Chibifluch II - Die Chaosprinzen von Jei (Pairing: Überraschung [mit wildest_angel]) ================================================================================ Kapitel 16: Aussprache ---------------------- 16. Kapitel - Aussprache Nach dem Spaziergang hatte sich Robin von Daisuke verabschiedet. Es wurde höchste Zeit für ihn, sich daheim wieder einmal blicken zu lassen. Der Abend in der Crawford'schen Villa verlief wie immer angenehm ruhig. Noch vor wenigen Wochen wäre Robin dafür die Bezeichnung "langweilig" in den Sinn gekommen, aber jetzt empfand er die Ruhe als Erholung. Kein Streit, kein Geschrei, kein Türenknallen. Kurz dachte er darüber nach, ob er nachsehen sollte, wie es seinem Freund samt Familie erging, ließ es aber bleiben. Er würde es noch früh genug erfahren, auch wenn er sich ernste Sorgen machte. Es dauerte nicht lange und Dai meldete sich an diesem Morgen in Robins Kopf. /Guten Morgen, Schatz.... Gut geschlafen?/ Selbst über diese telepathische Verbindung war Dai die Müdigkeit in der Stimme anzuhören. Das Gespräch, das er mit Robin während ihres Spazierganges geführt hatte, hatte ihn einige Stunden Schlaf gekostet. Vielleicht war es auch das leise Schluchzen aus dem Wohnzimmer gewesen, dessen war sich Dai nun nicht mehr so bewusst. /Guten Morgen/, gab Robin leise zurück. Auch ihm war der wenige Schlaf anzumerken, auch wenn noch etwas anderes sogar in seiner mentalen Stimme mitschwang - eine dezente Gereiztheit. Er konnte sich seine Stimmung selbst nicht erklären, er wusste nur, dass er zumindest einen Tag Pause von Daisuke brauchte. Unbedingt. Dai merkte auf der Stelle, dass irgendwas nicht stimmte, und runzelte die Stirn. /Hey... was ist los? Schlecht geträumt?/, fragte er und streckte sich etwas. Oder ob es noch an dem Gespräch von gestern lag? Immerhin hatte Robin sich ziemlich ernst angehört mit seiner Standpauke und Dai sah die blitzenden Augen noch immer vor sich. /Dai, bitte... Lass mich doch erst mal richtig wach werden.../ Robin hatte keine Ahnung, wie er seinem Lover sagen sollte, dass er ihn für heute abschreiben konnte. Robin hatte sich in der Nacht noch vorgenommen, sich heute erst einmal auf seine ganz persönliche Weise den Kopf frei zu pusten und danach ganz entspannt mit Ken joggen zu gehen. Und nichts anderes würde er heute machen. Dai hob die Brauen und seufzte. /Oh entschuldigt, Hoheit, wenn es heute doch wieder falsch war, Euch zu kontaktieren.../, kam es schnippisch von ihm und im nächsten Moment brach die Verbindung auch schon ab. Die leisen Gedanken waren dem Telepathen nicht entgangen und ihm war nun mehr als deutlich klar, dass Robin ihn heute weder sehen noch hören wollte. Etwas beleidigt und vollkommen verständnislos drehte er sich auf die andere Seite, zog die Decke über den Kopf und versuchte weiter zu schlafen. + In der Küche rödelte Ken schon leise herum. Der Brotbackautomat lief in einem ruhigen Rhythmus und der Braunhaarige bereitete das Frühstück vor. Toast mit Speck und Rühreiern, Kaffee, Orangensaft und ein wenig Obst. Auch er hatte wieder sehr wenig geschlafen. Er hatte Schuldig das Bett überlassen und die Nacht im Wohnzimmer verbracht. Von dem Duft frischen Kaffees geweckt, tappte bald darauf ein sehr verschlafener und noch immer ziemlich fertig aussehender Schuldig in die Küche. Er konnte sich nur dunkel daran erinnern, dass er mit Ken Streit gehabt hatte. Dass er allein geschlafen hatte, war ihm entgangen. Auch wie er eigentlich ins Bett gekommen war, entzog sich seiner Kenntnis. "Hi Schatz!", grüßte er munter, als sei nichts gewesen, und gab Ken einen beiläufigen Kuss in den Nacken, ehe er sich an den Tisch setzte. „Hi...“, kam es von Ken und er drehte den Speck, verteilte ihn dann auf zwei Tellern. Für sich hatte er nichts gedeckt, sein Hunger hielt sich heute stark in Grenzen. „Ich geh Dai wecken...“, sagte er, verließ dann auch schon die Küche und trat leise in Dais Zimmer. „Hey, du kleiner Wirbelwind.... Aufwachen. Dein Frühstück ist fertig...“ Früher hatte das immer gewirkt, doch heute bekam er nur ein Grummeln aus den Untiefen des Decken- und Kissenwirrwarrs, dann war wieder Stille. Naja.. Er würde schon kommen, wenn er was wollte, also verließ Ken das Zimmer wieder und ging zurück in die Küche. Schuldig runzelte die Stirn, als Ken zurückkam und sich schweigend ihm gegenüber an den Tisch setzte. Wenn er nur wüsste, was vorgefallen war... Er lächelte gewinnend. "Schatz? Ist irgendwas? Du bist heut nicht gut drauf, hm?" Was sonst sollte er schon sagen, wenn er keine Ahnung hatte, warum Ken ein Gesicht machte wie sieben Tage Regenwetter... Ken blätterte sich durch die Zeitung und machte sich über den Sportteil her. Dabei nippte er immer wieder an seinem Kaffee und warf Schuldig dann nur einen verständnislosen Blick zu. „Wie geht’s deinem Kopf?“, fragte er und besah sich die Statistiken des Fußballs. "Besser, danke", lautete die recht einsilbige Antwort des Telepathen. Und schon wieder wallte Zorn in ihm auf. "Verdammt, Ken! Was ist los?", grummelte er über den Tisch hinweg und riss dabei Ken die Zeitung aus der Hand. "Mach hier nicht einen auf beleidigt, wenn ich nicht weiß, worum es überhaupt geht!" Ken hob den Blick wieder und seufzte. „Das ist der Punkt, Schu... Du weißt es schon nicht mehr...“, sagte er und lächelte schwach. Er richtete sich auf und kam um den Tisch herum, nahm Schuldig die Zeitung ab und legte sie bei Seite. Dann ließ er sich auf dem Schoß des Telepathen nieder, wie er es schon lange nicht mehr getan hatte. „Du fehlst mir...“, wisperte er leise und strich ihm die Strähnen nach hinten. Liebevoll und doch ein bisschen traurig sah er Schuldig an, hatte dabei einen Arm um seine Schultern gelegt. Total perplex schaute Schuldig seinen Liebsten an. "Wieso? Ich bin doch hier", kam es über seine Lippen, bevor er überhaupt nachgedacht hatte. /Wie jeden einzelnen Tag in den letzten fünfzehn Jahren.../, fügte er in Gedanken an, war aber klug genug, um das nicht laut zu sagen. Über sich selbst entsetzt, erstarrte er für den Bruchteil einer Sekunde. Irgendetwas lief hier mehr als nur schief! Noch nie zuvor hatte er solche unzufriedenen Gedanken gehabt - und auch Ken kam ihm alles andere als glücklich vor. Was war mit ihnen geschehen? Um das Mienenspiel des Mannes zu deuten, brauchte Ken keine telepathischen Kräfte. Er lächelte ein wenig traurig und nickte schwach. „Ja... bist du.“ Eine Weile herrschte Schweigen. Während dem Ken seinen Liebsten nur still musterte und hin und wieder leicht streichelte. „Du weißt, was ich meine, nicht wahr? Du weißt, wovon ich spreche...“, flüsterte er dann leise, hatte Angst, dass seine Stimme wieder zu zittern anfing. Gequält schloss Schuldig die Augen. "Ja, ich weiß es", flüsterte er ebenso leise wie sein Schatz, öffnete die Lider wieder und sah Ken an. "Ken... Ich liebe dich. Und ich will nicht, dass das mit uns kaputt geht. Das haben wir beide nicht verdient - nicht nach alldem, was wir zusammen schon durchgestanden haben." Der Telepath seufzte schwer auf. "Schatz... Ich weiß nicht, was mit uns passiert ist. Aber wenn wir uns anstrengen... Meinst du, wir kriegen das nochmal hin?" Er konnte sich ein Leben ohne Ken nicht vorstellen - aber wenn der Braunhaarige gehen wollte, würde er ihn nicht aufhalten. Dafür liebte er ihn einfach zu sehr. Er hätte alles getan, um Ken nur glücklich zu sehen. Restlos alles. Redete er sich zumindest ein. Lächelnd sah Ken seinen Liebsten an und nickte schließlich. „Ja... Wenn wir uns anstrengen...“ Er lächelte sanft und küsste Schuldig kurz. „Weißt du... Wenn wir Dai ein wenig länger als eine Woche mit Robin nach Venedig schicken, dann könnten wir auch für ein paar Tage wegfahren. Irgendwo hin... Ans Meer vielleicht...“ Er seufzte leise, schien aber schon wesentlich beruhigter zu sein. „Wenn wir mal wieder ein wenig Zeit nur für uns haben, kriegen wir das alles sicher wieder hin, glaubst du nicht?“ Schuldig dachte kurz nach, legte dabei die Arme um die Taille seines Liebsten, zog ihn näher zu sich heran und kraulte ihm gedankenverloren über den Rücken. "Wir können auch für die eine Woche wegfahren", schlug er ruhig vor. Obwohl sie das vielleicht gar nicht mussten. Denn wenn sie ein paar Tage Ruhe vor ihrem Wirbelwind hatten, konnten sie es sich zu Hause auch so richtig gemütlich machen. "Oder wir laden ihn danach einfach bei Aya ab", grinste er plötzlich und dachte daran, wie Dai damals den Rotschopf um den Finger gewickelt hatte. „Ein paar Tage werden reichen, denk ich...“, lächelte Ken und seufzte wohlig bei dem sanften Gekraule. Dann musste er allerdings lachen und schüttelte den Kopf. „Ich bezweifle, dass er damit einverstanden wäre. Damals hat er sich nen Scherz draus gemacht, ihn zu ärgern... aber heute würde das wahrscheinlich komplett nach hinten losgehen...“ Er zwinkerte und schmiegte sich noch dichter an seinen Liebsten, küsste ihn dann wieder sanft. „Drei Tage ans Meer und dann eine schöne Zeit zu Hause... Das wird uns sicher gut tun...“ Einverstanden nickte der Orangehead. "Such dir ein schönes Fleckchen aus", zwinkerte er seinem Liebsten zu und merkte dabei wieder einmal nicht, dass er die Arbeit Ken überließ. "Wir müssen ja auch nicht zwingend in Japan bleiben." Auch wenn es sich kaum lohnte, für nur drei Tage einen langen Flug auf sich zu nehmen. Aber Schuldig wollte Ken sämtliche Varianten offen lassen. Es sollte schließlich in erster Linie ein schönes Erlebnis für Ken werden. Ken musste wieder schmunzeln. „Ich weiß schon, wo wir hinkönnen. Erinnerst du dich an das Ferienhaus, wo wir unseren ersten Urlaub gemacht haben? Ich werde mal schauen, ob das für ein paar Tage frei ist...“ Ein Ort, den Ken noch immer liebte. Bis jetzt war er nur einmal mit Schuldig alleine dort gewesen und später noch mal mit ihm und Dai zusammen. Ein stilles Fleckchen voll von schönen Erinnerungen – genau das, was sie brauchten. Und weit weg war es auch nicht... Liebevoll lächelnd nickte der Deutsche. Ja, das war eine sehr gute Idee! "Okay. Dann werd ich mal die Jungs fragen, wann genau sie wegfahren und du schaust, ob wir für die Zeit dann noch was bekommen." Er löste seine Hände von Kens Rücken und legte sie ihm an beide Wangen, damit er ihm tief in die Augen sehen konnte. Das Grün seiner Iriden leuchtete auf, als er Kens Kopf quälend langsam näher zog und dabei seine Lippen leicht öffnete. Ken lächelte leicht und strich sanft über Schuldigs Brust, während sie sich näher kamen. Sein Blick haftete in den schönen Augen und erst als sich ihre Lippen endlich trafen, schlossen sich Kens Lider und er seufzte leise auf. Leicht bewegte er die Lippen gegen die Schuldigs und schlang langsam den Arm um seinen Nacken. Der Kuss fühlte sich wunderschön an. Schöner als die in den letzten Tagen. + Der Tag war bald verstrichen und Ken fühlte sich inzwischen ein wenig besser. Allerdings hatte er deutlich gemerkt, dass es Dai gar nicht gut ging und er fragte sich, ob es vielleicht an dem Streit lag, den er hatte mitanhören müssen. Irgendwo hatte er mal gelesen, dass so was besonders für Kinder nicht leicht war. Und Dai hatte sich den Tag über kaum blicken lassen, hatte sich nur in sein Zimmer verzogen und war hin und wieder rausgekommen, um etwas zu trinken zu holen oder ins Bad zu verschwinden. Nun, da Schuldig sich wieder für eine Weile im Arbeitszimmer verzogen hatte, dachte Ken darüber nach, ob er es nicht wagen sollte, sich zu Dai zu gesellen und ein wenig mit ihm zu sprechen. Immerhin hatte der Junge ein Recht darauf zu erfahren, was vor sich ging – zumindest auf das ein oder andere bezogen. Er ging in die Küche und nahm sich die Schale mit Erdbeeren, die er und Schuldig vorhin vom Einkaufen mitgebracht hatten. Vielleicht wollte Dai ja auch welche. Er klopfte an die Zimmertür und wartete auf das recht undeutliche ‚Herein’. Als er eintrat, erblickte er Dai auf der Fensterbank sitzend, und lächelte leicht. Inzwischen hatte er es aufgeben, Dai vom Rauchen abhalten zu wollen, und deswegen sagte er auch nichts dazu, kam nur näher und stellte die Schale vor dem Jungen ab. „Was gibt’s?“ Dai wandte den Blick zu Ken und sah auch kurz auf die Erdbeeren. Eigentlich war ihm grade gar nicht nach reden oder dergleichen zu Mute, aber er zwang sich zu einem kleinen Lächeln und nahm sich eine der Erdbeeren. Ken lehnte sich an die Fensterbank und sah einen Moment hinaus, musterte Dai dann wieder und lächelte väterlich. „Du hast es momentan nicht leicht, oder? Mit Schu und mir...“, begann er schließlich. Dass Dai den Blick schon abwandte, einen tiefen Zug von seiner Zigarette nahm und wieder aus dem Fenster blickte, war kein gutes Zeichen, also fuhr er gleich fort. „Das mit dem Streit hat sich wieder gelegt. Wir werden auch wegfahren, wenn du und Robin nach Venedig fahrt... Das wird schon alles wieder...“ Dai seufzte und sah Ken wieder an. „Bild dir nichts drauf ein“, schmunzelte er schließlich und drückte die Zigarette aus. „Meine Laune hat nichts mit eurem Streit zu tun. Das müsst ihr klären und das werdet ihr auch, habt ihr bis jetzt schließlich immer...“ Er lehnte sich an den Fensterrahmen und schloss für einen Moment die Augen. Unsicher, ob es die richtige Entscheidung war darüber zu sprechen, sagte er schließlich: „Es ist wegen Robin...“ Ken hob überrascht die Brauen. „Wegen Robin?“, fragte er verständnislos und nahm sich auch eine Erdbeere. „Was ist mit ihm, habt ihr euch gestritten?“ Das konnte sich Ken jetzt gar nicht vorstellen. Immerhin waren sie inzwischen doch ein Herz und eine Seele geworden. „Nein.. Nicht direkt...“ Dai schwieg einen Moment und sah dabei nachdenklich aus dem Fenster. Mit wem außer Ken sollte er sonst darüber sprechen? Mit Robin ja ganz offensichtlich nicht. „Wir hatten gestern eine kleine Diskussion... Als wir noch mal los sind, um euch alleine zu lassen. Und heute Morgen hat er mir unmissverständlich klar gemacht, dass ich ihn in Ruhe lassen soll...“ Er seufzte leise und lächelte Ken traurig an. „Es wird sich schon wieder legen. Trotzdem... Es tat ganz schön weh... und es gab noch keinen Tag, an dem ich keinen Kontakt zu ihm hatte, seit wir.. na ja..“ Ken musste schmunzeln. Er rückte etwas näher und ließ sich ebenfalls auf der breiten Fensterbank nieder. Sein Blick ruhte noch eine Weile auf Dai, dann sah er kurz nachdenklich aus dem Fenster. „Weißt du... Es ist nicht leicht mit einem Telepathen wie dir oder deinem Vater...“, erklärte er schließlich und strich Dai leicht über die Wange. „Da braucht man manchmal einfach mal ein bisschen Zeit für sich. Außerdem ist Robin hier ja in ein gewaltiges Familienchaos rein geraten. Das ist er von Zuhause sicher nicht gewohnt...“ Dai ließ ein Seufzen vernehmen und nickte leicht. „Das mag ja sein, aber das ist doch kein Grund, nicht mit mir reden zu wollen...“ Er schüttelte leicht den Kopf. Daisuke verstand absolut nicht, wieso Robin heute nichts von ihm wissen wollte, geschweige denn wie es angehen konnte, dass er sich so große Gedanken darum machte. Immerhin hatte er früher auch immer gesagt, dass das einzige, was er von einer Beziehung erwartete, war, dass er alleine sein konnte. Und jetzt machte es ihn fertig, dass Robin mal einen Tag Pause brauchte? „Dein Vater und ich hatten damals auch jede Menge Probleme. Auch als wir schon zusammen waren und wussten, dass wir einander lieben...“ Ken musste schmunzeln bei den Erinnerungen. „Ich für meinen Teil hatte sogar schon Probleme mit ihm, als wir noch nicht zusammen waren und er mich nicht ausstehen konnte...“ „Dad konnte dich mal nicht ausstehen?!“, fragte Dai überrascht und bekam große Augen. Das war ja kaum vorzustellen. Sicher, die beiden stritten oder diskutierten mal heftig, aber dass es mal eine Zeit gegeben hatte, in der sein Vater Ken tatsächlich ‚nicht ausstehen konnte’, war für Dai nicht vorstellbar. „Wieso das? Ich meine... jetzt seid ihr verheiratet.“ Ken musste lachen und nickte. „Ja, das ist wahr. Aber damals...“ Ken kniff leicht die Lippen zusammen und sah Dai fest an. „Damals gab es eine Zeit, in der meine Gedanken immer nur ihm gehörten und das hat mich zu dem nervigsten und tollpatschigsten Kerl gemacht, den du dir vorstellen kannst...“ Er lachte leise. „Wir kannten uns von... von der Arbeit her.“ Ken biss sich leicht auf die Zunge. Das war eigentlich nicht der Teil der Vergangenheit, über den er mit Dai reden wollte. Doch Dai blickte seinen Vater nur interessiert an. „Ihr wart Kollegen? Dad hat auch in einem Blumengeschäft gearbeitet?!“ Das war noch viel unglaublicher als die andere Info und Dai zog skeptisch eine Braue hoch. Sein Vater hatte soviel Ahnung von Pflanzen und speziell Blumen, wie es Eis in der Wüste gab. „Nein... andere Arbeit...“, sagte Ken und lächelte schwach. Wie um alles in der Welt sollte er das jetzt erklären? Er richtete sich auf und seufzte. „Komm her...“, sagte er und schloss das Fenster, als sich Dai erhoben hatte. Er ließ sich auf dem Bett nieder und wartete, bis Dai sich zu ihm gesetzt hatte. „Damals, als ich mich in deinen Vater verliebt habe, war das wohl der ungünstigste Zeitpunkt überhaupt. Wir waren...Feinde und es gab niemanden, der das gerne gesehen hätte. Weder meine Kollegen, noch seine...“ Dais Blick wurde noch verständnisloser und er war schon drauf und dran sich einfach in Kens Kopf zu stehlen, um die Wahrheit über diese Geschichte herauszufinden. Doch er ließ es bleiben. Der junge Telepath ahnte, dass es hier auf etwas hinauslief, was ihm bis jetzt voll und ganz verborgen geblieben war. Den Teil in den Köpfen seiner Eltern, an den er nie rangekommen war. Also schwieg er und sah Ken nur abwartend an, um mehr zu erfahren. „Wenn dein Vater wüsste, dass ich dir all das erzähle, würde er mich wahrscheinlich lynchen. Das gehört alles zu einer Vergangenheit von uns, auf die wir nicht grade stolz sind. Aber sie hat auch dafür gesorgt, dass wir uns kennen gelernt haben. Und all die Probleme, die wir deswegen damals hatten, haben uns immer enger zusammengeschweißt.“ Ken biss sich leicht auf die Unterlippe. Er merkte, wie er gezielt um den heißen Brei herumredete, und sah den neugierigen Jungen vor sich einen Moment schweigend an, dann fuhr er unsicher fort: „Daisuke... Dein Vater und ich... Wir waren damals... Naja...“ Dai hob die Brauen und sah Ken durch dringlich an. Was um alles in der Welt wollte Ken ihm da sagen? Er benahm sich, als wenn er ihm irgendwas besonders schlimmes erzählen wollte und es nicht über die Lippen brachte. „Wir waren Killer...“, brachte Ken dann schließlich leise hervor und sorgte so dafür, dass Dai nach ein paar Sekunden einen Lachanfall bekam und sich nicht mehr halten konnte. Leicht bestürzt sah Ken den Jungen an, der sich den Bauch hielt und fast vom Bett fiel. „Killer...?! Du verarschst mich doch, ey... DU? Du kannst doch keiner Fliege was zu Leide tun...“, brachte Dai schließlich hervor, als er sich langsam wieder beruhigt hatte. Nein. Nein, Ken wollte ihn eindeutig auf den Arm nehmen. Eine andere Erklärung gab es gar nicht. Ken und ein Killer?! Dass er nicht lachte. Ein so kinderliebender und freundlicher Mensch sollte Menschenleben auf dem Gewissen haben? „Es ist wahr, Dai. Ich bin nicht stolz darauf und Schuldig auch nicht. Und deswegen solltest du es nie erfahren. Aber ich will, dass du weißt, was er und ich schon durchgemacht haben... auch mit dir.“ Ken seufzte und sah Dai ernst an, bis er sah, dass der Junge ihm endlich wieder die verdiente Aufmerksamkeit schenkte. Er hob die Hand und deutete beiläufig auf seinen eigenen Kopf. „Überzeug dich davon, dass ich die Wahrheit sage. Es gab Zeiten, in denen Schuldig mich am liebsten umgelegt hätte. Und dann gab es Zeiten, in denen er mich brauchte.“ Dais Blick wurde noch skeptischer, doch von seinem Lachen war nichts mehr zu hören oder zu sehen. Stattdessen streckte er seine Fühler aus und fand schnell die angebotenen Szenen. Ken hatte seine Barriere gesenkt, die er dank Schuldig sonst immer problemlos aufrecht erhalten konnte, und was Dai da zu sehen bekam, waren zwei vollkommen andere Männer. Ken und Schuldig, die sich im Dunklen gegenüber standen, Schuldig, der eine Waffe auf Ken richtete. Sein Vater, mit einer Waffe in der Hand und einem heimtückischen Grinsen auf dem Gesicht. Ken, der zuschlug und Schuldig schließlich mit dem Rücken an der Wand hatte. ‚Zu langsam, Bastard!’, zischte Kens Stimme. Ken, der in einer Gruppe Uniformierter stand und um sein Leben kämpfte. Ken, der gegen Schuldig kämpfte. Schuldig, der lachte und sich einen Spaß daraus machte. Die Umgebung veränderte sich wieder. Schuldig stand da, unbewaffnet und verletzt, Ken vor ihm, hielt die Waffe in der Hand, die eigentlich in die Hand des Telepathen gehörte. ‚Drück schon ab...’, kam es leise von Schuldig. Doch Ken drückte nicht ab. Er leerte das Magazin der Waffe und warf sie Schuldig zu Füßen. ‚Wie könnte ich?’ Ken wandte sich ab und ging. Dann ein Fußball. Dai zuckte bei dem plötzlichen Szenenwechsel und der Helligkeit leicht zusammen. Der Fußball flog durch die Luft und traf Schuldig am Kopf. Die folgenden Szenen bewiesen Dai die Tollpatschigkeit noch mehr und schließlich zog er sich langsam aus Kens Kopf zurück und sah ihm in die Augen. Doch die richtigen Worte fand er nicht. Immer wieder öffnete er den Mund, schloss ihn wieder und schüttelte den Kopf. Ken seufzte leise. „Ich finde, dass du alt genug bist, um das zu erfahren... Brad war damals Schus Boss. Und Aya meiner. Du kannst dir vorstellen, was wir alles durchgemacht haben. Besonders dein Dad, als du damals aufgetaucht bist. Da brauchte er mich dann endlich. Und ich... war für ihn da. So gut ich eben konnte...“ Er lächelte bei den Erinnerungen an damals. „Deswegen war er so sauer, dass du dir ausgerechnet Robin ausgesucht hast. Und deswegen wird auf euch beide noch eine Menge zukommen – bezüglich Brad. Aber wenn ihr das schafft, wenn ihr das durchhaltet, dann gibt es nichts mehr, was euch trennen kann, hörst du?!“ Dai saß nur da und versuchte das eben Erfahrene zu verarbeiten. Seine Eltern hatten getötet. Hatten sich gegenseitig bekämpft – auf Leben und Tod – und nun liebten sie einander. Sie hatten alles in Kauf genommen, trotz ihres grausigen Lebens. „Wieso...habt ihr.. Ich meine...“ Ken lächelte traurig. Er wusste genau, worauf Dai hinaus wollte. „Wir hatten keine Wahl, Dai. Was dein Vater alles durchmachen musste...“ Er schüttelte leicht den Kopf und atmete durch. Darüber konnte er nicht sprechen und er zog seine Barriere schweren Herzens wieder höher. „Ich bin sicher, dass er dir irgendwann seine ganze Geschichte erzählen wird. Aber... Unsere Vergangenheit ist nichts, womit wir prahlen können, verstehst du? Es ist eher etwas, wofür wir uns schämen müssen. Besonders immer dann, wenn wir dich ansehen.“ „Wieso mich? Was habe ich damit zu tun?“ Dai legte den Kopf schief. Er wusste noch nicht so recht, was er von all dem halten sollte, er wusste nur, dass dieses Gespräch ihn doch ganz schön mitnahm, auch wenn er froh war, dass man ihm endlich mal was erzählte. Ken seufzte wieder. „Ganz einfach... Wir haben viel durchgemacht und uns gewünscht, dass du das alles nie mitmachen musst. Was glaubst du, wieso Schu immer so dagegen war, dass du in der Schule soviel mit deinen Kräften rumalberst?“ Er lächelte und strich Dai wieder über die Wange, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Und dann sehen wir, was aus dir geworden ist, wie du herangewachsen bist. Und wir sind verdammt stolz auf dich.“ Dai lächelte ein wenig verlegen. „Ach was. Ich hab euch doch auch viele Probleme gemacht...“, winkte er ab und erinnerte sich an so manches, in das er seine Eltern schon reingeritten hatte. Doch das alles war offenbar nichts gegen das, was sich in ihrem Leben vor ihm abgespielt hatte. „Dai... sag deinem Vater nicht, dass ich dir das erzählt habe, okay? Er wird vielleicht irgendwann selber mit dir darüber sprechen, aber... Er würde durchdrehen, wenn er wüsste, dass ich dir das jetzt alles erzählt habe... Weil wir eigentlich wollten, dass du frei von dem ganzen Mist groß wirst...“ Dai nickte kurz und atmete durch, ließ sich dann nach hinten fallen und starrte an die Decke. DAS musste er jetzt erst mal alles verarbeiten. Aber es erklärte, wieso Schuldig so allergisch darauf reagierte, wenn er Menschen so mies manipulierte. Und es erklärte die starke Barriere. „Ich werde ihm nichts sagen...“, murmelte er noch und sah aus den Augenwinkeln Kens dankbares Lächeln. Ob Robin über all das Bescheid wusste? ~+~ tbc ~+~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)