Obscure Mind von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Sie kommen in der Nacht ---------------------------------- Aufgeweckt wurde Stan mitten in der Nacht von lauten Sirenen und menschlichen Schreien. Sofort war er wach und stand an den Gitterstäben, die seine Zelle vom Gang trennten. Er hatte keine gute Einsicht in das Gefängnis, doch er bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Etwas ganz gewaltig nicht stimmte. Dies war kein Ausbruch oder eine Prügelei zwischen Zellengenossen. Zu ängstlich klangen die Schreie, geradezu todesängstlich. Irgendwo brach eine Wand zusammen, erneute Schreie. Und dann, im äußersten Winkel seines Blickfeldes, sah Stan etwas, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er stolperte einige Schritte zurück an das andere Ende seiner Zelle. Das konnte unmöglich sein! Sie hatten doch...? Hektisch sah er sich um und verfluchte augenblicklich die Tatsache, im Knast zu sitzen. Wo sollte er in seiner Zelle eine Waffe hernehmen? "Ruhig Stan, jetzt brauchst du nur Glück. Vielleicht reißen sie dein Gitter oder eine Wand ein, dann kannst du raus und eine Waffe suchen... und hey, du sitzt ja nur mit Mördern und Monstern in einem Gebäude fest, das wird schon!" Ja großartig, seine Gedanken halfen ihm jetzt herzlich wenig, Ruhe zu bewahren. Aber die Sache mit dem Rauskommen war vielleicht gar nicht so übel. Wie groß dabei die Chance war, in der kleinen Zelle durch die herumfliegenden Steine erschlagen oder von verbogenen Gittern aufgespießt zu werden oder vielleicht doch von einem Monster zerfleischt zu werden, wollte er gar nicht wissen. So schob er den Gedanken beiseite und versuchte in anbetracht der Panik um ihn herum, irgendwie Ruhe zu bewahren. Er schien jedoch mehr Glück zu haben, als erwartet, denn plötzlich zogen die Zentralriegel sich zurück und die Gittertür öffnete sich. Irgendjemand oder Irgendetwas musste - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - die Verriegelung vom zentralen Steuerraum aus geöffnet oder einfach die Stromversorgung komplett lahm gelegt haben. Draußen herrschte ein heilloses Durcheinander. Stan war sich für einen Moment wirklich nicht sicher, ob er lieber draußen oder hier drinnen war. Als er zwischen den ganzen Schreien jedoch wieder das allzu bekannte Gebrüll hörte, war er schneller auf dem Geländergang als er „Mutation“ sagen konnte. Eine Waffe oder einen Fluchtweg, jetzt! Er trat auf den Gang hinaus und war für einen kurzen Moment entsetzt von dem Bild das sich ihm bot. Aus der Zelle, die genau neben seiner lag, ragte der zerfleischte Oberkörper eines Mannes, überall lagen Teile der Gefängniswand. Gefangene, die nun nicht mehr gefangen waren, rannten panisch umher, auf der Suche nach einem Ausgang. Nur ein paar Meter von ihm entfernt nahm ein riesiges Monster fast die gesamte Breite des Ganges ein. Was nun, Stan, was nun? Er atmete tief ein, schloss für einen Moment die Augen, dann rannte er einfach los. Irgendwie schaffte er es, unter dem trägen Schlag des Monsters hindurchzutauchen, doch dann prallte er gegen einen breitschultrigen Mann, der ebenfalls die typische Gefängniskleidung trug. Stan fluchte, als er strauchelte. Irgendwie schaffte er es schließlich ans Ende des Ganges, das ins Treppenhaus mündete. Er sah sie Leiche eines Wärters, der mit gebrochenem Genick halb auf der Treppe, halb auf dem Absatz darunter lag und musste sich die Hand vor den Mund halten, um sich nicht zu übergeben. Er hatte damals an der Leafmore High viele Leichen gesehen, aber seitdem war Zeit ins Land gegangen und gewöhnen konnte man sich an diesen Anblick sowieso niemals. Doch plötzlich hatte er einen Geistesblitz. Der Beamte hatte sicher irgendeine Art von Waffe bei sich. Er kniete sich neben ihn und fasste mit einer Hand an seinen Gürtel, während er die andere immer noch vor den Mund und seine Nase hielt. Aus dem Gang, den er gerade verlassen hatte, kamen nun auch andere Häftlinge, die es geschafft hatten, dem Monster zu entkommen. Sie alle hatten einen panischen Ausdruck in den Augen, den Stan nur zu gut von seinen Freunden kannte. Wahrscheinlich hatte er damals nicht viel anders ausgesehen, als er das erste Mal einem dieser mutierten Mistviecher begegnet war. Er schirmte den Beamten mit seinem Körper vor den Blicken der Anderen ab, aber sie schienen sich ohnehin nicht sehr für einen toten Wärter zu interessieren. Stan fand eine 9mm Smith&Wesson und einen Gummiknüppel bei dem Beamten, aber keine weitere Munition. Er checkte, das Magazin der Pistole und stellte verärgert fest, dass sie nur noch vier Schuss enthielt. Er musste sorgsam abschätzen, wann er schießen würde. Als er von der Treppe über sich ein polterndes Geräusch hörte, sprang er auf und stürzte, den anderen Männern hinterher, die Treppe hinunter. Bis zum Erdgeschoss kam er erst gar nicht. Von unten kam ihm ein Häftling entgegen welcher ihn unsanft zur Seite schubste, dann jedoch in die Fänge des Monsters hinter ihm rannte. Stan musste sich nicht umsehen um zu wissen wie das Szenario aussah. Den Würgreiz immer noch unterdrückend, rannte er auf den Gang des zweiten Geschosses. Er hatte vorerst Glück, vor ihm war zumindest kein Monster. Allerdings prangte in dem Boden ein Loch, welches er aber schlichtweg hinter sich ließ, indem er mit Anlauf hinüber sprang. Er sah hinunter in die Halle und stellte fest, dass die meisten Gefangenen entweder tot waren, panisch zu den Ausgängen rannten oder, wie er bemerkte, zu den riesigen Löchern in den Wänden, welche von den Monstern hineingerissen worden sein mussten, als diese ins Gebäude gekommen waren. Stan hatte nicht lange Zeit um sich zu überlegen, wo er nun sein Glück versuchen wollte, da er hinter sich ein bedrohliches Knacken und ein Grunzen hörte, was ihn dazu veranlasste die Beine zu bewegen und sich aus der Zielebene des Monsters zu retten. Er beschloss kurzum den kürzesten Weg nach unten zu nehmen. Das Gebäude war nicht sonderlich hoch, er musste wohl zwei Meter über dem Boden sein. Er kletterte also über die Brüstung, ließ sich hängen und... ließ los. Er landete nicht besonders gut, obwohl er versuchte sich abzurollen und den Sprung somit abzufedern, aber durch sein linkes Bein zog sich dennoch eine leichte Taubheit. Ekliges Gefühl, aber er hätte sich auch irgendwas brechen können. „Immer positiv denken alter Junge.“ Er hatte beschlossen das Loch in der Wand zu nehmen. Nicht nur weil die normalen Ausgänge hoffnungslos überfüllt waren, sondern auch weil er hoffte das die Monster dort nun nicht mehr waren. Nur wenige Sträflinge hatten wohl denselben Gedanken gehabt wie er, die Anderen schienen eher Angst davor zu haben, den Weg zu wählen welchen die Monster sich gebahnt hatten. "Nunja, vielleicht bereue ich es auch gleich", dachte er sich, ehe er über die Steintrümmer stieg und hoffte, hier nach draußen zu kommen. Und tatsächlich sah er sich vor dem Gefängnis einem Monster gegenüber. Er hatte schon ein ähnliches gesehen und wusste daher, dass es nicht allzu stark war, dafür aber umso schneller, ihm auszuweichen würde er also vergessen können. Stan hob langsam den Arm, in dem er den Gummiknüppel hielt, während das Monster auf ihn zuwankte. Und als es in seiner Reichweite war, machte er einen gezielten Schritt vorwärts und ließ den Knüppel auf den Kopf des Monsters niedersausen. Er rollte sich ab um einem Gegenschlag des Mistviechs auszuweichen und zog ihm von hinten den Gummiknüppel erneut über den Schädel. Dann trat er es in den Rücken und es zerfiel vor seinen Augen zu Staub. Nur das schlagende Herz blieb auf dem dreckigen Betonboden liegen und Stan unterdrückte den Reflex es zu zertreten. Dazu hatte er keine Zeit mehr, denn er sah von der Seite ein weiteres Monster kommen. Er feuerte unbestimmt einen Schuss in die Richtung des Monsters ab, dann nahm er wieder die Beine in die Hand. Mit ein paar großen Schritten war er an der Gefängnismauer. Nun musste er einen Ausgang finden. Er hörte zwar, dass hundert Meter weiter die anderen Gefangenen das Gefängnis verließen, aber er hatte Angst, platt getrampelt zu werden, wenn er sich dorthin wagte. Und außerdem glaubte er nicht, dass diese ekligen Viecher brav den Haupteingang benutzten. Stan rannte also in die entgegen gesetzte Richtung an der Mauer entlang, die Geräusche des Monsters hinter ihm ignorierend. Wenn er schnell rannte, würde es ihn nicht einholen können. Er war sehr schnell, wenn er wollte. Tatsächlich fand er ein Loch in der Mauer, durch das er entkommen konnte. Er stieg über einige Geröllbrocken, dann stand er im Wald. Das Gefängnis war mehrere Kilometer von der nächsten Stadt entfernt und die einzige Straße führte vom Haupteingang aus von hier weg. Und der war auf der anderen Seite des Gefängnisses, wo Horden von ehemaligen Gefangenen und wahrscheinlich auch von Monstern, die ihnen folgten, die Straße belagerten. Er hatte zwei Möglichkeiten und er musste sorgsam abwägen, welche die weniger gefährliche von den beiden war. Entweder er schlug sich durch den Wald, wo sich wahrscheinlich weniger Monster, weil weniger Menschen befanden und lief Gefahr sich zu verlaufen oder er suchte den Weg zurück zur Straße und folgte dieser. Er entschied sich für den Wald, als er von der Straße her laute Schreie hörte. Verdammt, das war ein beschissener Alptraum! Er sprang die Trümmer hinunter und rannte. Das Monster schien seine Probleme zu haben, den unebenen Weg über die Steine zu finden, was ihm selber einen gehörigen Vorsprung verschaffte. Das Dickicht um ihn herum war dichter als erwartet und mehr als einmal blieb er darin hängen. Nach circa zehn Minuten blieb er erschöpft, aber mit zum Zerreißen angespannten Nerven stehen und stützte die Hände auf die Knie. Seine Lunge brannte von der kühlen Luft, so dass er einige Male husten musste. Er hoffte, dass nichts in der Umgebung war, was ihn bemerken konnte. "Der Wald ist ja auch gar nicht geeignet zum verstecken. Ranken von den Ästen, Arme aus den Büschen und hey, der nächste Baum ist ein Monster!" Er schauderte bei dem Gedanken. "Bleib ruhig, keine Panik jetzt. Bemitleide dich später wenn du Ruhe hast...wenn du Ruhe hast." Langsam lief er weiter. Seine Beine fühlten sich an wie Blei. Er hatte zwar weiter trainieren können, aber soviel 'Auslauf' bekam er trotzdem selten. Seine Gedanken schweiften ein wenig von seiner misslichen Lage ab und er fragte sich, ob das hier eigentlich als Ausbruch galt, entschied aber, dass ihm sein Leben definitiv wichtiger war. Sobald die Sache im Gefängnis unter Kontrolle war, würden sie die Häftlinge schon suchen, dann könnte er sich immer noch wieder stellen. Er wollte seine Strafe nicht unnötig verlängern, der Laden war echt zum kotzen. "Wo geht’s jetzt eigentlich hin, Stan? Es ist mitten in der Nacht und du stehst planlos in einem Wald voller Monster." Vielleicht hätte er doch der Straße folgen sollen, diese führte wenigstens zur Stadt, aber hey, irgendwann würde er auf dieser Seite sicher auch eine finden. "Vielleicht sogar mit Schild, welches mir dann lediglich sagt, das ich schon so und so viele Kilometer vom Gefängnis entfernt bin. Es dauerte keine zehn Minuten, ehe er auf einem kleinen Waldpfad stand und das braune, halb zerfallene, zwei Meter hohe Warnschild anstarrte, welches ihm eben diese Nachricht vermittelte, plus der Information, dass sich Wanderer aus diesem Gebiet fernhalten sollten. Bravo Stan. Zu seinem Leidwesen fehlte ebenfalls eine Angabe, in welcher Richtung es gefährlicher war. Stan entschied sich, dass es wohl auf beiden Seiten gleich schlimm war und von daher egal, wohin er ginge. "Wenn ich eine Münze hätte, würde ich wohl die nehmen", seufzte er und wählte auf Geratewohl die rechte Seite. Als er fast von einem Felsbrocken erschlagen wurde, wusste er auch, warum sich Wanderer von hier fernhalten sollten. "Aber einen Pfad anlegen, das können sie!" Er fragte sich ernsthaft, welcher hirnverbrannte Vollidiot auf so eine Idee kommen würde. Ja genau, legen wir einen Weg unter einem Berg mit Steinschlaggefahr an und stellen dann ein Schild auf, dass es gefährlich ist, hier zu wandern. Aber wo er nun schonmal hier war, blieb ihm nur noch zu hoffen, dass seine Reflexe nicht versagen würden. Und, dass er diesmal vielleicht wirklich auf die Straße zurückfinden würde. Wieder fragte Stan sich, wo er eigentlich hinwollte. Seine erste und die naheliegendste Idee war, Kenny und Shannon heimzusuchen. Aber konnte er das wirklich bringen? Wenn er gesucht und gefunden würde, hingen die beiden auch mit drin und das wollte Stan eigentlich nicht. Aber andererseits... sollte er etwa zu seiner Mutter? Dann konnte er auch gleich auf dem Friedhof schlafen, denn diese würde ihm sicher den Schädel spalten. Wie Stan sie kannte, hätte sie eher gewollt, dass er sich im Gefängnis von Monstern zerfleischen ließ, als dass er auch nur einen Schritt vor seine Mauern setzte, bevor Stan nicht seine gesamte Strafe abgesessen hatte. "A propos Monster... wo sind die Viecher eigentlich hergekommen?" Die schlaue Frage stellte er definitiv dem Falschen. Luft ist nicht sonderlich gesprächig, nicht ohne Gras, aber egal jetzt. Oder auch nicht. Als er wieder ein Brüllen vernahm, wusste er auch warum der Stein ausgerechnet JETZT hinunter gefallen war. Das Monster, was von oben auf ihn herab sprang, nahm einige weitere Steine mit, so dass Stan keine andere Wahl blieb, als erneut zu rennen. "Ist doch ein guter Plan, Marathonläufer!" Als das Vieh ihm immer näher auf die Pelle rückte, sah er keine andere Möglichkeit als wieder die Waffe einzusetzen. Der Schuss traf das Biest ins Bein und es strauchelte einen Augenblick, lange genug für Stan um weiter weg zu kommen und lange genug um die restlichen Steine am Boden eintreffen zu lassen. Wenn es nicht tot war, war es zumindest begraben. Er steckte die Waffe weg und atmete die unbemerkt angehaltene Luft aus. Er hatte heute definitiv mehr Glück als Verstand. Er hatte beschlossen wirklich zu Kenny und Shannon zu gehen, dafür musste er aber erst einmal in die Stadt und wer wusste schon ob dort nicht auch Monster waren? Er hoffte, dass er zumindest eine ruhige Nacht bekommen würde und sei es nur in einem Hotelzimmer. Besser als das Gefängnis war es allemal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)