Darkest Days von Nordwind (One-Shot Sammlung| 05 - Die Sterne, der Mond und die Sonne) ================================================================================ 1| to the moon -------------- darkest days | to the moon Einsamkeit Naruto | Neji Hyuga Art thou pale for weariness Of climbing heaven and gazing on the earth, Wandering companionless Among the stars that have a different birth, - And ever changing, like a joyless eye That finds no object worth its constancy? Percy Bysshe Shelley Er stand mit dem Rücken zur Wand. So war es ihm am liebsten, denn diese Position gab niemandem die Möglichkeit ihn von hinten zu überraschen. Nicht das er wirklich einen Angriff zu fürchten hatte, denn immerhin war das hier nur ein harmloses Familienfest und keine Mission. Im Augenblick wäre er lieber auf einer Mission gewesen, bei der es nötig war auf seinen Rücken zu achten, als hier in diesem großem Raum mit dem Rest seines Clans. Sie machen sich keine Mühe den angewiderten Ausdruck auf ihren Gesichtern zu verbergen, während sie auf dich hinab sehen. Du schaust mit halb geschlossenen Augen ungerührt zurück. Du brauchst deine Augen nicht um zu erkennen was sie nicht so offen zeigen. Du könntest deine Augen schließen und trotzdem in ihnen lesen wie in offenen Büchern. Sie sind nur normale Menschen, keine Ninja. Sie haben niemals gelernt ihre Gefühle wirklich zu verbergen, nicht so wie du. Sie haben Angst. Er war nicht wie alle anderen männlichen Mitglieder der Zweigfamilie zum Wachdienst eingeteilt worden um an den Grenzen des Anwesens zu patrouillieren. Stattdessen hatte er das seltene Privileg an der Feier teilzunehmen, wenn auch unter der Bedingung, dass er seine Cousine Hinata ständig im Auge behielt. Er hätte nur allzu gerne darauf verzichtet. Er bevorzugte den Wachdienst. Die groben Seile mit denen sie deine Arme auf deinen Rücken gefesselt haben schneiden in deine Handgelenke. Du ignorierst den Schmerz. Du bist Schlimmeres gewöhnt. Du könntest die Fesseln lösen, aber du tust es nicht. Noch nicht. Du willst herausfinden, wer dahinter steckt. Kein normaler Mensch kann eine solche Falle stellen. Du hast sie erkannt, denn deine Augen sehen mehr. Mehr als die Augen eines normalen Menschen und mehr als die trainierten Augen eines Ninja. Du hast dich trotzdem fangen lassen um dein Team nicht zu gefährden. Du hast gewusst, dass es keine andere Möglichkeit gab sie rechtzeitig zu warnen. Er beobachtete das Geschehen wie ein Außenstehender, der er, wenn man ehrlich sein wollte, auch war. Es war der 27. Dezember, Hinatas 15. Geburtstag und wie jedes Jahr gab es eine Zeremonie, bei der alle Hauptfamilienmitglieder anwesend sein mussten. Im Gegensatz zu den ausgelassenen Festen, die er auf seinen Missionen gesehen und die er von anderen Ninja aus Konoha kannte, glich dieses eher einer Trauerfeier, doch er war es gewöhnt. Er kannte diese Feste seit seiner Kindheit. Er hatte niemals etwas anderes gekannt. Die Familienmitglieder standen in kleinen Grüppchen beisammen und sprachen nur leise miteinander. Sie alle trugen die traditionellen Kimonos in den Familienfarben Dunkelblau und Beige. Manchmal warfen sie ihm kurze, herablassende und missbilligende Blicke zu. Er ignorierte sie. Er sah hinter diese Blicke und erkannte nur Neid. Neid auf seine Fähigkeiten, Fähigkeiten, derer er nicht würdig war. Er erwiderte die Blicke ungerührt, er spürte sie schon lange nicht mehr. Das dumpfe Spiel zweier Shamisen untermalte das leise Gemurmel. Sie halten Abstand, du wartest. Sie wagen es nicht dir näher als zwei Schritt weit zu kommen. Sie fürchten dich und sie hassen dich, weil sie nicht wissen, wer du bist, was du bist und was du willst. Sie fürchten das Unbekannte, das Fremde. Sie wissen, dass du anders bist. Sie sehen es an deinen Kleidern, an den Waffen, die du bei dir trägst, an deiner Maske, die sie dir abgenommen habe, an dem seltsamen Zeichen auf deiner Stirn und natürlich an deinen Augen. Vielleicht ist es sogar das, was sie am meisten fürchten, deine Augen. Sie kennen den Begriff Ninja und sie glauben auch zu wissen was dahinter steckt. Schritte nähern sich und die Menschen weichen zur Seite. Sie bilden eine Gasse für einen hoch gewachsenen, grobschlächtigen Mann mit schulterlangem, braunen Haar. Du weißt, dass er kein Ninja ist, du erkennst es in dem Augenblick als du aufsiehst um zu sehen, ob er ihr Anführer ist. Du erkennst es an der Art, wie er sich bewegt, an den Kleidern, die er trägt, an den Waffen, die er offen zeigt und an dem Mangel an Vorsicht in seinem Blick. Er ist groß und stark, sein Gesicht gezeichnet von Wetter und Kampf, doch er ist kein Ninja, du musst ihn nicht fürchten. Nicht du. Sein Blick wanderte zu einem der Fenster. Es war bereits dunkel, doch der Schnee glitzerte im kalten Licht des Vollmondes. Es war eine schöne Nacht, bestimmt war der Himmel voller Sterne. Es kümmerte ihn nicht. Warum auch? Er saß hier ohnehin bis zum Morgengrauen fest. Sein Blick wanderte weiter durch den Raum, streifte die Mitglieder seines Clans, die ihm ebenso egal waren, wie die Sterne und ebenso unerreichbar fern. Er war es müde sie zu beobachten und sich über sie zu wundern. Seit jenem Tag, an dem man ihm erklärt hatte, dass es das Schicksal nicht gab, hatte er nach Gründen gesucht. Er hatte wissen wollen, warum sie ihn verachteten, warum sie ihn mieden, warum er weniger wert war als sie, denn wenn nicht das Schicksal sie unterschied, was dann? Warum durften sie frei sein und hielten ihn gefangen? Warum ausgerechnet ihn, der an Talent allen anderen überlegen war? Was für einen Grund gab es, wenn nicht das Schicksal? „Wie heißt du?“ Seine Stimme klingt tief und rau, älter als er selbst sein kann. Du schätzt ihn auf älter als dreißig aber jünger als vierzig. Du irrst dich selten. Er weiß was es heißt zu kämpfen und hat dem Tod schon einmal ins Auge geblickt. Er verzieht das Gesicht, als du nicht antwortest. Er unterschätzt dich. Er hält dich für zu jung um eine wirkliche Gefahr darzustellen. Du achtest nicht darauf, stattdessen siehst du ihm in die Augen. Du weißt, dass dein Blick nichts verrät, weder dich noch deine Gedanken. Noch immer befreist du dich nicht von deinen Fesseln. Du bist nicht hier um ihn zu töten, du bist hier um Informationen zu sammeln. Er war es müde nach Gründen zu suchen. Nach guten Gründen, die es wahrscheinlich überhaupt nicht gab. Wenn es aber keine Gründe gab und auch kein Schicksal, machte dann überhaupt irgendetwas in seiner Familie einen Sinn oder war alles schlichtweg sinnlos und willkürlich? Er wusste es nicht und er wollte es nicht wissen. Er wollte sie nicht mehr beobachten. Sie begegneten ihm mit Verachtung und er ihnen mit gelassener Gleichgültigkeit. Er hatte sie aufgegeben. Sie waren es nicht wert. Er mustert dich. Dein langes, schwarzes Haar, das dir offen über die Schultern fällt, dein blasses Gesicht, deine weißen Augen und das Zeichen auf deiner Stirn. Das sanftgrüne Juin. Du kannst förmlich sehen, wie es in ihm arbeitet, wie sich seine Brauen zusammen ziehen, wie er in seinem Gedächtnis nach den Augen und dem Zeichen sucht. Er findet sie nicht. Er hat niemals zuvor von dir oder deinem Clan gehört. Aber in seinen Augen liegt derselbe angewiderte Ausdruck. Dieser Mann weiß was du bist und er verachtet dich dafür, aber er fürchtet dich nicht. Sein Blick richtete sich auf Hinata. Ein sanftes Lächeln lag auf den Lippen seiner Cousine, doch es war nicht echt. Er konnte durch dieses Lächeln hindurch sehen. Ebenso wie er konnte sie sich wohl tausend Orte vorstellen, an denen sie im Augenblick lieber sein wollte. Man begegnete ihr mit Respekt, doch er war nicht echt und sie wusste das ebenso gut wie er. Die Mitglieder der Hauptfamilie verachteten sie für ihre sanfte Art und ihre Unterlegenheit ihm gegenüber. Sie stand in dieser Familie ebenso alleine wie er und auch sie hatte es aufgegeben, denn ihr Lächeln war leer und sie es nicht wert. Sie verstehen es nicht. Sie verstehen dich nicht und deshalb verachten sie dich. Sie verstehen nicht, warum du dieses Leben gewählt hast, dabei gab es nie eine Wahl. Spionage und Meuchelmord gehören zu den Aufgaben eines Ninja. Immer verdeckt und im Geheimen. Sie fürchten diese Dinge, also verabscheuen sie sie. Für sie verkörperst du all diese Dinge, also verabscheuen sie dich. Kaltblütig und Gnadenlos. Sie sehen nur diese Dinge in dir. Sie sehen nicht, wer du wirklich bist, wie du bist. Sie sehen nur, was sie zu sehen glauben, nicht tiefer, niemals tiefer. Diese Menschen kennen dich nicht. Sie haben keine Ahnung wer du bist und doch mustern sie dich mit den gleichen Blicken wie deine Familie. „Wie dein Name ist, habe ich gefragt.“ knurrt der große Mann, der nun direkt vor die steht und mit bedrohlicher Miene auf dich hinabstarrt. Deine Stimme klingt ruhig und ausdruckslos, als du schließlich antwortest. „Hyuga Neji.“ „Hyuga Neji?“ Die Gespräche verstummen und alle Augen richteten sich mit einem Mal auf ihn. Er wandte den Blick von Hinata ab und musterte den Jungen, der vor ihm stand. Er war ungefähr 3 Jahre jünger und wahrscheinlich noch Genin. Er war offensichtlich nervös, aber das war kein Wunder umgeben von all den schneeweißen Augenpaaren, die alles sahen und denen nichts entging. „Tsunade-sama lässt dich rufen.“ erklärte der Junge und Neji hörte deutlich, dass er sich Mühe gab die Unsicherheit aus seiner Stimme zu verbannen. „Sie sagt es sei sehr wichtig.“ Neji nickte nur. Der letzte Teil war unnötig gewesen, das wusste er, denn wenn Tsunade jemanden zu sich bestellte war es immer wichtig und doch war es sinnvoll, dies gerade dem Hyugaclan noch einmal zu verdeutlichen. Ohne seinem Onkel oder einem der Ältesten, die er in anderen Fällen um Erlaubnis zu bitten hatte, noch einen letzten Blick zuzuwerfen folgte er dem Jungen nach draußen. In seinen Rücken bohrten sich die hasserfüllten Blicke seiner Verwandten. „Und dein Rang?“ Du wunderst dich über diese Frage, aber das zeigst du natürlich nicht. Du bezweifelst, dass dieser Mann sich mit den Rängen eines Ninjadorfes auskennt. „ANBU.“ antwortest du deshalb ohne zu zögern und ohne den Blick von ihm abzuwenden. Er versucht deinen Augen stand zu halten, aber es gelingt ihm nicht ganz. „Mörder.“ zischt er. Du glaubst nicht, dass er verstanden hat, was du gesagt hast. Wahrscheinlich hättest du ebenso behaupten können, dass du Anwärter seisd und er hätte auf dieselbe Art reagiert. Er schlägt dir mit der Faust ins Gesicht. Du siehst den Schlag kommen, lange bevor er dich erreicht, aber du weichst ihm nicht aus, obwohl es für dich ein leichtes gewesen wäre. Du drehst nur deinen Kopf ein Stück zur Seite, damit der Schlag nicht deine Nase zertrümmert. Du bleibst ungerührt. Du schreist nicht und zuckst nicht zusammen. Du zeigst den Schmerz nicht, du ignorierst ihn. Du blinzelst nicht einmal und deine Augen bleiben ungerührt auf die Seinen gerichtet. Er wird wütend. Du bist Schlimmeres gewöhnt. Als er über die Schwelle trat spürte er plötzlich den bekannten stechenden Schmerz hinter seiner Stirn. Jemand hatte das Juin aktiviert, wenn auch nur ein wenig, vielleicht nicht einmal bewusst. Er ignorierte es, darin war er inzwischen geübt. Der Schmerz breitete sich in seinem Kopf aus und machte es ihm schwer einen klaren Gedanken zu fassen, doch er ging unbeirrt weiter, setzte einen Fuß vor den anderen und tat so, als spüre er überhaupt nichts. Er würde ihnen nicht den Gefallen tun und schreiend zusammenbrechen. Er schaute nicht zurück, denn sie waren es nicht wert. 2| ten points to maintain friendship ------------------------------------ darkest days| ten points to maintain friendship Freundschaft Beyblade | Spencer, Tala & Kai “Aber-...” „Welchen Teil von ‚NEIN’ hast du nicht verstanden, Spencer?“ Der rothaarige Russe blieb stehen und wandte sich betont langsam zu seinem Teamkameraden um. Der missgestimmte Ausdruck in seinem Gesicht zeigte deutlich was er von dem Vorschlag des Blonden hielt. Spencer schluckte den letzten Widerspruch hinunter und wich unter den kalten, blauen Augen seines Teamleaders beinahe einen Schritt zurück. Er war älter als der Rothaarige, ein ganzes Jahr sogar und einen ganzen Kopf größer noch dazu, aber der Jüngere war schon Kapitän der Demolition Boys gewesen, als Spencer vor einem halben Jahr neu beigetreten war und das nicht zu unrecht. Er hatte nie besonders viel mit Tala zu tun gehabt, um genau zu sein, eigentlich gar nichts. Er hatte ihn vom Sehen her gekannt und von dem, was die anderen Jungen über ihn erzählten, aber was wussten die schon? Niemand wusste irgendetwas in der Abtei, alle vermuteten immer nur und mehr als die Hälfte aller Wahrheit war gelogen. Fakt war aber, dass die meisten Jungen sich von Tala fern hielten, ferner noch als von allen anderen, und das nicht ohne Grund. Spencer würde sich selbst liebend gerne so fern von Tala halten wie nur irgend möglich, aber das wiederum war nicht möglich. Es fiel ihm schwer mit der sarkastischen Art und dem spöttischen Humor des Rothaarigen zurechtzukommen. Er begriff den Jungen einfach nicht und konnte mit Sicherheit sagen, dass es zwei Dritteln des restlichen Teams ebenso erging. Ian, der Kleinste und Jüngste, hatte schlichtweg Angst vor Tala und traute sich kaum etwas in seiner Gegenwart zu sagen, geschweige denn dem Rothaarigen zu widersprechen und Bryan, der so alt war wie Spencer, aber schon etwas länger seinen Platz im Team hatte, verhielt sich meistens eher ruhig und desinteressiert. Nur manchmal konnte Spencer deutlich die Irritation in seinem Gesicht sehen wenn Tala sprach. Was das letzte Drittel anging, so… „Was war gleich noch mal dein Vorschlag, Tala?“ Nun ja, das letzte Drittel war Kai Hiwatari und eigentlich war dieser Name für die meisten Jungen der Abtei auch schon genug um auf dem Absatz kehrt zu machen. Kai war das letzte Mitglied der Demolition Boys, ungefähr so alt wie Tala und wahrscheinlich ebenso lange wie dieser im Team. Wenn man den Gerüchten glauben konnte, kannten die Beiden sich seit ihrem ersten Tag in der Abtei und im Widerspruch zu seiner eigentlichen Meinung gegenüber den kursierenden Gerüchten, glaubte Spencer davon jedes Wort. Tala alleine war schlimm genug, aber Tala und Kai zusammen und im schlimmsten Fall noch auf derselben Seite, das war wie eine Flutwelle an kühler Überlegenheit und sarkastischen Erwiderungen. Auch wenn es im Augenblick den Anschein hatte als würde Kai Spencer verteidigen, so wusste dieser jedoch ganz genau, dass das einzige Ziel des blaugrauhaarigen Russen darin bestand seinen Teamleader zu reizen. Natürlich würde er das niemals zugeben, aber es war trotzdem eine Tatsache. Spencer hatte nie gewagt es laut auszusprechen, aber er war immer der Meinung gewesen, dass die beiden Freunde wären, oder zumindest so etwas Ähnliches, manchmal. ten points to maintain friendship „Sehr witzig, Hiwatari.“ Tala klang alles andere als amüsiert. Spencer atmete beinahe erleichtert auf als Tala seine kalten Augen von ihm nahm und sie auf Kai richtete. Dieser zeigte sich im Gegensatz zu dem Blonden wenig beeindruckt. Im Augenblick lehnte er mit dem Rücken gegen die graue Wand, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die Augen geschlossen. Es war eine für ihn typische Pose, die wie immer deutliche seine Begeisterung zeigte. „Ich sage euch, was wir tun werden.“ Ein schmales, überlegenes Grinsen breitete sich auf den Lippen des russischen Teamleaders aus. Es wurde noch ein klein wenig breiter, als Spencer überrascht zu ihm hinüber sah und selbst Bryan seine Neugierde und die daraus entstehende Aufmerksamkeit nicht ganz verbergen konnte. Ian hing ohnehin an seinen Lippen, wenn auch nur aus dem schlichten Grund, dass er Angst hatte von Tala dabei erwischt zu werden wie er nicht zuhörte. Kai hob lediglich eine Augenbraue, aber das war zu erwarten gewesen. „Ian wird zu den Wächtern gehen und ihnen erzählen, dass Boris nach ihnen rufen lässt.“ Spencer stöhnte innerlich laut auf. Es war immer dasselbe. Tala entwickelte einen Plan, der lediglich auf vagen Vermutungen aufbaute und geradezu zum Scheitern verurteilt war. Dann ging er davon aus, dass alles perfekt funktionieren würde, wobei er natürlich keinerlei Rücksicht auf seine Teamkollegen nahm, von denen er ohne Zweifel erwartete, dass sie sich klaglos fügten, und am Ende fanden sie sich alle in Boris’ Büro wieder um sich eine Strafpredigt anzuhören, bei der es nicht bleiben würde. „Tala, können wir nicht-…“ versuchte Spencer ein weiteres Mal seinen Teamleader davon zu überzeugen, dass es besser wäre das Ganze einfach zu vergessen, aber er wurde erneut von Tala unterbrochen. „Nein.“ erwiderte der rothaarige Russe schlicht und fuhr stattdessen fort. „Natürlich wird wenn überhaupt nur einer von ihnen gehen, also wird Kai-…“ „Vergiss es.“ unterbrach der eben Genannte den russischen Teamleader. Talas eisblaue Augen richteten sich erneut auf Kai, übertrieben und ganz eindeutig gespielt überrascht. Er hob eine Augenbraue und sah seinen Teamkameraden erwartungsvoll an. „Was vergessen?“ Spencer verdrehte die Augen. Natürlich nicht so, dass Tala oder Kai es sehen konnten, denn er hatte kleine Lust zur Zielscheibe für spöttische Bemerkungen zu werden. Sollten die Beiden sich doch lieber gegenseitig die Köpfe einschlagen. Er wusste was nun folgen würde. Es war ein altbewährtes Spiel, das sich so ziemlich jeden Tag aufs Neue wiederholte und Spencer hatte niemals sagen können, ob die Beiden es wirklich ernst meinten oder ob es sich dabei schlichtweg um ihre eigene absurde Art von Humor handelte. „Ich mache da nicht mit.“ erklärte Kai und klang erneut gelangweilt und desinteressiert. 1. Helping each other „Und hättest du bitte auch die Güte mir zu erklären wieso nicht?“ Das Grinsen war von Talas Lippen gewichen. Seine stechend blauen Augen blitzten herausfordernd. Kai öffnete ein Auge und musterte den rothaarigen Teamleader einen Moment lang so, als ob er tatsächlich überlegte Tala ernsthaft zu erklären warum er ihm nicht bei seinem Plan helfen wollte. Spencer persönlich fielen auf Anhieb über hundert gute Gründe ein grundsätzlich niemals etwas zu tun, das Tala vorgeschlagen hatte, aber er war natürlich nicht in der Position sich zu verweigern. Ein Grund sich darüber zu freuen, dass Kai es tat. Mit ein wenig Glück würde der Blaugrauhaarige ihrem Teamleader seinen mit Sicherheit absurden Plan sogar ausreden können und Spencer damit die Sorgen um sein eigenes Leben ersparen. Er hasste es gegen Verbote zu verstoßen und noch mehr hasste er die darauf folgenden Strafen. Tala hingegen schien Ersteres beinahe zu genießen und Letzteres schlichtweg hinzunehmen, während Kai sowieso immer nur das tat, was ihm gerade passte. „Du weißt wieso.“ antwortete Kai schließlich und Spencer dankte ihm stumm dafür sich eines Besseren besonnen zu haben, doch natürlich freute er sich zu früh. „Nein.“ erwiderte Tala darauf schlicht und zuckte unschuldig die Schultern. „Klär mich auf.“ Spencer seufzte lautlos. Er mochte diese sinnlosen Wortgefechte nicht. Er fand sie kindisch und sie waren kindisch. Er hatte das einmal zu Bryan gesagt, doch der hatte lediglich mit den Schultern gezuckt. Spencer kam nicht umhin zu vermuten, dass es ihn insgeheim amüsierte. „Es wird nicht funktionieren.“ erklärte Kai nur und schloss sein Auge wieder, worauf Tala die Brauen zusammenzog. „Warum nicht?“ wollte er scheinbar skeptisch wissen. „Du weißt doch gar nicht was ich sagen wollte.“ „Weil deine Pläne nie funktionieren.“ murrte Spencer und riss sogleich erschrocken die Augen auf, als ihm klar wurde, was er soeben versehentlich getan hatte. Kai und Tala wandten sich zeitgleich zu ihm um, doch während Kai lediglich eine Augenbraue über die unerwartete Bemerkung hob, bedachte ihn Tala mit einem durchbohrenden Blick, der deutlich machte, wieso die Jungen der Abtei ihn so gut wie irgend möglich mieden. Spencer überlegte einen Augenblick lang, ob er sich entschuldigen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Er wollte nicht, dass Tala für den Rest des Monats auf ihm herumhackte – und das würde er zweifellos tun – also hielt er lieber den Mund bevor er seine Situation noch verschlimmerte. Aus dem Augenwinkel sah er wie sich ein schmales Grinsen auf Bryans Lippen schlich und er verfluchte sich stumm dafür nicht besser aufgepasst zu haben. Tala warf ihm einen letzten warnenden Blick zu (auf Spencer wirkte es eher wie eine stumme Drohung) und wandte sich dann schließlich, als er glaubte seinen Standpunkt deutlich gemacht zu haben, erneut Kai zu. „Also?“ begann er. „Warum nicht?“ Kai musterte ihn einen Augenblick lang scheinbar prüfend, dann zuckte er die Schultern. „Wie Spencer schon sagte, deine Pläne funktionieren nie.“ erwiderte er offenbar gleichgültig. „Gib es lieber auf, du hast kein Talent dafür.“ 2. Encouraging each other Tala starrte ihn einen Augenblick lang wortlos an und Spencer glaubte fast, dass der Rothaarige wütend werden würde, doch er hatte ihn erneut falsch eingeschätzt, wieder einmal. Dieses schmale, überlegen Grinsen erschien wieder auf den Lippen des Teamleaders. „Was du nicht sagst“, bemerkte er schließlich spöttisch. „Deshalb bin ich auch der Team Captain und du stehst nur an zweiter Stelle, wenn überhaupt.“ Kai hob gelassen eine Augenbraue. „Du verwechselt da etwas.“ Spencer hätte am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht und wäre gegangen, stattdessen begann er in Gedanken bis hundert zu zählen. Es war eine völlig absurde Tätigkeit, aber es half (was eigentlich beinahe noch absurder war). Wenn man sich wirklich vollkommen auf das Zählen konzentrierte, konnte man alle anderen Wahrnehmungen ausblenden, was er, wenn er jeden Tag in den kommenden Jahren mit diesen Leuten auskommen musste, auch bitter nötig hatte. „Boris’ Liebling zu sein bedeutet nicht gleich, dass man gut ist.“ behauptete Kai gelassen. „Oh, entschuldige“, erwiderte Tala und verbeugte sich übertrieben tief in Kais Richtung. „Ich vergas, ich spreche ja mit dem Enkel des großen Lord Hiwatari!“ Er richtete sich langsam wieder auf und fügte dann etwas ernster hinzu: „Abgesehen davon, dass du meinem Kommando unterstehst, schuldest du mir noch einen Gefallen.“ „Du hast, wenn überhaupt, nur dann etwas zu sagen, wenn es ums Beybladen geht.“ erklärte Kai darauf desinteressiert und schob die Hände in die Hosentaschen. „Abgesehen davon schulde ich dir überhaupt nichts.“ Oh ja, dass war wieder typisch. Spencer verdrehte innerlich die Augen (zum hunderttausendsten Mal heute). So fing es immer an. Kai kritisierte Talas Verhältnis zu Boris oder eher Boris Meinung über Tala, denn Tala verabscheute den Abteivorsteher zutiefst, dann hackte Tala auf Kais Familienverhältnissen herum. Und dann ging es immer so weiter: Schlag, Konter, Gegenkonter,… „Oh doch!“ Tala machte einen halben Schritt auf Kai zu und streckte den Zeigefinger aus um mit ihm auf dessen Brust zu deuten. „Ich habe dir letzte Woche den Hintern gerettet, als du geglaubt hast den Wächter provozieren zu müssen. Damit wären wir bei 45 zu 46. Also schuldest du mir etwas“ 3. Don't get caught up in keeping tabs on who has given most in the friendship „Das war aber deine Schuld.“ erwiderte Kai scheinbar unbeeindruckt und warf einen missbilligenden Blick auf Talas Finger. „Ich habe eine halbe Stunde auf dich gewartet und du bist nicht aufgetaucht.“ 4. Be reliable Tala nahm den Zeigefinger von Kais Brust, deutete jedoch immer noch auf ihn, während er einen Schritt zurück trat. „Das, mein lieber Kai“, sagte er. „war jedoch wiederum deine Schuld.“ Kai hob skeptisch eine Augenbraue. Tala nickte um seine Aussage noch zu verdeutlichen. „Hättest du Boris nicht von diesem kleinen Missgeschick erzählt, hätte er mich nicht stundenlang mit Predigten aufgehalten.“ 5. Keep secrets Kai verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust und schloss die Augen. „Nikita wollte unbedingt wissen, was passiert ist.“ erklärte er gelassen. „Ich habs ihm erzählt damit er mich in Ruhe lässt. Ich hab nicht gewusst, dass er damit gleich zu Boris rennen würde.“ „Ha!“ rief Tala so laut, dass Kai seine Augen sofort wieder öffnete und den rothaarigen Teamleader beinahe böse anstarrte. „Lügner! Jeder weiß, dass Nikita immer sofort mit allem zu Boris rennt. Nur deshalb ist er noch da!“ 6. Tell the truth Ein Grinsen breitete sich auf Talas Lippen aus. Seine eisblauen Augen blitzen herausfordernd. „Also?“ hakte er nach, als es schien als wolle Kai nicht antworten. „Also was?“ erwiderte Kai spöttisch. „Soll ich vielleicht auf die Knie fallen und um Vergebung betteln?“ Tala hob eine Augenbraue. „Na ja“, meinte er. „Du kannst es gerne versuchen, aber für Hochverrat gibt es keine Vergebung. Nur die Todesstrafe. Oder Verbannung, aber dazu fehlt mir die nötige Autorität.“ 7. Forgive „Sehr witzig.“ kommentierte Kai wenig begeistert. „Jah, das glaubst du jetzt noch“, antwortete Tala. „Aber wenn du morgen nicht mehr aufwachst wirst du es bestimmt sehr ernst nehmen und dir das nächste Mal genau überlegen, wen du an den Teufel verkaufst.“ Auf seinen Lippen lag wieder dieses Grinsen, das dort immer zu finden war, wenn er sich selbst für unheimlich komisch hielt. Spencer persönlich fand Tala nie besonders komisch. Man machte keine Witze über den Tod, zumindest nicht in der Welt aus der Spencer kam. Das letzte halbe Jahr hatte nicht dazu gereicht sich an Tala zu gewöhnen und der blonde Russe bezweifelte, dass eine beliebig hohe Anzahl von ganzen Jahren dazu ausreichen würde. Kai antwortete nicht sondern starrte nur aus seinen ungerührten, amethystfarbenen Augen zurück. Tala nahm endlich den Finger herunter und zuckte dann die Schultern. „Weißt du, was dein Problem ist?“ bemerkte er schließlich. „Du hast absolut keinen Sinn für Humor.“ 8. Point out mistakes tactfully Nun, das, so musste Spencer ehrlich zugeben auch wenn es ihm widerstrebte, stimmte. Kai hatte keinen Sinn für Humor, Tala allerdings aber auch nicht, nur für seinen eigenen. Spencer war es eigentlich auch egal. Er hoffte noch immer, dass Tala über diese Zankereien seinen selbstmörderischen Plan einfach vergas. Eigentlich wollte er auch gar nicht mehr dableiben. Er wollte am liebsten ins Bett. In der Abtei bekamen sie ohnehin nur so viel Zeit zum Schlafen wie ein Mensch gerade so nötig hatte und wenn Tala sie noch weiter hier festhielt, würde er nur die Hälfte dieser Zeit nutzen können. Wenn er viel Glück hatte würde Kai einfach gehen. Aber natürlich tat dieser ihm diesen Gefallen nicht. Falls es Talas Ziel gewesen war Kai zu provozieren, so war er kläglich gescheitert. Und wie hätte er auch nicht scheitern können? Was scherten einen Kai Hiwatari Dinge wie Humor? Kai zumindest ignorierte Tala völlig. Inzwischen hatte Spencer den Eindruck, dass er den rothaarigen Russen nicht einmal mehr ansah, sondern seine Augen auf einen Punkt irgendwo auf der Wand hinter Tala fixiert hatte. Tala schien das auch aufzufallen, denn er stemmte die Hände in die Hüften und sah seinen Teamkollegen übertrieben betroffen an. „Sag mal“, bemerkte er schließlich. „Hörst du mir überhaupt noch zu?“ „Nein“, antwortete Kai ohne seine Augen von dem unsichtbaren Punkt zu nehmen. „Um ehrlich zu sein redest du mir heute zu viel.“ 9. Listen Erneut breitete sich ein Grinsen auf Talas Lippen aus, doch dieses Mal steckte mehr dahinter. Spencer kannte dieses Grinsen und es bedeutete nichts Gutes. Dieses Grinsen bedeutet, dass Tala soeben eine Idee gekommen war und Tala Ideen waren selten gut und niemals schmerzfrei. „Also gut“, begann der rothaarige Teamleader. „Wie wäre es dann mit einer Wette?" Und während Spencer noch inständig hoffte, dass Kai ihn einfach weiterhin ignorieren würde, wanderten dessen Augen zurück zu Tala und etwas wie Interesse glomm in den amethystfarbenen Tiefen auf. 10. Realize differences „Wer es als erster schafft zu Black Dranzer zu kommen ohne von den Wachen entdeckt zu werden, der darf ihn behalten.“ Spencer stöhnte innerlich auf. Na gut, so viel zu der Hoffnung, Tala würde seinen bescheuerten Plan vergessen… ~::~ Kai Hiwatari ging mit langsamen Schritten durch die inzwischen doch recht dunklen Gassen eines ihm unbekannten Viertels der russischen Hauptstadt. Obwohl es noch sehr früh am Abend war, sank die Sonne bereits wie ein glutroter Ball hinter die Dächer der umstehenden Häuser. Der Schnee, der die Landschaft außerhalb Moskaus wie in einen weißen Mantel hüllte, war hier auf einige matschige, graubraune Häufchen am Straßenrand zusammengeschrumpft und bot eher einen erbärmlichen Anblick. Kai sah sich um und musste zu seinem Missvergnügen feststellen, dass, erstens, alle Häuser um ihn herum irgendwie gleich aussahen und er, zweitens, nicht die geringste Ahnung hatte wohin er ging und wie er jemals wieder zu dem Hotel zurückfinden sollte, in welchem die Bladebreakers während den Weltmeisterschaften ihr Quartier bezogen hatten. Diese gewisse Unsicherheit brachte ihn jedoch nicht dazu stehen zu bleiben, denn seine Füße schienen, im Gegenteil zu ihm selbst, ganz genau zu wissen, wohin sie ihn trugen und er war um ehrlich zu sein neugierig darauf es zu erfahren. Die Gegend kam ihm auch entfernt bekannt vor, was allerdings entweder daran liegen musste, dass sie Gestern hier vorbei gekommen waren, oder, dass er diese Häuser einmal im Fernsehen, in irgendwelchen Prospekten oder auf Postkarten gesehen hatte, denn er war niemals zuvor in Moskau gewesen. Natürlich, er kannte die russische Hauptstadt aus den Erzählungen seines Großvaters, der hier öfter einmal geschäftlich zu tun hatte, allerdings waren diese niemals besonders blumig oder interessant, denn meistens erzählte er von seinen Geschäften und mit welchen Idioten er arbeiten musste. Um ehrlich zu sein hatte Kai niemals zugehört sobald Voltaire Hiwatari mit diesem Thema begonnen hatte. Die Straße war still und verlassen. Wahrscheinlich sah keine Menschenseele ein, warum sie sich bei diesen Temperaturen und der anbrechenden Dunkelheit aus der warmen, gemütlichen Wohnung begeben sollte. Kai war es nur recht. Er hatte gerne seine Ruhe und war nicht gerade erpicht darauf anderen Menschen zu begegnen. Plötzlich hörte er Schritte. Keine schnellen oder hastigen Schritte, eher gemächlich. Die Schritte eines anderen abendlichen Spaziergängers. Kai verlangsamte automatisch seine eigenen und sah sich unauffällig um. Ein Stück vor ihm mündete eine Seitengasse in die Seine ein und aus eben dieser Gasse trat nun eine Gestalt hervor. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte Kai einen Jungen ungefähr in seinem Alter, von seiner Größe und seiner Statur. Der Junge hatte feuerrotes Haar und, soweit Kai bei dem schwachen Licht erkennen konnte, eisblaue Augen. Er trug einen langen Mantel gegen die Kälte. Als der Rothaarige Kai entdeckte, blieb er beinahe abrupt stehen und starrte ihn unverwandt an. Kai konnte nicht viel in diesem Blick erkennen, war jedoch überrascht eine Spur Überraschung zu entdecken, die sich schnell in Wut verwandelte, bis der Ausdruck gänzlich verschwand. Nach kurzem Zögern beschloss Kai den Anderen einfach zu ignoriere und ging an ihm vorbei ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen oder seine Schritte zu verlangsamen noch zu beschleunigen. Als er den Rothaarigen bereits passiert und ihm den Rücken zugewandt hatte, vernahm er mit einem Mal dessen Stimme. „Es ist also wahr“, sagte er auf Russisch. „Du bist wieder da.“ Kai blieb stehen, wandte sich jedoch nicht um. Entweder der Junge verwechselte ihn oder er wollte ihn schlichtweg ärgern. Egal was es war, Kai hatte keine Lust darauf und war versucht einfach weiterzugehen, doch etwas hielt ihn zurück. Er verspürte ein Gefühl der Vertrautheit, das genauer zu definieren er nicht vermochte und dennoch, wenn er versuchte es zu erfassen, dann entwand es sich spielend seinem Griff und verschwand. Langsam wandte er sich um. „Wer bist du?“ fragte er in dem gelangweilten, desinteressierten Ton, der seinen Teamkollegen Tyson regelmäßig auf die Palme brachte. Der Andere hob lediglich eine Augenbraue und zeigte sich wenig beeindruckt. Im Gegenteil, er wirkte beinahe irritiert. Dann, plötzlich, verzogen sich die Lippen des Rothaarigen zu einem schmalen leicht gequälten Grinsen. „Findest du das witzig?“ ~~~ Erst eimal vielen Dank fürs Lesen! ^__^ Ich wollte nur noch anmerken, dass der erste Teil dieser Geschichte vor der ganzen Black Dranzer Sache spielt und die Jungs damals ja noch recht jung waren, was auch der Grund für dafür ist, dass sie wahrscheinlich recht OOC erscheinen. 4| thirteen ways to make mistakes --------------------------------- darkest days | thirteen ways to make mistakes Schmetterling Fullmoon wo sagashite | Izumi Rio Es war ein schöner Tag. Die Sonne stand hoch am azurblauen Himmel und erwärmte die Pflastersteine des Weges. Die Zweige der Bäume, bestückt mit tiefgrünen Blättern, wiegten in der sanft lauen Brise. Der Geruch von frischem gemähten Gras und Sommeranfang. Das Summen einer Biene untermalte die friedliche Stille und die grünen Wiesen und Beete der Parkanlage waren mit bunten Tupfern in allen Farben übersähen. Er hasste den Sommer und vor allem hasste er Tage wie diesen. Das Licht war zu grell, die Temperatur für seinen Geschmack zu warm und die Welt im Allgemeinen zu bunt. Sie ließ kein Platz für dunkle Gedanken, aber die hatte er nun mal, ob sie nun passen mochten oder nicht. Und gerade weil sie nicht passten, hasste er diesen Tag, nicht die Gedanken, denn die waren seine eigenen, nur den Tag. Die Parkbank auf der er saß, - offensichtlich missgelaunt und trotz der Wärme in seinen üblichen, langärmeligen Kleidern, - stand im Schatten einer großen, alten Eiche. Er saß auf der Lehne der Bank, während seine Füße die eigentliche Sitzfläche berührten. Seine Unterarme ruhten auf seinen Oberschenkeln und seine goldgelben Augen folgten einem kleinen Schmetterling, der um eine knallrote Tulpe kreiste. Die Flügel des Schmetterlings waren mitternachtsblau mit weißen Rändern und kleinen weißen Punkten. Er zählte je sechs auf jedem Flügel. Zwölf Punkte. Ein Punkt für jeweils einen großen Fehler, den er im Leben gemacht hatte. I Ich wurde geboren II Ich wollte wissen wie es ist meine Mutter lächeln zu sehen III Ich bin losgerannt IV Ich bin in eine Falle gelaufen Seine Mutter hatte ihn nie geliebt, oder doch, vielleicht einmal vor sehr, sehr langer Zeit. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern oder vielleicht gab es diese Erinnerungen auch gar nicht. Vielleicht hatte er sich immer nur gewünscht, dass es sie gab. Er war in den Tod gegangen als er noch viel zu jung gewesen war um zu begreifen, was Tod eigentlich bedeutete. Er hatte sie nur ein einziges Mal lächeln sehen wollen. Nur ein einziges Mal. Vier Fehler, die er in den sieben Jahren seines Lebens auf der Erde gemacht hatte und eigentlich hatte er geglaubt, es seien seine Letzten gewesen. Wer hätte gedacht, dass man auch im Leben nach dem Tod noch Fehler machen konnte? Der kleine Schmetterling ließ sich schließlich auf der Blume nieder und betastete mit seinen Fühlern die karmesinfarbenen Blütenblätter. Auch für ihn war es bereits das zweite Leben. Wie ein Leben nach dem Tod. Eine Chance hatte sie es genannt, eine zweite Chance, doch er hatte noch viel mehr Fehler gemacht als zuvor. V Ich habe mich in sie verliebt VI Ich habe ihr Herz gebrochen VII Ich ließ sie gehen Sie war die erste Person, die ihm jemals gesagt hatte, dass sie ihn liebte. Er war überrascht gewesen. Überrascht und verwirrt. Er hatte ihr nicht geglaubt. Er hatte sie von sich gestoßen, hatte sie ignoriert, ihr das Gefühl gegeben, sie wäre ihm egal. Er hatte sie getestet und sie hatte es die ganze Zeit gewusst. Sie fing an sich selbst zu belügen, so lange, bis sie selbst an ihre Lügen glaubte, aber er hatte sie ihr niemals abgenommen, er hatte immer gewusst, was sie wirklich fühlte. Er hatte nur nie gewusst warum. Er hatte sich selbst gesehen und nie etwas entdeckt, dass liebenswert gewesen wäre, also hatte er nichts gesagt. Er hatte sie weiter beobachtet, aus der Ferne. Aus der Ferne, in die er gehörte, aus der er immer alles beobachtet hatte, aus der er auch seine Mutter immer beobachtet hatte. VIII Ich habe die Seele meiner Mutter genommen IX Ich habe jemandem davon erzählt X Ich habe sie geküsst Izumi streckte den Finger aus und berührte damit die zarten Blütenblätter der Blume. Der Schmetterling flatterte kurz auf und ließ sich dann auf seinem Finger nieder. Izumi hob die Hand nahe an sein Gesicht um das kleine Tier besser mustern zu können. Der Schmetterling krabbelte auf seine Handfläche und Izumi fragte sich ob er denn keine Angst hatte. Ein Todesengel sollte sich nicht an seine Vergangenheit erinnern, das war Teil seiner Strafe. Inwiefern das zusammenpassen sollte, wusste Izumi nicht. Er hatte sich trotzdem erinnert. Er hatte nie vergessen. Er hatte den Namen seiner Mutter erkannt, als er ihn las und er hatte sie erkannt, als sie ihn nicht erkannte. Er hatte sich an die Gleise erinnert, an ihre Schläge, sogar an die Katze, die er so gerne behalten hätte und er hatte sich daran erinnert, dass er nur ein kleiner Junge gewesen war, der nicht verstanden hatte. Er war naiv gewesen, naiv wie der Schmetterling. Er hatte sie geküsst um zu sehen wie es war, was er selbst fühlte, aber es hatte nicht gebracht, er hatte es nicht erkannt und wie auch? Er hatte nie erfahren wie sich Liebe anfühlt, wie hätte er beurteilen sollen, ob er liebte? Wie sollte er überhaupt dazu in der Lage sein, wo er es doch nie gelernt hatte. XI Ich habe alle betrogen und allen voran mich selbst XII Ich habe versucht mich zu erinnern und schließlich bemerkt XIII dass ich die Gleise niemals verlassen habe. Es gab keine Liebe, nichts und niemanden. Er stand immer noch auf den Gleisen und wartete, wartete darauf, dass irgendetwas geschah, dass irgendwer ihm erklärte, warum alles so war, wie es war, dass es einen tiefern Grund gab, einen Sinn hinter all dem, dass es etwas gab, für dass es sich zu leben lohnte, dass es eine zweit Chance gab, für jeden, dass sich Dinge änderten und die Welt nicht nur grausam war. Izumi ballte seine Hand zur Faust und zerquetschte damit lautlos den blauen Schmetterling. Wenn er Glück hatte, wurde er vielleicht zu einem Todesengel, schließlich hatte er sich selbst in diese Falle begeben. 5| Die Sterne, der Mond und die Sonne ------------------------------------- Die Sterne, der Mond und die Sonne Ich stehe am Rande der Klippen. Dem Abgrund so nahe, dass jede falsche Bewegung zu einem Sturz in die Tiefe führen würde. Weit unter mir brechen die Wellen an den Felsen. Das tiefe Blau des Wassers und das Rauschen des Meeres rufen meinen Namen. Ich schließe die Augen. Eine leichte Brise weht mir ins Gesicht, wirft meine Haare über die Schultern zurück. Ich breite meine Arme aus und atme tief den frischen Duft der Unendlichkeit ein. Die Freiheit ruft nach mir. Eine Welt, in der ich niemandem etwas beweisen muss. Eine Welt voller Frieden. Eine Welt, in der man seine Gefühle offen zeigen kann. Eine Welt, in der man keine Angst zu haben braucht unterzugehen. Im einen Moment noch von den Massen erdrückt, im nächsten einsam und allein. Ich öffne meine Augen, vor mir liegt das Meer. Das Meer. Die goldenrote Sonne ist bereits zur Hälfte am Horizont verschwunden. Am Himmel zeichnen die schönsten rot und blau Töne ein Bild der Abenddämmerung, wie man es sonst nur aus Bilderbüchern kennt. Ein Bild, das ungeahnte Sehnsüchte zu erwecken vermag. Ein Bild das zum Träumen anregt. Zum Träumen von Glück, von Wundern, von Freiheit. Zum Träumen von der Erfüllung aller Wünsch. Zum Träumen von der Unendlichkeit, von Sieg, von Reichtum, von Macht. Zum Träumen von der Vollkommenheit. Zum Träumen von einer vollkommenen Welt. Vollkommen wie der Mond. Das Meer glitzert in sanften Orangefarben. Möwen ziehen kreischend ihre Kreise über den schimmernden Wellen. Eine leichte Brise weht durch die Zweige der Kirschbäume. Die Blätter der sanft rosafarbenen Sakura, der Kirschblüten, schweben im Wind. Bald spiegelt sich das silbrige Licht des Vollmondes auf der glatten Wasseroberfläche. Eine vollkommen runde Form. Der Traum von Perfektion, Makellosigkeit, die noch jeden fasziniert hat. Fast gar keine Wolken zieren den Himmel und so wird man wohl bald die Sterne sehen können. Die Seelen der Verstorbenen, so sagt man, steigen in den Himmel und werden zu kleinen Lichtern, die auf uns herabblicken und uns schützen. Der Traum von Sicherheit, von Frieden. Greif nach den Sternen bedeutet erfülle deinen Traum, mach das Unmögliche möglich, geh deinen Weg und lass dich nicht aufhalten. Doch was, wenn ich euch sage, dass ein Stern nur aus zusammen gezimmerten Holzbrettern besteht, an dem eine brennende Kerze angebracht ist? Lasst ihr dann von ihnen ab? Von euren Träumen? Von eurem Weg? Und der Mond ist nur ein weißer, runder Teller, der mit dem Alter graue Flecken bekommen hat. Und die Sonne nur eine Glühbirne, die vor einer blauen Wand hängt. Gebt ihr die Träume dann auf? Verkriecht ihr euch dann in einem Loch und seid böse auf die Welt, weil sie euch in die Irre geführt hat? Und die Menschen? Verlässt euch dann die Hoffnung? Gebt ihr euch geschlagen? Weigert ihr euch dann weiter zu gehen? Bleibt ihr stehen und weint, weil man euch einen Stein in den Weg gelegt hat, weil das, an das ihr geglaubt habt, nicht die Wahrheit war? Gebt ihr euer Ziel auf, nur weil der Pfad, den ihr einschlagen habt sich als der Falsche erwiesen hat? Halte einen Augenblick inne und denke nach. Denke nach. Was tust du? Was willst du? Und was bist du bereit dafür zu geben? Zeit? Kraft? Schweiß und Blut und Tränen? Dein Leben? Es wird der Augenblick kommen, in dem du erkennst, dass die Welt nicht ist, wie du dir sie vorgestellt hast. Der Augenblick, in dem du erkennst, dass die Welt nicht so ist, wie du sie haben willst. Und wenn du das erkennst, wenn du erkennst, dass es die Sterne nicht sind, wie du es dir erträumt hast, wenn du einen von ihnen in den Händen hältst und er nichtsweiter ist als ein Stück Holz und du merkst, dass es keine verstorbene Seele ist, dass er dich nicht schützen kann, dass er dir deinen Traum nicht erfüllen kann, lässt du ihn dann fallen und fällst mit ihm? Wirst du daran zerbrechen? Und dieser Augenblick wird kommen. Wer wird kommen und du wirst enttäuscht sein und dann wird er wieder verschwinden. Er wird verschwinden und wiederkommen, verschwinden und wiederkommen, wieder und wieder und wieder. Siehst du das? Dann sag mir, was sind schöne Worte wert? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)