Schwarz - Weiss - Koneko von Yujianlong (Chaos im Blumenladen) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Schu, es ist mir scheissegal warum du in mein Zimmer platzt! RAUS!“, fauchte der Rothaarige und zeigte auf die Tür, die Schuldig hinter sich zugeschlagen hatte. „Ran, das kannst du nicht machen. Wenn ich jetzt da rausgehe, bringt Kudou mich um.“ Die Stimme des ehemaligen Schwarz klang ehrlich verzweifelt. Der Blick den er dem jungen Japaner aus seinen grünen Augen zuwarf, hätte Steine erweichen können. Steine, aber nicht Aya Fujimya. „Schuldig, ich weiss nicht, was du gemacht hat, aber wenn Yoji es auf dich abgesehen hat, kann ich dir nicht helfen. Ich hab nämlich keine Lust selbst in die Schussbahn zu kommen.“, meinte dieser sachlich, öffnete mit einer fliessenden Bewegung die seine Zimmer und beförderte den Deutschen mit einem Tritt aus seinem privaten Reich. Nun sass Schuldig vor der Zimmertür des Rothaarigen und blickte mit angstgeweiteten Augen zur Treppe. Dort war nämlich gerade ein schwarzer Haarschopf aufgetaucht – Yoji Kudou. Ein sadistisches Grinsen auf den Lippen kam er auf den Deutschen, der sich immer kleiner machte, zu. „Schuldig, ich weiss, dass du dran bist und du weisst es auch.“, erklärte der Schwarzhaarige mit eisiger Gelassenheit. Der Telepath setzte nicht einmal zu einem Protest an. Wenn Kudou so drauf war, konnte einem nur noch einer retten. Dummerweise hatte der gerade sehr deutlich klar gemacht, dass er sich aus dem Streit raushalten würde. Schuldig seufzte: „Ich komme ja schon.“ Er kam nicht mit Yoji klar. Nagi sagte immer, dass es nur daran läge, dass sie Beide stur seien und einen grösseren Ego hätten als gut für sie war. Was konnte er denn dafür, dass der Ex-Detektiv das Gefühl hatte, er wisse Alles besser? Nun konnte der Deutsche hören, wie jemand seinen Namen rief. Er sass immernoch vor Ayas Tür, während Yoji die Treppe schon wieder runter war und im Flur wartete. „Wenn du es darauf anlegst, dass ich noch einmal nach oben komme, wird es dir Leid tun. Es ist nicht so, dass ich dich die Stufen runter tragen werde!“, rief der Schwarzhaarige. Schuldig rappelte sich auf. Er hatte wirklich keine Lust, die Treppe runter gekickt zu werden. „Also gut, Kudou. Was. Genau. Muss. Ich. Machen?“, fragte Schuldig, die Zähne fest zusammengebissen. Der Schwarzhaarige grinste ihn an: „Du sollst die Blumen nach Art sortieren, diejenigen die verblüht sind raus nehmen. Dann musst du die roten Rosen entdornen und in die grossen Kübel stellen.“ Die Antwort des Telepathen war ein Seufzer. Trotzdem machte er sich an die Arbeit. Stumm, verbissen, schnitt er die Blumen zurecht, sortierte und entdornte. Der ehemalige Detektiv war zwischenzeitlich in die Küche verschwunden, um sich einen Kaffee zu machen. Er wollte gerade einen Schluck von dem Gebräu nehmen, als ein unterdrückter Schmerzensschrei aus dem Nebenzimmer kam. Vor Schreck hätte der Schwarzhaarige beinahe die Tasse fallen lassen. Als er zu Schuldig und den Blumen zurück kehrte, war er allerdings vollkommen gefasst. Der andere Mann stand, den Daumen im Mund, vor einem Bündel Rosen und blickte die roten Blüten böse an. Ein leichtes Lächeln huschte über Yojis Gesicht. Schuldig hatte ihn offensichtlich noch nicht bemerkt, sonst würde er ein anderes Gesicht machen. Leise bewegte Yoji sich auf den Deutschen zu. Erst als er dicht neben ihm stand, machte er sich bemerkbar: „Schu, zeig mal her.“ Er war selbst überrascht, wie freundlich er war. Normalerweise hätte er einfach einen blöden Spruch gemacht. Und warum nannte er den anderen 'Schu'? Egal, jetzt musste er sich erst um die Verletzung des anderen kümmern. Schliesslich liessen sich blutige Rosen nicht verkaufen. Als der Telepath die Stimme des Schwarzhaarigen hört, zuckte er leicht zusammen. „Ist nicht so schlimm..“, nuschelte er. Die ganze Sache war ihm mehr als peinlich. Er versuchte gerade seine Hand ausser Reichweite von Kudou zu bringen, als er schon die kühlen Finger des anderen um sein Handgelenk spürte. „Das ist ein ziemlich tiefer Schnitt.“, stellte der Detektiv fest: „Wie hast du das bloss geschafft?“ Schuldig war eindeutig nicht wohl in seiner Haut. Instinktiv hob er seine freie Hand und legte sie Yoji an die Stirn. Der blickte verdattert drein. „Was wird das?“, fragte er mit ernster Stimme. Mit dem gleichen Ernst antwortete der Orangehaarige: „Ich will wissen ob du Fieber hast.“ Wut kochte im Schwarzhaarigen hoch. Er liess Schuldigs Hand los, schlug die Hand an seiner Stirn weg. „Du bist ein Idiot, Schuldig!“, fauchte er und rauschte davon. Der Deutsche konnte hören wie er fluchend die Treppe hoch stapfte und mit einem lauten Knall die Tür zu seinem Zimmer zuschlug. Leicht verloren stand der Orangehaarige zwischen den Blumen und starrte auf seine immernoch blutende Hand. Noch immer spürte er Yojis kühle Finger auf seiner Haut. Er wäre wohl noch eine Ewigkeit so stehen geblieben, wenn er nicht Schritt auf der Treppe gehört hätte. Schnell drehte er sich um und griff nach dem Messer, um auch noch die letzten Rosen zu bearbeiten. „Sag mal, Schu, was hast du denn jetzt wieder angestellt?“, fragte eine ihm bekannte Stimme in seinem Rücken. „Nichts!“, fauchte der Deutsche mürrisch. „Und warum sitzt Yoji dann in seinem Zimmer und flucht, dass einem Hören und Sehen vergeht?“ Schuldig drehte sich um. Nagi stand, in Boxershorts und T-Shirt, an den Türrahmen gelehnt da und blickte ihn mit erhobener Augenbraue ernst an. Der Kleinere wusste genau, dass Schuldig ihm die Geschichte erzählen würde; wie immer. Gerade weil sie sich schon lange kannten, musste Nagi meist nicht erst unfreundlich werden, um die gewünschten Informationen zu bekommen. Und auch der Deutsche wusste das. Er versuchte gar nicht erst Nagi zu belügen. Zur Überraschung des Telepathen schlug sich der Jüngere mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Du bist wirklich ein Idiot, Schu.“, meinte der Kleine. Der Deutsche wusste nicht, was genau er verbrochen hatte, dass ihn heute jeder als Idioten bezeichnete. „Hör mal Nagi, ich habe keine Ahnung, was ich falsch gemacht habe. Und ich gehe nicht davon aus, dass du es mir erklären willst. Aber ich frage dich trotzdem. Was ist mit Yoji los? Er war nett zu mir, wollte mir mit dem Schnitt helfen. Da ist es doch normal, dass ich mich frage ob er krank ist...“ Schuldig wirkte verloren. Er wusste, dass er sich gerade etwas blöde anstellte, aber ihm stand etwas auf der Leitung. „Man, Schu..!“, stöhnte der Kleinere und holte den Verbandskasten aus einer Schublade. Während er sich um den verletzten Finger seines Kollegen kümmerte, redete er weiter: „Sieh mal. Dass ihr Beiden es nicht so miteinander könnte, wissen wir alle. Du weisst das, ich weiss das, Yoji weiss es auch. Aber genauso gut wissen wir alle, dass ihr miteinander klarkommen müsst. Und vielleicht war das vorhin ein Versuch seinerseits, dich als Mitglied und als Freund zu akzeptieren. Ihr seid beide sehr stur und – unterbrich mich ja nicht – habt einen zu grossen Ego. Dass Yoji über seinen Schatten gesprungen ist und nett zu dir war, muss ihn einiges gekostet haben. Als du dann mit einem blöden Spruch geantwortet hast.. na ja, es hat an seinem Ego gekratzt, nehme ich mal an.“ Nagi lächelte verlegen. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ Stille breitete sich aus, als Nagi keine weiteren Erklärungen gab. Also redete Schuldig weiter. „Hör mal... Willst du mit jetzt sagen, dass ich Yoji verletzt habe, weil ich mich benommen habe wie immer? Und jetzt soll ich mich wohl auch noch entschuldigen gehen, oder was? Das kann ich nicht! Wenn ich bei ihm anklopfe, killt der mich doch auf der Stelle!“ Der Deutsche war nun definitiv verzweifelt. Wollte der Kleine ihn ermorden? „Wenn du ihm Zeit gibst, sich zu beruhigen, brauchst du nicht mehr klopfen gehen, damit er dich umbringt.“, erklärte Nagi. Scheinbar stand bei Schuldig wirklich etwas auf der Leitung. Und der Jüngere ahnte schon, dass es endgültig zur Spaltung des Teams kommen würde, sollten die beiden Sturköpfe den Streit nicht beilegen. Nagi starrte Schuldig durchdringen an. Der Telepath seufzte ergeben und stand auf. „Wenn ich verletzt werde, kannst du mich nachher verarzten...“, murmelte er und verliess mit hängenden Schultern den Raum. Dem Deutschen kam es so vor, als ob er viel schneller bei der Zimmertür des Schwarzhaarigen angekommen war, als sonst. Er holte noch einmal tief Luft und klopfte dann an. Es war still im Zimmer und er bekam auch keine Antwort auf sein Klopfen. „Hey, Yoji...kann ich reinkommen?“, fragte Schuldig vorsichtig. Wieder nur Stille. „Ich komme jetzt einfach rein. Wenn du mich also umbringen willst, solltest du deine Drähte bereithalten.“, versuchte es der Telepath mit einem Scherz, obwohl ihm so gar nicht nach scherzen zumute war. Keine Antwort. Wenn es nach Schuldig gegangen wäre, hätte er sich umgedreht und hätte sich wieder um die Blumen gekümmert. Dummerweise ging es gerade nicht nach ihm, sondern nach Nagi. Also hob der Deutsche die Hand und öffnete vorsichtig die Tür. Das Zimmer lag im Halbdunklen, die Gardinen gezogen. Kudou lag auf dem Bett, die Augen geschlossen und rauchte. Er reagierte nicht, als Schuldig das Zimmer betrat. Wäre da nicht die Zigarette gewesen, hätte der Deutsche vermutet, der andere schlief. Noch war Schuldig nicht klar, welche Folgen seine nächsten Schritte haben würden. Der Orangehaarige machte noch einige Schritte, bis er vor dem Bett stand und auf Yoji hinunter blickte. „Hör mal Yoji, ich... es war nicht...“, Schuldig brach ab. Der Schwarzhaarige reagierte nicht. Der ehemalige Schwarz fragte sich schon, ob der andere vielleicht tot war. Vielleicht sollte er ihn mal piecken? Da er aber eigentlich hier war um sich zu entschuldigen, wäre das wohl das falsche Vorgehen. „Ich... ach ich kann das nicht, verdammt!“ Nichts. „Yoji, es tut mir leid, ok? Ich weiss nicht, warum ich es gemacht habe, aber...“ Wieder zeigte Kudou keine Reaktion. „Verdammt, Kudou. Reagier' wenigstens. Sag irgendetwas! Schrei mich an oder bring mich meinetwegen um, aber lieg' nicht einfach da wie ein Toter.“ Schuldig klang ehrlich verzweifelt. Er wusste selbst nicht warum, aber dass Yoji Nichts machte, beunruhigte ihn mehr als alles andere. Seelenruhig hob der Schwarzhaarige die Hand, nahm den Glimmstängel aus dem Mund und legte ihn in den Aschenbecher auf dem Nachtschränkchen. Dann setzte er sich langsam auf, stellte die Beine auf den Boden und erhob sich. Er stand nun genau vor dem etwas grösseren Deutschen und musste daher etwas nach oben blicken. Besagtem Deutschen war gerade sehr mulmig. Dass der Weiss ihm so nahe war, dass er ihn ruhig anblickte und nicht tobte und schrie, machte ihm Angst. „Yoji...ich...“, als er bemerkte, wie eine einzelne Träne über die Wange des Kleineren kullerte, hob er instinktiv die Hand um sie wegzuwischen. Der Schwarzhaarige zuckte unter der Berührung zusammen, als wenn Schuldig ihn geschlagen hätte. Trotzdem blieb er stehen wo er war, senkte aber den Blick. „Yoji...was ist los?“, fragte der Deutsche sanft. Er wusste nicht, warum er das tat, war er tat, aber er würde es nicht ändern. Er genoss die Wärme die von dem Detektiven ausging und sei es nur, weil er schon ewig niemandem mehr so nahe gewesen war. Einen kleinen Moment blieben sie reglos stehen, dann hob Schuldig sanft Yojis Gesicht, so dass er ihm wieder in die Augen blicken konnte. „Ich frage dich jetzt zum letzten Mal. Was ist los?“, hackte der Deutsche unvermindert sanft, jedoch mit leichtem Nachdruck. „Ich.. weiss doch auch nicht.“, fauchte der Schwarzhaarige. Er benahm sich gerade wirklich wie eine Katze aber Yoji war verwirrt. Dass Schuldig einen blöden Spruch gebracht hatte, hatte ihn tiefer getroffen als er es je für möglich gehalten hätte. Er hatte einmal nett sein wollen, auch wenn er immernoch nicht wusste warum, und der Andere hatte sich über ihn lustig gemacht. „Wenn ich schuld daran bin, dann glaub mir, tut es mir wirklich, ehrlich und aufrichtig Leid. Ich habe das aus einem Reflex heraus gemacht. Eigentlich habe ich mich über deine Hilfe gefreut.“, erklärte der Deutsche sein Verhalten. Ein echtes Lächeln huschte über sein Gesicht; erhellte seine Züge für einen kleinen Moment. Schuldig hatte eigentlich nicht geglaubt, dass seine Aufmunterungsversuche fruchten würden, aber es klappte. Der Schwarzhaarige lächelte zurück. „Danke...“ „Gern geschehen.“ Unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Der Telepath hatte immernoch seine Hand an Kudous Wange und sie standen sehr nahe aneinander. Als diese Erkenntnis in Schuldigs Gehirn einrastete, schluckte er. Was tat er hier eigentlich? Er hatte sich doch nur kurz entschuldigen wollen. Die beiden Männer fuhren auseinander, als ein Rumsen hinter ihnen ertönte. Nagi und Omi lagen quer über Ken an einem Haufen. Der Deutsche hob missbilligend eine Augenbraue, Yoji grinste. „Ihr habt nicht etwa gelauscht, oder?“ Drei Augenpaare blickten sie unsicher an. Die Älteren tauschten einen Blick und kamen dann langsam, mit den Knöcheln knackend, auf die drei am Boden liegenden Gestalten zu. Letztere zeigten nun eindeutige Anzeichen von Angst. Omi war der erste der sich aufrappelte und stolpernd das Zimmer verliess. Nagi folgre wenige Sekunden später. Ken, der zuunterst gelegen hatte, hatte weniger Glück als die beiden Jüngeren und stand nun zwei leicht gereizten Teammitgliedern gegenüber. „Hey..Moment mal. Es war nicht meine Idee! Nagi hat den Vorschlag gebracht.“, stotterte der Weiss und gab Fersengeld, als seine Gegner einen weiteren Blick austauschten. Als das Zimmer wieder (fast) verlassen war, brach Schuldig in Gelächter aus. Yoji grinste zwar, verstand aber nicht so ganz, warum Schu sich kaum noch einkriegte. „Was genau ist so lustig?“, fragte der Schwarzhaarige. „Nun, der letzte Satz den ich in Kens Gedanken wahrgenommen habe war: 'Mir war es lieber, als sie sich noch gegenseitig bekriegten'.“, antwortete der Deutsche. Nun musste auch der ehemalige Detektiv lachen. „Tja, das hätten sie sich vorher überlegen müssen.“, sagte er und fügte an: „Und jetzt komm. So wie ich das sehe kann Nagi zwar mit Computern, aber nicht mit Verbandszeug umgehen.“ Diese Bemerkung brachte den Deutschen dazu auf seine Hand zu sehen. Der Miniverband war verrutscht und schon grösstenteils blutdurchtränkt. „Keine schlechte Idee, würde ich sagen. Ausserdem warten unten noch ein paar stachlige Rosen auf mich.“ Als sie auf den Flur hinaus traten, konnten sie gerade noch sehen, wie Kens Zimmertür zuging. Schuldig warf dem Schwarzhaarigen neben sich einen kurzen Blick zu. Eigentlich war Kudou ganz in Ordnung. Und wenn er es sich recht überlegte, hatte der Playboy alles Recht sich etwas auf sein Aussehen einzubilden. Er sah wirklich gut aus. Und er hatte einen Sinn für Mode. Rasch verbannte der Deutsche diese Gedanken, versteckte sie im hintersten Winkel seines Gedächtnis. Sie waren zwar nicht mehr Dauerangestellte von Kritiker, aber Gefühle waren ein Risiko, das Schuldig sich nicht zugestand. Er musste mit Kudou auskommen, aber mehr als eine Arbeitsfreundschaft durfte es nicht werden. Für seinen Geschmack war seine Freundschaft mit Nagi schon viel zu eng. Freunde machten verletzlich, und je mehr Freunde desto schlimmer. Sie waren in der Küche angekommen und der Telepath liess sich von Yoji auf einen Stuhl dirigieren. Der Schwarzhaarige holte den Verbandskasten aus dem Nebenraum und machte sich daran, die Wunde zu säubern. Als er mit dem Desinfektionsmittel zu hantieren begann, verzog der Deutsche das Gesicht. Der ehemalige Detektiv lächelte: „Ich wusste ja gar nicht wie schmerzempfindlich du bist, Schu.“, stichelte Yoji, ohne dass ihm bewusst war, dass er den Deutschen schon wieder mit einem Spitznamen bedachte. Schuldig allerdings merkte es sehr wohl, dass der Schwarzhaarige ihn schon zum zweiten Mal innert kürzester Zeit mit der Verniedlichung ansprach. Also erwiderte er mit piepsiger Stimme: „Tja, weisst du Yoji-chan, ich habe halt viele Geheimnisse.“ Absichtlich legte er die Betonung auf das 'chan', worauf ihm Kudou beinahe in den Finger schnitt, bei dem Versuch den Verband abzuschneiden. „Vorsicht, Yoji-chan, sonst musst du ja gleich wieder von Vorne anfangen...“, tadelte Schuldig den Anderen, immernoch mit dieser fürchterlichen Piepsstimme, die so gar nicht zu dem sonst so erwachsen wirkenden Mann passen wollte. Yoji musste die Zähne zusammen beissen, um nicht zu lachen. Allerdings hatte der Schwarzhaarige unterdessen verstande, worauf Schuldig anspielte und nahm den Faden auf. „Schu-chan, wenn du nicht willst, dass ich dir aus Versehen den Finger abhacke, solltest du solche Sprüche besser lassen.“, antwortete er mit einem Lächeln, dass jede Frau umgehauen hätte. Der Deutsche wartete mit seinem nächsten Satz, bis Kudou den Verband fertig hatte. Er hing schliesslich irgendwie an seinem Daumen. Der Schwarzhaarige drehte ihm halb den Rücken zu, um den Verbandskasten wieder einzuräumen, als Schuldig wieder zu sprechen anfing. Um die ganze Sache noch zu verschärfen, redete der Deutsche wieder mit normaler Stimme. „Aber das würdest du nie tun, nicht wahr, mein Schatz?“ Yoji liess den Verbandskasten fallen. Langsam drehte er sich zu dem ehemaligen Schwarz um. In seinem Blick lagen Schmerz und Wut. „Nenn mich nie wieder Schatz!“ Der Schwarzhaarige klang ruhig, kein Zittern in der Stimme, Nichts schien darauf hinzudeuten, dass er nicht die Ruhe selbst war. Doch der Telepath wusste es besser. Er konnte den Wirbel aus Gefühlen in den Augen des Anderen sehen. Yoji wirbelte herum, ging auf die Tür zu. Er war jedoch noch nicht einmal auf halber Strecke, als der Deutsche ihn einholte. Starke Arme schlangen sich um den Körper des Detektiven und hinderten ihn so effizient daran wegzukommen. „Lass mich los.“, sagte Kudou mit eisiger Gelassenheit. Schuldig schluckte. Da hatte er ja wieder etwas angerichtet. „Es tut mir leid. Bitte Yoji. Ich wusste nicht, dass du auf das Wort so reagieren würdest. Keine Ahnung warum es dich so verletzt, aber es war wirklich nicht meine Absicht dir weh zu tun. Ich...“ Der Orangehaarige stockte, als er merkte, dass der Körper in seinen Armen zitterte. Mit sanfter Gewalt drehte er Yoji um, so dass er ihm in die Augen blicken konnte. Stumme Tränen rollten über das schmerzverzerrte Gesicht des Kleineren. Doch dieses Mal hatte der Deutsche keine Zeit sie wegzuwischen. Der Schwarzhaarige verbarg das Gesicht an Schuldigs Schulter und weinte leise vor sich hin. Leicht überfordert mit der ganzen Situation streichelte der Telepath Yoji über den Rücken. „Sch.. Ist ja gut..“, murmelte er leise. Doch die Schluchzer wurden nur ein wenig lauter. Der Deutsche gab ihm alle Zeit. Als Kudou sich etwas beruhigt hatte, hob er ihn kurzerhand auf seine Arme und trug ihn durch den Flur und die Treppe hoch in sein Zimmer. Vorsichtig, so als ob der Schwarzhaarige zerbrechlich wäre, legte er ihn auf das Bett. Sein Blick wanderte über das blasse Gesicht und die geröteten Augen. Yojis Blick war starr auf die Decke gerichtet. Aus dem Augenwinkel nahm Schuldig einen digitalen Wecker wahr. Es war schon 18:35 Uhr. Er hatte gar nicht bemerkt wie der Tag vorüber gezogen war. Die restlichen Teammitglieder waren ihm nicht mehr über den Weg gelaufen, seit sie bei Yoji ins Zimmer gefallen waren. Der Deutsche schaute wieder zu dem ehemaligen Detektiven. Letzterer starrte immernoch abwesend nach oben. „Hey.. Yoji. Ich gehe mal wieder nach unten. In der Küche liegt immernoch das Verbandszeug herum. Ausserdem muss ich noch einige halb verdurstete Rosen ins Wasser stellen.“ Der Schwarzhaarige reagierte nicht. Sanft strich Schuldig ihm eine schwarze Strähne aus dem Gesicht. Das brachte den Anderen endlich dazu, sich zu bewegen. „Ich..komme heute nicht zum Abendessen..“, meinte er mit belegter Stimme. „Schon okay. Ich sag's Aya.“, sagte der Orangehaarige mit einem sanften Lächeln und stand auf. Leise schloss der Deutsche die Zimmertür hinter sich. Dann ging er in die Küche und räumte das Verbandszeug zusammen und rette danach die letzten paar Rosen. Als er wieder in die Küche trat, blickte er direkt in die Augen Aya Fujimya. „Hallo Ran.“, sagte der Deutsche und schob sich an dem Rothaarigen vorbei zur Kaffeemaschiene. „Hilfst du mir kochen?“, fragte der Jüngere, während er den Kühlschrank öffnete und den Kopf hinein steckte, um nach etwas Essbarem zu suchen. „Klar. Für Yoji müssen wir, glaube ich, Nichts kochen. Er ist in seinem Zimmer und gedenkt dort zu bleiben.“ Der Rothaarige lehnte sich zurück, so dass er an der Kühlschranktür vorbei zu Schuldig blicken konnte. „Was hast du gemacht?“, fragte er mit drohender Stimme. Der Deutsche seufzte. „Lange Geschichte. Scheisse geht es ihm seit ich ihn Schatz genannt habe.“ Nun war es an Aya zu seufzen. „Erstens: Wie kommst du dazu ihn Schatz zu nennen? Zweitens: Wie genau hat er reagiert?“, fragte der Rothaarige ernst. Also erzählte der ehemalige Schwarz die ganze Geschichte. Wenn er schon bei einem Teammitglied Beichte ablegen musste, war ihm Ran eindeutig der Liebste. Nagi war zwar sein bester Freund, aber auch ein furchtbares Plappermaul. Wenn er sich dem Kleinen anvertraute, würde bald das ganze Team wissen, was los war. Der Japaner hörte ihm aufmerksam zu. Er unterbrach ihn nicht ein einziges Mal und die einzige Reaktion war das Zucken seiner Augenbrauen, wenn sie sich zusammenzogen oder mach oben geschoben wurden. Als Schuldig mit seiner Geschichte fertig war, herrschte für einen Moment Stille in der Küche. „Nun, du hast offensichtlich mit unglaublicher Treffsicherheit Yojis wunden Punkt gefunden.“, meinte Aya und wandte sich dann wieder den Kartoffeln zu, die er gerade schälte. „Und das ist Alles, was du dazu zu sagst, dass ich Kudou zum Heulen gebracht habe?“, fragte Schuldig zwischen zusammengebissen Zähnen. Es konnte doch nicht sein, dass es dem Rothaarigen egal war! „Ich gehe nicht davon aus, dass es deine Absicht war, Yoji zu verletzen. Also..“, war Ayas einziger Kommentar. „Natürlich nicht.“, knurrte der Deutsche. Fujimya trieb ihn in den Wahnsinn. Konnte er nicht einfach sagen, was das Problem mit Yoji war? Zu Schuldigs Erleichterung hob der Jüngere den Kopf und blickte ihn an. „Weiss du Schuldig, ich kann dir nicht helfen. Ich weiss nämlich nicht, warum Yoji so heftig reagiert hat. Der Einzige der dir das sagen kann, ist er selbst. Ich schlage daher vor, dass du jetzt beim Kochen hilfst. Wenn wir fertig sind, kannst du mit einem Teller zu Yoji ins Zimmer gehen und ihn fragen. Sollte er es nicht erzählen willen. Pech gehabt! Bor nicht in seinen Wunden. Wenn er noch nicht bereit ist, darüber zu reden, kannst du das nicht ändern. In diesem Team hat jeder seine Geheimnisse.“ Schuldig nickte. Ran hatte vermutlich mit Allem was er sagte recht. Als sie fertig gekocht hatten, schnappte der Deutsche sich einen Teller und machte sich auf zum Zimmer des Schwarzhaarigen. Unterwegs rief er noch den Rest der Bande zum Essen. Ohne zu klopfen, öffnete der Orangehaarige die Tür. Jetzt wo es dunkel war, konnte man im Zimmer kaum noch etwas erkennen. „Yoji, bist du wach?“, fragte der Deutsche. Er wusste, dass es eine blöde Frage war, aber ihm fiel gerade nichts Besseres ein. „Bei dem Lärm den Nagi und Omi im Nebenzimmer machen, kann kein Mensch schlafen.“, antwortete der Schwarzhaarige. Seine Stimme klang wie immer. Obwohl Schuldig wusste, dass das noch nichts zu sagen hatte, war er erleichtert. „Das heisst, ich darf das Licht anmachen?“, fragte er sicherheitshalber noch einmal nach. „Klar.“, meinte Kudou und klang dabei, als ob er lächeln würde. Das Licht flammte an und der Deutsche erkannte, dass er absolut falsch gelegen hatte. Der Schwarzhaarige lag immernoch so da, wie Schuldig ihn vor einer guten Stunde zurück gelassen hatte. Den Blick starr zur Decke gerichtet, regungslos. „Ich habe etwas vom Abendessen für dich mitgebracht.“, versuchte der Orangehaarige eine Bewegung zu provozieren. Nichts. Er stellte den Teller auf das Nachtschränkchen und setzte sich zu Yoji auf das Bett. Sanft fuhr er mit der Hand über Kudous Arm. Der andere Mann reagierte kaum, nur ein leichtes Zucken liess darauf schliessen, dass er die Berührung überhaupt wahrgenommen hatte. „Yoji, rede mit mir, bitte!“, flüsterte der Deutsche. Er hatte gerade ein ziemliches Déjà-vu. Nur war er heute Nachmittag erfolgreicher gewesen. Da hatte der Schwarzhaarige wenigstens einigermassen eine Reaktion gezeigt. Schuldig atmete tief durch. Ran hatte gesagt, dass er Yoji in Ruhe lassen sollte, wenn der Andere nicht reden wollte. Aber konnte den Schwarzhaarigen doch nicht einfach so liegen lassen. Es war kühl im Zimmer und Yoji würde bestimmt krank werden, wenn er weiter regungslos dalag. Innerlich seufzte der Deutsche. Dann eben so. Kurzerhand hob er die Decke hoch und deckte den Schwarzhaarigen bis zur Hüfte zu. Dann erhob er sich und ging wieder zur Tür. Er würde später noch einmal vorbei kommen, um den Teller zu holen und in die Küche zu stellen. Er war schon halb aus dem Raum, als ein Flüstern durch das Zimmer tönte. „Bleib.. bitte...“ Schuldig wirbelte herum. Yoji hatte sich aufgerichtet. Sein Blick war flehen. „Natürlich.“, antwortete der Deutsche mit einem Lächeln. Er ging zurück zum Bett und setzte sich. Kaum das er sass, schlange der Schwarzhaarige seine Arme um ihn und klammerte sich fest. Überrascht hob Schuldig eine Augenbraue. Er brauchte jedoch nur wenige Sekunden um sich zu beruhigen, dann schlang er den Arm um Yojis Taille und zog ihn näher an sich. Der Schwarzhaarige sass nun fast auf Schuldigs Schoss und klammerte sich bebend am Körper des Deutschen fest. „Hey Kleiner, weinst du wieder?“, fragte er vorsichtig. Ein Kopfschütteln an seiner Schulter. Da er dem Detektiven nicht so recht glaubte, drückte der Telepath ihn etwas von sich, was bei Kudous Klammergriff gar nicht so einfach war, und blickte ihm ins Gesicht. Tatsächlich hatte Yoji nicht gelogen. Er weinte wirklich nicht. „Was ist denn bloss los mit dir...“, murmelte der Deutsche und zog den Schwarzhaarige wieder an sich. Noch vor zehn Stunden hatten sie sich nur angegiftet, waren mehr schlecht als recht miteinander klar gekommen und nun.. Der sonst so starke Kudou lag bebend in seinen Armen und klammerte sich wie ein kleines Kind an ihn. Schuldig wurde von einer leisen Stimme aus seinen Gedanken gerissen. „Ich weiss es nicht... Ich habe nicht die geringste Ahnung warum ich so heftig reagiert habe. All die Frauen nennen mich ja auch 'Schatz' und bei denen macht es mir auch Nichts. Vielleicht liegt es daran, dass sie heute fünf Jahre tot ist...“ Yoji brauchte nicht zu erklären, wer sie war. Schuldig wusste auch so, dass der ehemalige Detektive von seiner grossen Liebe Asuka redete. Sie musste wohl sie Letzte gewesen sein, die ihn aufrichtig Schatz genannt hatte. „ Auf jeden Fall tut es mir leid, dass ich dich so angefahren habe. Und das ich dir jetzt solche Umstände bereite..“, fügte Kudou mit einem Seitenblick auf das unterdessen kalte Essen an. „Schon okay. Jeder von uns hat sein Bündel zu tragen. Einige können es besser und Andern wird es halt manchmal zu schwer.“, sagte Schuldig. Er war froh, dass der Schwarzhaarige wieder redete und wäre gerne noch sitzen geblieben, doch..: „Meinst du, du könntest mich loslassen? Unten wartet eine Rasselbande darauf, dass ich essen komme. Ich beeile mich auch und bin bald wieder da, ja?“ Der Deutsche wollte nur kurz in die Küche verschwinden und gleich wieder nach Oben kommen. Ein sanftes Lächeln umspielte Yojis Lippen, als der ehemalige Schwarz so vorsichtig versuchte sich los zumachen. „Mach dir um mich keine Sorgen. Mir geht es soweit wieder gut.“, erklärte der Schwarzhaarige und stand dann vorsichtig auf. „Ich komme mit.“ Schuldig grinste. Wenn Kudou es wagte, sich zwischen seine Freunde zu setzen, war wohl wirklich Alles wieder beim Alten. Denn zumindest Aya hätte sofort gemerkt, wenn etwas nicht stimmte. „Gehen wir.“ Als sie aus Yojis Zimmer kamen, hörte sie schon den üblichen Lärm aus der Küche. Die Teamältesten blickten sich zweifelnd an. Das klang ja nach einer richtigen Schlacht da unten in der Küche. „Na dann, auf in den Kampf.“, meinte Schuldig mit einem theatralischen Seufzen und setzte den Fuss auf die oberste Stufe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)