, hatte mich bis dahin verrückt gemacht. Er ließ mich an Rebellion denken. Doch damit würde ich alle nur gefährden... „Seto! Rette deinen Bruder! Vergiss' mich und sieh' zu, dass du dich mit Mokuba und Jun aus dem Staub machst!“ Tränen schossen mir in die Augen. Seto rührte sich noch immer nicht. Noch immer sah er zu Mokuba, der ihn flehend ansah. „Seto! Nun mach' schon!“ „Halt sofort deine Klappe!“, forderte Seto. So in Rage habe ich ihn noch nie erlebt. Der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte, war gefallen. Nicht mehr lange und die ganze Situation hier würde eskalieren. „Wenn niemand etwas unternimmt, dann werde ich eben was tun!“ Jun sprang auf. „Nein, Jun, tu das nicht!“ „Sofort stehen bleiben!“ „Kyoko! Ich lasse nicht zu, dass sie dich in die Finger kriegt! Mutter kriegt dich nicht! Dafür sorge ich!“ Alles um mich herum passierte wie in Zeitlupe. Ein Schuss. Das Mündungsfeuer, das ich für den Bruchteil einer Sekunde wahrnahm, das Schwarzpulver, das in Form einer kleinen Wolke aus dem Lauf der Waffe strömte, die Kugel, die den linken Oberschenkel streifte und ihn zu Boden fallen ließ. Das ganze war bestimmt schon einige Minuten her. Doch noch immer lag mein Bruder, noch an genau der selben Stelle, wimmernd am Boden und hielt sich das Bein. Ich verlor langsam, aber sicher die Fassung. Meinen Verstand. Ich wollte mich wehren! Um jeden Preis! Ich wollte sie retten! Nur lebend hier raus schaffen! So schnell wie möglich! Und wenn mein Leben der Preis dafür sein sollte, dann soll es so sein. Wenn ich Jun und die Kaibas damit retten konnte, dann war es mir recht. „Ishino! Was sollte das?“ „Jetzt machen Sie schon, Kaiba! Retten Sie ihren kleinen Bruder, wie Kyoko es fordert!“ Stille. „Nein, das kann ich nicht!“ >Was? Warum? Wieso tut er nicht das, was wir ihm sagen? Bedeute ich ihm wirklich etwas, wie Mokuba es mir sagte? Warte, das kann nicht sein. Er hat mich doch schon sooft spüren lassen, wie sehr er mich verabscheut, gar hasst. Abgelehnt hat er mich. Mehr als nur ein Mal. Ich war nur ein Mittel zum Zweck. Genau. Mehr nicht. Uns verbindet einzig und allein die Rivalität, nichts weiter. Nichts wie Liebe oder dergleichen.< „Hängen Sie zu sehr an ihrer Hausschlampe? Geben Sie doch zu, dass die Kleine hier nur ein Zeitvertreib war! Für ihren kleinen Bruder ist da kein Platz mehr, nicht wahr?“ „Hör' nicht auf sie, Seto! Lass' dich nicht provozieren! Beschütze deinen Bruder, verdammt! Er ist wichtiger, als ich!“ „Ich sagte, du sollst die Klappe halten!“ Ich zuckte zusammen. „Wie naiv bist du eigentlich? Glaubst du wirklich, mir liegt nichts an dir? Ich will dich beschützen, und meinen Bruder! Keiner von beiden ist mir wichtiger, als der andere! Ohne dich will ich nicht mehr leben wollen! Mein Bruder und du... ihr seid alles für mich! Warum verstehst du das nicht?“ >Das ist nicht wahr! Er erzählt mir doch nur Lügen! Wie er es immer tut!< Alles gelogen. Ich durfte ihm kein Vertrauen entgegenbringen. Er würde es schamlos missbrauchen. Mich im Nachhinein verletzen und verachten, falls wir hier überhaupt lebend herauskommen. Also warum noch Stillschweigen bewahren? Nein, er sollte endlich mal seine wahren Gefühle zeigen. Das Leiden habe ich endgültig satt. Und die 'Immer schön lächeln'-Taktik funktioniert nun auch nicht mehr. Jetzt oder nie. Die Chance, ihm richtig die Meinung zu geigen. Auch wenn Mokuba da ist. Darauf kann ich jetzt ausnahmsweise keinerlei Rücksicht nehmen. „Du hast mich eben noch eisern zurückgewiesen. Und das war nicht das erste Mal! Jetzt entscheid' dich endlich! Ich habe es endgültig satt, du hängst mir zu Hals raus! Nur, weil du dir deine Gefühle nicht eingestehen willst! Red' verdammt nochmal endlich Klartext, Seto!“ „Sie können sich nicht entscheiden? Nun, dann müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir auf einen Berg ansteuern, mit dem wir in genau fünf Minuten kollidieren werden. Wenn Sie sich nicht beeilen, dann werden Sie nicht mehr lange leben. Ach, was sag' ich, lebend kommen Sie hier eh' nicht raus. Entweder, Sie lassen uns mit Karasuma oder ihrem kleinen Bruder gehen. Einer von beiden geht mit Ihnen und ihrem Kumpel drauf. Überlegen Sie es sich gut.“ „Sie mieses Dreckschwein! Glauben Sie wirklich, Sie kommen damit durch?“ „Jun...“ >Verdammt, Jun, ich habe hier die große Klappe! Die nächste Kugel geht bestimmt nicht nur ins Bein! Halt die Klappe, ich versuche ja schon, uns hier lebend rauszubringen!< „Wir glauben es nicht nur, wir sind sicher, dass es funktionieren wird. Karasumas Mutter war ja so freundlich, uns den von ihr persönlich geschmiedeten Plan in die Hände zu geben.“ Jetzt war das Maß endgültig voll. Mir riss der Geduldsfaden. Irgendwie müssten diese Kerle doch aufzuhalten sein. Ich lehnte meinen Kopf nach vorne und schnellte mit ihm zurück. Ein lauter Aufschrei des Mannes hinter mir, der zu Boden ging. „Meine Nase...“ „Ist wohl gebrochen. Die leihe ich mir mal. Danke.“ Schnell nahm ich ihm die Waffe aus der Hand und ging zielstrebig auf den Mann zu, der Mokuba festhielt. Noch vier verbleibende Minuten. Langsam schritt ich mit gehobener Waffe und einem halbwegs selbstsicherem Blick an meinem Bruder vorbei, der sich mittlerweile aufgerappelt und sich mit dem Rücken an den Sessel hinter ihm gelehnt hatte. Ich war froh, dass es ihm einigermaßen gut ging, was er durch ein Okay-Zeichen verdeutlichte. Naja, wie soll man sich super fühlen, wenn man eine Kugel im Bein stecken hatte beziehungsweise einen Streifschuss erlitten hatte? Er trug, Gott sei Dank, nur letzteres am Unterschenkel davon – was für ein Glück. Auf meinem Körper ruhten Setos Blicke, die ganze Zeit über. Ja, er hatte mich mit seinen Blicken verfolgt. Am liebsten hätte ich ihn irgendwie dazu gebracht, dass er mich nicht länger fokussierte und jede meiner noch so kleinen Bewegungen kritisch besah. Er machte mich nervös. >Warum lässt er das nicht? Ich will uns verdammt nochmal retten!< Wie oft ich heute schon 'Verdammt nochmal' gesagt hatte wusste ich nicht mehr. War mir aber in dem Moment auch egal. Unsere Leben hingen an einem seidenen Faden, das war das einzige, was mir in meinen Gedanken vorschwebte. Noch drei Minuten bis zum Absturz. Die Zeit wurde knapper. „Entweder Sie lassen den Kleinen laufen oder man wird Ihnen während der Autopsie eine Kugel aus dem Kopf holen müssen. Machen Sie schon. Ihren Komplizen habe ich bereits ausgeschaltet. Wir sind in der Überzahl.“ Meine Augen verengten sich bedrohlich. Trotzdem hatte ich Angst, dass mein Gegenüber meine Angst bemerkte, die mich am ganzen Körper zittern ließ. „Du wirst nicht abdrücken, solange ich ihn hier habe.“ „Sicher?“ Plötzlich stand Seto vor mir, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt, mich von oben eindringlich, wütend und herablassend gleichzeitig musternd. Trotz hoher Schuhe war ich leider noch immer rund fünfzehn Zentimeter kleiner als er. Nicht gerade zu meinem Vorteil. >Ich hätte es mir denken können! Warum? Merkt er nicht, dass ich mein Leben auf's Spiel setze, um seines, das seines und meines Bruders zu retten? Vollidiot!< Ja, Vollidiot. Wie passend. Das hätte ich ihm am liebsten sofort ins Gesicht gebrüllt. „Wehe du schießt auf meinen Bruder! Wenn es schief geht, dann triffst du ihn, statt den Kerl da! Das Risiko gehe ich nicht ein.“ „Du willst deinen Bruder auch retten, oder? Dann geh' aus dem Weg! Sofort!“ „Niemals. Du wirst meinen Bruder nicht in Lebensgefahr bringen!“ „Das ist er doch schon und das sind wir alle, seitdem wir dieses scheiß Privatjet hier betreten haben! Vertrau' mir doch nur ein einziges Mal!“ „Wie soll ich dir vertrauen? Dir vertrauen? Warum? Warum sollte ich das tun?“ „Weil ich ihn retten will. Euch alle retten will. Weil es vielleicht unsere einzige Chance ist, nicht draufzugehen.“ Noch zwei Minuten. Die Zeit zerrann in meinen Händen. Nicht mehr lange und wir würden alle dem Tod ins Auge sehen, wenn sie nicht fliehen. „Kyo-chan! Hinter dir!“ Zu spät. Nach einem lauten Knall und einem stechenden Schmerz in meinem Rücken, die Taubheit, die meine Glieder übermannte und der Schwärze vor meinen Augen ging ich zu Boden. Noch immer sah ich Setos entsetztes Gesicht. Mokubas Angst. Juns Verzweiflung. Alles vor meinem inneren Auge. Ich spürte, wie mich jemand auffing, vermutlich war das Seto, der bis gerade noch vor mir gestanden hatte. „Kyo-chan!“ >Mokuba...< „Kyoko!“ >Jun...< „Kyo...ko...“ >Seto...< „Ich habe versagt... beim Versuch, euch alle zu retten...“ „Wie kannst du nur dein eigenes Leben für uns alle riskieren? Bist du verrückt geworden?“ >Endlich hast du's geschnallt, Seto...< „Das war ich doch schon, bevor wir uns überhaupt kennen gelernt haben, Seto. Schon vor zehn Jahren war ich ein durchgeknalltes, aufgedrehtes Huhn.“ Ich lächelte. Versuchte es jedenfalls. Doch in meiner jetzigen Verfassung entgleisten meine Gesichtszüge und ein nur sehr schwaches, müdes Lächeln zierte meine Lippen, das kurz darauf wieder verschwand. „Seto. Versprich' mir, dass du Mokuba und Jun hier heil rausholst. Und du dich selbst rettest. Seht zu, dass ihr diese Mistkerle überwältigt und Land gewinnt. Ich habe euch nicht retten können, aber du schaffst das sicher.“ Mit liefen ein paar Tränen über die Wangen. „Du bist doch Seto Kaiba! Der Seto Kaiba, den ich schon seit so langer Zeit liebe...“ Lautes Geschrei, totales Chaos. Ich spürte seine warmen, fast glühenden Hände, die meine umschlossen. „Verdammt. Wie naiv und leichtsinnig bist du eigentlich? Du bist von allen guten Geistern verlassen!“ „Mag ja sein. Aber drei sind immer noch bei mir, obwohl ich so viel falsch gemacht habe. Und trotzdem, das wichtigste ist, dass du hier bist. Ein Trost für mich. Du schaffst es bestimmt, mit den beiden zu entkommen.“ „Du wirst mitkommen. Ich lasse dich nicht hier.“ „Dort hinten sind drei Fallschirme im Wandschrank. Schnappt sie euch und verschwindet schleunigst. Das Flugzeug wird in weniger als zwei Minuten abstürzen.“ „Du bleibst nicht hier! Verstanden?“ „Kümmer' dich gut um Mokuba und vollende sein Deck. Und versuch' ja nicht, Jun das Rauchen abzugewöhnen, wenn er weiterhin bei dir lebt und arbeitet. Er raucht schon seit er siebzehn ist.“ „Red' nicht so einen Unsinn!“ „Schnappt euch gefälligst diese verdammten Fallschirme und verschwindet, solange ihr noch könnt! Ich sag's nicht nochmal!“ Die letzte Minute brach an. Ob sie es noch schaffen würden? Ich wusste es nicht. Aber ich hoffte es. Ich griff zu der Waffe, die ich kurz zuvor noch in der Hand gehalten hatte. „Ich werde euch noch kurz ein wenig mehr Zeit verschaffen.“ Die Mündung zeigte auf den Mann, der selbst die Kontrolle über die Situation verloren hatte und scheinbar nicht mehr wusste, was er jetzt tun sollte. Bis er wusste, dass es für ihn wahrscheinlich vorbei war, als ich ihm in die linke Kniescheibe schoss und diese zerschmettert hatte. Er war nun unfähig, auch nur einen Schritt zu tun, gar zu stehen und sackte zu Boden wie ein Sack Zement, fluchend und schreiend. Mokuba war nun in der Lage, zu fliehen, mit Seto und Jun. Zum letzten Mal öffnete ich die Augen. Und schloss sie wieder. Ich konnte den Anblick nicht ertragen. Seto schien völlig unerwartet doch schockiert zu sein – ich war ihm womöglich doch nicht so egal, wie er mir immer zu verdeutlichen versuchte. Das letzte Mal, das meine Lider sich bewegten. Sie blieben geschlossen. War es nun zu Ende? Mit mir, Seto und unseren beiden Brüdern? Gab es kein Happy End für uns? Keine Liebe? Nicht mal eine Freundschaft? Nur Lügen? Nur Hass? Verrat? Empörung? Am Ende vielleicht noch der Tod, der schon auf mich wartete? Dem ich schon in die Augen sah und mit dem ich um mein Überleben rang? Dabei hatte ich inständig gehofft, dass alles gut werden würde. Dass ich bei den Kaibas bleibe, mit meinem Bruder. Dass ich mit Seto zusammenleben konnte. Ich ihn lieben konnte. Ganz offen und ohne Geheimnisse. Dass er mich liebte. Ehrlich und aufrichtig. Aber das dürfte wohl nicht sein. Ich habe das Schicksal nicht in der Hand. Mein Schicksal ist nun mal nicht in meiner Hand. Niemand hat das eigene Schicksal in der Hand. Wie gewonnen, so zerronnen. Es sollte wohl so enden. Für uns gab es keine Zukunft. Keine gemeinsame. Niemals. Ich sah es ein. Aber jetzt... ...jetzt war es zu spät. Endgültig. Es war vorbei. Aus und vorbei. Für immer. In alle Ewigkeit. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Ein paar Worte vom Autor Miauu! x'D Ja, das war's. Dachte mir, ich sollte Chapter 11 in zwei Teile aufteilen. Zusammen waren das 24 Seiten! und das kann ich euch nicht zumuten, glaube ich. Das wäre selbst für mich zuviel. Und ihr wollt auch nicht ganz so lange lesen, bis ihr das Chapter überstanden habt, oder? ^^ Anyway. Kapitel 13 folgt. Danke für's lesen und für die lieben Kommis! Kapitel 13: The End Or At Least A New Beginning? ------------------------------------------------ Ein paar Worte vom Autor Bin mal wieder ziemlich spät dran. Das Kapitel sollte schon vor einer Woche erscheinen... X_X Ja, langsam läuft es auf den Höhepunkt und weiter auf's Ende zu. Ich habe schon so tolle Ideen, kann sie aber noch nicht umsetzen, das wäre noch zu früh - der Spannungsboden soll ja noch was anhalten. Es wäre doch zu einfach, schnell das Ende zu schreiben. Nein, ich lasse euch noch etwas im Dunkeln umher tappeln. ;D Aber ein Trost gibt's für euch: Drei Viertel habt ihr hinter euch! Vielen lieben Dank für die Bewertungen und für die vielen Favos! Liebe Grüße, eure Ri-chan ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Kapitel 13: The End Or At Least A New Beginning? Schweißgebadet wachte ich auf. Meine Atemzüge waren knapp und schnell, ich schnappte in unregelmäßigen Abständen nach Luft. >Wo bin ich hier?<, fragte ich mich und sah mich um. Ich war in einem Zimmer, einem mir völlig unbekannten Zimmer, was ich zuvor niemals gesehen hatte. Die Möbel waren aus nahezu schwarzem Holz gefertigt, wahrscheinlich Mahagoni oder etwas dergleichen. Dessen Polster aus Samt und Seide, nur die aller feinsten Stoffe. Meine Hand strich über die weiche Bettdecke, die meinen Körper bis zu den Schultern bedeckte. Ich entdeckte feine, goldene Nähte und Stickereien. „Miss? Sie sind ja aufgewacht. Wie fühlen Sie sich? Darf ich Ihnen etwas bringen?“, fragte eine junge Frau mit einem Akzent, der mir unbekannt war. Dass sie die japanische Sprache nur sehr schlecht beherrschte war deutlich herauszuhören, da sie die Silben völlig falsch ausgesprochen hatte. Doch da ich ungefähr wüsste, was sie mich fragen wollte, war es für mich nicht weiter problematisch, dass sie sich kaum mit mir unterhalten konnte. Jetzt aber zurück zur Situation. „Wo bin ich hier? Warum bin ich hier? Verdammt, wer sind Sie überhaupt?“ Man hatte mich schon wieder entführt, mich ohne mich zu fragen verschleppt und irgendwo liegen gelassen? Wenn ich den Verantwortlichen dafür finde, dann begehe ich meinen ersten Mord! Das eingetretene Dienstmädchen war sichtlich erschrocken über meinen Gemütszustand und stammelte leise vor sich hin. „Entschuldigen Sie, dass ich sie gestört habe. Mein Name ist Alyssa, ich bin mit einigen Kolleginnen für dieses Apartment zuständig. Mein Job ist es...“ „Ich will nicht Ihre Biographie hören, sondern wissen, wo ich bin, was ich hier mache und wer hier für verantwortlich ist!“ Irgendwie erinnerte mich meine Art zu reden an den reichen Idioten namens Seto Kaiba. Er scheint sein Verhalten auf mich abzufärben. Verdammt! „Vergraul' mir nicht die Angestellten hier. Ich will, dass sich nachher noch jemand um's Putzen kümmert. Sonst müssen wir es in Zukunft noch selbst machen.“ >Ach, ne, wenn man vom Teufel spricht.< „Kaiba, du Arschloch, wohin hast du mich verfrachtet? Was soll der Scheiß, Mann?!“ „Ich werde Sie beide mal allein lassen...“ Eilig verdrückte sich die Putzfrau im Dienstmädchen-Look in ein benachbartes Zimmer. „Pennst mal wieder voll ein, schläfst wie ein Stein, keiner kriegt dich wach und jetzt beschwerst du dich, dass du hier bereits im Urlaub bist? Hast du sie noch alle beisammen?“ „Riiko-chan, du bist wach!“ „Mokuba, hey.“ Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. „Die Frau war ziemlich zerstreut wegen dir.“ „Warum sind wir hier? Warum bin ich hier? Warum seit ihr hier?“ „Erstens wollten wir ein paar Tage Urlaub machen, zweitens hatte ich keine Lust, dich noch weiter durch die Gegend zu tragen, nur weil du tief und fest schläfst und drittens schreist du hier rum wie am Spieß. Reicht dir das?“ „Wo ist Jun?“ „Unten an der Bar, Frauen abschleppen.“ „Und warum bist du nicht auch da, Kaibalein? Wäre bestimmt auch was für dich dabei. So ein kleiner Zwischengang zwischen Arbeit und der Strapazierung meiner Nerven.“ „Was zur Hölle ist mit dir los? Warum bist so gereizt?“ „Was geht dich das an? Kann dir doch egal sein. Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet...“ Ich warf die Decke auch über meinen Kopf und versteckte mich darunter. Gleichzeitig wandte ich den beiden Brüdern meinen Rücken zu. „Tschüss. Geht jetzt! Ich will allein sein.“ Ich hörte, die eine Türe aufging und sie wenige Sekunden später wieder ins Schloss fiel. Endlich Ruhe. „Sag' mal, was hast du jetzt schon wieder in den falschen Hals gekriegt?“ Seto war noch immer da. Dieser Nervtöter. „Lass' mich in Ruhe. Hau' ab.“ „Ich rede mit dir.“ „Ich aber nicht mit dir! Widme dich deiner scheiß Firma, anstatt mir wieder zur Last zu fallen.“ „Ist dir entgangen, dass ich nur wegen dir hier hin gereist bin, die Kosten auf mich genommen und meine Firma auf's Spiel gesetzt habe?“ „Das ist mir so was von egal! Du kennst meine Meinung, du weißt, wie ich zu dir und deinen Handlungen stehe. Ich wiederhole mich nur ungern. Also verschwinde. Raus hier.“ Plötzlich vernahm ich ein Kichern. Neugierig zog ich die Decke in Richtung Kinn – ich traute meinen Augen kaum. Seto kniete über mir und lachte. Nicht hämisch, nicht überlegen, einfach nur amüsiert. „Was gibt’s denn jetzt zu lachen?“ Ein „Du bist einfach zu eigensinnig.“ kam über seine Lippen, und kaum hatte er dies ausgesprochen, küsste er mich leidenschaftlich. „Glaub' bloß nicht, du kriegst mich nochmal rum. Erteilst mir 'ne deftige Abfuhr und willst dann mit mir schlafen. Geh' dir eine andere suchen. Hier laufen so viele Frauen rum, du wirst bestimmt eine passende finden. Mit heißen Kurven und mit so viel Grips wie'n Toastbrot; so wie du es magst.“ „Stellst du etwa meinen Geschmack in Frage?“ „Was weiß ich, was du darunter verstehst. Geh' jetzt von mir runter. Wenn ich schon hier bin, dann leg' ich mich für eine Weile an den Swimming-Pool und genieße die Sonne.“ Ich stemmte mich gegen ihn, drückte Arme und Beine auf seine Brust und seinen Bauch und versuchte ihn von mir zu drücken, was jedoch kläglich scheiterte. Stattdessen kam er mir immer näher. „Willst mich schon wieder eifersüchtig machen, was?“ „Mir doch egal, was du davon hältst. Ich bin nicht dein Eigentum.“ Gerade wollte Seto mal wieder über mich herfallen, da stürmte Mokuba herein. „Seto, Seto, da ist ein Anruf für dich.“ >Danke Moki! Du bist wie immer meine Rettung! Darf nicht vergessen, mich bei ihm zu bedanken. Er kommt immer zur rechten Zeit.< Der kleine lief rot an, als er uns in dieser recht eindeutigen Haltung auf dem Bett sah und blickte beschämt zu Boden. „Kann das nicht warten?“ Seto klang sichtlich empört und auch etwas sauer. „Ich weiß nicht, der Mann am Telefon will dich laut eigener Aussage unbedingt sprechen...“ „Wenn ich wieder zurück bin, machen wir da weiter, wo wir jetzt aufhören müssen.“ Zügig und ohne Mühe war er aufgestanden und aus dem Raum verschwunden. >Das ist die Chance abzuhauen.< Ohne auch nur eine Sekunde zu verschwenden zog ich mir einen Bikini an und darüber ein luftiges, weißes Sommerkleid und schlüpfte in ein Paar Sandalen. „Entschuldigen Sie bitte.“, rief ich auf dem Korridor angekommen einer Angestellten zu. „Was wünschen Sie?“ „Wie komme ich zum Pool?“ „Ich geleite Sie dorthin, wenn es Ihnen recht ist.?“ „Das wäre nett.“ Ich ging leicht hinter dem Dienstmädchen nach draußen. „Darf ich sonst noch etwas für Sie tun?“ „Nein, danke.“ „Wenn Sie etwas brauchen, dann geben Sie Bescheid. Man wird Ihnen sofort Ihre Wünsche erfüllen.“ „Das werde ich tun. Vielen Dank.“ Eine wunderbare Atmosphäre. Ein paar spielende Kinder im Wasser, manchmal ein paar Erwachsene, mal ein Pärchen, dass sich küsste. Ein paar Gäste, die auf den Hockern am Tresen der kleinen Bar saßen, Leute, die sich den Pelz von der strahlenden Sonne wärmen ließen. Die Anlage um mich herum grünte und blühte, überall tropische Blumen, die ich in meinem Leben noch nie zuvor gesehen hatte. Die Sonnenstrahlen funkelten auf der Wasseroberfläche. Es war schön warm und eine leichte Brise fuhr über meine Haut und durch mein Haar. Seufzend lehnte ich mich in einer Liege zurück und setzte meine mitgenommene Sonnenbrille auf. ~*~ „So eine schöne Frau ganz allein hier?“, hörte ich plötzlich einen jungen Mann neben mir sagen, den ich kurz darauf von oben bis unten, erst ein wenig skeptisch, dann jedoch ein wenig interessiert, musterte. „Ich bin mit meinem Halbbruder hier, wo er sich zur Zeit befindet, weiß ich jedoch nicht. Also ganz allein bin ich nicht.“ Ich lachte. „Dann ist bestimmt dieser Platz frei, nicht wahr?“ Er deutete auf die freie Liege zu meiner rechten. „Ja, das ist er. Setzen Sie sich ruhig. Mich soll es nicht stören.“ „Wie unhöflich von mir, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Ren Carter. Sie können auch Ren zu mir sagen. Und Sie heißen?“ Ich stutzte. Lieber den Mädchennamen verraten. Wer weiß, ob der mich kennt – meine prominente Hälfte. „Honami. Mein Name ist Riiko Honami.“ „Was für ein wunderschöner Name für eine so wunderschöne Frau.“ Er gab mir einen Handkuss. „Sie sind Japanerin?“ „Ja. Sie haben ebenfalls japanische Wurzeln, Ihrem Vornamen nach zu urteilen, was, Ren?“ „Meine Mutter ist Japanerin, ja. Die andere Hälfte ist britisch. Wie scharfsinnig Sie doch sind.“ Eine ganze Weile plauderten wir über Gott und die Welt, wie lange wir Urlauben würden, was für Hobbys wir haben, woher wir genau kommen. Bis er mich auf einen Drink einlud. „Aber für mich ohne Alkohol, bitte.“ „Sie vertragen Alkohol wohl nicht, was? Zu jung sehen Sie mir nicht aus, Riiko.“ „Ich bin siebzehn, auch wenn man es mir nicht anmerkt. Und ja, ich vertrage keinen Alkohol.“ „Dann einen Martini für mich und für Sie...“ „Für mich eine Apfelsaft-Schorle, bitte.“ Noch eine ganze Weile saßen wir an der Bar, bis ich auf die Uhr sah. Es war schon spät. Wahrscheinlich würden die Kaibas, insbesondere Seto, gleich wieder einen Aufstand machen, wo ich so lange geblieben wäre. Der schläft bestimmt noch nicht. Es ist ja erst kurz nach Mitternacht. „Darf ich Sie noch auf Ihr Zimmer geleiten, Riiko? Man weiß nie, was sich um diese Uhrzeit für Leute hier herumtreiben.“ „Gern.“ Leider verging die Zeit so schnell wieder. Knapp fünf Minuten später stand ich vor der Zimmertüre, schloss diese auf und trat ein. „Danke für den Drink und für Ihre Gesellschaft. Ich hätte mich bestimmt zu Tode gelangweilt, wäre niemand zu mir gekommen und hätte mich angesprochen.“ „Ich habe zu danken. Wann trifft man denn schon so eine bezaubernde, junge Frau wie Sie, Riiko?“ Er kam meinem Gesicht bedrohlich nahe, doch küssen wollte er mich scheinbar nicht. Eher flüsterte er mir ins Ohr. „Wenn es Ihnen recht ist, würde ich Sie morgen Abend zum Essen einladen.“ „Aber...“ „Wenn Sie etwas anderes vorhaben, dann ist es okay, dann ein andermal.“ „Nein, das habe ich nicht gemeint.“ „Was dann?“ „Nun ja, wie soll ich es ausdrücken...darf ich das wirklich von Ihnen verlangen? Man führt nicht jeden Abend eine Frau, oder eher ein Mädchen zum Abend aus – und schon gar nicht in einem so teuren Hotel wie diesem.“ „Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Und, was sagen Sie? Kann ich auf Sie zählen, Riiko?“ „J – Ja, okay.“ „Dann komme ich morgen um acht vorbei und hole Sie ab. Eine gute Nacht wünsche ich.“ „Danke, Ihnen auch, Ren.“ >Hoffentlich hat mich weder Seto, noch Jun, noch Mokuba gesehen. Sonst missverstehen sie wieder etwas... So was wie, wir hätten uns geküsst oder so. Nein, ich habe ihn nicht geküsst und er mich genauso wenig. Wäre ja wohl die Höhe, mit mir rumzumachen, obwohl wir uns erst ein paar Stunden kennen. Da sieht man mal, wie ich mich von Seto und Jun unterscheide, diesen Jedem-Rock-Hinterher-Steigern.< Leise schloss ich die Türe zur Suite und lehnte mich von innen dagegen. Mein Blick wanderte durch den Raum, zeitgleich ein Seufzer. Scheinbar war doch niemand mehr auf. Ich zog leise meine Sandalen aus und trug sie in der linken Hand bis zur Küche, wo ich nach einer Flasche Wasser oder einem anderen Getränk für die Nacht suchte. Doch plötzlich hielt ich inne. Da war ein Geräusch, das aus einem der vielen Nachbarzimmer kam. Langsam näherte ich mich mit den Sandalen in der linken und einer Flasche Sprudel in der rechten Hand dem Zimmer, aus dem ich den sonderbaren Laut wahrgenommen hatte. Eine Lampe war eingeschaltet, spendete aber nur wenig Licht. Eigentliche Lichtquelle war eher der Bildschirm eines Computers, der den davor sitzenden Menschen anstrahlte. Seto. Er arbeitete noch – wie vermutet. Ich stellte die Sprudelflasche vor dem Türrahmen ab und spähte ein weiteres Mal kurz in das Zimmer, in dem Seto noch immer am Schreibtisch saß und auf den Tasten seines Notebooks herum tippte. Nach kurzer Zeit ausgiebigem Starrens fragte ich mich, ob er gar nicht bemerkt hatte, dass ich zurück war. Vielleicht hatte er mich auch ignoriert, was neues wäre das ja nicht. Langsam und leise öffnete ich die Türe noch einen Spalt, blieb dennoch im Türrahmen stehen. „Ich...ich bin wieder da.“ Noch immer starrte Seto auf seinen Laptop. Bestimmt zwei oder drei Minuten stand ich da, ohne, dass er mich ansah. Dann wurde es mir zu bunt und machte mich daran, das Zimmer zu verlassen. >Soll der mich doch ignorieren. Mir doch egal.< Ein Stechen durchzog mein Herz, wenn ich daran dachte, dass er mich absichtlich ignorierte, dass ich ihm ein Störenfried und ein Klotz am Bein wäre. Zu meiner Missgunst war Seto nicht nur dabei, Überstunden zu machen, nein, er war auch noch ziemlich schlecht gelaunt. „Hast dich ja schnell aus dem Staub gemacht, heute Mittag. Hast du den restlichen Tag genossen?“, fragte er bissig. Scheinbar wollte er mich damit einschüchtern, was ihm aber sichtlich misslang. Mich schüchterte man nicht so leicht ein, dass sollte ihm eigentlich mittlerweile bewusst sein. „Nur zu deiner Information. Ich wollte nicht, dass du wieder versuchst, mich fla...“ „Genug. Fass' dich kurz und beantworte gefälligst meine Fragen. Durch dich habe ich Unmengen an Zeit verloren. Die nächsten Nächte werde ich wohl durcharbeiten müssen. Was soll's – ist ja nicht das erste Mal.“ Zunehmend sarkastisch und sichtlich entnervt sprach er diese Worte aus. Nicht einen Augenblick hatte er zu mir aufgesehen. Nicht ein einziges Mal. „Ja, ich habe den Tag genossen. Und ich bin stolz darauf. Auch darauf, vor dir geflüchtet zu sein.“ „Dann haben wir das jetzt geklärt. Sonst noch was? Ich habe zu tun.“ Da war noch immer diese abweisende Haltung. Noch immer kein Augenkontakt. Meine Stimme versagte, meine Gesichtszüge waren entgleist und, was ich eigentlich vor ihm verbergen wollte, mir lief eine Träne über die linke Wange. >Ob er es gemerkt hat?< Halbwegs entschlossen sah ich in sein vom Licht, das von seinem vor ihm stehenden Laptop ausging, leicht bläulich wirkende Gesicht. „Entschuldige, dass ich es für wichtig gehalten habe, dir mitzuteilen, dass ich wieder zurück bin. Bevor du einen Suchtrupp losschickst und mir nachher einen Vortrag über meine Unfähigkeit und meine Naivität hältst, was auch immer das bringen mag. Ich gehe schlafen. Angenehme Nacht wünsche ich.“ Genervt drehte ich mich um und verließ das Zimmer, bis ich plötzlich stehen blieb. Hatte ich wirklich gerade ein „Gute Nacht“ von ihm gehört? Nein, ich musste mich verhört haben... ~Seto's Sicht~ Für einen Augenblick verschnaufen. Ich ackerte im Urlaub. Sonst habe ich mir nie einen richtigen Urlaub gegönnt, weil meine Arbeit über alles ging. Manchmal zum Leidwesen Mokubas. Urlaub bestand für mich, früher nach Hause zu gehen. Ab und zu Geschäftsreisen, bei denen ich ein wenig entspannen konnte, wenn es mein Terminplan erlaubte. Kurz hielt ich inne und meine Finger stoppten ihren Weg über die Tastatur meines Laptops. Meine schweren Augenlider schlossen sich, ich fuhr mir durch die Haare. Auch, wenn ich es nicht wahr haben wollte – es zehrte an mir, mitbekommen zu haben, wie sie in männlicher Begleitung zurück zur Suite gekommen war. Wie sie beide, sie mit diesem Unbekannten, an der Türe stand und sich innig küssten, wie er eine Hand auf ihren Hinterkopf legte, um sie noch mehr spüren zu können. Diese innigen Küsse, die sie ausgetauscht hatten. Scheinbar hat ihre Flucht doch etwas gebracht. Für sie jedenfalls. Wie gerne ich wüsste, ob sie mit ihm... >Nein, Schluss, was denke ich hier eigentlich? Ich sollte mich der Arbeit widmen. Es kümmert sie doch genauso wenig, wenn ich mit anderen Frauen schlafe. Warum sollte es mich dann kümmern, wenn sie mit anderen Männern was anfängt.< Ich musste an Yugi denken, mit dem sie auch ihre Kontakte hat. Dass sie zu ihm ziehen wollte, weil sie es bei mir nicht mehr aushielt oder besser weil sie es nicht mehr aushalten wollte. Dass ich vor nicht allzu langer Zeit sogar die Hand gegen ihn, beziehungsweise sie, erhoben habe, weil ich so dermaßen sauer war, weil...na weil... >Verdammt, ich muss arbeiten. Ich habe schon genug Zeit an sie verschwendet. Was soll sie mich interessierten, wenn es andere Frauen kein bisschen tun? Warum sollte sie etwas besonderes sein? Sie ist eine Frau wie jede andere auch. Sie spielt wie jede andere keine große Rolle in meinem Leben. Ein Spielzeug, ein Zeitvertreib, nicht mehr und nicht weniger.< Doch je mehr ich darüber nachdachte, dass sie wie meine bisherigen Affären war, nichts besonderes, so hatte ich doch das Gefühl, als ob es mir nicht genügte, wenn sie nur eine Nebenrolle in meinem Leben spielte. >Aber vor zehn Jahren, da war es alles anders...< Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen. Vor zehn Jahren waren wir so unbekümmert, alles war uns egal, solange wir drei zusammen waren. Sie, Mokuba und ich. Sie war mir wichtig, umso schmerzhafter war es für mich, nachdem sie von ihrer Mutter aus dem Heim geholt wurde. Nächtelang habe ich wach gelegen, habe über sie nachgedacht, habe ihr sogar nachgetrauert, habe gejammert und geflennt, als ich endlich merkte, dass sie für mich unerreichbar war, dass sie nie wieder zurück kommen würde. Sie sollte nicht nur ein Zeitvertrieb sein, kein Spielzeug, dass nach kurzer Zeit weggeworfen wird, weil es dem Spielenden zu langweilig wird. Es versetzte mir einen Stich in der Brust, wenn ich versuchte, sie zu verdrängen, sie zu vergessen, ein für alle mal mit ihr abzuschließen. ~Währenddessen in Riikos Zimmer~ Die schweren Glieder verlangten geradezu nach einem Bett zum Ausruhen. Kaum hatte ich das Zimmer betreten, warf ich meine Sandalen schwungvoll ans Fußende des Bettes. >Jetzt muss ich nochmal in die Höhle des Löwen. Habe die Wasserflasche am Türrahmen zu Setos Zimmer stehen lassen.< Na toll. Super. Eins A. Langsam schritt ich also wieder zurück, nahm meine Wasserflasche, spähte für einen Augenblick in das Zimmer, in dem sich Seto zu meiner Verwunderung nicht mehr befand und machte kehrt, um wieder zurück auf mein Zimmer zu gehen. Ich warf einen Blick auf die kleine Küche, die mehr an eine Bar als an eine Küche erinnerte. >So, damit Seto mich morgen nicht nur anmaulen kann, mach' ich dem gnädigen Herrn noch eine schöne Tasse Kaffee. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt dafür.< Schnell goss ich etwas Wasser in die Kaffeemaschine, legte zwei Pads in eine kleine Schublade und drückte vorsichtig auf eine Taste. 'Piep.' >Kann das Scheißteil nicht etwas leiser sein? Wenn Seto gleich kommt, dann...< Schon war der Kaffee fertig und ich suchte nach Zucker und Milch. Mit einer Tasse Kaffee und einem kleinen Löffel auf einem Unterteller, einem winzigen Kännchen Milch und einem Paket Zucker ging ich in sein Zimmer, stellte die Tasse leise ab und griff' eilig nach einem Zettel und suchte nach einem Stift. >So was muss es hier doch geben! Los, ein Kuli her, oder wenigstens so was wie einen Textmarker!< Die Minuten verstrichen und ich hatte Angst davor, dass Seto nun reinkam, um mich zur Rede zu stellen und mir eine Moralpredigt zu halten, dass ich das in Zukunft lassen solle oder etwas dergleichen. >Tasse Kaffee fertig, Zettel fertig, jetzt kann ich ja gehen.< Kaum hatte ich sein Arbeitszimmer verlassen, suchte ich nach der Wasserflasche, die mittlerweile auf der Spüle der Küche, direkt neben der Kaffeemaschine ihren Platz gefunden hatte und ging hastigen Schrittes auf mein Zimmer zurück. Zeitgleich kam Seto aus dem Bad und verschwand wieder im Arbeitszimmer. Scheinbar hat er mich nicht so richtig wahrgenommen, da er sichtlich müde, erschöpft und überarbeitet aussah. Sichtlich erschöpft ließ ich mich auf das Bett fallen und vergrub mein Gesicht im Kopfkissen. >Morgen also erst mal entspannt frühstücken, lernen, vielleicht mal was mit Mokuba unternehmen, Seto aus dem Weg gehen und mit Ren zu Abend essen. Irgendwie freue ich mich auf den morgigen Tag...< Kaum lag ich im Bett, da lag ich schon im tiefen Schlummer... ~Am nächsten Morgen am Frühstückstisch~ Mein großer Bruder, Mokuba und ich saßen bereits am Tisch und warteten auf Seto, der scheinbar nicht aus den Federn raus wollte. „Da Jun und ich schon den Frühstückstisch gedeckt haben, wäre es mehr als fair, wenn du Seto holen gehst, nicht, Rii-chan?“ „Muss das sein? Ich wollte mir den Tag eigentlich nicht verderben...“ Gequält erhob ich mich von meinem gepolsterten Stuhl aus Mahagoni, woraus so ziemlich alle Möbel in dieser Suite bestanden, wenn sie nicht aus Samt, Seide oder Glas waren. Ein schwerer Seufzer entfuhr meinen Lippen und ich machte mich auf zu Setos Arbeitszimmer. „Wenn's denn sein muss...einer muss ja Eisklotz zum morgentlichen Kaffee holen...“ „Seto, Frühstück.“ Keine Antwort, als ich sein Arbeitszimmer betreten und hinein gerufen hatte, er sollte endlich herkommen. Stattdessen fand ich mal wieder ein Arbeitszimmer ohne Seto vor, dafür aber eine leere Kaffeetasse, die ich als die von letzter Nacht identifizierte, da Zuckerpäckchen und Milchkännchen noch immer auf dem Tellerrand des Untertellers lagen. >Seto mag seinen Kaffee also schwarz. Ohne Milch und ohne Zucker.< „Was zur Hölle tust du schon wieder hier?“ „Ich...ich...“ „Stotter' nicht, mach' mal 'nen Punkt. Was willst du hier?“ „Frühstück ist fertig. Ich woll...sollte dich holen, doch du warst nicht hier, aber dafür deine leere Kaffeetasse.“ „Trotzdem gibt dir nichts und niemand das Recht, mal wieder in meiner Arbeit herumzuschnüffeln.“ „Das habe ich nicht...“ „Tu' nicht so. Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“ „Bitte, wer nicht hören will, muss fühlen.“ Voller Zorn über seine Ignoranz schmiss ich ihm die Kaffeetasse vor die Füße und stapfte schnaubend aus dem Raum. „Übrigens, Frühstück ist fertig!“ „Ich bin noch nicht fertig.“ „Ach ja? Dann mal raus mit der Sprache!“ Seto ging mir schnaubend hinterher, wir ernteten beide die entsetzten Blicke unserer beiden Brüder. „Naja, ich werde mich heute morgen anderweitig beschäftigen, mit den Schulaufgaben zum Beispiel, damit ich nicht wegen diesem scheiß Urlaub Nachsitzen muss und nichts kann. Dauerhaft halte ich Sie nicht aus, Mister Kaiba.“ „Lass' uns doch heute morgen was machen, Rii-chan. Für Hausaufgaben ist später noch Zeit. Wir haben schon ewig nichts miteinander unternommen.“ „Sorry, ich habe heute eine Menge zu tun. Da bleibt höchstens noch der Nachmittag für Entspannung, der Abend ist auch schon verplant.“ „Wieso das?“ „Ich bin heute Abend zum Essen eingeladen. Nicht das was ihr denkt, nein, Seto wird in seinem Stübchen hocken und sich durch die Arbeit quälen, während ich mir mit einem leckeren Braten und einem kleinen Streichquartett, nicht zu vergessen der junge Mann, der mich ausführt, in einem Restaurant verwöhnen lasse.“ „Das heißt, du wirst mit dem Kerl essen gehen, mit dem du letzte Nacht hergekommen bist?“ „Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Kaiba.“ >Moment, hat er gerade gesagt, dass er mich mit Ren gesehen hat?< „Du hast einen Kerl angeschleppt? Erklär' mir das, Riiko! Warum bringst du einen wildfremden Mann hierher?“ „Du...du hast ihn letzte Nacht gesehen, Se...?“ Seto ließ mich nicht mal erklären. Nein, eher verlor er mir (ja, immer mir) gegenüber mal wieder vollkommen die Beherrschung und schug mit den Händen auf die Tischplatte, sodass Juns Tasse umkippte. „Ich habe mehr gesehen, als du glaubst. Ich habe alles gesehen, nur zu deiner Information. Also versuch' nicht, dich rauszureden oder zu rechtfertigen. Mit einem Wildfremden rumzumachen, während andere da sind... ich dachte, du wärst nicht so eine, die für jeden die Beine breit macht, selbst mich hast du ja auch nur in einer Nacht an dich ran gelassen. Immer beteuerst du, dass du niemanden willst, hast geschrien, als ich heraus fand, dass du noch Jungfrau warst, bis zu dieser Nacht. Du beteuerst, nicht so eine zu sein, die mit jedem was anfängt, aber das ist wie alles an dir nur eine billige Fassade, die du nicht aufrecht erhalten kannst. Du bist wirklich armselig, zu bemitleiden. Nicht mehr als ein billiges Flittchen.“ Ich nahm Mokubas Glas Wasser, dessen Inhalt ich Seto ins Gesicht spitzte. „Halt sofort dein dreckiges Maul!“ In diesem Moment war ich den Tränen nahe. Jun sprang von seinem Stuhl und hielt mich an den Schultern fest, sodass ich Seto nicht an die Kehle springen konnte. „Was fällt dir eigentlich ein, so mit mir zu reden?“ „Das fragst du noch? Denk' mal scharf nach. Dann wird dir auffallen, dass ich Recht habe.“ „Das glaubst auch nur du! Dir ist eh' alles scheißegal, Hauptsache, du kriegst mich ins Bett und hast deinen Spaß! Wie ich mich fühle juckt dich kein bisschen!“ „Was muss ich tun, um dich umzustimmen?“ Er grinste hämisch. >Hab' ich den Knall nicht gehört oder warum ist der auf einmal wieder so normal? Naja, so normal, wie ein Seto Kaiba nur sein kann...< „Auf so ein Risiko steigst du sicher nicht ein.“, blockte ich ab und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wetten wir? Wenn du eine Woche lang das tust, was ich dir sage...dann würde ich dir deinen kleinen Fehltritt unter Umständen verzeihen...“ „Warum sollte ich eine Woche freiwillig deine Sklavin sein?“ „Sklavin...du bringst mich da auf eine Idee. Komm' mit.“ „He – Hey!“ Nicht gerade sanft zog er mich in sein Arbeitszimmer, schloss hinter sich die Türe und stieß mich rücklings auf das Sofa, das nicht weit entfernt stand. „Was...“ „Weißt du, worauf ich gerade Lust habe?“ „Garantiert nichts, worauf ich auch Lust habe! Runter von mir, Lustmolch!“ „Ich bin mir sicher, dass sich das ändern lässt...“ „Hör' sofort auf damit! Ich schlafe nicht mit dir, schlag' dir das endgültig aus dem Kopf!“ „Wer sagt denn, dass ich dich wieder flachlege, hm? Nein, ich will nur das bekommen, was deine neue Bekanntschaft auch bekommen hat.“ „Aber...“ Er raubte mir meinen Atem und auch meine Stimme, da er mich küsste. „Wir haben nie...“ „Psscht.“ Wieder küsste er mich, doch dieses Mal weitaus intensiver. „Wir haben uns weder geküsst, noch habe ich mit ihm geschlafen. Klar?“, schrie ich ihn an, nachdem ich meinen Atem wieder und er seine Lippen von meinen gelöst hatte. „Ich habe doch gesehen, wie er...“ „Er hat mir nur das mit heute Abend ins Ohr geflüstert, weil er wollte, dass es niemand sonst hört.“ „Was sollte dann die Hand auf deinem Hinterkopf?“ „Wahrscheinlich wollte er damit bezwecken, dass ich ihm genau zuhöre und es niemand außer mir mitbekommt. Schon wieder bist du eifersüchtig.“ „Bin ich nicht.“ „Bist du wohl. Und jetzt geh' runter von mir.“ „Nein.“ „Nein?“ „Ich will nur dich. Niemand anders soll dich haben.“ „Wa...! Erzähl' mir nicht schon wieder einen vom Pferd!“ Seine großen Hände wanderten unter mein Shirt, er war dabei, es mir auszuziehen. „Du...lass' mich zufrieden!“ „Du willst es doch auch. Dein Körper steht ja in Flammen vor Hitze. Und dir schießt das Blut in den Kopf wie mir in den...“ „Keine Details!“ „Nicht so verspannt, Riiko-chan!“, flüsterte er mir ins Ohr, worauf ich meine Fassung vollkommen verlor. „Aber...ich will nicht wie deine schnell abgefertigten Liebhaberinnen enden...ich will nicht, dass du mich stehen lässt, wenn ich jetzt mit dir schlafe.“ „Wovon zur Hölle redest du...“ Doch plötzlich schien er zu verstehen, worauf ich hinaus wollte. „Du hast also doch noch etwas Würde in dir, was? Ich dachte, ich hätte es dir schon längst ausgetrieben...“ Endlich stand er auf, ging zur Türe und verschwand im Nachbarzimmer. Einige Minuten später ging ich ihm nach, alle, also Jun und Mokuba, sahen mich an. Seto natürlich nicht, er saß erstens mit dem Rücken zu mir und zweitens hatte er nicht einmal aufgesehen, während er die Zeitung durchblätterte. „Riiko, ich muss ein ernstes Wort mit dir reden.“ „Ach ja, musst du das, großer Bruder?“ „Wegen heute Abend. Ich werde dir nicht erlauben, mit diesem Kerl, den weder ich, noch sonst wer außer dir kennt, essen zu gehen.“ „Jetzt kommt schon wieder die Leier! Ich bin kein kleines Kind mehr, ich bin siebzehn und fast erwachsen!“ Seto lachte amüsiert, sehr zum Leidwesen meinerseits. „Du und erwachsen?“ Noch immer war er vertieft in die Börsengänge. „Klappe, Schwachmat! Wie auch immer, es geht euch nichts an, mit wem ich was mache. Ihr kennt ihn sowieso nicht und es wäre auch sinnlos, ihn euch vorzustellen. Ich werde heute Abend hingehen und es mir von niemandem, ihr habt richtig gehört, von niemandem, verbieten lassen, mich mit ihm zu treffen. Nicht mal von so einem eifersüchtigen Kerl wie dir, Seto.“ „Riiko-chan...“ „Ich habe es satt, von allen vorgeschrieben zu bekommen, was ich zu tun und zu lassen habe! Glaubt ihr nicht, ich sei alt genug, um selbst über mein Leben entscheiden zu können, ohne dass jemand mir dazwischenfunkt? Das ganze hier kotzt mich einfach nur an, besonders du kotzt mich an, Seto! Misch' dich nie wieder in mein Leben ein!“ Angesprochener sah zu mir auf, blickte mir tief in die Augen. Seufzend erhob er sich von seinem Stuhl und griff nach meiner Hand, den Blick nicht von meinen Augen nehmend. Doch bevor er den Handrücken meiner Rechten erreichen konnte, ohrfeigte ich ihn, so schwer, dass meine Handfläche schmerzte und Seto ein, zwei Schritte zurücktreten musste, um nicht zu Boden zu gehen. „Fass' mich nicht an! Nie mehr! Du bist und bleibt ein einsamer und kalter Mensch, niemand wird je in deiner Nähe sein wollen, wenn es nicht um dein verdammtes Geld und deinen Ruf gehen würde! Glaub' nicht, dass ich dir noch weiterhin vertraue und dir mein Herz schenke, nachdem du mich dermaßen geplagt hast!“ Wütend stand ich auf und ging zum Telefon nahe der Türe zum Korridor und wählte die Nummer der Information. „Honami mein Name. Ich möchte einen Termin beim Kosmetiker für heute Nachmittag machen...Ja, bitte beim Friseur, bei der Maniküre und der Massage...Wenn es möglich ist, möchte ich noch eine Kosmetikerin für heute Abend um 18.30 Uhr bekommen, da ich heute Abend eingeladen bin...Ja, alles bitte auf die Rechnung von Mister Kaiba...Danke sehr. Wiederhören.“ Mann, was bin ich für ein gerissenes Biest! Der wird sich über seine Rechnung wundern! Ich setzte mich in mein Zimmer und nahm das Laptop meines Bruders zur Hand, das er mir ausgeliehen hatte. Flink schrieb ich eine Mail an Yugi, wie es ihm ginge, was ich an diesem Tag so verpasst hätte, schulisch gesehen, da ich mir sicher war, dass er die Nachricht erst heute Nachmittag oder heute Abend lesen würde. Was die Lehrer so gesagt hätten und was sonst noch so passiert wäre. Irgendwann gingen mir die Ideen aus, hatte nach Hausaufgaben und Ereignissen gefragt, von meinem Streit mit Seto und meinem Date heute Abend hatte ich jedoch nichts erwähnt – das war auch besser so, dachte ich. Jemandem von meinen und denen meines Ex-Schwarms erzählen, der in mich verliebt war, nein, das war eine alles andere als gute Idee. Seto hatte es sich derweil in seinem Arbeitszimmer gemütlich gemacht und bis in den Mittag hinein gearbeitet, ich hatte im Internet gestöbert und nachgeschaut, was dieses Hotel noch so zu bieten hatte, was möglichst schön und teuer war, um Setos Rechnung provokant in die Höhe schießen zu lassen. Tja, mit mir spielte man lieber keine Spielchen... Zwischendurch kamen Mokuba und Jun herein, fragten nach dem Mittagessen, ob ich etwas wollte, ich verneinte. Schließlich wollte ich nicht pappesatt zu meinem Date gehen. Eingeladen zu werden, aber nichts essen gehörte sich nicht. Allerdings werde ich Ren gegenüber nicht so aufmüpfig sein, wie Seto, werde seine Rechnung nicht in die Höhe schießen lassen und darauf achten, dass ich ihm nicht zu viel Geld durch mein Essen aus der Tasche ziehe. Gegen zwei beschloss ich, mir einen Tee zu machen und ging in die Küche, in der Hoffnung, Seto nicht zu begegnen. Zuerst ging mein Wunsch auf, als ich jedoch den Beutel in die Tasse mit dem heißen Wasser legte und mich auf ins Wohnzimmer machte, stieß ich mit genau diesem zusammen, ich verschüttete den Tee und verbrannte mich daran. „Verdammt, kannst du nicht aufpassen?“ „Tut mir Leid, dass ich dir mal wieder im Weg stehe!“, brüllte ich sarkastisch, gleichzeitig hob ich die Tasse und den Unterteller vom Teppich auf, zum Glück waren beide Teile heil geblieben, als ich sie reflexartig fallen gelassen hatte. „Autsch, verdammter Mist...“ Diese ewige Streiterei ging mir auf die Nerven. Ich würde so gerne mit ihm normal reden können, aber immer endete unsere Unterhaltung in einem Streit. „Hör' zu, bevor du mich nachher wieder für alles verantwortlich machst, werde ich das gleich entfernen.“ „Lass' das eine Putzfrau machen.“ Er nahm meine rechte Hand und besah sich die Verbrennung genau. „Halt sie unter kaltes Wasser.“ Als ich nicht reagierte, zog er mich zur Spüle in der Küche und hielt meine Hand unter den voll aufgedrehten Wasserhahn. „Aua! Spinnst du? Das tut weh!“ „Halt still, sonst wird es nur noch schlimmer.“ Noch immer stand er direkt hinter mir, hatte seinen linken Arm um meine Taille gelegt, seine rechte Hand hielt das Handgelenk meiner rechten. In diesem Moment wurde mir klar, wie nah wir uns waren. Seine Brust und sein Bauch pressten sich an meinen Rücken und ich spürte, wie seine Muskeln zuckten. Schnell neigte ich den Kopf nach vorn, damit er die Schamesröte in meinem Gesicht nicht entdeckte oder er meinen heftigen Herzschlag spürte. >Ich kann ihn nicht ausstehen, aber wenn er mir nahe ist, schlägt mein Herz wie verrückt und mein Körper verlangt nach ihm. Was ist nur mit mir los? Ich dachte, ich hätte mit ihm abgeschlossen...< Verzweifelt wollte ich mich aus seinem Griff lösen, doch noch immer hielt er meine Hand. Ich beugte mich nach vorn, als im selben Moment mein Bruder kam und diese Position gleich missverstand. „Oh, ähm... Ich wollte euch nicht dabei stören...“ Schnell verschwand er wieder in einem anderen Zimmer. „Na toll, ich nehme aus Sicht meines Bruders immer mehr die Züge einer Schlampe an. Danke auch, Seto. Würdest du mich jetzt bitte loslassen? Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, dass du mich wirklich noch von hinten nimmst.“ „So pervers bin ich nicht. Als ob ich diese Situation ausnutzen würde.“ Seto lachte. „Lach' nicht und lass' mich endlich los.“ „Warum sollten wir die Vermutung deines Bruders nicht wahr machen?“ „Aber nicht hier. Wenn Mokuba uns auch noch erwischt...“ „War das etwa eine Zustimmung deinerseits?“ Mein Kopf würde heißer und röter. „Wenn du das so aufgeschnappt hast, aber nein, das war es nicht.“ Seine linke Hand wanderte an die Innenseiten meiner Oberschenkel. „Hör' auf...damit...“ „Das klang eher, als wolltest du mehr...“ „Nein, ganz sicher nicht! Ich will nicht... Lass' mich...“ „Kleiner Spaß. Warte hier, ich hole Verbandszeug für deine Hand.“ Total verwirrt ging ich in die Knie, die Hände noch auf der Kante der Platte. >Er spielt wieder nur mit mir. Ich sollte vorsichtiger sein, sonst legt er mich heute noch flach.< Meine Beine wollten meinen Körper nicht mehr tragen, ich konnte kaum mehr einen Schritt tun. Ich zitterte am ganzen Körper, er bebte förmlich, meine weit geöffneten Augen starrten auf die Maserung des Holz des Schranks vor mir, blickten fast hindurch, wenn es möglich wäre. >Ich muss zu Jun und die Situation aufklären... aber meine Knie sind so weich, dass ich mich nicht bewegen kann... und mein Herz klopft so sehr, dass ich glaube, dass es jeder hören könnte.< Letzteres war nicht wirklich dramatisch, aber umso schlimmer, wenn Seto von meinen noch immer vorhandenen Gefühlen zu ihm Wind bekam oder, im schlimmsten Falle, schon Wind bekommen hatte. Gelegenheiten mich zu durchschauen hatte er genug gehabt, bei der Aktion eben besonders... >Nein, Schluss damit, ich muss ihn endlich vergessen! Er will mich nicht, ich sollte mich endlich damit abfinden!< Noch immer war mir heiß, an den Stellen meines Körpers, die er vorhin berührt hatte sogar noch um einiges mehr. >Verdammt, reiß' dich zusammen! Wenn er dich gleich so sieht, dann zählt er eins und eins zusammen und zieht dich damit auf, dass du ihn immer noch liebst. Lass' dir das nicht bieten!<, sprach ich mir zu, doch wie sollte ich mich aufrappeln, wenn mir alle Kraft fehlte? Um darüber nachzudenken blieb mir keine Zeit, denn zeitgleich wurde ich auf die Tischplatte gehoben, als wäre ich ein kleines Kind. „Was sitzt du da unten auf dem Boden rum?“ „M – Mein Fuß ist eingeschlafen. Ja.“ >Doofer geht’s echt nicht mehr. 'Mein Fuß ist eingeschlafen.'. Mensch, Riiko, wieso bringst du nicht einmal was vernünftiges raus!< „Wenn weiter nichts ist...“ >Ha! Gut gegangen! Er hat nichts gemerkt. So ein saumäßiges Glück muss man haben!< „...und du nicht in mich verknallt bist...“ „I – Ich bin nicht in dich verknallt! Gib' endlich diesen Gedanken auf.“ Er hatte mich an meinem wunden Punkt getroffen und das nicht zum ersten Mal. Wie war das noch, ich habe mir geschworen, es nie mehr zu leugnen, aber ihm sagen, dass ich ihn über alles liebe, damit er dann darauf herumreitet und mich verletzt, ich konnte ihm doch nicht mal in die Augen sehen! Wie sollte ich ihm dann meine Gefühle gestehen, ohne sie ein paar Stunden später zu widerrufen? „Wenn du mir immer mehr Indizien in die Hand spielst, was bleibt mir da anderes übrig?“ „Da bildest du dir was ein.“ „Fang' nicht an zu spinnen. Du weißt, dass ich recht habe. Und jetzt halt still.“ „Aua! Mann, geht’s nicht etwas sanfter?“, brüllte ich, als er meine Hand mit einer Salbe einrieb. „Soll ich dir was sagen? Du hast mich schon lange nicht geküsst. Immer muss ich dich gefühlsmäßig anstoßen, bis du mal Eigeninitiative ergreifst.“ „Wieso sollte ich dich küssen? Ich küsse den, den ich wirklich liebe.“ „Wieso küsst du mich dann nicht mehr? “ „Ich sagte bereits, dass ich nicht in dich verschossen bin. Lösch' diese Wahnvorstellung endlich aus deinem Hirn!“ „Eins sage ich dir: Ich werde dich nicht kampflos diesem Typen überlassen, den keiner außer dir kennt.“ „Wir gehen aus, wir heiraten nicht, schnallst du's immer noch nicht?“ „Das ist mir egal. Du gehörst mir und niemandem anderes...“, flüsterte er mir ins Ohr, worauf ich die Augen schloss... Kapitel 14: A Dinner With Consequences (I) ------------------------------------------ Ein paar Worte vom Autor Und mal wieder habe ich zu lange gebraucht, ich weiß. Aber ich habe einfach keine Zeit mehr gefunden und war - zugegeben - alles andere als dazu motiviert, dieses Kapitel zu vollenden. Wegen der Länge musste ich's mal wieder in zwei Teile teilen, Teil zwei folgt entweder noch spätestens in zwei Tagen, also am 17. Mai '09 (wenn ja, dann gegen Abend) oder auch erst Ende nächster Woche, weil ich ab dem 19. Mai, also ab Dienstag Nachmittag ein ganz arg verlängertes Wochenende habe! Ich freu' mich ja so! (Und ihr dürft euch auch freuen, dann kriegt ihr schneller den zweiten Teil! XD) Auch weiterhin bedanke ich mich herzlich bei meinen lieben Lesern für die Kommentare, die Bewertungen und die vielen Favoriten. Ich hoffe sehr, dass ihr noch immer Lust habt, meine Fanfic zu Ende zu lesen und ein Feedback zu geben, trotz langer Pause. Viele liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen wünscht euch eure Ri-chan ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ „Eins sage ich dir: Ich werde dich nicht kampflos diesem Typen überlassen, den keiner außer dir kennt.“ „Wir gehen aus, wir heiraten nicht, schnallst du's immer noch nicht?“ „Das ist mir egal. Du gehörst mir und niemandem anderes...“, flüsterte er mir ins Ohr, worauf ich die Augen schloss... Kapitel 14: A Dinner With Consequences (I) ...und ich ihn sanft, aber dennoch bestimmend von mir stieß. „Du solltest weiterarbeiten. Außerdem sollte ich langsam damit beginnen, mich herzurichten.“ Seine Reaktion war komisch. Er sagte kein Wort, obwohl ich groben Protest erwartet hatte. Kein 'Was kümmert es dich.', kein 'Du hast mir nichts vorzuschreiben' oder etwas dergleichen. Scheinbar schien er zu wissen, dass ich Recht hatte – zumindest mit dem Teil, dass er noch zu arbeiten hatte. Als er das Arbeitszimmer betrat, drehte ich mich zu ihm um und sah ihn an. „Sag mal, Seto...“ Ein 'Hm' kam von ihm, als er sich umdrehte. „Was macht die Kaiba Corp? Kannst du sie vor dem Bankrott retten?“ Seto dachte wohl, dass ich scherzte und lachte. „Du glaubst doch nicht, dass ich meine Firma einfach hergebe. Auch wenn es deine Mutter oder sonst wer ist, der sie mir abnehmen will. Ich habe zu viel aufgegeben, um sie zu dem zu machen, was sie heute ist. Außerdem verdient niemand außer mir die Kaiba Corporation. Gerade du solltest das mittlerweile wissen.“ Meine Fingerkuppen streiften über das Holz der Arbeitsplatte nahe der Spüle. „Ich hoffe nur, dass sie bald aufgibt... wir haben schon viel zu viel durchgemacht. Sie hat uns schon oft genug bedroht, gar verletzt hat sie uns. Wenn wir nicht aufpassen, wird sie einen von uns bald...“ „Schon wieder so ein naiver Gedanke. Der konnte ja nur von dir kommen.“ Er sprach danach etwas lauter, als er ins Arbeitszimmer ging, damit ich ihn noch hören konnte. „Diese Frau weiß nicht, mit wem sie sich anlegt.“ Ich ging ihm nach und stellte mich vor den Schreibtisch, an dem Seto Platz nahm und einige Akten durchblätterte. „Du verstehst anscheinend, dass sie nicht so eine leichtgläubige Person ist. Sie ist nicht geisteskrank oder so was. Sie ist eiskalt, berechnend und sie weiß, was sie will.“ Seto war weiterhin unbesorgt und suchte scheinbar nach einer bestimmten Akt, die er partout nicht finden konnte. „Wovor hast du Angst? Wenn du nachgedacht hättest, wäre dir aufgefallen, dass ich nicht anders bin. Und ich trachte dir nicht nach dem Leben. Also, wovor hast du Schiss?“ Er hatte nicht einmal aufgesehen, als er mir antwortete. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich es lieber gesehen, er hätte mir in die Augen gesehen, dann hätte er auch gemerkt, wie sehr ich mich um ihn und unsere Brüder ängstigte. „Hör' mir verdammt nochmal zu!“ Ich stützte mich über den Schreibtisch, was dazu führte, dass Seto aufhörte, in den Ordnern zu wühlen, doch noch immer konnte ich Seto nicht dazu bringen, mich endlich anzusehen. >Sieh' mich an! Sieh' mich doch endlich an! Versteh' doch, dass ich Angst um dich habe!< fluchte ich in Gedanken. „Diese Frau mordet, wenn es sein muss! Sie wird nicht eher ruhen, bis sie mich von euch getrennt und euch ruiniert hat! Du verstehst sie nicht! Ich kenne sie, ich weiß, zu was sie fähig ist.“ „Du solltest dich hinlegen. Anscheinend hast du nicht gut geschlafen.“ „Verkauf' mich nicht für blöd! Weder bin ich betrunken, noch habe ich schlecht oder zu wenig geschlafen, noch stehe ich unter Drogeneinfluss oder so was!“ Auch er lehnte sich über den Tisch, sein Gesicht stoppte wenige Zentimeter vor meinem. Eiskalt sah er mir in die Augen, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. So sollte er ich nicht ansehen, es war das genaue Gegenteil von dem, was ich erreichen wollte. „Hör' mir mal gut zu, Kleine. Du zerbrichst dir hier über Dinge den Kopf, über die du spekulierst, stellst hier Behauptungen auf, von denen du keine einzige beweisen kannst. Sie ist deine Mutter. Umbringen wird sie schon keinen von uns. Das ist mal wieder eines deiner Hirngespinste. Ich meine, welchen Profit würde sie machen, nachdem sie einen von uns töten lässt? Wenn dann bin ich die Zielscheibe, dich wird sie am Leben lassen – was würde der ganze Aufruhr sonst bringen?“ Er verstand mich einfach nicht – ob er es wollte oder es nicht konnte wusste ich nicht. Doch fest stand, dass er nicht merkte, wie besorgt ich tatsächlich war. Wie es in meinem Inneren aussah, davon hatte er keinen blassen Schimmer. Seto sprach weiter. „Wenn sie dich ernsthaft töten wollte, dann hätte sie es längst getan. Gelegenheiten gab es genug, dich aus dem Weg zu räumen.“ >Wie kann man nur so ungehobelt sein und mir, wo ich schon so geängstigt bin, diese Worte so ins Gesicht sagen?!< Meine Hand zuckte bedrohlich, erhoben hatte ich sie bereits, ich hätte ich ihn für diese Aussage geohrfeigt, hätte ich es gekonnt. Doch ich konnte nicht und wollte es nicht. Vielleicht gab es hier ja die Hoffnung, dass er es doch einsehen würde, vielleicht verstünde er ja noch, was mich so kränkte. „Aber gerade das ist das Pro...“ Nein, er ließ mich nicht einmal mehr zu Worte kommen, er unterbrach mich, wie fast immer, wenn wir eine Unterredung führten. Satz für Satz, den er aussprach, starb mehr und mehr die Hoffnung, er würde sehen, dass ich Angst hatte, ein wenig Angst um ihn, obwohl ich mit ihm abschießen wollte, besonders aber um unsere beiden Brüder. „Schluss mit dem Theater. Komm' wieder, wenn du deine Theorien beweisen kannst. Ich will jetzt in Ruhe arbeiten, wenn du verstehst. Schließ' die Türe hinter dir, ich will für die nächsten Stunden nicht gestört werden.“ „Mach' doch was du willst.“ Ich ging auf die Türe zu, blieb stehen, drehte mich noch einmal zu ihm um und sagte: „Aber lass' dir eins gesagt sein. Ich habe dich gewarnt. Wenn du sie nicht ernst nimmst, hast du schon verloren.“ Hinter mir knallte ich die Türe zu, ich schloss sie, wie er es wollte. Mein Körper bebte, als ich mich von ihm entfernte, mehr und mehr, mit jedem Schritt, den ich zurücklegte und mich weiter von Seto distanzierte. >Wieso muss es so sein? Wieso muss alles so enden? Kann er nicht etwas rücksichtsvoller mit mir umgehen? Er sagte doch, er wolle mich beschützen und wolle, dass ich bei ihm bin, aber... ich will weg von ihm... seine Gegenwart bereitet mir nichts mehr als Schmerzen in meinem tiefsten Inneren; aber wieso, wieso versteht er das nicht? Ist er zu blind, zu egoistisch, um in mein Herz zu sehen? Ist er so gefühllos und kalt geworden, weil er mich nicht verstehen will? Es war doch eine so schöne Zeit, damals, bis Mutter kam... und die Zeit, die ich bei Seto lebte, sie war wunderschön. Ich konnte wieder lieben, aber wieder wurde ich enttäuscht, so wie damals. Ist es Schicksal, dass ich weder lieben, noch geliebt werden kann, ohne daran kaputtzugehen?< Langsam fragte ich mich, ob es nicht einfacher wäre, meine Gefühle einfach auszuschalten, einfach zu ignorieren. Ob es eine Möglichkeit gab, sie auszuschalten wie bei einem Schalter, den man drückte, wenn man Licht brauchte, eine Tasse Kaffee aufsetzte oder den Fernseher anstellte; ob es eine Möglichkeit gab, die eigenen Gefühle auf Eis zu legen und ohne sie einfach weiterleben. Ist es überhaupt möglich, ohne jegliche Emotion zu leben? Oder sind sie wie Wasser, das eine Pflanze zum Überleben brauchte? Ohne das sie schnell vertrocknete und starb? Waren Gefühle so von Bedeutung? Hat es einen Nutzen, Freude und Leid zu empfinden oder ist das alles nur Gefühlsduselei? Scheinbar war alles nur eine Leinwand wie im Theater. Ohne verstünde man nicht, was wie und wo passierte und doch konnte man auch ohne Bildern klar machen, was das Schauspiel darstellt, wo und wann es spielt und wie es passiert. War es wirklich notwendig, Emotionen zu zeigen, zu sehen und zu verstehen? Nie wieder Liebe, Hass, Enttäuschung. Alles würde mir gleichgültig werden. Ein Unfall, bei dem Menschen ihr Leben lassen würden, ein Streit mit meinen Mitmenschen, hätte ich noch welche, gutes oder schlechtes Wetter. Alles wäre mir egal, ich würde keinerlei Regung empfinden. Nichts, was mich mehr verletzen könnte. Es wäre ein Neuanfang, der Beginn einer neuen, meiner eigenen kleinen Welt. ~Einige Zeit später~ Seufzend schloss ich die Augen und dachte nach. Mit Jun saß ich nun im Wohnzimmer sprach mit ihm über alle möglichen Dinge. Aber nicht nur über die zahlreichen Missverständnisse. Auch hatte er mir endlich erlaubt, dass ich mit Ren ausgehen könne, was ich auch ohne sein Einverständnis getan hätte, aber wenn er mich gehen ließ, dann bedeutete dies auch, dass er mir erstens vertraute und zweitens konnte auch Seto keinen Einspruch mehr erheben, was mich glücklich stimmte. Doch das Glücksgefühl währte nicht sehr lange. Ich hatte zwar nach langer Zeit endlich mal wieder die Gelegenheit gefunden, mich mit ihm auszusprechen, was mich sehr beruhigte und mich auch erfreute, allerdings war es nun an der Zeit, ihm davon zu erzählen – von dem, das mich schon seit Tagen und Wochen wie ein Schatten folgte, den ich nicht abschütteln konnte, der immer an mir haften blieb. Ich saß auf dem schneeweißen Sofa und zog die Beine an den Körper. „Du, Jun.“ „Hm?“ „Was unser Urlaubstrip angeht...“ „Was ist damit?“ „Nun ja...“ Meine Augen schloss ich leicht. „Seto hat mir schon oft gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen. Ihm wollte ich es nicht sagen, weil er es mir nicht glauben würde... und weil ich Angst hatte, dass er mich dann für total gestört halten würde...“ „Wovon redest du da, Riiko?“ „Ich habe letzte Nacht geträumt, dass unser Flugzeug gekidnappt wird und ich angeschossen werde. Und dann...“ Mir liefen Tränen über die Wangen. „Und dann... schlossen sich meine Lider und sie... sie haben sich nicht wieder geöffnet...“ Mein großer Bruder legte seinen linken Arm um meine Schultern, worauf ich mich leicht an ihn lehnte. „Hey, nicht weinen. Es war nur ein Alptraum, weiter nichts.“ „Das ist nicht nur ein Alptraum gewesen. Es wiederholt sich alles, immer und immer wieder. Immer habe ich diese Alpträume, bevor etwas schreckliches passiert. Als hätte ich eine Zukunftsvision oder so was. Ich habe Angst, so fürchterliche Angst...“ Ich lehnte mich weiter an in und hielt ihn fest. „Ständig diese Alpträume, die mich nicht loslassen. Sogar habe ich vor dem Einschlafen Angst, es könnte wieder so etwas schlimmes passieren.“ „Es wird bestimmt bald enden, vertrau' mir.“ „Ich will, dass es jetztaufhört und nicht bald! Dass ich endlich wieder ein normales Leben leben kann. Mutter, sie bedrängt mich schon so lange. Es gibt so viele Sorgen, die auf mir lasten. Aber bei Seto und bei dir, bei Mokuba, da kann ich für einige Zeit alles vergessen und so sein, wie ich bin. Nicht das verstellte Ich, dass sich hinter einer Maskerade verstecken muss, damit die Welt meine schwächliche Schattenseite sieht. Nicht das Mädchen, dass sich vor den anderen anders gibt, als es wirklich ist.“ „Du musst deine Sorgen nicht allein tragen. Wir sind alle bei dir und wollen dir helfen.“ „Aber ich will es allein schaffen! Bis jetzt bin ich immer, ausnahmslos immer, vor meinen Problemen davongelaufen! Habe gehofft, jemand kommt und rettet mich, löst diesen Konflikt für mich, hilft mir, die Situation zu bewältigen. Aber jetzt will ich auf eigenen Beinen stehen und mich nicht mehr auf die verlassen, die an meiner Seite sind. Ich will in der Lage sein, für meine Fehler geradezustehen, egal, was es mich kostet. Ich will unabhängig sein, ein anständiges Leben führen. Niemand soll mir mehr helfen, ich will ein eigenständiger Mensch werden. Niemand soll mich bemitleiden oder mich an der Hand nehmen, ich will alles allein und aus eigener Kraft schaffen.“ Was ich nicht wusste, war, dass außer mir und Jun noch jemand jedes unserer Wörter vernahm... ~Bei Seto~ Die Türe war einen Spalt geöffnet, vielleicht zehn Zentimeter. Aber es genügte, dass ich Riiko mit ihrem Bruder sprechen hörte, zumindest, als ich nahe der Türe stand. Ich suchte noch immer nach einer bestimmten Akte, doch ich fand sie einfach nicht. Aber das war eher nebensächlich. Meine Bewegungen verlangsamten sich und verursachten kaum noch hörbare Geräusche, bis sie ganz stoppten, um ihre Stimme nicht zu übertönen. Allerdings bereute ich es kurz darauf, als ich sie etwas sagen hörte, was mir für einen Sekundenbruchteil das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Ich habe letzte Nacht geträumt, dass unser Flugzeug gekidnappt wird und ich angeschossen werde. Und dann... und dann... schlossen sich meine Lider und sie... sie haben sich nicht wieder geöffnet...“ Ich lehnte mich an die Wand, die rechts neben mir bereits an die Türe grenzte und schloss die Augen. „Alpträume...“, kam es leise von meinen Lippen. Vor einiger Zeit hatte ich auch einen schlimmen Traum gehabt. Der Traum, in dem Riiko von einem Auto erfasst wurde und vor meinen Augen starb. ~Flashback~ Ich lief Kyoko nach, ich konnte sie schluchzen hören und ihre klackenden Stiefel hallten in den Gängen wieder. „Kyoko, warte! Du missverstehst da etwas!“ Sie rannte jedoch unbeirrt weiter, aus der Villa hinaus auf den Vorhof. „Was soll ich denn da missverstehen? Du und diese Frau habt miteinander geschlafen, obwohl du mir versprochen hast, dass du nie mehr mit einer anderen Frau etwas anfängst. Wir waren ein Paar, Seto! Du wolltest mich lieben und mich eines Tages heiraten! Ich hasse dich!“ Sie lief auf die Straße, ich konnte sie nicht mehr einholen, da ihr Vorsprung viel zu groß war. Im nächsten Moment sah ich das Licht von Autoscheinwerfern, die die Straße durch den niederprasselnden Regen erhellten. Ein lauterwerdender Motor war neben dem Rauschen des Regens zu hören. Ein Knall. Ein lautes Scheppern. Der Wagen hielt nach einer Vollbremsung an, eine Türe ging auf, eine Männerstimme, die laut „Scheiße!“ brüllte und ein lautes Knallen einer zugeworfenen Autotüre, der Motor, das Quietschen von Reifen und schon war der Wagen verschwunden. Sie wurde angefahren. Wenn nicht gar überfahren. Ihr Körper lag mitten auf dem Asphalt und rührte sich nicht mehr. Ich rannte auf sie zu und drehte sie um, auf den Rücken, und sah ihre Wunden, die Kratzer und Flecken an ihrem Körper. Und die klaffende, stark blutende Wunde an ihrer Stirn. „Halt durch! Ich rufe einen Krankenwagen.“ Ich nahm verzweifelt ihre Hand und drückte sie. „Es ist zu spät.“ „Nein! Sag' so etwas nicht! Du wirst weiterleben! Gib' nicht auf.“ „Nein, Seto. Ich schaffe es nicht mehr. Mein Leben ist zu Ende. Aber meine Liebe zu dir wird unaufhörlich weitergehen, bis wir uns irgendwann wiedersehen.“ Sie schloss ihre Augen und ihr Kopf sank in meine Richtung. „Nein! Nein! Neeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!“, brüllte ich in die Nacht hinein und drückte ihren leblosen, blutverschmierten Körper an mich. ~Flashback: Ende~ „Hey, nicht weinen. Es war nur ein Alptraum, weiter nichts.“ Wieder hörte ich ihre Stimme, ihre ängstliche, fast von Tränen erstickte Stimme. „Das ist nicht nur ein Alptraum gewesen. Es wiederholt sich alles, immer und immer wieder. Immer habe ich diese Alpträume, bevor etwas schreckliches passiert. Als hätte ich eine Zukunftsvision oder so was. Ich habe Angst, so fürchterliche Angst... Ständig diese Alpträume, die mich nicht loslassen. Sogar habe ich vor dem Einschlafen Angst, es könnte wieder so etwas schlimmes passieren.“ Ihre Worte geisterten noch Minuten und Stunden in meinem Kopf herum, bis ich hörte, dass ihre Konversation eskalierte und ihre wütende, aufgebrachte Stimme widerhallte. „Ich bilde mir das nicht ein! Es ist wahr! Wieso glaubt mir denn niemand? Wieso denken alle, ich wäre verrückt?!“, schrie sie aufgebracht. „Du bist nicht verrückt, niemand behauptet das!“ „Sicher? Dann denk' du mal nach und geh' mal zu Seto, der wird dir bestätigen, dass er auch so denkt! Ach', leckt mich doch alle!“ „Riiko...“ „Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe noch wichtiges zu erledigen...“ Ich hörte, wie sie eine Türe schwungvoll zuwarf. Es wurde still. Hatte sie es wirklich so aufgefasst? Glaubte sie wirklich, ich hätte sie für verrückt erklärt? Habe ich sie damit so sehr verletzt... dass sie glaubt, ich würde ihr nicht glauben? Sie glaubt gar nicht, wie sehr ich ihr glauben würde. Aber dass ihre eigene Mutter sie umbringen will, ist etwas zu weit her geholt. Aber da bleibt noch die Tatsache, dass man auf sie geschossen hat und sich Riikos Mutter dazu bekannt hat. „Dann brauchte ich auch nicht mehr meine Handlanger nach dir suchen zu lassen.“ hatte sie beim zweiten Telefonat gesagt. Und das mit den Alpträumen kann auch Zufall oder eine Krankheit sein. Noch immer schossen mir ihre Worte durch den Kopf. >„Sie wird nicht eher ruhen, bis sie mich von euch getrennt und euch ruiniert hat!“ Wer weiß, vielleicht ist an der Sache doch etwas dran. Es wäre nichts neues, würde sie versuchen, uns erneut zu trennen. Aber dieses Mal werde ich sie daran hindern. Sie wird uns Riiko nicht wieder entreißen. Mokuba würde das nicht durchstehen. Und ich will auch nicht, dass sie geht - vielleicht sogar für immer verschwindet... „Ich kenne sie, ich weiß, zu was sie fähig ist.“< Ich hatte die Angst in ihren Augen gesehen, die sie auch nicht vor mir verstecken wollte. Sie war ganz sicher überzeugt davon, dass uns in baldiger Zeit etwas zustoßen würde. Aber glaube ich das wirklich? Kann ich so etwas glauben? Nein, sie war nicht eine von denen, die sich das ganze einbilden. Nicht sie. Sie war ein kluger Mensch und alles andere als psychisch labil. Doch wie sollte ich ihr das glauben? Es war einfach zu weit her geholt, zu spekulativ, zu thesenhaft, wie sollte ich so etwas glauben? Nie hatte ich Leuten ihre Märchen abgekauft, mag es von Ufos und Außerirdische, vom Armageddon oder von so manch einem anderen Schwachsinn handeln. Spekulationen an sich waren für mich nur Wunsch- oder Alpträume von irgendwelchem Gesindel, dass keine Ahnung vom wahren, echten Leben hatte. Doch Riiko konnte ich nicht in diese Schublade stecken, ob ich wollte oder nicht. Insgeheim wollte ich es nicht, sie war weit mehr als dieses Pack, was ich sonst in diese Abteilung steckte. ~Derweil im Bad~ Mit Seto konnte man wieder einigermaßen reden, naja, im Grunde so wie immer, also nicht in einem vernünftigen Umgangston. Er war mal wieder so unausstehlich wie immer. Eigentlich wollte ich noch etwas mit Mokuba unternehmen, doch dafür fehlte die Zeit. Schade drum. Er muss sich allein fühlen, jetzt, wo unsere Brüder arbeiten und ich nachher nicht hier bin... >Ich kann nichts mehr daran ändern. Wir werden sicher bald wieder nach Hause fahren und dann habe ich wieder jede Menge Zeit... vorausgesetzt, ich bin dann noch bei ihm...< Ich seifte meinen gesamten Körper ein, duschte mich nach einigen Minuten ab, wickelte ein großes Handtuch um meinen Körper und ein weiteres um meinen Kopf. Kurz riskierte ich einen Blick auf die Uhr. >Ich muss mich ein wenig beeilen, in zwanzig Minuten hab' ich den Termin bei der Massage.< Schnell schlüpfte ich in ein paar Schlappen, schloss die Badezimmertüre auf, worauf Seto vor mir stand. „Wird auch höchste Zeit!“ „Wie wär's damit: Du hältst dein Maul bis ich gleich endlich diese beschissene Suite verlassen habe und du meine Abwesenheit genießen kannst. Dann kannst du so viel Mist reden, wie du willst. Wäre das was?“ „Ich halte nichts von Leuten, die mir vorschreiben wollen, was ich zu tun und zu lassen habe.“ „Das geht da rein“, ich deutete auf mein linkes Ohr, „und da wieder raus.“ und auf mein rechtes. „Reicht das, Mister Großkotz? Ich habe wichtigeres zu tun, als meine Zeit mit einem Ekelpaket wie dir totzuschlagen.“ „Ganz meinerseits. Würdest du jetzt bitte zur Seite treten, ich würde gern das Bad benutzen.“ Langsam ging ich an ihm vorbei, die Kiefer aufeinander gepresst, um mich nicht noch mehr über ihn auszulassen. Doch es gelang mir nicht so ganz, da ich mich dabei ertappte, wie ich ihm ein „Bleib' am besten in der Klobrille stecken – würde uns alle erfreuen.“ an den Kopf warf. Während der Herr im Bad verschwand, ging ich in mein Zimmer, um mich anzuziehen. Ich kramte in einem meiner Koffer, zog eine Dreiviertel-Jeans und ein Neckholder-Top heraus, was ich zugleich überstreifte. Schnell suchte ich noch ein paar Sandalen, die ich gleich anzog. Sichtlich entnervt ging ich daraufhin zum Bad zurück, wo Seto nicht mehr auf der Toilette hockte, sondern vor dem Spiegel stand. „Seit wann kannst du in den Spiegel sehen, ohne, dass dieser dabei zerspringt?“ „Sehr amüsant, meine Kleine. Wirklich, dein Humor ist mal wieder unausstehlich.“, antwortete er belustigt. Fest stand, dass ich nicht länger in seiner Nähe sein wollte. Ich setzte mir neue Kontaktlinsen in Blau, die zudem leicht grünlich wirkten, in die Augen und sah kurz in den Spiegel. „Ich bin nicht deine Kleine. Und jetzt verschwinde, ich habe gleich einen wichtigen Termin und will rechtzeitig fertig sein.“ Ich nahm einen Föhn aus dem Schrank, der rechts neben dem Spiegel hing und stellte ihn an, nachdem ich dessen Netzstecker in eine Steckdose gesteckt hatte. Mit einer Bürste fuhr ich mir gleichzeitig durch das Haar. Setos Lippen bewegten sich, worauf ich ihm allerdings ein lautes „Ich verstehe dich bedauerlicherweise nicht.“ entgegen rief, bevor er das Zimmer verließ. Ich war nicht gut im Lippenlesen, doch ich meinte, er hatte etwas wie „Tu' was du nicht lassen kannst.“ gesagt oder etwas in der Richtung. Okay, hier muss ich meinen Gedanken von eben revidieren. Mit Seto konnte man nicht reden, auch nicht im normalen Umgangston mit Brüllerei und Rumgezicke. Na gut, ich war teilweise selbst daran Schuld, aber warum die Schuld nur bei sich selbst suchen? Jun und Seto waren doch auch Schuld, dass ich so ausgerastet bin und noch immer so drauf bin. Nun war ich fertig. Sowohl mit de Nerven, als auch mit meiner Vorbereitung für meine nächsten Termine. Ich klebte noch einen kleinen, rosa Zettel an die Kühlschranktüre, dass ich vor halb sieben nicht zurück sein werde und sie mit dem Abendessen nicht warten und mir auch nichts übrig lassen sollten, dann verließ ich die Suite. Die Stunden vergingen, ich hatte meine Termine bereits hinter mir. In etwas mehr als einer Stunde würde ich mit Ren ausgehen, er würde mich zum Essen einladen, wir würden uns einen schönen Abend machen. Ich stand in meinem Zimmer vor dem riesigen Spiegel und beobachtete meinen mehr oder minder femininen Körper. Einzige Lichtquellen waren einige kleine Lampen, die ein warmes Licht erzeugten, und der Laptop meines Bruders, der plötzlich ein Signal von sich gab und einen Brief auf dem Bildschirm erschien. >Eine neue E-Mail.<, dachte ich, als ich schnell die Tasten drückte, um dessen Inhalt zu lesen. Reflexartig griff ich nach meinem Handy und wählte Yamis Nummer. >Moment, was tue ich hier? Was ist, wenn er ran geht? Was soll ich dann sagen?< Nun war es zu spät, Yami meldete sich, er klang etwas müde. „Oh, ähm...hallo. Hier ist Kyoko.“ „Ah, hallo. Wie geht es dir? Hast du meine E-Mail von heute Nachmittag gelesen?“ „Ja, das habe ich.“ Ich vernahm einen dumpfen Knall. „Tut mir Leid wenn ich dich belästige, Yugi...“ „Du störst doch nicht. Ich bin froh, dass du angerufst.“ Mein Herz schlug stärker. >Wieso klopft mein Herz denn jetzt? Wegen Yami? Aber wieso...< „Bist du noch da?“, fragte er, als ich einige Zeit nichts mehr sagte. „Ja, ja, entschuldige.“ „Dürfte ich fragen, warum du mitten in der Nacht anrufst? Ich will dich nicht drängen, aber ich habe morgen einen langen Tag...“ „Was, bei dir ist es schon Nacht? Verdammt, ich habe nicht auf die Zeitverschiebung gedacht... das tut mir so Leid! Wie kann ich nur so blöd sein, dich aufzuwecken...“ „Nein, ist schon gut, du hast mich nicht geweckt. Ich liege schon einige Zeit wach. Also, worum geht es?“ „Naja, ich wollte eigentlich nur sicher gehen, dass es dir gut geht.“ „D – Das ist nett von dir, Kyoko. Aber sag' mal, dich bedrückt doch etwas, nicht wahr?“ „Es geht in letzter Zeit so viel drunter und drüber, da will ich sicher gehen, dass es euch allen gut geht. Meine Mutter hat sich noch nicht wieder gemeldet und Seto will mich nicht zu ihr gehen lassen, um den Streit zwischen mir und ihr zu schlichten. Vielleicht ist das ganze das vorbestimmte Schicksal...“ Ein Schluchzen entwich mir. „Das Schicksal, dass mich daran hindert, mit meiner Mutter ins Reine zu kommen, was alle Menschen in meiner Umgebung in Gefahr bringt.“ Weiterhin schluchzte ich. „Entschuldige mich bitte, ich habe mich mal wieder nicht unter Kontrolle...“ Zunächst schwiegen wir eine Weile, bis Yami das Wort ergriff. „Was redest du denn da. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich werde immer für dich da sein. Wenn du Hilfe brauchst, dann kannst du dich jederzeit an mich wenden. Mach' dir nicht so viele Gedanken über sie – ich bin mir sicher, euer Konflikt wird bald gelöst.“ Ich hielt den Hörer in beiden Händen. Ich zitterte. „A – Aber...“ „Kaiba wird seine Gründe haben, wenn er dich nicht zu ihr schicken will. Hör' auf dir Vorwürfe zu machen. Dich trifft keine Schuld.“ Wieder schwiegen wir beide und wieder ergriff er zuerst das Wort. „Es gibt da übrigens noch etwas, was ich dich fragen wollte...“ „Okay, frag schon.“ „Nun ja, wie soll ich sagen... erinnerst du dich noch an den Abend, an dem wir uns zufällig über den Weg gelaufen sind?“ „Ja klar erinnere ich mich. Das war doch der Abend, an dem wir das Duell vereinbart haben.“ „Da haben wir doch einen Deal vereinbart...“ „Ja, stimmt... und ich glaube, du willst mich nun fragen, wann wir uns treffen, richtig?“ „Du hast recht. Also, was sagst du?“ „Tut mir Leid, dir das sagen zu müssen, aber ich weiß noch nicht, wie lange ich noch weg bleibe. Es kann sein, dass ich in zwei oder drei Tagen wieder zurückkomme, aber es könnte auch noch eine Woche dauern. Von daher möchte ich dir nichts versprechen, was ich nicht einhalten kann.“ „Das macht nichts. Sag' mir einfach, wenn du Zeit hast.“ „Werde ich. Ach ja, kann ich mir, sobald ich zurück bin, mal deine Mitschriften aus der Schule leihen? Ich würde dann gerne den Stoff nachholen, wenn es für dich okay ist, meine ich, das mit den Heften...“ „Natürlich, ich kann dir auch Nachhilfe geben, in Mathe haben wir mit einem neuen Thema begonnen, das nicht ganz einfach ist...“ „Ich nehme deine Hilfe nur zu gerne in Anspruch!“ Ein Lachen. „Danke für deine Hilfe.“ „Gern.“ „Ich verabschiede mich hiermit einmal, ich habe noch zu tun.“ „Ja, tu' das. Ich versuche, bis morgen früh noch einige Stunden zu schlafen.“ „Sobald ich weiß, wann ich zurückkomme, melde ich mich.“ „Das musst du auf jeden Fall! Dann komme ich und hole dich vom Flughafen ab.“ „Das musst du doch nicht...“ „Ich sagte ich hole dich ab, dann hole ich dich auch ab. Dabei bleibt es.“ „D – Danke. Gute Nacht, schlaf' gut.“ „Du auch. Bis die Tage.“ „Bis dann. Und danke für's zuhören.“ „Immer gern.“ Er legte auf, ich tat es ihm gleich. Ein Seufzten entfuhr mir, als ich mich rückwärts auf das Bett fallen ließ und an die Decke starrte. Ich strich mit den Fingern über das Lacken, spürte den weichen Samt an meinen Fingerspitzen. Kurz schloss ich die Augen und dachte nach. Wie würde es weitergehen? Ich hatte meine Zweifel, ob es richtig war, weiterhin bei Seto und Mokuba zu bleiben. Lieber wollte ich in mein altes Leben zurück, am Stadtrand wohnen, allein, nur mit meinem Bruder, der mir abends nach der Arbeit Gesellschaft leistete. Ich konnte wieder selbst kochen, hatte mein eigenes Zimmer und durfte wieder tun und lassen was ich wollte. Alles was ich sein wollte, war so unabhängig und eigensinnig sein, wie früher, wollte nicht weiterhin in dem goldenen Käfig Setos sitzen. Ich wollte rebellieren, gegen ihn und alles, was mich davon abhielt, in mein altes Leben zurückzukehren. Nicht weiter ein Gegenstand für alle sein, den man behüten und vor allem Schlechten schützen musste, damit ich nicht zerbreche. Zumal ich doch das Risiko liebte. Wie oft in meinem Leben hatte ich mich in Gefahr begeben, egal, ob mich Schmerz und Leid als Folge davon quälen würden. Schon vor zehn Jahren und davor auch schon viel zu oft war ich vor meiner Mutter davongelaufen und geflohen, in der Hoffnung, sie fände mich nie mehr wieder. Eine Chance auf ein neues Leben ohne Drohungen, Prügel, Hass und Angst. Doch zuallererst wollte ich das Abendessen genießen. >Oh, verdammt, das Abendessen!< Zeitgleich klopfte es an der Türe, ich bat die Person vor der Türe einzutreten, nachdem ich sie nach ihrem Namen gefragt hatte. Es war die Kosmetikerin, die ich für halb sieben bestellt hatte. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Miss Honami.“ Die junge Frau begrüßte mich höflich, schaltete das Licht ein, damit es nicht mehr so dunkel im Zimmer war. Darauf schloss sie die Türe hinter sich und legte zwei größere Koffer auf einen Tisch, in dem sich ihr 'Werkzeug' befand. „Guten Abend.“ „Nun, ich habe Ihre bestellten Kleider dabei, Sie sollten sie nun anziehen.“ Ich warf einen schnellen Blick auf den Wecker auf dem Nachtschrank neben mir, der bereits 18:33 Uhr anzeigte. „Wollen Sie eher dezent oder kräftig geschminkt werden?“ Meine Antwort war ein Zucken mit den Schultern. Da stand ich nun skeptisch vor dem Spiegel, eine schwarze Corsage und einen ebenfalls schwarzen, knielangen Rock und die schwarz-silbernen High Heels, die die Frau für mich ausgesucht hatte, weil sie dieser so gut gefielen, tragend. „Ich finde, es steht ihnen ausgezeichnet.“ „Warten Sie einen Moment.“ Langsam ging ich auf die Türe zu, es war ein Kunststück, auf den zwölf Zentimeter hohen Absätzen zu laufen. „Äh... Jun?“ rief ich nach draußen auf den Flur, doch es antwortete niemand. Also beschloss ich, Jun zu suchen, der mich beraten sollte, was ginge und was nicht. „Rii-chan! Du siehst wundervoll aus!“ Erschrocken wandte ich mich um. „Mokuba! Erschreck' mich nie wieder so!“ „Oh, tut mir Leid.“ „Sorry, habe gerade überreagiert. Liegt wohl an den Nerven...“ „Jun ist nicht da, er muss irgendwas für die Arbeit erledigen... kann ich dir nicht helfen?“ „Naja, ich benötige noch eine Beratung, was mein Outfit nachher betrifft. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Ich hab ein paar Kleider und Zweiteiler, aber ich kann mich einfach nicht entscheiden!“ „Ich helf' dir gern, ich hab' gerade eh' nichts zu tun.“ „Oh, da sind sie ja. Entschuldigen Sie die Frage, aber was macht er“ die Frau deutete mit skeptischem Blick auf Mokuba „hier?“ „Er berät mich, da mein großer Bruder beschäftigt ist.“ „O – okay. Also, wie gefällt es Ihnen?“ „Ich finde es zu gewagt, um ehrlich zu sein. Die Absätze sind zu hoch und ich sehe aus wie Leberwurst in Pelle. Außerdem wird damit meine Oberweite zu sehr betont, es sieht aus, als wolle ich alle Männer in meinen Bann ziehen und um den Finger wickeln... nein, das nehme ich nicht für diesen Anlass.“ „Versuchen sie dieses hier.“ Sie reichte mir ein rosé-farbenes Kleid, was bis zu den Knien ging, allerdings recht eintönig und unverziert war. Als ich hinter dem Raumteiler hervor kam und es trug kam diesmal grober Protest von Mokuba. „Das geht gar nicht! Zieh' das sofort wieder aus!“ Zwar wollte die Frau noch etwas sagen, doch sie hielt sich mit ihren Bemerkungen zurück, als ich ihr klar machte, dass es Mokuba und mir gefallen müsste, damit ich es trage. Also verschwand ich einige weitere Male hinter dem Raumteiler und probierte einige Kleider an. Rote, Schwarze, violette. Etwa eine knappe Stunde später, als wir scheinbar das perfekte Kleid gefunden hatten. Es war ein hellblaues, fast eisblau, schulterfrei, mit Strass am gesamten Oberkörper, bis zum Boden reichend und ab der Hüfte leicht ausfallend. Unter der linken Schulter befand sich eine größere Blume. „Es steht Ihnen ausgezeichnet, Miss Honami.“ „Danke.“ „Das sieht bezaubernd aus! Das behältst du an! So kann man dich übergeben!“ Kurz lachte ich auf. „Ich bin aber kein Gegenstand, den man übergibt!“ „Du weißt was ich meine!“ „So, jetzt aber raus hier, ich muss noch in die Maske und meine Haare machen!“ Mokuba konnte sich nicht einmal wehren, bevor die Türe von mir geschlossen und abgeschlossen wurde. Vorsichtig setzte ich mich auf einen Stuhl, um das Kleid nicht gleich zu zerknittern, worauf die junge Frau sich niederkniete und mir die Schuhe reichte. „Was sagen Sie zu diesen? Ich persönlich finde sie sehr schön, sie passen gut zu Ihrem Kleid.“ „Ja, sie sind... wunderschön...“ Egal was sie sagte, ich bekam es kaum noch mit. Von Minute zu Minute schwelgte ich mehr in Gedanken, wie der heutige Abend wohl enden würde. Ob ich Spaß haben werde? Sicher! Ich werde zum Essen ausgeführt, zum ersten Mal in meinem Leben! Das ist wie ein schöner Traum; ich dachte nie, dass mir so etwas einmal passieren würde. „Schauen Sie mal, dieses Make-up habe ich bereits für die zusammengestellt. Es bringt ihre Augen perfekt zur Geltung und ist kräftig, aber nicht zu aufdringlich. Stark, aber dezent.“ Es musste wirklich ein Traum sein. Endlich mal abschalten und entspannen, den Abend genießen, ohne Stress und Hektik. Ich konnte wieder so sein, wie ich es wollte, weil er mich nicht kannte. Kein verstellen, weil ich hoffte, er würde meine zweite Seite nicht sehen. Nein, es war Schluss damit; es war Zeit, alles einer Veränderung zu unterziehen. >Ich schließe endgültig mit Seto und der Liebe ab und lege meine Gefühle auf Eis, werde wieder die Einzelgängerin von früher, die sich von allen distanziert und unabhängig ist.< Nie wieder Gruppenzwang und der Wunsch, dazuzugehören. Rebellion, eine einzige Rebellion, das war es, was ich wollte. Alles umkrämpeln, allem und jedem den Rücken zukehren, auch wenn es meinen Mitmenschen Schaden würde. Auf kurz oder lang wäre es besser für sie, wenn ich sie nicht weiter in mein Leben verwickelte, auch, wenn es für Mokuba bestimmt schwer sein würde, sobald ich ihm und seinem Bruder ein für alle Mal den Rücken zu kehrte. Um kurz vor acht war ich fertig und meine Kosmetikerin verließ die Suite. Kurz darauf kam auch ich aus meinem Zimmer, Seto, Mokuba und Jun aßen zu Abend. „Riiko, du siehst bezaubernd aus!“, kam es von Jun, der gleich aufsprang, mich an den Händen nahm und mich genauer musterte. „Ob ich dich so einem anderen Mann übergeben kann?“ „Hast du dich mit Mokuba abgesprochen? Er hat auch so was angedeutet...“ Meine Frage blieb unbeantwortet, was ich aber nicht sonderlich schlimm fand. Auch Mokuba kam zu mir. „Das Kleid steht dir. Du siehst wunderschön aus. Sag' auch mal was, Seto.“ >Oh nein, nicht das noch. Jetzt darf ich mir noch etwas anhören. Mir soll es egal sein, auf seine Meinung pfeife ich.< Doch er reagierte nicht einmal, sah nicht von seinem Laptop auf, das vor ihm stand. Ein bedrückendes Schweigen entstand zwischen uns. „Ich wüsste nicht, was es zu sagen gibt, Mokuba. Meine Meinung ist ihr sowieso egal, also wozu etwas sagen? Mir ist egal wie sie aussieht. Dass sie mit einem wildfremden Kerl ausgeht, lässt sich ebenso wenig ändern.“ Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Mein Blick wandte ich dem Boden zu. „Deinen Kommentar wollte ich auch gar nicht hören. Was du dazu sagst oder darüber denkst ist mir egal, ich tue und lasse, was ich will. Deine Meinung kannst du also bei Trost für dich behalten, weil sie mich nicht im geringsten interessiert.“ Ich wandte mich von den Herren ab und beendete die Unterhaltung mit einem sarkastisch klingenden „Angenehmen Abend wünsche ich.“. ~Seto's Sicht~ Nach diesen Worten wandte sie sich von mir ab und ging in Richtung Türe. Es klingelte, ich hörte, wie sie sich freudig mit einem jungen Mann unterhielt. „Sie sehen wundervoll aus, Riiko.“ >Dieser Kerl dutzt sie?< „Sie finden nicht, dass es für diesen Anlass unpassend ist? Wir gehen ja nicht auf einen Ball...“ Mein gesamter Körper verkrampfte sich scheinbar wie von selbst, als ich die beiden gehört hatte. Meine Hände hatten sich zu Fäusten geballt. >Was biedert sie sich auf für diesen Mann? Tut so höflich und schüchtern, verstellt sich.< Unerträglich war es für mich, mir dieses Geschwätz weiterhin mit anzuhören. Dieses förmliche, sinnlose Gerede zwischen diesen beiden Menschen hatte mich nicht im geringsten zu interessieren. Es war nicht gerecht und außerdem war es gegen meinen Stolz und meine Würde, mich dem Niveau hinabzulassen, die Konversation zu beenden und mein Mädchen von diesem wildfremden Kerl zu trennen, der sie wahrscheinlich nur für kurze Zeit ausnutzen und fallen lassen würde. In meinem Kopf waren so viele Gedanken, ich solle sie doch hindern, solle sie hier behalten, um sie nicht ganz zu verlieren. Doch diese beiden zu trennen würde Riiko nur noch mehr provozieren - besser würde es diese heikle Situation nicht machen, das stand ganz außer Frage. „Ganz und gar nicht. Dieses Kleid steht Ihnen ganz ausgezeichnet und ist fast so schön wie sie, Riiko.“ Sie sprach noch kurz mit Mokuba und danach mit ihrem Bruder, ich klappte mein Laptop zu und ging in mein Arbeitszimmer zurück, ohne das Abendessen auch nur angerührt zu haben. Selbst die dampfende Tasse Kaffee ließ ich auf dem Esstisch zurück. Die Türe trat ich mit dem linken Fuß zu, dementsprechend war der Knall auch alles andere als leise. Dieses Mädchen ging mir nur noch auf den Nerv, den letzten, den ich noch hatte und von dem ich nicht hoffe, das jemand diesen letzten verbliebenen noch, nötig oder unnötig, strapazieren würde. Für mich waren ihre Worte wie eine verbale Ohrfeige gewesen. Ich hätte Protest auf meine Aussage erwartet, egal, ob sie es mit Körpersprache oder Worten ausdrückte. Doch von ihr kamen nur ablehnende, gar verletzende Ausdrücke, die ich von ihr nicht erwartet hatte, obwohl ich wusste, wie schlecht sie gelaunt gewesen war. Sie war hübsch gewesen, daran hatte ich keinerlei Zweifel. Sie war immer ein sehr hübsches Mädchen gewesen und wird es auch in Zukunft sein, egal, was sie trug, für mich war sie niemals nicht schön genug. Wäre sie bei mir geblieben, wäre es nie eine Genugtuung gewesen, eine andere Frau zu haben, nein, Riiko war für mich bisher die einzige gewesen, mit der ich mir ein längeres, fortwährendes Beisammensein hätte vorstellen können. Sie war eine Frau, die nicht nur auf mein Geld aus war oder nur mit mir schlafen wollte, weil ich so gut aussah oder weil sie sich Respekt und Ansehen verschaffen wollte. Für sie gab es keinen Ersatz, sie war die, die ich um jeden Preis für mich haben wollte, das war mir schon seit dem Vormittag in der Kirche klar. Doch war sie angespannt und nicht gut auf mich zu sprechen, lehnte sich gegen mich auf und verabscheute mich nun mehr und mehr. Auch das war mir aufgefallen, zu meinem Missfallen. Kurz hatte ich sie im Augenwinkel betrachtet, als die anderen es nicht bemerkt hatten. Sie war so wunderschön gewesen, dass ich eifersüchtig wurde. >Für mich hätte sie sich nie so schick gemacht, aber für diesen wildfremden Kerl, den sie einen Tag kennt putzt sie sich heraus, als wäre ihr ihr zukünftiger Mann.< Sie war für mich eine Versuchung, der ich nicht mehr nachgeben dürfte. Ich hatte ihren Körper betrachtet, ihre betonten, weiblichen Reize, ihren nackten Hals und ihre Schultern, ihren entblößten Nacken, da sie die Haare hochgesteckt trug, sogar ihre feinen, langen Finger hatte ich mir angesehen, habe mir vielleicht sogar gewünscht, sie würde mich so berühren, wie während unserer gemeinsamen Nacht vor einigen Wochen. Sie war ein Genussmittel, eine Droge, von der ich nie genug bekam, möge ich sie noch so oft ansehen, sie anfassen, sie küssen. Je mehr ich bekommen hatte, umso mehr wollte ich beim nächsten mal. Ein Blick, der mir früher niemals gereicht hätte und auch heute keine Genugtuung mehr war, eine Berührung ihrer weichen, hellen Haut, das Aufeinandertreffen unserer Lippen, ihren Lipen, die immer so süßlich schmeckten, das mich süchtig machte, wonach ich mich selbst in diesem Augenblick sehnte, sogar die Nacht, die wir zusammen verbracht hatten – manchmal wünschte ich mir, sie wäre wie diese naiven Weibstücke, die nur nach meinem Geld und meinem Aussehen bei ihm wären. Und für ein Schäferstündchen versteht sich. Sie wäre wie jede andere, ich könnte sie einfach ersetzen. Keine Suchtgefahr, keine Eifersucht, keine Gefühle, die ich sonst nie gespürt hatte, die mich so irritierten. Ich wollte ihr nah sein, wollte der einzige sein, dem sie alles gab, was ich wollte, weil sie nicht ohne mich konnte und umgekehrt. Sie sollte mir verfallen und nicht umgekehrt. Doch diesem Wunschtraum zum Trotz spürte ich, dass ich nicht nachgeben durfte, ich so kalt sein musste, wie früher. Nicht wieder durfte ich dem inneren Druck nachgeben und unbedacht handeln. Außerdem sah ich, wie abweisend sie wurde, dass sie schnell gereizt war, Angst hatte, die sie zu vertuschen versuchte. Würde ich ihr nun zu nahe kommen oder falsch handeln, würde er die Beziehung, die kaum mehr bestand, ganz zerstören – was das genaue Gegenteil von dem war, was mich innerlich drängte. Ich wollte nicht riskieren, sie schon wieder ganz zu verlieren, denn eine dritte Chance würde es für mich garantiert nicht mehr geben, weil es schon bei der zweiten mehr oder weniger Zufall war, dass ich mich wieder in sie verliebte. Hätte sie sich nicht bei meinem Turnier eingetragen, wäre ich nie auf sie aufmerksam geworden, hätte sie nie mehr getroffen, hätte sie nie bei mir aufgenommen, wäre ihr nie so nahe gewesen, wie bisher, wäre ihr nie mehr verfallen. Kapitel 15: A Dinner With Consequences (II) ------------------------------------------- Kapitel 14: A Dinner With Consequences (II) ~Zur selben Zeit im Restaurant~ „Wow....“ Ich war vollkommen überwältigt von der Schönheit und Eleganz, die in diesem riesigen Teil des Hotels ausgestrahlt wurde. Alles war opulent ausgestattet - der Boden aus Marmor, Steintreppen hinunter zum Zentralbereich, wo viele Paare an den Tischen saßen, das Essen genossen und schmachtende Blicke austauschten, cremefarbene Marmorsäulen, Geländer aus poliertem Mahagoniholz. Alles war verziert mit Samt und Seide, Gold und Edelsteinen, von den Wänden, den Vorhängen bis zu Tischdekorationen und Besteck. Ich hob meinen Kopf, sah nach oben und wollte die Decke ansehen, doch es war mir kaum möglich, da sich die Decke bestimmt dreißig oder vierzig Meter über mir befand, vielleicht sogar noch höher, beleuchtet von großen, prunkvollen Kronleuchtern, deren Wert für mich unschätzbar groß war. „Herzlich Willkommen, Miss Honami, Mister Carter. Wenn ich sie zu Ihrem Tisch geleiten dürfte...“ Ein Mann mittleren Alters führte uns zu einem Aufzug. „Wieso fahren wir mit dem Aufzug?“ „Das werden Sie gleich sehen, Riiko.“ Oben angekommen wurden Ren und ich zu einem in weiß und rot gehaltenen, dekorierten Tisch geführt. Erst jetzt sah ich die riesigen Kronleuchter, von unten hatten sie um einiges kleiner ausgesehen. Sie hatten das gläserne Kuppeldach gar nicht erkennbar gemacht, dafür war es jetzt umso großartiger. Doch mein Blick war nicht diesen Dingen geschenkt, er ging nach draußen, durch die vollkommen verglaste Rückseite des Restaurants. Ich sah, wie die Dämmerung herein brach, der Himmel war blutrot, die Sonne ging unter. „Das ist... wunderschön.“ Schon hier wusste ich, dass der Abend ein grandioser werden würde. Die Atmosphäre war atemberaubend, alles war hübsch und liebevoll, gleichzeitig kunstvoll und nobel. „Nicht halb so schön wie sie, Riiko.“ Ren bot mir einen Stuhl an und setzte sich dann mir gegenüber, ein Kellner brachte uns die Speisekarten. Während ich bereits einen Blick in die Karte warf, spürte ich Rens Blicke auf meinem Körper. Als er partout nicht weg sehen wollte, sprach ich ihn darauf an. „Bevor sie mich weiterhin fixieren sollten Sie einen Blick in die Speisekarte werfen. Der Kellner kommt bestimmt gleich wieder, um die Bestellungen aufzunehmen.“ „Ich bin einfach zu fasziniert von Ihnen, Riiko. Unglaublich, dass sie erst siebzehn sind. Ich hätte sie einige Jahre älter geschätzt, besonders wegen diesen Reizen...“ Ich räusperte mich und wurde rot. „Entschuldigen Sie diese anstößige Bemerkung.“ „Schon okay.“ Wenig später hatten wir unser Essen bestellt, Ren versuchte mich zu überreden, einen Wein mit ihm zu trinken, doch ich hatte abgelehnt. „Für mich lieber nicht, ich vertrage keinen Alkohol.“ „Nur einen Schluck zum Anstoßen.“ „Nein, danke. Für mich ein Mineralwasser, bitte.“ Der Kellner verschwand im Aufzug, ich wandte meine Kopf wieder dem Sonnenuntergang zu. Sie Sonne war bereits zu einem Viertel hinter dem Horizont verschwunden. „Erzählen Sie mir etwas über Sie, Ren.“, forderte ich nach einer kurzen Sprechpause. Mal wieder sah er mich eindringlich an. Sein Blick schnürte mir die Kehle zu, fesselte mich und ergriff mich, dass ich ihm nicht entfliehen konnte und nur das sagen konnte, was er hören wollte. Ich konnte nicht sagen, dass ich es genoss, aber unwohl war mir genauso wenig. Also ließ ich es einfach über mich ergehen, es war eben so und ich wollte ihn nicht darauf aufmerksam machen, weil ich es unhöflich finden würde, würde man mir so etwas sagen. „Was wollen Sie denn wissen?“ „Erzählen Sie einfach, wonach Ihnen ist.“ ~Währenddessen in Domino~ Ein Seufzen entfloh ihm, als der Wecker ein ohrenbetäubendes Klingeln von sich gab, dass er mit einem leichten Schlag auf den Wecker beendete. >Ich habe nicht ein Auge zu getan.<, ging es ihm durch den Kopf. „Atemu, aufstehen.“ Angesprochener jammerte leise und drehte sich von Yugi weg. „Mir geht es nicht sonderlich. Ich bleibe noch etwas liegen.“ „Irgendetwas ist doch.“ Yugi trat ein, schloss die Zimmertüre hinter sich. Yami drehte sich wieder auf den Rücken und hielt sich den linken Unterarm vor die Stirn, um die grellen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster in der Dachschräge ins Zimmer kamen, von seinen Augen fernzuhalten. „Du machst dir um irgendwas Sorgen und willst es mir nicht sagen.“ „Du hast Recht. Ich habe vergessen, dass ich nichts vor dir verbergen kann, Yugi.“ Atemu grinste und schloss die Augen. „Dann sag' mir, was los ist. Es ist wegen ihr, nicht?“ Yami setzte sich auf und knäulte die Decke in seinen Händen. „Kyoko hat letzte Nacht angerufen.“ „Und was sagt sie? Wo ist sie und wann kommt sie zurück?“ Yugi setzte sich neben ihn auf das Bett. „Sie sagte, sie wüsste nicht, wann sie wiederkommt. Vielleicht ist sie in ein paar Tagen hier, vielleicht dauert es aber noch eine Woche. Fakt ist, dass sie sich bei mir melden will, sobald sie weiß, wann sie wieder da ist.“ >Wenn ich nur mehr über sie wüsste, wo sie sich zur Zeit aufhält, was sie macht, was sie beschäftigt.<, dachte er. „Du vermisst sie, stimmt's?“, fragte Yugi, der Yami musterte. Wie er feststellen musste, war dessen Gesicht gezeichnet von Müdigkeit, um seine Augen waren dunkle Ringe zu erkennen, die Äderchen in den Augen waren sehr rot, einige waren geplatzt. Hatte Yami etwa in der Nacht geweint? Atemu nickte. „Irgendwie... fehlt sie mir. Ich fühle mich hilflos, weil sie bedrückt und ängstlich klang, sie hat sogar geweint, trotz ihrer harten Schale und ihrer abweisenden Art. Es muss etwas vorgefallen sein, weil sie sonst nicht geweint hätte... Obwohl ich weiß, dass Kaiba bei ihr ist und sie ein Paar sind habe ich noch immer Gefühle für sie. Sie hat mich zwar zurückgewiesen, aber ich kann nicht aufhören, an sie zu denken.“ Er wischte sich über die Augen. Yugi stand auf und ging zum Fenster, wo er einen kurzen Blick nach draußen erspähte. „Ich glaube es nicht.“ „Was glaubst du nicht?“ „Dass sie ein Paar sind. Als sie noch hier waren, machten die beiden nicht den Eindruck, als führten sie eine Beziehung. Außerdem hätte sie dich nicht angerufen, während sie weinte. Zwischen den beiden muss es zur Zeit alles andere als gut laufen.“ Der ältere der beiden zog die Decke über seinen Kopf. „Sie soll endlich zurückkommen! Sie ist erst zwei Tage weg, aber ich vermisse sie, als hätte ich sie Jahre nicht gesehen...“, murmelte er. „Ruf' sie wieder an. Rede mit ihr. Sprech' dich mit ihr aus und frag' sie, was noch zwischen Kaiba und ihr läuft.“ Yugi schritt zum Bett zurück udn sah seinen Mitbewohner an, der kurz danach ein Seufzen ausstieß und das Wort ergriff. „Ich will ihr das nicht am Telefon sagen, sondern von Angesicht zu Angesicht. Ich will ihr ins Gesicht sehen, ihre Augen. Sie soll vor mir stehen.“ „Wenn du wartest, bis sie wieder hier ist, könnte es bereits zu spät für dich sein, Yami.“ Yugi stand auf und wandte sich zu Yami um. „Ich gehe Frühstück machen. Stehst du jetzt auf?“ „Ja, ich komme gleich...“, antwortete Yami, stand ebenfalls auf, griff nach seinem Handy und verschwand im Bad... ~In der Suite~ Noch immer saß er an der Arbeit, seit nunmehr achtzehn Stunden und ein paar vergessenen Minuten. >Fast die Hälfte der Aktien wurden aufgekauft. Falls es einundfünzig Prozent werden, bekommt ein Unbekannter die Macht über meine Firma. Das kann und werde ich nicht zulassen! Ich habe so hart und so lange dafür gearbeitet, um die Kaiba Corporation zu dem zu machen, was sie heute ist.< Das Handy klingelte, entnervt betätigte er den grünen Hörer. „Wehe, wenn es nichts wichtiges ist.“ „Master Kaiba.“ „Was gibt es so dringendes, Roland?“ „Wir haben die Quelle ausfindig machen können. Es ist Riiko-samas Mutter, die die Aktien aufkauft. Seit sie mehr Anteile der Firma kauft, macht die Kaiba Corp. nur noch tiefrote Zahlen.“ „Das meine Firma auf dem Spiel steht weiß ich, verdammt. Wo sitzt die gute Frau, ich werde ihr einen Besuch abstatten.“ „Sie sitzt in Domino.“ „Wo genau?“ „Bereits in Ihrem Büro, Master Kaiba.“ „WAS?“ „Sie hat sich durch ihre Anteile zur Firmenchefin erklärt, solange sie außer Haus sind. Den Rest wolle sie klären, sobald Sie zurückgekehrt sind, Master Kaiba.“ „Ich setze mich in den nächsten Flieger. Bestellen Sie ihr einen schönen Gruß von mir, sie solle sich warm anziehen, bevor ich ankomme.“ Wütend knallte ich den Hörer auf, verließ das Arbeitszimmer und ging eiligen Schrittes weiter in das Zimmer von Mokuba. „Mokuba, pack' deine Koffer, wir müssen zur Firma.“ „Aber...“ „Pack' deine Sachen, wir fliegen so schnell wie möglich!“ „Und was ist mit Riiko und Jun? Wir können sie nicht einfach hier lassen...“ „Sie kommen mit, ob sie wollen oder nicht.“ Letzteres war hörbar auf Riiko bezogen. Auch Jun sagte er Bescheid, er solle seine Sachen packen, doch was sollte er mit Riiko machen? Im selben Augenblick hörte er ein Handy klingeln. Es kam aus Riikos Zimmer, dessen Türe weit offen stand. >Der ist das denn bitte?< „Hallo?“, tönte es wenig später. „Hallo Kaiba. Ist Kyoko da?“ >Yugi?!< „Nein ist sie nicht. Versuch' es später nochmal.“ „Warte. Bevor du auflegst...“ „Was noch? Ich bin beschäftigt.“ „Wann kommt ihr wieder?“ „Gezwungenermaßen heute oder morgen. War's das? Ich muss sie noch abholen.“ „Danke. Das war's.“ Seto legte auf. Es war so ziemlich das erste Mal, dass er nicht mehr wusste, was er machen sollte. Warten, bis Riiko zurückkam, wenn sie sich denn mal wieder in der Suite blicken lassen würde, konnte er nicht – schließlich stand seine Firma auf dem Spiel. Andererseits gab es keine andere Möglichkeit. Er musste ihr Date eigenhändig abbrechen und sie mitnehmen, auch, wenn sie ihn dafür auf ewig hassen würde. >Ich habe keine Wahl. Entweder verliere ich meine Firma, für die ich Jahre lang geschuftet habe oder ich verliere Riiko. Das Risiko muss ich eingehen. Es geht nicht anders.< Schnell ging ich auf mein Zimmer, um auch meine Sachen zu packen, griff dann erneut zum Handy und rief im Restaurant an. „Guten Abend. Eine Miss Honami müsste sich zur Zeit in ihrem Restaurant aufhalten. Lassen Sie ihr eine Nachricht zukommen.“ „Natürlich, Mister Kaiba.“ ~Derweil im Restaurant~ Ren und ich genossen bereits den Hauptgang des Fünf-Gänge-Menüs. „Sie sind also aus reichem Hause? Ihr Vater ist ein erfolgreicher Unternehmer und ihre Mutter ist eine bekannte Schauspielerin?“ „So ist es. Zur Zeit sind sie in Las Vegas, ich war bis vor einigen Tagen dort und habe sie seit langer Zeit mal wieder besucht. Wegen ihrer Berufe sind sie viel unterwegs, ich sehe sie deshalb nur ein bis zwei Mal im Jahr. Und ihre Eltern, was machen sie?“ Ich griff zu meinem Glas und nahm einen Schluck Mineralwasser. „Mein Vater ist ebenfalls ein wohlhabender Mann, er wohnt in Europa, ich habe schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm, nachdem er meine Mutter wegen einer anderen verlassen hat und er nicht mehr mit meiner Mutter leben wollte. Meine Mutter wohnt irgendwo in Japan, ich habe nichts mehr mit ihr zu tun. Sie müssen verstehen, ich lebe seit einigen Jahren bei meinem älteren Halbbruder, wir haben einen gemeinsamen Vater. Es gab damals einige Differenzen zwischen mir und meiner Mutter, deshalb habe ich schon in jungen Jahren mein Elternhaus verlassen.“ „Das tut mir Leid. Es muss schwer für Sie gewesen sein, als sie von zu Hause weggegangen sind.“ „Nein, es war für mich eine Erleichterung, weil meine Mutter eine alles andere als gute war. Ich war scheinbar nur ein Mittel zum Zweck, kein Kind, eher ein Sklave.“ „War es das? Nun, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich hätte nicht erwartet, dass in einer solch wunderbaren Frau eine solch tragische Vergangenheit steckt.“ „Das macht doch nichts, Sie konnten es nicht wissen, Ren.“ „Wohin reisen Sie als nächstes, Ren?“ Er sah mich intensiv an. „Ich hatte vor, nach Japan zurückzukehren, mal meine alte Heimatstadt besuchen, wo ich früher gewohnt habe. Ich war schon lange nicht mehr dort.“ „Ich werde auch bald wieder zurückfliegen, ich habe noch einiges zu tun und nachzuholen. Schließlich gehe ich noch zur Schule und muss mich langsam auf meine Prüfungen vorbereiten. Außerdem habe ich noch anderweitig zu tun und der Aufenthalt wird nicht von mir bezahlt.“, sagte ich und schaute durch den Saal, um seinen Blicken auszuweichen. „Von ihrem Halbbruder, nicht wahr?“ „Nicht so ganz... ein Bekannter von mir ist auch mitgekommen und dessen kleiner Bruder. Wir sind zu viert hier.“ „Sie haben nur von ihrem Bruder erzählt. Das macht mich neugierig.“ „Naja, es gibt da eigentlich nicht so viel zu erzählen... ich habe es nicht für wichtig gehalten.“ „Entschuldigen Sie die Störung, Miss Honami, ich muss Ihnen eine Nachricht überbringen. Darf ich sie bitten, kurz mitzukommen?“ Leise seufzend erhob ich mich von meinem Stuhl, erwartend, dass Seto meinen schönen Abend vermiesen wollte. „Entschuldigen Sie, Ren, ich bin gleich zurück.“ Ich folgte dem Kellner in den Aufzug und fuhr mit ihm nach unten. ~*~ „Seto Kaiba ist in die Falle gegangen, Miss Kaname. Womöglich heckt er einen Fluchtplan aus. Gerade wird Riiko von seinem Vorhaben informiert.“ „Bleiben Sie an der Sache dran. Sie dürfen mir nicht entkommen!“ „Ja, Miss.“ ~*~ „Aufgrund einiger Schwierigkeiten muss ich nach Domino zurück. Sagen sie ihr, Kaname ist zurück. Ich muss mit ihr sprechen und zwar unter vier Augen. Sie soll sich entscheiden, ob sie mit will oder mit ihrem Bruder noch eine Zeit hier bleibt. Übergeben Sie ihr diese Nachricht augenblicklich, sie ist von höchster Priorität.“, hörte ich Kaiba sagen. Man hatte seine Stimme aufgezeichnet, um einen Streich oder ähnliches auszuschließen, nahm ich an. Meine Augen weiteten sich. Sollte die schöne Zeit schon jetzt enden? War der Traum vorbei, die Zeit, die ich genießen konnte, neigte sich schon dem Ende zu? >Ich muss sofort zu ihm. Er darf nicht gehen! Nicht ohne mich!< Ren kam zu mir, fragte mich, was los sei. „Entschuldigen Sie, ich muss augenblicklich gehen.“ Ich drücke ihm fünf zehntausend Yen-Scheine in die Hand. „Nehmen Sie das hier, es müsste für das Essen ausreichen – den Rest können Sie behalten. Es tut mir Leid. Wiedersehen, Ren.“ Ich wandte mich von ihm ab, zog mein Kleid ein Stück höher und rannte zur Suite, die wir zwei Tage lang bewohnt hatten, was sich nicht als so ganz einfach herausstellte, da mir die Schuhe und das Kleid das Laufen erschwerten. Nachdem ich das Restaurant verlassen und im zweiten Stock des Hotels angekommen war und die Aufzüge zu lange brauchten, um anzukommen, zog ich meine Schuhe aus und hielt sie in den Händen. >Tut mir Leid, Kaiba, aber das muss sein.< Um mir das Laufen weiterhin zu erleichtern, riss ich das Kleid rechts und links neben meinen Beinen bis zur Mitte meiner Oberschenkel ein. >Du bleibst hier! Ohne mich gehst du nicht. Wenn hier jemand mit meiner Mutter redet, dann werde ich das sein und niemand anderes!< Ich hatte das fünfte Stockwerk erreicht, die Suite lag im zehnten. Zu meinem Glück erwischte ich gerade noch so einen Aufzug nach oben, hatte mich zwischen den Türen hindurch gequetscht, erntete zwar komische Blicke für mein Aussehen, was mich aber recht wenig interessierte. Mehrmals hämmerte ich auf die Taste, die den Aufzug in den zehnten Stock bringen sollte, doch der Aufzug setzte sich erst nach weiteren fünf Sekunden in Bewegung. „Komm' schon, ich hab's eilig... los!“, fluchte ich leise. Wieder komische Blicke. Stockwerk sechs. „Haben Sie nichts anderes zu tun, als mich anzustarren?“ Ihren Blicken nach zu urteilen verstanden die anwesenden Herren meine Sprache nicht. Okay, wer redete in einem Land wie diesem schon Japanisch? Wir waren schließlich weit weg, nicht mal in der Nähe von Japan, gar Asien. >Na, versuchen wir es eben damit.< „Have you finished? I don't like it when you stare at me, Mister.“ Endlich hatten sie ihre lüsternen Blicke von mir abgewandt, obwohl mein Englisch alles andere als gut war. >Nichts geht über natürlichen Charme!<, dachte ich grinsend. Stockwerk acht, Stockwerk neun, und zehn! Die Türen öffneten sich, sobald ich durch den Spalt passte, schlüpfte ich hinaus auf die Suite zu. Hastig hämmerte ich an der Türe angekommen und hämmerte gegen diese, bis sie sich öffnete. „Ich hätte nicht erwartet, dass du so schnell kommst. Es gab mir sogar Zweifel auf, ob du überhaupt aufkreuzen würdest.“ „Du hörst mir jetzt genau zu, Großmaul. Du wirst nicht mit meiner Mutter sprechen, ehe ich nicht den Konflikt mit ihr gelöst habe.“ „Ach, und wieso sollte ich deiner Forderung Folge leisten?“ „Weil es eine Familienangelegenheit ist und es dich einen feuchten Kehricht angeht.“ „Allerdings geht es zufälligerweise um meine Firma.“ „Deine Firma ist jetzt nur zweitrangig. Sobald ich mich meiner Mutter ausliefere, wird sie dich und deine Firma in Ruhe lassen.“ Langsam schritt ich in die Suite, Seto wich einige Schritte zurück, damit ich die Türe hinter mir schließen konnte. „Das glaube ich kaum.“ „Wieso bist du dir da so sicher?“ „Diese Frau würde wohl kaum achtundvierzig Prozent meiner Firma aufkaufen, nur, damit du zu ihr zurückgehst. Ich glaube eher, dass sie uns allen das Leben zur Hölle machen will.“ „Dann lass' mich zu ihr, ich muss sie umstimmen!“ „Wenn du glaubst, hier die Heldin spielen zu müssen, muss ich dich enttäuschen. Niemand außer mir wird mit ihr reden.“ „Damit eins klar ist. Ich tue das nicht dir zuliebe, sondern nur für unsere Brüder. Der Rest geht mir am Arsch vorbei. Genauso wie du und deine abfälligen Bemerkungen. Und jetzt lass' mich vorbei, ich gehe meine Sachen packen.“ Doch anstatt mich gehen zu lassen, drückte er mich fest an die Türe hinter mir und hielt mich an der Kehle fest. „Wenn du denkst, ich tue das wegen dir, hast du dich ebenfalls getäuscht. Ich will nur meine Firma retten und diesen Kinderkram beenden.“ „Dann sind wir ja einer Meinung.“ Er löste den Griff von meinem Hals, ich wandte mich von ihm ab und schritt auf mein Zimmer zu. „Ach ja, ich wollte dir noch etwas sagen.“ Wieder ging ich auf ihn zu, ergriff seine Krawatte und zog damit sein Gesicht in meine Richtung. „Sobald wir in Domino angekommen sind, will ich dich nie wieder sehen. Weder dich, noch deinen Bruder oder einen deiner Anstandswauwaus. Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt, Mister Kaiba.“ >Ja man, das hat aber gesessen! Wie charmant ich heute wieder bin...< Trotzig ging ich auf mein Zimmer, um meine Koffer zu packen. Viel hatte ich nicht ausgepackt, umso schneller war ich wieder zu Hause. Kurz warf ich einen Blick auf die Uhr, die auf dem Nachtschrank stand. Sie sprang eine Minute weiter, es war kurz nach zehn. Die Koffer wurden abgeholt, Jun, Mokuba, dessen Bruder und ich hatten uns im Wohnzimmer versammelt und besprachen, wie wir in den nächsten Stunden vorgehen würden. Danach gingen wir schweigend auf das Dach des Gebäudes, wo uns bereits ein Hubschrauber erwartete, der uns zum Flugplatz bringen sollte, nahm ich an. Mein Bruder und Mokuba stiegen zuerst ein, dann auch machte ich mich daran, einzusteigen. Doch noch kurz vorher wandte ich mich zu ihm um und blickte ihn wütend an. „Vielen Dank übrigens, dass du mir den besten Tag meines Lebens versaut hast, Kaiba.“, warf ich ihm bissig wie ich war an den Kopf und setzte mich nun neben meinen Bruder auf die gut gepolsterten, aber durch die graue Musterung hässlich und durch Flecken und verschlissenen Ecken in den Polstern alles andere als komfortabel aussehenden Sitze, schlug mein linkes Bein über mein rechtes und starrte Löcher in die Luft. Von jetzt an wandte ich ihm nur noch meinen Rücken zu und sah ihn nicht wieder an. Stattdessen setzte ich mich in einen anderen, einige Meter weit von ihm entfernten Platz im Flugzeug und grub in meinem Handgepäck, indem ich mein Deck erhoffte. >Mit dir habe ich mich das letzte mal eingelassen, verlass' dich drauf.< „Suchst du was?“ „Mein Deck ist weg. Dabei wollte ich gerade ein paar Veränderungen vornehmen.“ „Hier. Ich habe es an mich genommen, weil ich doch weiß, wie viel es dir bedeutet. Außerdem wollte ich nicht, dass es weg kommt oder sich jemand unerlaubten Zugriff dazu verschafft.“ „Danke, Jun.“ Nach einiger Zeit, in der ich mein Deck betrachtete und neue Strategien ausarbeitete, erreichten wir den Flugplatz. Ich griff nach meinen Taschen und Koffern und stieg als erste in den Privatjet, wo ich zugleich deinen Schlafraum aufsuchte, die Türe schloss und meine Koffer auf das Bett warf. Danach stellte ich mich vor einen etwa mannsghohen Spiegel, öffnete meine Steckfrisur und schüttelte mein durch diese leicht gelockt gewordenes Haar, griff nach dem Reißverschluss an meinem Rücken, zog ihn auf, sodass das zerfetzte Kleid auf dem Boden lag, um meine hohen Stöckelschuhe herum, aus denen ich ebenfalls schlüpfte, und schob alles mit einem Tritt mit dem rechten Fuß hinter mich. „Hier muss es doch irgendwo sein...“, flüsterte ich und kramte in einem meiner Koffer, fand aber nicht das, was ich anziehen wollte, ein schwarzes Minikleid. „Kann ich reinkommen?“, fragte draußen eine Stimme, ich konnte aber nicht sagen, ob es Seto oder Jun war. Seto wohl eher nicht, er würde einfach eintreten, was mir ziemlich egal gewesen wäre, selbst wenn er mich in Reizwäsche gesehen hätte. „Ist es dringend?“ Langsam zog ich einen Netzstrumpf über mein linkes Bein. „Ein gewisser Ren Carter möchte dich sprechen.“ Selbst das war mir im Moment ziemlich egal. Ich war schließlich beschäftigt. „Ich brauche ein paar Minuten.“, reif ich und zog auch den zweiten Netzstrumpf über mein rechtes Bein. „Mach' hinne, Kleine, du verzögerst den Start der Maschine.“ „Wenn es unbedingt jetzt sein muss, bitte. Aber sorgt dafür, dass Mokuba sich umdreht, das ist nichts für Kinderaugen.“ Aufmüpfig schlüpfte ich in schwarze High Heels und ging zur Türe, ohne mir etwas überzuziehen. >Die werden sich wundern.< Meine Finger berührten die Klinke und umfassten sie, ich drückte sie langsam herunter, zog sie auf und schritt aus dem dunkel des Schlafzimmers in den Raum nebenan. „Was ist so wichtig, dass ihr mich beim Anziehen stört?“, fragte ich gereizt und sah in die Runde. Mein Bruder verschluckte sich bei meinem Anblick an seinem Martini, Ren starrte mich an und stoppte, auf einem Aperatif zu kauen, Seto hörte sogar auf zu tippen und sah ebenfalls in meine Richtung. „Also, was ist? Wird das heute noch was?“ Jun stand auf und wollte mir seine Jacke über die Schultern legen, doch ich drückte seine Arme von mir weg. „Ähm, weißt du, Riiko, du solltest dir etwas überziehen, sonst holst du dir noch eine Erkältung...“ „Geht auch so. Also, warum sollte ich herkommen?“ „Zieh' dir was vernünftiges an, ich habe keine Lust, dass sich mein Bruder wegen deinen Perversionen später in psychatrische Behandlung begeben muss.“ Ich ging auf Seto zu und setzte mich auf seinen Schoß, die Beine rechts und links an seinem Körper vorbei auf den Lehnen des Sessels liegend. „Ach ja? Ist es nicht eher so, dass du mit mir allein sein und mir alles bis zum letzten Fetzen vom Leib reißen willst? Dein Bruder ist dir doch egal, solange du mich zu deiner Gespielin machen kannst – ist immer so gewesen und wird immer so sein.“ Langsam fuhr ich mit meinen Fingern über seinen Oberkörper und kam seinem Mund gefährlich nahe, biss ihm in die Unterlippe, als ich einen Biss vortäuschte, sodass eine kleine, aber unübersehbare, blutende Wunde an seiner Lippe zurückblieb. „Ich glaube kaum, dass du der Versuchung widerstehen würdest, wären wir zwei allein, nebenan auf dem weichen Bett...“, flüsterte ich ihm in sein linkes Ohr. „Das reicht jetzt! Hör' sofort auf damit, Riiko!“ Wütend packte mich mein Bruder am rechten Arm, zerrte mich von Setos Schoß zurück zu sich und zog mich ins angrenzende Schlafzimmer, wo er die Türe zuknallte und mich zur Rede stellte. „Was zur Hölle ist in dich gefahren? Wie kannst du nur so vor den beiden auftauchen und Kaiba so belästigen?“ „Belästigen? Dass ich nicht lache! Der Kerl hätte mich schon längst zu seiner persönlichen Schlampe gemacht, würde ich mich ihm nicht widersetzen und würdest du und Mokuba nicht im selben Haus sein. Da soll ich die Schuldige sein?“ „Er ist auch nur ein Mann! Wenn du ihm auf diese Art den Kopf verdrehst ist es doch klar, dass er dich will.“ „Das musste jetzt von dir kommen. Männer sind immer unschuldig, die Frauen, die sie verführen sind dagegen die Teufel in Person. Aber du, du reißt auch immer jede Frau auf, die genauso blöd und nuttig ist, wie Setos Ex-Geliebte.“ „Ich dachte nie, dass ich das einmal zu Rate ziehen müsste...“, sagte er auf einmal leise, kurz darauf hatte er mir eine Ohrfeige verpasst. „Denk' vorher über die Konsequenzen deines Handelns nach. Du hast einige Wochen Stubenarrest, sobald wir zu Hause sind, um über deine Taten nachzudenken.“ Jun ging nach draußen und warf die Türe mit einem lauten Knall zu, ich dachte jedoch nicht daran, mich damit abzufinden. „Das kannst du nicht, weil ich abhauen werde! Ich habe es so satt, von jedem hier Vorschriften und Verbote aufgetischt zu bekommen! Arschloch! Ich hasse dich! Ich hasse euch alle!“ Ich kramte in einem anderen meiner Koffer herum, holte meinen Mp3-Player heraus und mein hautenges, schulterfreies Kleid, das ich nebenbei gefunden hatte, das ich anzog. >Die können mich alle mal!<, dachte ich sauer, stellte die Musik an und stellte sie auf volle Lautstärke. Einige Stunden setzte ich mich in einen Sessel an einem Fenster und starrte nach draußen, bis jemand den Türgriff von außen herunter drückte, wie ich im Augenwinkel mitbekommen hatte. Ich zog die Kopfhörer aus meinen Ohren und lauschte, wer mich nun schon wieder nerven wollte. „Was?!“, rief ich aggressiv. „Welchen Profit siehst du darin dich in diesem Zimmer einzuschließen?“ „Willst du mir wieder eine Predigt halten, was ich tun darf und was nicht, Kaiba?“ „Wenn du eine hören willst. Nein, eigentlich wollte ich über deine Mutter sprechen.“ „Keinen Bedarf.“ Zunächst schwieg sowohl er, als auch ich, bis er wieder etwas sagte. „Mach' diese verdammte Türe auf.“ „Nein. Ich will mit niemandem reden. Weder mit dir, noch mit meinem Bruder oder sonst wem.“ „Wieso bist du plötzlich so abweisend? Was soll das Getue?“ „Dir ist es doch sowieso egal,wie ich mich fühle, deshalb ziehe ich es vor, alles, was wir zusammen gemacht haben, zu vergessen.“ „Du spinnst doch.“ „Nein, ich habe nur eingesehen, dass es nichts bringt, wenn man Gefühle zeigt. Ich war in dich verliebt, aber das ist vorbei, für immer. Wenn wir landen fahre ich mit dir zu deiner Firma und spreche mit meiner Mutter, dass sie euch in Ruhe lassen soll, weil ich mit ihr nach Hause zurückgehen werde.“ „Jetzt reicht es...“ Plötzlich flog die Türe auf, Seto sah mich eindringlich an. „Ich sagte, ich will mit niemandem reden, und“ meine Stimme wurde lauter „niemand schließt auch dich mit ein – wenn du dich also als jemand besonderen einschätzen solltest, muss ich dich enttäuschen, denn dir habe ich genauso wenig zu sagen, wie zu meinem Bruder oder sonstigen Personen, nämlich nichts.“, schrie ich, doch er am auf mich zu und umarmte mich, legte seine rechte Hand auf meinen Hinterkopf und drückte mich fest an seine Brust. „Ich will dich nicht nochmal verlieren, weil du mein ein und alles bist. Bleib' für immer bei mir.“ Sauer versuchte ich ihn von mir weg zu drücken, doch es gelang mir erst nach einigen Augenblicken und einem heftigen Stoß, den ihn einige Schritte nach hinten gingen ließ. „Ich kann nicht! Verstehst du es denn nicht? Es geht einfach nicht!“ Ich ließ mich rückwärts auf meinen Sessel fallen, da ich bemerkt hatte, dass ich ihn nicht los wurde. Doch zum Zeichen, dass er sich von mir entfernen sollte, drückte ich meinen rechten Fuß auf seinen Rumpf. Erneut kam er auf mich zu und stützte sich an den Lehnen ab, drückte mein Bein trotz meines Versuchs, es durchzustrecken immer weiter an meinen Körper, während er mir tief in die Augen sah. „Wieso tust du das? Ich habe dir gestanden, was ich für dich fühle, aber du lässt mich abblitzen? Du lässt mich abblitzen?“ „Du hast mich oft genug verletzt, ich wäre ein Idiot, würde ich dir wieder eine neue Chance geben. Und jetzt lass' mich in Frieden; geh' jetzt zu den anderen und schließ' die Türe hinter dir. Das letzte, was ich jetzt brauche, ist ein Streit mit dir. Es ist besser, wenn du und ich von nun an getrennte Wege gehen, glaub' mir.“ Ich schloss meine Augen, er erhöhte den Abstand zwischen uns etwas und stand wieder gerade vor mir. „Ich weiß sehr wohl, was besser für uns ist...“ „Besser für uns? Es gibt kein uns, es hat es nie gegeben und wird es auch nie geben. Wieso siehst du nicht ein, dass du deine Chancen vertan hast? Ich habe dir oft genug vergeben und mir gedacht, du besserst dich bestimmt mit der Zeit, aber das, was ich erwartet hatte, verwandelte sich ins totale Gegenteil! Ich habe versucht, dein Herz zu finden und zu erreichen, deine Mauer aus Eis einzureißen, die du aufbaust, selbst zu mir, wo wir uns schon so lange kennen, aber du hast sofort das Loch geflickt und die Wand noch höher gebaut, als ich versuchte, dich zu verstehen, dich kennenzulernen und dich zu lieben. Von dir kamen immer nur eiskalte Zurückweisungen und du hast mein Herz mit jedem Male mehr und mehr zerschlagen – jetzt brauchst du dich also nicht zu wundern, dass ich dich zurückweise. Ich habe die Nase voll von dir und deinem Gehabe. Sobald das hier vorüber ist, ziehe ich weit weg von hier. Wenn's dich glücklich macht auch zu meiner Mutter, sodass du wenigstens einen Grund weniger hast, um mich zu terrorisieren.“ Doch wider meinem Erwarten kam ein Satz, den ich von ihm nicht erwartet hatte. Ich hatte alles mögliche erwartet, nur nicht diese vier Worte. „Es tut mir Leid.“ Er sah mir wieder in die Augen, es sah ein wenig so aus, als ob er Tränen in den Augen hätte, aber das musste ich mich nur einbilden. „Es ist zu spät für eine Entschuldigung.“ Langsam stand ich auf und ging in Richtung Türe. „Lebe wohl, Seto.“ und verschwand im den Nebenraum. „Liebe Gäste. Ich darf sie darauf hinweisen, dass wir in wenigen Augenblicken landen werden. Bitte schnallen Sie sich an.“ Ich spürte seine Blicke in meinem Rücken, Minutenlang, bis das Flugzeug gelandet war und wir ausgestiegen waren. „Riiko, da bist du ja wieder. Was war los?“ „Mokuba, ich fahre noch in die Firma, es könnte noch etwas dauern, bis ich zu Hause bin. Fahr' schon mal mit Roland vor, ich komme so schnell es geht nach.“, schaltete sein großer Bruder dazwischen, doch der kleine bekam scheinbar wenig davon mit. „Nichts... es war nichts. Hör' zu, Mokuba, ich werde noch mit deinem Bruder in die Kaiba Corporation fahren, um mit meiner Mutter zu sprechen.“ „Okay.“ Ich zog meinen Trolley hinter mir her, machte mich zum Haupteingang des Flughafens auf. Nebenbei rief ich Yami an, da er nicht ans Handy ging, sprach ich auf seine Mailbox. „Hallo, Yami. Ich bin's, Riiko- Wir sind wieder zurückgekommen. Ich muss kurz zu Kaiba in die Firma und ein paar Dinge regeln, ruf' mich bitte schnellstmöglich zurück, ich möchte mich mit dir unter vier Augen unterhalten. Bis dann.“ Mein Handy verstaute ich in meiner Jacke, zielstrebig ging ich weiter. Es brach mir das Herz, den kleinen angelogen zu haben – ich wusste nicht, wie ich es ihm beibringen sollte, dass ich danach für immer aus seinem Leben verschwinden würde. Er war nicht mehr so klein, er war ja schon dreizehn, aber er hing sehr an mir, das wusste ich. Außerdem hatte er schon immer versucht, mich mit seinem Bruder zu verkuppeln, in der Hoffnung, wir würden für immer ein glückliches Paar sein, das irgendwann heiratet und Kinder zeugt. Doch sein Traum war eine pure Illusion, die niemals wahr werden würde. Er hat mir einfach zu oft weh getan, als dass ich ihm vergeben könnte. „Guten Tag, Miss Karasuma, hatten Sie einen angenehmen Flug?“ „Fahren Sie zur Kaiba Corp. Sofort.“ „Aber was ist mit...“ „Sofort sagte ich! Was ist daran so schwer?“ „Natürlich, Miss Karasuma.“ Endlich bewegte sich der Wagen. „Beeilen Sie sich, ich habe nicht ewig Zeit.“ Schon wenige Minuten später stand ich vor der Kaiba Corp, blickte hinauf, bis zur Chefetage. >Der Tag ist gekommen, Mutter. Nach so langer Zeit sehen wir uns wieder.< ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Ein paar Worte vom Autor Woah, endlich Teil 2 zu Ende geschrieben... T_T Tut mir leid Leute, ich hab', obwohl ich in zweieinhalb Wochen endlich in die Sommerferien starte, in letzter Zeit wenig Zeit zum Scheiben. Neuerdings fällt in der Schule nicht mehr ganz so viel aus, was sich aber spätestens ab dem 22.6. ändert (da hab' ich frei, und den Rest der Woche - also die letzten vier Tage bis zum Wochenende - fallen mindestens 7 Schulstunden aus *freu*). Außerdem muss ich zwei Mal pro Woche zur Physio, da sich mein Nacken muskulär bedingt verbogen hat und ich dadurch starke Schmerzen habe. Ich sollte nicht so viel vor dem Rechner hocken... x_x Anyway. Zurück zum Thema. (Leider weiche ich ziemlich schnell und ziemlich oft vom Thema ab.) Ätzend. Ich war mal wieder vollkommen unmotiviert... merkt ihr vielleicht am Schreibstil. Dabei wollte ich unbedingt etwas mehr Handlung einbauen, ich meine damit die Massen an Dialogen etwas mit Beschreibungen von Gefühlssituationen, in neuen Räumen auch die des Raums, etc., aufeppen, das ist mir aber nicht so gelungen, wie ich es wollte. Bis auf den Anfang des zweiten Teils, als Riiko ins Restaurant kommt. (Man, ich schweife schon wieder ab! >:( Sorry... XD) Dafür habe ich die Streitigkeiten gut hinbekommen, wie ich finde. Was meint ihr dazu? Wichtig!!! Ich brauch' Hilfe für's Ende. Zur Zeit gehen mir mega viele Ideen durch den Kopf, von denen ich natürlich noch nix verrate, aber ich hab' irgendwie Probleme damit, es umzusetzen und überhaupt dazu zu kommen. Liegt evtl. daran, dass ich Angst habe, um den heißen Brei herumzuschreiben und kein angemessenes Ende zu finden. Vielleicht habt ihr ein paar Ideen, wie es in den nächsten ein, zwei Chaps weitergehen soll. Schreibt sie bitte zu euren Kommentaren dazu. Schon jetzt vielen Dank dafür, Eure Ri-chan Kapitel 16: Distance & Differences ---------------------------------- b]Kapitel 15: Distance & Differences Nun stand ich also vor der Firma meines ehemaligen Freundes, wenn man Kaiba so bezeichnen konnte, und starrte zum obersten Stockwerk. Das Wetter war für einen Novembertag ziemlich gut, die Sonne schien und blendete mich leicht, als ich zur obersten Etage, der Chefetage des Gebäudes, schaute. Es wehte ein leicht kühler Wind und dennoch war es noch angenehm. Gerade hatte ich einen Schritt auf den Eingang zu gemacht, klingelte mein Handy. Alles andere als hastig zog ich es aus meiner Jackentasche heraus, seufzte genervt, weil ich ein komisches Gefühl hatte. >Ist bestimmt Kaiba, der wissen will, warum ich allein und mit seiner Limousine einfach abgehauen bin und er wie ein Volltrottel am Flughafen rumsteht, weil niemand da ist, der ihn abholt.< Doch ich hatte mich vertan, wie sich nicht sehr viel später herausstellte. „Wenn du's bist, Kaiba, ich habe dir gesagt, dass ich nie wieder ein Wort mit dir wechseln will.“, keifte ich in das Telefon. „Ehm, Kyoko, ich bin's. Hast du gerade Zeit?“, fragte Yami zögernd. Gelangweilt warf ich einen Blick auf den Vorplatz. Seltsamerweise war dort niemand, obwohl sich normalerweise mindestens ein halbes Dutzend Leute vor dem Eingang tummelten, entweder um sich eine Zigarette zu rauchen oder weil sie auf irgendwen warteten - wobei irgendwen den Stinkstiefel bedeutete, der seine Firma sehr wahrscheinlich bald an meine Mutter verlieren würde. „Eh, hi Yami, schön, dass du anrufst. Ja, ja, klar hab' ich Zeit.“ Seine Stimme hörte sich etwas entspannter an, als zuvor. „Schön. Wo bist du gerade?“ „Ich stehe gerade noch vor der Kaiba Corporation, wieso fragst du?“ „Wir treffen uns in zehn Minuten vor dem Haupteingang.“ „A – Aber... das geht nicht, ich...“ Schon hatte Yami aufgelegt. Deswegen hasste ich die Männer. Immerzu glaubten sie, die Frauen, die sie begehrten, würden nach ihrer Pfeife tanzen. Aber was sollte ich machen? So herzlos, dass ich Yami versetzen würde war ich nicht, auch wenn ich es gerne sein würde. Wie hatte ich es noch formuliert? Ich wollte von allen Abstand nehmen und abhauen, weil mich alles ankotzt? So oder so ähnlich... Mir entfloh ein Seufzen. Also hatte ich wohl nur zehn Minuten. „Dann wollen wir mal.“ Schnurstracks ging ich auf die Eingangstüre der Firma zu, die nun teils Kaibas, teils Eigentum meiner Mutter war, die Kaiba Corporation; die Firma, bald vielleicht schon nicht mehr so heißen könnte, wie noch in diesem Moment. An der Türe angekommen, drückte ich an dem Griff und trat ein. Das erste, was mir auffiel, war, dass die ganzen Angestellten herum liefen, als wären sie nicht auf dieser Welt, als würde sie jemand anderes kontrollieren. Ihre Blicke sahen leer durch die Gegend und waren ausnahmslos nicht auf mich gerichtet wie sonst, wenn ich in die Firma meines Ex-Freundes gekommen war. Das zweite, was mir auffiel, war nicht die neue Innenausstattung, nein, die war noch immer die selbe wie die, die ich gesehen hatte, als ich das letzte Mal hier war, um meinen Bruder zu treffen. Nein, mir fiel auf, dass ich höflich begrüßt wurde, was nicht möglich war, würde Kaiba in seinem Büro sitzen und seine Sklavinnen herumkommandieren. Da wurde man als weiblicher Gast oder Kundin, die, sagen wir mal, nett und freundlich war, direkt von einer ebenfalls weiblichen Sekretärin, die, kleidungsbezogen, auf dem gleichen Level stand, wie ein billiger One-Night-Stand vom Bordstein gegenüber, schikaniert, nur, weil diese in der neuen Kundschaft eine Bedrohung für eine nicht existierende Liebesbeziehung mit dem Herrn Firmenchef bedeutete. Über die starken Veränderung ziemlich schockiert stieg ich in einen der vielen Aufzüge, nachdem man mir eine Frau zur Seite gestellt hatte, die mich nach oben geleiten sollte. Als wäre ich zum ersten Mal gewesen. So schwer zu finden ist das Büro des Firmenleiters nicht. Das befindet sich immer im obersten Stock – normalerweise sollte es das. Außerdem fuhr der Aufzug nach ganz oben, wenn man aus diesem ausgestiegen war, war es ein Kinderspiel, das Chefbüro ausfindig zu machen, da nur eine Türe so riesig und übermäßig verziert war, dass es schon fast an Kitsch grenzte. Auch hier liefen die Angestellten wie Zombies durch die Gegend, als hätten sie keinen eigenen Willen. „Miss Kaname erwartet Sie bereits.“, sagte die wie besessen wirkende Frau zu mir und senkte ihren Blick. „Danke. Sie können gehen.“ Die Dame verschwand nach einem kleinen Knicks, bevor sie mir den Rücken zudrehte, sah ich in ihre kalten, leeren Augen. >Irgendetwas stimmt hier nicht. Irgendwas stimmt mit denen nicht.< „Willkommen in meinem bescheidenen Büro.“ Meinen Blick nicht von ihrem Gesicht nehmend ging ich auf den Schreibtisch zu, der eigentlich Kaiba gehörte, vielleicht mittlerweile auch nicht mehr, nachdem ich die Türe, die, wenn man sie öffnete oder schloss, ein leises Knarren von sich gab, hinter mir geschlossen hatte. „Wieso bist du hier, Mutter?“ Sie stand aus dem Ledersessel auf, ging vor die verglaste Fensterfront und starrte nach draußen. „Das ist aber kein besonders herzlicher Empfang, meine Liebe. Immerhin bist du mein einziges Kind, mein geliebtes Töchterchen. Wir haben uns seit Jahren nicht gesehen.“ „Komm' zur Sache. Ich bin nicht hier, um mit dir zu plaudern.“, erwiderte ich scharf und setzte eine wütende Mine auf. „Warum so versteift, Riiko? Hattest du keinen angenehmen Flug?“ „Ich wiederhole mich ungern. Warum bist du hergekommen?“ Man hörte an meiner Stimme, dass mit mir nun kein gut Kirschen essen war. „Da sehen wir uns nach etlichen Jahren mal wieder und du hältst es nicht einmal für nötig zu fragen, wie es mir geht...“ Mit meinen geballten Fäusten schlug ich auf die Tischplatte. „Es interessiert mich nicht, wie es dir geht und was du die letzten Jahre getrieben hast! Ich will einzig und allein wissen, was der ganze Aufstand sollte und wieso du hier bist!“ Plötzlich wurde sie todernst und wandte sich zu mir um. „Nachdem du vor drei Jahren einfach abgehauen bist, wollte ich dich wiedersehen und dich nach Hause holen. Schließlich habe ich noch das Sorgerecht, das dein Halbbruder nicht beantragt hat.“ Sie schritt wieder auf mich zu, legte ihre Hand unter mein Kinn und zwang mich damit, ihr in die Augen zu sehen. In ihnen sah ich nicht mehr als Ablehnung, Wut und Niedertracht. „Das heißt, wenn ich es so will, wirst du, bis du erwachsen bist, also bis du zwanzig wirst, wieder nach Hause kommen. Bis dahin habe ich absolute Gewalt über dich.“ Ihr Gesicht zierte ein widerwertiges Grinsen, das ich ihr am liebsten aus ihrer mit kiloweise Botox und Make-Up beladenen Fratze geschnitten. „Das wagst du nicht.“, keifte ich ihr gereizt ins Gesicht. Ihre Hand griff nach meinem Handgelenk, die blutroten manikürten Fingernägel drückten sich in meine Haut. „Und ob ich das wage. Warte es nur ab. Ach ja, du wirst noch ein piar Dinge für mich erledigen. Ich will mir schließlich nicht meine Finger schmutzig machen.“ „Was meinst du damit?“ Erneut zeichnete sich auf ihren ebenfalls blutroten Lippen ein Grinsen ab. Langsam wurde sie mir unheimlich - was sag' ich, sie ist schon immer unheimlich gewesen, sowohl ihr Aussehen, als auch ihr mieser Charakter war mir schon immer ein Grauß gewesen (obwohl ich ihr Aussehen fast zu einhundert Prozent vererbt habe), doch nun sieht sie auf wie ein augedonnertes Schneewittchen mit rabenschwarzen, gelockten, hüftlangen Haaren, fast elfenbeinfarbener Haut, rauchig geschminkten Augen, roten Lippen und Fingernägeln, das in einem weißen Hosenanzug steckte, aus dessen Ausschnitt die mit Silikon ausgestopften Doppel-D-Brüste beinahe herausfielen. „Ich verlange eine kleine Gegenleistung, wenn ich dich und deine Freunde in Ruhe lassen soll.“ Nun wurde ich hellhörig. Was hatte sich meine Mutter nun schon wieder ausgedacht? „Und was ist diese Gegenleistung?“ „Du wirst mir die drei Göttermonster von deinem Freund, dem Pharao, beschaffen und eine Disk von Seto Kaiba entwenden, die du durch eine Disk mit einem Virus ersetzen wirst, die alle Dateien auf seinem Großrechner vernichten wird, sobald er die Software in das Laufwerk einlegt und das Programm startet.“ Einen Augenblick dachte ich über dieses Angebot nach. Diebstähle wie diese waren nicht besonders leicht, besonders nicht im Falle der CD, die ich aus Kaibas Büro stehlen sollte. Schließlich wohnte ich nicht mehr dort, was die Situation nicht gerade einfacher machte. Zähneknirschend nahm ich an - was blieb mir auch anderes übrig? Außerdem war ich scharf darauf, Kaiba eins auszuwischen, auch wenn das möglicherweise etwas zu weit ging. Was soll's. „Aber wie soll ich das anstellen? Ich kann nicht einfach hingehen und ihn fragen, ob er mir sie gibt. Das ist dir bewusst, oder?“ „Lass' deinen weiblichen Charme spielen, er wird dir im Nu verfallen sein. Dann kannst du ihm die Karten wegnehmen, ohne dass er es mitbekommt und dich verdächtigt.“ „Und wo finde ich diese Disk? Wie kann ich sie von anderen unterscheiden?“ „Sie befindet sich in dem Büro, das sich in seiner Villa befindet. Ich schätze, du wirst sie in seinem Rechner oder in seinem Schreibtisch finden. Den Rest musst du schon selbst machen. Es kann doch gerade dir nicht schwer fallen, deine Freunde zu betrügen. Schließlich wurdest du schon immer als eine Verräterin gebrandmarkt.“ Sie schritt an mir vorbei, auf die Türe zu. Wie Recht sie hatte. Schon immer war ich das schwarze Schaf gewesen, dem immer nur schlechtes angerechnet wurde. Nie hatte ich Freunde, Menschen, auf die ich mich verlassen konnte. Mein Vater hatte nie Zeit für mich, er was immer auf Geschäftsreisen. Meiner Mutter war es egal, was mit mir geschah, sie kümmerte sich lieber darum, dass sie noch genug Zigaretten und Alkohol im Hause hatte, für den Fall, dass sie und mein Vater wieder in einer Krise steckten – dann konnte sie sich betrinken und ihren Ärger an mir auslassen. In der Schule hatte ich nie Freunde gehabt, ich war eine typische Einzelgängerin. Doch seit ich hier war hatte sich alles geändert. Obwohl ich zu Beginn dachte, es wäre hier nicht anders als auf den letzten Schulen, wurde ich hier akzeptiert, sogar bewundert. Hier sah man mich als eine starke Persönlichkeit an, nicht als eine versessene, hochmütige Zicke, die gerne mal ein paar Schläge austeilte, wenn es nötig war. Yugi hatte mir die Augen geöffnet. Früher dachte ich immer, ich werde auch hier ausgegrenzt, aber selbst seine Freunde wollten mit mir befreundet sein, naja, bis auf Téa, die nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen war, mit der ich aber dennoch recht gut auskam, wenn es darauf ankam. Klar, sie war eifersüchtig, von Anfang an gewesen, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, als ob sie nie ein Feind meinerseits sein wollte. Es erinnerte mich an die Szene in der Mädchentoilette, als mich mein Bruder angerufen hatte und ich hinein gerannt war, auch, um Kaiba abzuschütteln. Téa war auch dort gewesen, sie hatte vor dem Spiegel gestanden und mich dann mit wütenden Blicken gestraft. >„Was ist los?“, hatte ich sie gefragt, doch sie hatte nichts darauf geantwortet. „Hör' zu, ich habe nicht vor, mich in eure Gruppe zu drängeln und mir eure Freundschaft zu erkaufen. Wenn du es willst, werde ich mich von dir, Yugi und den anderen fernhalten. Aber bitte, strafe mich nicht mit deinem Zorn. Ich will niemandem das Leben unnötig komplizierter machen, aber ebenso will ich, dass mir das Leben nicht schwerer gemacht wird.“ Sie lehnte sich mit ihrem gesamten Gewicht auf den Waschbeckenrand, vor dem sie stand und sah missmutig in ihr eigenes Spiegelbild. Dann brüllte sie mir folgende Worte ins Gesicht: „Was weißt du denn schon von Freundschaft? Du hast doch gar keine Ahnung, weil du niemanden hast, der dich mag, aber genau deswegen schmeißt du dich an Yugi ran, weil du niemanden sonst belagern kannst. Du bist echt das letzte!“ Mit dem Rücken lehnte ich mich an eine Wand, die nicht weit von Téa entfernt war. Ein Waschbecken war zwischen uns.„Ja, da hast du Recht. Ich habe keine Ahnung, wie Freundschaft ist. Immer war ich allein, von klein auf. Soweit ich mich erinnern kann, wurde ich immer hintergangen, man hat mich geärgert und bloßgestellt. Aber es gab eine Person, für die ich mich ändern wollte, und deshalb habe ich mich geändert. Weil ich diese Person damals liebte und auch immer noch da ist, weil sie mich liebt. Ich wollte mich ändern, meines älteren Bruders Willen, und das habe ich getan. Damals habe ich mich geändert und habe nicht mehr so gehandelt, wie ich immer behandelt wurde. Ganz im Gegenteil. Weil ich wusste, dass es jemanden gibt, der mich unterstützt, weiß ich, dass man nie allein ist. Deshalb solltest du nicht denken, ich wollte dich absichtlich aus deiner Clique werfen, ich will einfach nur Freunde sein, ein normales Leben führen. Wie gesagt, wenn du willst, werde ich mich von euch fernhalten, aber hindere mich nicht daran, Freundschaften aufzubauen. Jeder braucht irgendjemanden, einen guten Freund oder eine gute Freundin, auf die er sich immer verlassen kann, die immer für einen da ist, findest du nicht?“ „Du verstehst es nicht.“, sagte sie noch, bevor sie nach draußen stürmte und ich sie mit Kaiba streiten hörte. Auch Joey hatte sich nun zu mir gewandt, obwohl er skeptisch mir gegenüber war, besonders, als ich krank zur Schule kam und er mich mit Yami vor fand, der mich nach Hause bringen wollte. Doch als ich mich für ihn einsetzte, als er sich in einem Clinch mit Kaiba befand, hatte er sich sogar bei mir bedankt. An diesem Abend hatten wir noch viel gelacht, Joey, Yami und ich, wir hatten viele Späße gemacht und Joey hatte mir gesagt, dass ich doch nicht so ein Spießer wie Kaiba wäre. Ich könne ruhig öfter mit ihnen abhängen, wenn ich Zeit und Interesse hätte. Es war schön Freunde zu haben. Sollte ich sie jetzt wirklich alle hintergehen, nachdem ich mir hart ihr Vertrauen erkämpft hatte? ~*~ „Wohin gehst du? Wir sind noch nicht fertig miteinander.“, schrie ich meine Mutter an, die mittlerweile schon ihre rechte Hand auf die Klinge gelegt hatte. Ein letztes Mal drehte sie sich zu mir um. Wieder traf mich einer ihrer kühlen Blicke. Ein stecken in meiner Brust folgte, ich dachte, mein Herz wäre stehen geblieben. „Wir sehen uns schneller wieder, als dir lieb ist. Bis bald Riiko. Und vergiss' das Präsent nicht, das du mir versprochen hast. Sonst wird es ungemütlich – sowohl für dich, als auch für die Personen, die dir etwas bedeuten.“ Vor einer Minute hatte sie das Zimmer verlassen, ich stand noch immer wie angewurzelt da. >Ich darf mich nicht unterkriegen lassen.< Auch ich ging nun nach draußen, wo man mich wieder wie gewohnt anmaulte. Gekonnt ignorierte ich jedoch alle möglichen Beleidigungen und Zurufe, was ich in Kaibas Büro getan hätte, obwohl er nicht da gewesen war. >Komisch. Seit sie weg ist scheint hier alles wieder normal abzulaufen.< Gelangweilt stieg ich in einen Aufzug, fuhr ins Erdgeschoss und ging nach draußen, zeitgleich fuhr Kaiba in einem anderen Aufzug nach oben und ging in sein wie unberührt wirkendes Büro. Mittlerweile waren zehn Minuten vergangen, nachdem Atemu mich angerufen hatte. Ich stand vor der Kaiba Corp und wartete. „Hey!“, rief plötzlich eine Stimme, ich drehte mich um, in die Richtung, wo die Stimme herkam. Stürmisch umarmte er mich. „Schön dich wiederzusehen.“ „Äh...“ „Ich hab' mir Sorgen um dich gemacht...“ „Hör' zu, ich muss dir etwas sagen.“ Yami ließ mich augenblicklich los, trat einen kleinen Schritt zurück und wurde sofort ernst, seine Mine wurde steif. „Es ist nichts gutes, nehme ich an.“ Ich legte meine Hand an seinen rechten Unterarm, um ihm zu zeigen, dass ich ein Stück gehen wollte, was er gleich verstand. So entfernten wir uns weiter und weiter von Kaibas Firma. „Naja, weißt du, ich mache es kurz. Ich werde zurück zu meiner Mutter ziehen.“ „Wa – was?“ Ich hatte ihn nicht einmal angesehen, während ich mit ihm sprach, ich verzichtete, in sein von einem Schock gezeichnetes, trauriges Gesicht zu ziehen. „Weißt du, das alles hier hat mich ziemlich geschafft. Die ganze Sache mit Kaiba, meiner Mutter, meinem Bruder und dir, die ganzen Konflikte zwischen uns sind einfach zu viel geworden; ich habe mich mit jedem zerstritten, der mich unterstützen wollte und unterstützt hat, jetzt stehe ich allein da vor einem ganzen Haufen Problemen, in die ich niemanden hineinziehen will, der mich kennt, von daher schätze ich, dass die Streitereien doch nicht so schlecht waren, wie ich denke – “ „Jetzt mal langsam.“ „Deswegen will ich Abstand von allem nehmen und wegziehen. Doch jetzt will ich auf den Putz hauen, ich will meine Laune aufbessern. Kommst du mit? Ich will mir den Bauch vollschlagen und was trinken gehen, dann vielleicht mal auf die Tanzfläche eine Runde abrocken, dann nehm' ich mir ein Hotelzimmer und bereite mich nach einer großen Mütze Schlaf auf meinen Abgang vor. Lass' uns zusammen bis zum Morgen Party machen, das wird bestimmt lustig – “ Er fasste mich am Arm, zog mich zu sich, legte seine Hände auf meine Schultern und sah mich eindringlich an. Eine Windböe wehte mir eine Haarsträhne ins Gesicht. „Wie kannst du so was sagen? Ist es dir egal, wenn andere nicht wollen, dass du gehst? Bedeuten dir die Erinnerungen an die letzte Zeit und die Menschen, die dich kennen, gar nichts mehr?“ Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als hätte er das Blut in meinen Adern zu Eis erstarren lassen. Ein eiskalter Schauder lief mir über den Rücken. Den Ernst in seiner Stimme, seine Worte, die mich gefesselt hatten und nicht zuletzt sein Blick, mit dem er mir die Kehle zuschnürte, dass ich mich nicht dazu in der Lage fühlte, zu antworten, all dies machten mich bewegungsunfähig, sowohl körperlich, als auch geistig. Diese Augen raubten mir jeglichen Verstand, ich konnte mich ihm nicht entziehen, war ihm und seinen Blicken schutzlos ausgeliefert. Umso stärker würde der stechende Schmerz in meinem Herzen, bei dem Gedanken, dass er mir vertraute, mir sogar seine Liebe gestanden hatte, was ich mit einem Verrat beantwortete. Als ich mich nach etwa einer Minute Schweigens gefasst hatte – er hatte mich noch immer fixiert und sich nicht einmal gerührt – antwortete ich, versuchend, ebenso überzeugend zu klingen wie er: „Ich sehe keine andere Möglichkeit. Weißt du, hier erinnert mich alles an die letzten Wochen.“ „Willst du etwa alles vergessen, was du hier erfahren hast? Ist denn alles schlecht, was dir hier widerfahren ist?“ Langsam glaubte ich, er wollte in mir ein schlechtes Gewissen wecken. Er klang vorwurfsvoll, gleichzeitig traurig, was er mit Ernsthaftigkeit zu überspielen versuchte, aus welchen Gründen auch immer. „Von vergessen kann keine Rede sein, aber ich habe hier mehr schlechte als gute Erfahrungen gemacht. Aber jetzt lass' uns was trinken gehen.“ Mir war von vornherein klar gewesen, dass er einiges gegen meine Abreise einzuwenden hätte, aber konnte – aber vor allem – wollte ich wirklich darauf Rücksicht nehmen? Doch Atemu blieb weiterhin stehen, seine Blicke ließen noch immer nicht von meinen Augen ab. „Du bist ganz anders als vor ein paar Tagen. Du bist nicht mehr so spontan und offen wie sonst, sondern setzt dich selbst unter Druck. Was ist wirklich passiert während du weg warst?“ Ich wollte es ihm sagen, wollte Klarheit schaffen, aber ich spürte andererseits auch ein Gefühl, das mich davor abhielt, es ihm zu sagen. >Ich wollte doch aufhören mit dieser Gefühlsduselei, aber jetzt bin ich direkt wieder dabei, all meine Emotionen vor ihm auszuschütten und breitzutreten. Ich wollte doch ein für alle Mal damit anschließen, Gefühle wie Liebe heißen nur Schmerz.< Meine Hände legten sich in seine Armbeugen, worauf er die Hände von meinen Schultern nahm. Ich drehte mich um und starrte in den blauen Himmel. „Es ist nichts passiert, was vor unserer Abreise nicht auch passiert ist.“ „Das stimmt nicht und das weißt du auch.“ Ein Seufzen entfloh mir. „Es ist wirklich nichts passiert, das einzig erwähnenswerte wäre, dass ich mich mit Kaiba so zerstritten habe, wie noch nie zuvor.“ „Das allein kann nicht der Auslöser für dein jetziges Verhalten sein. Ihr habt euch schon oft gestritten, das war kaum zu übersehen. Aber selbst bei den heftigsten Auseinandersetzungen warst du nicht so, wie du jetzt bist.“ „Außerdem hat mir mein Bruder mir Stubenarrest aufgedrückt, weil ich seiner Meinung nach Kaiba belästigt hätte.“ Yami sah mich schief an, fing dann zu grinsen an. „Das hat dein Bruder bestimmt nicht so gemeint; ich meine, du belästigst doch niemanden, schon gar nicht Kaiba. Ich glaube kaum, dass er sich belästigt fühlen würde.“ „Zumindest meinte er, dass er seinen kleinen Bruder nicht in psychatrische Behandlung geben will, weil ich gerade dabei war, mich umzuziehen, als sie mich sprechen wollten.“ „Sie?“ „Na, Kaiba, mein Bruder und eine Bekanntschaft aus dem Hotel, wo wir uns aufgehalten haben. Er ist ungefähr so alt wie mein Bruder, vielleicht ein, zwei Jahre jünger.“ Sein Blick hatte sich verändert, sobald das Wort er über meine Lippen kam. Es schien ihn nicht ganz kalt zu lassen, wenn ich von anderen Männern sprach, mit denen ich meine Kontakte pflegte. „Achso.“ Wieder wandte ich meinen Blick auf die Straße und zu den vielen Menschen, die ihre Einkäufe erledigten, ab und zu sah ich Jungen und Mädchen in Schuluniformen. „Naja, jedenfalls wollten sie mich sprechen, aus welchen Gründen konnte ich immer noch nicht erfahren, weil mich mein Bruder zwischenzeitlich ins Zimmer nebenan gezogen und mir eine geklebt hat, weil ich mich, wie er sagt unerhört verhalten habe.“ „Das tut mir Leid.“ „Das muss es nicht. Ich war ziemlich sauer auf sie alle, weil Kaiba mir den womöglich schönsten Abend meines Lebens versaut hat, indem er im Restaurant angerufen hat, damit man mir die Nachricht überbringt, dass meine Mutter seine Firma während seiner Abwesenheit übernommen hätte und in seinem Büro sitzen würde. Da wollte ich mich mal etwas ablenken, schon macht er wieder alles kaputt. Das ist auch der Grund dafür, dass ich hier weg will. Immer wenn ich ihm über den Weg laufe, spielt sich alles wieder in meinem Kopf ab, von der Geschichte vor zehn Jahren im Heim bis heute. Solange ich hier bleibe, wird mich das verfolgen, da bin ich mir sicher. Daher will ich endlich einen Schlussstrich ziehen, auch, wenn es schmerzlich wird, ich werde sonst noch wahnsinnig.“ Yami schenkte mir einen skeptischen Blick, wandte sich dann aber der Straße vor uns zu. Wir gingen weiter, er sah mich wieder an. „Kann ich dich was fragen?“ „Natürlich.“ „Läuft da noch was zwischen dir und Kaiba? Was ich aus deinen Aussagen entnommen habe, scheint ihr euch mittlerweile nicht mehr gut zu verstehen.“ Mein Blick war starr gen Himmel gerichtet. „Hundertprozentig nicht. Er kann noch so sehr versuchen, mich zurück zu bekommen, ich kann und werde ihm keine Chance mehr geben.“ „Wirklich nicht? Nicht, dass ich Zweifel dir gegenüber habe, aber...“ „Kaiba und ich haben streiten uns immer, wenn wir uns sehen. Jetzt haben wir uns total zerstritten, ich habe mich von ihm verabschiedet, und zwar für immer. Zwischen uns läuft nichts mehr, außerdem waren wir nie ein Paar und wir werden definitiv keins werden.“ „Aber Kaiba hat mir gesagt...“ „Kaiba und ich gehen von nun an getrennte Wege. Das ich mich mit ihm eingelassen habe, war der größte Fehler, den ich je gemacht habe. Das einzige was zwischen uns war, dass er mich eingewickelt und ausgenommen, mich benutzt und sich nur mit mir abgegeben hat, weil er... entschuldige, ich weiche vom Thema ab.“ Schwungvoll drehte ich mich um, wobei mein Haar in einer leichten Windböe wehte. Auf meinen Lippen zeigte sich ein Lächeln. „Lassen wir das Geschwafel, komm', wir machen uns einen schönen Abend.“ Mittlerweile glaubte ich, dass Atemu zu merken schien, dass ich alle schlechten Erfahrungen verdrängen wollte, dementsprechend erwiderte er nichts auf meine letzten gesprochenen Sätze. Wir setzten uns in Bewegung und machten uns in eine Spielehalle auf. Sofort fiel mir wieder das Gespräch mit Mutter ein. >„Bring' mir seine Götterkarten und ich lasse dich und deine Freunde in Ruhe. Versprochen.“ hatte sie gesagt. „Aber wie soll ich das anstellen?“ „Lass' deinen weiblichen Charme spielen, er wird dir im Nu verfallen sein. Dann kannst du ihm die Karten wegnehmen, ohne dass er es mitbekommt und dich verdächtigt.“< Zugegeben, ich hatte meine Zweifel an ihrem Plan. Sollte ich tun, was meine Mutter mir sagte, würde er mir nie verzeihen, dass ich ihn so hintergangen habe. Sobald er heraus bekäme, dass ich ihm seine Karten – es sind ja nicht irgendwelche, sondern die besten im gesamten Duel Monsters Spiel – gestohlen hatte, würde er mich so verachten, wie alle anderen, ich hätte niemanden mehr außer mich selbst und meiner Mutter, die mich für ihren Profit zu Dingen zwingt, die ich nicht wollte. Aber war es nicht mein Ziel, unabhängig und allein zu sein? Ich wollte niemandem mehr ein Klotz am Bein sein, wollte meine eigenen Dinger drehen, wollte ohne Gefühle, ob Liebe oder Hass war ganz gleich, weiterleben, um nicht mehr verletzt zu werden? „Alles okay?“ „Äh, entschuldigung, wie bitte?“, entgegnete ich gedankenverloren. „Du scheinst sehr mit dir und deinen Gedanken beschäftigt zu sein.“ „Äh, ja, sorry.“ „Wohin gehen wir eigentlich?“ „Wohin willst du denn zuerst?“ „Ich weiß nicht, ich überlasse dir die Wahl.“ ~Einige Stunden später~ Wir waren in Spielehallen gewesen, durch den Park zu Kaibas Freizeitpark gegangen, wo wir Achterbahnen, Kettenkarussells und Geisterbahnen ausprobierten, hatten massig von Bonbons und Zuckerwatte genascht, waren ins Kino gegangen, wo wir uns mit einer riesigen Packung Popcorn und zwei großen Flaschen Cola im Gepäck einen der neuesten Thriller angesehen hatten, der im Programm stand, wobei ich mich versehentlich immer mal wieder an Yamis Arm geklammert hatte und er mich immer wieder beruhigen musste, dass es doch gar nicht so schlimm und vorbei sei. Seit nunmehr einer knappen halben Stunde schätzte ich, saßen wir in einer Bar an einem Tisch in der hintersten Ecke. „Ich weiß du möchtest nicht darüber reden, aber...“ „Erleichterung. Ich fühle Erleichterung.“ Mein Blick wanderte zu den leicht bekleideten jungen Frauen auf der Bühne. „Ich könnte das besser.“ „Wirklich.“ „Ich bin gleich zurück.“ „Was hast du vor?“ „Das wirst du schon sehen.“ „Darf ich mal?“ Langsam kämpfte ich mich durch die Masse, geradewegs auf die Bühne zu. „Danke sehr.“ Oben angekommen zog ich alle Blicke auf mich. Kurz darauf zog ich das rechte Haarband aus meinen Haaren, dann das, das den linken Zopf zusammenhielt, den Blick immer auf Yami gerichtet. Meine rechte Hand glitt zum Reißverschluss des Kleides, der sich unter meinem linken Arm befand. Yami erhob sich von seinem Platz, machte einen Schritt auf die Bühne zu. Kurz darauf hatte ich den Reißverschluss geöffnet und das Kleid hatte sich um meine Stilettos ausgebreitet. Nun bedeckte nur noch ein kurzes, schwarz-rotes Unterkleid meinen Körper bedeckte. Dann wandte ich meinen Betrachtern meinen Rücken zu, bewegte die Hüften, warf dann einen verführerischen Blick über die Schulter hinweg zurück zur jubelnden Menge. Einige Minuten später ging ich zu meinem Begleiter zurück, der noch immer wie angewurzelt da stand. Ausgelassen feierte ich noch eine Weile, nicht wissend, dass nicht nur die Menschen in der Bar meinen Auftritt gesehen hatten... ~Büro der Kaiba Corp~ Es war später Abend, niemand war mehr in der Firma, außer ihm. Mittlerweile waren fünfzig Prozent der Anteile an der Firma an Riikos Mutter übergegangen. Mit gefalteten Händen und einem starren Blick auf den Bildschirm saß ich an meinem Schreibtisch, als sich unerwartet ein schwarzes Fenster öffnete, worauf ein in weiß geschriebener Code gezeigt wurde. 4YEO. „4YEO. Nur für deine Augen bestimmt.“ Ich klickte auf den Schriftzug, worauf nur Sekundenbruchteile später ein Video begann. „Das ist nicht wahr...“ In der linken unteren Ecke des Bildschirms stand Datum und Uhrzeit, alles war nur ein paar Minuten her. Ich dachte, ich sehe nicht recht, als ich Riiko auf einer Bühne in einem Lokal tanzen sah, sich ausziehend und von ihm angestarrt wurde. Zeitgleich klingelte das Telefon. „Nettes Video, nicht wahr? Was sagen Sie zu dem Auftritt ihrer Freundin? Finden Sie nicht, sie macht das toll?“ „Sie ist nicht meine Freundin. Nicht mehr.“ „Oh, ich habe vergessen, dass meine Tochter Sie verlassen hat. Sie hat mir erzählt, dass sie wieder nach Hause kommt.“ „Hat sie das? Von mir aus kann sie das tun, ich habe nichts mehr mit ihr zu tun.“ „Sind Sie sicher, dass sie nicht mehr an meiner Tochter interessiert sind? Ist es Ihnen egal, dass sie mit ihrem Rivalen auf ein Hotelzimmer gehen wird?“ Meine Hände ballten sich zu Fäusten. >Sie tut was? Sie geht mit Yugi auf ein Hotelzimmer? Das... das... ist nicht möglich... nicht mit ihm...< „Wie bereits gesagt, sie ist mir egal.“, versuchte ich möglichst selbstsicher und unerschüttert zu antworten. „Dann wird Ihnen auch egal sein, dass sie bald für immer aus Ihrem Leben verschwinden wird. Denn bald wird sie von hier wegziehen und nie – ich wiederhole nie – wieder zurückkehren. Sie hat Sie abgeschrieben. Und wer weiß, vielleicht fängt sie ja mit ihrem neuen Freund ein neues Leben in ihrer alten Heimatstadt an...“ Biep, Biep, Biep... Ich spürte einen stechenden Schmerz in meinem Herzen, als ich daran dachte, was sie zur Zeit tat, was sie in Zukunft täte. Wütend schlug ich mit der flachen rechten Hand auf den Tisch. >Wieso bin ich noch immer auf andere Männer eifersüchtig? Wir haben uns auseinander gelebt, ich sollte mich damit abfinden. Aber wieso will ich das nicht? Hege ich noch immer Gefühle für sie?< ~*~ Gerade hatten wir die Bar verlassen, stand eine schwarze Limousine vor dem Eingang, eine mir bekannte Person stieg aus. Ein dunkler Anzug, rote Haare, halb offenes Hemd. Mein Bruder. „Das war ein recht guter Tag, findets du nicht auch? Zumindest der Teil, seit meiner Ankunft, nicht wahr?“, wandte ich mich Yami zu und strahlte ihn an, soweit es mir in meinem Zustand möglich war. „Riiko, ich will mit dir reden.“ Unbeeindruckt ging ich an ihm vorbei, drehte mich nach einem Seufzer zu ihm um. „Ach ja, willst du das? Tut mir sehr Leid, aber ich nicht mit dir.“ „Ich hätte dich nicht schlagen dürfen. Das tut mir Leid, ich habe als großer Bruder total versagt.“ „Das hast du wirklich. Und jetzt entschuldige mich, ich werde mir ein Hotelzimmer nehmen, weil ich weder nach Hause, noch zu Kaiba zurückgehen werde.“ Jun hob die Hand, um mich vor dem Gehen zu hindern. „Warte bitte.“ Noch bevor er seine Hand auf meine Schulter legen konnte, wies ich ihn mit einem eiskalten Blick zurück. „Ich wiederhole mich nur ungern. Ich komme nicht zurück und ich werde weder dir, noch Kaiba vergeben. Komm, Atemu, wir gehen.“ ~Im Hotelzimmer~ Rückwärts ließ ich mich auf das Doppelbett fallen. „Woah, bin ich satt! Ich glaube, morgen habe ich glatte zehn Pfund mehr auf den Rippen!“ „Das war alles andere als freundlich. Er hat sich bei dir entschuldigt.“ „Ich will nicht darüber reden.“ Er saß neben meiner Tasche, ergriff mein Handgelenk, als ich mich von ihm entfernen wollte. „Du bist nicht mehr die selbe, nicht das Mädchen, in das ich mich verliebt habe.“ „Bedank' dich bei Kaiba, er hat das ganze zu verschulden. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich möchte kurz duschen gehen.“ Ich löste mich aus dem Griff und ging ins Bad, wo ich den Warmwasserhahn aufdrehte, danach den des Kaltwassers, zog mein Kleid, meine Strümpfe und meine Unterwäsche aus und stieg unter die Dusche. Plötzlich schossen mir die Erinnerungen der letzten Woche durch den Kopf. Von meinem Motorradunfall, von der Fahrt in einem frisch gekauften Bugatti, dem Turnier, unser erster Kuss. Der Abend, an dem ich weggelaufen war und mich Kaiba wiedergefunden und mit zu sich nach Hause genommen hatte. Unsere erste gemeinsame Nacht. Aber auch unser Streiten, unsere Aggressionen, unsere Beleidigungen. Nicht zuletzt die Einmischungen meiner Mutter, die mich dazu zwang, alle hier zu täuschen. Tränen liefen über meine Wangen, tropfen vom Kinn, unbemerkt und versteckt durch das Wasser aus der Brause, auf die Pfütze, die sich um meine Füße herum gebildet hatte. Mein leises Weinen hatte sich zu einem lauten Schluchzen entwickelt, dass selbst durch das Wasser nicht übertönt wurde. „Alles in Ordnung bei dir?“ Atemu musste mein Schluzen mitbekommen haben, er stand vor der Türe und klopfte dagegen. Leicht, aber dennoch gut zu hören. Eine Weile sagte er nichts, dann vernahm ich ein weiteres Klopfen. Ich gab keine Antwort. Yami klopfte erneut an die Türe. „Was ist los?“ Wieder gab ich keine Antwort. Ich sah, wie sich langsam die Türe öffnete, ein mir durch das milchige Glas der Schiebetüren der Dusche fleischfarbener Fleck am Boden war zu sehen, dann ein dunkles Bein, sein dunkler Oberkörper und seine nackten, fleischfarbenen Arme. Zuletzt sah ich sein undeutliches, nicht erkennbares Gesicht. Der Schatten seines Körpers hatte sich auf das milchige Glas geworfen, das mich von ihm trennte. „Ist alles in Ordnung?“ Nun sah ich auch sein Gesicht, oder zumindest einen Teil davon durch das undurchsichtige Glas. „Nichts ist in Ordnung! Rein gar nichts!“, schrie ich mit meiner in Tränen fast erstickten Stimme. Die fleischfarbenen und dunklen Flecke bewegten sich wieder, Yami musste an das Fenster getreten sein. „Willst du drüber reden?“ Ich antwortete nicht. Eigentlich wollte ich alles raus lassen, andererseits wollte ich doch von allem und jedem weg, mich distanzieren, wozu also noch mehr Nähe schaffen? Unsicher, was ich antworten sollte, hielt ich es für besser, wenn ich nichts darauf antwortete. „Du kannst mir alles sagen, das weißt du.“ „Ich brauche nur einige Zeit für mich, um allein zu sein und über alles nachzudenken, das ist alles.“ Wieder bewegte er sich, wieder ging er auf die Türe zu, öffnete sie und ging nach draußen. „Ich werde warten.“, kam über seine Lippen, dann schloss er die Türe. Ich saß noch eine ganze Weile unter dem heißen Wasserstrahl, bis irgendwann das Wasser kälter wurde und ich beschloss, mich abzutrocknen, um mir keine Erkältung einzufangen. Mit einem Handtuch um den Rumpf, das bis zur Mitte meiner Oberschenkel reichte. Yami wandte mir den Rücken zu, er saß auf einem Sofa und spielte ein mir nicht bekanntes Spiel. „Das Bad ist frei, wenn du duschen willst...“ Ein weiteres Handtuch lag auf meinem Kopf, leicht rubbelte ich mein Haar trocken. „Sieh' mal, das habe ich eben gefunden, als ich mich umgesehen habe. Willst du auch mal? Es würde dich bestimmt ein wenig ablenken.“ „Du brauchst nicht wegen mir zu bleiben. Von mir aus kannst du auch nach Hause fahren, ich rufe dir ein Taxi.“ „Nein, ich bleibe hier. Es hätte ein schlechtes Gewissen, würde ich dich allein hier lassen.“ Noch immer saß er auf dem Sofa und starrte auf den Fernseher, ich sah, wie sich ein violettes Auto an einigen anderen vorbei drängelte, die versuchten, ihm den Weg zu versperren. Langsam bekam ich ein schlechtes Gewissen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, einfach zu sagen, ich würde für immer wegziehen? „Tut mir Leid, dass ich dich eben so angefahren habe. Das war keine Absicht.“ „Das macht nichts. Ich verstehe dich und weiß, dass du zur Zeit eine schwierige Phase durchlebst, dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen.“ „Dreh' dich bitte kurz um, ich ziehe mir eben etwas über.“ „Lass' dir Zeit, ich gehe mich ebenfalls kurz duschen.“ Aus meinem Koffer kramte ich einen hellblauen, gewaschenen und noch unbenutzten Schlafanzug, den ich Yami reichte. Schließlich konnte er nicht in seinen normalen Kleidung schlafen. „Hier, ich leihe dir einen Schlafanzug. Hoffentlich passt er dir, mir ist er zu groß.“ „Danke.“ Er verschwand im Bad, ich zog Unterwäsche und ein mir zu langes weißes Shirt mit einem roten, leicht abgewaschenen Aufdruck, einer sechsundsechzig, das früher meinem Bruder gehört hatte, über, was in mir die Erinnerungen weckte, daran, dass wir immer so glücklich waren, wir zwei am Stadtrand gewohnt und unser Leben gemeinsam und ohne Sorgen gelebt haben, bis zu dem Tag. Der Unfall hatte alles geändert. Alles. >Ich darf nicht weiter daran denken. Ich muss vergessen, vergessen!< Auch zog ich eine rote Shorts an, verschloss dann meinen Koffer wieder und stellte ihn neben das Bett. Noch immer flimmerten Bilder über den Fernseher, das Spiel lief nicht mehr. Auf einem dunkelblauen Feld stand groß 'Pause', im Hintergrund sah man ein Standbild des violetten Wagens und einige der computergesteuerten Gegner. Gelangweilt ging ich darauf zu, nahm einen Controller in die Hände und spielte das Spiel. Es war ein ziemlich langweiliges Rennspiel. Nebenbei bemerkte ich, dass der violette Wagen, meiner, einen starken Drang nach links hatte, vielleicht lag das aber nur an der miserablen Steuerung in meinen Händen. Vielleicht war aber auch die Software oder das Gerät daran Schuld, vielleicht war es auch ein Resultat eines schweren Auffahrunfalls, den ich mit dem Wagen gebaut hatte. Die gesamte Beifahrerseite war eingedrückt, die Motorhaube war schon lange nicht mehr da, ich konnte den Motor und weitere Gerätschaften erkennen, von denen ich allerdings nicht einen Namen kannte, der zu diesen gepasst hätte. Autos waren nicht gerade mein Spezialgebiet gewesen. Egal, wie sehr ich es versuchte, mein Wagen wurde immer wieder von anderen Wagen von der Straße abgedrängt und unbrauchbar gemacht. Es war so ziemlich alles dabei, was es als Unfall gab. Durchbrechen der Leitplanke, das Stürzen in eine tiefe Schlucht, Massenkarambolagen, den Wagen von allen Seiten einkesseln und gegen eine Häuserwand rasen lassen, Versenkungen in einfache Böschungen und Staßengraben. Immer und immer wieder flackerte dick und in rot Game Over über den Bildschirm. „Scheiß Teil!“, kam es mir immer wieder über die Lippen. Plötzlich hörte ich wieder Yamis Stimme hinter mir. Erschrocken fuhr ich hoch. „Zur Zeit ist es auf einen Zwei-Spieler-Modus eingestellt. Allein kannst du nicht gewinnen.“ Ich erwiderte nichts darauf, rückte stattdessen ein Stück auf dem Sofa, damit sich Yami neben mich setzen konnte. „Danke nochmal für die Sachen.“ „Kein Problem. Wie ich sehe, passen sie dir.“ Er nickte, sah dann wieder auf den Fernseher. „Gib' mir mal den zweiten Controller.“ Unsere Hände berührten sich, als ich ihm die zweite Steuerung reichte, er sah mir tief in die Augen. Auch ich sah ihn an. >Hör' auf. Das ist nicht richtig. Das darf nicht passieren.< „Hör' mir zu. Du weißt schon lange, dass ich in dich verliebt bin. Obwohl du mir schon vor geraumer Zeit im Krankenzimmer sagtest, dass du diese Gefühle nicht erwidern kannst, und doch habe ich nie aufgehört, an dich zu denken. Ja, ich liebe dich noch immer und ich muss gestehen, ich male mir, seit ich weiß, dass es zwischen Kaiba und dir kriselt und ihr nun kein Paar mehr seid, mehr Chancen aus, als zuvor.“ Für einen Augenblick setzte mein Verstand aus, ich merkte nichts mehr, da waren nur noch seine Worte in meinem Kopf. >Wieso stellst du dir plötzlich vor, dass Kaiba das zu dir sagt? Atemu steht vor mir, aber du denkst an Kaiba! Moment, wieso denkst du überhaupt an ihn? Wieso sind dir diese Worte nicht egal?< Yami kam mir immer näher, ich reagierte nicht mehr. Er legte seine Hände an meine Wangen, schloss die Augen, als seine Lippen nur noch wenige Millimeter von meinen entfernt waren. >Wehr' dich! Du darfst nicht zulassen, dass er...< Ein paar Worte vom Autor ICH HABE FERTIG! So oder so ähnlich war mein erster Gedanke, als ich mit der Aufteilung des gesamten Chapters in diesen und einen nur halbfertigen Teil und nicht zu vergessen des Korrektur-Lesens fertig war. Zu Anfang war ich total unmotiviert. Aber ich dachte so: »Das kannst du deinen Lesern nicht antun, du bist froh, dass überhaupt jemand deinen Senf ließt, also setz' dich hin und schreib' dir die Finger blutig, komme, was wolle!!!« Naja, endete dann damit, dass ich ein halbes Dutzend Seiten fast ausschließlich Dialoge getextet hatte, aber nix dazwischen. Keine Gemütszustände, keine Beschreibungen von Orten oder irgendeinem anderen Zeug, einfach nichts! Gestern dann, am 12. Juli, hatte ich irgendwie so viele Ideen, dass ich dachte, mein Kopf würde in die Luft gehen. Kam dann auf die Idee, das mal zu überarbeiten, was auch dringend nötig war, ich mein, wer ließt schon gerne 5 Seiten wörtliche Rede, ohne Punkt und Komma... Wieso erinnert mich das an Effi Briest von Fontane, was ich vor einigen Wochen angefangen habe zu lesen... habe bei Seite 54 aufgehört, weil die 10 Seiten lang reden und reden und reden und re... stop! Jedenfalls weiß man schon nach drei Seiten nicht mehr, wer was sagt. xDDDD So was kann ich nicht ab, also habe ich versucht, die Verwirrungen von wegen wer sagt was etc. auf ein Minimum zu reduzieren. Und, wie ist mir das gelungen? Was meint ihr? Ist das ein einigermaßen gutes Kapitel oder eher ein Griff ins Klo? Ist es mir gelungen, Rii-chan so darzustellen, dass sie nicht so richtig weiß, was sie machen soll? Ist ihre Verzweiflung gut rüber gekommen oder sollte ich das nochmal überarbeiten? Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. ^o^ Liebe Grüße, eure Yuuki-chan Kapitel 17: As if she'd never existed ------------------------------------- Ein paar Worte vom Autor Ich weiß, ihr musstest lange warten, sogar seehr lange. Genau gesagt sogar über ein halbes Jahr. Aber jetzt ist es da - das neue Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch. Es war nämlich dieses mal besonders viel Arbeit, weshalb ich besonders froh dafüber bin, dass es endlich fertig ist. +_+ Ich bedanke mich schon jetzt bei euch für's Lesen und für die Kommentare. Liebe Grüße, eure Yuuki-chan P.s.: Wer Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehlerchen findet, darf sie behalten! xD ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ „Hör' mir zu. Du weißt schon lange, dass ich in dich verliebt bin. Obwohl du mir schon vor geraumer Zeit im Krankenzimmer sagtest, dass du diese Gefühle nicht erwidern kannst, und doch habe ich nie aufgehört, an dich zu denken. Ja, ich liebe dich noch immer und ich muss gestehen, ich male mir, seit ich weiß, dass es zwischen Kaiba und dir kriselt und ihr nun kein Paar mehr seid, mehr Chancen aus, als zuvor.“ Für einen Augenblick setzte mein Verstand aus, ich merkte nichts mehr, da waren nur noch seine Worte in meinem Kopf. >Wieso stellst du dir plötzlich vor, dass Kaiba das zu dir sagt? Atemu steht vor mir, aber du denkst an Kaiba! Moment, wieso denkst du überhaupt an ihn? Wieso sind dir diese Worte nicht egal?< Yami kam mir immer näher, ich reagierte nicht mehr. Er legte seine Hände an meine Wangen, schloss die Augen, als seine Lippen nur noch wenige Millimeter von meinen entfernt waren. >Wehr' dich! Du darfst nicht zulassen, dass er...< Kapitel 17. As if she'd never existed Ein Schauer, aber einer der angenehmeren Sorte, jagte mir über den Rücken, als er seine Lippen auf meine drückte. Ich bekam eine Gänsehaut, je länger er seine Hände über meinen Körper wandern ließ. Behutsam, aber bestimmend, drückte er mich auf das Sofa, sodass ich nun unter ihm auf dem Sofa lag. „Sei heute Nacht mein.“, flüsterte Atemu, dessen Gesicht ein leichtes Rot angenommen hatte, mit verführerischer Stimme in mein Ohr, nachdem er den leidenschaftlichen, fordernden Kuss beendet hatte. Widerwillig drückte ich ihn leicht von mir. „Nein, ich will nicht.“ „Wieso nicht?“, fragte er nun, „Ich dachte, du wärst nach dem Dilemma mit Kaiba wieder zu haben.“ Er begann meinen Hals zu küssen und ließ seine rechte Hand unter mein Shirt wandern. „Ich will es tun und zwar nur mit dir, Kyoko. Keine könnte dich ersetzen, ich will dich!“ Meine Haut fühlte sich an, als würde sie in Flammen stehen, an den Stellen, an denen er mich berührt hatte. Es kribbelte in meinem Bauch, doch es war weder ein wohliges, noch ein schreckliches Gefühl. Es war wie eine Achterbahnfahrt, als er mir tief in die Augen sah und in seinem leicht rötlich schimmernden Gesicht ein Lächeln auf seinen Lippen zeigte. Es war nicht das erste Mal, doch ich dachte, dass er in mein Herz sehen könnte, alles sehen konnte, was in mir vorging, das selbe dachte, wie ich. Einerseits war ich froh darüber, dass er mitfühlen konnte, auf eine Weise, wie Kaiba es nie hätte tun können. Dennoch war es - trotz dieses 'Gedankenlesens' und seiner ganz eigenen Art mitfühlen und helfen zu wollen - auch ein Schmerz verursachendes Gefühl in mir, dass mir sagte, dass ich ihn nicht belügen konnte und eine beschönigende, das schlimme herunterspielende Rede nichts bei ihm bezwecken würde. Immer wenn ich log, schien er es zu wissen, immer, wenn ich etwas auf dem Herzen hatte oder mich etwas belastete, kam er zu mir und fragte mich, was los sei. Dies alles ließ mich wieder daran denken, dass ich ihn nicht das machen lassen sollte, was er wollte - auch, wenn er mich sicherlich nicht dazu zwingen würde, heute Nacht mit ihm zu schlafen - bloß um ihm einen Gefallen zu tun oder gar, weil ich Mitleid mit ihm hatte, weil er, so zeigte er es jedenfalls, unsterblich in mich verliebt zu sein schien, ich aber seine Gefühle nicht erwiderte, was ihn bisher nicht einmal, sondern häufig verletzt hatte. Trotzdem hatte er immer wieder versucht, mein Herz zu erobern, bisher allerdings erfolglos, weshalb ich trotzdem Traurigkeit empfand, nicht zuletzt, weil ich dachte, dass er etwas besseres als mich verdient hatte. Zaghaft und auch ein wenig vorsichtig betastete er meinen Körper. Sofort schoss mir der Satz 'Ich zerbreche schon nicht.' durch den Kopf, den ich auch Kaiba schon mal an den Kopf geworfen hatte, als auch er einmal etwas weniger grob, sondern eher feinfühling mit mir umgegangen war. Ein leichtes Lächeln huschte mir über die Lippen, das aber genauso schnell wieder verschwand, als ich die Augen schloss und eine Träne aus meinem linken Auge lief. Obwohl es nur eine kleine Träne war, die mir entfloh, sah mich Yami einen Moment lang eindringlich an und legte seine rechte Hand auf meine linke Wange. „Ich werde dich nicht zwingen, wenn du nicht willst.“, meinte er leise und wischte die Träne fort. „Aber du weißt, dass ich mir nichts sehnlicher erhoffe.“ Sofort lief er knallrot an, als ich begann leise zu lachen. „Ich meine damit nicht, dass ich nur auf deinen Körper aus wäre. Nicht, dass er nicht schön wäre, du bist wirklich ein wunderschönes Mädchen. Aber...“, stammelte er verlegen und sah weg. Lächelnd legte ich den Zeigefinger meiner rechten Hand auf seine Lippen. „Das weiß ich doch. Von dir hätte ich auch nicht erwartet, dass du nur aus rein sexuellen Begierden heraus, damit du später damit vor anderen angeben könntest mit mir die Nacht verbringen willst.“ Sichtlich erleichtert atmete Atemu auf und das einer Tomate Konkurrenz machende Rot in seinem Gesicht hatte sich zu einem leichten Schleier auf seinen Wangen reduziert, was mich erneut zum Lachen brachte. „Entschuldigung. Ich hätte nie gedacht, dass du in solchen Dingen so verhalten reagierst.“ Nun begann er zu grinsen, jedoch weitaus breiter, was mir ein wenig Angst einjagte. >Wer weiß, auf welchen Gedanken ich ihn nun gebracht habe.<, dachte ich. Plötzlich spürte ich eine seiner Hände an meiner Shorts, die er mir leicht herunter gezogen hatte. Mit zwei Fingern spielte er an meiner Unterwäsche herum. „Weißt du denn nicht? Ich bin ein Mann der Taten und keiner, der um den heißen Brei herum redet.“ Im nächsten Moment stand er auf und trug mich auf seinen Armen zum Bett. Etwa auf der Hälfte des Weges blieb er stehen und drehte uns beide um die eigene Achse. „Ich wünschte, dass ich dich auch nach Gottes Segen über die Türschwelle tragen könnte...“, flüsterte er. Niemand konnte von ihm behaupten, dass er nicht vorausschauend in diesem Sinne war. Wie es mir schien und er es mir zeigte war er schon ziemlich lange total verknallt in mich gewesen (nicht, dass ich es nicht geahnt hätte) und hatte sich alles mögliche vorgestellt, was er mit mir angestellt hatte. Vorhin schon die Andeutung, dass er mit mir schlafen wolle, wenn ich einverstanden wäre, jetzt eine Anspielung auf eine Hochzeit! Für einen Augenblick schwiff ich ab, während ich mir vorstellte, wie er in einem schwarzen Anzug vor dem Traualtar stand und ich in einem prächtigen, wunderschönen schneeweißen Kleid mit Schleppe und Schleier in die Kirche eintrat. Welches Mädchen hatte nicht den Traum, die eigene Hochzeit zu einer Märchenhochzeit zu verwandeln? Doch als er seine Lippen bewegte und diese vier wundervollen Wörter aussprach, mich sanft ansah und mich behutsam auf das Bett legte, war ich sofort wieder in der realen Welt. „Du bist so wunderschön.“ Zärtlich berührte er meine Wange. „Wenn ich doch nur... wenn du...“ Er verharrte in seiner Position und verstummte. Einige Tränen liefen ihm über die Wangen. „Atemu, ich...“ Bevor ich weiterreden konnte, drückte er mir seine Hand auf den Mund. „Sag' nichts. ich will es nicht hören. Aber bitte...“ Er machte eine Pause und atmete tief ein. „Bitte, bleib' nur noch bis morgen früh. Und wenn du nur neben mir schläfst, es würde mir genügen. Das einzige, was ich will, ist, dass du nur dieses eine Mal bei mir bleibst, damit ich in Zukunft an diesen Tag zurückerinnern kann, ohne an den schrecklichen Tag danach denken zu müssen.“ Verständnisvoll sah ich ihn an. „Ich verspreche es dir. Ich bleibe hier.“ Ihm schien ein rieisger Stein vom Herzen zu fallen, als er die Hand auf seine Brust legte und leise ausatmete. „Danke.“, sagte er, ebenfalls sehr leise und schaute mir in die Augen. Seine klaren, wundervollen Augen waren so schön gewesen in dem gedimmten Licht, dass im Zimmer für ein warmes Licht sorgte. Es war schön zu sehen, dass er sogar jetzt noch lächeln konnte. Kurze Zeit später spürte ich starke Schmerzen in meinem Unterleib und presste meine Hand auf meinen Bauch, um sie ertragbar zu machen. Als dies nichts nützte, ging ich schweigend zum Bad und schloss die Türe hinter mir. Atemu hatte mir nur nachgesehen, aber ebenfalls nichts gesagt. Ich hatte bestimmt zehn Minuten im Bad verbracht, doch es hörte einfach nicht auf weh zu tun, worauf ich beschloss bei einem der Hotelangestellten nachzufragen, ob sie Schmerztabletten im Hause hatten. „Alles in Ordnung? Du siehst blass aus.“, stellte Yami fest und sah zu mir auf. Besonders lange betrachtete er die Hand auf meinem Unterleib. „Ja, alles okay. Ich hab' mir bestimmt nur den Magen verdorben.“, erwiderte ich und ging zum Telefon, das nicht weit entfernt auf einem kleinen Regal stand, wählte eine am Telefon festgeklebte Nummer und benachrichtigte eine Frau an der Rezeption, dass ich nach Schmerztabletten verlangte. „Ich werde sofort jemanden hochschicken, der Ihnen die Tabletten bringt. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“, fragte die Frau mit einer freundlichen Stimme. Nach einem leisen „Nein, danke“ legte ich auf und ging zum Bett, wo ich mich hinsetzte und mir die Hände in den Bauch drückte. „Dir ist vielleicht das viele süße Zeug auf den Magen geschlagen.“ „Wahrscheinlich hast du Recht.“, antwortete ich belämmert, doch ich wusste, dass dem nicht so war. Schon die ganzen vergangenen Tage über hatte ich Schmerzen, aber sie waren nie so schlimm wie jetzt geworden. „Vorausgesetzt die Schmerzen halten nicht schon mehrere Tage an. Dann würde ich an deiner Stelle einen Arzt aufsuchen.“ „So schlimm wird es schon nicht sein!“, rief ich hastig und energisch zugleich und sprang vom Bett auf. „Ich bin hart im nehmen! So was überstehe ich!“ Sofort fasste ich den Entschluss, gleich morgen früh in eine Drogerie zu gehen und etwas einzukaufen, da ich so einen Verdacht hatte, ihn aber nur ganz sicher ausschließen wollte. Auch, wenn ich nicht überzeugt davon war, dass es etwas brachte, aber ich wollte es einfach klar stellen, wenn es da etwas gab, worüber ich noch reden sollte, bevor ich wegzog. ~ Am nächsten Morgen ~ Mir stieg der Geruch von frisch aufgesetztem Kaffee in die Nase, als ich wach wurde. Einige Sonnenstrahlen, die durch das große Fenster rechts von mir gefallen waren, kitzelten auf meiner Haut und schafften eine leichte Wärme. „Guten Morgen.“, sagte eine sanfte Stimme, die ich als die von Atemu identifizierte, nachdem ich mich auf dem Bett aufsetzte und mir den Schlaf aus den Augen rieb. „Morgen.“, antwortete ich müde und gähnte mir in die Hand. „Wie spät ist es?“ „Kurz nach neun, wieso?“, fragte Yami, der mit einem Frühstückstablett in der Hand auf das Bett zukam und mich mit einem Lächeln im Gesicht musterte. Einen Augenblick lang zögerte ich, doch erwiederte dann ein „Ach, nur so.“, was ihm ein wenig zu verwundern schien. Ich setzte mich im Bett auf und gähnte ein weiteres Mal, während ich mich reckte und streckte. Nichtsdestotrotz ließ er es sich nicht nehmen, mit einem Lächeln an das Bett zu treten und das Tablett, das man auf dem Bett abstellen konnte, ohne dass es umfiel, vor mich zu stellen, damit ich alles bewundern konnte, was er für mich hergerichtet hatte. „Ich wusste nicht, was du so magst, deshalb war ich einkaufen, als du noch geschlafen hast. Zum Glück bist du nicht wachgeworden, bevor ich wieder kam und das Frühstück vorbereiten konnte.“, sagte er und setzte sich neben mich auf die Bettkannte. Meinen erstaunten aber gleichzeitig auch etwas verwirrten Blick auf das vollgestellte Tablett schien ihn sehr zu erfreuen, weil er noch immer lächelte und auch zwischendurch ein ganz leises Kichern von sich gab. „Das wäre nicht nötig gewesen.“, erwiderte ich und staunte dabei über Atemus Ideenreichtum. Auf dem Tablett stand alles, was man normalerweise zum Frühstück verspeiste. Ein Glas Orangensaft, eine Tasse heißen Kaffee, daneben eine kleine Schüssel mit Reis, eine längliche Schale, worauf ein geräucherter Fisch lag, aber auch ein Teller, auf dem eine Scheibe Brot lag sowie etwas Butter und Belag wie Wurst und Käse. Auch Marmelade und Honig war, einzeln portioniert, auf dem Tablett zu finden. „Doch, es war nötig. Den Tag des Abschieds will ich dir so angenehm wie möglich machen.“ Er griff nach meiner rechten Hand und sah mich eindringlich an, was mir eine leichte Röte auf die Wangen trieb. „Du bist hier jeder Zeit willkommen. Wenn du mal wieder nach Domino kommst, würde ich mich freuen, wenn du mal bei Yugi und mir vorbeischaust.“ Die Schamesröte in meinem Gesicht zu verstecken versuchend, neigte ich den Kopf nach vorn und starrte auf meine Finger, die wie von selbst an der Decke herumspielten. Ich nickte kaum merkbar, worauf mir Yami einen Kuss auf die rechte Wange gab und meinte: „So, jetzt trink' mal deinen Kaffee, sonst wird er kalt. Oder magst du keinen Kaffee?“ „Yami... bitte mach' es mir nicht schwerer, als es schon ist.“, sagte ich leise, worauf Yamis Freude sofort verschwand und er sich langsam zu mir umdrehte. Ich stellte das Tablett neben mich auf das Bett, stand auf und senkte den Kopf. „Ich kann nicht anders. Ich bin es mir selbst schuldig, weil ich mir sonst mein Leben lang vorhalten würde, dass ich nicht alles dafür getan hätte, dass du bei... uns bleibst. Außerdem hast du einen besonderen Abschied verdient, findest du nicht?“ Er schluchzte leise und versuchte seine Tränen zu verbergen, was ihm allerdings nicht sonderlich gelang. „Es tut mir Leid. Wenn ich könnte, würde ich bleiben. Schließlich tut es mir auch weh, dass ich wegziehen muss. Es ist nicht leicht, ganz im Gegenteil. Es ist verdammt schwer, die ganzen Erinnerungen von hier einfach loszulassen und wegzugehen, Gott weiß für wie lange. Aber was soll ich machen... ich kann nicht zu Kaiba, ich kann nicht zu meinem Bruder, ich kann nicht zu dir. Aber ich muss zu meiner Mutter. Selbst wenn sie mich nicht zwingen würde, dass ich zu ihr zurückkehre, hätte ich keinen Ort, zu dem ich gehen könnte. Das ist nun mal so, damit muss ich mich abfinden; genauso wie du und die anderen sich damit abfinden müssen, dass ich gehe. So was nennt man...“ „Schicksal.“, unterbrach mich Yami mit gesenktem Gesicht und trat auf mich zu. „Ja, es ist Schicksal...“, flüsterte ich, fasste ihn an den Händen und sah ihn eindringlich an. „Du weißt nicht, wie sehr es mir Leid tut. Viel zu oft habe ich anderen Leuten Unrecht getan, aber ganz besonders dir.“ Eine Träne lief über meine Wange, bis aus einer Träne viele wurden und ich weinte. Plötzlich ließ ich seine Hände los und schlug mir selbst ins Gesicht, worauf Atemu, dem der Schock ins Gesicht geschrieben stand, nach meinen Handgelenken griff und mich anschrie. „Hör' auf, dich selbst für deine Fehler zu bestrafen! Jeder Mensch macht Fehler, aber das ist kein Grund, so auszuflippen!“, rief er, versuchend mich zu beruhigen, doch auch er fing sich eine, als mein Körper nicht mehr meinem Willen folgte. Bis Atemu mich im Griff hatte vergingen einige Minuten, bis ich heulend auf die Knie fiel und ihm ins Gesicht blickte. Auch ihm standen Tränen in den Augen. Das sonst immer so strahlende Violett in ihnen hatte sich in ein tristes verwandelt, das die Leere in seinen Augen vertiefte. „Du bist nicht Schuld, an dem, was passiert ist. Keiner hat Schuld und am allerwenigsten du, hast du mich verstanden?“ ~Am Mittag des selben Tages~ Mittlerweile stand ich mit Yami in der vollbesetzten Bahn und war auf dem Weg zu Kaibas Villa, wo ich mir den Haustürschlüssel unseres alten Hauses und den Rest meines Gepäcks abholen wollte. Noch immer machte ich mir Vorwürfe wegen meines nicht geplanten Handels der letzten Zeit. Immer wieder hatte ich mir selbst gesagt, was ich hätte tun sollen, aber auch solches, was ich nicht durfte, was ich in Zukunft auf jeden Fall sein lassen sollte, doch ich hatte es nie geschafft, mich an diese 'Vorsätze' zu halten, egal wie sehr ich es auch wollte. Es war wie eine Sucht - auch, wenn man noch so sehr aufhören wollte, irgendwie kam man meistens doch nicht davon weg und fing wieder und wieder an, obwohl man sich geschwören hatte, mit dem Ganzen ein für alle Mal Schluss zu machen. Man sagte sich, ich schaffe das schon, ich widerstehe der Versuchung, aber wenn dieses Suchtmittel direkt vor einem war, in Reichweite lag, dann konnte man meistens doch nicht sagen, ich wollte aufhören, sondern gab nach und sagte sich, das hier ist das letzte Mal, das nächste Mal tue ich es nicht wieder. Aber diese Lügerei war alles reiner Schwachsinn. Es war Schwachsinn gewesen, zu denken, ich könnte einfach von hier weg. Im Grunde wollte ich nicht, die anderen wollten es auch nicht, aber es ging nicht anders. Meine Freunde waren ein Suchtmittel, die Freundschaften eine Droge und die Liebe... ja, die Liebe war ein Rauschgift, das einem zuerst ein schönes Gefühl verschaffte, eine Extase, aber dann, früher oder später, bekam man die Nebenwirkungen zu spüren. Sie tat weh, machte einen krank und kaputt und letzten Endes war alles wie vorher, nur noch viel beschissener. Wie naiv war ich bloß gewesen, zu denken, dass ich einfach so aufhören konnte zu leben? Eine Nachwirkung von diesem Gift? Hatte es mich so krank gemacht, dass ich den Bezug zur Realität verloren hatte? Ich wusste es nicht und konnte mir keinen Reim darauf machen, warum es so war. Denn früher war ich jahrelang eine Einzelgängerin gewesen und hatte nichts mit Freunden oder einem festen Freund am Hut, und trotzdem hatte ich überlebt. Aber jetzt, wo beides zu genüge in meinem Leben eine Rolle spielte, kam ich nicht mehr so einfach davon weg. Ja, eigentlich kam ich gar nicht mehr davon weg. Es war doch zum heulen. Das eigene Glück stand mir im Weg. Blieb ich bei ihm stehen machte ich andere unglücklich, was mich letzten Endes auch unglücklich machen würde. Wie egoistisch. Würde ich einfach an ihm vorbeigehen, wäre ich unglücklich, meine Mitmenschen wären auch unglücklich. Wie selbstlos. Es war ein Labyrinth ohne einen Ausweg, aber auch ohne einen Preis, wenn man seine Mitte erreicht hatte. Alles war trostlos, leer und grausam. Das Schicksal war trostlos, leer und grausam. Die ganze Welt war trostlos, leer und grausam. Welch' Ironie. Obwohl mir Atemu immer wieder gesagt hatte, dass ich nicht diejenige sei, die den ganzen Schlamassel verursacht hatte und ich mir deshalb nicht den Kopf zerbrechen sollte, dachte ich immer wieder darüber nach, wieso ich nicht einfach weiter hätte leben können, ohne sowohl Kaiba, als auch Atemu jemals getroffen und so kennen gelernt zu haben. Das Problem war allerdings, dass man die Zeit nicht zurückdrehen konnte, was ich zu gerne getan hätte, um den Lauf der Dinge für die anderen in sofern hätte ändern können, dass sie nie meiner Abreise wegen getrauert hätten, da sie mich nicht kennen würden. „Hey... Ist dir immer noch schlecht? Du sagst die ganze Zeit nichts mehr.“, sagte Yami auf einmal. „A-Alles okay!“ „Wirklich?... Du bist ganz aber blass.“, erwiderte er und zog mich etwas näher an sich heran, damit ich nicht in der Menschenmasse abhanden kam. „Mir geht's aber gut.“, meinte ich trotzig, doch ihn schien das recht wenig zu interessieren. Stattdessen sah er einfach über meine Aussagen hinweg, als hätte ich gar nichts gesagt und er hätte nichts wahrgenommen. „Deine Beine zittern.“ „A...“ Gleich legte er einen Arm um mich und drückte mich an sich. „Lehn' dich ruhig an mich.“, kam es leise von ihm, während er den Kopf nach vorn neigte und mir einen kaum spürbaren Kuss auf meinen Kopf gab. Eine ganze Weile schwiegen wir uns an, der Zug hatte sich geleert und es waren nur noch recht wenige Menschen in dem Waggon, in dem wir uns befanden und obwohl so viele Plätze frei waren waren wir stehen geblieben und hatten uns minutenlang nicht bewegt. „Du musst an der nächsten Station aussteigen, oder?“, fragte er und legte die Hand, die vorher auf meinem Schulterblatt gelegen hatte, auf meinen Unterarm, womit ich mich ein wenig von ihm distanzieren konnte. „J-Ja...“, antwortete ich ohne aufzusehen. Es war mir peinlich, dass ich rot geworden war, als er mich umarmt hatte. Eine freundlich klingende Frauenstimme ertönte über die Lautsprecher an den Decken der Waggons. „Nächster Halt: Domino City, Hauptbahnhof. Ausstieg in Fahrtrichtung links. Bitte Vorsicht beim Verlassen des Zuges...“ Nachdem wir aus dem Zug ausgestiegen waren, machten wir uns zur Einkaufsstraße auf, weil Atemu unbedingt darauf bestanden hatte, mich bis zu Kaibas Villa zu begleiten, was mich alles andere als freute. Klar, er wollte sich ordentlich von mir verabschieden, aber er sollte nicht wissen, was ich einkaufen wollte. Gott weiß, auf was für Gedanken er kommen würde, wenn ich mit diesem kleinen Päckchen in der Hand aus einem der vielen Läden käme, einem Päckchen mit der Aufschrift... „Hey! Schon wieder in Gedanken versunken?“, fragte er belustigt und wedelte mit der linken Hand vor meinem Gesicht herum. „Wach werden, Kyoko!“ „T- Tut mir Leid. Ich habe wieder zu viel nachgedacht...“, flüsterte ich, als kurz darauf mein Handy klingelte. Die Nummer wurde unterdrückt, ich wusste nicht, wer am Ende der Leitung war. „H - Hallo?“ „Riiko!“ Sofort lies ich meine Handtasche und meinen Koffer zu Boden fallen und hielt auch mit der nun freien Hand nach meinem Handy. „Papa?!“, rief ich laut hinein, da die vielen hundert Menschen um uns herum, die sich einen Weg zu ihrem Zeil suchten und sich langsam, aber drängelnd und in Form einer riesigen, aus Menschen bestehenden Weinrebe an mir und Yami vorbeimogelten, einen schrecklichen Lärm verursachten. „Es ist schön nach so langer Zeit wieder mit dir zu reden. Wie geht's dir, meine Kleine?“, fragte mich mein Vater freudig, ebenfalls mit leicht erhöhter Lautstärke, damit ich ihn verstand. Im Hintergrund hörte man ebenfalls viele Leute reden, aber es war nicht ganz so laut, wie es bei mir war. Augenblicklich stiegen mir Tränen in die Augen. Ich weitete die Augen. Mein Vater rief mich an, nach so vielen Jahren? Es war so schön, dass er endlich wieder anrief, aber warum hatte er sich schon mehr als zwei Jahre lang nicht um mich gekümmert? Er hatte mir an Weihnachten und meinem Geburtstag immer Briefe geschrieben, ein paar Mal im Jahr hatte ich mit ihm telefoniert, aber das letzte Lebenszeichen war schon lange nicht mehr wahr. So lange hatte er nichts von sich hören lassen und jetzt, auf einmal, da meldete er sich? „Ich habe dich in den Medien gesehen. Du weißt gar nicht, wie stolz ich auf dich bin. meine starke, tapfere, mutige Riiko!“ Yami schaute mich irritiert an und nahm sowohl meine Handtasche, dessen Gurt er sich über die Schultern warf, um ihn über die Brust zu legen, als auch meinen Trolley, den er genauso zerrend hinter sich her zog, wie mich, nachdem er mich an meinem linken Handgelenk gepackt und aus der Menschenmasse zerrte, nicht gewaltsam, aber stets darauf achtend, dass wir uns nicht verloren. Er steuerte auf ein kleines Gemäuer an, dass an einen kleinen Park grenzte, ließ dort angekommen den Koffer an die Mauer stehen und setzte sich auf das mir bis knapp unter die Hüfte reichendes Mäuerchen, um mich wieder etwas fragend anzuschauen und den vielen Menschen bei ihren Einkäufen zuzusehen. „Wieso hast du dich nicht schon früher gemeldet? Ich habe immer auf deine Nachrichten gewartet, aber es ist nie etwas angekommen!“, schluchzte ich und wischte mir mit dem Ärmel meiner Strickjacke die Tränen aus dem Gesicht. Die Wimperntusche verwischte dabei und hinterließ einen bleibenden, schwarzen Fleck auf der weißen Stickerei, die sich an beiden Enden der Ärmel befand. Links neben Atemu setzte auch ich mich nun, worauf mir Yami einen Arm um die Schulter legte, was mich ein wenig zusammenzucken ließ, weil ich mich nicht darauf vorbereitet hatte und ich mich fragte, wieso er das tat - schließlich wusste er nicht mal genau, worum es eigentlich ging. „Ja, ich habe mich lange nicht gemeldet, aber dein Bruder hat mich kontaktiert. Er sagte, dass deine Mutter sich zu sich holen will und hat mir in Ansätzen geschildet, was passiert ist und sie schon alles getan hat, um euch einzuschüchtern. Ich habe im Fernsehen gesehen, dass man auf dich geschossen hat, aber das sie das angezettelt hat hätte ich nie für möglich gehalten. Aber du brauchst dich nicht weiter zu fürchten, ich bin schon auf dem Weg zu dir. Ich bin am Flughafen, Jun wird mich gleich abholen.“ „Du bist schon hier...", meinte ich traurig und sah meine Stiefel an, während ich die Beine etwas baumeln ließ. Mein Vater, den ich mehrere Jahre über nicht gesehen hatte, rief mich an und tat so, als wäre nichts erwähnenswertes passiert in den zweieinhalb Jahren, in denen er kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Aber jetzt, jetzt meinte er, er müsste extra hier her kommen und mir in den Hintern kriechen? Sich entschuldigen, dass er mich vergessen hat, weil er mit sich und seinem Job beschäftigt gewesen war? Über zwei verdammte Jahre hinweg? Was sollte dieses Getue eigentlich? Jeder meinte, sich in mein Privatleben einmischen zu müssen, egal, ob Familie, Freunde oder sonst wer. Sie entschieden über meinen Kopf hinweg und taten so, als wäre ich nicht anwesend oder könnte nicht für mich selbst sprechen. Man könnte jetzt sagen, sie würde mir zu helfen versuchen, aber wer sagte denn, dass ich diese Hilfe wollte? „Freust du dich denn nicht mich wiederzusehen?“, fragte er kurze Zeit später etwas bedrückt. Im Hintergrund hörte ich wieder das Gequatsche von vielen Leuten und laute Musik, aber auch das Gerappel und Gequietsche von vorbeifahrenden Autos. Zwischendurch war eine laute Ansage zu hören, die einen bestimmten Flug ankündigte; sie übertönte sogar die Stimme meines Vaters, der sowieso schon recht laut in das Handy redete. „Es wäre schön gewesen, wenn du dich schon vorher mit mir in Verbindung gesetzt hättest und nicht erst zu diesem Anlass. Versuch' dich mal in meine Lage zu versetzen! So lange Zeit hast du nichts von dir hören lassen, aber jetzt meinst du einen auf lieben Papa machen zu müssen!“, schnauzte ich in das Telefon und tupfte mir erneut die Tränen aus dem Gesicht und wieder blieb ein schwarzer Fleck auf meinem linken Ärmel zurück. Dass die Schminke in meinem Gesicht nun ganz im Eimer war, kam mir gar nicht in den Sinn, doch selbst wenn, das war mir gleich. Das einzige, was mich beschäftigte, war die Konversation mit meinem Vater - alles andere um mich herum hatte ich ausgeblendet. Eine Weile schwieg mein Vater, bis er tief einatmete und wieder zu sprechen begann. „Ich wünschte, es wäre nicht so eskaliert...“ Erneut machte er eine Pause, die ich mit einem leisen Gemurmel füllte. „Wünschte... was bringt mir das jetzt noch! Mama schickt michgeradewegs in die Hölle und du machst dir irgendwo tausende Kilometer entfernt ein schönes Leben mit deiner neuen Familie...“ Sofort fragte er, was ich gesagt hatte, doch ich erwiderte bloß ein „Ich hab' nix gesagt. Musst du dir eigebildet haben.“, worauf er gleich weiter begann zu reden. „Wo bist du gerade? Jun und ich werden gleich zu Seto Kaiba fahren. Apropos Seto Kaiba, er ist dein Freund, oder?“, fragte er und versuchte, meine schlechte Laune zu vertreiben. „Nein, ist er nicht. Ich bin gerade unterwegs, komme aber kurz bei ihm vorbei, um mein restliches Gepäck abzuholen.“, antwortete ich, noch immer wütend und traurig zugleich, dass ihm nach Jahren eingefallen war, dass er noch eine Tochter in Japan hat; vielleicht hat er es auch gar nicht gemerkt, vielleicht hat er es auch nur in den Medien gesehen, statt selbst darauf zu kommen. Im Augenwinkel bekam ich mit, dass Yami nach diesem Satz eine eigenartige Bewegung machte. Wahrscheinlich hatte er gemerkt, dass von Kaiba die Rede war, was ihm missfiel, was er sich aber nicht anmerken ließ. „Sollen wir dich ab...“ Weil ich wusste, was er nun fragen würde, unterbrach ich ihn und redete bewusst noch etwas lauter. Bestimmend und stur, kühl und auch ein wenig sauer klangen meine Worte. „Nein, ich gehe zu Fuß. Wir sehen uns später. Bis dann.“ „Bis dann...“ Möglicherweise wollte mein Vater noch etwas sagen, doch ich legte auf und seufzte. Atemu, der mittlerweile meine Schultertasche neben mich abgestellt hatte, schwieg und hob meine Taschen auf, doch ich nahm ihm meine Handtasche aus der Hand. „Es geht schon. Könntest du mir da vorn“, ich zeigte auf einen bestimmten Laden in der Einkaufsstraße, in der wir uns gefanden, „etwas zu trinken holen? Ich gehe nur eben in die Drogerie, ich brauche ein paar Sachen. Dauert nicht lange.“ „Ich kann auch eben mit gehen. Dann gehen wir zusammen was trinken.“ „Nein. Ich brauche sowieso nur ein paar Frauen-Utensilien, nur so ein paar Dinge... nichts spannendes.“ Yami verstand sofort und nickte, wandte sich von mir ab und verschwand in der Menschenmenge. Währenddessen ging ich in die Drogerie und kaufte etwas, eigentlich nur einen Artikel, bezahlte ihn und packte ihn in eine Plastiktüre, bevor ich vor den Laden ging und nach Atemu Ausschau hielt. Dieser stand plötzlich hinter mir und schaute auf die Tüte, die ich in den Händen hielt. Unglücklicherweise war die Tüte etwas zu klein für den Karton gewesen und der Aufdruck, der den Inhalt bestimmte war zu erkennen. Bevor Yami jedoch einen genaueren Blick auf das eingekaufte werfen konnte, stopfte ich es so schnell es ging in meine Handtasche, in der Hoffnung, dass er nicht bemerkt hatte, worum es sich bei dem Inhalt des Pakets handelte. „W-Wir sollten weitergehen. Ich hab' nicht mehr viel Zeit.“ ~ Seto's POV ~ Er war heute absichtlich nicht zur Firma gefahren. Nachdem sie gesagt hatte, sie wolle alsbald ihre restlichen Sachen abholen, hatte er beschlossen, die Arbeit zu Hause zu erledigen oder sie gleich für den gesamten Tag ruhen zu lassen, da er heute nicht die Konzentration gesaß, um sich mit seiner Arbeit zu beschäftigen. Ganz im Gegenteil, er konnte nicht aufhören an sie zu denken und daran würde selbst die beste Ablenkung nichts nützen, egal ob ein gutes Buch, ein spannender Film im Fernsehen oder ein kurzes Stelldichein mit irgendeiner ihm unbekannten Frau, die er gleich danach wieder vor die Türe setzen und mit der er sich nie wieder unterhalten würde. In der Firma würde ihn sowieso nur jeder aufregen und ihn für jedes noch so kleine Anliegen oder Problem ansprechen, was ihn allein bei dem Gedanken daran rasend machte. Minuten fühlten sich wie Stunden an. Ständig warf er einen Blick auf sein linkes Handgelenk, an der er eine silberne, prozige Rolex trug, dessen Zeiger so langsam weiterzuspringen schien, dass er dachte, die Batterie würde langsam ihren Dienst quittieren. So sehr er sich auch abzulenken versuchte, er konnte seinen Kopf einfach nicht frei bekommen. Ständig waren seine Gedanken nur bei ihr, die wahrscheinlich erst in ein paar Stunden vorbeikäme, um die restlichen Sachen, die sie nicht auf ihren Urlaubstripp mitgenommen hatte, abzuholen. Sie machte ihn sauer, so sauer, dass er schon teuerstes Porzellan an die Wand geworfen hatte, dass in tausende Splitter zersprungen war. Die Scherben lagen noch immer an der Wand, da er sie immer wieder betrachtete, wie sie dort lagen, auf dem Parkettboden und dem Flokati, gleich neben der Türe. All ihre Taten hatten ihn wütend gemacht und dennoch hatte er das Gefühl ihr doch nicht böse sein zu können. Im Grunde genommen war Riiko ihm ähnlich. Sie brauchte die Abwechslung und das Risiko in ihrem Leben wie eine Pflanze Wasser und Licht brauchte, um zu gedeihen. Ein Lächeln huschte auf seine Lippen, als er daran dachte, wie sie sich nach ihrem Motorradunfall angestellt hatte. Sie war so ungestüm gewesen, gleichzeitig aber auch wie ein immerzu schweigendes, oft weinendes Mauerblümchen. Das Mädchen hatte so viele Fascetten gezeigt in den wenigen Monaten, in denen sie mit ihm unter einem Dach gelebt hatte. Sie war jemand, der immer stark sein wollte, aber es nicht immer konnte. Sie war jemand, der nie eine Schwäche zeigen wollte, aber es nicht immer verbergen konnte. Es war unmöglich sie mit einem Wort zu beschreiben, dass all ihre Charaktereigenschaften und Launen, ihr Aussehen und ihren Willen miteinfing. Nie hatte ihn ein Mensch des anderen Geschlechts dermaßen fasziniert, wie sie. Sie war außergewöhnlich, denn auch wenn sie sehr durchschnittlich zu sein schien, sie war nicht ein einfaches Mädchen von nebenan, sie war das Mädchen, sein Mädchen und würde es immer sein. Es war bereits kurz nach drei, als zwei Personen sein Anwesen betraten. Riiko kam, in Begleitung. Yugi, sein Rivale in nahezu allem, was ihm wichtig war, ging neben ihr. Kaiba spürte die Eifersucht, die sich wie ein Feuer von seinem Herzen aus in seinem gesamten Körper ausbreitete, als er aus dem Fenster starrte und die beiden auf die Haustüre zugehen sah. Wieder und wieder fragte er sich, was wohl zwischen den beiden passiert sein könnte, wagte es aber nicht, sich seine teilweise nicht jugendfreien, perversen Gedanken vollständig auszumalen. Nur Gott wusste, was nun zwischen den beiden war oder nicht und dies war genau das, was Kaiba so ärgerte. Auch wenn er genau wusste, dass es ihn nichts mehr anging, mit wem sich Riiko herumtrieb und mit wem sie sich traf, es war frustrierend für ihn, sie nicht mehr in seinen Armen halten zu können und sagen zu können „Lass' deine Finger von meinem Mädchen!“, um allen zu zeigen, dass das wundervolle Wesen, das er so bewunderte, nur ihm gehörte und er es mit niemandem zu teilen brauchte. Als Riiko aufsah, erblickte sie Seto in einem der vielen Fenster und bleib stehen. Es verging viel Zeit, so dachte er zumindest, als sie sich beide sahen und keiner von beiden die Blicke abwenden wollte. Doch kurze Zeit später ging sie weiter und schaute kurz zu Atemu, der sie fragte, wieso sie plötzlich stehen geblieben war. Als sie weiterging und ein weiteres Mal aufschaute, zu dem Fenster, wo Kaiba vorher gestanden hatte, war niemand mehr zu sehen und auch hinter den anderen Fenstern verbarg sich niemand. Am Haupteingang der Villa angekommen öffnete Seto Kaiba persönlich nur wenige Sekundenbruchteile nach dem Läuten der Klingel die mehrere Meter hohe Mahagonitüre, die mit einem leisen Quietschen aufging. Die Türe stand schon lange offen und ein kühler Herbstwind wehte in die Einganshalle der Villa, doch niemand der Anwesenden wagte es sich zu rühren. Alle drei standen nur da und warfen Blicke auf den Gegenüber. Während Kaiba seinen Blick zwischen dem Mädchen und dessen Begleiter wechselte, wobei Art und Länge des Blickes sehr unterschiedlich waren, richtete sein Rivale Atemu seinen Blick eisern auf den Mann, der seine rechte Hand noch immer auf der Türklinke ruhen ließ. Doch Riikos Blick war leer und nicht mit Emitionen gespickt, im Gegenteil. Ihre Augen durchbohrten alles, ohne zu bemerken, was sie ansahen, bis sie ihren Kopf nach vorn senkte und die Augen schloss. „H-Hallo.“, sagte sie leise und ballte ihre Hände zu Fäusten. Niemand erwiderte etwas auf diesen gequält klingenden Gruß. Nur Kaiba bewegte sich nun und machte den beiden mit einer Handbewegung klar, dass sie endlich eintreten sollten. „Ist Mokuba da? Oder Jun?“, fragte eine ängstliche Stimme, die ganz offensichtlich die von Riiko war. „Jun ist noch unterwegs, er müsste aber gleich wieder da sein. Mokuba ist bei Freunden und wird erst am späten Nachmittag wieder hier sein“, antwortete Kaiba mit ausgefallener Kühle, ließ seinen Blick aber weiterhin auf ihr ruhen und betrachtete jede ihrer Bewegungen genauestens. Riiko erwiederte drauf nur ein leises „Gut.“, bis sie auf eine der vielen Türen im Erdgeschoss zu ging und in dem dahinter liegenden Raum verschwand. „Kaiba, kann ich dich kurz allein sprechen? In einem Raum, an dem sie nicht mithören kann, was wir sagen.“, fragte Atemu den in einem nur zur Hälfte zugeknopftem schwarzen Hemd, einer engen, aber dennoch nicht weniger gut aussenden Hose und in ebenfalls schwarzen Lackschuhen gekleideten Seto Kaiba. „Wenn's unbedingt sein muss...“, murrte angesprochener und beide gingen in das große Wohnzimmer nebenan. Eine angenehme Wärme ging dort von dem brennenden Karmin und dem gedimmten Licht aus. Die Möbel waren in champagnerfarben gehalten und passten sehr gut in dieses sehr mediteran eingerichtete Zimmer. „Ich weiß ja nicht, was zwischen dir und Kyoko abgelaufen ist, aber...“, setzte Yami an, doch bevor er seinen Gedanken zu Ende aussprechen konnte, unterbrach ihn Kaiba: „Rück' schon endlich raus mit der Sprache, Yugi. Ich habe nicht ewig Zeit.“ Während er das sagte, krempelte er sich die Ärmel seines Hemds bis zur Mitte der Unterarme um, was seine protzige, silberne, im Licht aufblitzende Rolex an seinem linken Handgelenk zum Vorschein brachte. „Sie hat etwas gekauft, bevor wir herkamen.“, sagte Atemu und prüfte sein Gesicht mit seinen Augen, um zu sehen, wie er wohl reagieren würde. „Na und?“, fragte Kaiba desinterressiert und beschäftigte sich noch immer anderweitig, da ihm dieses Gespräch unter vier Augen, ausgerechnet mit seinem Erzrivalen hinsichtlich der Liebe, als auch seines Spiels, sichtlich zu entnerven schien. Dieses Mal rückte er eine Vase zurecht, die auf einem nahegelegenen Tisch stand. „Es war ein Schwangerschaftstest.“ Augenblicklich fiel Seto die Kinnlade herunter, versuchte dies aber möglichst dezent und unauffällig zu tun. Nun drehte sich Kaiba vollends zu seinem Gesprächspartner um, da er vorher leicht mit dem Rücken zu Yami dort gestanden hatte, der seine von einem Schock gezeichneten Gesichtszüge sofort bemerkte. „Sie hat was? Warum sollte sie sich einen Schwangerschaftstest kaufen?“, fragte er misstrauisch, gleichzeitig klang auch Schrecken und Empörung mit. Seine eisblauen Augen blitzten bedrohlich auf, als dachte er, er wolle den um einiges kleineren Duellkönig erwürgen, wenn dieser nicht die Wahrheit gesagt hatte. Die letztere Frage war eigentlich überflüssig gewesen - warum sollte sich ein Mädchen wohl einen Schwangerschaftstest kaufen, der weder für ihre Mutter bestimmt war, da sie kaum und wenn nur sehr schlechten Kontakt pflegte, noch für eine Freundin hätte sein können, denn so etwas wie eine beste Freundin, die mit ihr durch dick und dünn ging, hatte sie hier in Domino nicht gehabt. Also konnte er nur für sie selbst sein. Nichtsdestotrotz hatte Kaiba nun mal diese Frage gestellt, was jetzt auch nicht mehr zu ändern war. Der Fragende hoffte nun bestimmt, dass der Gegenüber die letzte Frage nicht mitbekommen oder schon vergessen hatte, doch dies war scheinbar nicht der Fall. „Ich dachte, es geht dich vielleicht etwas an, weil ich nicht wüsste, warum sie sonst dafür Verwendung dafür finden würde. Wenn es sich bewahrheiten sollte, ist es auf keinen Fall von mir, weil ich nicht mit ihr geschlafen habe. Also muss es von dir sein, vorausgesetzt, sie hat ihn für sich gekauft und ihr habt...“ Erneut wurde Atemu von Kaiba unterbrochen. Letzterer erhob seine Stimme und machte dabei seine Ignoranz und seine Arroganz deutlich. „Ich sehe keinen Sinn und Zweck darin, gerade mit dir über ein derartiges Thema zu reden und bin nicht der Meinung, dass du über mein Liebesleben Bescheid wissen solltest...“ Diesmal war es an Yami, Seto zu unterbrechen. Diese Unterhaltung nahm mehr und mehr die Art eines Duells an, bei dem jeder das Ziel hatte zu gewinnen und den Gegner mit allen nur möglichen Mitteln in die Knie zu zwingen. Ob jetzt mit Karten oder mit Argumenten sei jetzt dahingestellt. „Ich will nicht wissen, ob ihr Sex hattet oder nicht. Außerdem geht es mich nichts an, was ihr getan oder gelassen habt, während eurer Beziehung. Ich wollte es dich nur wissen lassen und dir sagen, dass, wenn sie schwanger sein sollte, du vielleicht der Vater von ihrem ungeborenen Kind bist. Sie war gestern Abend schlecht drauf und ihr war lange und sehr übel.“, sagte Yami, zunächst mit gesenktem Kopf, um Kaiba nicht zu zeigen, dass es auch für ihn unangenehm war, über das Thema zu sprechen, zumal sie beide auf ein und das selbe Mädchen standen, was mehr oder weniger offensichtlich war, dessen Liebesleben von ihren Verehrern durchdiskutiert wurde. Doch dann hob er den Kopf und sah ihm in die Augen, was klare Willensstärke ausdrückte. „Also bitte! Verschone mich mit deinem Geschwafel. Es könnte doch auch von dir sein, schließlich fliegst du schon seit Monaten auf sie. Und letzte Nacht wart ihr zwei allein auf einem Hotelzimmer, ihr wart ungestört und sie war leicht angetrunken, du hattest möglicherweise auch etwas intus, wer weiß, was ihr zwei getrieben habt... ich hab' sie schließlich auch rumgekriegt und es war ganz leicht...“ Wacker versuchte er, den Brechreiz zu vertuschen, bei dem Gedanken, dass er nicht der einzige gewesen sein könnte, der eine Nacht mit Riiko verbracht hatte. Aber nicht nur das: Jetzt kam eben dieser Yugi an und meinte, sie wolle testen, ob sie schwanger sei, von dem auch immer. Bei dem Gedanken, dass seine geliebte Riiko von einem anderen Mann, von Yugi, schwanger sein könnte, stieg ihm die Galle hoch. Auch wenn er es leugnete, Seto wollte Riiko für sich allein haben und wenn sie schon schwanger sein sollte, dann sollte es wenigstens ein Miniatur-Kaiba sein und nicht so ein stachelköpfiger Punk mit Aberglauben und über fünftausend Jahre alten Pharaonenwurzeln. „Du kannst jedem diesen Quark erzählen, aber bei mir brauchst du damit gar nicht erst anzukommen.“, sagte Seto schließlich abweisend und kühl. Bevor Yami noch etwas darauf erwidern konnte, verließ Kaiba den Raum und warf die Türe schwungvoll hinter sich zu. Eiligen Schrittes ging er die Treppen hinauf, weil es ihm schneller erschien, als auf den Aufzug zu warten und mit diesem in den zweiten Stock zu fahren. Etwas aus der Puste kam er auf dem Korridor der zweiten Etage an. Alle Türen, die den Gang von einem angrenzenden Zimmer trennte, waren geschlossen, auch die Schlafzimmertüre. Langsam ging er auf die Türe zu, leise, um möglichst keinen Ton entweichen zu lassen, der ihn ankündigte. Es war schwierig für ihn, einen Fuß nach dem anderen in ihre Richtung zu heben und einen weiteren Schritt nach vorn zu machen. Zu wissen, dass Riiko sich in einem der Zimmer befand und ihr Zeug zusammenpackte, um vermutlich, und das war das schlimmste an der ganzen Sache, für immer aus seinem Leben zu verschwinden. Seine Schritte wurden langsamer, bis er schließlich wenige Meter von der Türe entfernt stehen blieb und den Kopf senkte. Er schloss die Augen, um der quälenden Stille zu lauschen, bis er plötzlich ein lautes Klirren vernahm, das aus dem Schlafzimmer gekommen war. Wie in einem Trancezustand gefangen lief er automatisch zur nächsten Türe und riss diese auf. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimme versagte, als er Riiko sah, die vollkommen aufgelöst und verstört vor einem zerbrochenen Bilderrahmen auf dem Boden kniete, um die Scherben aufzusammeln. Sie hielt ein Polaroidfoto in den Händen, das sie aus dem Scherbenhaufen genommen hatte. „Riiko!“, rief Kaiba schließlich, eilte auf sie zu, fiel neben ihr auf die Knie. „Es wird so sein, als hätte es mich niemals gegeben.“, sagte sie leise, ihr leerer Blick wanderte zu dem Bild in ihren Händen, das sie mit einer schnellen Handbewegung in zwei Hälften zerriss. Die Hälfte, die Seto und Mokuba darstellte, legte sie in Kaibas Hände, den Teil, der sie zeigte, stopfte sie in ihre Jackentasche. Sie hob das Gesicht und sah Seto in die Augen. Sie legte ihre rechte Hand auf seine linke Wange und lächelte sanft. „Als wäre ich nie hier gewesen.“ Langsam stand sie auf, nahm ihre Koffer und zog sie hinter sich her. Sie ließ Seto, der vor dem Scherbenhaufen kniete und sich nicht regen konnte, im Schlafzimmer zurück. Er betrechtate mit geweiteten Pupillen, wie erstarrt, die übrig gebliebene Hälfte des zerrissenen Fotos , auf dem nichts mehr von ihr zu sehen war. Draußen standen dunkle Wolken am Himmel. Es schüttete wie aus Eimern, es sah nicht so aus, als würde es bald aufhören. Der Regen trommelte an die verglaste Fensterfront. Riiko war bereits mehrere Minuten aus dem Zimmer verschwunden, da stand Seto auf und begann in seinem Schreibtisch zu wühlen. Verzweifelt suchte er nach einem Foto, einem Hefter, einer Akte, den Ordner, den er angelegt hatte, als er begonnen hatte, Kyoko auszuspionieren. „Irgendetwas muss doch hier sein... irgendwas...“ Zunächst sah alles so aus, als wäre er bloß hektisch, weil er etwas wichtiges vergessen hatte, doch er wurde zunehmend wütender und hysterischer. Er riss die Schubladen mitsamt Inhalt aus dem Schreibtisch heraus, warf sie über den Tisch hinweg auf den Boden, wenn er nicht das gefudnen hatte, nach dem er gesucht hatte. Wutentbrannt begann er zu brüllen und schreien. Die Sicherungen in seinem Kopf brannten durch, er zerstörte alles, was ihm in den Weg kam. Bücherregale hatte mit einem Handgriff geleert, indem er die Bücherreihen einfach auf den Boden warf. Alles Greifbare, was er von ihr besessen hatte, war fort. Sie hatte alles mitgenommen. Alles. Alle Fotos waren weg, sogar die Dateien, die auch nur im Entferntesten mit ihr zusammenhingen, waren von der Festplatte seines Computers verschwunden. Wie ferngesteuert suchte er nach Dingen, die beweisen würden, dass sie etwas hinterlassen hatte, doch es gab nichts dergleichen. Sogar alle Übereinstimmungen zu ihrem Namen waren aus den Suchmaschinen entfernt worden - es war, als hätte sie von einem Moment auf den anderen aufgehört zu existieren. Es war, als hätte sie wirklich nie gelebt, als wäre sie nur eine Vorstellung, eine Illusion. Als er an dem mannshohen Spiegel vorbeiging, besah er sein Spiegelbild. „Ich hätte niemals geglaubt, dass es mal so weit kommen würde.“, sagte er sich. Sein Atem ging schnell, die warme Luft, die er ausatmete, hinterließ undurchsichtige, milchige Flecken auf dem kalten Spiegel, bis sie nach ein paar Sekunden verschwanden. Er versuchte permanent, sich Dinge einzureden, die die Situation beschönigten, doch es funktionierte nicht. „Und das alles nur wegen eines Mädchens. Sieh' dich doch an. Es war doch abzusehen, dass jemand wie du jemanden wie sie nicht lange halten kann.“ Er schwieg. „Was bilde ich mir da ein...“ Seine rechte Hand begann zu bluten, die rote Flüssigkeit floß an dem zerstörten Spiegel herab, befleckte den weißen Flokati unter seinen Füßen. Um die Blutung zu stoppen, wickelte er ein Handtuch um seine Hand. Plötzlich begann der Laptop laut zu surren. Kaiba kannte das Geräusch, es entstand dann, wenn der Computer eine CD las. Nicht sicher, was sich in dem Laufwerk befand ging er zu seinem demolierten Schreibtisch und blickte auf den Bildschirm. Dieser zeigte ein Fenster, das zeigte, was auf dem Datenträger abgespeichert war - ein Word-Dokument. Kaibas Name stand als Bezeichnung an der Datei, er öffnete sie. Doch dort stand nicht mehr, als der letzte Satz, den sie gesagt hatte, bevor sie verschwunden war. „Es wird so sein, als hätte es mich niemals gegeben, als wäre ich nie hier gewesen.“ Schlagartig öffneten sich mehrere dutzend Fenster. Warnmeldungen blitzen auf. „Ein Vi - Virus?!“ 'Virus Delta F-36.2 aktiviert. Es wir eine Löschung aller Dateien vorgenommen. Die verbleibende Zeit beträgt...' hallte aus den Lautsprechern des Computers. „Master Kaiba, ein...“, rief Roland, dem die Worte im hals stecken blieben. Zum einen wegen des angerichteten Schadens, zum anderen wegen Kaibas Gelassenheit. „Master Kaiba, der Virus wird den gesamten Großrechner lahmlegen und alles zu Nichte machen!“ „Das ist nicht so wichtig. Kümmern Sie sich darum. Ich habe wichtigeres zu erledigen.“, erwiderte Kaiba, der das mit Blut beschmierte Handtuch achtlos auf den Boden warf und aus dem Zimmer lief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)