Darkest Days von Nordwind (One-Shot Sammlung| 05 - Die Sterne, der Mond und die Sonne) ================================================================================ 5| Die Sterne, der Mond und die Sonne ------------------------------------- Die Sterne, der Mond und die Sonne Ich stehe am Rande der Klippen. Dem Abgrund so nahe, dass jede falsche Bewegung zu einem Sturz in die Tiefe führen würde. Weit unter mir brechen die Wellen an den Felsen. Das tiefe Blau des Wassers und das Rauschen des Meeres rufen meinen Namen. Ich schließe die Augen. Eine leichte Brise weht mir ins Gesicht, wirft meine Haare über die Schultern zurück. Ich breite meine Arme aus und atme tief den frischen Duft der Unendlichkeit ein. Die Freiheit ruft nach mir. Eine Welt, in der ich niemandem etwas beweisen muss. Eine Welt voller Frieden. Eine Welt, in der man seine Gefühle offen zeigen kann. Eine Welt, in der man keine Angst zu haben braucht unterzugehen. Im einen Moment noch von den Massen erdrückt, im nächsten einsam und allein. Ich öffne meine Augen, vor mir liegt das Meer. Das Meer. Die goldenrote Sonne ist bereits zur Hälfte am Horizont verschwunden. Am Himmel zeichnen die schönsten rot und blau Töne ein Bild der Abenddämmerung, wie man es sonst nur aus Bilderbüchern kennt. Ein Bild, das ungeahnte Sehnsüchte zu erwecken vermag. Ein Bild das zum Träumen anregt. Zum Träumen von Glück, von Wundern, von Freiheit. Zum Träumen von der Erfüllung aller Wünsch. Zum Träumen von der Unendlichkeit, von Sieg, von Reichtum, von Macht. Zum Träumen von der Vollkommenheit. Zum Träumen von einer vollkommenen Welt. Vollkommen wie der Mond. Das Meer glitzert in sanften Orangefarben. Möwen ziehen kreischend ihre Kreise über den schimmernden Wellen. Eine leichte Brise weht durch die Zweige der Kirschbäume. Die Blätter der sanft rosafarbenen Sakura, der Kirschblüten, schweben im Wind. Bald spiegelt sich das silbrige Licht des Vollmondes auf der glatten Wasseroberfläche. Eine vollkommen runde Form. Der Traum von Perfektion, Makellosigkeit, die noch jeden fasziniert hat. Fast gar keine Wolken zieren den Himmel und so wird man wohl bald die Sterne sehen können. Die Seelen der Verstorbenen, so sagt man, steigen in den Himmel und werden zu kleinen Lichtern, die auf uns herabblicken und uns schützen. Der Traum von Sicherheit, von Frieden. Greif nach den Sternen bedeutet erfülle deinen Traum, mach das Unmögliche möglich, geh deinen Weg und lass dich nicht aufhalten. Doch was, wenn ich euch sage, dass ein Stern nur aus zusammen gezimmerten Holzbrettern besteht, an dem eine brennende Kerze angebracht ist? Lasst ihr dann von ihnen ab? Von euren Träumen? Von eurem Weg? Und der Mond ist nur ein weißer, runder Teller, der mit dem Alter graue Flecken bekommen hat. Und die Sonne nur eine Glühbirne, die vor einer blauen Wand hängt. Gebt ihr die Träume dann auf? Verkriecht ihr euch dann in einem Loch und seid böse auf die Welt, weil sie euch in die Irre geführt hat? Und die Menschen? Verlässt euch dann die Hoffnung? Gebt ihr euch geschlagen? Weigert ihr euch dann weiter zu gehen? Bleibt ihr stehen und weint, weil man euch einen Stein in den Weg gelegt hat, weil das, an das ihr geglaubt habt, nicht die Wahrheit war? Gebt ihr euer Ziel auf, nur weil der Pfad, den ihr einschlagen habt sich als der Falsche erwiesen hat? Halte einen Augenblick inne und denke nach. Denke nach. Was tust du? Was willst du? Und was bist du bereit dafür zu geben? Zeit? Kraft? Schweiß und Blut und Tränen? Dein Leben? Es wird der Augenblick kommen, in dem du erkennst, dass die Welt nicht ist, wie du dir sie vorgestellt hast. Der Augenblick, in dem du erkennst, dass die Welt nicht so ist, wie du sie haben willst. Und wenn du das erkennst, wenn du erkennst, dass es die Sterne nicht sind, wie du es dir erträumt hast, wenn du einen von ihnen in den Händen hältst und er nichtsweiter ist als ein Stück Holz und du merkst, dass es keine verstorbene Seele ist, dass er dich nicht schützen kann, dass er dir deinen Traum nicht erfüllen kann, lässt du ihn dann fallen und fällst mit ihm? Wirst du daran zerbrechen? Und dieser Augenblick wird kommen. Wer wird kommen und du wirst enttäuscht sein und dann wird er wieder verschwinden. Er wird verschwinden und wiederkommen, verschwinden und wiederkommen, wieder und wieder und wieder. Siehst du das? Dann sag mir, was sind schöne Worte wert? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)