All I ever wanted von Yuugii (Jonouchi/Yuugi ♥ Seto/Anzu) ================================================================================ Prolog: Vergangenheit und Zukunft --------------------------------- Der Pharao war in das Reich der Toten übergangen und hatte die anderen Abenteurer auf ihrem Weg in die Zukunft zurückgelassen. Auch wenn sie es erst für unmöglich gehalten hatten, wieder zurück in ihr altes Leben zurückzukehren, so hatte dieses sie sogar schneller wieder eingeholt als es ihnen lieb war. Wie früher gingen sie wieder zur Schule und lernten fleißig für ihren Abschluss. Duel Monsters war noch immer ein wichtiger Bestandteil des Lebens der Freunde. Yuugi spielte noch immer mit großer Begeisterung und sogar Jonouchi hatte sich gebessert. Aber die Schule schlauchte sie alle und sie hatten sich für die Ferien einige Pläne ausgedacht. Und als die Ferien endlich angerückt waren, entschloss sich die kleine Gruppe dazu für ein paar Tage in den Wald zu fahren, waren die letzten Wochen doch anstrengend genug gewesen. Doktor Hopkins hatte sich hierbei dazu entschlossen seinem Wohnwagen zur Verfügung zu stellen. Seit dem Vorfall damals, war sowohl sein Labor als auch sein Haus nicht mehr bewohnbar, seitdem lebte er mit seiner Enkelin in dem Wohnwagen. Die Aufbauarbeiten für ihr Haus lief relativ gut, konnte die Versicherung davon überzeugt werden, dass sie nichts für diesen Hausbrand konnten. Doch als Rebeccas Großvater krank wurde, erklärte sich Yuugis Großvater und dessen Tochter dazu bereit, sich um den alten Mann zu kümmern. Rebecca hatte auf eigene Faust entschlossen mitzukommen und duldete keine Widerworte. Anfangs waren alle dagegen, doch Yuugi erklärte der Gruppe, dass sie ein liebes und kluges Mädchen sei, welches nicht ständig Mist machte, so dass man sie auch gut für einige Stunden alleine lassen konnte. Auch wenn sie sehr aufgedreht war und ungefragt ihre Meinung in die Welt hinaus plauderte, so hatte sie auch durchaus ihre positiven Seiten. Sie hatte sich bereits damals mehrmals als gute Freundin erwiesen. Jonouchi war, zum Erstaunen aller, der Erste der sich damit abfand und sie herzlich einlud. Nur Anzu gefiel das ganze nicht, wusste sie doch von den Gefühlen Rebeccas für Yuugi. Sie seufzte traurig, das konnte ja heiter werden. Seitdem der Pharao nicht mehr bei ihnen war, fing sie an Paralellen zwischen ihm und ihren langjährigen Kindheitsfreund zu finden. Immer wieder erwischte sie sich selbst dabei, wie sie beiden verglich und in Yuugi so etwas wie einen Ersatz für den Pharao sah. Sie war sich ihren Gefühlen nicht sicher. Eigentlich wollte sie Yuugi endlich sagen was sie für ihn empfand, allerdings konnte das mit diesem Mädchen eine schwierige Angelegenheit werden, da sie wie eine Klette an Yuugi hing! Paar Tage später war es soweit und die Gruppe fuhr mit dem Wohnwagen von Rebeccas Großvater in einen abgeschiedenen Ort, nahe eines kleinen Waldes. Der Wald war dicht und dennoch strahlte überall die Sonne herein, so als würde sie sie begrüßen wollen und ihnen eine schöne Woche wünschen wollen. Yuugi lächelte, das würde bestimmt ein schöner und auch unvergesslicher Ausflug werden. Sie waren den ganzen Tag damit beschäftigt alles aufzubauen, denn sie wollten auch gerne ein kleines Lagerfeuer machen und das Holz suchte sich nun mal nicht von alleine. Honda und Otogi gingen, wenn auch beleidigt, los, um Holz zu suchen. Anzu hatte sie mit aussagekräftigen Argumenten dazu gebracht. Warum sollten auch sie und Rebecca Feuerholz sammeln gehen, wenn es auch die starken Jungen tun konnten? Als es Abend wurde, waren alle geschafft von den Strapazen und der Anstrengung des Aufbaus. Honda und Otogi schliefen schon, als Anzu sich etwas traurig ins Abseits setzte und dann doch im Wohnwagen verschwand. Jonouchi und Yuugi waren ebenfalls im Wohnwagen und lächelten das Mädchen freundlich an. Sie spürten, dass etwas nicht stimmte, doch keiner wagte zu fragen. Sie wirkte schon die ganze Fahrt über sehr bedrückt und sie benahm sich anders als sonst. Aber auch respektierten sie sie und warteten darauf, dass sie von sich an ansprach was in ihr los war, was genau sie so beschäftigte. Yuugi kannte Anzu seit dem Kindergarten und wusste, dass sie ziemlich aggressiv und pampig werden konnte, wenn man sie auf dem falschen Fuß erwischte. Das wollte er natürlich vermeiden. Sie war ohnehin nie der Typ gewesen, der alles in sich hineinfraß. Eher sagte sie sofort, wenn sie etwas beschäftigte. Oft suchte sie Yuugis Rat als besten Freund und war wirklich froh, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Bevor der Pharao in das Leben der Freunde getreten war, hatten sie sich auseinander gelebt. Sie konnten einfach nichts miteinander anfangen und bis heute teilten sie kaum gemeinsame Interessen. Sie ging gerne auf Diskos und genoss es unter Leute zu kommen. Doch er hing viel lieber Zuhause vor der Konsole oder im engen Freundeskreis herum. Das war schon damals so und das würde sich wahrscheinlich niemals ändern. Aber dennoch mochten und schätzten sie sich gegenseitig als Freunde sehr. Die ganzen Abenteuer zusammen mit dem Pharao hatte sie alle näher gebracht und keiner von ihnen hätte es jemals für möglich gehalten, dass sie sich jemals so nahe stehen würden. Sie waren eben alle sehr gute Freunde geworden. Sogar Otogi gehörte nun zum festen Freundeskreis und verbrachte gerne seine Zeit zusammen mit den anderen. Überarbeitet am: 20.03.2011 Kapitel 1: Gedanken, Gefühle und ein Geheimnis ---------------------------------------------- Jonouchi und Yuugi waren in einem heiteren Gespräch vertieft, lachten und scherzten den ganzen Abend lang. Anzu jedoch konnte darüber nicht lachen. Das einzige, das ihr momentan durch den Kopf ging war Yuugi! Damals, als sie klein waren, hatte sie sich gesagt, dass sie sich nie in ihren besten Freund verlieben würde, aber es sah so aus, als wäre eben genau das eingetreten. Zumindest glaubte sie, dass sie Gefühle für ihn entwickelt hatte. Oft dachte sie an den Pharao. Er suchte sie sogar in ihren Träumen heim und sie war nicht in der Lage ihn zu vergessen. Er war der erste Mann, den sie wirklich geliebt hatte. Für ihn hätte sie alles getan. Warum nur hatte sie nie den Mut gefasst ihm zu sagen, was sie für ihn empfand? Wahrscheinlich, weil sie in dieser Hinsicht ein ängstliches Mädchen war. Nicht anders als andere Mädchen. Sie war zwar selbstbewusst und sagte immer ihre Meinung, aber es gab auch Momente, in denen sie schwach war. Und die Liebe gehörte leider dazu. Auch wenn sie versuchte Gedanken wie diese zu verdrängen, so konnte sie nicht verhindern, dass sie immer wieder darüber grübelte. Yuugi und der Pharao hatten sich einige Jahre den Körper geteilt. Anfangs hatte sie gedacht, dass die beiden ein und dieselbe Person waren und hatte geglaubt, Yuugi zu lieben. Als es sich herausstellte, dass ein Geist in dem Milleniumspuzzle eingeschlossen war, wusste sie, dass ihre Gefühle nicht Yuugi galten. Aber dennoch waren die beiden sich so ähnlich. Und ihr langjähriger Kindheitsfreund wurde auch langsam erwachsen und nahm immer mehr Züge des Pharaos an. Verträumt sah sie zu den beiden, ihr Blick und ihre Gedanken galten einzig und allein Yuugi. >Yuugi...< dachte sie traurig, schon schwer geknickt. Die beiden bemerkten sie aber nicht, ja, sie fühlte sich etwas ausgeschlossen. Aber sie wollte auch nicht auf sich aufmerksam machen. Immer noch hing sie ihren Gedanken hinterher. Überlegte was in der Vergangenheit geschehen war und wann sie angefangen hatte Yuugi auf diese Weise zu sehen. Eigentlich war er für einen Jungen sehr unattraktiv und es gab nichts, das ein Mädchen wie sie, an ihm anziehend finden konnte. Aber er war eben unheimlich lieb und verständnisvoll. Vielleicht sehnte sie sich einfach nach Zuneigung? Nach jemanden, der sie verstand, ohne sie großartig auszufragen. Aber auch wünschte sie sich Aufregung und Spannung in ihrem Leben. Das war es auch was sie von ihrem Traumberuf Tänzerin erhoffte. Abwechslung, Bewegung und Bewunderung. Menschenmassen, die sie bejubelten. Bildlich stellte sie sich vor wie sie auf der großen Bühne stand, wie die Menschen applaudierten und wie sie sich Tränen der Freude aus den Augenwinkeln wischte. Das war das Leben, das sie erträumte. Ruhm gehörte da nun mal dazu. Das Tanzen machte sie immer etwas euphorisch und oft hatte sie Yuugi und den anderen von ihren Tanzstunden erzählt. Sie seufzte und sank den Kopf. Bisher schienen ihre Freunde nicht sehr an ihrer Karriere interessiert. Yuugi hatte sich nicht mal getraut sie zur Tanzstunde zu begleiten, er hatte es vorgezogen mit Jonouchi eine Pizza essen zu gehen. Vorsichtig und auch zärtlich berührte Yuugi Jonouchis Hand, es war schon beinahe ein seichtes Streicheln, aber dies entging Anzu, viel zu sehr war sie in ihre Gedanken vertieft. Jonouchi grinste Yuugi nur an, sah dann zu Anzu und erkundigte sich nach ihr. Es machte ihm Sorgen, dass sie so bedrückt und wortlos den Boden anstarrte. Vielleicht ging es ihr ja schlecht? Eventuell hatte sie Kopf- oder Bauchschmerzen? „Hey Anzu, was ist los?“ Er musterte sie, schon ihre Haltung war ungewohnt. Sie wirkte geknickt und niedergeschlagen und wenn sie tatsächlich körperliche Beschwerden hatte, wäre es das beste sie zurück in die Stadt zu fahren. Ein Arzt konnte sicherlich helfen. Aber er wusste nun einmal nicht, was sie so bedrückte. Da sie nicht richtig reagierte und ihn nur perplex ansah, hakte er weiter nach, in der Hoffnung eine Antwort zu erhalten. „Du guckst so komisch, lach doch mal! Ich meine wir haben Ferien, genießen wir die Zeit, die wir zusammen verbringen können!“ lachte er sie dann an, wollte sie etwas aufheitern. Anzu war geistig nicht ganz anwesend und bemerkte erst jetzt, dass Jonouchi mit ihr gesprochen hatte. Kurz zuckte sie zusammen, schüttelte dann den Kopf und musterte ihn. Irritiert sah sie ihn an, überlegte was sie antworten sollte, um nicht zu viel zu verraten. Yuugi war ihr Freund und es wäre am besten, wenn sie mit ihm unter vier Augen darüber sprach. „Es ist nichts, mach dir keine Sorgen.“ Murmelnd fügte sie noch etwas bei, das keiner von den beiden verstanden hatte.. „Ich muss mit ihm reden...“ hatte sie gesagt, leise, unverständlich, allein für sie selbst bestimmt. Yuugi spürte, dass etwas nicht stimmte und kam auf sie zu, sah ihr tief in die Augen, sie errötete leicht. „Wir sind Freunde, richtig? Wenn etwas ist kannst du es mir ruhig sagen! Du kannst mir vertrauen, wir gehen durch dick und dünn! Okay?“ mit fragenden Blick sah er sie an. „Yeah, genau. Wir stehen alles gemeinsam durch!“ meinte Jonouchi und grinste wie gewohnt. Wieder winkte sie ab, zwang sich dazu zu lächeln und sagte dann: „Es ist wirklich nichts... macht euch keine Sorgen um mich! Ich bin nur etwas müde, nichts weiter.“ „Gut... dann ist ja in Ordnung.“ erwiderte Yuugi, sah sie noch einmal musternd an. So ganz konnte er ihr nicht glauben, irgendetwas versuchte sie zu verheimlichen. „Wenn du müde bist, solltest du dich lieber hinlegen! Ich werde gleich noch ein bisschen rausgehen...“ mit diesen Worten drehte er sich von Anzu weg, drehte den Kopf zu Jonouchi. Den letzten Satz hatte er geflüstert, doch Jonouchi hörte ihn, nickte dazu und lächelte wieder. „Leg dich lieber hin!“ kurz war er weg und kam mit einer Decke wieder, die er nach Anzu warf, sie schrie erschrocken auf, zog die Decke etwas runter und sah die beiden an. „Ich ruhe mich etwas aus...“ sagte sie dann, für wahr, sie wäre jetzt gerne alleine. Sie musste nachdenken, sich sammeln, sich Worte zu Recht legen, falls sie es Yuugi denn sagen würde, aber das war ungewiss. Würde sie, wenn es soweit war, den Mut aufbringen und ihm ihre Bedenken und Sorgen mitteilen können? Unsicher kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Panik machte sich in ihr breit. So nervös zu sein war ungewohnt für sie. Als die beiden raus waren, legte sie die Decke zur Seite, erhob sich und stand etwas verträumt in der Gegend herum, starrte die geschlossene Wohnwagentür an. „Nichts ist in Ordnung... wann bemerkst du endlich meine Gefühle?“ sie war wütend, konnte aber nicht erklären warum. Grob packte der Blonde Yuugi am Arm, zog ihn mit sich, dieser quiekte erst erschrocken auf. „Gut, dann lassen wir dich jetzt etwas allein!“ kam es von ihm, Yuugi schaffte es nicht mehr noch etwas zu sagen. Zu hektisch zog Jonouchi ihn aus den Wohnwagen, ungeachtet seiner Abwehr. Es war ohnehin nicht so, dass Yuugi Kräfte mäßig auch nur ansatzweise eine Chance gegen den Großgewachsenen hatte. Seit der Pharao gegangen war, war dieser sogar noch ein Stückchen mehr gewachsen. Ein klein wenig beneidete er seinen Freund. Er war kaum merklich gewachsen und sah beinahe genauso aus wie früher. Nachdem sie den Wohnwagen verlassen hatten, riss Yuugi sich dennoch mit größter Mühe los. Beleidigt rieb er sein Handgelenk und verengte seine Augen zu Schlitzen, meckerte dann seinen Kumpel an. Er sollte sich wirklich Mal so etwas Rücksicht angewöhnen! Schon damals war er so grob und das nicht nur von seinen Bewegungen, sondern auch von seinem Verhalten. Zwar konnte er auch zärtlich und ruhig sein, doch meist war er hastig und handelte oft unüberlegt. Die Folgen sprachen für sich. Auf einmal lächelte der Blonde und rieb sich verlegen den Hinterkopf. Es war keiner draußen, zumindest konnte er niemanden entdecken. Auf einmal lockerte die Atmosphäre zwischen den beiden auf. Vergeben und vergessen war alles von vorhin. „Los, lass uns etwas spazieren gehen! Hier in der Nähe ist ein kleiner See...“ „Oh ja! Und der Himmel ist so klar, das wird bestimmt total schön...“ säuselte Yuugi verliebt und fasste vorsichtig nach Jonouchis Hand, doch dieser schüttelte ihn ab. Stur ging er geradeaus, so als würde er anweisen wollen, ihm schnell zu folgen. Rebecca saß ungeachtet von den anderen am Lagerfeuer. Mit einem Ast piekste sie in das Feuer, dieser verkohlte langsam und wurde immer schwärzer. Als dieser immer brüchiger und kleiner wurde, warf sie ihn letztendlich hinein. Erst jetzt hob sie den Kopf und sah Yuugi, der tiefer in den Wald hinein zugehen schien. Das war ihre Chance! Eventuell konnte sie ihm sogar heute ihren ersten Kuss rauben? Bei den Gedanken errötete sie etwas. Sie durfte Yuugi nicht all zu sehr überfordern, bisher hatte er nie gezeigt, dass er ihre Gefühle erwiderte. Also musste sie die Sache langsam angehen. Er war ja ein schüchterner Kerl und vielleicht konnte sie die ersehnten Worte aus ihm heraus kitzeln, wenn sie nur geduldig war? Sie rief ihn. Er reagierte nicht und ging seelenruhig weiter. Hatte er sie nicht gehört? Leicht zornig trottete sie in dieselbe Richtung. Sie musste nachdenken. Sie wollte es nicht zu schnell angehen, ansonsten versaute sie es am Ende noch. Und das wollte sie nicht riskieren. Yuugi war ein ruhiger Mensch und sie wollte nicht, dass er aus Mitgefühl mit ihr zusammen kam. Natürlich wäre sie ihm gerne nahe, aber nur wenn er es auch wollte! Immerhin war dieser Duellant der erste, der sie behandelte wie eine Freundin, wie eine Gleichgestellte. Von den meisten anderen wurde sie unterschätzt. Sie war hochbegabt und war es Leid wie ein kleines Kind behandelt zu werden. Um es genau zu sagen, hatte sie weitaus mehr auf dem Kasten als der Großteil ihrer gleichaltrigen Kollegen. Aber sie hielt sich nicht für überlegen, so ein Urteil würde sie niemals fällen. Anzu überlegte, sie konnte es nicht mehr ertragen. Yuugi. Atemu. Ihr gingen so viele Dinge durch den Kopf! All die Ereignisse aus der Vergangenheit hatten sich so sehr in ihr Herz gebrannt. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Immer wieder sah sie Szenen von damals, in denen sich auf einmal Yuugis Anblick verfestigte. Wer war wer? Wen liebte sie wirklich? Sie hatte doch niemals Interesse an Yuugi gehabt, warum also fing sie an die beiden immer wieder zu vergleichen und beinahe zwanghaft nach Ähnlichkeiten zu suchen? Nein. Das wollte sie nicht mehr. Sie musste sich ihren Gefühlen Yuugi und dem Pharao gegenüber im Klaren werden. Ohnehin konnte sie nicht mehr schlafen. Diese Gedanken schleppte sie schon viel zu lange mit sich herum. >Nein, ich kann nicht noch länger warten! Ich muss es ihm sagen!< die Gedanken in ihren Kopf überschlugen sich und sie verließ schnellen Schrittes den Wohnwagen. Wahrscheinlich war er zum See gegangen, um etwas Zeit für sich alleine zu haben. Das wäre die perfekte Gelegenheit mit ihm zu reden. Den Kopf hebend, blickte sie in den Himmel. Eine sternenklare Nacht. Erneut dachte sie über den Pharao nach. Dann an Yuugi. Überzeugt schüttelte sie den Kopf und ging bewusst ihrem Ziel entgegen. Sie wollte es beenden. Sie musste es beenden, ansonsten würde sie nie wieder richtig schlafen können. Plötzlich ging sie wieder langsamer, was sollte sie ihm denn sagen? Besser sie legte sich erst ein paar Worte zusammen, immerhin wollte sie sich nicht blamieren und hinterher stotternd vor ihm stehen, das wäre ihr peinlich. Außerdem war es ihr auch so schon unangenehm ihm ihre schwache Seite zeigen zu müssen. Ein leises Kichern war zu vernehmen. „Wow!“ Yuugi wusste nicht wie er seine Begeisterung in Worte fassen sollte. Dieser Ort war wunderschön und der Mond spiegelte sich im klaren Wasser wider, nur ab und zu bildeten sich einige Wellen, durch kleine Tiere, die übers Wasser liefen. Ein ruhiger Ort und es schien so, als hätten sie endlich Zeit für sich. Nach all der Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, hatte Yuugi Gefühle für den Blonden entwickelt. Erst war er sich nicht sicher, ob er seinen Gefühlen Glauben schenken konnte, aber als er dieses hiesige Verlangen in sich spürte, ihn zu berühren und ihn zu küssen, wusste er, dass sie mehr als nur einfache Freundschaft verband. Und wenn er es recht überlegte, war er nie der Typ gewesen, der gut mit Frauen umgehen konnte. Vielleicht weil er selbst so schüchtern und ja, man konnte es so beschreiben, beinahe devot gegenüber anderen war. Er ordnete sich selbst etwas unter und hatte nicht den Mut den ersten Schritt zu gehen. Das war schon immer so gewesen. Es fiel ihm schwer offen zu sagen, was er dachte, da er nur ungern jemanden verletzen wollte. Nicht ohne Grund wurde er Jahrelang von seinen Klassenkameraden übergangen und gedemütigt. Er war eben sehr ruhig und öffnete sich nur dann, wenn er es für nötig hielt. Daher hatte er auch Rebecca bisher nicht gesagt, dass er keine Gefühle für sie hatte. Ihm war klar, dass die Blonde ihn liebte, aber genau aus dem Grund fiel es ihm so unsagbar schwer sie abzulehnen. Vermutlich wäre sie sehr enttäuscht. Und was würde aus ihrer Freundschaft werden? Er wollte nie wieder jemanden verlieren. Den Verlust des Pharaos hatte er bis heute nicht wirklich überwunden. Der Pharao war viel mehr für ihn als ein einfacher Freund gewesen. Ein Leben ohne ihn fühlte sich gänzlich anders an. „Wie wäre es mit nackt baden?“ grinste der Blonde ihn dann an, erst ein kurzes Schweigen. Das Gesicht des Kleineren hatte eine unnatürliche Röte angenommen, obwohl Jonouchi die Farbe durch das fahle Licht nicht ganz erkennen konnte, wusste er dass er rot geworden war. Leicht verschämt blickte Yuugi zum Boden, suchte dann die Umgebung mit Blicken ab. Es war niemand hier. Sie waren weit gelaufen und die anderen waren vermutlich noch beim Wohnwagen. Also warum sollte er nicht mal aus sich herausbrechen und sich dem Blonden von einer anderen Seite zeigen? Ruckartig drehte er sich zu seinem Gegenüber, legte seine Hände auf dessen Brust. „Hm... wer weiß?“ flüsterte er und streckte seinen Kopf etwas in die Höhe, sah ihm tief in die Augen. Zögerlich legte Jonouchi seine Hände auf die Hüfte des Kleineren, strich sanft über diese, drückte ihn dann ohne Vorwarnung näher an sich heran. Den Kopf senkend, legte er seine Lippen auf die von Yuugi. Erst nur federleicht, dann verstärkte er den Druck. Yuugis Hände, die bis eben auf seiner Brust geruht hatten, bahnten sich nun ihren Weg zu seinem Nacken. Er drückte ihn sanft, legte seine Arme um ihn und wollte mehr von diesem Jungen haben. Den Jungen, den er einst gehasst und dann gemocht hatte. Den er heute liebte. Mehr als alles andere. Mit dem er so viele Abenteuer erlebt hatte, die sie näher einander brachten als sie es je für möglich gehalten hatten. Der Einzige, der ihn immer so annahm wie er war. Ungeachtet dessen, was er tat oder was er sagte. Gerade als er den Kuss vertiefen wollte und seine Zunge in die Mundhöhle des Kleineren wandern lassen wollte, vernahm er ein abnormes Knacken. Sofort fuhr er zusammen und hob den Kopf. Beleidigt sah Yuugi ihn an, wollte etwas sagen. Dann folgte er dem Blick seines Freundes. Sie waren nicht mehr alleine. Jemand war ihnen gefolgt und hatte ihr wohlbehütetes Geheimnis gelüftet. „Anzu...“ wisperte er nur und er fühlte sich immer unwohler in seiner Haut. Bearbeitet am: 20.03.2011 Kapitel 2: Das Coming Out ------------------------- „Anzu?“ fragte Yuugi noch einmal und sah sie leicht panisch an. Sie wand den Blick nicht ab. Ihre Augen waren weit aufgerissen, voller Schock und für einen Moment hatte er geglaubt so etwas wie Abscheu zu erkennen. Das hier wollte er eigentlich vermeiden. Aus dem Grund hatten sie ihre Beziehung vor ihren Freunden geheim gehalten. Sie wussten, dass sich dann etwas ändern würde. Allerdings nicht ins Positive. Noch immer hatte sie nichts gesagt. Sie hatte ihre Hände vor die Brust genommen, so als würde sie Schutz suchen. In all den Jahren hatte er nie solche Emotionen wie jetzt bei ihr gesehen. Für sie war es sicherlich schwer. Aber für ihn und Jonouchi war das alles beinahe unerträglich. Wahrscheinlich, weil sie so enge Freunde waren und all die Zeit etwas verheimlicht hatten, was wichtig für ihre Freundschaft gewesen wäre. Langsam löste er sich von dem Blonden und drehte sich in Anzus Richtung. Erst jetzt zuckte sie zusammen. Mit ihren Blicken suchte sie die Umgebung ab. Sie war nicht sicher ob sie wütend, traurig oder gar enttäuscht von ihm sein sollte. „A- achso... das ist also der Grund...“ flüsterte sie, spürte unbändige Wut in ihr aufflammen. „Plötzlich bist du schwul... und ich dachte immer...“ schluchzte sie mit zittriger Stimme, wischte die Tränen energisch weg, die doch nicht aufhören wollten und immer wieder kamen. Warum? Wieso lief heute alles so schlecht für sie? Erst hatte sie den Pharao verloren. Und nun hatte sie Yuugi verloren. Wie sollte sie denn nun weiter machen? Etwas in ihr wollte das nicht akzeptieren. Sie konnte es nicht akzeptieren. All die Zeit hatte sie vom Pharao geträumt. Aber sie wusste, dass dieser nie wieder in ihr Leben zurückkehren würde. Das machte es ja so schwer für sie. Irgendwo hatte sie sich eingebildet, dass wenn sie mit Yuugi zusammen kam, sie dem Pharao damit näher kommen würde. In ihr überschlug sich alles. Wut. Hass. Angst. Trauer. Verzweiflung. Und auch ein Hauch von Einsamkeit. Mit wem sollte sie darüber reden? Bisher hatte sie immer mit Yuugi über so etwas geredet. Auf eine gewisse Art und Weise fühlte sie sich verraten. Ohne es zu merken, wurde ihr der Pharao entrissen. Erneut. Wieder konnte sie nichts dagegen tun. Wut und Hass wurden stärker. „Warte doch Mal! Lass mich uns erklären...!“ kam es von Jonouchi, der sich nun in ihre Richtung bewegte. Er wippte mit den Händen hin und her, eher um sich selbst zu beruhigen als sie. „Was gibt es da zu erklären?“ hauchte sie dann, obwohl sie sich selbst nicht gut hören konnte, so war sie sich sicher, dass in ihrer Stimme ein Hauch von Ekel oder gar Abscheu mitschwang. Sie war sich dem sicher, als Jonouchi in seiner Bewegung inne hielt und den Kopf zu Boden neigte. Aber Yuugi blieb nicht stehen. Würde er stehen bleiben, würde er sie nur noch mehr verletzen. Das wollte er nicht. Sie sollte sich nicht emotional noch weiter von ihm abkapseln. Sie hatte es ihm manchmal überdeutlich gezeigt, aber er hatte es ignoriert. Absichtlich. Ihre Gefühle für ihn waren eine Ehre, aber er wusste, dass sie nicht ehrlich waren. Oft redete sie stundenlang über den Pharao und er hatte ihr gerne zugehört. Immerhin hatte er von ihren Gefühlen von ihn gewusst und er hatte geglaubt, dass er ihr auf diese Weise helfen konnte, zu überwinden was geschehen war. Ihm hatten diese Gespräche sehr geholfen. Doch ab und zu hatte er das Gefühl, dass sie ihn und den Pharao, in einen Topf warf. Seit dem Kindergarten waren sie Freunde und bis heute hatte sich das nicht geändert. Anfänglich, als sie langsam reifer wurden und er keine Freunde hatte, hatte er für sie geschwärmt. Sie war ein wirklich hübsches Mädchen damals. Und heute war sie eine bezaubernde Frau. Reif und feminin. Einfach reizend. Aber tiefere Gefühle waren nie da gewesen. Auch wenn es für einige manchmal so ausgesehen haben mag, so verband sie seit jeher nur Freundschaft. Auch würde er es gar nicht wagen ihrer tiefen und vertrauten Freundschaft Romantik oder Ähnliches bei zu fügen. Dafür war sie ihm einfach zu wichtig. Und weil sie ihm so wichtig war, musste er das hier jetzt klären. Aber sie schien unendlich verletzt. Traurig oder gar wütend. „Ich weiß nicht warum... aber ich habe mich in dich verliebt...“ erklärte sie leise, schluckte einmal hart. Ihr wäre nie in den Sinn gekommen, dass Yuugi eventuell schwul sein konnte. Dauernd wurde er von Mädchen, von seinen Fangirls, belagert! Wie hätte sie denn darauf kommen können, dass er kein Interesse hatte? Er hatte nie etwas durchscheinen lassen. Nie. Oder wollte sie es eventuell nicht sehen? Plötzlich stand er vor ihr. Sanft legte er eine Hand auf ihre Schulter, lächelte sie verständnisvoll und freundlich an. So wie er es immer tat. Dann ein lauter schallender Knall, daraufhin ein dumpfes Aufprallgeräusch. Anzu hatte ihm eine Ohrfeige verpasst. Wie konnte er sie jetzt noch so scheinheilig anlächeln? Machte er sich etwa lustig über sie? Sie sagte ihm, dass sie Gefühle für ihn hatte und er äußerte sich nicht einmal dazu. War es ihm etwa egal? Sie wollte nicht hören was er sagte. Sie wollte weder ihn noch Jonouchi sehen. Nicht jetzt. Sie war verletzt. Und vor allem Dingen wütend. Wenn er sich viel früher geoutet hätte, wäre sie nie auf die Idee gekommen, dass sie ihn lieben könnte. Dann wäre ihre Freundschaft überhaupt gar nicht erst in Gefahr geraten! Vielleicht tat sie ihm Unrecht, wenn sie ihm die völlige Schuld gab. Aber es machte ihr zu viel Angst bei sich selbst die Schuld zu suchen. Ohne sich weiter zu erklären, lief sie davon. „Ich glaube, dass sie jetzt lieber alleine sein möchte.“ kam es von Jonouchi, leise und bedrückt. Selten kam es vor, dass er wirklich traurig war. Zumindest zeigte er es selten. Der Blonde hatte, nachdem der Pharao von ihnen gegangen war, beschlossen, dass er Gefühle wie diese unter Schluss halten wollte. Außerdem hatte er endlich wieder den ersehnten Kontakt zu seiner geliebter Schwester Shizuka und seine Freunde waren immer für ihn da. Eigentlich hatte er keinen Grund wirklich traurig zu sein. Und falls doch mal etwas sein sollte, so konnte er sich immer Yuugi anvertrauen. Das war schon immer so gewesen. Zumindest fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Zwar kannten sie sich gar nicht so lange, wie er es gerne gehabt hätte, aber er wollte sich gar nicht daran erinnern, wie es war, als er dem Jungen Gefühle des Hasses entgegen brachte. Langsam kam er auf Yuugi zu. Dieser saß immer noch am Boden und starrte in den Himmel. So ein Ende hatte er nicht gewollt. Würde es zwischen ihnen jemals so sein wie vorher? Nicht schon wieder wollte er jemanden verlieren. Energisch wischte er die aufkommenden Tränen weg. Jetzt war nicht die Zeit um traurig zu sein. Auch wenn er nicht wieder gutmachen konnte, was Anzu hatte miterleben müssen, so würde er sich dennoch bei ihr entschuldigen. Selbst dann, wenn sie ihn hassen sollte. Diese Freundschaft verband sie zu lange, als dass er sie aufgeben wollte. Rebecca hatte alles ruhig beobachtet. Erst wollte sie einschreiten. Sich erkenntlich zeigen und etwas sagen. Doch auch sie war viel zu verzweifelt. All die Zeit hatte sie Yuugi aufrichtig geliebt. Im Gegensatz zu Anzu, gab es für sie immer nur Yuugi. Niemand anderes war in ihrem Herzen wie er. Sein Lächeln, seine Güte und seine Freundschaft hatte ihr Herz vollkommen erfüllt. Genau wie Anzu war ihr niemals in den Sinn gekommen, dass ihre Gefühle nur einseitig waren. Zu sehr hatte sie sich in dieser Einbildung der ersten großen Liebe verrannt. Vielleicht, ja, vielleicht war sie doch nur ein Kind. Ein Kind, das leider mit zu viel Intelligenz gesegnet wurde. Sie war den Tränen nahe. Mit aller Kraft wollte sie das laute Schluchzen vermeiden. Ihr geliebter Freund litt auch so schon genug. Wenn sie jetzt auch noch rein platzen würde, würde alles anders sein. Das konnte sie nicht ertragen. Dann brachen die Tränen und die Schluchzer aus ihr heraus. Schnell rannte sie den Weg zurück, den sie hierher genommen hatte. Beim Wohnwagen blieb sie stehen. Wild hob und senkte sich ihre Brust. Völlig außer Atem und den Augen voller Tränen lehnte sie sich an den Wohnwagen ihres Großvaters. Sie schnaufte und keuchte. Obwohl sie sportlich war, hatte sie kaum noch mehr Kraft. Ihr Herz beruhigte sich nicht. Wie sollte sie ihm nun gegenüber treten? Jetzt, wo sie sein Geheimnis kannte? „Ich liebe dich dennoch...“ nuschelte sie vor sich hin. Ihr Blick wurde leicht glasig. „Wen liebst du?“ kam es fragend und sie drehte ihren Kopf zur Seite. Die Tür des Wohnwagens war offen, das Licht leuchtete nach außen hin. Schnell wischte sie sich die Tränen weg, dabei fiel ihr ihre Brille zu Boden. Gerade als sie sie aufheben wollte, bewegte sich eine fremde Hand auf diese zu. Erst jetzt erkannte sie, dass es sich um Otogi handelte. Auch Honda schien mittlerweile wieder wach zu sein und hatte angefangen Kaffee zu kochen. Zumindest glaubte sie die Kaffeemaschine zu hören. Nervös schluckte sie. Ein großer Knoten bildete sich in ihrem Hals und sie wusste nicht was sie sagen sollte. „Du siehst fertig aus...“ mit einem aufheiterndem Lächeln übergab er ihr die Brille. „D-danke...“ flüsterte sie nur und nahm diese an, setzte sie wieder auf. „Wo sind Jonouchi, Yuugi und Anzu? Langsam machen wir uns Sorgen.“ mischte sich Honda ein, der aus dem Wohnwagen lugte. Der Weißhaarige schlief wohl noch. „Die sind spazieren gegangen...“ lügte Rebecca und zwang sich dazu nicht wieder in Tränen auszubrechen. „Spazieren? So lange? Und warum sitzt du hier alleine?“ kam es nun vom Schwarzhaarigen, der sich neben sie setzte. „Ich ehm... hab mir so Sorgen um meinen Großvater gemacht...“ sie versuchte die Fassung zu bewahren. „Ah, stimmt. Ich bin mir sicher, dass er sich erholt.“ erklärte Otogi und legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie zuckte kurz, entspannte sich dann. Honda verschwand ins Innere des Wohnwagens. Es hörte sich so an, als würde er einige Tassen abwaschen, damit sie sie gleich benutzen konnten. Wenn sie es sich recht überlegte, musste es bereits ziemlich spät sein. Bestimmt nach Mitternacht. Dass sich Honda und Otogi Sorgen um ihre Freunde gemacht hatten, war nur zu verständlich. Aber wie sollte sie das mit Anzu erklären? Sie war weggelaufen und es war eher unwahrscheinlich, dass sie in den nächsten Stunden wieder auftauchte. Yuugi und Jonouchi konnte sie decken. Anzu aber nicht. Dabei war sie doch schon erwachsen! Leicht wütend über ihr kindisches Verhalten, stieß sie ruckartig Luft aus. Selbst sie hatte sich in dieser unangenehmen Situation reifer verhalten. Seit wann mochte sie überhaupt Yuugi? Damals hatten sie über ihre Gefühle geredet und sie hatte sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Pharao mochte. Wollte sie etwa nun Yuugi haben, weil sie ihren geliebten Pharao nicht haben konnte? Ziemlich egoistisch und gemein, stellte die Blonde fest. Langsam beruhigte sie sich wieder. Wenigstens sie musste sich anständig verhalten. „Möchtest du nicht reinkommen?“ fragte Otogi, erhob sich und hielt ihr eine Hand hin. Dankend nahm sie die Hilfe an und sie gingen in den Wohnwagen. „Ich verstehe nicht warum sie so lange wegbleiben. Von Jonouchi ist man's ja gewohnt...“ kam es von Honda. „Stimmt. Aber Yuugi und Anzu? Da stimmt doch was nicht. Anzu ist viel zu vernünftig für so etwas.“ erwiderte Otogi und reichte Rebecca eine Tasse. „Man kann es ihnen ja nicht verübeln, oder? Es ist schön draußen. Vielleicht... vielleicht haben sie ja viel zu bereden.“ Rebecca versuchte die beiden von ihren Sorgen zu befreien, daher sagte sie das alles mit einem Lächeln. Nicht, dass es ihre Art war andere anzulügen und ihnen etwas vom Pferd zu reden, aber da sie Yuugi so sehr mochte, wollte sie ihn auch nicht unnötig verletzen. Wohl oder übel musste sie nun lernen mit diesen Gefühlen umzugehen und ihn möglichst nicht damit zu belästigen. Eventuell vermisste er es ja sogar, wenn sie sich ihm nicht an den Hals warf? Gut. Diesen Gedanken verwarf sie gleich wieder. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde er sogar glücklich sein, wenn sie nicht so an ihm hing. Auch wenn es ihr schwer fiel, sie wollte diese Freundschaft mit ihm nicht riskieren. Um nichts auf der Welt. Selbst dann, wenn es sie schmerzte. Als gute Freunde war man immer füreinander da. Und sie war eine gute Freundin. Yuugi war immer für sie da gewesen und jetzt war es Zeit, dass sie auch etwas leistete. Nach einer Zeit kamen Jonouchi und Yuugi ohne Anzu zurück zum Wohnwagen. Eine Diskussion über ihren Aufenthalt war nicht zu vermeiden. Sie lief und lief, sie spürte schon ein taubes Gefühl in ihren Beinen, doch sie ignorierte es einfach. >Ich kann das nicht glauben! Er kann doch unmöglich schwul sein. All die Zeit über... habe ich gedacht, gehofft, dass er meine Gefühle erwidert und dann so was... das ist so peinlich... Wie soll ich den anderen jetzt gegenüber treten? < Abrupt blieb sie stehen, nun weinte sie noch mehr und fiel auf die Knie. Sie selbst verhielt sich gerade am Schlimmsten. Wütend über sich selbst, vergoss sie einige Tränen, die ungeachtet im Boden versickerten. War es nicht sie selbst, die immer sagte wie wichtig es sei seine Freunde so anzunehmen wie sie waren? Eigentlich sollte sie sich für ihn freuen. Aber etwas in ihr erlaubte es ihr nicht. Vielleicht weil sie sich selbst eingeredet hatte, ihn zu lieben? Sie fiel auf die Knie, zitterte kurz und dann wurde es ruhig. Sie wollte nicht mehr denken. Wind zog auf und sie hörte, wie die Blätter an den Bäumen, zu dieser Symphonie tanzten. Dieses Geräusch beruhigte sie. Langsam fasste sie sich wieder. Es wurde ihr bewusst, dass sie ihm Unrecht getan hatte. Großes Unrecht sogar. Es verging eine Zeit bis sie sich wieder aufrichtete. Wo war sie hier überhaupt? Sie war einfach nur gelaufen und hatte gar nicht darauf geachtet wohin. Wie sollte sie jetzt zurück finden? Nun grummelte sie leicht, verschränkte die Arme und sah sich um. Sie entschloss sich dann aber dazu weiter zu gehen. Irgendwer würde ihr schon helfen, bestimmt. Es würde ja nichts bringen, wenn sie hier rum saß und darauf wartete, dass ihre Freunde ihr hinterher gelaufen kamen. Außerdem würde es ihr ohnehin peinlich sein, sie nun wieder zusehen. Immerhin hatte sie sich wie ein pubertierender Teenager benommen und jeder konnte sagen, dass sie normalerweise nicht so agierte. Daher war es ihr einfach zu peinlich was geschehen war. Eigentlich war sie die Stimme der Vernunft in ihrer Gruppe, aber heute waren eindeutig die Nerven mit ihr durchgegangen. Erst mal musste sie sich an den Gedanken gewöhnen, dass ihr bester Freund und dieser Hohlkopf tatsächlich ein Paar waren. Gut, sie standen sich sehr nahe, aber dass da soviel mehr war, das hätte sie nie zu träumen gewagt. Aber nun wusste sie es. Und vielleicht war es sogar gut, dass das hier heute passiert war. Jetzt konnte sie sich ihren Gefühlen im Klaren werden und bei genauer Überlegung musste sie zugeben, dass sie sich wirklich kindisch verhalten hatte. Von weiten konnte sie sehen, dass da eine Stelle war, ohne Bäume. Sofort lief sie hin. Eine Straße. Nun musste sie ja eigentlich nur noch warten bis jemand vorbei kam. Aber es war fraglich, ob hier überhaupt jemand vorbei kommen würde. Diese Straße führte zwar in die Stadt, aber wie wahrscheinlich war es, dass irgendjemand um diese Zeit hier entlang fuhr? Dann raste ein Wagen mit irrsinniger Geschwindigkeit an ihr vorbei. Perplex und mit großen Augen sah sie diesem hinterher. Ungefähr zehn Minuten später fuhren wieder ein paar Autos vorbei. Aber die Fahrer beachteten ihr Winken gar nicht. Resigniert senkte sie den Kopf. Waren heutzutage alle Menschen so egoistisch? Doch dann sah sie ein Licht, was auf sie zukam. Eine Limousine. „Halt!“ schrie sie, doch der Wagen fuhr einfach an ihr vorbei. Im Gegensatz zu den anderen Vehikeln, die bisher an ihr vorbei gerauscht waren, fuhr dieser ziemlich langsam. Jetzt wurde sie wütend. „Du herzloser Mistkerl!“ brüllte sie dem Fahrer hinterher. Sie starrte den Wagen an, der sich weiter bewegte und nicht anhielt, ließ sich dann zu Boden fallen. Zurück konnte und wollte sie erstmal nicht und es hatte nicht den Anschein, dass irgendein Mensch die Güte besaß, anzuhalten und sie mitzunehmen. Plötzlich hielt der Wagen an, fuhr sogar ein ganzes Stück zurück. Ganz verstehen konnte Anzu das nicht. Hatte der Kerl sie etwa gehört und kam jetzt zurück? Wer saß in dem Wagen? Hoffentlich kein Perverser, der ihr nun Manieren beibringen wollte! Genauso schnell wie sie sich hatte auf den Boden fallen lassen, stand sie wieder auf beiden Beinen und wich einige Schritte zurück. Die schwarze Limousine hielt direkt vor ihr und ein Fenster wurde hinunter gekurbelt. Erst konnte sie nichts erkennen. „Was heißt hier Mistkerl, Mazaki? Was suchst du hier überhaupt? Es ist etwas gefährlich für ein kleines Mädchen hier alleine rum zulaufen...“ giftete sie der Fremde an, doch war der Fremde überhaupt so fremd? Woher kannte er ihren Namen? Die Stimme des Mannes kam ihr bekannt vor. Aber wer nur? Wer? Dann erinnerte sie sich, konterte im gewohnten Ton ihm gegenüber. „Was heißt hier kleines Mädchen? Was bildest du dir eigentlich ein? Das ist echt so typisch für dich!“ Überarbeitet am: 21.03.2011 Kapitel 3: Sorgen um die Freundschaft ------------------------------------- „Bissig wie eh und je wie ich merke.“ zischte der Fremde aus dem Wagen, musterte sie nun und wurde leicht rot um die Nase. Mit dem Finger auf ihren Rock zeigend, grinste er etwas amüsiert und dennoch leicht peinlich berührt. Nicht, dass ihm dieser Anblick nicht gefiel, aber es war und würde niemals seine Art sein jemanden so unverfroren anzusehen. Erst recht nicht ein Mädchen. Und noch viel weniger die wortgewandte Brünette, mit der er liebend gerne stundenlang Debatten über Sozialverhalten und Freundschaft hielt. Eigentlich konnte er sie nicht ausstehen. Ihre eigensinnige und besserwisserische Art! Immer musste sie das letzte Wort haben. Das war schon immer so gewesen. Er kannte es von ihr gar nicht anders. Ob sie ihren Freunden auch so auf den Zeiger ging? Nun, bei Jonouchi und Honda hatte er bereits mehrmals mitbekommen, dass sie vor ihr flüchteten. Aber die beiden verdienten es gar nicht anders. Sie waren für ihr Alter einfach viel zu unreif. In dem Sinne war Anzu anders. Behielt sie doch immer die Ruhe und packte die Sachen mit Vernunft an. Aber jede Medaille hatte zwei Seiten. Genauso wie er vor seinem Bruder Mokuba mit Leichtigkeit ein Lächeln erbrachte, so konnte er anderen Menschen gegenüber eiskalt und skrupellos sein. Genau diese Art, diese Eigenschaft hatte ihn heute so weit gebracht wie er war. Firmenchef Seto Kaiba, gab niemals nach. Und noch viel weniger ließ er es zu, dass andere ein Urteil über ihn fällten. „Du bist am Oberschenkel verletzt!“ quiekte plötzlich eine weitere Stimme, die ihr ebenfalls bekannt vorkam. Vorher hatte sie die Wunde nicht gespürt, doch jetzt wo sie daraufhin gewiesen wurde, merkte sie, dass ein blitzartiges Stechen sie durchzog. Außerdem bemerkte sie nun, dass ihr Rock eingerissen war und dass jeder einen perfekten Einblick auf ihre Unterwäsche hatte. Hastig und beschämt rückte sie den Rock so zurecht, dass nur noch minimal etwas zu sehen war. Dann hob sie den Kopf und im gleichen Moment, wurde die Tür des Wagens aufgerissen und ein schwarzhaariger Junge stieg heraus. Es war Mokuba und sie merkte, dass er um Einiges gewachsen war. Mittlerweile ging er ihr bis zu Schulter und wahrscheinlich würde er seinen großen Bruder Seto auch noch einholen. „Komm mit, du bist verletzt. Seto, wir müssen sie zu einem Arzt bringen.“ mit diesen Worten wand er sich seinem Bruder zu und bückte sich nun vor Anzu, die erschrocken nach hinten taumelte und zu Boden fiel. Auch Mokuba ging nun in die Hocke und band sein Lieblingshalstuch um ihr Bein. Mokuba und Seto waren sehr unterschiedlich. „Los steig ein... ich bin ja kein Unmensch, kann dich ja unmöglich hier stehen lassen.“ sagte Seto dann gefühlvoll. Dieses Verhalten erschrak ihn. Was war los? Er spürte diese plötzliche Hitze im Gesicht, sah schnell zur Seite. „Wäre auch schlecht für meinen Ruf! Und Mokuba würde ja eh keine Ruhe geben.“ nicht, dass sie dachte, dass er sie mitnehmen wollte, weil er sie mochte. Nein! So war es nicht, zumindest versuchte er sich das einzureden. Anzu überlegte und zögerte erst, entschloss sich dann aber dazu einzusteigen. Mit einem Lächeln streckte Mokuba die Hand nach ihr aus und half ihr zurück auf die Beine. Sie schien etwas wacklig auf den Beinen zu sein und wenn er sie recht betrachtete, musste er zugeben, dass sie geschwächt aussah. War sie etwa alleine hier? Der Schwarzhaarige konnte sich das nicht ganz vorstellen. Bestimmt hatte es einen plausiblen Grund warum sie hier war. Eine längere Zeit war es still zwischen den Dreien. Jeder machte sich Gedanken. Anzu hatte den Blick zu Boden gerichtet und versuchte nach Möglichkeit nicht den jungen Firmenleiter zu ihrer Rechten anzusehen. Wenn sie ihn ansah, würde er sie bestimmt wieder ausschimpfen und jetzt im Moment hatte sie absolut nicht die Lust mit ihm zu streiten. Dafür hatte sie einfach keine Kraft mehr. Der Tag war lang, sie erschöpft und das Einzige, was sie sich jetzt noch ersehnte war ein warmer Tee und ein gemütliches Bett. Es war komisch, dass sie ausgerechnet nun neben den beiden Kaiba Brüdern saß. Beide wirkten sehr nervös auf sie. Seto tippte immer wieder auf seinem Oberarm herum und starrte fest aus dem Fenster, wahrscheinlich um jeglicher Kommunikation mit ihr aus dem Weg zu gehen. Sie hatten angehalten, weil Mokuba es wollte. Er wäre weiter gefahren und hätte sie dort stehen lassen. Selbst dann, wenn er ein schlechtes Gewissen gehabt hätte. Aber Mokuba wäre ihn dann den ganzen Abend im Nacken gesessen und hätte keine Ruhe gegeben. Er konnte es ja kaum erwarten, dass sie wieder anfing mit ihm über sein ach so asoziales Verhalten zu diskutieren. Von wegen, dass wenn er andere Menschen näher an sich heran ließ, dass es ihm dann besser gehen würde. Von wegen, dass er doch freundlicher zu anderen sein sollte. Von wegen, dass er auch Mal lächeln und sich einbringen sollte. Arg! Manchmal hatte er so eine Wut auf sie! Warum konnte sie ihn nicht einmal zufrieden lassen? Das Einzige, was er wollte, war seine Ruhe. Nur das und nichts weiter. Einen Trost gab es für ihn jedoch. Das war das letzte Jahr in dieser Schule und bisher gab es gute Chancen darauf, dass er sie nach ihrem Abschluss nicht mehr sehen brauchte. Es war wirklich nicht so, dass er sie hasste. Er konnte es lediglich nicht ausstehen, wenn andere ihm sagten, was er zu tun und zu lassen hatte. Und warum überhaupt hatte sie so einen Narren an ihm gefressen? Ja, wenn er nochmal genauer nachdachte, war sie die einzige, die ständig zu ihm angelaufen kam und das Gespräch mit ihm suchte. Selbst Yuugi Mutou, sein ewiger Duel Monsters Rivale, war nicht so darauf erpicht, ihn in diese Kindergartentruppe zu integrieren. Bereits im Cyber Space, in ihrem Kampf gegen Noah, war sie es, die ihm stur ihre Meinung aufzwang. In der Tat, das war ihre ganz natürliche Art. Sie hatten einige Stunden gesucht und waren irgendwann in den Wohnwagen zurückgekehrt. Keine Spur von ihrer Freundin. Im wahrste Sinne des Wortes war sie vom Erdboden verschwunden. Nun hatten sie entschlossen, sich etwas auszuruhen und zu schlafen. Abwechselnd würden sie die Nachtwache machen, falls Anzu noch einmal zurück kommen würde. Rebecca, Ryou, Otogi und Honda waren im dunklen Wohnwagen. Jeder lag auf seiner Schlafmatte. Es war ruhig. Zumindest weitgehend. Hondas lautes Schnarchen, hielt selbst einen Löwen wach. Nachdenklich sah Otogi die Decke an. Es war einfach nicht Anzus Art so lange wegzubleiben. Jonouchi und Yuugi hatten erklärt, dass sie sauer geworden war, weil sie Yuugi mochte, dieser sie aber abgelehnt hatte. Aber war das wirklich alles? Irgendetwas verschwiegen sie vor ihm. Vor ihren Freunden. Auch Rebecca war nach ihrem Spaziergang anders als vorher. Und nach der Erzählung der beiden, war sie nicht mit ihnen unterwegs gewesen. Lügen über Lügen. Was konnte er denn jetzt noch glauben? Leise seufzte er, drehte sich auf die Seite. So sehr er sich auch bemühte, so war es ihm nicht vergönnt einzuschlafen. Am Kaffee konnte es nicht liegen. Er war es gewohnt abends Getränke mit Koffein zu trinken, auch wenn Anzu ihm schon mehrmals vor den möglichen Folgen wie Schlafstörungen gewarnt hatte. Dann richtete er sich auf. Schleichend bewegte er sich im Raum, vermied es das Licht anzumachen um die anderen zu wecken. Eine Silhouette auf der Coach machte ihn stutzig. „Bist du etwa noch wach, Rebecca?“ flüsterte er leise. Immerhin konnte er nicht sagen, ob sie vielleicht doch schlief. „Hm? Otogi?“ hörte er sie leise antworten. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er setzte sich neben sie. Wie gewohnt griff er zu der Kaffeekanne und schüttelte sie leicht, um festzustellen, ob sich noch etwas von der schwarzen Flüssigkeit in ihr befand. Als er eine Bestätigung durch ein brüchiges Plätschern erhielt, drehte er sie von oben auf und goss sich etwas in seine Tasse. Völlig schwarz und heiß führte er den heißen Kaffee zu seinen Lippen. Sie sprachen nicht miteinander. Jeder war in seinen eigenen Gedanken versunken. Rebecca schien mitgenommen zu sein und er fragte sich, was wirklich vorgefallen war. Waren denn nun alle durchgedreht? Außer Honda und Ryou benahmen sich alle so eigenartig. Von wegen Freunde für immer. Zugegebenermaßen ärgerte er sich. Wieder fühlte er sich außen vor gelassen. So als wäre es nicht nötig ihn in Geheimnisse einzuweihen. Dieses Gefühl hatte er schon öfter gehabt. Manchmal kam es ihm so vor, als wäre er das fünfte Rad am Wagen. Und irgendwo machte ihn das sauer und es verletzte ihn. Welches Gefühl letztendlich überwog, konnte er nicht sagen. „Sag Mal, ist noch etwas vorgefallen?“ fragte er sie dann. Auch wenn es unwahrscheinlich war, so hoffte er, dass er noch etwas aus ihr herausquetschen konnte. Sie musste etwas wissen. Aus irgendeinem Grund pochte ihr Herz, so als würde es gleich aus ihrer Brust herausspringen, als er wieder das Gespräch mit ihr suchte. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm erzählen sollte, was geschehen war. Aber noch mehr lügen wollte sie nicht. Das kam ihr so falsch und unfair vor. Dass sie ihn bereits einmal angelogen hatte, war ihm garantiert nicht entgangen. Vor allem nachdem Jonouchi und Yuugi beide eine andere Geschichte erzählten, als sie. Glücklicherweise hatte keiner nochmal nachgehakt. Dass diese Frage unvermeidlich war, war ihr die ganze Zeit bewusst gewesen. Vor allem als sie nach Anzu gesucht hatten, die trotz größter Bemühungen nicht wieder aufgetaucht war. „Ich weiß nicht, ob ich mit dir darüber reden sollte. Ich- ich meine es ja nicht böse.“ redete sie sich heraus. Ihre Stimme war leise und zittrig. Er antwortete erst nicht, bewegte die Tasse erneut zu seinem Mund und trank vorsichtig einen weiteren Schluck. Also wusste sie noch etwas. Ein kluges Mädchen wie sie, war nicht mit Worten zu überreden. „Schon gut.“ bemerkte er dann und stellte die Tasse langsam und möglichst leise wieder auf den Tisch, um die noch am Boden schlafenden nicht zu wecken. Die Zeit schien in Zeitlupe zu verstreichen und irgendwann hatte er tröstend einen Arm um sie gelegt. Einfach so. So wie es Freunde taten, wenn sie Halt brauchten und füreinander da sein wollten. Leise und kaum hörbar hatte sie „Danke“ geflüstert. „Anzu ist immer noch nicht aufgetaucht. Jonouchi, das ist alles meine Schuld!“ jammerte Yuugi und versuchte die Tränen in seinen Augenwinkeln zurückzuhalten. Sie saßen vor dem Lagerfeuer, passten auf, dass das Feuer nicht erlosch und hofften, dass Anzu den Weg doch noch zurückfand. Verzweifelt sah Yuugi den Boden an, das Ganze ging nicht spurlos an ihm vorbei. Schuldgefühle und Angst plagten ihn. Aber es war nicht so, dass er in dieser Situation vollkommen alleine war. Jonouchi hatte ihn in den Arm genommen und wiegte ihn hin und her, um ihn so zu beruhigen. Dem Blonden war die ganze Zeit über bewusst, wie sehr ihn der Verlust des Pharaos mitgenommen hatte. Oft hatten sie Nächtelang über das Erlebte geredet. Immer wieder wurde Jonouchi dabei klar, dass diese Lücke, die der Pharao unbemerkt zurückgelassen hatte, nicht gefüllt werden konnte. Für Yuugi war es wie ein Schlag ins Gesicht, nur noch schmerzhafter. Atemu, der Geist aus dem Milleniumspuzzle, hatte ihm den Weg gezeigt. Hatte ihm das Selbstbewusstsein geschenkt, war er gebraucht hatte. Dennoch. Obwohl Yuugi mittlerweile viel reifer und sicherer handelte, so war ein Teil dieses schwachen Yuugis geblieben. Der Teil dessen Yuugis, den er kennen gelernt und anfangs sogar nicht hatte leiden können. Und diese schwache Seite eröffnete sich ihm jetzt. „Jetzt mach dir nicht so viele Sorgen um sie. Ihr geht es sicherlich gut. Du kennst sie doch!“ sagte er und drückte ihn leicht von sich. „Und trotzdem! Was ist wenn ihr etwas passiert ist? Machst du dir keine Sorgen um sie?“ „Doch natürlich, aber sie ist sehr schlagkräftig. Ich vertraue ihr. Sie ist nicht dumm.“ „Und was ist wenn ein Bär sie angefallen hat? Oder ein Fuchs? Dann bringt es rein gar nichts, dass sie nicht dumm ist!“ kam es aufgeregt von Yuugi und er zog wütend die Augenbrauen runter. „Hier gibt es doch kaum wilde Tiere! Das weißt du genauso wie ich!“ „A-aber....“ wollte Yuugi widersprechen, ließ es dann aber bleiben. „Höchstens ein paar Eichhörnchen oder Hirsche... du machst dir zu viele Sorgen.“ „Vielleicht.... vielleicht hast du Recht. Hoffentlich geht es ihr gut.“ „Du wirst schon sehen. Bald steht sie wieder lachend vor uns. So wie immer.“ sagte er und legte eine Hand auf Yuugis Wange. Zögerlich hob Yuugi seine und legte sie auf die seines Freundes. Einige Tränen liefen noch über seine Wangen, bis auch diese versiegt waren und er sich deutlich beruhigte. Anzu war taff und wahrscheinlich hatte Jonouchi recht. Er machte sich nur so viele Sorgen, weil er sich die schlimmsten erdenklichen Sachen vorstellte. Sogleich er anfing positiv zu denken, wurden Jonouchis Worte immer glaubhafter für seine Ohren. Nun drückte er sich wieder an seine Brust und legte seine Arme um ihn. Der ganze Ausflug bisher war komplett anders gelaufen als geplant. Rebecca war komischerweise auch irgendwie sauer auf ihn. Zumindest hatte er es im Gefühl. Nicht, dass er ihr ständiges aufdringliches Verhalten vermisste, aber es bereitete ihn Sorge, dass sie sich auf einmal ihm gegenüber anders verhielt. Normalerweise näherte sie sich ihm sofort an, sobald sie auch nur für eine kurze Zeit zusammen waren. Aber nun war sie ihm gegenüber ganz still. So als würde etwas Ungreifbares zwischen ihnen liegen. Eine unsichtbare Mauer. Jonouchi schob Yuugi ein kleines Stück von sich weg, holte nun das nach, was ihm vorher nicht vergönnt gewesen war. Sanft strich er mit seinen Händen über seinen Rücken, wanderte unter das T-Shirt und spürte die Wärme des kleinen Körpers auf seiner Haut. Ein angenehmes Kribbeln durchfuhr ihn und schnell, beinahe voreilig, legte er seine Lippen auf die von Yuugi, presste diese hart und verlangend gegen die des Anderen. Ohne auf Einlass zu warten, verschaffte er sich diesen einfach. Dass Yuugi einige Zentimeter zurückwich und bereits nach Luft rang, bekam er nur nebenbei mit. Dann löste er sich von ihm. Keuchend. Für einen Moment hatte Yuugi geglaubt ein Feuer in seinen Augen sehen zu können. Ein Verlangen, das gestillt werden wollte. Nie hatte er gedacht, dass sie sich irgendwann auf diese Weise nahe stehen würden. Ohne auf eine Reaktion zu warten, küsste der Blonde ihn noch einige Male federleicht, drückte ihn dann an sich und zerquetschte ihn beinahe. Auch wenn er es nicht offen sagte und noch viel weniger zeigen wollte, so wusste Yuugi, dass ihn das ganze mitgenommen hatte und dass auch ihm, ihre derzeitige Lage, bewusst war. Er war einfach nicht der Typ, der seine Emotionen aussprach. Viel mehr folgten überstürzte Handlungen. Aber das war nur einer der Gründe, warum Yuugi ihn so mochte. Sie passten gut zusammen und ergänzten sich einfach. Man konnte behaupten, dass Yuugi ihn mit seiner offenen und gefühlvollen Art half über Ängste, Trauer oder Wut hinwegzukommen. Und Jonouchis Mut war es, der Yuugi dazu anstachelte seinen Weg selbstbewusst und bestimmt zu gehen. Jeder gab dem Anderen das, was ihm fehlte. Die ganze Fahrt über war es still, bis jetzt hatte keiner mehr etwas gesagt und die Stille, die sie umgab, empfanden alle Insassen des Wagens immer mehr als bedrückend. Jeder hing seinen Gedanken nach. Es war Mokuba, der diese bedeutsame Ruhe brach, indem er Anzu einige Fragen stellte und sie mit seiner unbescholtenen Art zum Lachen brachte. Der Firmenchef sagte nichts, reagierte nicht und sah weiterhin aus dem Fenster. Sie waren wegen einer Besprechung eines neues Produktes (es handelte sich hierbei um einen neuartigen Controller, den er selbst entwickelt hatte), das möglichst bald in die Produktpalette seines Unternehmens aufgenommen werden sollte, hier. Es war also kein Schicksal, dass sie sich getroffen hatten. Auch wenn Isis Ishitaru darauf beharrt hätte. Diese altmodische Frau war sehr eigenartig, vielleicht hatte er sie deswegen nie wirklich verstehen können. Alle Frauen waren unverständlich und handelten viel zu emotional. Es störte ihn nicht. Aber einige Frauen, vor allem die, die er in seiner Laufbahn hatte kennen lernen müssen, gingen ihm gehörig auf den Zeiger. Wenigstens hatte Anzu sich dieses Mal zurück gehalten und befasste sich mehr mit seinem kleinen Bruder. Mokuba schien sich sehr über ihre plötzliche, unerwartete weibliche Gesellschaft zu freuen. Die ganzen sechs Tage, die sie in dieser Gegend verbracht hatten, war er kaum aus sich heraus gekommen und benahm sich wie ein richtiger Geschäftsmann. Darauf sollte er stolz sein, aber manchmal überschlich ihn das Gefühl, dass seinem Bruder dies alles nicht so lag. „Isono, fahren Sie schneller! Ich will endlich raus aus dieser Pampa!“ fuhr Seto plötzlich seinen treuen Fahrer an, dieser erschrak. Anzu und Mokuba sahen ihn etwas überrascht an. Was war denn jetzt auf einmal mit ihm los? Die ganze Zeit über hatte er nichts gesagt und dann war er grundlos so wütend. Mokuba sah seinen Bruder besorgt an. Er zeigte es nicht, aber er war sehr schlecht gelaunt. Das Produkt, das sie hier vorgestellt hatten, hatte nicht jedem gefallen und es hagelte nur mit Kritik von allen Seiten. Sein Bruder war Perfektionist. Und es musste ihn ziemlich verletzt haben, dass er so kritisiert worden war. Bisher war er immer erfolgreich und die Spiele, die er entwickelte und auf den Markt brachte, kamen eigentlich immer gut an. In letzter Zeit jedoch schienen die Menschen nicht ganz so kaufkräftig zu sein, was die Verkaufszahlen eindeutig widerspiegelten. Vermutlich würde er sich wieder fassen, aber Gefühle von Sorge konnte er nicht völlig verdrängen. Auch Anzu sah ihn an, schnell wand sie den Blick wieder ab und sie spürte ihr Herz laut schlagen. Er hatte sie noch nie so angefahren. Bei ihr sprach er immer im ruhigen Ton und sie hatte beinahe vergessen wie er sich anhörte, wenn er wirklich wütend war. „Was guckst du mich so an, Mazaki?“ wollte er wissen und sah sie musternd an, eine Antwort erwartend. „Was?“ hatte sie ihn etwa doch länger angesehen, als sie geglaubt hatte? „Gut, druckse ruhig vor dich, solange du mir nicht auf die Nerven gehst.“ sagte er triumphierend. „Ich habe auch nicht vor mit dir zu reden!“ „Gut.“ „Gut!“ sagte sie sehr laut und drehte sich beleidigt zum Fenster. Genauso wie sie vergessen hatte, wie er klang wenn er wütend war, hatte sie für einen winzigen Moment vergessen, was für ein Ekel er sein konnte. Aber das sollte sie nicht weiter stören. Mokuba war hier und wenn sein Bruder anwesend war, hielt Seto sich meistens raus. Also erklärte sie dem Schwarzhaarigen lückenhaft die Situation, dass sie sich verlaufen hatte und darauf gewartet hatte, dass sie jemand mitnimmt. Wie und warum es dazu gekommen war, ließ sie beherzt aus. Dann hielt der Wagen an und fuhr eine Kurve. Vor einem kleinen Sommerhaus blieb der Wagen zu stehen. Seto stieg einfach aus, beachtete das Mädchen gar nicht weiter, wollte sie anscheinend einfach im Wagen lassen. Gemeinsam mit Mokuba stieg sie aus. Leicht humpelnd betrat sie das hübsche Haus, das nicht allzu weit von der Stadt gelegen war. Eventuell ein, maximal zwei Kilometer von hier entfernt war der Vorort, durch den sie auch mit dem Wohnwagen hierher gefahren waren. „Du kannst heute Nacht hier bleiben. Wir haben einen Arzt hier, der wird sich dein Bein ansehen.“ erklärte der Schwarzhaarige und geleitete sie weiter hinein. Es schien sich hierbei um ein Ferienhaus zu handeln. Alles war sehr gemütlich und dennoch nobel eingerichtet. Das Haus alleine musste ein Vermögen gekostet haben! Und dann diese Einrichtung erst! Anzu staunte nicht schlecht über den herrschenden Wohlstand in der Familie Kaiba. Aber was anderes hätte sie gar nicht erwartet. Es handelte sich hier immerhin um Kaiba. Ziemlich komisch einen Firmenleiter persönlich zu kennen. In den Filmen wurden diese meistens als alte, verbitterte Männer dargestellt, die sich nur ihrem Job widmeten. Seto ähnelte diesen Leuten nicht ganz, im Gegensatz zu den Männern im Film war er jung und gutaussehend. Und gegenüber seinem Bruder konnte er auch sehr nett sein, das wusste sie. Schon mehrmals hatte er seine liebevolle Art ihm gegenüber beobachten können, also war er gar nicht so eiskalt und verklemmt, wie er immer tat. Aber warum dachte sie nun soviel über ihn nach? Sollte sie nicht viel eher an Yuugi denken, der sie so belogen und auch verletzt hatte? Ganz verstehen konnte sie es noch nicht und es würde sicherlich länger dauern, bis sie akzeptieren konnte, dass ihr bester Freund ein Homosexueller war. Aber sie wollte die Freundschaft zu ihm nicht aufgeben, um keinen Preis. Hart schluckend folgte sie Mokuba weiter ins Innere, wo ein Arzt die Wunde desinfizierte und einen Verband anbrachte. Mehrmals musste sie schmerzhaft aufstöhnen. Wie hatte sie es geschafft bis jetzt die Wunde so leichtfüßig zu ignorieren? Damit würde sie die nächsten Wochen garantiert nicht tanzen können. Dabei war es ihr Leben zu tanzen. Das Tanzen war ihr liebstes Hobby. Die Bewegung und die Musik erfüllten sie und für den Moment, in dem sie zeigen konnte, was sie drauf hatte, war sie glücklich. Dann schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. In wenigen Wochen trat sie doch mit ihrer Mannschaft in einem kleinen Turnier an, indem sie gegen einige andere Tanzgruppen sich beweisen mussten. Sie schüttelte den Kopf. Jetzt sollte sie nicht daran denken. Sie war ein Optimist und so langsam sollte sie sich auch wieder so verhalten und sich fassen. Nachdem sie von dem Arzt behandelt worden war, hatte sie sich im Badezimmer gewaschen und sich im Gästezimmer zu Ruhe gelegt. Der nächste Tag würde sicherlich noch anstrengender als dieser werden. Es schauderte sie leicht, als sie daran dachte, dass sie mit Seto Kaiba in einem Haus übernachtete. Das war ungewohnt... Überarbeitet am: 26.03.2011 Kapitel 4: Ein Ereignisvoller Morgen ------------------------------------ Nachdenklich lag sie in ihrem Bett, starrte die Decke an. Die beiden Kaibabrüder schliefen bestimmt schon und wahrscheinlich war sie die Einzige, die nicht einschlafen konnte. Diese ganzen Ereignisse, es war unglaublich was man alles an einem Tag erleben konnte, oder besser gesagt in einer Nacht. Allerdings, in ihr machte sich ein beklemmendes Gefühl breit. Wie sollte sie nun ihren Freunden gegenüber treten? Sollte sie einfach, so als wäre nie etwas passiert, zu ihnen zurückgehen? Lachend sich entschuldigen? Für die Umstände, die sie geschaffen hatte? Und wie überhaupt sollte sie den Weg zu ihnen zurückfinden? Gut, wenn die Sonne schien würde sie sich garantiert wieder an den Weg erinnern, den sie gemeinsam hierher genommen hatten. Jedoch fürchtete sie sich vor dieser Gegenüberstellung. Die anderen waren bestimmt besorgt und hatten wegen ihr kein Auge zu getan. Aber auch war ihr bewusst, dass sie es nicht so belassen konnte. Yuugi war ihr bester Freund, sie kannten sich viel zu lange und viel zu gut, als dass sie diese Freundschaft aufgeben wollte. Seufzend drehte sie sich auf die Seite, schloss die Augen und versuchte ihren Kopf leer zu bekommen. Für einen Moment gelang es ihr ganz gut, aber dann wurde ihr erneut bewusst wo sie sich befand. Das war nicht ihr Zimmer und noch viel weniger ihr Bett. Was dachte Kaiba wohl nun über sie? Wirklich auf einen Nenner waren die beiden noch nie gekommen, es gab immer irgendeinen Anlass um sich zu streiten. Er war stur und sie war es auch. Nichts und niemand brachte sie von ihrer Meinung ab und am wenigsten er. Obwohl sie zugab, dass sie öfter den Kontakt zu ihm ersuchte, als es ihr lieb war. Es war nicht so, dass sie großartiges Interesse an ihm hatte, aber auch konnte sie nicht leugnen, ihn zu mögen. In der Vergangenheit waren sie durch das Schicksal aneinander gekettet gewesen und waren sich immer wieder über den Weg gelaufen, dabei hatte sie ihn ziemlich gut kennen gelernt. Auch wenn es lange gedauert hatte, bis sie eingeschlafen war, wachte sie dennoch sehr früh auf. Müde rieb sie sich die Augen, ließ ihren Blick im Zimmer umherschweifen. Ihr Herz schlug wild und ihr Kopf dröhnte. Es fühlte sich an, als würde irgendjemand mit einem Presslufthammer in ihrem Gehirn herum werkeln. Etwas erschöpft erhob sie sich und ging unsicher zur Tür. Was, wenn sie Kaiba nun wieder über den Weg laufen würde? Immerhin war das hier sein Ferienhaus und gestern wirkte er auch nicht sonderlich begeistert von Mokubas Idee, sie hierher mitzunehmen. Sicherlich würde er sie böse anstarren oder sich wieder mit ihr streiten. Eigentlich hoffte sie sogar auf Letzteres, denn dann konnte sie wenigstens antworten und es wäre ein gutes Zeichen dafür, dass seine Laune sich gebessert hatte. Manchmal hatte sie das Gefühl, als hätte der eiskalte CEO einen Heidenspaß daran sich mit ihr zu messen. Dann strahlten seine Augen und ein triumphales Grinsen zierte sein Gesicht. Wenn er sich mit Jonouchi stritt, sprach seine Gestik und seine Mimik eine andere Sprache. Von dem Blonden fühlte er sich einfach genervt und er hatte schon längst den Spaß daran verloren, diesen aufzuziehen. Dennoch gerieten sie immer wieder aneinander. Aber Kaiba würde sich niemals eine Blöße geben und noch viel weniger dem Blonden das Gefühl, ihm überlegen zu sein. Anzu glaubte, dass er sich nach einem Gesprächspartner sehnte, der ihm gewachsen war. Yuugi war zwar sein ärgster Duel Monsters Rivale, aber das war nur ein Gebiet, indem er gut war. Der Brünette war in vielerlei Hinsicht begabt, das wusste sie. Und jeder Mensch brauchte Herausforderungen in seinem Leben. Auch wenn er immer so tat, als würden ihn seine Mitmenschen nicht interessieren, war sie sich sicher, dass auch er so etwas wie Einsamkeit oder gar Sehnsucht verspürte. Menschen neigten nun einmal dazu, sich zu beweisen. Sowohl dem eigenen Selbst als auch anderen gegenüber. Erfolgserlebnisse waren für jeden Menschen wichtig. Unsicher stand sie vor der Tür, sie hatte bereits eine Hand gehoben, traute sich dennoch nicht die Klinke nach oben zu drücken* und heraus zu gehen. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und sie wich einige Schritte nach hinten, fiel auf den harten Boden. Es war Mokuba, der sie nun ansah und sich ebenfalls erschrocken hatte. Nun, niemand würde beim Öffnen einer Tür damit rechnen, dass jemand sich dahinter befand. Perplex sahen sie sich gegenseitig an. Langsam rappelte Anzu sich wieder auf und rieb sich noch einmal ihren Hintern, der sie freundlicherweise abgefedert hatte. Mokuba entschuldigte sich, griff dann hektisch nach ihrer Hand und führte sie durch den Flur. Anzu linste noch einmal zurück. Zwei Putzfrauen gingen in das Zimmer, schlossen hinter sich die Tür und gingen frisch ans Werk. Wenn Anzu ehrlich war, musste sie sich einfach eingestehen, dass sie Kaiba irgendwo bewunderte. Er hatte soviel in seinem Leben erreicht und dadurch diesen enormen Wohlstand erlangt. Sie selbst sehnte sich nach Ruhm und wollte diesen durch das Tanzen erlangen, aber soweit war sie noch lange nicht. Auf einmal blieb Mokuba stehen. Das Ferienhaus war im Gegensatz zu ihrer Villa relativ klein, aber recht überschaulich und sehr nobel eingerichtet. Typisch für Kaiba. „Du kannst hier duschen gehen. Aber beeile dich, wir frühstücken gleich.“ sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen. „Geht das denn wirklich in Ordnung? Ich meine... dein Bruder mag mich nicht sonderlich. Sollte ich nicht besser gehen?“ kam es zögerlich. Ihre Wangen nahmen einen leichten Rotschimmer an und verlegen richtete sie ihren Blick gen Boden. „Ach, so ein Unsinn.“ entgegnete er und öffnete die Tür. Daraufhin ließ er sie alleine. Hinter sich verschloss Anzu die Tür, atmete einmal tief ein und dann wieder aus. Sie kannte Kaiba doch! Warum fürchtete sie sich so sehr ihn anzutreffen? Gut, bisher hatten sie sich in de Vergangenheit mehrmals getroffen und miteinander geredet und in der Schule sahen sie sich beinahe jeden Tag. Aber so richtig privat kannte sie ihn nicht. Sie hatte nur einmal einen winzigen Eindruck von seinem wahren Ich erhascht. Das war damals, im Königreich der Duellanten, wo er und Mokuba sich nach langer Zeit wieder in die Arme schließen konnten. Da war ihr bewusst geworden, dass er auch nur ein Mensch ist und dennoch kam sie nicht daran vorbei, ihn als ein anderes Wesen zu betrachten. Es mochte dumm klangen, aber er war nun einmal etwas anders als die meisten Männern in ihrem Alter. Sich dazu zwingend diese Gedanken beiseite zu schieben, entledigte sie sich ihrer Kleidung und verschwand unter die Dusche. Den Verband um ihren Oberschenkel hatte sie vorsichtig runter genommen und sie erschauderte leicht, als sie diese Wunde direkt betrachtete. Es war schon verwunderlich, dass diese Wunde nicht großartig schmerzte, ihr Kopf dafür aber umso mehr. Unter dem warmen Wasser beruhigte sie sich langsam und als sie wieder aus der Dusche hinaus stieg, sich abtrocknete und anzog, fühlte sie sich sehr viel ruhiger als vorher. Sämtliche Aufregung war verschwunden. Den Verband band sie sorgfältig wieder über die Wunde, schob ihren zerrissenen Rock zurecht. Wie gerne würde sie sich jetzt umziehen? Leise öffnete sie die Tür, blieb etwas irritiert im Flur stehen. Natürlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass Mokuba auf sie vor der Tür warten würde, aber irgendwie hatte sie dennoch gehofft, dass dieser sie weiterhin unter seine Fittiche nahm. Sie kannte diese Umgebung nicht und wusste nicht wo sie hingehen sollte. Langsam schritt sie voran, stieg die Treppe herunter. Sie hatten ihren kaputten Rock so zur Seite geschoben, dass nur ein Teil ihres Oberschenkels zu sehen war. „Anzu!“ hörte sie eine Stimme nach ihr rufen und drehte sich um, es war Mokuba, der ihr nun hinterher gelaufen kam und direkt neben ihr stehen blieb. Gemeinsam gingen sie zum Esszimmer, wo bereits Seto am Tisch saß und ruhig einen Kaffee trank. Er hob den Blick nicht. Dann stellte er die Tasse mit einem lauten Aufprallgeräusch wieder ab und stand auf. Anzu wollte eigentlich den direkten Augenkontakt mit ihm meiden, doch sie war schneller gefangen als es ihr selbst lieb war. Für einen Moment spürte sie so etwas wie Angst vor ihm in ihr aufkeimen, doch dieses verlor sich in ihrem Wirrwarr der Gefühle. Vor Kaiba brauchte man keine Angst haben, eigentlich. „Guten Morgen, Kaiba-kun.“ sagte sie laut und freundlich, sah ihn selbstsicher wie immer an. „Phe. Morgen, Mazaki.“ entgegnete er nur und verließ das Zimmer. Da er ohnehin nicht frühstückte, gab es auch keinen weiteren Grund für ihn hier zu bleiben. Außerdem hatte er keine Lust wieder in ein Gespräch über Sozialverhalten und wusste der Teufel, was sie noch vorlegen würde, gezogen zu werden. Dass Mokuba ihn gekränkt ansah, interessierte ihn im Moment genauso wenig. Es war wirklich nicht so, dass er sie hasste. Aber wirklich mögen tat er sie auch nicht. Er respektierte sie und er stritt nicht ab, dass sie sehr nett und fürsorglich sein konnte. Aber auch waren ihm Menschen, die freundlich und offen ihm gegenüber waren, suspekt. Für ihn reichte es völlig aus, wenn nur sein kleiner Bruder in seiner Nähe war. Andere Menschen um ihn herum, die ihm mit ihren kindischen Ansichten auf die Nerven gingen, brauchte er nicht. Menschen, die von ihm verlangten sich zu öffnen und eine andere Seite zu zeigen, die er mit Mühe und Not unterdrückte. Und genau so jemand war Anzu. Mehr als einmal hatte sie versucht sich ihm zu nähern und ihn dazu zu überreden, sich ihrer kleines Freundesgruppe anzuschließen. Ihr Verhalten ihm gegenüber war zwar nett gemeint, aber das war einfach nicht seine Welt. Seit seiner Kindheit lebte er auf diese Art und er hatte nicht vor sich für andere zu verdrehen. Für niemanden. Außer für seinen Bruder. Sein Bruder war sein Ein und Alles. Kein anderer Mensch bedeutete ihm soviel wie er. War er doch der einzige gewesen, der immer für ihn dagewesen war und ihn immer verstand. Und Anzus geheucheltes Interesse, war für ihn nichts weiter als Mitleid. Und niemand sollte es auch nur wagen ihn zu bemitleiden. Kaiba hatte die Vergangenheit hinter sich gelassen, hatte sogar den Turm, das Symbol des Martyriums, zerstört und somit gesiegt. Er war einfach ein Siegertyp und so etwas wie Schwäche würde er nicht zulassen. „Entschuldige.“ kam es plötzlich Mokuba, der sich an den Tisch setzte. „Was meinst du?“ Anzu folgte ihm und setzte sich neben ihn. „Er ist etwas schlecht gelaunt, weil sein neues Produkt bei der Firmenkonkurrenz nicht sonderlich gut ankam. Nimm es ihm nicht übel.“ versuchte der Jüngere seinen Bruder in Schutz zu nehmen und schenkte ihr ein verständnisvolles Lächeln, mit dem er hoffte sie zu beruhigen. „Schon okay.“ erklärte sie. Eigentlich war Kaiba immer so, also wirklich neu war dieses Verhalten für sie nicht. Aber das würde sie ihm nicht unter die Nase reiben. „Sag, warum bist du im Wald umhergeirrt?“ „Uhm, ich habe mich verlaufen und nicht mehr den Weg zu unseren Camp zurück gefunden.“ „Dann bist du ja gar nicht alleine hier.“ „Nein, Yuugi und die anderen sind auch hier. Wir wollen etwas campen.“ „Dann bringen wir dich zu den anderen. Seto hat bestimmt nichts gegen einzuwenden.“ „Ich glaube, dass dein Bruder eher wütend sein wird... ich finde den Weg alleine zurück.“ „So ein Unsinn!“ unterbrach er sie und sprach dann mit selbstbewussten Blick weiter. „Wir sind doch Freunde, oder? Freunde sind füreinander da.“ „Das stimmt. Aber dein Bruder denkt nicht so. Das weißt du.“ sie lächelte gezwungen. „Seto ist manchmal komisch. Aber bestimmt freut er sich über deinen Besuch.“ „Glaubst du das wirklich?“ Anzu hob eine Augenbraue. Mokuba war sehr gut darin, sich selbst etwas einzureden, stellte sie fest. „Natürlich. Er tut nur immer so abwesend. Zuhause spricht er oft über dich.“ >Garantiert nicht gerade in Höchsten Tönen.< dachte Anzu, ehe sie antwortete. „Auf jeden Fall bin ich dir und deinem Bruder dankbar, dass ihr mir geholfen habt.“ „Dafür sind Freunde doch da!“ er grinste und knuffte ihr in den Oberarm. Während sie frühstückten, lachten sie immer wieder. Es war für Anzu beinahe unverständlich, dass die beiden Brüder so verschieden sein konnten. Aber es freute sie auch, dass sie endlich wieder mit Mokuba reden konnte. Sie hatten sich lange Zeit nicht mehr gesehen und seine Anwesenheit gab ihr ein Gefühl von Zuversicht. Außerdem lenkte es sie ab von dem, was geschehen war. Von dem, was sie nicht mehr rückgängig machen konnte. Nachdem Mokuba seinen Bruder mit seiner Überredungskunst dazu gebracht hatte, Anzu zu ihren Freunden zu bringen, fuhren sie in der Limousine. Eigentlich hatte Kaiba absolut keinen Grund gesehen mitzukommen, vor allem weil er sich jetzt einfach nur nach Ruhe sehnte. Morgen mussten sie erneut zu einer Nachbesprechung und er hoffte, dass er die anderen Ableger und Geschäftsmänner dazu bringen konnte, sein Produkt zu kaufen und zu veräußern. Es gab genügend Gründe seinen Controller zu nehmen, aber er war sich sicher, dass diese alten Kerle ihm absichtlich im Weg standen und das machte ihn rasend! Sie unterschätzten ihn, obwohl er einer der erfolgreichsten Firmeninhaber in ganz Japan war. Mokuba meinte, dass ein kleiner Ausflug und frische Luft ihm gut tun würden, auch weil er gerade in dieser Situation einen kühlen Kopf behalten sollte. Wie kam sein Bruder überhaupt auf die Idee, dass er keinen kühlen Kopf bewahrt hätte? Er war die Ruhe in Person. Nichts brachte ihn durcheinander und noch viel weniger würde er sich von diesen alten Kerlen unterbuttern lassen. „Seeeeto...“ kam es von Mokuba, der resigniert den Kopf hängen ließ und dann mit der Hand umher wedelte. „Was?“ zischte Seto und sah seinen Bruder an. „Guck nicht so, als würdest du wen umbringen wollen! Das macht einem ja Angst!“ „Phe. Ich gucke ganz normal. Du als mein Bruder solltest mein Gesicht kennen.“ „Das ist alles andere als normal! Du bist ja oft schlecht gelaunt, aber das ist schon gruselig.“ „Ach, hör mir auf mit dem Gewäsch, Mokuba.“ er wand den Blick ab und starrte aus dem Fenster. „Bist du jetzt sauer?“ fragte Mokuba, doch der Ältere reagierte nicht. Anzu sah den beiden Brüdern zu, versuchte sich ein Lachen zu verkneifen. „Komm schon, lach doch Mal, Bruder!“ kam es nun von Mokuba und er lehnte sich zu seinem Bruder rüber, welcher dann versuchte sich weiter von ihm zu entfernen. Merkte Mokuba denn nicht, dass er ihn gerade zutiefst blamierte? Nur für einen winzigen Moment hatte er vergessen, dass Anzu auch anwesend war und dann gab er sich so eine Blöße! Er war ein erwachsener Mann, doch garantiert dachte Anzu jetzt, dass er doch noch ein kleines Kind war. Und dass Anzu nun diese Seite von ihm kannte, besserte seine Laune nicht gerade. Er sah ihr Spiegelbild in der Scheibe und merkte, dass sie ihn ansah. Diese Situation war ihm unangenehm. Am liebsten würde er sie jetzt einfach rausschmeißen. Als Anzu dann endlich wieder nach vorne sah, erhob sie sich plötzlich und bewegte sich in Richtung ihres Fahrers. Isono erschrak, als sie ohne vorher Anstalten gemacht zu haben, „Anhalten“ rief. Mit einem Mal trat er auf die Bremse und der Wagen kam zum Stehen. „Vielleicht sollten wir zurück und die Polizei verständigen.“ erklärte Otogi, in seiner Stimme schwang Besorgnis mit. Anzu war noch immer nicht wieder aufgetaucht und die ganze Gruppe machte sich richtige Sorgen um sie. Es war einfach nicht ihre Art einfach ohne eine Wort der Erklärung zu verschwinden. Also musste etwas passiert sein. Es gab sogar die Möglichkeit, dass sie gestürzt war und sich verletzt hatte. Unsicher sahen sie sich an, bis Honda losstürmte. Otogi und Jonouchi wollten ihn aufhalten, doch er raste so schnell, dass sie ihn nicht einholen konnten. Sie kamen zurück und sie entschlossen, dass sie gemeinsam als Gruppe zurückfahren sollten. Noch einmal würden sie die Umgebung absuchen und schauen, ob sie sie finden würden. Große Hoffnung hatten sie nicht. Gestern und in der Nacht hatte es kein einziges Lebenszeichen von ihr gegeben. „Wartet einen Moment!“ kam es von Rebecca, die die Gruppe nun ernst ansah. Sie würde nicht erwähnen, was vorgefallen war, aber sie hatte eine Idee, die ihnen eventuell helfen konnte. „Anzu ist nicht dumm. Vielleicht sollten wir uns Mal in der Umgebung der Straße umsehen. Es könnte doch möglich sein, dass sie von sich aus dorthin gegangen ist, als sie den Weg nicht gefunden hat, oder?“ fragend sah sie die Jungen an, welche dann einsichtig nickten. Honda kam auf sie zu und keuchte, ging auf die Knie. Er hatte sie nicht gefunden und auch wenn er es ungern nach außen hin zeigte, so konnte er es von allen am allerwenigsten ertragen, wenn es seinen Freunden schlecht ging. Noch einmal unterbreitete Rebecca ihren Vorschlag, damit auch der Brünette aufgeklärt war und sie gemeinsam losziehen konnten. Bisher hatten sie nun in ihrer Camp Umgebung gesucht. Es war dunkel gewesen und auch für sie viel zu gefährlich, einfach los zu rennen, daher hatten sie auch bis zum Morgen gewartet. An der Straße angekommen, riefen sie ihren Namen und sahen sich um. Sie konnten Anzu nicht sehen, aber sie würden noch nicht aufgeben. Dann hörten sie ein Fahrzeug, das sich scheinbar der Gruppe näherte. Es war eine schwarze Limousine, die auf einmal anhielt. Hastig wurden die Türen geöffnet, ein schwarzhaariger Junge und Anzu stiegen aus, die sich auf die Gruppe zubewegte. „Da bist du ja, Anzu!“ kam es von Yuugi, seine Stimme war zittrig und jeder konnte die Freude hören, die in seinen Worten mitschwang. Anzu blieb direkt vor ihm stehen und nun kamen auch die anderen zu ihnen. Rebecca musterte Anzu. Was bildete sie sich eigentlich ein, ihnen so eine Angst zu bereiten? Wer dachte sie, war sie, dass sie sich so etwas erlauben konnte? Sie musste zugeben, dass sie etwas wütend auf sie war, da sie sich so kindisch verhalten hatte. Dabei war sie eine fast erwachsene Frau. Sollte man in diesem Alter nicht fähig sein, vernünftig zu handeln? Aber innerlich war auch sie froh, dass sie wieder hier war. Die anderen lachten und umarmten sich, fragten warum Mokuba hier sei. Dieser lächelte nur und erklärte, dass sie Anzu gestern gefunden und mit zu sich genommen hatten. Dann stieg noch jemand aus dem Wagen. Ein hochgewachsener, brünetter Mann, der langsam auf sie zukam und sie alle desinteressiert ansah. Alle Blicke waren nun auf ihn gerichtet und sie erwarteten, dass er etwas sagte. Überarbeitet am: 09. April. 2011 Kapitel 5: Familienfehde ------------------------ „Kaiba, du...!“ fauchte der Blonde und ballte die Hände zu Fäusten, hätte Yuugi ihn nicht am Ärmel festgehalten, wäre er wohl auf den brünetten Firmenleiter zugegangen und hätte aller Wahrscheinlichkeit zufolge Streit mit diesem angefangen. Selbst wenn es keinen Anlass gab, fand Jonouchi immer einen Grund sich mit dem Brünetten anzulegen. Egal wie unwichtig und irrsinnig diese Gründe waren, für ihn war es ausreichend genug. Aber Kaiba reagierte nicht. Elegant strich er sich eine Strähne aus dem Gesicht und betrachtete die Gruppe. Ein kurzer Blickaustausch mit Anzu, dann wanderte sein Blick zu Yuugi. Er wollte den Drang sich mit diesem zu duellieren, unterdrücken, jedoch gab es nichts, das ihm im Moment mehr Gedanken machte. Direkt sprach er diesen mit Vornamen an, doch ehe er weiter sprechen konnte, schob sich sein kleiner Bruder Mokuba dazwischen. Sein Blick war vorwurfsvoll und Seto verstand auf Anhieb, worum es seinem jüngeren Bruder ging. Sie waren nicht zum Vergnügen hier, das wusste er. Immerhin war diese Besprechung, die bisher alles andere als rosig für ihn lief, sehr wichtig für ihn und seine Firma. Als Leiter einer hochangesehen Firma konnte er es sich nicht leisten Fehler zu machen und es war seine Pflicht überlegt zu handeln und alle Risiken in Betracht zu ziehen und abzuwägen. „Wie es scheint, hast du deine Freunde wieder gefunden. Dann können wir ja wieder fahren.“ er richtete sich direkt an Anzu, die ihn mit perplexen Gesichtsausdruck ansah. Schnell änderte sich dieser Ausdruck und sie lächelte. Eifrig nickte sie und überlegte, was er nun tun würde. Vermutlich würde er nun einfach zurückfahren und sich wieder um seine Arbeit kümmern. Ein klein wenig ärgerte sie dies, da Mokuba eindeutig zeigte, dass er noch etwas hier bleiben wolle und dass er Spaß daran hatte, mit den anderen zu reden. Schließlich sahen sie sich nicht jeden Tag und für ihn war es schön, mit Leuten reden zu können, die ihn kannten. Gerade als sie ansetzen wollte, mischte sich Mokuba ein, der ihn anscheinend nicht zustimmte und eine andere Meinung vertrat. „Ich möchte noch etwas hier bleiben. Komm schon, Seto! Sei nicht so ein Spießer!“ murrte der Jüngere und wartete geduldig auf eine Antwort. „Ich bin kein Spießer, wir sind geschäftlich unterwegs! Das hier ist kein Urlaub.“ mahnte der Ältere. „Aber die Besprechung geht doch erst morgen weiter. Warum bist du nur so stur?“ „Verstehe doch, Mokuba. Das hier ist kein Spiel sondern bitterer Ernst!“ „Und wenn schon! Was ist das für ein Leben, wenn sich alles nur um Arbeit und Vorschriften dreht? Wir haben genügend Zeit.“ „Und ich sage: wir fahren! Ich habe keine Lust mit dir weiter zu diskutieren.“ „Dann fahr doch alleine.“ Mokuba drehte sich um und vermied es seinen Bruder anzusehen. Diese Sturheit seines Bruders machte ihn rasend! Seto brauchte genauso wie er einmal eine Auszeit und das wusste dieser ganz genau. Warum also sträubte er sich so sehr für ein paar Stunden sich auszuruhen? Wenn er ehrlich war, hatte er in letzter Zeit nicht oft die Gelegenheit gehabt mit anderen Leuten zu reden und für ihn war dieses Zusammentreffen die perfekte Gelegenheit endlich wieder aus dem ganzen Stress auszubrechen und seine Gedanken baumeln zu lassen. Es konnte gut sein, dass Seto keine Probleme hatte diese ganzen Firmenangelegenheiten und sein Privatleben unter einen Hut zu bringen, aber er war da völlig anders. Er umgab sich gerne mit anderen Menschen und plauderte mit ihnen. Aber sein Bruder war introvertiert und ließ ihn nicht einmal mehr diese Freiheit, nur weil die Arbeit soviel wichtiger war. Gut, er konnte sehr wohl nachvollziehen, dass das Wohl ihrer Firma an erster Stelle stand, aber für ihn bedeutete dies nicht gleich, dass er auf ein Privatleben verzichten musste. Und das würde er auch nicht. „Wartet ihr beiden, bevor das ganze hier eskaliert...“ brachte sich Anzu ein und bewegte sich auf Seto zu, welcher die Arme verschränkte und auf seinen Bruder zu warten schien. „Wie wäre es wenn Mokuba hier bliebe und du allein zurückfährst? Euer Chauffeur könnte ihn dann abholen und jeder bekommt, was er möchte.“ „So ein Blödsinn.“ kam es von Seto und er schloss kurz die Augen. „Ich finde die Idee gut.“ mit diesen Worten drehte sich der Schwarzhaarige um. „Oh man... sind wir etwa in eine Familienfehde rein gelaufen?“ flüsterte Jonouchi zu Yuugi, der nur fragend mit den Schultern zuckte. Sie alle wussten, dass irgendwann der Moment kommen würde, indem der brave und treue Mokuba sich seinem Bruder widersetzen und seine eigene Meinung sagen würde, aber dass dieser Augenblick gerade jetzt gekommen sein musste, gab ihnen allen das Gefühl von einer gewissen Hilflosigkeit. Außer Anzu hielten sich alle bedeckt, um die Situation zwischen den beiden nicht noch schlimmer zu machen. Keiner von ihnen hätte erwartet, dass Seto sich jemals so rechthaberisch und kindisch vor ihnen verhalten würde, aber das zeigte ihnen nur, dass auch er ein Mensch war. Diese Blöße, die er zeigte, machte ihn sogar etwas sympathischer, zumindest empfand das Yuugi so. Bisher hatte er nie oder besser gesagt selten etwas von seinen wahren Gefühlen durchsickern lassen, aber nun wurde ihnen bewusst, dass auch dieser sonst skrupellose Firmenleiter seine schwachen Seiten hatte, die er mit größter Sorgfalt zu vertuschen versuchte. „Mokuba!“ entwich es Setos Lippen und er hörte sich dabei schockiert an. „Ich würde gerne etwas hier bleiben. Wir sehen uns dann später.“ „Ach... mach doch was du willst.“ auf einmal drehte er sich um und ging zurück zu der Limousine. Wortlos stieg er ein und zeigte nicht, dass ihn dieses Verhalten von seinem Bruder doch leicht gekränkt hatte. Nur ungern gab er es zu, aber dass sein Bruder ihm auf diese Art und Weise in den Rücken fiel, gefiel ihm überhaupt nicht. Nie hätte er zu träumen gewagt, dass sein kleiner Bruder, der ihm sonst überallhin folgte, sich gegen ihn auflehnen würde. Aber er musste im selben Atemzug zugeben, dass er selbst Schuld hatte. Die beiden Brüder waren schon immer verschieden gewesen und langsam aber sicher, musste er seinen Bruder gehen lassen. Er konnte ihn nicht ewig an sich binden. Dabei war es nie seine Absicht gewesen, ihn an sich zu binden, aber im Laufe der Zeit hatte sich all das so ergeben. Sie hatten nur einander gehabt und das Wohl seines geliebten Bruders, war für ihn wertvoller als alles andere auf der Welt. Jedoch wurde sein Bruder erwachsen und brauchte nun ein größeren Freiraum. Auch wenn seine Noten gut waren und er sich sichtbar um ihre gemeinsame Firma kümmerte, so hatte er andere Bedürfnisse. Diese Blöße, die er sich eben vor dieser Dumpfbackenpatroillie gab, ärgerte ihn am meisten. „Kaiba wie er leibt und lebt.“ sagte Honda und grinste dabei leicht peinlich berührt. Die Situation war unangenehm gewesen, nicht nur für die Streitenden, sondern für alle Beteiligten. Gemeinsam machten sie sich zurück auf den Weg zu ihrem Camp und sie saßen einige Stunden beieinander, redeten und lachten viel. Mokuba hatte viel zu erzählen und sich endlich wieder anderen mitteilen zu können, machte ihn fröhlich. Er hatte nicht viele Freunde, vor allem nicht in seiner Altersgruppe. Allerdings verstand er sich mit Anzu und den anderen sehr gut, wahrscheinlich weil sie in der Vergangenheit bereits oft aneinander geraten waren und sie somit viele Dinge gemeinsam hatten. Bei den Duellen hatten sie gemeinsam ihre Favoriten angefeuert und auch wenn die Duelle meist durch irgendwelche Bösewichte, wie Datsu oder Pegasus gestört wurden, konnte er nicht behaupten, dass ihm das Ganze nicht Spaß gemacht habe. Natürlich gab es Momente, wo er einfach nur Angst hatte und an die er ungern zurückdachte, aber durch all diese Geschehnisse hatte er Menschen kennen gelernt, die ihn verstanden und die er lieb gewonnen hatte. All diese Sachen, die sie gemeinsam erlebt hatten, waren wichtig für ihn und ein kostbarer Teil seiner Erinnerungen. Leider konnte er nicht sagen, ob sein älterer Bruder genauso dachte wie er. Sobald er mit ihm über diese Dinge sprechen wollte, wechselte dieser schnell das Thema. War ihm das alles unangenehm? Oder was war der Grund für sein ablehnendes Verhalten? Genau sagen konnte Mokuba es nicht, aber er glaubte, dass es Seto einfach nur peinlich war, aus sich heraus zu kommen, weil er dies einfach nicht kannte. Gozaburo hatte ihm seine Kindheit gestohlen und mit dieser, seine Fähigkeit sich anderen Menschen gegenüber zu öffnen. „Stimmt etwas nicht, Mokuba?“ kam es besorgt von Anzu, als dieser eine längere Zeit vor sich hinstarrte und nicht auf ihr leichtes Knuffen reagierte. Dieser schrak auf und lächelte dann, meinte, dass alles in Ordnung wäre. Anzu war aber bewusst, dass dieser kleine Streit nicht spurlos an ihm vor rüber gegangen sein konnte und dass ihn dies sehr beschäftigen musste. Sie schüttelte den Kopf und setzte sich neben ihn. Die Jungen hatten einen Ball herausgeholt und spielten Fußball, obwohl Anzu sich ziemlich sicher war, dass Yuugi keinen großen Spaß daran hatte. Er stand eher abseits und versuchte sich, unsportlich wie er war, sich vor diesem kleinen Spiel zu drücken. Rebecca musste zurück in den Wohnwagen gegangen sein, denn draußen konnte sie sie nicht entdecken. Sie packte die Gelegenheit am Schopf und versuchte dieses heikle Thema zwischen den Brüdern zur Sprache zu bringen. „Du lügst. Die Sache mit Kaiba-kun nimmt dich ganz schön mit, oder?“ „Na ja... er ist mein Bruder und ich hab ihn eben gern. Vielleicht sollte ich mich später entschuldigen.“ „Das, was du getan hast, war richtig. Du musst ihm sagen, wenn dich etwas stört. Ansonsten wirst du dich immer nur zurückhalten und das ist nicht in Ordnung.“ „Wie meinst du das?“ erkundigte er sich und sah sie neugierig an. „Sieh es einmal so. Wenn du dich immer zurückhältst und nicht für dich sprichst, lügst du ihn doch indirekt an. Und dein Bruder möchte sicherlich wissen, was in dir vorgeht. Du tust soviel für ihn.“ „Er ist meine Familie und ich möchte ihn eben nicht mit meinem egoistischen Verhalten verletzen.“ „Egoistisch?!“ stieß sie sauer aus, fasste sich und sprach sofort weiter. „Was ist daran egoistisch? Wenn ihr euch nicht sagt, was ihr denkt oder fühlt, ist es doch kein Wunder, dass ihr euch nicht versteht! Ich glaube, dass ihr eine Mauer zwischen euch aufgebaut habt, ohne es überhaupt zu merken...“ „Das mag sein. Seto arbeitet soviel und mittlerweile helfe ich mit wo auch immer ich kann, weil ich weiß, dass er dem ganzen Druck alleine niemals gewachsen wäre. Er sagt zwar, dass er diese Arbeit gerne tut, aber ich weiß, dass er eine Auszeit braucht.“ „Ja, ja stimmt. Dein Bruder ist sehr engagiert, aber er vergisst dabei, dass diese Firma nicht sein ganzes Leben ausfüllen kann. So war er schon früher.“ „Er zieht sich zurück und um ehrlich zu sein, mache ich mir Sorgen. Es kann nicht immer so bleiben wie es jetzt ist und ich will etwas ändern. Aber auch...“ seufzend stoppte er. „Du willst ihn nicht von dir weisen, weil du genau weißt, dass er außer dir niemanden hat, oder?“ „Du verstehst meine Gefühle besser als ich!“ lachte er. Doch dieses Lachen verstummte schnell. Es war genauso falsch wie sein aufgesetztes Lächeln. „Ich merke, dass es dir dabei nicht gut geht. Du wirst erwachsen und brauchst deinen Freiraum. Du kannst nicht immer für ihn da sein und er muss das akzeptieren. Du hast ein eigenes Leben neben der Firma. Du wirst erwachsen und wenn ich ehrlich bin, seid ihr von Grund auf verschieden.“ erklärte sie ruhig und sanft, wissend, dass Mokuba dies nachvollziehen konnte. In ihr wuchs das Verlangen ihm zu helfen. Er war ein guter Freund es schmerzte sie, dass er so litt und sie nicht helfen konnte. „Vielleicht kann ich helfen?“ fragte sie und legte eine Hand auf seine Schulter. „Nein, da-“ fing er an und brach seinen Satz ab. Eventuell gab es eine Möglichkeit, um diesen Alltagstrott zu entweichen. Mokuba überlegte. Wenn Seto sich gegen seinen größten Rivalen Yuugi duellierte, schien es immer so, als würden jegliche Sorgen von ihm fallen, so als würde er sich völlig befreit fühlen. Aber Seto ermahnte sich in letzter Zeit selbst dazu, sich nicht zu duellieren und sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Allerdings war Mokuba sich sicher, dass wenn die Möglichkeit zu einem Duell bestünde, dass dieser dem auch nicht abgeneigt war. Und wenn man noch weiter vorausdachte, so konnte man da vielleicht Verbindungen knüpfen. „Nächste Woche ist doch dieses Frühlingsfest in Domino.“ „Ich weiß. Was willst du mir damit sagen?“ fragte sie und verstand sein Vorhaben nicht. „Wenn Yuugi sich gegen Seto duellieren würde, würde er sicherlich kommen.“ „Ah, natürlich! Wir könnten ihn mit diesem Duell erpressen.“ „Exakt.“ Mokuba grinste hämisch, da er wusste dass sein Bruder ihn köpfen würde, wenn er das erfuhr. „Das ist eine gute Idee, wir müssten ihr Duell nur verzögern, dann bleibt ihm gar keine andere Wahl als sich mit uns zu amüsieren. Wird nur schwer das in die Tat umzusetzen.“ „Das kriegen wir schon noch hin, melde dich dann einfach bei mir.“ sie überreichte ihm einen kleinen Zettel mit ihrer Handynummer und grinste dabei. Auch wenn Seto wütend werden würde, so wollte sie Mokuba helfen. Und vielleicht konnte sie so auch über die Sache mit Yuugi hinwegkommen, die sie sehr mitgenommen hatte. Rebecca indes kam aus dem Wohnwagen heraus, betrachtete die Jungen, dessen Spiel langsam zu Ende zu gehen schien. Dann wand sie ihren Blick zu Anzu und Mokuba, die nebeneinander saßen und in ein Gespräch vertieft waren. Eigentlich wollte sie, dass Anzu ihr beim Kochen half. Aber es kam ihr unhöflich vor, wenn sie die beiden einfach störte. Mokuba sehnte sich seit Langem nach Leuten, mit denen er reden konnte und diesen Moment einfach zu zerstören, kam ihr einfach unendlich gemein vor. Nebenbei bemerkte sie, dass der Vizepräsident gewachsen war und sein Haar kürzer. Insgesamt wirkte er erwachsener und reifer geworden zu sein. Gerade als sie wieder in den Wohnwagen gehen wollte, erschien Ryuuji neben ihr, der nur ein enganliegendes Top trug. Durch den Sport hatte sich sein Stirnband gelöst und er trug die Haare nun offen. Sie schluckte einmal hart, ging zur Seite und ließ ihn passieren. Mit ihrem Blick folgte sie ihm und sah, dass dieser sich am Kühlschrank verging und ein Getränk raus holte. Eine Dose Sprite. In großen Schlücken trank er es aus und stellte die Dose zur Seite. Erst jetzt bemerkte er, dass Rebecca ihm gefolgt war und eine Küchenschürze trug. Wahrscheinlich wollte sie das Essen vorbereiten. „Willst du etwa für uns kochen?“ fragte er und betrachtete sie. Sie nickte und sprach dann. „Ja, eigentlich wollte ich Anzu um Hilfe bitten, aber ich will nicht stören.“ „Dann helfe ich dir eben! Ich koche öfter und habe Erfahrung.“ „D- das musst du nicht! Ich schaffe das alleine.“ „Ach was, ich helfe dir doch gerne.“ ohne ihre Reaktion abzuwarten, wusch er sich schnell die Hände und nahm aus dem Kühlschrank Salat und Paprika heraus, legte diese auf den Tisch. Er erkundigte sich, ob sie bereits etwas Spezielles in Planung hatte, doch sie schüttelte nur den Kopf und gesellte sich neben ihn. Vorsichtig legte sie ein großes Messer neben das Gemüse und überlegte was sie nun tun sollte. Wenn sie etwas rein Vegetarisches machen würde, würden Jonouchi und Honda schimpfen, aber wenn sie das Hauptaugenmerk auf Fleisch legte, würden sicherlich Yuugi, Anzu und Ryou nicht essen wollen. Also sollte sie eine ausgewogene Mischung machen. Nachdenklich verschränkte sie die Arme, merkte, dass Ryuuji sich zum Waschbecken bewegt hatte und nun den Salat vorsichtig auseinander zupfte und wusch. Seine Bewegungen waren gezielt und sie merkte, dass er ganz genau wusste, was er da tat. Er hatte also wirklich Ahnung vom Kochen. Für sie war es etwas merkwürdig, einen Jungen zu treffen, der kochen konnte und auch so schien er sehr selbstständig zu sein. Nun bewegte auch sie sich zum Kühlschrank und öffnete das untere Fach, indem sie bereits vorher Fleisch reingelegt hatte. In dem Fach herum wühlend, entnahm sie diesen letztendlich ein großes Stück Hähnchenbrust und legte dieses auf den Tisch, trocknete es vorsichtig etwas ab und schnitt es dann in mehrere kleine Stücke. Immer wieder schielte sie zu Ryuuji, der ruhig und gekonnt seiner Arbeit nachging. Flink holte er eine Tüte Reis aus dem Schrank und stellte sie ab. Nachdem er sich bei ihr erkundigt hatte, was für eine Soße sie für das Fleisch plante, hatte er eine Tütenmischung geholt und half ihr auch weiterhin. Ohne, dass sie danach fragen musste, ging er ihr zu Hand und das Essen war schneller fertig, als wenn sie es alleine zubereitet gehabt hätte. Sie trugen das Essen nach draußen und bereiteten eine Sitzgelegenheit vor, damit sie nicht auf dem Boden essen brauchten. Auch Mokuba hatte sich dazu gesellt und bedankte sich für das Essen. Nachdem alle fertig waren, wurden Jonouchi, Honda, Ryou und Yuugi zum Abwasch verdonnert. Rebecca ließ keine Diskussion zu und auch, dass der Blonde sich darüber beschwerte, dass Anzu ruhig auch helfen konnte, ließ sie nicht gelten. Es war bereits Nachmittag als Anzu Mokuba zu der Straße zurückführte und dort auf seinen Chauffeur wartete. Die gemeinsame Zeit mit den anderen hatte ihm Freude bereitet und sie war sich sicher, dass es ihn frustrierte, bereits zurück zu müssen. Aber auch wollte er seinen Bruder, der bereits in ihrem Ferienhaus war, nicht allzu lange warten lassen. Des weiteren hatten sie noch einige geschäftliche Dinge zu bereden und sich auf die Besprechung am folgenden Tag vorzubereiten. Nur ungern trennte sich der Schwarzhaarige von den anderen. In der Limousine drückte er den Zettel, den er von Anzu erhalten hatte, fest und hoffte, dass ihr kleiner, wenn auch gemeiner, Plan etwas ändern würde. So wie es jetzt war, konnte es nicht bleiben und auch Seto musste akzeptieren, dass es so nicht weitergehen konnte. Irgendwie würde Mokuba es schon schaffen ihn aus dieser Isolation, die er sich selbst geschaffen hatte, zu befreien. Und vielleicht, nur ganz vielleicht, würde sein großer Bruder ihm auch dankbar sein. Überarbeitet am: 03.05.2011 Kapitel 6: Klare Aussprache --------------------------- Bereits morgen in der Früh würden sie zurückfahren. Es war nachmittags und sie saßen in ihrem kleinen Lager. Rebecca duellierte sich gegen Yuugi und gerade als es so aussah, als würde sie gewinnen, hatte Yuugi, wie bei ihrem letzten Duell, das Blatt wenden können. Wütend warf sie die Karten vom Tisch und gab ehrlich zu, dass sie eine schlechte Verliererin war. Die Gruppe hatte vermieden noch weiter auf Anzus kleinen Ausflug mit den Kaibas einzugehen, da allen bereits bewusst war, dass lediglich ein kleiner Streit dazu geführt hatte und dass dieser weitaus mehr war, als ein normaler Streit unter Freunden. Jedoch wollte Anzu sich bei Yuugi entschuldigen, da ihr klar war, dass sie sich wie ein naives Kind benommen hatte. Außerdem war sie sich sicher, dass Yuugi das ganze viel mehr mitgenommen hatte. Als sie gestern gemeinsam angeln gingen, war es ihm unangenehm mit ihr zu sprechen. Während Honda und Jonouchi sich über die gerissene Leine geärgert hatten, war es Yuugi, der eher aus einem Vorwand heraus, zu den beiden Jungen eilte und so tat, als würde ihn das ganze interessieren. Anzu war stillschweigend zurückgeblieben und sie wusste, dass sie nicht das Recht hatte, sich zu beschweren. Sie war es, die diese langjährige Freundschaft gefährdet hatte. Es war nur natürlich, dass Yuugi es nun peinlich war mit ihr zu reden, weil sie ihm offenbart hatte, Gefühle für ihn zu haben. Sie musste mit ihm reden. Yuugi bewegte sich zurück in den Wohnwagen und Anzu wollte diese Chance nutzen. Schnell lief sie ihm hinterher und schloss die Tür hinter sich leise. Ihr Gegenüber drehte sich fragend um und wich einige Schritte zurück. Er versuchte ihren Blicken auszuweichen und stammelte Unverständliches vor sich hin. „Yuugi, ich... es tut mir Leid!“ brach es aus der Brünetten heraus und sie spürte eine unangenehme Hitze auf ihren Wangen. „Eh.. ähm... ist schon in Ordnung...“ er winkte ab und lächelte. „Das ganze... ich wollte nicht, dass es so weit kommt. Bitte...“ in ihren Augen sammelten sich Tränen. „Mach dir doch deshalb keine Sorgen mehr, Anzu.“ „Nein, ich möchte das mit dir klären. Ich will nicht, dass es so zwischen uns endet.“ „Wer redet denn hier von einem Ende?“ er lachte auf und setzte sich, wies sie an sich neben sie zu setzen. Als sie sich setzte, konnte er einen Verband an ihrem Oberschenkel erkennen und überlegte, wann dies geschehen sein konnte. Bisher hatte er nicht gesehen, dass sie verletzt war und wenn er ehrlich war, besorgte ihn dieser Umstand. War es geschehen, als sie ihn abwies und sie durch den Wald irrte? Hart schluckend schloss er die Augen und rang sich erneut zu seinem gewohnten Lächeln. Jenes, das er immer auf seinen Lippen trug. „In einigen Wochen wird es einen Tanzwettbewerb geben, an dem unsere Schule auch teilnimmt. Wenn es gut läuft, dann werden wir ein Zertifikat bekommen.“ „Davon wusste ich ja gar nichts!“ kam es überrascht von Yuugi und er wollte weitersprechen, wurde aber von Anzu unterbrochen. „Darum geht es gar nicht!“ sie wirkte leicht zornig, als sie das sagte, daraufhin sprach sie weiter. „Ich werde nach Amerika gehen, sobald wir unseren Abschluss haben. Ich will nicht, dass du mich... hasst.“ flüsterte sie und senkte beschämt den Kopf. Ihre Augen wurden von ihrem Pony verdeckt. „Wie könnte ich dich jemals hassen, Anzu?! Wir sind doch Freunde! Ich kenne dich doch seit dem Kindergarten. Wie kommst du darauf, dass ich dich hassen könnte?“ „Idiot! Hör auf immer so unwissend zu tun! Wir sind erwachsen und keine Kinder mehr! Hör auf immer so nett zu mir zu sein! Du... du...“ schrie sie ihn an, doch ihre Stimme wurde immer brüchiger. Währenddessen stand sie auf, vermied es ihn anzusehen. Ihre Hände waren zu Fäuste geballt und sie zitterten leicht. Warum nur musste er immer so lieb zu jedem sein? Warum konnte er nicht einmal wie ein erwachsener Mann handeln und endlich verstehen, dass die Sache, die zwischen ihnen geschehen war, keine Sache war, die man mir nichts dir nichts unter den Teppich kehrte? Sie waren erwachsen und solche Ereignisse, hatten einen viel stärkeren Eindruck als damals, als sie noch jung und unerfahren waren. Hatte er denn keine Angst, dass diese Gefühle, die sie für ihn entwickelt hatte, ihre Freundschaft zerstören konnten? Sie hatte bereits jetzt den Eindruck, dass sich etwas geändert hatte. Daher wollte sie das endgültig klären und nicht mehr so tun, als wäre alles in Ordnung. Es wäre schön, wenn alles so sein konnte, wie es vorher war, aber ihr gefiel sein Verhalten nicht. Er tat so, als wäre nie etwas zwischen ihnen gewesen und sie wollte endlich Gewissheit haben, dass diese Gefühle, die sie glaubte zu haben, nicht ihm galten sondern dem Pharao, der sie verlassen hatte. All die Zeit hatte sie den Pharao so sehr geliebt und bis heute bereute sie es, ihm nie hatte sagen zu können, wie sehr sie ihn gemocht hatte. Diese Emotionen, die er in ihr ausgelöst hatte, waren keine einfache Schwärmerei gewesen. Bei ihm hatte sie das Gefühl gehabt, dass alles in Ordnung war, dass sie keine Angst vor nichts zu haben brauchte. „Was willst du denn von mir hören?“ fragte er ruhig, doch bemerkte sie, dass er viel verletzter war als sie selbst. Diese Tonlage war ihr unbekannt. So ruhig, so emotionslos, so als wäre ihm in diesem Moment alles egal. Jetzt hob sie den Kopf und sah ihn an, er hatte seine Hände ineinander gefaltet. Seine Handknöchel waren weiß, was zeigte, dass er seine Hände mit großen Druck zusammenpresste. „Möchtest du, dass ich dich hasse? Dass ich dich ablehne? Dich im Stich lasse? Dass ich nie wieder ein Wort mit dir wechsle, nur weil du nicht weißt, was du willst?“ „Was... meinst du damit?“ fragend sah sie ihn an. Was wollte er damit sagen? „Denkst du ich habe es nicht gewusst?“ zischte er abfällig und er sah sie an. Sein Lächeln war völlig verschwunden, seine Lippen waren leicht nach unten gebogen und sie konnte sehen, dass sich langsam Tränen in seinen Augen bildeten. „Du hast doch die ganze Zeit ihn in mir gesehen!“ „Das stimmt nicht! Du und er, ihr seid verschieden!“ rechtfertigte sie sich und wollte die Schuld von sich weisen, obgleich sie wusste, dass er im Recht war. „Ich weiß, dass ich nicht er bin! Du hast mir doch vor fünf Jahren gezeigt, dass du ihn und nicht mich willst! Ich habe es akzeptiert und versucht dir zu helfen, ihm näher zu kommen, weil ich von Anfang an wusste, dass es zwischen uns niemals klappen würde! Und jetzt, wo er weg ist, hast du geglaubt, dass ich ein Ersatz für ihn sein könnte...“ mit aller Kraft hielt er die Tränen zurück und wollte, wie sie ihn darum gebeten hatte, seinen Mann stehen. Es war ihr Wunsch, dass er sagte, was er dachte und auch wenn es ihm selbst Angst einflößte, so mit ihr zu reden, so wusste er, dass es unvermeidlich war. „Ich... ich...“ flüsterte sie und suchte nach den Worten, konnte sie aber nicht finden. Noch nie hatte sie Yuugi so erlebt. „Du wolltest, dass wir das wie Erwachsene klären, vergessen? Also sag irgendetwas! Sag mir, dass ich Recht habe!“ „Es stimmt...“ schluchzte sie und fiel auf die Knie. Dass er nun lächelte, bekam sie nicht mehr mit. Vorsichtig stand er auf und blieb vor ihr stehen, blickte auf sie herab. Dann hielt er ihr die Hand hin und es schien so, als wollte er ihr wieder hoch helfen. „Warum weinst du? Weil du glaubst, dass es zwischen uns jetzt vorbei ist?“ sie reagierte zögerlich. „Ja... ich wollte nicht, dass du denkst, dass du nur ein Ersatz bist!“ sie hob den Kopf und sah ihn verweint an, biss sich auf die Unterlippe. „Jetzt hör auf zu weinen... was sollen die anderen denn von dir denken?“ „W-was?“ machte sie mit diesen Worten ihre Verwunderung deutlich. „Steh schon auf. Wir sind doch Freunde. Ich wusste von Anfang an, dass deine Gefühle nicht mir galten... daher habe ich auch nie auf deine Annäherungsversuche reagiert. Ich wollte die Distanz wahren, damit dir klar wird, dass du dich geirrt hast. Jeder macht Mal Fehler. Aber wichtig ist, darüber hinweg zu sehen und weiter zu machen. Verstehst du?“ Sie nickte und ergriff seine Hand. Für eine kurze Weile ließen sie nicht los und blickten sich direkt an. Sie schniefte noch einmal, lächelte dann aber. Verlegen kratzte Yuugi sich am Hinterkopf. Was gab es denn noch zu klären? Für ihn war diese Sache abgehackt. Dann trennten sie sich und setzten sich wieder auf die kleine Coach. Keiner sagte etwas und es wurde ruhig. Sie waren beide in Gedanken vertieft. Plötzlich brach Anzu die Stille. „Danke, Yuugi.“ sagte sie und lächelte leicht verträumt. „Du hast Atemu sehr geliebt, oder?“ fragte er neugierig. „Ja.“ war ihre knappe Antwort. Er fühlte, dass sie nicht weiter darauf eingehen wollte. „Das mit dir und Jonouchi ist ernst oder eher...?“ „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ wie aus allen Wolken fallend, fiel er, ohne vorher Anstalten dazu gemacht haben, von der Coach und blickte sie perplex an. Sie grinste hämisch. Ein wunderbarer Themenwechsel, wie sie fand. „Tu nicht so als hätte ich etwas Komisches gesagt, mein Lieber!“ sie bückte sich zu ihm und fing an ihn zu kitzeln. Lachend krümmte er sich am Boden und es schien, als wäre alles wieder wie früher zwischen ihnen. „Okay, okay! Ich gebe auf!“ keuchte Yuugi unter Lachen und versuchte sich wieder einzukriegen. Anzu setzte sich zufrieden zurück an ihren Platz und wartete darauf, dass er sich neben sie setzte und von sich aus erklärte, was das zwischen ihnen nun zu bedeuten hatte. Zurückhaltend fing Yuugi an zu erklären, dass sie bereits seit Längerem ein solches Verhältnis zueinander hatten. Aufgeregt hackte Anzu weiter nach, bis Yuugi sich entschloss, nun endgültig alles zu sagen, wie es zwischen ihnen soweit gekommen war. „Mann, Yuugi! Das Essen deiner Mutter ist der Wahnsinn! ♥“ schwärmte Jonouchi und schaufelte einen weiteren großen Happen Reis in seinen Mund. Viel eher wirkte er nun wie ein Müllschlucker als wie ein Mensch. Yuugi wusste nicht, ob er sich für das Verhalten seines besten Freundes schämen oder amüsiert lachen sollte. Seine Mutter brachte zufrieden den Nachtisch und freute sich, dass wenigstens einer ihr Essen nicht verschmähte. Verschämt rechtfertigte Yuugi sich, dass er sehr wohl das Essen essen würde, doch ehe er noch weiter sprechen konnte, hatte er sich eine kräftige Kopfnuss von seiner Mutter gefangen, die sich nun wieder an den Blonden wandte und ihn noch einen weiteren großen Löffel Pudding auflegte. Grummelnd saß Yuugi am Tisch und hielt sich eher bedeckt, um nicht wieder als Zielscheibe für seine Mutter zu fungieren, die sehr häufig und vor allem gerne überreagierte. Nach dem Essen waren die beiden Jungen in Yuugis Zimmer gegangen. Gelangweilt lag der Blonde auf dem Bett und spielte mit Yuugis Wecker, der wie der Zeitzauberer aussah, herum, während Yuugi auf seinem Bürostuhl saß und verträumt aus dem Fenster blickte. Synchron seufzten sie auf, blickten sich dann an und lachten kurz. „Sag Mal, wie geht es deiner Schwester eigentlich?“ fragte Yuugi, nicht aus wirklichem Interesse, viel eher um diese plagende Stille zwischen ihnen zu beseitigen. In knappen Sätzen beantworte Jonouchi seine Frage. Ihr ging es gut. Sie hatte Interesse an Duel Monsters entwickelt. Außerdem freute sie sich, wenn sie demnächst alle wieder sehen konnte. Mit einem monotonen „Aha“ antwortete Yuugi, stand dann auf und legte sich neben Jonouchi, der bereitwillig ein Stück zur Seite rutschte. „Deine Mutter ist echt toll.“ kam es von Blonden und er lächelte leicht wehmütig. „Findest du?“ Yuugi wusste nicht, was er sagen sollte. Jonouchi hatte keine Mutter, die sich liebevoll um ihn kümmerte und auch wenn er sich öfter mit seiner Mutter in die Haare kam, so hatte er sie doch sehr gerne und konnte sich auch nicht vorstellen, wie es einmal ohne ihre heitere Art in diesem Haus sein sollte. Da sich die Eltern des Blonden früh hatten scheiden lassen und die beiden Geschwister getrennt wurden, wuchs Jonouchi unter schweren Verhältnissen auf. Er kannte keine Elternliebe. Aufgrund dessen hatte er sich auch Hirutanis Bande angeschlossen und hatte somit versucht auf sich aufmerksam zu machen. Letztendlich war dies die falsche Art gewesen, anderen zu zeigen, dass er auch noch da war. Das einzige, das er sich gewünscht hatte, war, von anderen anerkannt und genauso geliebt zu werden wie andere Kinder. Es war nicht viel, konnte man meinen. Durch aggressives und zum Teil auch rechtsradikales Verhalten hatte er andere Menschen von sich Notiz nehmen lassen. Am Ende hatte er sich viel mehr Feinde als Freunde gemacht. Aber Yuugi hatte schon damals, als er ihm das Milleniumspuzzle stahl, erkannt, dass er in Wirklichkeit sich nach Liebe und guten Freunden sehnte. Dass er einen guten Grund hatte, so zu sein wie er war. Daher hatte er ihn auch vor Ushio beschützt. Jonouchi mochte vielleicht rau und voreilig sein, aber genauso konnte er freundlich und fürsorglich sein und diese Seite war es, die Yuugi so sehr schätzte. „Klar, ich bin neidisch...“ „Warum denn? Du gehörst doch schon fast zu unserer Familie!“ lachte Yuugi und knuffte ihn. „Naja, das kann ich schlecht von mir weisen!“ nun lachte auch Jonouchi, nebenbei legte er den Wecker zur Seite. „Meine Mutter freut sich sehr, wenn du zu uns kommst. Und ich mich natürlich auch.“ „Ich sollte in Zukunft seltener kommen, ich habe schon drei Kilo durch das Essen deiner Mutter zugenommen!“ erklärte Jonouchi und rieb sich über seinen Bauch, grinste dabei dennoch zufrieden. „Wo denn?“ „Na hier, überall!“ er griff sich in seinen Bauchspeck und zog diesen hoch. „Seit wann machst du dir Gedanken um deine Figur?“ „Hey, ich bin stolz auf meinen Sixpack, ja? Oder willst du etwa sagen, dass ich zunehmen soll?“ ohne auf Yuugis Antwort zu warten, warf er sich auf den Kleineren und durchwuschelte ihm sein Haar, drückte ihn beinahe bedrohlich in das Laken und piesackte ihn. Lachend versuchte sich Yuugi von ihm zu befreien, und bäumte sich leicht auf. Mit einem lauten Geräusch landeten sie neben dem Bett. Grummelnd lag Jonouchi auf Yuugi und rieb sich beleidigt den Kopf, murmelte Unverständliches. Dann öffnete er die Augen und merkte, in was für einer Situation sie sich befanden. Es war viel eher eine Kurzschlussreaktion, als er seine Lippen auf die des Bunthaarigen legte und sich dann genauso schnell zurückzog. Ein unnatürliches Rot entzündete sich auf seinen Wangen und hektisch wollte er sich von Yuugi entfernen, doch dieser griff nach seinem T-Shirt und zog ihn wieder zu sich heran. Noch einmal legte Yuugi von sich aus seine Lippen auf die des Älteren, verlangte sogar mehr, was beide in größtes Erstaunen versetzte. Daraufhin lösten sie sich und saßen mit schnell pochendem Herzen nebeneinander. Das Laken war nun völlig durcheinander und lag zur Hälfte auf dem Boden. Beide hatten den Kopf gesenkt, keiner sagte etwas. „Seit wann?“ flüsterte Jonouchi, wusste nicht wie er seine Gedanken ausdrücken sollte. „Ich weiß auch nicht...“ erklärte Yuugi und brach auf einmal in Tränen aus, versuchte das Schluchzen zu unterdrücken, indem er eine Hand vor seinem Mund presste. Geschockt hatte er die Augen geweitetet und starrte auf den Boden, nicht in der Lage etwas zu sagen oder zu tun. Warum war das geschehen? Wie konnte er sich zu dieser Aktion hinreißen lassen? Sie waren doch Freunde! Nicht mehr als beste Freunde! Wenn er jetzt darüber nachdachte, hatte er seit Beginn an, so etwas wie ein Verlangen verspürt, aber er hatte es immer unterdrückt und als idiotische Wahrnehmung angesehen. Dass da letztendlich mehr war, konnte er selbst kaum glauben. Allerdings konnte er auch nicht leugnen, dass es ihm gefallen hatte, dass sein Körper sogar nach mehr verlangte. Gut, er gab zu, dass er schon immer der eher devote Typ war und dass er sich eine Beziehung mit einer Frau auch nicht vorstellen konnte, aber dass er tatsächlich so war, hätte er niemals zu träumen gewagt. Sich zu beruhigen versuchend, schloss er die Augen und tippte aufgeregt mit der einen Hand auf dem Boden herum. Was dachte Jonouchi? Er sagte nichts mehr und schien völlig Gedankenverloren vor sich hinzustarren. „Lass uns das einfach vergessen, okay?“ kam es von Jonouchi, der dann grinste und aufstand. „Nein, das kann ich nicht...“ flüsterte Yuugi und senkte den Kopf. „Ist es wirklich das, was du willst?“ die Stimme des Blonden klang vorwurfsvoll. „Ich... ich verstehe das doch selber nicht!“ brachte Yuugi heraus, er wirkte verzweifelt. „Denkst du ich verstehe das? Ich weiß nur, dass ich dich sehr mag, aber ich hab von so was doch keine Ahnung! Wie soll es jetzt weiter gehen? Wie?!“ „Ich... ich... weiß es nicht.“ Yuugi schloss die Augen und einige Tränen, flossen über seine Wangen und versickerten im Boden. Auf einmal ging Jonouchi vor ihm auf die Knie und legte seine Arme um ihn, drückte ihn fest an sich. Ein Seufzer entwich seinen Lippen. Es fühlte sich richtig an und war dennoch falsch. Das wusste er, aber nur einen Moment noch, wollte er sich diesen Gefühlen hingeben. „Und was ist dann passiert?“ „Das fragst du noch? Meine Mutter kam rein und hat mich zum Abwasch gezwungen!“ „Das ist nicht dein Ernst, oder?“ mit geöffnetem Mund sah sie Yuugi an, welcher mit Tomaten rotem Gesicht nach unten sah. „Doch. Ich weiß bis heute nicht, ob sie was davon gemerkt hat...“ „Ganz und gar nicht cool.“ „Aber so was von...“ seufzte Yuugi, hob dann den Blick und lächelte sie verlegen an. Lachend verließen sie den Wohnwagen und gesellten sich wieder den anderen zu. Morgen würde es wieder zurück gehen. Aber einige Stunden verblieben ihnen noch, ehe sie wieder in ihr normales Leben zurückkehren mussten. Überarbeitet am: 13.05.2011 Kapitel 7: Zurück nach Domino City ---------------------------------- Die Rückfahrt war still, jeder war in seinen eigenen Gedanken vertieft. In Domino erwartete sie wieder ihr Alltagsleben. Auch wenn sie nun noch eine weitere freie Woche hatten, so war ihnen allen bewusst, dass sie langsam anfangen mussten, für ihre Abschlussprüfungen zu lernen. Anzu bemühte sich bereits die ganze Zeit über um gute Noten. Es war ihr Traum nach Amerika zu reisen und nichts auf der Welt, würde sie davon abhalten. All die Jahre hatte sie geschuftet, um das nötige Geld, welches sie in ihrem neuen Leben brauchen würde, zu verdienen. Obwohl die Schulordnungen es den Schülern strikt verbot, brach sie die strengen Regeln und tat, was sie tun musste. Seit sie sechs Jahre alt war, träumte sie den Traum von der allen geliebten Tänzerin, die sich rhythmisch und adrett zur Musik bewegte und den ganzen Saal mit Begeisterung füllte. Dieses Gefühl gab ihr den ultimativen Kick; jedes Mal, wenn sie auf der Bühne stand, spürte sie wie das Adrenalin in ihr in Wallung geriet. Angefangen hatte sie als Ballerina und diese Passion hatte sich bis heute nicht geändert. Sie stutzte und ihr Blick fiel auf ihr Bein, welches noch immer leicht schmerzte, wenn sie sich bewegte. Ihre Tanzgruppe hatte abgemacht, dass sie sich in der zweiten Woche der Ferien treffen und trainieren würden, da dieser Wettbewerb für jeden von ihnen äußerst wichtig war und zudem die Konkurrenz sehr stark war. Fehler konnten sie sich nicht leisten. Der Gedanke, dass einer auf einmal patzte und die ganze Aufführung dadurch in Mitleidenschaft genommen würde, war für sie alle unerträglich. Rebecca blickte zu Yuugi und sie überlegte, seit wann sie in diesen verliebt gewesen war. Ihr war nie in den Sinn gekommen, dass ihre Gefühle nur einseitig waren und umso mehr verletzte es sie, dass er sie so lange in Ungewissheit ließ. Gut, sie hatte sein Geheimnis gelüftet und hatte sich seitdem in Stillschweigen gehüllt, weil sie ihn sehr schätzte und auf keinen Fall verletzen wollte. Er war der Erste, der sie nicht nur als kleines Kind ansah und sie gleichberechtigt behandelte. Die meisten verstanden sie nicht, entweder mieden sie sie oder schleimten sich bei ihr ein. Und nicht jeder konnte mit ihrer aufgeweckten Art umgehen, einige glaubten, dass sie einfach nur eingebildet und arrogant war. Aber sie selbst empfand sich nicht als nervig, auch wenn viele ihr das öfter sagten. Nur wenige nahmen sie so an, wie sie war. Auch Yuugi und seine Freunde gehörten zu den Wenigen, die sie so akzeptierten, wie sie war, ohne dass sie sich schämen brauchte. Gut, ab und zu gab es Reibereien, aber dies kam relativ selten vor und wahre Freunde stritten sich auch schon mal. So etwas war völlig normal. Die Karte, die er ihr geschenkt hatte, war ein Zeichen ihrer tiefen Freundschaft geworden und bis heute hütete sie sein Geschenk, wie ihren Augapfel. Lächelnd schloss sie die Augen. Ja, Yuugi war ein guter Mensch und sie konnte sich glücklich schätzen, dass sie so freundliche Menschen kennen gelernt hatte. Natürlich sah sie ihn nicht so oft, wie sie es gerne hätte, da sie mit ihrem Großvater in Amerika lebte und das große Meer, das sie trennte, ein großes Hindernis darstellte. Allerdings war sie zufrieden, wenn sie sie wenigstens ab und zu sehen konnte. Dennoch musste sie zugeben, dass sie gehofft hatte, dass er im Laufe der Zeit Gefühle für sie entwickeln würde. Sich selbst mahnend, verwarf sie diesen Gedanken wieder und sah aus dem Fenster, beobachtete das bunte Treiben außerhalb, dass sich mit großer Geschwindigkeit von ihnen entfernte. Die Sache mit Kaiba und seinem kleinen Bruder, war ihnen allen im Gedächtnis geblieben. Honda und Otogi zeigten weder Verständnis und noch viel weniger interessierte sie die Sache. Beide hatten eine größere Distanz zu den Brüdern, als die anderen. Sie waren sich flüchtig begegnet, eher Leidensgenossen als Freunde. So hatte es zumindest Otogi immer aufgefasst und bis heute, hatte er nicht großartig mit dem Firmenleiter zu tun. Natürlich hätte es ihn interessiert, Geschäfte mit diesem zu machen, aber er, auch wenn er es ungern zugab, musste sagen, dass er bereits abgelehnt worden war. Vielleicht kam daher dieser Unmut gegenüber dem Brünetten? Eine Zusammenarbeit war geplant worden, doch Kaiba hatte diese immer wieder verschoben und ehe dieser Zeit gehabt hatte, hatte Otogi bereits einen anderen Partner gefunden. Gut, er konnte selbstverständlich auch verstehen, dass dieser als junger Firmenleiter, der soviel Kompetenz, Perfektionismus und Selbstvertrauen ausstrahlen musste, nur wenig Zeit hatte. Aber er hatte es bis heute als Frevel angesehen. Selbst Pegasus hatte mehr Interesse gezeigt. Und mit diesem würde er Ende des Jahres, sobald er seinen Abschluss endlich in der Tasche hatte, auch wieder zusammen arbeiten. Es war Nervenaufreibend und hart, wenn man eine gute Idee hatte, aber nur wenige sich dazu bereit erklärten, diese auch zu vermarkten. Eine eigenes Unternehmen hatte er bis dato nicht eröffnet. Viel eher machte es ihm Spaß, Ideen weiter zu reichen und auf diese Weise Geld zu verdienen. Otogi schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf das Fahren. „Was ist los, Leute? Warum so still?“ brach Ryou das Schweigen und sah sich leicht orientierungslos im Wohnwagen um. Erst jetzt wachten einige aus ihrem Tagträumen auf, blickten ihn an und schienen etwas zu erwarten. Honda gähnte, ehe er meinte, dass er müde sei und somit seinen Kopf wieder auf die Tischplatte fallen ließ. Lange Reisen machten nun einmal müde. Selbst die aufgewecktesten Jungspunde wurden ruhig, wenn sie mehrere Stunden, ohne Beschäftigung, in einem Wohnwagen wie diesen, eingesperrt waren und durch die Gegend fuhren. „Ach, wenn die anderen nicht wollen, lasst uns doch etwas spielen.“ erklärte Anzu, die dann aufstand und aus einem Schrank mehrere Spiele herausfischte und diese auf dem Tisch ausbreitete. Murrend bewegte sich Honda wo anders hin und gähnte erneut. Mit den Schultern zuckend und den Augen rollend, ließ das brünette Mädchen, ihren Kumpel gewähren. Schlafende Hunde sollte man nicht wecken, so hieß es. Begeistert setzte sich Ryou dazu und rieb sich aufgeregt die Hände. „Das fände ich lustig.“ sagte er mit einem süßen Lächeln, in der Hoffnung, auch die anderen zu überzeugen. Diese willigten ein, sogar Honda, der durch das Gelächter und das Bimmeln der Glocke, nicht mehr ein Auge zu bekam, setzte sich irgendwann dazu. Halli Galli war nie sein Lieblingsspiel gewesen, aber es war immer noch besser als gar nichts. Nachdem Jonouchi acht Mal in Folge verloren hatte, hatte er keine Lust mehr und setzte sich von der Gruppe weg. Mathematik war nicht sein Fach. Noch nie gewesen und würde es auch niemals sein. Leicht grummelnd, aufgrund dieser für ihn bedeutenden Niederlage, schielte er zu ihnen. Ryou, Anzu und Rebecca waren gut. Sogar besser als Yuugi, der normalerweise jedes Spiel mit Leichtigkeit gewann. Yuugi gewann immer. Er war wahrhaftig der König der Spiele und dafür brauchte er nicht einmal den Pharao. Auch ohne diesen hatte er genug Willenskraft, um andere Spieler allein mit seinen Fähigkeiten zu schlagen. Aber auch Yuugi hatte Schwächen. Schwächen, die er ungern zeigte und die er mit aller Macht versuchte zu verstecken. Stets trug er ein Lächeln auf den Lippen und sagte nie, wenn ihm etwas quälte. Selbst damals, als Jonouchi ihm das Alltagsleben zur Hölle machte, hatte er die Ruhe bewahrt und gelächelt. Hart schluckend dachte er zurück. Aus Wut hatte er ihm mitten ins Gesicht geschlagen, sein Auge war Blau und seine Nase blutete. Aber er schlug nicht zurück. Zu dem Zeitpunkt, waren sie noch keine Freunde. Er hatte es Yuugi zwar nie gesagt, obgleich er sich sicher war, dass dieser es wusste; aber anfänglich hatte er Yuugi gehasst. Mehr als jeden anderen. Sogar mehr als er heute Kaiba hasste. Woher kam also sein Sinneswandel? Dieses Lächeln hatte selbst ihn erreicht; ihn, den brutalen und heimatlosen Schläger, der seine Ängste hinter einer großen Klappe verbarg. „Warum?! Warum schlägst du nicht zurück!?“ brüllte Jonouchi und packte den deutlich Kleineren am Kragen, zog diesen zu sich hoch. Mit feurigem Blick sah er ihn direkt in die Augen, doch dieser blieb ruhig. Einzelne Tränen bildeten sich in seinen Augenwinkeln, aber er wehrte sich nicht. Mit großer Kraft, warf er Yuugi von sich, dieser schlug auf dem harten Boden auf. Ächzend blieb er liegen, ehe er sich aufrichtete und trotz Blut im Gesicht, den Blonden ansah. Jonouchi schlug erneut zu. Der Jüngere taumelte einige Schritte zurück, hielt sich seinen Bauch und drückte seine Hand mit aller Kraft, gegen die schmerzende Stelle. Der Blonde verstand das nicht. Wieso schlug er nicht zurück? Aus welchem Grund, ließ er sich so zurichten, ohne zu jammern oder gar etwas zu sagen? Ein normaler Mann würde zurückschlagen. „Was willst du erreichen? Wovor rennst du weg?“ keuchte Yuugi und aus Schmerz beugte er sich etwas nach vorne. Wie ein Blitz durchfuhr Jonouchi ein eigenartiges Gefühl, er ballte seine Hände zu Fäusten, doch er schlug nicht zurück. Mit aller Kraft hielt er die Tränen zurück, biss sich auf die Unterlippe. Langsam fing er an zu begreifen. Er verstand, warum Yuugi sich nicht wehrte. Warum er sich von ihm, hinter das Gebäude hatte führen lassen und nicht um Hilfe schrie. „Du dämlicher Idiot...!“ brachte Jonouchi noch heraus, dann drehte er sich um und verschwand in die andere Richtung. Er hasste Yuugi dafür und doch war da ein innigeres Gefühl, das die beiden verband. So recht beschreiben konnte er es nicht und auch fürchtete er sich davor, genauer darüber nachzudenken. Eine liebende Familie und ein heiteres Gemüt, zu lachen trotz größter Trauer und Angst, das waren Dinge, die er nie erreichen konnte. Vielleicht war es Neid. Ja, er war neidisch auf ihn und dafür hasste er nicht sich selbst, sondern Yuugi. Sein Vater war Alkoholiker und seine Mutter war eines Tages, wie aus dem Nichts, mit seiner Schwester gegangen. Völlig auf sich gestellt, blieb er zurück. So etwas wie eine liebende und warme Familie hatte es nie gegeben. Alles eine Einbildung. Eine Täuschung und er hatte mitgespielt, in diesem Spiel voller Lügen und Intrigen. Das war der Zeitpunkt, wo etwas in ihm zerbrach. Verzweifelt suchte er nach Aufmerksamkeit, doch egal was er tat, die Leute schienen ihn immer mehr zu meiden. Daraufhin traf er Hirutani, schloss sich seiner Gang an und machte noch mehr Unfug. Er hatte sich endlich einen Namen gemacht. Die Menschen respektierten ihn. Zumindest hatte er es geglaubt. Ihm war nicht bewusst, dass die Leute ihn nicht respektierten sondern ihn fürchteten. Zu spät hatte er es erkannt. Als er in der Mittelstufe Honda kennen lernte, hatte er sich Hirutani abgewandt und seine Gang verlassen. Dieser Dummkopf mit der Spitzfrisur, hatte ihm gezeigt, dass es ihm nichts brachte, wenn er in dieser Gruppe blieb. Stillschweigend hatte er es akzeptiert, hatte seine Strafe als Verräter angenommen und lebte seither ein gemütlicheres Leben. Aber das Gefühl von Verzweiflung, Einsamkeit, Hass und Zorn blieb. Bis heute. Yuugi hatte all das im Leben, was er sich wünschte. Eine Mutter, die ihn mit offenen Armen empfing und einen Großvater, der sich für ihn einsetzte. So etwas kannte er nicht. Das machte ihn wütend. Aus irgendeinem unerklärlichem Grund, wurde aus diesem Neid gegenüber dem Jüngeren Hass und jeder Anlass, mochte er auch noch so winzig und unbedeutend sein, war für ihn Grund genug, ihn noch mehr abzulehnen. Jedoch hatte er nicht damit gerechnet, dass dieser ihn mit Güte empfing und dass dieses Gefühl des Abscheus nur einseitig war. Yuugi hatte Recht. Er lief davon. Vor seinem Problemen und seinen Gefühlen, die ihn von innen zermalmten. Anders wusste er sich nicht zu helfen. Würde er nicht so handeln, würde er dem allen nicht standhalten und zerbrechen. Wie billiges Glas, das man achtlos zu Boden fallen ließ. Der Gedanke an seine jüngere Schwester und die Hoffnung, sie wieder zu sehen; sie, seine einzige Seelenverwandte, die ihn akzeptierte wie er war; war der Grund dafür, sich so vehement ans Leben zu klammern. Er wollte nicht aufgeben und auch war da dieser winzige Funke in ihm, der sich wünschte, dass ein anderes Leben auf ihn wartete. Dieses Lächeln, das Yuugi ihm schenkte, ließ diesen Wunsch noch weiter aufkeimen. Allerdings war er schwach und stur. Hart schluckend blieb er stehen, unterband das Gefühl sich umdrehen zu wollen und zurückzuschauen. Er hatte gelächelt. Immer hatte er Yuugi als Waschlappen angesehen, ohne Mut oder Selbstvertrauen, aber er hatte Unrecht. Eventuell war Yuugi viel mehr Mann als er selbst. Denn er hatte sein Lächeln nicht verloren. Obwohl er ihn schlug und ihm Schmerzen zubereitete, so wehrte er sich nicht und dachte noch immer an das Wohlbefinden seines Gegenübers. Hatte Yuugi etwa seine Schwäche erkannt? Eine einzelne Träne fand ihren Weg nach draußen, energisch wischte er diese weg und setzte seinen Weg fort. Er linste kurz zu der lachenden Gruppe. Yuugi verbarg seine Schwäche und außer ihm, sah niemand hinter die Fassade. Er fürchtete sich nach wie vor davor, dass seine Freunde ihn zurückließen. Dass er wieder alleine war. Der Blonde glaubte, dass diese Angst dadurch ausgelöst worden war, weil der Pharao ihn verlassen hatte. Sie hatten sich Jahrelang einen Körper geteilt, sie waren beinahe wie ein Herz und wie eine Seele. Und auch, dass viele ihn immer mit dem Pharao verglichen, setzte ihm stark zu. Sie waren verschieden. Die meisten stellten ihn und den Pharao auf eine Stufe, aber sie waren zwei Individuen. Der Pharao strotze nur so vor Stolz und Selbstbewusstsein, aber seinem früheren Partner fehlten diese Eigenschaften bis heute. Zwar verdeckte er seine Furcht nicht gut genug zu sein vor den anderen, aber Jonouchi hatte erkannt, dass Yuugi große Selbstzweifel in sich trug, jetzt, wo der Pharao nicht mehr da war. Aber er würde da sein. Die Ängste, die ihn vor Jahren plagten, hatte Yuugi mit einem Lächeln vertrieben und wenn er ihn brauchte, war er immer für ihn da. Und nun war es an der Zeit, dass er bewies, wie wichtig ihm diese Freundschaft zu Yuugi war. Also würde er alles tun, was nötig war, um Yuugi vor Übel zu schützen und ihn wieder auf den richtigen Weg zu bringen, wenn er diesen verlassen sollte. Seine Aufmerksamkeit wurde auf ein grell leuchtendes Schild außerhalb gelenkt. Nur noch wenige Kilometer, bis sie ankamen und diese Reise ihr Ende fand. Überarbeitet am: 02.06.2011 Kapitel 8: Firmenangelegenheiten -------------------------------- „Hiermit machen wir fürs Erste eine kleine Pause. Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier.“ sagte ein Mann mit schwarzen Anzug und leicht gräulichem Haar. Er war älter als die anderen und schien sehr viel reifer und voller Erfahrung in seinem Gebiet. Murrend stand Seto auf und verließ den Saal. Diese Besprechung mit diesem Haufen von Banausen ging ihm auf die Nerven. Sein kleiner Bruder und er wurden übergangen und er fragte sich, warum er überhaupt zu dieser dämlichen Besprechung gekommen war. Seine Firma war ein erfolgreicher Hersteller von Soft- und Hardware und diese alten Kerle behandelten ihn wie einen Anfänger. Aber ein Seto Kaiba ließ sich nicht unterbuttern. Einige der Männer wirkten sogar sehr erstaunt, wie selbstbewusst er über seine Produkte sprach. Er blickte aus dem Fenster, betrachtete das große Anwesen. Die Iwaki GmbH hatte dieses Treffen ins Leben gerufen und er war nur gekommen, in der Hoffnung neue Geschäftsbeziehungen zu knüpfen, allerdings musste er sagen, dass er gar keine große Lust hatte mit diesen alten Kerlen zusammen zu arbeiten. Seufzend verschränkte er die Arme. Sein kleiner Bruder Mokuba war losgegangen, um ihnen etwas zu trinken zu holen und wie er diesen kannte, würde er garantiert noch den ein oder anderen Abstecher machen und sich mit den anderen Geschäftsleuten austauschen. So war er nun Mal. Auf einmal spürte er eine kräftige Hand auf seiner Schulter, die eindeutig nicht seinem Bruder gehörte. Schnell drehte er sich um und sah in das Gesicht eines Mannes mit langem, schwarzen Haar. „Kaiba-san, schön Sie auch außerhalb der Besprechung zu sprechen. Ihre Ausführungen haben mir sehr gefallen.“ sagte der Mann und warf elegant sein Haar über die Schulter. „Sakurai-san, oder? Vielen Dank für Ihr Lob.“ sagte Seto, zwang sich zu dieser Konversation. Er hatte keine Lust auf Smalltalk. „Ich bin von der ECAGO Group und ihr Fleiß und ihre Liebe für das Detail faszinieren mich. Es stimmt, was die Leute sagen. Den Jungen gehört die Zukunft.“ lachend ging er einen Schritt zurück und stemmte eine Hand in die Hüfte. Seto resignierte innerlich. Für ihn gab es keine Rettung mehr. Wohl oder übel musste er sich auf dieses Gespräch einlassen. Dabei war es meistens Mokuba, der sich um diese privaten Gespräche kümmerte. Er war einfach nicht geschaffen dafür. Aber wenn es seiner Firma zugute kam, würde er diese Strapazen eben auf sich nehmen. Als Sakurai ihn anwies sich neben ihn auf eine Bank zu setzen, folgte der Brünette schweigend dieser Bitte. Immer wieder lachte Sakurai und am liebsten hätte Seto ihm seine Krawatte in den Mund gesteckt. Was interessierte es ihn, dass draußen schönes Wetter war!? Der Kerl sprach mit ihm wie mit einem Freund und das ärgerte ihn. Es vergingen fünf Minuten, bis der Schwarzhaarige wieder auf das Geschäft zu sprechen kam. Seto hatte all die Zeit mit einem erzwungenen Lächeln auf den Lippen und mit „Ich verstehe“ und „Aha, so ist das also“ geantwortet. „Um wieder auf das Geschäftliche zu sprechen zu kommen...“ begann er und schloss kurz die Augen. >Na endlich! Der bringt mich noch ins Grab mit seinem idiotischen Gelaber!< dachte Seto und hörte dann aufmerksam zu. „Ihre Firma ist einer der professionellsten und angesagtesten im ganzen Land. Jeder spricht über die Kaiba Corporation, Sie sind wirklich in aller Munde.“ schleimte er, ehe er weitersprach. „Ich bin der Leiter der ECAGO Group. Da ich diese vor zwei Jahren von meinem Vater übernommen habe, ist es mir auch sehr wichtig neue Geschäftsverbindungen zu knüpfen. Daher würde ich mich sehr darüber freuen, wenn wir in Zukunft zusammen arbeiten könnten. Wir sind ein Veräußerer von Hardware in aller Herrenländer und ich bin mir sicher, dass es auch Ihrer Firma zugute kommen würde. Gerade in Europa gibt es eine starke Nachfrage für Ihre Produkte! Die Männer der alten Ära dieser Branche, verkennen Ihr Talent, Kaiba-san.“ „Nun, es ehrt mich, dass Sie in so hohen Tönen über meine Produkte sprechen. Ich werde darüber nachdenken und mich bei Ihnen melden, sobald ich eine Entscheidung getroffen habe.“ „Wunderbar. Hier.“ er streckte seine Hand aus und hielt ihm seine Karte hin. Seto nahm diese an, betrachtete sie und steckte sie in die Tasche seines weißen Anzugs. Dann schüttelten sie noch einmal einander die Hände, bevor sie auseinander gingen. Sakurai lief los und setzte sich ungefragt neben einen anderen Mann, quatschte unbefangen gleich drauf los. Was für ein Glück für den kühlen CEO, dass er endlich seine Ruhe genießen konnte. Sein Konzept des neues Controllers hatte mit aller Macht durchringen können, aber noch immer hatten diese alten Kerle keinen richtigen Respekt vor ihm. Wie konnten sie es nur wagen? Niemand würde ihn ungeschoren als Grünschnabel bezeichnen. Wieder setzte sich jemand neben ihm, dieses Mal war es Mokuba, der ihn seinen schwarzen Kaffee hinhielt. Dankend nahm er diesen an und grübelte weiter vor sich hin. „Kaiba-san, wie ich sehe, interessiert sich Sakurai-san für Sie.“ genervt hob Seto seinen Blick. „Und Sie sind?“ fragte er und hob eine Augenbraue. „Ah, wir haben doch eben noch miteinander geredet! Das ist Winterberg-san! Er ist aus Deutschland hierher gekommen.“ warf Mokuba ein und grüßte den Mann, Seto war erneut erstaunt, wie schnell Mokuba Freundschaften mit völlig Fremden einzugehen schien. „Sie sollten sich vor ihm in Acht nehmen. Sakurai-san ist unerfahren und ich habe sogar gehört, dass die ECAGO Group seinetwegen hoch verschuldet ist.“ „Unglaublich! Was macht der dann hier?“ mischte sich Mokuba erneut empört ein. „Nun, sein Vater; so möge er in Frieden ruhen; war immer bei dieser Besprechung vertreten. Jahrelang wurde dieses Treffen von den Sakurai mitfinanziert und der Name ihres Unternehmens ist sehr bekannt. Allerdings ist sein Sohn absolut nicht geschäftstauglich. Er schleimt sich bei jungen Geschäftsmännern wie Ihnen ein, umso wieder an Geld zu kommen.“ „Vielen Dank für die Information.“ erklärte Mokuba und der Mann wand sich wieder ab. „Was für ein mieser Halunke.“ grummelte der Schwarzhaarige und spielte mit einem kleinen Zettel in seiner Hand. „Mokuba, nicht so laut.“ ermahnte der Ältere und trank einen Schluck seines Getränks. Sollte er Winterberg dankbar sein? Wenn er ehrlich war, hatte er ohnehin nie ernsthaft vorgehabt mit diesem nervigen Schleimbolzen zusammen zu arbeiten. Allein seine offene, nein, viel eher vorlaute Art ging ihm gehörig auf den Zeiger. Nicht einmal Jonouchi brachte ihn so zur Weißglut und das musste schon etwas bedeuten. „Was ist das für ein Zettel? Hör auf damit rum zu spielen, pack' das weg!“ flaumte Seto seinen jüngeren Bruder an, welcher ihn sichtlich erschrocken ansah und schluckte. „Der Zettel ist mir sehr wichtig...“ murmelte er und verstaute ihn sicher in seiner Hosentasche. „Du darfst nicht soviel Blöße zeigen, Mokuba. Genau darauf warten die doch.“ „Das weiß ich doch. Tut mir Leid, wenn ich dir zur Last falle.“ „Ach, denke nicht weiter darüber nach und gebe dich etwas erwachsener.“ „Ja, Bruder. Verzeih...“ nuschelte Mokuba und starrte auf den Boden. Am liebsten würde er sich einfach von seinem Bruder wegsetzen oder ihm endlich gehörig die Meinung sagen, aber er traute sich nicht. Dafür liebte er ihn einfach zu sehr. Vorsichtig linste er zu seinem Bruder hoch, dieser schien Gedankenverloren aus dem Fenster zu sehen. Worüber dachte er nach? So gern Mokuba es wüsste, er würde nicht fragen, aus Angst, dass sein geliebter Bruder wütend werden könnte. Diese Besprechung war wichtig. Das wusste er. Es war ihre Chance neue Verbündete zu finden, die ihre Produkte auch ins Ausland brachten, aber auch konnte er den Zweifel in ihm nicht ignorieren. Alles in seinem Leben drehte sich nur noch um die Firma. Selbst wenn Seto von der Schule wieder kam, setzte er sich gleich an seinen Laptop und arbeitete fleißig. So etwas wie wahre Freude kannte sein Bruder nicht. Er wusste nicht wie es schön sein konnte, einen Tag am Meer zu verbringen und mit nackten Füßen durch den warmen Sand zu stapfen. Seto entfernte sich immer mehr von der Realität, aber er war stur und würde das niemals einsehen. Aber Mokuba hatte Angst. Auch er selbst entfernte sich, seinem großen Bruder zuliebe, immer mehr von dieser Welt. Diese Sehnsucht nach Freiheit wurde immer unerträglicher und er war sich sicher, dass auch sein Bruder Momente hatte, in denen er sich nach einem anderen Leben verzerrte. Seit sie von Gozaburo aufgenommen wurden, hatte sich ihr Leben drastisch verändert. Wie grausam musste es für Seto gewesen sein, gestriegelt zu werden wie ein Pferd? Scheuklappen aufgesetzt zu bekommen? Oder hatte er etwa wirklich vergessen, was es bedeutete am Leben zu sein? Das Leben bestand nicht nur aus Arbeit. So sehr sein Bruder seine Arbeit auch liebte, so war sich Mokuba bewusst, dass dieses Leben für ihn ungesund war. Warum konnte es nicht wieder so sein wie früher? Als sie noch Kinder waren und lachend im Sandkasten spielten? Hatte Seto seinen Kindheitstraum wirklich vergessen? Kurz musste er an den kleinen Zettel denken, den Anzu ihm gegeben hatte. Er hatte ihn als Glücksbringer hierher mitgenommen und trug ihn in seiner linken Brusttasche, nahe an seinem Herzen, in der Hoffnung, dass sich etwas ändern würde. Mit viel Glück würden sie gemeinsam etwas ändern können. Er glaubte an das Band der Freundschaft zwischen ihnen. Gedanklich fasste er sich wieder. Jetzt war weder die Zeit noch der richtige Ort, um über so etwas nachzudenken. Es war beinahe eine Stunde vergangen. Ohne vorher Anstalten gemacht zu haben, stand Seto auf und warf den Pappbecher in den Müll, bewegte sich wieder zu dem Konferenzsaal. Noch einmal atmete Mokuba tief ein und folgte seinem Bruder. Im Saal nahm er direkt neben seinem Bruder platz und sah in die Runde. Es waren noch nicht alle wieder hier. Als Sakurai reinkam, wand dieser den Blick zu Seto und grinste verheißungsvoll, doch der Brünette reagierte nicht. Erst jetzt bemerkte Mokuba, den eisernen Willen seines Bruders, sich diesen Männern zu beweisen. Seto war schlagkräftig und seine Argumente schlugen immer ein wie eine Bombe. Und nun würde er ernst machen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis alle Teilnehmer sich wieder auf ihren Plätzen befanden und der alte Mann, der vorher die Pause eingeleitet hatte, erklärte, dass die Besprechung fortgesetzt werden würde. °○°○°○°○°○°○°○°○°○°○°○°○° Am Abend saßen die beiden Brüder ruhig in der Limousine. Als Isono ein Gespräch versuchte zu beginnen, hatte Seto genervt die Scheibe herunter gekurbelt und Mokuba warf ihrem Fahrer ein entschuldigenden Blick zu. Es war bereits dunkel und die Konferenz war für das erste beendet. Seto hatte sich, wie immer, durchgesetzt und als er sein eigentliches Projekt vorstellte, war jeder Feuer und Flamme für ihn. Sakurai hatte wütend mit den Zähnen geknirscht, wissend, dass seine Chance mit der Kaiba Corporation zusammen zu arbeiten, in unendliche Ferne gerückt war. Selbst Mokuba hatte nicht soviel über das geheime Projekt gewusst. Er hatte also ein neues Spiel entwickelt, das noch nicht vollständig beendet war und der Controller, den er vorher vorgestellt hatte, würde kompatibel mit diesem Spiel sein. Mokuba musste zugeben, dass er großen Respekt vor dem Einfallsreichtum seines Bruders hatte. Mit einem Schlag hatte er so viele Firmenleiter von sich überzeugt und sich somit die Unterstützung vieler geangelt. Das bewies seine fachliche Kompetenz. Er kannte sich auf seinem Gebiet mehr als nur gut aus und dieses Wissen zeigte er mit voller Stolz. Während seiner Aufführungen war Seto sehr ernst geblieben. Mokuba hatte die Freude, die er früher bei seiner Vorstellung von seinen Spielen ausgestrahlt hatte, vermisst. Ein bisschen hatte er sogar das Gefühl, dass Seto nicht mehr des Spaßes Willen sondern der Pflicht Willen arbeitete. Gerne würde er ihn fragen, ob ihm seine Arbeit noch Spaß machte, aber das traute er sich nicht. Aber diese Ruhe, die hier herrschte, ließ ihn den Verstand verlieren. Irgendetwas musste er sagen. „Du warst echt erfolgreich heute, Seto. Glückwunsch.“ „Für Gratulationen ist es noch zu früh, Mokuba.“ Wut schäumte in Mokuba auf. „Kannst du nicht wenigstens so tun, als würdest du dich freuen?!“ brüllte er auf einmal. „M-mokuba?!“ kam es erschrocken von dem Brünetten. „Kriegst du denn gar nichts mehr mit?“ seufzte der Jüngere und wand den Blick ab. „Ich weiß nicht was mit dir los ist, aber dein Verhalten ist merkwürdig, seit wir Mazaki getroffen haben.“ „Sie hat damit doch gar nichts zu tun!“ „Was ist es denn dann? Ich verstehe dein Problem nicht!“ „Wann hast du das letzte Mal aus tiefstem Herzen gelacht? Aus reiner Lebensfreude?“ „W- was redest du da für ein Gewirr? Du solltest langsam schlafen gehen. Du scheinst müde zu sein.“ „Hör auf vom Thema abzulenken! Ich mache mir Sorgen um dich, du... du... bist so anders geworden.“ schluchzte Mokuba und konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. „Mokuba...“ flüstere Seto und war überfordert mit dieser Situation. Wie sollte er mit den Tränen seines Bruders umgehen? Irgendetwas in ihm hatte Klick gemacht, doch zu diesem Zeitpunkt konnte er nicht genau sagen, was es war. Es fühlte sich so an, als hätte sich ein Schloss in seinem Inneren geöffnet. Vielleicht, ja, vielleicht hatte er erkannt, dass er etwas ändern musste, wenn er sich nicht noch weiter von seinem Bruder entfernen wollte. Er hatte doch niemanden außer seinem lieben Bruder. Ohne ihn... wäre er völlig alleine... Überarbeitet am: 02.06.2011 Kapitel 9: Ein heimtückischer Plan ---------------------------------- Die Sonne schien und die Kirschblüten in ganz Japan begannen zu reifen. Vermutlich würde es nur noch wenige Tage dauern, bis sie endlich ihre volle Pracht zeigten und die Menschen sich an ihnen erfreuen konnten. Nur wenige Wolken waren am Himmel und es war bereits warm. Wohlig seufzte sie auf, streckte sich und sah dann wieder aus dem Fenster der großen Tanzhalle. Ein weißes Handtuch, welches sich in ihrer Sporttasche befand, wurde grob herausgezogen und sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Noch nie war ihr das Tanzen so schwer gefallen wie heute. Ihr Bein schmerzte unheimlich, wahrscheinlich hätte sie sich noch ausruhen müssen, aber diese Chance, die ihr durch diesen Wettbewerb geboten wurde, wollte sie nicht an sich vorbei ziehen lassen. Auch wenn es größte Pein für sie bedeutete, so würde sie das hier durchstehen und allen zeigen, was sie drauf hatte. Das heutige Training war zu Ende und die anderen Mädchen standen unter Dusche. Bis hierher konnte sie sie quietschen und quatschen hören. Ein seichtes Lächeln fand auf ihren Lippen platz. Heute hatte sie extra längere Hosen angezogen, damit niemand ihr Verletzung sah. Sie wollte nicht, dass sich jemand um sie sorgte, dieses Gefühl auf diese Art und Weise im Mittelpunkt zu stehen, war ihr nicht geheuer. Viel lieber wollte sie durch Talent hervorstechen. „Hey Anzu, ist alles okay?“ fragte eine sehr feminine Stimme. Ein blondes Mädchen kam herein, sie trug nur ein Handtuch und ihre Haare klebten an ihr. Vor ihrem Spind stehen bleibend, drehte sie den Kopf zu Anzu und sah sie besorgt an. Ihr Blick war musternd und Anzu spürte, dass sie sich wirklich Sorgen machte. Aber sie, freundlich wie immer, schüttelte nur den Kopf und erklärte, dass es ihr gut ging und dass sie eilig habe. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wollte sie nur nicht mit den anderen duschen, um ihren stolz zu bewahren. Sie hasste es, bemitleidet zu werden. Das Mädchen widmete sich dann wieder sich selbst und rubbelte sich trocken, ehe sie sich wieder anzog und zu einem Föhn griff. Die Brünette griff nach ihrer Tasche und verließ schnellen Schrittes die Halle. Duschen konnte sie auch zuhause. Also beeilte sie sich, um genau dort anzukommen. Unterwegs war ihr Blick stur nach vorn gerichtet und es schien, als würde die Umgebung sie nicht sonderlich interessieren. Versehentlich rempelte sie ein junges Mädchen an, entschuldigte sich flüchtig und beschleunigte ihren Schritt noch mehr. Ihr Bein tat weh und das Einzige, das sie nun wollte, war nach Hause. Sich ausruhen, ein Buch lesen und vielleicht einen schmackhaften, grünen Tee trinken. Nach ungefähr zwanzig Minuten hatte sie ihr Ziel erreicht, hastig stieg sie die Treppe zu ihrem Zimmer hoch, suchte sich einige Klamotten heraus und verschwand im Badezimmer. Vorsichtig streifte sie die Kleidung von ihrem Leib. Leicht erschrocken weiteten sich ihre Augen, als sie sah, dass die Wunde sich entzündet hatte und sich ein großer blauer Fleck drum herum, gebildet hatte. Hart schluckend nahm sie ein Tuch und rieb ihr Bein mit warmen Wasser ein, säuberte die Wunde, ehe sie unter die Dusche hüpfte und ihr Orangenduschgel ihre Haut und Sinne verführte. Ihre Sporttasche hatte sie achtlos in eine Ecke ihres Zimmer geworfen und sie wurde das Gefühl nicht los, dass ihr Handy, welches sich darin befand, klingelte. Immer lauter und lauter wurde das Geräusch, ehe sie sich vollends sicher war und pitschnass aus der Dusche hüpfte und durch den Flur, geradewegs zu ihrem Zimmer, rannte. Panisch durchwühlte sie die Tasche und ganz unten lag, wie vermutet ihr Handy, welches fröhlich vor sich hin bimmelte. „Hallo?“ ächzte sie angestrengt, merkte erst jetzt, dass sie lediglich mit einem Handtuch bekleidet durch die Wohnung gelaufen war. Sie hatte Glück, dass ihre Eltern arbeiten waren und sie somit keiner so sehen konnte. „A-anzu?“ hörte sie eine zittrige Stimme flüstern und sie wunderte sich, wer der mysteriöse Anrufer war. „Wer ist denn da?“ machte sie ihre Verwunderung deutlich und wartete auf eine Antwort. „Ich bin's, Mokuba. Du hast mir deine Nummer gegeben. Hast du eventuell Zeit?“ „Klar, habe ich Zeit.“ sagte sie freundlich, jedoch unüberlegt. „Können wir uns dann treffen? Du weißt schon warum.“ seine Stimme war nicht mehr zittrig, sie war fester und entschlossener als vorher. „Wir könnten uns an der alten Standuhr im Zentrum treffen. Wäre dir das recht?“ „Na klar, das ist auch nicht so weit weg. Wir sehen uns dann in einer Stunde, ja?“ „Ich werde da sein.“ noch immer war ihr Stimme freundlich, dann legten beide auf. War sie denn bescheuert, dieses Treffen anzunehmen? Innerlich rügte sie sich selbst für ihre Unüberlegtheit. Eigentlich hatte sie doch den anderen versprochen heute noch vorbei zu kommen, aber auf der anderen Seite, war es ihr ohnehin zuwider einen Tag lang mit den Jungen zu verbringen, die ohnehin nur herumalberten und die ganze Zeit über irgendwelche Games zockten. Flink ließ sie ihre Finger über die Handytastatur wandern und schrieb Yuugi, dass es ihr zwar leid tue, sie aber heute doch keine Zeit für sie habe. Versprechen waren ihr wichtig und sie hatte Mokuba versprochen, ihm in seiner Situation zu helfen. Sie wusste nicht warum, aber sie fühlte sich ein wenig ihm verpflichtet. Vielleicht, weil sie selbst ein Einzelkind war und in ihm so etwas wie einen kleinen Bruder sah, den sie selbst nie hatte. Vom ersten Moment an, hatten sie sich gut verstanden und es bereitete ihr auch Freude, wenn sie ihn zum Lachen bringen konnte. Und jetzt war sie es, die dieses herzhafte Lachen beider Brüder retten musste. Eigentlich war es abzusehen, dass die beiden sich auseinander leben und es zu Streit kommen würde. In Gedankenversunken tapste sie zurück ins Badezimmer und wusch sich den restlichen Schaum von ihrem Körper. In einer Stunde musste sie dort sein und sie würden diesen heimtückischen Plan besprechen, für den der ältere Kaiba sie garantiert hassen würde. Nun vielleicht nicht hassen, aber sie war sich sicher, dass er sich sehr ärgern würde. Das war nun einmal seine Art. Sie wartete bereits zehn Minuten an der Uhr im Zentrum und sie wurde leicht hibbelig, als sie den Schwarzhaarigen noch immer nicht in der Menge erkennen konnte. War etwas zwischen gefallen? Brauchte er vielleicht Hilfe? Reflexartig stand sie auf und sah sich um, konnte ihn immer noch nicht sehen. Auf einmal legten sich zwei große Hände auf ihre Augen und ihre Umgebung verdunkelte sich. Erschrocken schlug sie mit dem Kopf nach hinten, sofort wurde der Griff gelockert und sie ging unsicher einige Schritte vorwärts, ehe sie sich umdrehte. Der unbekannte Angreifer saß hockend am Boden und hielt sich seine Nase, jammerte leise vor sich hin. Es war Mokuba, der sich heimlich von hinten an sie geschlichen hatte. Besorgt bückte sie sich zu ihm und entschuldigte sich mehrere Male. Wie dumm von ihr! Wieso nur musste sie immer so reagieren? „Schon gut, schon gut...“ kam es vom Schwarzhaarigen, der sich nun aufrichtete. „Es tut mir ehrlich aufrichtig Leid, ich wollte dir nicht wehtun...“ ihre Wangen nahmen eine zarte Röte an. „Ach was, komm lass uns gehen. Da hinten ist ein nettes Café. Wir können sicher draußen sitzen.“ lenkte er ab und griff nach ihrer Hand, zog sie hinter sich her. Sein Griff war fest und bestimmt und Anzu schämte sich dafür, bis eben noch immer über ihn wie über ein Kind gedacht zu haben. So langsam musste sie sich eingestehen, dass dieser junge Mann nicht mehr das kleine Kind war, das sie damals kennen gelernt hatte und diese Erkenntnis ließ ihr bewusst werden, wie viel Zeit vergangen war, seit der Pharao sie verlassen hatte. Alles war ihr nur wie ein Moment vorgekommen, aber in Wirklichkeit war einiges an Zeit vergangen. War sie wirklich so blind für die Realität gewesen? Sie hatte nur an die Vergangenheit gedacht, hatte ihr Leben gelebt ohne überhaupt auf die Veränderungen um sie, zu achten. Wenn sie genauer hingeschaut hätte, hätte sie diese peinliche Situation mit Yuugi sicherlich vermeiden können. Aber so war sie nun einmal. Stur bis zum bitteren Ende. Aber gerade diese Eigenschaft war es, die sie mutig voranschreiten ließ. Auch wenn andere dies Charaktereigenschaft von ihr als kindisch oder gar dumm bezeichneten, so war es gerade diese, die ihr Kraft verlieh. „Du bist echt groß geworden...“ nuschelte sie und senkte leicht beschämt den Kopf. Verlegen kratzte sich Mokuba am Hinterkopf und setzte ein Grinsen auf, welches sie leicht an Jonouchi erinnerte. Im Café angekommen, setzten sie sich nach draußen und es dauerte etwas, bis die Bedienung kam und ihnen etwas zu trinken brachte. Mokuba hatte eine gekühlte Cola bestellt und Anzu konnte nicht anders, als zu denken, dass dieses Getränk zu ihm passte. Sie indes bestellte sich lediglich einen grünen Tee, der würde sie beruhigen und ihre Konzentration steigern. „Du wirkst irgendwie bedrückt...“ sagte sie und rührte mit einem Löffel unbeholfen in ihrem Tee. „Ich würde gerne sagen, dass nichts ist, aber Seto und ich sind zerstritten.“ „Wie meinst du das?“ „Seit ungefähr einer Woche reden wir nicht mehr miteinander. Oder besser gesagt... ich vermeide es mit ihm zu sprechen.“ „So schlimm ist es jetzt? Hat er denn gar nichts gesagt? Worum ging es denn überhaupt bei dem Streit?“ „Das Übliche halt. Nach dem holprigen Start lief die Firmenbesprechung echt super, geradezu hervorragend und er? Der freut sich nicht einmal und meinte dann noch so besserwisserisch von wegen, dass ich mich zu früh freuen würde! Klar, im geschäftlichen Sinne hat er Recht, aber das hat mich so geärgert!“ er wurde immer lauter als er sprach und gerade zu wütend griff er nach seinem Glas Cola und trank mit großen Schlücken beinahe die Hälfe aus, bis er sich ansatzweise beruhigt hatte. „Das ist verständlich...“ murmelte sie und verschränkte die Arme, suchte nach den richtigen Worten. Dann fuhr Mokuba fort. „Es ist ja nicht so, dass ich wirklich sauer auf ihn bin, aber irgendwie...“ „Das ganze verletzt dich und er ist zu blöd, das zu merken.“ brachte sie die Sache auf einen Punkt. „Genau so ist es! Aber er sieht das nicht ein.“ meckerte der Schwarzhaarige weiter und schlug mit den Händen auf den Tisch und beugte sich zu ihr rüber. „Weißt du, es nützt rein gar nichts, wenn du dich nur aufregst. Wir müssen etwas tun um euch wieder einander nahe zu bringen.“ „Ja und ich freue mich total, dass du mir dabei hilfst. Ich will ihn nicht verlieren. Ich möchte einfach nicht, dass wir so auseinander gehen und vielleicht nie wieder miteinander reden.“ „Das ist echt süß von dir.“ kicherte sie und hielt sich eine Hand vor dem Mund. „W-was ist süß?“ stotterte er und wurde leicht rot. „Du machst dir solche Sorgen um ihn und ich finde es niedlich wie du über ihn redest. Du versuchst ja selbst jetzt noch, ihn in Schutz zu nehmen.“ „Tu ich nicht!“ verteidigte er sich. „Doch, aber das finde ich gut. Seto zeigt es nicht offen, aber auch er braucht dich. Vielleicht sogar mehr als du ihn.“ „Okaaaay....“ kam es eher entgeistert von ihrem Gegenüber, der nun eine Augenbraue hob und sie mit schiefem Kopf ansah. „Wenn es um dich geht, ist er immer Feuer und Flamme. Damals, als Pegasus dich gefangen genommen hatte, hat er alles getan um dich zu retten. Er wäre lieber gestorben, als dich im Stich zu lassen. Du weißt es wahrscheinlich nicht, aber um dich zu retten, hat er sich gegen Yuugi duelliert. Er hat sich direkt auf die Turmmauer gestellt und wenn Yuugi ihn angegriffen hätte, wäre er in die Tiefen gestürzt. Er wollte dich so unbedingt retten, alles andere war ihm egal. Zwar hat er seine Gefühle gut in arroganten und dumm klingenden Worten versteckt, aber ich wusste von Anfang an, dass es ihm die ganze Zeit um dich ging.“ sie lächelte, während sie das sagte. „Das wusste ich nicht...“ murmelte Mokuba und senkte den Kopf, starrte seine Cola an und betrachtete die kleinen Bläschen, die sich hastig in die Höhe bewegten. Seto hat nie darüber gesprochen. Und auch so wäre er nie auf die Idee gekommen, dass sein Bruder so etwas für ihn getan hat. Für ihn war es selbstverständlich, dass sein Bruder kam und ihn half und wenn ehrlich war, so hatte er Angst gehabt, dass sein Bruder ihn in Wirklichkeit dafür verachtete. Die Mauer, die zwischen ihnen war, hatte sich in all der Zeit immer weiter aufgebaut. Während er selbst offener wurde und Spaß daran hatte, mit Yuugi und den anderen seine Zeit zu verbringen, so distanzierte er sich immer mehr. Eigentlich kannte er seinen Bruder gar nicht mehr. Wo der Seto, den er gekannt hatte? Irgendwo, hinter dieser Maskerade, musste er sein. Die Schwierigkeit bestand darin, ihn von dort herauszulocken und ihn an das Licht zu bringen. Mit Anzus Hilfe konnte er dies vielleicht schaffen. „Wir sollten uns einen Plan ausdenken. In drei Tagen beginnt das Frühlingsfest und vielleicht schaffen wir es, ihn dazu zu bringen sich gegen Yuugi duellieren zu wollen.“ „Weiß Yuugi überhaupt etwas davon?“ „Uhm... ich habe ihm noch nichts gesagt...“ erklärte sie kleinlaut und grinste leicht verlegen. „Was ist, wenn Yuugi da nicht mitmacht?“ „Wer sagt denn, dass Yuugi etwas davon wissen muss? Ich habe mir bereits Gedanken gemacht. Seto wird sich vermutlich wieder mit seiner eigens entwickelten DuelDisk duellieren wollen und diese funktioniert, soviel ich weiß, doch über Satellit. Oder irre ich mich?“ „Oh! Du meinst, dass wir die Satellitenverbindung kappen sollen? Dann müssen sie warten und Seto wäre dazu gezwungen dort zu bleiben.“ „Scharfsinnig...“ lobte sie ihn und zwinkerte ihn an. „Aber... ich bin mir nicht sicher wie lang Setos Geduldsfaden ist. Was ist, wenn er einfach wieder geht?“ „Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, aber ich hoffe, dass er dir zuliebe bleibt.“ Immerhin hatten sie eine Idee, wie sie Seto dazu bringen konnten, sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen und hoffentlich etwas offener zu werden. Mokuba wusste, dass dieser sich wahrscheinlich heftig wehren und dass dies eine hiesige Diskussion mit sich bringen würde, aber es war momentan sein größter Wunsch, etwas an seiner Situation zu ändern. Er fühlte sich wie ein Vogel im Käfig. Auch jetzt hatte er sich heimlich davon geschlichen und seinen Bruder alleine in der Firma gelassen. Falls dieser das plötzliche Verschwinden bemerken sollte, würde es wahrscheinlich ohnehin wieder zur Streit kommen. Innerlich seufzte er. Nun lag es ganz an ihm, ihn von diesem Fest zu überzeugen und er war sich sicher, dass dies ein ganzes Stück Arbeit sein würde. Es lief ihm kalt den Rücken herunter, als er an die Reaktion seines Bruders dachte, wenn er nach Hause kam. Oder würde er vielleicht, wie die letzten Tage, gar nichts sagen und ihn keines Blickes würdigen? Ja, sein Bruder wirkte in letzter Zeit etwas verstreut, so als würde er sich über etwas den Kopf zerbrechen. Aber der Schwarzhaarige war sich sicher, dass dies nur eine Einbildung war. Sie saßen noch einige Zeit zusammen, bevor sie sich entschlossen, etwas spazieren zu gehen und sich über andere Dinge zu unterhalten. Mokuba wirkte wieder so fröhlich wie immer, genau so, wie Anzu ihn kennen gelernt hatte und es freute sie ungemein, ihm die Last auf seinen Schultern zu erleichtern. Ihr war bewusst, dass Seto ein sehr anstrengender Zeitgenosse sein konnte. Da er mit ihnen die Schule besuchte, war es für sie unvermeidlich, sich mit auseinander zu setzen und es kam öfter vor, dass die beiden sich in die Haare bekamen. Sie zankten sich nicht, viel eher debattierten sie und es gab eigentlich nur selten einen klaren Gewinner. Keiner außer Anzu hatte den Mut sich mit Seto anzulegen oder gar von sich aus, mit ihm das Gespräch zu beginnen. Die anderen Mädchen in ihrer Klasse schwärmten zwar für ihn, trauten sich aber nicht ihn anzusprechen. Und wenn sie es taten, so wies er sie desinteressiert und manchmal sogar unhöflich zurück. Oft hatte Anzu das Gefühl, dass Seto mit dieser Art von Aufmerksamkeit einfach nicht umzugehen wusste und viel eher in Ruhe in seine Arbeit vertiefte, da diese keine Fragen stellte und ihn einfach so sein ließ, wie er war. So intelligent er auch sein mochte, so wusste er sich, wenn es um etwas emotionalere und persönlichere Themen handelte, richtig zu äußern. Eher hatte es sogar den Anschein, dass er versuchte sich zu distanzieren, um keine Schwäche zu zeigen, aber wenn er mit der Brünetten diskutierte, wirkte es so, als würde er aufblühen. Ryou hatte bereits einmal erwähnt, dass er den Eindruck hatte, dass er sich gerne mit Anzu anlegte, vielleicht, weil sie beide sehr reif und stur waren und ungern nachgaben. Man könnte behaupten, dass Anzu einer seiner Rivalen war. Sie war ihm nicht unterlegen und antwortete immer ruhig und plausibel. Am Abend verabschiedeten sich die beiden voneinander. Sie hatten viel über die Vergangenheit gesprochen und sich auch über andere Themen unterhalten. Etwas beschämt hatte Anzu ihn zu ihrer Aufführung eingeladen und er hatte hoch und eilig versprochen, vorbei zu kommen und sie tatkräftig anzufeuern. Ganz geheuer war ihr bei diesem Gedanken nicht. Ihre Freunde zeigten nie Interesse an ihrem Hobby und es fühlte sich eigenartig an, wenn sich mit jemanden, den sie gut kannte und mochte, darüber reden konnte. Mit Yuugi konnte sie darüber nicht wirklich reden. Auch wenn er ihr aufmerksam zuhörte, so spürte sie immer, dass er dieses Interesse nur heuchelte. Seine Welt waren Spiele und das war schon immer so gewesen. Sie schmunzelte. Hatte es vielleicht etwas mit seinem Namen zu tun, dass er sich so sehr für Spiele aller Art, besonders für Duel Monsters, interessierte? Vielleicht hatte dieser Name eine Verbindung dazu geschaffen, ohne dass Yuugi sich dem bewusst war. Es war bereits nach sieben, als Mokuba die Villa betrat. Wie immer würde Seto in seinem Arbeitszimmer sein und sich noch einmal die Entwürfe und die Herstellungszahlen des Tages ansehen. Dann würde er die Rentabilität für ihre Produkte ausrechnen und neue Anweisungen für die nächsten Tage machen. Und wenn er noch Zeit hatte, würde er weiter an seinem geheimen Projekt arbeiten. Sein neues Spiel, sein ganzer falscher Stolz, wie Mokuba es gerne nannte. So war es immer. Aber er trug die Hoffnung in sich, dass es heute anders sein würde. Dass sie gemeinsam beim Abendessen saßen und vielleicht über andere Dinge sprachen, die nicht nur diese Firma anging. Dass sie lachten und scherzten. Das war es, was er sich wünschte. Allerdings wusste er, dass es nicht so sein würde. Resigniert lief er die Gänge ihrer großen Villa entlang, vor dem Arbeitszimmer seines Bruders blieb er schluckend stechen. Neben der Kastanienbraunen Tür hing ein Bild, darauf war ein Haus am Meer zu sehen und in der Luft flogen einige Möwen, die sich scheinbar sehnsüchtig dem Horizont näherten. Mit leicht zitternder Hand drückte er die Klinke nach unten. Seto saß nicht am Tisch, aber das Licht und der Computer waren an. Ebenso waren einige Unterlagen bereit gelegen worden, was bedeuten musste, dass Seto bereits zuhause war. Vorsichtig betrat er das Zimmer und sah sich weiter um. Das Zimmer wirkte von der Einrichtung her sehr edel. Die Wand war in einem leicht blauen Ton gestrichen, der farblich dem weißen Drachen mit eiskaltem Blick, den Seto so sehr schätzte, ähnelte. Rote Vorhänge hangen vor dem großen Fenster, welches Einblick auf ihren gut gepflegten und schönen Garten zuließ. Unsicher sprach Mokuba den Namen seines Bruders aus und gerade, als er sich umdrehen und gehen wollte, erkannte er das Spiegelbild seines Bruders im Fenster, der hilflos am Boden lag. „Seto!“ schrie er und lief auf diesen zu. Überarbeitet am: 05.06.2011. Kapitel 10: Der Weg, den er wählte ---------------------------------- Sein Kopf schmerzte, immer wieder spürte er ein starkes Stechen in den Schläfen, doch er ignorierte diesen Schmerz. Müde rieb er sich durch sein braunes Haar, strich die Strähnen, die sich immer wieder nach vorne verirrten, wieder hinter seine Ohren. Mokuba war ohne ein Wort der Erklärung gegangen, hatte ihn, mit all der Arbeit, zurückgelassen. So sehr er sich bemühte, nicht daran zu denken, so konnte er nicht anders, als sich ein klein wenig verraten zu fühlen. Gut, selbst er musste zugeben, dass es zwischen ihnen die letzten Tage sehr gespannt ablief. Die sonst so ruhige Atmosphäre fühlte sich unangenehm an. Sonst genoss er es immer, wenn er seine Ruhe hatte und sich auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Aber dieses Mal war es anders. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass Mokuba ihn seit geraumer Zeit aus dem Weg ging? Schnell huschten seine Finger über die Tastatur seines Laptops, es hatte den Anschein, als würde er die einzelnen Tasten gar nicht berühren. Das Licht seines Computer schimmerte ihm bläulich entgegen und immer mehr bekam er das Gefühl, dass die Umgebung sich vor ihm anfing zu drehen. Die Augen schließend, massierte er sein Nasenbein und seufzte laut. Ein Kaffee würde ihm sicherlich gut tun. Nichts tat so gut wie ein Kaffee. Schwarz. Ja, das wäre gut. Langsam erhob er sich, ließ sich sofort wieder auf seinen Bürostuhl fallen. Was war los mit ihm? Dieses Gefühl von Schwäche war ihn unbekannt und noch viel weniger wollte er sich darauf einlassen. Also zwang er sich dazu, wieder aufzustehen und einer der Bediensteten zu sagen, dass sie ihm einen Kaffee bringen sollte. Er bestand nun darauf. Dass sich alles um ihn herum drehte, ignorierte er so gut wie er konnte. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass sein Körper nicht mitmachen und einfach seinen eigenen Willen durchsetzen würde. Binnen weniger Sekunden verfinsterte sich sein komplettes Umfeld und er spürte noch, wie er dumpf am Boden aufprallte. Kurz zuckte seine rechte Hand, daraufhin hatte er absolut keine Kraft für nichts mehr. Alles war schwarz, aber ihm war so, als wäre er noch immer hellwach. Er war sich sehr wohl bewusst, dass er hier nun am Boden lag und für jeden anderen ziemlich erbärmlich aussehen musste. Wann bekam man auch die Gelegenheit, ihn, Seto Kaiba, hilflos und schwach am Boden liegen zu sehen? Dieser blonde Köter Jonouchi würde sich garantiert freuen und diese Situation schamlos ausnutzen, während Mazaki, die Stimme der Vernunft, ihn mit ihren berühmten Moralpredigten zurecht weisen würde. Dass sein jüngerer Bruder nur wenige Minuten später hinein kam, bekam er ebenfalls nicht mehr mit. „Bruder, warte!“ fiebste der Schwarzhaarige, beugte sich nach vorne und keuchte angestrengt. „Mokuba, ich habe jetzt keine Zeit. Gozaburo wartet auf mich.“ „Aber-“ brachte der Jüngere heraus, stoppte aber wieder von selbst. Missmutig wand er den Blick ab, zwang sich selbst dazu, nicht einfach wie ein Schlosshund anzufangen zu heulen. Dieser Gozaburo hatte ihm seinen Bruder gestohlen. Immer mehr entwickelte er Gefühle des Hasses und des Abscheus für diesen alten Mann, dem er eigentlich zu Dank verpflichtet sein sollte. In dem Waisenhaus, in welchem sie noch vor wenigen Monaten gelebt hatten, war es viel besser. Sie hatten jeden Tag gespielt, sie redeten viel miteinander und vergessen war die grausame Vergangenheit. Dass ihre eigenen Verwandten ihnen alles nahmen und sie einfach in irgendein Waisenhaus steckten. Dass ihre Eltern bei einem Unfall starben und dass sie völlig alleine auf dieser großen, weiten Welt waren. Die Zeit war kurz, aber sie waren glücklich und blühten auf. Sein geliebter, älterer Bruder Seto, war doch alles was er hatte. Aber es fühlte sich so an, als würden sie sich immer mehr entfernen. Seit sie hier waren, hatte Seto kein einziges Mal mehr gelacht. Ständig musste er lernen und beweisen, dass er ein geeigneter Nachfolger für die Kaiba Corporation war. Wie einen Blitz durchfuhr es ihn, als er daran dachte, wofür dieser Name stand. „Es tut mir Leid. Vielleicht sehen wir uns später wieder.“ sagte der Ältere und wand dem Jüngeren gefühllos den Rücken zu und setzte seinen Weg fort. Wieder musste er Mokuba wegschicken. Gozaburo durfte nicht erfahren, dass sie sich getroffen hatten und dass er von seinen Aufgaben abgelenkt wurde. Ansonsten würde er wütend werden und er fürchtete sich davor, wenn sein Stiefvater die Rute raus holte und auf seine Finger schlug. Diese Ausbildung zum Nachfolger der Kaiba Corporation war hart. Es war seit Beginn das Ziel des alten Mannes, seinen Willen zu brechen und den perfekten Firmenleiter zu erziehen. Aber Seto war eine harte Nuss, nach außen hin mochte es so wirken, als hätte er bereits alles akzeptiert, aber in ihm sah es anders aus. Sobald er diese Firma übernehmen und Gozaburo abtreten würde, würde er sie einem völlig anderen Licht erstrahlen lassen. Der Name Kaiba würde dann nicht mehr mit Tod in Verbindung gebracht werden, sondern mit Leben. Der derzeitige Leiter der Firma Kaiba wusste nicht einmal im Entferntesten, dass er sich einen heftigen Gegenspieler ins Haus geholt hatte. Der Zehnjährige wusste genau, wie er diese Firma übernehmen konnte und bereits jetzt plante er diese Übernahme, die die Ära dieses Mannes beenden würde. Wie dumm dieser alte Mann war! Hämisch grinste er kurz und dachte an seinen zukünftigen Sieg. Wenn erst einmal dieser alte Kerl aus dem Weg geräumt war, würden er und sein Bruder ein schönes Leben haben. Er zeigte er vor seinem Bruder nicht, aber auch er vermisste ihn schrecklich. In dieser Situation durfte er es ihm aber nicht zeigen, dies wäre ein klares Zeichen von Schwäche. Außerdem wollte er nicht, dass sein lieber Bruder sich um ihn sorgte. Er kannte ihn zu gut, seine sensible und mitfühlende Seite, machte die Zeit in diesem Haus für ihn sicherlich schwer. Wie fühlte sich Mokuba, wo sie sich doch nur zu den Mahlzeiten sahen und nur noch selten die Gelegenheit hatten, miteinander zu reden? Bestimmt fühlte er sich einsam. „Seto! Wie kannst du es wagen, mich so lange warten zu lassen?“ hörte er die keifende Stimme seines Wirtschaftslehrers ihm entgegen kommen, als er die Tür einen Spalt geöffnet hatte. Mutig schritt er voran, entschuldigte sich und setzte sich an den großen Tisch, wartete geduldig darauf, dass sein Stiefvater in das Zimmer trat. Auch dieser ließ auf sich warten. Nervös blickte sich der Junge um, sein Privatlehrer hatte die Arme verschränkt und tippelte mit einem Fuß auf und ab. Langsam wurde die Tür erneut geöffnet, sein alter Herr kam mit einem Stapel Unterlagen herein und knallte sie wortlos auf den Schreibtisch, drehte sich dann um und bewegte sich wieder Richtung Ausgang. Ehe er das Zimmer verließ, nickte er dem anderen Mann zu, welcher dann zurück grinste. Seto wusste, was dies bedeutete. Dieser Stapel musste noch heute abgearbeitet werden und ihm war bereits jetzt klar, dass er auf das Abendessen verzichten musste, wenn er diese Pflicht erfüllen wollte. „Mach gefälligst schneller!“ brüllte der Mann und schlug mit voller Kraft die Rute auf seine Hand. Der Stift, der er bis eben in der Hand gehalten hatte, rollte vom Tisch herunter. Langsam aber sicher gewöhnte er sich an das laute Peitschengeräusch und den brennenden Schmerz. Ohne aufzustöhnen oder etwas zu erwidern, erhob er sich, fasste den Stift und setzte sich an seinen Platz zurück. Er war sich sicher, dass diesem widerlichen Kerl dieser Gehorsam gefiel. Nur zu dumm für ihn, dass er diesen nur spielte. Dies alles war wie ein Spiel. Wie eine Farce. Konzentriert ging er zurück ans Werk. Mit knurrendem Magen legte er sich in sein Bett, zog die Decke bis zu seinen Schultern über sich. Seine Handknöchel bluteten noch immer, aber er hatte gelernt, diesen Schmerz zu ertragen. Er durfte nicht mehr wie ein Kind denken, es war seine Pflicht wie ein erwachsener zu handeln und zu denken. Und noch viel wichtiger, durfte er Mokuba nicht in Stich lassen. Seinen lieben Bruder, der wahrscheinlich jetzt heulend und einsam in seinem Bett lag und sich nach ihm sehnte. Eigentlich wollte er auch zu ihm. Ihn drücken und ihm sagen, dass er ihn vermisste. Aber er musste stark sein. Für sie beide. Für ihre spätere, hoffentlich glücklichere, Zukunft. Alles, was er tat, tat er für ihn. Hätte er seinen Bruder nicht, wären all diese Strapazen nicht zu ertragen. „Bist du wieder wach?“ hörte er eine besorgte Stimme. Er wollte sofort seine Augen aufreißen und aufstehen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich völlig machtlos. Getreten und gedemütigt wie ein Hund in der Gosse. Zögerlich bewegte er seine Hand zu seinem Gesicht, rieb seine Augen und öffnete den Mund einen Spalt breit. Sogar das Sprechen fiel ihm schwer. Einen derartigen Kollaps hatte er noch nie erlebt. Es dauerte eine Weile, bis sich sein Umfeld verfestigte und er seine Umgebung wieder wahrnehmen konnte. Das Gesicht seines Bruders strahlte ihm entgegen. Konnte er etwa Tränen erkennen? Warum weinte er? Etwa um ihn? Nach all den Fehlen die er begangen hatte? Sein Blick wanderte umher, dann fixierte er wieder seinen Bruder. Erst jetzt merkte er, dass er seine Hand fest umklammert hielt. „Moki...“ flüsterte er kaum hörbar, es grämte ihn, die schwache Seite seines Ichs zeigen zu müssen. Allen voran aber, schämte er sich. Vor seinem Bruder wollte er immer stark sein. „Ganz ruhig, Seto. Bleib noch etwas liegen, okay?“ „Kann ich... einen Kaffee haben?“ war seine brüchige Antwort, woraufhin er selbst grinste. „Idiot. Du trinkst viel zu viel Kaffee, du musst mehr auf deine Ernährung achten.“ erklärte er vorwurfsvoll und schniefte noch einmal laut, wischte sich energisch die Tränen aus den Augenwinkeln. „Wo... warst du die ganze Zeit?“ fragte der Brünette, versuchte sich nun etwas aufzurichten. Es ging ihm bereits etwas besser. Zu seiner rechten sah er einen Tropf stehen, wahrscheinlich wurde ihm irgendeine Flüssigkeit eingeflößt, damit sein Körper sich wieder erholte. „Ich habe wen getroffen. Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut.“ „Sag doch so etwas nicht...“ murmelte Seto, wurde dann etwas lauter. „Das klingt, als wäre etwas Schreckliches passiert.“ er heuchelte ein Lachen, das täuschend echt klang. „Du hast viel zu wenig getrunken und gegessen. Du arbeitest viel zu viel. Du brauchst eine Pause.“ „Vielleicht...“ war die karge Antwort des Älteren, wieder betrachtete er den Tropf, folgte mit seinem Blick dem Schlauch, der mit einer Nadel in seinem Ellbeuge steckte. Es lief ihm kalt den Rücken runter. Was für einen armseligen Anblick er abgab. Schrecklich, stellte er fest und resignierte. „Kein vielleicht. Der Arzt sagte auch, dass du dich erholen musst!“ „Ich kenne meinen Körper besser als ein Arzt...“ nuschelte er leicht beleidigt. Er und seine Arbeit niederlegen? Dafür hatte er keine Zeit! Bereits jetzt flogen ihm die ganzen Termine im Kopf herum, die er unbedingt einhalten musste, dabei war er erst vor wenigen Minuten wieder zu sich gekommen. „Keine Wiederworte, Seto.“ Die ganze Zeit über hatte Mokuba besorgt an seinem Bett gesessen und seine Hand gehalten. Sein Gewissen quälte ihn und er hatte sich all die Zeit Vorwürfe gemacht. Vermutlich wäre das nicht passiert, wenn er nicht einfach abgehauen und Seto allein die ganze Arbeit hätte machen lassen. Keiner erinnerte seinen Bruder daran, etwas zu essen oder für ein paar Minuten Mal ans Fenster zu gehen und frische Luft einzuatmen. Seto war viel zu verbissen und immer bemüht, seine Arbeiten bis zur Perfektion zu beenden. Menschliche und vor allem körperliche Verlangen blieben dabei meistens völlig auf der Strecke. Eigentlich half Mokuba ihm nur bei seiner Arbeit, um auf ihn Acht zu geben, aber für ihn stand bereits jetzt fest, dass er nicht immer bei ihm bleiben konnte. Immerhin träumte er davon, später eine hübsche Frau zu heiraten und einige Kinder zu haben. Er wollte eine Familie gründen. Nicht heute oder in den nächsten Jahren. Irgendwann einmal. Und dafür musste er seinen Bruder alleine lassen. Aber wie konnte er das, wenn er doch genau wusste, dass sich niemand um ihn kümmerte? Gut, vielleicht mochte es nach Selbstüberschätzung klingen, aber Mokuba hatte das Gefühl, dass Seto ohne ihn nichts auf die Reihe kriegen würde. „Erzähl mir etwas...“ brach Seto auf einmal das Schweigen und der Schwarzhaarige erschrak, als er diese Worte hörte. Wann hatte er sie zum letzten Mal gehört? Verlegen wie ein Schulmädchen, das zum ersten Mal mit ihrem Schwarm sprach, stammelte er vor sich hin. Sollte er ihm erzählen, dass er sich mit Anzu getroffen hatte? Nein, besser nicht. Er würde das wahrscheinlich in den falschen Hals bekommen. Dann ging ihm ein Licht auf. „Na ja, weißt du, Genji sagte, dass du Angst davor hättest, dich gegen Yuugi zu duellieren.“ hoffentlich regte sich Seto nicht zu sehr über diese Lüge auf. „Was?“ grummelte er und sprach weiter. „Wer ist dieser Genji überhaupt? Der hat doch keine Ahnung. Yuugi und ich sind Rivalen, den würde ich jederzeit besiegen können.“ „Aber Genji meinte, dass du dich aus Angst vor Yuugi zurückgezogen hast.“ „Dem werde ich schon noch das Gegenteil beweisen.“ „Stimmt, du bist ein wahrer Duel Monsters Champion.“ Ein Lächeln zierte Mokubas Gesicht. „Ja. Ja, du hast Recht...“ sagte Seto und lachte amüsiert. Yuugis Niederlage wäre die beste Medizin für ihn. Dieser Tropf, an dem er hing, war dagegen nichts! Wenn er es sich recht überlegte, hatte er schon sehr lange kein Duel mehr gefochten und irgendwo vermisste er das Gefühl, wenn er seinen weißen Drachen mit eiskaltem Blick auf das Feld legte und beherzt seinen Gegner angriff. „Du solltest dich wirklich Mal wieder mit Yuugi duellieren. Das Frühlingsfest steht doch an, dann könntest du doch zeigen, dass du es noch immer drauf hast.“ Mokuba klang begeisterter als Seto selbst. Dieser lächelte leicht und machte sich Gedanken, ob er sich einen solchen Spaß, bei seinem straffen Terminplan, überhaupt erlauben durfte. Aber für einen Moment schob er diese Gedanken beiseite. Bei diesem ganzen Gerede über Duel Monsters brannte er geradezu auf ein Duel. Warum also nicht? Kapitel 11: Zweifel und Lust ---------------------------- Es war bereits Abend und draußen dunkel. Erleichtert atmete Jonouchi auf, als er nach Hause kam und er feststellte, dass sein Vater bereits schlief. Vorsichtig schritt er in die Küche, in der einen Hand hielt er eine noch brennende Zigarette und in der anderen eine Flasche Bier. Kurz musste er den Kopf schütteln, als er seinen Vater so sah. Aber genauso schnell fasste er sich, zog ihn langsam die Zigarette weg und rieb die Glut im Aschenbecher aus. Auch die Flasche verstaute er weiter weg von dem Betrunkenen. Eigentlich sollte er diesen Mann hassen, aber auf irgendeine verrückte Art und Weise konnte er es nicht. Dann verließ er das Zimmer und holte eine Decke, legte sie dem Schlafenden über, machte das Licht aus und verschwand in sein eigenes Zimmer. Seine Schuhe, die ihn bis eben einengten, pfefferte er in die nächstbeste Ecke und warf sich auf sein Bett. Unter seinem Gewicht ätzte die Matratze abscheulich auf, so als wünschte sie sich, dass er sich wieder erhob. Doch der Blonde blieb liegen, rieb sich nachdenklich die Schläfen. Seine jüngere Schwester Shizuka sollte über das Wochenende zu Besuch kommen, zumindest hatte sie dies hoch und heilig versprochen. Allerdings hatte sich das Mädchen schon länger nicht gemeldet, was ihm große Sorge bereitete. Was wenn ihre Mutter sie nicht gehen ließ? Ihre Eltern waren geschieden und ihre Bedenken waren durchaus gerechtfertigt. Immerhin war ihr gemeinsamer Vater die meiste Zeit damit beschäftigt, sich eine Zigarette nach der anderen anzuzünden und bei Gelegenheit Bier zu trinken. Auf einmal hörte er das Telefon im Flur, blitzartig richtete er sich auf und rannte zu diesem hin. Vielleicht war es Yuugi oder sogar seine Schwester? „Hallo?“ fragte er mit leicht zittriger Stimme, voller Aufregung und Vorfreude. „Katsuya? Bist du das? Ich bin es, Shizuka!“ eine liebliche und sanfte Stimme meldete sich zu Wort. „Shizuka? Ich freue mich wieder was von dir zu hören! Wie geht es dir?“ „Ganz gut. Und dir?“ fragte sie höflich, eher weniger aus Neugierde heraus. „Mir auch. Sag Mal, wie sieht es jetzt mit deinem Besuch aus?“ „Deswegen rufe ich an. Ich werde morgen gegen Neun Uhr kommen, also wäre es schön, wenn du dann nicht noch schlafen würdest.“ „Klar, für dich stehe ich extra früh auf. Dann bis morgen. Und schlafe gut.“ „Du auch. Wir sehen uns dann. Gute Nacht.“ sagte sie und er war sich sicher, dass sie freundlich lächelte. So wie sie immer lächelte. Voller Güte und Naivität, aber genau das war es, warum er sie so machte. Sie galt es zu beschützen und er würde verhindern, dass sich irgendwer an diesem Engel vergriff. Nun hatte er ihr also versprochen früh aufzustehen, doch durch die eben entstandene Aufregung fühlte er sich gar nicht in der Lage diese Nacht überhaupt zu schlafen. Er hatte ihr so vieles zu erzählen und das Wochenende war viel zu kurz, als dass er ihr alles hätte sagen können, was er auf dem Herzen hatte. Sicher ging es ihr genauso. Zufrieden verschwand er wieder in sein Zimmer, zog sich seine Hose, seine Socken und sein T-Shirt aus. Diese landeten direkt neben den Schuhen. Mit einem breiten Grinsen warf er sich wieder auf sein Bett, starrte die Decke einige Minuten regungslos an. Eine Sache wollte er ihr unbedingt erzählen, doch bisher hatte er noch keinen Plan, wie er sie darauf ansprechen sollte. Wie würde sie reagieren? Würde sie ihn verabscheuen? Welch dummer Gedanke! Shizuka war weltoffen und freundlich, sie akzeptierte die Menschen um sich herum, wie sie waren und machte niemanden Vorwürfe. Trotzdem hatte er Angst vor ihrer Reaktion, wenn sie erfuhr, dass ihr lieber Bruder eine Beziehung zu einem anderen Jungen hatte. Auf keinen Fall wollte er sie enttäuschen und wahrscheinlich glaubte sie noch immer, dass er Gefühle für Mai hatte. Mai Kujaku. Wann hatte er das letzte Mal an sie gedacht? Schon lange hatte er nichts mehr von ihr gehört. Gleich nach der Sache mit Datsu hatte er sie aus den Augen verloren und seitdem hatte er keinen Kontakt mehr mit ihr. In einigen Zeitschriften hatte er ihren Namen gelesen, anscheinend hatte sie sich als Duellantin einen Namen gemacht. Schon immer war sie gut in diesem Spiel und er wusste, dass sie eines Tages vielleicht sogar berühmt werden würde. Nicht viele Frauen begeisterten sich für dieses Spiel und jene, die sich dafür interessierten, gehörten sogar zu den weltbesten Duellantinnen. Vivian Wong oder Rebecca Hopkins gehörten ebenfalls zu diesen. Aber Mai war für ihn besonders. Sie war eine gute und wichtige Freundin und in ihrer Nähe fühlte er sich wohl. Damals wusste er nicht, ob er in ihr nur eine Freundin sah oder ob da vielleicht mehr war. Allerdings hatte er erfahren müssen, dass sie sich mehr von ihm wünschte. Zu diesem Zeitpunkt konnte er ihren Wunsch nach Liebe aber nicht erfüllen und ein wenig bereute er es sogar, dass er diese einmalige Gelegenheit hatte verstreichen lassen. Keine andere Frau war ihm so wichtig wie sie. Er schüttelte den Kopf und legte sich auf die Seite. Warum dachte er gerade jetzt an sie? Er hatte Yuugi. Er liebte diesen. Er war gerne mit ihm zusammen. Ihn zu küssen und zu berühren erfüllte ihn vollkommen, also warum kamen nun diese Erinnerungen in ihm hoch? Verschämt stellte er sich Yuugis entblößten Körper vor, seine zarte Haut, seine langen Wimpern und seine vorsichtigen, gar schüchternen Bewegungen. Yuugi war genauso besonders und er wusste, dass er ihn über alles liebte. Mai war einfach aus seinem Leben verschwunden und er hatte gelernt, weiter zu leben und sie in Frieden zu lassen. Wahrscheinlich hatte sie schon längst keine Gefühle mehr für ihn. Außerdem war sie acht Jahre älter als er. Sie kannte ihn nur als stolzen Duellanten und sie wusste nicht, wie er eigentlich war. Eigentlich kannten sie sich gar nicht so genau. Aber was würde er tun, wenn er sie eines Tages wiedersehen würde? Obwohl sie sich seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hatten, so hoffte er immer noch auf ein Zusammentreffen. Er wollte sich bei ihr entschuldigen. Dafür, dass er sie im Stich gelassen hatte. Und dafür, dass er ihr nicht schon viel früher gesagt hatte, dass er nicht mehr als eine Freundin in ihr sah. Gut, vielleicht hatte er anfangs für sie geschwärmt. Sie war eine reife und gutaussehende Frau und jeder normale Mann, würde sich in ihrem Anblick verlieren. Insgeheim gab er sich tatsächlich die Schuld, dass sie Datsu in die Arme gefallen war. Vielleicht war es seine Aufgabe gewesen sich nach ihr zu erkundigen, dann wäre ein solcher Streit gar nicht erst entflammt. Seit jeher hatten sie sich nicht aussprechen können. Er bereute es, dass diese Freundschaft ein solch jähes Ende genommen hatte. Aber auch glaubte er, dass er nicht den Mut hatte ihr gegenüber zu treten, da sie sich so lange nicht mehr gesehen hatten. Und was würde sie sagen, dass er anstatt sie Yuugi gewählt hatte? Begeistert wäre sie bestimmt nicht. Warum überhaupt machte er sich so viele Gedanken über sie? Langsam aber sicher bekam er ein schlechtes Gewissen. Wenn er so an sie dachte, war es etwas so, als würde er Yuugi betrügen? Aufgebracht packte er sein Kissen und drückte es sich auf sein Gesicht. Er sollte weniger denken. Und vor allem nicht über so komplizierte Sachen. Das einzige, was er davon hatte, waren grausame Kopfschmerzen. Er mochte Yuugi doch, also sollte er die Gedanken an seinen alten Schwarm Mai vergessen. Sie war ohnehin nicht hier und wie wahrscheinlich war es, dass er sie wieder treffen würde? Die Zeit, die er mit Yuugi verbrachte, sollte er genießen und sich nicht in Selbstzweifeln verlieren. Auf der anderen Seite wollte er aber mehr und er wusste nicht, inwieweit Yuugi bereit war, sich ihm zu öffnen. Als Mann hatte er nun einmal auch bestimmte Bedürfnisse und obwohl sie so lange zusammen waren, war es bisher nicht dazu gekommen. Langsam zog er das Kissen wieder von seinem Gesicht herunter und atmete tief ein und wieder aus. Zusammen gebadet hatten sie bereits und einander nackt gesehen hatten sie sich ebenfalls etliche Male. Seufzend legte er das Kissen nun völlig beiseite und setzte sich auf. Gerne würde er Yuugi an sich ran ziehen, ihn leidenschaftlich küssen und ihn ausziehen. Seit Tagen ging ihm immer wieder durch den Kopf, wie es wohl war, wenn er mit Yuugi schlafen würde. Aber er wollte ihn nicht dazu zwingen, er würde so lange warten, wie es nötig war. Und bis dahin wusste er sich selbst zu helfen. Seine rechte Hand wanderte langsam in seine Unterhose und er berührte sein warmes Glied, rieb vorsichtig die empfindsame Spitze, um kurz daraufhin leicht auf zu keuchen. Wie wäre es, wenn Yuugi ihn so berühren würde? Genüsslich schloss er die Augen, lehnte sich leicht gegen das Bettgestell und stellte sich vor, wie Yuugi vor ihm auf die Knie ging. Fest ergriff er seine Männlichkeit, rieb diese langsam und keuchte leise, um seinen Vater nach Möglichkeit nicht zu wecken, erneut auf. Wie wäre es, wenn Yuugi seine Lippen an sein steifes Glied legen und dieses langsam in seinen Mund führen würde? Daran lutschen würde? Er spürte, dass sein Körper sich immer mehr nach der Nähe des Jüngeren sehnte und seine Hand bewegte sich immer schneller auf und ab. Bereits jetzt lief ein durchsichtiges Sekret seine Spitze hinab, ungeachtet dessen, stellte er sich vor, wie Yuugis Gesicht aussehen musste, wenn er ihn so verwöhnen würde. Mit seiner freien Hand berührte er seine Brust, streichelte verlangend seine harten Brustwarzen und wanderte seine Seiten hinab. Bei seinem Oberschenkel angekommen, führte er seine Hand dieselbe Strecke wieder hinauf. Ein Gefühl der Hitze stieg in ihm auf. Wie elektrisiert hörte er sein Herz schlagen und immer wieder stöhnte er leise vor sich hin. Wenn es nach ihm ginge, würde er auf der Stelle mit Yuugi schlafen, ihn verwöhnen, berühren und in ihn eindringen. Vorsichtig würde er sich bewegen, erst langsam, dann immer schneller. Wie würde es klingen, wenn Yuugi hemmungslos und erregt stöhnen und nach mehr verlangen würde? Wie würde sich der Yuugi verhalten, der seine Hüllen fallen lässt und ihn mit Lust begrüßte? Mit einem erstickten Schrei kam er in seiner Hand. Sein Glied zuckte noch mehrere Male, ehe er es losließ und seine Hand wieder aus seiner Unterwäsche hinaus zog. Erst jetzt öffnete er wieder die Augen, das Bild in seiner Phantasie verblasste und er beruhigte sich allmählich. Hart schluckend griff er mit seiner sauberen Hand in seine Schublade und zog ein Taschentuch hervor, mit welchem er seine beschmutzte Hand reinigte. Die gestaute Erregung verflüchtigte sich und er erhob sich, verschwand in das Badezimmer, um sich zu waschen und die Zähne zu putzen. Für ihn war es nicht ungewöhnlich, sich selbst zu berühren. Er war eben ein Mann und für ihn war es selbstverständlich, sich hin und wieder selbst zu befriedigen. Ob Yuugi sich wohl auch, in Gedanken an ihn, berührte? Sein Gesicht nahm auf einmal eine knallrote Farbe an, beschämt schüttelte er den Kopf und versuchte an etwas anderes zu denken. In Kürze würde das Frühlingsfest stattfinden und sie würden gemeinsam dort hingehen. Ihre Freunde würden sie natürlich begleiten, ebenso seine jüngere Schwester, die sich bereits seit einigen Wochen auf dieses Ereignis freute. Die Kirschbäume blühten bereits und ihre rosane Pracht erfreute ganz Japan. Auch in Domino feierte man ein Fest zu diesem Ereignis. Man heißte den Frühling willkommen. Für Jonouchi war es etwas kitschig, aber dennoch konnte er es kaum erwarten, wie sie gemeinsam unter den Kirschbäumen saßen und über die verschiedensten Dinge lachten. Sogar sollten einige Buden aufgebaut worden sein und nach Möglichkeit würde er sich warme Crêpes kaufen. Sicherlich würde es ein schönes Ereignis werden und wenn er so daran dachte, konnte er es kaum erwarten. Das letzte Mal hatte er mit seiner Schwester gemeinsam in den Frühling gefeiert, als sie noch klein und ihre Eltern noch nicht geschieden waren. Aber dieses Fest würde besonders sein. Alle seine Freunde würden dabei sein. Vielleicht ergab sich sogar die Chance den anderen zu erzählen, in welcher Beziehung er wirklich zu Yuugi stand. Anzu wusste es bereits und hatte bisher alles für sich behalten. Nachdenklich legte er seine Stirn in Falten. Das Treffen heute hatte sie einfach abgesagt. Das war überhaupt nicht ihre Art. Normalerweise war sie immer pünktlich und wenn sie sich verabredeten, kam sie immer. Es war noch nie vorgekommen, dass sie nicht erschien, umso mehr erstaunte es ihn, dass sie heute plötzlich etwas anderes vorgehabt hatte. Ob sie eventuell ein Date hatte? So recht vorstellen konnte sich der Blonde das nicht. Immerhin hatte sie vor wenigen Tagen noch Gefühle für Yuugi gehabt oder besser gesagt, geglaubt zu haben. Es war nicht ihre Art sich unüberlegt in die Arme eines anderen Mannes zu werfen. Aber genau konnte er es nicht beurteilen. Jeder Mensch hatte eine andere Seite in sich, die er mit größter Mühe zu verstecken versuchte. So wollte er niemanden seine Schwächen zeigen oder zugeben, dass auch er Zweifel und Ängste hatte. Nur seine Schwester und Yuugi kannten die andere Seite seiner Persönlichkeit. Nur sie hatten hinter seine Fassade geblickt und erkannt, dass der stets lachende und selbstbewusste Jonouchi nur ein Teil von ihm war. Dass er mit seinem albernden Gehabe weitaus mehr ausdrückte, als auf dem ersten Blick zu erkennen war. Ja, viele kannten seine Schattenseite nicht. Kapitel 12: Der Tag des Frühlingsfestes (Teil I) ------------------------------------------------ Es war nun also soweit. Mokuba rieb sich den Schlaf aus den Augen und stand bestimmt auf. Fahrig fuhr er sich mit einer Hand durch seine schwarze Mähne und band diese dann, mit einem orangen Haargummi, zusammen. Sicherlich war Seto bereits wach. Wie jeden Morgen würde er am Tisch sitzen und Kaffee trinken und Mokuba würde ihn dazu zwingen müssen, auch ein Brötchen zu sich zu nehmen. Als er die Tür in den Speisesaal öffnete, wurde seine Vermutung sofort bestätigt. Zu seinem größten Erstaunen, hielt sein Bruder ein halbes Brötchen mit Erdbeermarmelade in seiner Hand. Er musste bereits mehrere Male davon abgebissen haben. Sein Gesicht war noch ganz weiß, aber er konnte erkennen, dass es ihm deutlich besser ging. Auf dem Tisch war die Tageszeitung ausgebreitet, aus der er gerade eben noch gelesen haben musste. Jetzt hob er den Kopf und sah ihn direkt an, lächelte leicht und wünschte ihm einen guten Morgen, welches von dem Schwarzhaarigen erwidert wurde. Seto hatte sich vorgenommen sich gegen Yuugi zu duellieren und Mokuba hatte ihm den Vorschlag unterbreitet, dies beim Frühlingsfest im Domino Park zu tun. Es hatte einige Zeit gedauert, bis Seto zugestimmt hatte. Immerhin hatte sein Bruder keine Lust, dass ihr Duell für die Passanten zu einem Spektakel wurde und noch viel weniger sollten diese glauben, dass er sich oft oder gar gerne unter solchen Menschenmassen befand. Das alles diente nur zu dem Zweck, seine Lust auf ein Duell entgegen zu kommen und eventuell sogar endlich wieder Meister zu werden. Auch wenn manche es kaum glauben konnten, so war Yuugi trotz seines viel zu weichen Charakters und seiner Größe sein ärgster Rivale. Mokuba hatte versprochen sich um alles weitere zu kümmern und auch gab er zu, dass er das Duell gegen Yuugi bereits organisiert hatte. Hatte sein kleiner Bruder das alles etwa geplant? Vielleicht war er den einen Tag sogar nur verschwunden, um mit Yuugi zu reden und dieses geplante Duell in die Wege zu leiten? Diese Antwort gefiel dem Firmenleiter so gut, dass er sich gar nicht mehr die Mühe machte, weiter darüber nachzudenken. So musste es sein. Wie lange war es überhaupt her, dass er sich das letzte Mal gegen Yuugi duelliert hatte? Es waren sicherlich bereits zwei Jahre vergangen. Ihr Kampf war ausgeglichen und für einen Moment hatte es so ausgesehen, als würde der Firmenleiter gewinnen, doch in letzter Sekunde konnte Yuugi das Blatt wenden. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr brannte sein Stolz nach einem neuen Duell, in der Hoffnung, diese pure Lebensfreude, die einst bei ihrem Duellen verspürt hatte, wieder zu haben. Es war nicht so, dass er mit seiner Arbeit unzufrieden war, aber ab und zu gab es tatsächlich Momente, wo er sich nach diesen Tagen aus seiner Kindheit sehnte. Während die beiden Brüder zusammen frühstückten, verloren sie kaum ein Wort und es war still zwischen ihnen. Erst als sie aufgegessen hatten und sich erhoben, brach Mokuba die Stille, indem er erklärte, dass sie sofort in den Domino Park aufbrechen sollten, wenn sie noch einen guten Platz erhaschen wollten. So ganz verstand der Brünette das nicht, aber er nickte und folgte seinem jüngeren Bruder. Für einen kurzen Moment überschlich ihn das Gefühl, als hätte Mokuba weitaus mehr arrangiert als ein einfaches Duell. Da er aber keine Lust hatte diesen Tag mit solchen negativen Gedanken zu beginnen, ließ er sämtliche Zweifel hinter sich. Gemeinsam verließen sie somit das Anwesen und bewegten sich auf eine etwas kleinere schwarze Limousine zu, vor der Isono bereits wartete. Als er die beiden Brüder erkannte, verbeugte er sich ehrfürchtig und öffnete die Wagentüre, damit beide einsteigen konnten. Konzentriert setzte er sich auf seinen Fahrerplatz und startete den Wagen. Sein Blick schweifte zum Rückspiegel und für einen Moment konnte er sehen, dass sein Vorgesetzter Kaiba-sama nervös zu sein schien. Aber obwohl er ein so treuer Diener war, traute er sich nicht nach dem Grund zu fragen. „Isono-san. Ich...“ begann Seto und schluckte einmal hart. Alle Insassen richteten nun ihre Blicke auf ihn. „...möchte mich entschuldigen. Es war nicht in Ordnung Sie so anzufahren. Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an.“ Der Brünette konnte einen dicken Kloß in seinem Hals spüren und wenn er es nicht besser wüsste, so glaubte er ein freudiges Lächeln auf den Lippen seines Fahrers zu erkennen. Jauchzend stieß dieser ein 'Aber natürlich, Kaiba-sama!' hervor und fuhr los. Etwas angespannt legte der Ältere der Brüder ein Bein über das andere und verschränkte die Arme. Schämte er sich? Er wusste es nicht. Noch nie hatte er sich bei jemanden für sein Verhalten entschuldigt und er konnte nicht sagen, ob sein Gewissen nun bereinigt war oder nicht. Aber er fühlte so etwas wie Erleichterung in ihm aufkeimen. Vorsichtig, damit sein Bruder sein Handeln nicht erkannte, linste er zu diesem. Auch dieser lächelte und seine Augen schienen voller Vorfreude zu glänzen, als er aus dem Fenster blickte. Dieser Zusammenbruch hatte wohl weitaus mehr zwischen ihnen geändert, als er selbst geglaubt hatte. Sein lieber Bruder hatte seit einem gefühlten halben Jahr nicht mehr gelächelt und nun, wo er diesen so glücklich sehen konnte, fühlte er sich auf seltsame Art und Weise befreit. „Anzu-chan!“ hörte die Brünette die Stimme ihrer Mutter, die vor ihrer Tür stand und etwas von ihr wollte. Hastig riss das junge Mädchen die Tür auf, in ihren Augenwinkeln waren Zeichen von Tränen zu erkennen und auf ihrem Bett lag ein rosaner Kimono. „Was willst du? Ich habe es echt eilig!“ fauchte sie und rannte zu ihrem Schrank. Warum musste sie auch ausgerechnet heute verschlafen? Und das schlimmste war, dass ihr Kimono nicht mehr passte und an wirklich jeder erdenklichen Stelle ziepte und kniff. Gut, jede Frau, die einen großen Busen hatte, wusste ganz genau, wie eng ein Kimono sein konnte, aber sie hatte ganz vergessen was für eine Qual es bereits das letzte Mal war, diesen zu tragen. Wütend hatte sie diesen auf ihr Bett geschmissen und suchte nun nach irgendwelchen alternativen Klamotten, die ebenfalls gut aussahen. Eine sanfte Röte war auf ihren Wangen zu erkennen. Nicht, dass es ihr besonders wichtig war, aber irgendwie wollte sie die beiden Kaiba Brüder beeindrucken. Vor allem den Älteren. Dieser hatte sie bisher wohl nur als nervtötende Göre gesehen und sie wollte ihm beweisen, dass sie weitaus mehr war. Sie war bereits eine junge Frau und durchaus kein Kind mehr. Obwohl die beiden sich dauernd mit heißen Wortgefechten während ihrer Schulzeit missten, konnte sie den Gedanken nicht ertragen, dass er sie nicht als ebenbürtig anerkannte. „Deine Freunde warten bereits, meine Liebe. Lass sie nicht zu lange warten.“ seufzte ihre Mutter, schloss die Tür und stieg wieder die Treppen herab. Enttäuscht berichtete sie den Wartenden, dass sie noch ein wenig Zeit brauchte. Aber diese lächelten nur und erklärten, dass sie Verständnis dafür hatten. Nachdenklich hob Shizuka ihre Hand vor den Mund, es schien als würde sie über etwas grübeln. Gerade als ihr großer Bruder sich zu ihr beugen wollte, wurde er gewaltsam von Honda weg gedrängt. Dieser nahm mit größter Sorgsam ihre Hand in die seine und fragte sie, was sie bedrückte. Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem leicht verschämten Lächeln, antwortete das junge Mädchen, dass alles in Ordnung sei. Aber innerlich beneidete sie Anzu etwas. Sie sah immer gut aus und sie war sich sicher, dass wenn sie die Treppe herunter kam, sie wie ein Engel aussehen würde. Würde sie einen Kimono tragen oder alltägliche Klamotten? Keiner aus ihrer Gruppe hatte einen Kimono angezogen. Shizuka war etwas enttäuscht, aber sie hatte es akzeptiert. Mal ganz davon zu schweigen, dass sie ihren nicht mitgenommen hatte. Das rosane Kleid, welches sie trug, sah aber auch gut aus. Dennoch fragte sie sich, wie sehr sich Anzu verändert haben musste. Dann kam diese herunter gerannt, überhaupt nicht elegant oder überlegt. Keuchend blieb sie vor ihren Freunden stehen und entschuldigte sich förmlich. Unerwarteterweise trug sie ganz normale Kleidung. Ein weißes Ärmelloses Oberteil, welches ihren großen Busen prall und gut geformt erschienen ließ, einen schwarzen Faltenrock und braun-rötliche, hohe Schuhe. Shizuka konnte nicht leugnen, dass sie mehr erwartet hatte. Aber sie sagte nichts. Immer noch bewunderte sie sie und begrüßte sie mit Respekt. Zusammen bewegten sie sich auf den Domino Park zu. Rebecca und Ryou liefen weiter hinten und hielten sich aus sämtlichen Gesprächen raus. Die Blonde fühlte sich nicht wohl, wie sie hier mit ihren Freunden durch die Straßen wanderte und ihrem Ziel immer näher kamen. Bisher hatte sie sich am besten mit Yuugi verstanden und jetzt, wo dieser scheinbar in so weite Ferne gerückt war, fühlte sie sich etwas fehl am Platz. Eigentlich war immer Yuugi der Drahtzieher und mit den anderen konnte sie eigentlich nicht soviel anfangen, was wahrscheinlich eher daran lag, dass sie bisher kaum die Möglichkeit oder besser gesagt das Verlangen dazu hatte, die anderen kennen zu lernen. Mit Anzu hatte sie sich noch nie gut verstanden. Die Differenzen zwischen ihnen waren einfach zu groß und außerdem hatte Rebecca auch nie das Verlangen gehabt, sich näher mit dem brünetten Mädchen zu befassen. Früher machte es sie fuchsteufelswild zu wissen, dass sie immer in Yuugis Nähe sein konnte. Aber jetzt im Moment war ihr alles egal. Morgen müsste sie bereits ihre Sachen packen, damit sie in der nächsten Woche vorbereitet nach Amerika zurückfliegen konnte. Wahrscheinlich würden die anderen sie verabschieden. Ihre Gefühlswelt spielte verrückt. So sehr hatte sie sich eingebildet, dass ihre Liebe zweiseitig war, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass Yuugi nie Interesse an ihr gehabt hatte. Sie seufzte. Als sie auf einmal eine warme Hand auf ihrer Schulter spürte, hob sie fragend den Kopf und blickte direkt in Ryous sanfte Haselnussbraune Augen. Etwas verwirrt lächelte sie. „Du hast es nicht gewusst, oder?“ flüsterte er und deutete mit einem Finger auf Jonouchi und Yuugi, die vor ihnen gingen. Sie lachten amüsiert und der Blonde zog angeheitert Grimassen, die Honda erwiderte. Auf diese Weise hatten sie die anderen schon oft zum lachen gebracht. „I-ich weiß gar nicht was du meinst...“ sagte sie und drehte den Kopf weg. „Tu doch nicht so.“ lachte er und knuffte sie in die Seite. „Willst du damit sagen, dass du es gewusst hast? Die ganze Zeit über?“ missmutig hob sie eine Augenbraue und musterte den Weißhaarigen. „Ich habe es gespürt. Selbst gesagt hat es mir keiner von beiden.“ „Und wieso bist du dir dann so sicher?“ „Hm... nennen wir es doch einfach Instinkt.“ daraufhin lachte er und kratzte sich am Hinterkopf. „Du bist ein komischer Kauz.“ erwiderte sie und wand ihren Blick wieder nach vorne. „Das höre ich oft.“ lachte Ryou amüsiert und schwieg daraufhin wieder. Er selbst kannte die Blonde noch gar nicht so lange. Vor einem Jahr wurde das Mädchen ihm zum ersten Mal vorgestellt. Ob er sich mit gut verstand oder nicht, konnte er nicht sagen, da er allgemein eher zur ruhigen Sorte gehörte und sich selten einmischte. Im Gegenzug erkannte er offensichtliche Dinge weitaus schneller als die anderen. So war es ihm seit geraumer Zeit klar gewesen, dass Jonouchi und Yuugi etwas füreinander empfinden mussten. Vielleicht nannten ihn andere wegen dieser Art von Auffassungsgabe einen Voyeur, er selbst sah sich aber eher als stillschweigenden Beobachter. Im Dominopark angekommen, musste die Gruppe schnell feststellen, dass sich bereits viele Leute hier versammelt hatten. Besonders die Plätze unter den Bäumen waren besetzt. Enttäuscht liefen sie durch die Menge, gerade als sie aufgeben wollten und sich einen Platz in der Nähe des Ausgangs ausgesucht hatten, sahen sie Otogi, der ihnen von weiten zuwinkte. Er hatte einen großen Platz unter einem Baum in der Nähe des künstlich angelegten Sees freigehalten. Freudig setzten sich die anderen dazu und begannen aufgeregt mit einander zu reden. Honda war stinksauer, da er nicht die Möglichkeit gehabt hatte, sich im selben Licht vor Shizuka zu präsentieren. Obwohl diese nichts von diesem Gezank mit bekam, kicherte sie verhalten, als die beiden sich, wie zwei um ihr Revier streitenden Gorillas, gegenüber standen. Nach nur wenigen Minuten verschwand Anzu mit einer Entschuldigung und suchte aufgeregt die Umgebung ab. Sie versuchte Mokuba und seinen älteren Bruder in der Menge zu erkennen. Da sie keinen von beiden sehen konnte, ging sie in Richtung Ausgang und hielt weiterhin nach ihnen Ausschau. Bei all den Leuten wäre es ein Leichtes sich zu verpassen. Wenn Seto auf Yuugi stoßen würde, wäre Yuugi sicherlich überrascht. Anzu hatte ihn nicht in ihren Plan eingewiesen und sie war sich sicher, dass ein voreiliges Aufeinandertreffen der beiden zu Verwirrung führen würde. Langsam wurde sie richtig nervös. „Hey, Kleine!“ ein harter Griff um ihr Handgelenk zwang sie dazu sich umzudrehen. Sie wollte sich losreißen, hatte jedoch keine Chance. Ein betrunkener Mann, ungefähr mittleren Alters, hatte sie fest im Griff und es hatte auch nicht den Anschein, als würde er sie so schnell loslassen wollen. Sein Atem roch verdächtig nach Alkohol und erst jetzt erkannte Anzu, dass er in seiner anderen Hand ein fast leeres Sakeschälchen hielt. Grimmig ging sie einen Schritt zurück und zerrte den Mann dabei auf die Füße, der sich eindeutig in ihr verguckt hatte. „Lassen Sie mich gefälligst los.“ zischte sie und verengte die Augen zu Schlitzen. Im nächsten Moment spürte sie eine kalte Hand, die grob ihren Oberschenkel hoch fuhr. Ihre erste Reaktion war zu schreien und genau das tat sie auch. Aber in dieser riesigen Menschenmasse, die alle aufgebracht durcheinander plapperten, hatte sie wahrscheinlich keiner gehört. Einige Männer hatten sich umgedreht, jedoch im selben Moment wieder den Blick abgewandt. Unfassbar! Hatten diese Männer denn keinen Anstand? Mit größter Mühe schüttelte sie den anderen Mann ab, der dann mit einem dumpfen Geräusch am Boden ankam. Dieser war genauso betrunken wie der andere. Entnervt rollte sie mit den Augen. War ja klar, dass die Älteren dieses schöne Frühlingsfest nur als Anlass zur Besäufnis sahen. „Jetzt komm schon, Süße.“ lachte der fremde Mann und zog sie am Handgelenk zu sich näher. Angewidert keuchte Anzu und versuchte sich loszureißen, doch sein Griff war zu stark. Ein weiteres Mal wollte sie schreien, doch ehe es dazu kam, konnte sie eine vertraute Wärme spüren, die sie nach hinten riss. Mit größter Verwunderung betrachtete sie ihren Retter. Es war tatsächlich Seto, der sie aus den Fängen dieses ekelhaften Monsters befreit hatte. Der Betrunkene fiel taumelnd zu Boden, als Seto ihn schubste. Arrogant und kühl wie immer blickte er auf die Kreatur herab. Für einen winzigen Augenblick glaubte Anzu, dass er aussah wie ein zufriedener Jäger, der seine Beute erlegt hatte. Schnell verwarf sie diesen Gedanken wieder und konzentrierte sich auf die Situation. Erst jetzt merkte sie, dass Mokuba neben ihr stand und ihre Hand hielt. Sie errötete leicht und langsam trennten die beiden sich wieder voneinander. Keiner sagte etwas. Es war ruhig zwischen den Dreien. Nur das laute Gerede der Menschen herum war zu hören. Die taffe Brünette fühlte sich wie in Trance. Wenn sie genau darüber nachdachte, hatte Seto sie schon wieder gerettet. Beim letzten Mal hatte sie nicht die Gelegenheit dazu gehabt, sich zu bedanken und jetzt war sie noch viel zu geschockt, als dass sie überhaupt richtig realisieren konnte, was genau geschehen war. Perplex sah sie den Großgewachsenen an. Als Mokuba sie ansprach, erwachte sie und blickte ihn fragend an. Zweimal blinzelte sie, dann flüsterte sie leise, um die Situation zu erfassen die Namen der beiden Brüder. „K-kaiba-kun...“ fing sie an. Ihre Beine zitterten noch immer aufgrund des Schocks. „Wo ist Yuugi?“ fragte er und wand den Blick von ihr ab. Anzu wusste nun gar nicht mehr wie sie reagieren sollte. Erst rettete er sie und dann sagte er so etwas? Trotzdem glaubte sie, so etwas wie Besorgnis in seinen Augen gesehen zu haben. Hatte er Angst um sie gehabt? Hatte er sie etwa gerettet, weil er ihr helfen wollte oder war etwa Mokuba wieder derjenige, der ihn dazu gebracht hatte? Dieser stand immer noch neben sie und lächelte sie ermutigend an. Er wirkte genauso geistesabwesend wie sie, doch im Gegensatz zu ihr, fasste er sich wieder. Mokuba legte nun einen Arm um sie und zu Dritt machten sie sich auf den Weg zum kleinen See, an dem auch die anderen saßen. Seto wurde ungeduldig und das Mädchen war sich sicher, dass der sonst so abwesende und skrupellose Firmenleiter sich bei all den Menschen nicht wohl fühlte. Das hier war nicht seine Welt. Umso schmerzhafter wurde es für sie, als sie verstand, dass Seto nie die Gelegenheit gehabt hatte, jemals auf ein solches Fest zu gehen. Trotz des Zwischenfalls vorhin, mochte Anzu Volksfeste wie diese. Sie versprühten Wärme und Zugehörigkeit. Etwas, das Seto nur selten in seinem Leben erfahren durfte. Wieder musste sie an seine Kindheit denken und sie war sich nicht sicher, ob es richtig war ihn zu bemitleiden. Nichts anderes hasste er mehr als Mitleid. Das wusste sie, also bezeichnete sie die Gefühle, die sie ihm entgegen brachte, viel lieber als Mitgefühl. Nun andere würden wohl sagen, dass es sich exakt um dasselbe handelte, aber sie war da anderer Meinung. „Seto, schau Mal! Da vorne gibt es Crêpes!“ „Na und? Ich bin hier um mich gegen Yuugi zu duellieren. Nicht um mir Fast Food zu kaufen.“ entgegnete Seto seinem jüngeren Bruder. „Ich hole uns was und ihr beiden wartet hier, okay? Nicht, dass wir uns aus den Augen verlieren.“ ohne auf Setos Reaktion zu warten oder gar auf sein negatives Kommentar zu achten, lief der Schwarzhaarige los und ließ die beiden zurück. Etwas unsicher versuchte Anzu dem CEO direkt ins Gesicht zu sehen, als dieser ihr Vorhaben erkannte, schenkte er ihr einen kühlen Blick, der sie von ihrem Handeln abhalten sollte. Doch Anzu kannte diesen Blick bereits zu gut. Auch wenn er keine Lust hatte nun mit ihr zu reden, so wusste sie ganz genau, wie sie ihn dazu brachte, etwas zu sagen. In der Schule sprach sie oft mit ihm und versuchte ständig ihn in die Gespräche einzubauen und nach all der Zeit hatte er sich langsam daran gewohnt, dass sie immer wieder seine Nähe suchte. „Kaiba-kun... uhm... vielen Dank.“ „Für was?“ fragte er und sah sie an. Ihre Wangen hatten eine zarte Röte angenommen und ihre großen, blauen Augen wirkten noch klarer als sonst. Nicht, dass Seto sich für solche Details interessierte, aber jetzt fiel ihm auf, dass sie ein wirklich hübsches Gesicht hatte. „Na, dafür dass du mich gerettet hast! Und auch für damals.“ „Damals? Das war nichts. Dafür brauchst du dich nicht bedanken.“ etwas verlegen und rot um die Nase vermied er es sie anzusehen. „Doch. Du hast deine geliebte Karte benutzt, um mich zu retten. Wie könnte ich dir nicht dankbar sein? Ich weiß, dass das sehr spät kommt, aber ich wollte dir das die ganze Zeit über sagen. Ich hatte bereits ein schlechtes Gewissen und geglaubt, dass du mich für undankbar hältst.“ „Ich hätte dich ja schlecht sterben lassen können, oder?“ „Hättest du denn um mich getrauert?“ ihre Lippen formten ein breites vielsagendes Grinsen. „Was? Wie kommst du jetzt darauf?“ auf einmal wirkte Seto nicht mehr so ruhig und gefasst. Und Anzu kicherte leise vor sich hin. Er gab es nicht zu, aber es hätte es sich nicht verzeihen können, wenn sie an diesem Tag ihr Leben verloren hätte. Eigentlich war er nicht der Typ für schlechtes Gewissen, aber irgendwo hatte er sich selbst schuldig gefühlt. Wenn er das Turnier besser organisiert hätte, hätten solche gefährlichen Menschen niemals teilgenommen und eine solche Situation wäre nie zu Stande gekommen. Als er an diese Ghoul Hunters dachte, wurde ihm erneut bewusst, was für ein Fehler es war, sie nicht kontrolliert zu haben. Egal wie sehr er diese Fehlentscheidung bereute, es brachte nichts, wenn er sich nun Gedanken darüber machte. „Na los, sag die Wahrheit. Oder traust du dich etwa nicht?“ ihre Haare fielen über ihre Schulter, als sie ihren Kopf vorsichtig zur Seite wiegte. „Du willst also eine ehrliche Antwort? Es wäre mir egal gewesen!“ sagte er und verschränkte die Arme. „Ich sehe doch, dass du lügst, Kaiba-kun. Na komm, ich verrate es auch keinem.“ „Du lässt mich nicht in Ruhe bis ich dir eine Antwort gebe, die dich zufrieden stellt, oder?“ „Darauf kannst du wetten!“ sagte sie triumphierend und stemmte die Hände in die Hüften. „Gut, ich wollte dich nicht sterben lassen. Und ja, ich hätte es mir ein Leben lang vorgeworfen.“ begann er und sprach dann weiter. „Zufrieden?“ „Ja, mit der Antwort kann ich durchaus leben.“ dann faltete sie die Hände zusammen und lächelte ihn an. Für einen Moment schoss Seto das Wort „Süß“ durch den Kopf, doch genauso schnell verwarf er es und versuchte wieder ernst und finster drein zu blicken. So einfach würde er es ihr nicht machen! Und warum überhaupt gab er sich mit ihr ab? Sein Ziel war Yuugi und ein Duell, um dieses Feuer in ihm zu löschen. Aber von einem anderen Blickwinkel betrachtet, fand er es gar nicht Mal so schlimm, hier mit ihr zu stehen und mit ihr zu reden. Innerlich resignierte er. Es gab ihm ein Gefühl von Erfüllung, wenn er die Gelegenheit hatte, mit ihr über diverse Themen zu streiten und am Ende als Gewinner hervorzugehen, allerdings war er nicht sicher, ob man dieses Gefühl als Glück bezeichnen konnte. Recht überlegt, kannten sie sich gar nicht. Er war Yuugis Rivale und sie war zufällig seine beste Freundin. Unter anderen Umständen wären sie sich niemals begegnet. Und doch freute er sich, wenn er sich mit ihr messen konnte. „Mokuba braucht aber ganz schön lange...“ seufzte Anzu und beugte sich leicht vor, in der Hoffnung ihn so besser sehen zu können. Wahrscheinlich hatten viele Besucher des Festes dieselbe Idee und wollten sich ebenfalls Crêpes kaufen. Die Brünette hopste von einem Bein auf das andere. Nicht, dass es ihr unangenehm war mit dem Älteren der Kaibas hier zu stehen und zu warten, aber sie konnte spüren, dass diesem diese Situation nicht gefiel. Das Wissen, das ihm diese Lage nicht gefiel und er sich vermutlich auch noch über sie ärgerte, ließ sie nervös werden. Auch der strahlend blaue Himmel und die einzeln herumfliegenden Kirschblüten, die vom Wind verweht wurden, machten es nicht besser. Setos Saphir-blaue Kristalle stierten geradezu gefährlich auf sie herab und sie spürte, dass es ihr eiskalt den Rücken runter lief. Da er sie ansah, blieb sie unaufgefordert stehen und fasste sich. Dieser Mann war niemand vor dem man sich fürchten musste. Nichts desto trotz konnte sie dieses beklemmende Gefühl, das sich in ihrer Magengegend breit machte, nicht ignorieren. Eventuell war es besser, wenn sie wieder ein Gespräch miteinander anfingen, selbst dann, wenn Seto nur lustlos vor sich hin druckste. „Sag Mal, wie ist denn eurer Geschäftstreffen verlaufen? Sicherlich gut, nicht wahr?“ „Ich wüsste nicht, was dich das anginge.“ er schüttelte leicht den Kopf und verlagerte das Gewicht auf das andere Bein. „Entschuldige. Ich wollte dir nicht zu nahe treten...“ nuschelte Anzu und senkte verschämt den Kopf. Einen noch schlechteren Anfang hätte sie gar nicht machen können... „Schon gut. Wie geht es deiner Verletzung? Alles gut verheilt?“ „Ja, alles wieder in Ordnung. Und nochmals danke. Ohne euch wäre ich echt aufgeschmissen gewesen.“ sie wusste dass sie genauso edel wirkte wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte. „Hmpf. Mokuba wollte dir helfen. Also bilde dir nicht zu viel drauf ein.“ „Du kannst echt ein Arschloch sein, weißt du das eigentlich?“ sagte sie mit engelsgleichem Ton und falschem Lächeln. „Das fasse ich als Kompliment auf.“ „Schön, wenn es so angekommen ist.“ sagte sie und zwinkerte ihm gehässig zu. Sie hätten noch den ganzen Tag so miteinander reden können, wenn Mokuba nicht einfach rein geplatzt wäre und beiden ihren Anteil gebracht hätte. Nach dieser Konversation war Anzu sich nicht sicher, ob sie überhaupt noch großartig Lust hatte, sich weiter mit ihm zu befassen. Langsam verstand sie, warum Mokuba sich so von der Art seines Bruders gestört fühle. Um ehrlich zu sein, war sie nicht verletzt. Sie fühlte sich auf eine gewisse Art gedemütigt. Sie wollte nur ein einfaches, nettes Gespräch eröffnen und er lässt jegliche Freundlichkeit von ihm abprallen wie Wassertropfen. Ein schönes Gefühl war das nicht. Aber eigentlich war sie das ja bereits von ihm gewohnt. Er war schon immer so eigenartig und unfreundlich gewesen. Auch ihr gegenüber. Aber für sie war dieser Tag besonders und es gefiel ihr überhaupt nicht, dass er versuchte ihr die Laune zu verderben. Missmutig schielte zu ihm, als sie ihren Weg fortsetzen. Er schien nicht vorzuhaben seinen Crêpes zu essen, viel eher hielt er es in der Hand um es erkalten zu lassen. Was für eine Verschwendung, stellte Anzu fest. „Du solltest deinen Crêpes essen. Sie schmecken gut. Und vielen Dank, Mokuba.“ „Ach was, nicht der Rede wert.“ grinste der Schwarzhaarige und kaute genüsslich weiter. „Willst du mir nun sagen, was ich zu tun und zu lassen habe?“ kam es vom Brünetten. „Nun, es wäre doch eine Verschwendung es einfach wegzuwerfen, meinst du nicht?“ „Worauf willst du überhaupt hinaus?“ Keiner blieb stehen, stur gingen sie weiter ihren Weg und kämpften sich durch die Massen an Leuten, die ihre Decken am Boden ausgebreitet und sich auf diese gesetzt hatten. „Ich weiß nicht. Was denkst du denn, was ich meine?“ sie grinste hämisch und gönnte sich einen Bissen. „Ist das eine rhetorische Frage?“ er grinste triumphierend zurück. Dieses Spiel würde sie nicht gewinnen können. Nicht gegen ihn. „Jetzt hört doch Mal auf!“ warf Mokuba ein und beschleunigte seinen Schritt. Was war in seinen Bruder gefahren? „Iss einfach, dann bist du gestärkt für dein Duell gegen Yuugi.“ erklärte Anzu und schloss sich Mokuba an. Wieso klopfte ihr Herz so schnell wenn sie mit ihm sprach? Sie sollte besser nicht daran denken. Sie konnte nicht so recht erklären warum, aber dieses Grinsen eben, hatte sie in seinen Bann gezogen. Wenn Mokuba sich nicht eingemischt hätte, dann hätte sie ihn immer weiter herausgefordert, nur um dieses Grinsen sehen zu können. Es wirkte so schön auf seinem markanten und schmalem Gesicht. Und seine Saphir-blauen Augen unterstrichen dies sogar auf eine malerische Art. Was dachte sie da überhaupt für einen Unfug? Eigentlich wollte sie Seto doch beweisen, dass sie kein kleines, dummes Mädchen war und stattdessen hatte sie sich auf sensationelle Weise blamiert. Es war nicht Aufmerksamkeit die sie sich von ihm wünschte, sondern Respekt. Nun, vielleicht schwang ersteres doch ein klein wenig mit. Zugeben würde sie das aber bestimmt nicht. Aber sie konnte auch nicht abstreiten, dass es für sie ein schönes Gefühl war, in seinem Mittelpunkt zu stehen. „Da vorne ist es.“ Anzu deutete mit einem Fingerzeig auf ein kleines Plätzchen unter einem Baum nahe des Sees. „Ich sehe Yuugi aber nicht.“ erklärte Seto und blieb stehen. Anzu konnte nicht sagen ob er enttäuscht war oder nicht. „Wir sollten uns erstmal dazu setzen.“ warf Mokuba ein und lief den Anderen lachend entgegen. Sichtlich verärgert folgte Seto seinem kleinen Bruder, er erwiderte nichts, als die Anderen ihn mit größten Erstaunen ansahen und einige Fragen hatten. Nun war der Ältere der Brüder leicht verwirrt. Hatte Mokuba nicht gesagt, dass er das Duell bereits arrangiert hatte? Warum also waren diese Hohlköpfe so erstaunt über sein Auftauchen? Anzu stellte sich neben ihn und flüsterte ihm etwas zu, was ihn scheinbar beruhigte. Fortsetzung folgt... Kapitel 13: Der Tag des Frühlingsfestes (Teil II) ------------------------------------------------- „Yuugi! Endlich sehen wir uns wieder!“ Angesprochener drehte sich sofort um und wich einige Schritte zurück. „Haga.“ hauchte er nur und fasste sich wieder. Was wollte er von ihm? „Ich verlange auf der Stelle eine Revanche!“ „Tut mir Leid. Mir ist nicht nach einem Duell. Ein andern Mal vielleicht.“ mit diesen Worten drehte er sich um und wollte weiter gehen, wurde jedoch gehindert. „Du auch? Ryuzaki? Ich habe keine Lust mich mit euch zu duellieren, also lasst mich in Frieden.“ Er schob sich an Ryuzaki vorbei, doch dieser griff nach seinem Handgelenk und zog ihn zurück, auf der Stelle verlor Yuugi das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Fassungslos sah er den Jungen mit der Mütze an, der ebenfalls einiges gewachsen war und ihn sogar überragte. Haga war genauso groß wie er selbst und sie waren nach wie vor auf Augenhöhe. Wie immer trugen sie ihre gewohnte Kleidung, nur leicht verändert. Während Haga sogar die Haare genauso wie damals trug, hatte sich die Länge von Ryuzakis Haaren geändert. Sie reichten ihn nur noch bis zur Schulter. Ohne irgendetwas zu erwidern, erhob sich der Bunthaarige wieder und klopfte sich den Staub von den Kleidern. Da er die beiden von früher kannte, hatte ihn dieses Benehmen überhaupt nicht geschockt. Er hatte sogar von Anfang an geglaubt, dass Ryuzaki ebenfalls in der Nähe sein musste. So sehr sie auch sagten, sich nicht leiden zu können, so waren sie doch immer zusammen. Sie konnten nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander. Nun musterte Yuugi Ryuzaki. Eine kurze Zeit lang war es still zwischen ihnen. „Ich sagte ich werde mich heute nicht duellieren. Ende der Diskussion.“ kam es entschlossen vom amtierenden Weltmeister in Duel Monsters. „Tja, sieht aber nicht so aus, als würdest du hier eher weg kommen.“ Ryuzaki grinste. „Dein Deck hast du ja scheinbar auch dabei.“ Haga deutete auf Yuugis umgehängten Gürtel. Diesen hatte er auch im Battle City Turnier getragen und dort seine Karten aufbewahrt. „Wollt ihr mich etwa zu einem Duell zwingen?“ Yuugi legte den Kopf schief und beobachtete den Dinosaurier Freak, welcher sich nun auf ihn zu bewegte und nur eine Armlänge von ihm entfernt stehen blieb. „Zum Beispiel. Das es uns so dreckig geht, ist allein deine Schuld!“ „Ist es das? Wie wäre es, wenn ihr euch endlich andere Gegner sucht und nicht dauernd mich herausfordert?“ „Halt's Maul! Als unbekannter Duellant interessiert es doch niemanden wenn man irgendwen schlägt! Du bist der einzige, der einen Wert hat!“ wütend legte er seine Hände auf die Schultern des Kleineren und drückte diese fest. Aber Yuugi schreckte nicht zurück. Unsicherheit und ein wenig Mitgefühl bebten in ihm, allerdings hatte er nicht vor nachzugeben. Was er sagte, stimmte. Nach wie vor war es für ihn aber kein Grund sich zu einem Duell gegen sie zwingen zu lassen. Früher hätte er zugesagt und sich einschüchtern lassen. Aber auch er war älter geworden und an seinen Erfahrungen gereift. Zögerlich, dann bestimmt, hob er eine Hand und befreite sich aus dem Griff. Im selben Moment kam Haga auf ihn zu, um ihn vom Gehen abzuhalten. Erst jetzt sah Yuugi, dass dieser seine Brille abgelegt hatte und sein Gesicht schmaler und zum Teil sogar männlicher wirkte. Offensichtlich hatten auch die beiden sich geändert. Sie waren etwas weiter entlegen von den Menschenmassen und Yuugi war sich sicher, dass niemand von dieser Sache hier mitbekam. Deswegen mussten die beiden auch hier auf ihn gelauert haben. Seto sah zufrieden aus, nachdem Anzu ihm etwas zugeflüstert hatte. Yuugi kommt gleich, bestimmt ist er sich nur Mal die Beine vertreten gegangen, hatte sie gesagt. Mehr musste sie gar nicht sagen, damit er sich beruhigte und sich nicht weiter äußerte. Auch sie musste aber zugeben, dass es komisch war, dass Yuugi noch immer nicht wieder hier war. Der Blonde aus ihrer buntgemischten Truppe erhob sich und machte sich davon. Er hatte kein Wort verloren, aber sie war sich sicher, dass er nach ihren Freund suchen würde. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde die Brünette ungeduldiger. Was wäre wenn ihr Plan nicht funktionierte. Was wäre, wenn Seto erfuhr, dass das alles ein Plan war, nur um ihn von seiner Arbeit abzulenken? Furcht zog in ihr auf und sie schüttelte sich leicht. Seto war ein brillanter und ansehnlicher Firmenleiter, er würde das alles nicht als kleinen Spaß unter Freunden werten, viel eher, würde er sich aufregen und noch wahrscheinlicher, einfach gehen und sie alle zurücklassen. Das musste sie verhindern. Warum musste sie das denn? Wollte sie Mokuba einen Gefallen tun oder war es mittlerweile ihr eigener Wunsch Seto aus seiner eigenen Isolation zu befreien? Sie selbst kannte die Antwort nicht. Oder verschloss sie die Augen vor der Wahrheit? Etwas verträumt ging sie in Richtung des kleinen Sees und ging in die Hocke, als sie hinein blickte, konnte sie einige Fische darin schwimmen sehen. Dieser Anblick beruhigte sie. Für einen Moment war alles um sie herum vergessen. Ohne vorher Anstalten darauf gemacht zu haben, bewegte sich nun auch Seto. Sie versuchte in seinem Blick erkennen zu können, was er dachte. Ungeduld war auf seinem Gesicht geschrieben. Die anderen aus ihrer Gruppe waren mit Mokuba in ein Gespräch vertieft und es schien, als hätten sie alle ihren Spaß. Nur Seto war angespannt. Langsam erhob sie sich aus der Beuge und setzte sich dann neben Mokuba. Noch immer stand Seto und versuchte irgendwo Yuugi sehen zu können. „Seto, setz dich doch Mal dazu!“ entgegnete Mokuba, doch Angesprochener erwiderte nichts. Für ihn gab es keinen Grund sich dazu zu setzen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Ja, ihn überschlich sogar das Gefühl, dass Yuugi nichts von diesem arrangierten Duell wusste. Immerhin kannte er Yuugi und in dieser Hinsicht war er gewissenhaft und zuverlässig. Außerdem hatte er einen ausgeprägten Duellantenstolz. Aus welchem Grund sollte er ihn sonst hier warten lassen? Mokuba hatte ihn also reingelegt und glaubte tatsächlich, dass er sich so einfach verarschen ließ. Anzu merkte, dass er ihr Umfeld verließ und stand daher schnell auf, schlenderte einige Schritte zu ihm hin, ehe sie wieder Halt fand. Jetzt waren die Blicke der Anderen auf die beiden gerichtet. Honda hatte die Hand zu einer Faust gebildet und hatte instinktiv nach Shizuka gegriffen, um sie näher an sich zu ziehen. „Wo willst du hin, Kaiba-kun?“ ihre Stimme war aufgekratzt und sie sah ihn aus großen Hundeaugen an. „Ich werde Yuugi fragen was dieser Mist soll.“ als er das sagte, spürte Anzu ein starkes Stechen in ihrer Brust. Hatte er sie ertappt? „Was meinst du? Yuugi kommt sicher gleich. Vielleicht wurde er aufgehalten.“ redete sie sich raus und kam ihm noch ein Stück näher. „Verkauf mich nicht für blöd, Mazaki.“ zischte er und wollte sich zum gehen abwenden. Doch das Mädchen griff nach seinem Handgelenk und im selben Moment verlor sie den Halt. Mit einem lauten, platschendem Geräusch landeten beide im Wasser. Kurz vorher hatte Anzu laut geschrien, so dass nun auch die anderen um sie herum ihnen voll und ganz die Aufmerksamkeit schenkten. Aber genauso schnell sahen die Leute wieder weg. Nur ihre Freunde betrachteten sie weiter und standen auf, um ihnen aus dem Wasser zu helfen. Als beide auftauchten, keuchten sie nach Luft ringend. Seto wollte sie anschreien für diese ungewollte Dusche, doch als er seinen Blick auf sie richtete, senkte er verschämt den Kopf und versuchte sich so vor sie zu begeben, damit kein anderer sie ansehen konnte. Er hatte die Augen zugekniffen und flüsterte etwas. Auf Anhieb hatte Anzu ihn nicht verstanden, wollte noch einmal nachhaken, bis ihr auffiel, dass der junge Firmenleiter sich anders verhielt als sonst. Ihre Kleidung klebte unangenehm an ihr, erst jetzt wurde ihr bewusst, dass ihr Oberteil sich verabschiedet hatte und jeder einen guten Einblick auf ihre Brüste hatte. Aufgebracht legte sie eine Hand über ihre Brüste, während sie mit der anderen Hand ihr Oberteil wieder hochschob. Was für eine Blamage! Wie sollte sie denn jetzt noch ihrem Gegenüber in die Augen schauen? Einzelne Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln, doch aufgrund dessen, dass sie von oben bis nach unten komplett nass war, konnte keiner sie sehen. So wollte sie sich nicht präsentieren! Jetzt hielt Seto sie garantiert für ein dummes Mädchen, nein, ein dummes, peinliches Mädchen ohne Verstand und Anstand! Ruhig begaben sie sich zurück zum Ufer. Mit beiden Händen stemmte sich der Brünette ab, um sich wieder hinauf zu ziehen. Ohne auch nur irgendetwas zu sagen, wrang er seinen Mantel aus, ehe er sich von diesem entledigte. Mokuba hielt Anzu helfend die Hand hin und zog sie ebenfalls aus dem Wasser. Keiner sagte etwas. Seto hatte sie vor den Blicken der anderen geschützt, aber was dachte er nun? Egal wie sie darüber nachdachte, sie fand keine Antwort. Außerdem schämte sie sich dafür, dass er sie nackt sehen durfte. Bisher hatte kein Mann die Möglichkeit dazu gehabt und sie wollte, dass jemand sie so sah, der sie aufrichtig liebte. Und nun? Der Firmenleiter erhob sich, ließ seinen Mantel klatschend zu Boden fallen und verschränkte die Arme, widmete sich dann wieder der Cheerleaderin. „Was zum Henker sollte das?“ er beäugte sie misstrauisch und erwartete eine Antwort. „Seto, lass sie in Ruhe!“ sagte Mokuba, der hinter Anzu hockte und seine Hände auf ihre Schultern gelegt hatte. „Schon gut, Mokuba. Es tut mir Leid, das war...“ dann schniefte sie und senkte den Kopf. Woher kamen jetzt die Tränen? Was sollten denn die anderen von ihr denken? Sie schämte sich unendlich. Ein Kloß bildete sich langsam in ihrem Hals und sie spürte eine aufwallende Hitze in ihrem Körper. Nun hatte sie einmal die Chance dem Firmenleiter zu beweisen, dass sie eine erwachsene und ernstzunehmende Frau war und dann zog sie mit einer so bescheuerten Sache seinen Hass auf ihn. Schnell wischte sie die Tränen weg, damit keiner sie sehen konnte. „Schon gut, lassen wir das...“ „Das ist doch deine Schuld, Kaiba!“ kam es von Otogi, nun waren alle Blicke auf ihn gerichtet. Bis eben hatte er mit dem Zeigefinger auf den Brünetten gezeigt, nun senkte er diesen wieder und sprach weiter. „Wenn du etwas geduldiger gewesen wärst, wäre das gar nicht erst passiert! Du bist es, der sich entschuldigen muss. Nicht sie.“ Seto reagierte nicht, dann wand er sich zum gehen und verließ die Gruppe. Sie hatte ihn hineingezogen, nicht andersherum. Ihn betraf absolut keine Schuld und außerdem, sollte sie ihm dankbar sein. Seine rechte Hand verschwand in seiner Hosentasche, lässig und gedankenverloren wanderte er umher und versuchte sich abzulenken. Das Duell gegen Yuugi konnte er nun vergessen, zumindest hatte er jetzt keine Lust mehr dazu sich mit diesem zu messen. Noch immer schwebte in seinem Kopf das Bild von Anzu um her, ihre weichen Brüste über der Wasseroberfläche schwimmend mit leicht rosanen Brustwarzen. Diesen Anblick würde er wohl oder übel für längere Zeit nicht vergessen können. Seine Wangen fühlten sich lodernd an und er wusste, dass es ihr viel peinlicher war als ihm. Am besten war es, wenn sie einfach vergaßen was geschehen war. Obwohl seine Kleidung an ihm klebte und seine Haare fransig herab hingen, dachte er nicht daran, was andere von ihm halten würden, denn er konnte seine Gedanken nicht abschalten. Momentan beschäftigten ihn andere Dinge. Nicht etwa Anzus entblößte Weiblichkeit, sondern viel eher fragte er sich, was Yuugis Freunde nun über ihn dachten. Er würde sich nicht bei ihr entschuldigen. Wahrscheinlich steckte sie mit ihrem Bruder unter einer Decke und dieses Duell würde niemals stattfinden. Sollte er sich verraten fühlen? Mit beiden Händen in den Hosentaschen lief Jonouchi, einen Stein vor sich her kickend, denselben Weg entlang, den Yuugi vorher genommen hatte. Eigentlich wollte er doch nur kurz die Toiletten aufsuchen, aber bei den Herrentoiletten gab es nie so lange Schlangen und es machte ihn daher etwas stutzig, dass Yuugi noch immer nicht zurück gekehrt war. Laut seufzend hob er seinen Blick und betrachtete den blauen Himmel, an welchem sich nur wenige Wolken befanden. Wenigstens spielte das Wetter mit. Nur wenige Meter weiter, konnte er vertraute Stimmen hören. Aber sie schienen weiter entlegen von seinem eigentlichen Weg zu sein. Sollte er eine andere Richtung einschlagen? Ohne großartig weiter darüber nachzudenken, handelte er und änderte die Richtung. Anstatt zu den Toiletten zu gehen, bog er vorher ab. Dass er dies getan hatte, erwies sich als richtig, da er bereits von hier aus Yuugi und zwei weitere bekannte Gestalten erkennen konnte. Sein Schritt wurde schneller und hastig zog er seine Hände wieder aus den Taschen. Sein Freund schien in Bedrängnis zu sein. Endlich angekommen, griff er den Jungen mit der Mütze und warf ihn zu Boden. Natürlich! Diese beiden kamen ihm doch mehr als nur bekannt vor. „Was habt ihr Kakerlaken hier zu suchen?“ zischte er dem am Boden Liegenden entgegen. „Jonouchi?! Verpiss' dich, das hier geht dich gar nichts an.“ mit diesen Worten stand Ryuzaki wieder auf und stierte den Blonden böse an. Dieser erwiderte den Blick. „Tja, scheint aber ganz so, als würde mich das sehr wohl etwas angehen. Yuugi, was ist hier los?“ richtete er seine Worte an seinen langjährigen Freund, welcher etwas perplex wirkte und sich erst fassen musste, ehe er antworten konnte. „Haga und Ryuzaki wollen sich gegen mich duellieren. Aber ich habe abgelehnt.“ nun mischte Haga sich ein. „Du glaubst wohl, du könntest dir alles erlauben, nur weil du einen Titel hast, was?!“ „Was weißt du denn schon?“ murmelte Jonouchi abfällig und stellte sich nun neben seinen Freund. Diese beiden Deppen vom Dienst wussten rein gar nichts. Ein anerkannter Duellant wie Yuugi einer war, hatte es keineswegs einfacher. Meist bedeutete ein Titel nichts Gutes. Andauernd musste Yuugi sich gegen irgendwelche dahergelaufenen Duellanten behaupten, selbst dann, wenn er es gar nicht wollte. Es gab immer irgendjemanden, der ihm seinen Titel abknöpfen wollte und Jonouchi wusste, wie schwer es war, wenn einem überall aufgelauert wurde. Ein unbekannter Duellant konnte wenigstens noch Spaß am Kartenspiel haben, aber je berühmter man wurde, umso mehr glich dieses Spiel einem Krieg. Ein Krieg ohne Waffen, dafür aber mit viel Aggressivität und ohne Freiheiten. Sein Blick schweifte kurz zu Yuugi rüber, dann visierte er wieder die beiden, die nun nebeneinander standen. Die beiden konnten doch von Glück reden, dass sie nicht mehr so bekannt waren! Bei all den harten Gegnern da draußen, würde sie ohnehin nur zerquetscht werden. Ihre Strategien waren immer dieselben und ihre nervtötende Art würde sie auch nicht weit im Leben bringen. Jonouchi war da früher genauso. Aber mit der Zeit hatte er erkannt, dass Duel Monsters nicht das wichtigste im Leben war. Es war nur ein kleiner Bestandteil und wenn er so zurückdachte, hatten sie sich damals viel zu sehr damit beschäftigt. Viele andere Dinge waren ihnen dadurch entgangen. Andererseits bereute er aber auch nichts. Irgendwo hatte diese Zeit, wo sie sich gegen die verschiedensten Gegner duellieren mussten, auch etwas Gutes. „Verschwindet, oder ich werde gleich richtig wütend.“ Jonouchis Stimme schien ruhig zu sein, aber in ihm sah es anders aus. „Was willst du denn schon machen?“ Ryuzakis Stimme dagegen war geprägt von einem Hauch von Arroganz. „Dir die Fresse polieren, wenn nötig.“ erklärte Jonouchi lächelnd, während er die Hände zu Fäusten bildete und anfing seine Fingerknöchel laut knacken zu lassen. Haga war der erste der etwas zurückschreckte, dennoch versuchte er sich die Furcht nicht ansehen zu lassen. Er war kein Kämpfer, sondern Duellant! An einer waschechten Prügelei hatte er noch nie teilgenommen. Seit jeher war das Kartenspiel seine Stärke und nicht seine physische Beschaffenheit. Wenn es denn so wäre, würde er sich auch besser in seinem Leben durchschlagen können. Aber Ryuzaki schien voll und ganz auf dieses Spiel einzugehen und noch bedeutender; er ließ sich absolut nicht einschüchtern. Kein Wunder, die beiden waren fast auf Augenhöhe. „Dann versuch es doch.“ „Was?! Du wagst es mich zu provozieren? Ich mein's ernst!“ „Ich weiß, dass du es ernst meinst.“ Ryuzaki grinste und verschränkte die Arme, ging dabei sogar etwas näher auf den Blonden zu. Dann hob er einen Arm und zeigte mit seinem Zeigefinger auf seine Wange. „Genau hier. Zeig Mal, ob du dich traust.“ „Jonouchi, du musst auf diesen Unfug nicht eingehen! Lass uns gehen, komm schon!“ warf Yuugi ein und zog am Ärmel des Blonden. Doch dieser schenkte ihm nur kurz seine Aufmerksamkeit, ehe er sich wieder an Ryuzaki wand. „Du willst es also nicht anders? Pass lieber auf, dass ich dir nicht die Nase breche, du Penner!“ „Jonouchi! Nicht!“ Yuugi hob die Hände vor die Augen, um somit sein Blickfeld auszublenden. Er konnte hören, wie die beiden auf einander einschlugen und kurze Zeit darauf, lagen beide am Boden. Haga kam nun erneut auf Yuugi zu, aber anstatt ihn erneut zu einem Duell zu zwingen, verabschiedete er sich. Die beiden keuchten und Jonouchi hielt sich sein rechtes Auge, welches ganz rot und geschwollen war. Die Nase des Dinosaurier Freaks blutete und auch er hatte einige Schrammen abbekommen. Nach dem Anblick, die die beiden nun boten, glaubte Yuugi fast, dass sein blonder Freund der Gewinner war. Dieser richtete sich nun auf und ging wortlos davon. Fassungslos und auch enttäuscht sah Yuugi ihm hinterher. Dann beugte er sich besorgt zu Ryuzaki und zog ein Stofftaschentuch aus seiner Tasche. Doch der Verletzte wollte keine Hilfe, das würde seinen Stolz als Mann nur noch mehr verletzen. Wortlos rieb er sich das Blut von seiner Nase mit dem Ärmel ab und wollte sich erheben. Yuugi erhob sich ebenfalls und sah ihn an. „Es tut mir Leid.“ flüsterte Yuugi ihm entgegen und legte sanft das Tuch an Ryuzakis Wange, die durch einen Kratzer, blutete. „Lass den Scheiß. Das ist doch deine Schuld.“ zischte Ryuzaki und schlug erneut Yuugis Hand weg, ließ ihn und Haga zurück. Wortlos folgte der Grünhaarige seinem Kumpel, vermied es dabei den König der Duellanten noch einmal anzusehen. Yuugis Hände waren zu Fäusten geballt und er spürte wie seine Fingernägel sich in seine Handflächen bohrten. Wütend biss er sich auf die Unterlippe bis er anfing sein eigenes Blut zu schmecken. Wie in Trance bewegten sich seine Füße. Wieso musste diese eher harmlose Situation so eskalieren? Sie hätten diese Angelegenheit auch friedlich lösen können. „Jonouchi! Was sollte das?!“ schrie er dem Blonden entgegen, als er diesen eingeholt hatte. Dieser blieb stehen und erwiderte nichts. „Sag gefälligst etwas! Du weißt, dass das nicht richtig war!“ „Ja, das weiß ich! Und wenn schon! Er wollte es doch nicht anders.“ „Das stimmt nicht. Wir hätten diesen Streit verhindern können. Dieser Straßenkampf war einfach sinnlos.“ Yuugis Hände zitterten vor Wut. „Du bist ein Idiot!“ sagte er dann und packte Jonouchi am Arm, um ihn zu sich zu drehen. „Und schau dir dein Gesicht an. Das wird sicherlich noch schlimmer.“ Yuugi wollte die Stelle anfassen und strich dabei eine verirrte Strähne des Blonden zur Seite. Dieser kniff auf einmal die Augen zu. „Lass den Scheiß!“ mit einem Mal schlug er Yuugis Hand weg und starrte nun den Boden an. „Wie bitte?“ etwas erschrocken zog Yuugi seine Hand zurück und hielt sie schützend vor seine Brust. Was war denn jetzt in ihn gefahren? „Du bist doch kein kleiner Junge mehr. Ich kann dich nicht ewig beschützen.“ „Das habe ich auch nie verlangt, oder? Ich hätte die Sache schon noch geregelt!“ „Das hättest du nicht! Du warst doch drauf und dran dich zu dem Duell überreden zu lassen. Ich hab doch deinen Blick gesehen. Du hattest Mitleid mit den beiden. Aber du kannst nicht ewig nur 'Ja' und 'Amen' sagen, verstehst du das?!“ „Was willst du mir jetzt sagen? Das ich ein Versager bin, oder was?!“ „Das verstehst du falsch!“ „Was verstehe ich falsch? Genau das wolltest du doch damit ausdrücken!“ „Nein, ich... ja, schon, aber...!“ „Lass mich bloß in Ruhe, du Idiot!“ fauchte Yuugi und wollte weglaufen, doch Jonouchi erwischte ihn vorher und zog ihn in seine Arme. Verlangend legte er seine Lippen auf die von Yuugi, dieser versuchte sich zu wehren und sich von dessen Umklammerung zu lösen. Ein schallender Knall ertönte. Jonouchis Gesichtsausdruck wirkte entgleist und mit weit geöffneten Augen starrte er Yuugi an, dessen Hand noch immer erhoben war. „Denkst du, dass das als Entschuldigung gilt? Ich bin echt sauer auf dich, ja?!“ mit Tränen in den Augen lief Yuugi davon und ließ seinen langjährigen besten Freund und derzeitigen Liebhaber zurück. Heute hatte er eindeutig über die Stränge geschlagen, dabei hatte er Tag so gut angefangen. Wann war der Moment gekommen, wo alles den Bach runter ging? Obwohl dieser aufgeblasene Schnösel Kaiba da gewesen war, waren sie nicht einmal aneinander geraten. Wenn er genauer darüber nachdachte, hätte ihm das schon ein Hinweis sein sollen, dass etwas nicht stimmte. Noch immer konnte er sehen, wie sich Yuugi immer weiter von ihm entfernte. Resignierend senkte er den Kopf, starrte erneut die Erde an. Einzelne Kirschblüten und andere Blätter lagen am Boden. So oder so, musste er Yuugi Recht geben. Er war ein Idiot. Mehr als das. Ein vollkommener Vollidiot. Warum hatte er seine Zweifel so die Überhand gewinnen lassen? Das war doch sonst nicht seine Art. Das Schlimmste dabei war natürlich, dass Yuugi nun sauer und er sich nicht sicher war, wie er sich bei diesem entschuldigen sollte. Das, was er gesagt hatte, war nicht richtig gewesen. Sein Freund war kein Versager und es war gemein von ihm, seine Bedenken so grob und oberflächlich auszusprechen. Da war es doch nur natürlich, dass er das in den falschen Hals bekam. Aber er war nun Mal eher ein Mann der Tat. Worte hatten doch ohnehin nur eine flüchtige Bedeutung. Zumindest war das sein Empfinden. Irgendwie musste er Yuugi dazu bringen, diesen Streit zu vergessen. Bloß wie? Der Schlag brannte selbst jetzt noch auf seiner Wange und diese Stelle schmerzte mehr, als sein geschwollenes Auge. Seine Wange war glühend heiß, stellte er fest, als er seine Hand auf diese legte. Langsam fuhr er die Haut entlang, bis er sein geschundenes Auge erreichte und dort inne hielt. Die Prügelei mit Ryuzaki war wirklich keine gute Idee gewesen. Noch viel weniger konnte er beschreiben, warum er diese überhaupt angezettelt hatte. War es Verzweiflung und Unsicherheit, die ihn trieb? Manchmal, ja, manchmal fühlte er sich wie ein Vogel im Käfig. Dauernd musste er darauf achten, dass niemand seine Schwächen ausnutzte oder gar Dinge entdeckte, die er geheim zu halten versuchte. Vielleicht war es einfach Zeit endlich die Wahrheit zu sagen. Dann hätte er eine Sorge weniger, um die er sich Gedanken machen musste. Jedoch würde diese eine Wahrheit nur neue Sorgen und Probleme mit sich führen. Was also sollte er tun? Fortsetzung folgt... Kapitel 14: Der Tag des Frühlingsfestes (Teil III) -------------------------------------------------- In Gedanken versunken machte Seto sich auf den Weg. Seine Füßen trugen ihn, ohne dass sie das Ziel kannten. Er wollte weg von hier. Auf das Duel mit Yuugi konnte er heute gut verzichten. Seine Klamotten waren pitschnass und klebten an seiner Haut. Und das alles war die Schuld dieses Mädchens! Auf der einen Seite hatte er recht wütend auf sie zu sein, und auf der anderen Seite wollte ihm sein Gewissen einreden, dass es nicht ihre, sondern seine eigene Schuld war. Oder waren es lediglich Otogis Worte die ungefragt in seinem Kopf widerhallten und ihn nicht in Frieden ließen? Mokuba hatte er bei dieser Bande von Kindsköpfen zurückgelassen. Obwohl er sich beruhigen wollte, brodelte es in ihm. Dann blieb er stehen, richtete seinen Blick auf den Boden. Was tat er hier eigentlich? Wie konnte er so tief sinken und weglaufen wie ein räudiger Köter? Das war vielleicht Jonouchis Art, aber nicht seine. Er war ein stolzer und erfolgreicher Mann, also, wieso lief er vor ihnen weg? Etwas in ihm sagte ihm, dass er sich schämte, weil er Anzu so gesehen hatte und weil ihre Freunde die Möglichkeit hatten ihn auf diese erbärmliche und hilflose Weise zu sehen. Schämte er sich wirklich? Noch einmal atmete er tief ein, ballte die Hände zu Fäusten und lockerte diese dann wieder. Seinen Kopf hob er wieder und betrachtete den strahlend blauen Himmel und die weißen Wolken. Er war umgeben von Kirschbäumen. Für einen Moment fühlte er sich ganz nostalgisch und er glaubte, sich an etwas aus seiner Kindheit zu erinnern. Kurz schloss er die Augen, versuchte den Gedanken, der ihm eben gekommen war, wieder einzufangen. „Nii-san! Schau nur, alles ist rosa!“ rief ein kleiner Schwarzhaariger Junge und lief hastig voran. Zwei weitere Gestalten waren zu sehen, eine Frau und ein Mann. Und ein weiterer Junge, mit braunem Haar war zu erkennen. Voller Sorge beschleunigte der andere Junge seinen Schritt und lief dem anderen hinterher. Heiteres Lachen war im Hintergrund zu hören. Es musste von den Erwachsenen stammen. Dann ein Plumpsen. Der Jüngere war hingefallen und hielt sich weinend sein Knie, auf welchem sich nun eine Schürfwunde befand. „Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht voran laufen sollst. Tut es sehr weh, Mokuba?“ der Ältere der beiden lächelte und zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche, legte es sorgsam auf die verletzte Stelle. „Tut mir Leid, Seto. Aber das ist so schön!“ und schon lachte der Kleinere wieder und die Tränen, die bis eben in seinen Augenwinkeln zu sehen waren, schienen sich wieder aufzulösen. Beide hoben ihren Blick. Eine Brise kam auf und es schneite Kirschblüten. Stimmt. Mokuba war damals vier Jahre alt gewesen. Sie hatten noch bei ihren Eltern gelebt, ein Jahr später waren diese bei einem Unfall verstorben. Wie konnte er das nur vergessen? Den Kopf schüttelnd, versuchte er sich wieder zu fassen und wollte den Gedanken vergessen. Doch je mehr man versuchte an etwas nicht zu denken, desto mehr hielt einen dieser eine Gedanke gefangen. Er umklammerte einen und ließ einen nicht gehen. Langsam hob Seto seinen Arm und strich sich sein Haar wieder hinters Ohr. Wie lange war es her, dass er sich das letzte Mal die Kirschblüten zusammen mit seinem Bruder angesehen hatte? Beinahe hatte er dieses Gefühl vergessen, welches in ihm auflebte, wenn er diese Blüten sah. Dabei waren sie nichts besonderes! Er hatte sie bereits oft genug gesehen und sie würden jedes Jahr aufs Neue blühen. Genauso wie der Schnee, der jedes Jahr im Winter auf die Erde hinab fiel. Sie waren unwichtig und vergänglich, dennoch zogen sie die Menschen immer wieder in den Bann. Ob er versucht hatte dieses Gefühl bewusst zu verdrängen, weil sie mit schmerzlichen Erinnerungen verbunden waren? Nein, er wollte nicht an die Vergangenheit denken. Er hatte sie hinter sich gelassen. Schritte kamen auf ihn zu. Ruckartig drehte er sich um und sah in ein bekanntes Gesicht. Es war sein ärgster Duel Monsters Rivale Yuugi Mutou. Musternd sah er diesen an, bei genauer Betrachtung stellte er fest, dass er geweint haben musste. Seine Wangen und Augen waren noch immer gerötet und er wirkte zerstreut. Nun, er musste gerade reden. Er sah sicherlich genauso wenig elegant aus. Aber Yuugi sagte nichts. Wenn es sich bei diesem um Jonouchi handeln würde, hätte dieser mit einem Zeigefinger auf ihn deutend angefangen lauthals zu lachen. Man sollte meinen, dass das kindische Verhalten des Blonden auf ihn abgefärbt hatte, aber Yuugi schien sich keineswegs geändert zu haben. Langsam bogen sich dessen Lippen zu einem Lächeln und in seinen Augen konnte er diese Gutmütigkeit erkennen, die sie sonst immer ausstrahlten. „Kaiba-kun.“ sagte er sanft, wischte sich einige aufkommende Tränen weg und fixierte diesen wieder. „Was machst du denn hier?“ setzte er wieder an und legte den Kopf leicht schräg. „Heh.“ Setos Mundwinkel wanderten hoch und seine Lippen bildeten ein Grinsen. Seine Vermutung stimmte also. Mokuba hatte ihn reingelegt. Es gab nie ein arrangiertes Duel. Was für ein Glück, dass er sein Deck und seinen Dueldisk in der Limousine gelassen hatte. Immerhin hatte er vorgehabt, Yuugi dazu zu bringen den Ort zu wechseln, da er keinen großen Wert auf unerwünschtes Publikum legte. Perplex beäugte Yuugi seinen Gegenüber, die Situation nicht verstehend. „Schon gut, Yuugi. Ich hatte gehofft mich mit dir duellieren zu können, aber es kam etwas dazwischen.“ „Du wirkst angeschlagen. Geht es dir wirklich gut? Du bist ganz nass.“ „Daran ist deine Freundin Mazaki Schuld, frag sie, wenn du weitere Informationen willst. Und jetzt; entschuldige mich. Ich habe es eilig.“ „Warte doch!“ er folgte dem Größeren einige Schritte und blieb dann stehen. „Was willst du noch von mir?“ Der Brünette drehte seinen Kopf leicht zur Seite und sah seinen Rivalen an, dieser wirkte aufgelöst und verzweifelt. Dann fasste er sich wieder. Den Kopf neigend, hackte Yuugi weiter nach. „Bist du nur wegen mir hier? Wenn du dich duellieren möchtest, können wir das gerne tun.“ „Heute hege ich nicht mehr die Absicht mich mit dir zu messen. Ein andern Mal vielleicht.“ „I-in Ordnung. Sag mir dann Bescheid, ich werde mich bereit halten.“ „Gut. Wir sehen uns wieder, Yuugi.“ „Pass auf dich auf, Kaiba-kun.“ „Ich brauche dein Mitgefühl nicht, spare es dir für wen anders.“ mit diesen Worten ließ er den Bunthaarigen zurück. „Kaiba wird immer ein eingebildeter Geldbeutel bleiben.“ nörgelte Honda und widmete sich dann wieder seinem Sandwich. Anzu und Mokuba äußerten sich noch nicht. „Stimmt. Ich frag mich, wie du es mit dem aushalten kannst, Mokuba!“ mischte sich nun Otogi ein. Ryou versuchte die beiden zu beruhigten und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Er hat sicherlich seine Gründe. Wir sollten ihn in Ruhe lassen. Es wurde doch niemand verletzt.“ „Ach, Ryou! Darum gehts doch gar nicht! Er hätte sich entschuldigen sollen.“ als er dies sagte, ließ Honda sein Sandwich zurück auf seinen Pappteller fallen und betrachtete nun den Weißhaarigen. „Meine Güte, ihr zankt euch ja wie alte Waschweiber. Lasst Kaiba in Ruhe und gut ist.“ fügte Rebecca hinzu und erhob sich nun, streckte sich daraufhin und stemmte die Hände in die Hüften. Dieses ganze Gerede war ihr zuwider und sie hatte keine Lust sich weiter mit diesem Thema zu befassen. Bereits in wenigen Tagen musste sie zurück nach Amerika und die Zeit, die sie noch hier verbringen konnte, wollte sie gut nutzen. Leicht wehmütig blickte sie in die Runde, verschränkte dann die Arme und dachte weiter nach. Wirklich viel hatte sie mit diesen Leuten nie zu tun gehabt, aber wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass ihre lockere Art auf sie abfärbte und es ihr Spaß machte mit ihnen abzuhängen. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie soviel gelacht, als wie in der Zeit als sie hier war. Auch, dass Yuugi homosexuell war und sie niemals auf dieselbe Art und Weise lieben würde, wie sie es sich wünschte, hatte sie mittlerweile gute verkraftet. Nicht nur, weil sie soviel Zeit zum nachdenken hatte, sondern auch, weil sie erkannt hatte, dass er ihre Nuancen nie erwidert hatte und sie sich in etwas Unwirkliches verrannt hatte. Vielleicht hatte sie Yuugis latente homosexuelle Seite einfach nie sehen wollen, also machte sie ihm keinen Vorwurf. Früher oder später, würde sie ihn darauf ansprechen und wenn sie es nicht tat, würde er es tun. Seit sie ihn kannte, hatte sie die Möglichkeit gehabt, ihn weitgehend zu analysieren, daher war sie sich sicher, dass er ihnen bald die Wahrheit sagen würde. Er war nicht der Typ, der gerne Geheimnisse vor seinen Freunden hatte. Dann betrachtete sie Anzu eingängig, die noch immer in der Nähe des kleinen Sees saß und von Mokuba gehalten wurde. Diese ganzen Ereignisse ließen sie nüchtern in die Zukunft sehen. Schon nach den Ferien würde sie auf ein College gehen und Naturwissenschaften studieren. Zwar hatte sie ihren Freunden von ihren Plänen noch nichts gesagt, aber bis sie sich nicht vollständig sicher war, dass dieser Zweig das richtige für sie war, wollte sie sich nicht festlegen. Eigentlich wollte sie Kinderärztin werden, aber dann erkannte sie, dass sie viel mehr Spaß an Naturwissenschaften, insbesondere Informatik und Chemie, hatte, weswegen sie sich entschied Wissenschaftlerin zu werden. „Rebecca hat recht.“ nickte Otogi zustimmend, welcher bereits die ganze Zeit gestanden hatte. „Wir sollten die Zeit der Kirschblüte genießen und uns nicht streiten.“ warf nun auch Shizuka ein und lächelte Herz erwärmend. Der Brünette mit der Spitzfrisur wollte die einmalige Gelegenheit nicht verstreichen lassen, griff somit ruckartig nach ihren Händen und umfasste diese mit seinen. Charmant lächelte er sie an, wäre dies ein kitschiger Mädchenanime, hätte man vermutlich seine Zähne aufblitzen sehen können. Leicht irritiert versuchte Shizuka sich das gefallen zu lassen und ignorierte, dass der Ältere ihn mit großen Augen anstarrte und eine Antwort erwartete. Es war nicht so, dass sie ihn nicht mochte, aber sie hatte in ihrem Leben nicht mit vielen Männern etwas zu tun gehabt, daher war sie im Umgang mit Männern sehr schüchtern und ungeschickt. Um sich nicht anmerken zu lassen, dass sie nervös war, zwang sie sich zu seinem Lächeln und versuchte Honda mit diesem zufrieden zu stellen. Dass dieser in sie verliebt war, wusste sie nicht, allerdings hatte sie schon nach ihren ersten Treffen miteinander das Gefühl gehabt, dass er sich ihr gegenüber anders verhielt. Seine Stimme klang so erheitert und er wuselte beinahe immer hyperaktiv um sie herum. Als sie den Kopf hob, sah sie, dass ihr Bruder sich der Gruppe wieder näherte. Leise flüsterte sie den Vornamen ihres Bruders, wodurch auch Honda den Blick hob und in dieselbe Richtung blickte. „Jonouchi!“ Ryou stand sofort auf, bewegte sich auf diesen zu und blieb vor ihm stehen. „Was ist denn passiert? Du bist ja verletzt.“ es war Besorgnis im Klang seiner Worte zu hören, es dauerte wenige Sekunden bis der Blonde reagierte. „Ach, ich bin gestolpert und gestürzt. Das ist nichts schlimmes.“ beruhigte er den weißhaarigen und sie begaben sich gemeinsam zum Rest der Clique. „Wo ist Yuugi? Hast du ihn nicht gefunden?“ Jonouchi senkte den Blick, erwiderte nichts. Stattdessen kratzte er sich am Oberarm und schien aufgebracht mit seinen Blicken die Umgebung abzusuchen. Was sollte er ihnen sagen? Die Wahrheit? Besser nicht. Noch viel weniger sollte er ihnen sagen, dass er sich mit diesem gestritten hatte und dass sie wütend auseinander gegangen waren. Dadurch würde er sich nur noch verdächtiger machen. „Nope. Ich konnte ihn nicht finden. Sind auch viele Leute unterwegs.“ „Dann findet er sicher allein zurück. Warten wir etwas und essen in Ruhe.“ Otogi versuchte die angespannte Atmosphäre zu lockern und beugte sich zum Korb, wühlte einige Pappteller und eine Frischebox mit Reisbällchen und eine weitere mit Sandwichs heraus. Aus letzterer hatte sich bereits Honda bedient. Mokuba half Anzu beim aufstehen und sie setzten sich zu den anderen. Ihr Plan war gescheitert, doch noch viel mehr sorgte sich der jüngere der Kaibas um seinen älteren Bruder, der einfach davon gestapft war und sich nicht weiter geäußert hatte. Hoffentlich konnten sie das noch richten, ohne sich großartig zu streiten. Man mochte es ihm nicht ansehen, aber Seto konnte sehr nachtragend sein. Nach einer halben Stunde tauchte auch Yuugi auf und setzte sich wortlos zum Rest des Clique. Als Erklärung hatte er lediglich gesagt, dass er sich verlaufen und dann einen alten Bekannten seines Großvaters getroffen hatte, weshalb er ganz die Zeit vergessen hätte. Ohne großartig weiter nach zu hacken hatten seine Freunde diese Ausrede akzeptiert und gemütlich weiter gefeiert. Auch Mokuba versuchte die Zeit zu genießen, allerdings konnte er die Gedanken und die Sorgen um seinen Bruder nicht ganz abstellen. Die nächsten drei Stunden lachten und scherzten sie, trotz des negativen Karmas, das einige in sich trugen. Am Abend verabschiedeten sie sich. In der nächsten Woche war wieder Schule und der Ernst des Lebens fing somit wieder von Neuem an. Mit mulmigen Gefühl stieg Mokuba in die Limousine und ließ sich von Isono nach Hause bringen. Vor einigen Stunden hatte ihr treuer Angestellter Seto zu ihrer Villa gebracht und nun hatte er noch den Jüngeren der beiden abgeholt. „Sag Mal, Honda?“ „Hm?“ dieser richtete nun den Blick auf den Blonden. „Kannst du mir verraten, aus welchem Grund du noch hier bist?“ „Ich dachte mir, ich bringe Shizuka... und dich nach Hause.“ er lachte verhalten und kratzte sich beschämt am Hinterkopf. „Verzieh dich! Lass Shizuka in Ruhe.“ Jonouchi stellte sich vor das Mädchen und kniff die Augen zu, zeigte seinem Gegenüber damit, dass er nicht zu scherzen beliebte. „Frag doch Shizuka, was sie davon hält.“ kam es siegessicher vom Brünetten. Das Objekt der Begierde schaltete sich nun auch in die Konversation ein. „Katsuya, das ist schon in Ordnung. Lass ihn doch mitkommen, wenn er möchte.“ ihre Stimme war Engelsgleich und ihr Lächeln war voller Gutmütigkeit. „Siehst du, sie kann für sich selbst sprechen, nicht wahr, Shizuka? ♥“ säuselte Honda und tänzelte leicht um das Mädchen herum, welche erst nur den Kopf schief legte und sich dann in Bewegung setzte. Honda benahm sich, ihrer Meinung nach, manchmal sehr affig. Sie schmunzelte leicht, als sie sich daran erinnerte, wie niedlich dieser als Roboteräffchen ausgesehen hatte. Ab und zu konnte sie gewisse Parallelen entdecken und dann konnte sie nicht anders als zu lachen. Dies war aber kein bösartiges Lachen, viel eher ein fröhliches. Obwohl die drei sich voran bewegten, hampelte Honda immer wieder um sie herum und überhäufte sie mit Komplimenten. Jonouchi hatte keine andere Wahl als aufzugeben, wenn Shizuka sagte, dass es sie nicht störte, dann musste er ihre Entscheidung wohl oder übel akzeptieren. Außerdem glaubte er langsam, dass Honda sich gut um sie kümmern würde. Obwohl er so viele andere Mädchen hätte haben können, hielt er an Shizuka fest und dies bewies dem älteren Bruder, dass er es ernst meinte. Seufzend vergrub er seine Hände in den Hosentaschen. Gut, wenn er sich nicht um Shizuka Sorgen machen musste. Allerdings löste dies nicht sein Problem mit Yuugi. Wohl oder übel würde er sich entschuldigen und ihm erklären müssen, was ihn so bedrückte. Dabei war es nicht seine Absicht Yuugi zu verletzen oder ihn auch noch mit seinen Zweifeln zu belästigen. Der Gute hatte schon genug eigene Probleme. Während die Drei so durch die Straßen wanderten fiel sein Blick auf ein Café, in welchem er mit Yuugi Hamburger essen gegangen war. Vielleicht nicht gerade der romantischste Ort, um mit jemanden, den man liebte, auszugehen, aber für die beiden hatte es völlig ausgereicht. Ja, wenn die Zeit auf seiner Seite war, könnten sie ruhig dort wieder essen gehen. Yuugi und Rebecca hatten sich auch auf den Weg zurück zum Spieleladen gemacht. Zwischen ihnen war es unangenehm still. Schweigend gingen sie nebeneinander her, beide hatten ihren Blick zum Boden gerichtet. Einzig und allein waren ihre Schritte zu hören, um sie herum war es völlig still. Die Blondine fühlte sich nicht wohl dabei, wenn sie mit ihm allein zurück ging. Wenn sie nicht genau wüsste, dass Yuugi nicht an ihr interessiert war, würde sie sich, so wie früher, ihm an den Hals schmeißen und ihn mit ihrer Liebe überhäufen. Seit sie die beiden im Wald gesehen hatte, hatte sie sich eingestanden, dass ihre Liebe nur auf einer Schwärmerei beruhte und die beiden nie eine Chance gehabt hatten. Immer wieder hob sie verlegen den Kopf und linste in seine Richtung, doch er schien sie nicht zu bemerken. Viel eher schien er mit seinen Gedanken ganz wo anders zu sein. Nahm er überhaupt wahr, dass sie dabei war? Bestürzt stellte sie fest, dass dem nicht der Fall war. Dies würde sich auch nicht ändern, ehe sie ihn von sich aus ansprach. Aber sie wollte ihm nicht noch weiter zur Last fallen. Als er wieder zu den anderen zurückgestoßen war, hatte sie bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Jedoch traute sie sich nicht dies anzusprechen. Ihr fehlte einfach der Mut dazu. Also entschied sie sich dazu, sich zurückzunehmen und ihn nicht noch weiter zu nerven. Yuugi selbst wusste nicht so recht weiter und überlegte noch immer, warum Jonouchi so brutal reagiert hatte. Er war nicht mehr der Schläger von damals. Zumindest hatte er das die ganze Zeit über gedacht. Umso mehr schockierte es ihn, dass Jonouchi so unüberlegt zugeschlagen und nicht einmal versucht hatte, die Sache auf friedliche Art zu klären. Musste er sich Sorgen machen? Selbst wenn nicht, konnte er nicht aufhören daran zu denken. Haga und Ryuzaki waren etwas schräg, das gab er selbst zu, aber eine Reaktion wie diese, war völlig überzogen und überflüssig. Was also hatte Jonouchi geritten dies zu tun? Yuugi war sich sicher, dass mehr hinter dieser Aktion steckte und dass sein Freund mit etwas anderem kämpfte. Nur schien er nicht zu wissen, wie er diese Sache bewältigen sollte, weshalb seine Wut überschäumte und von ihm Besitz ergriff. Zuhause grüßte er seinen Großvater, verschwand aber sofort in seinem Zimmer, da er erklärt hatte, Zeit für sich zu brauchen. Rebecca blieb zurück, setzte sich mit Yuugis Mutter Ashita in die Küche und trank mit ihr einen Tee. Ruhig erzählte sie ihr von dem heutigen Tag und all den Ereignissen. Geduldig hörte die Frau zu und nickte, um ihr zu zeigen, dass sie Interesse hatte. Es gab nur eine Sache, die Rebecca nicht erklären konnte. Auf die Frage Ashitas, warum sich ihr Sohn einfach so in sein Zimmer verkroch, wusste sie keine Antwort... Mit einem lauten Knall schloss Anzu ihre Zimmertür hinter sich zu. Bis eben war sie noch in der Dusche gewesen und sie war froh endlich trockene Klamotten anziehen zu können. Noch immer beschäftigte sie der Vorfall mit Seto. Sie konnte nicht aufhören daran zu denken. Wütend warf sie sich auf ihr Bett und raufte ihre Haare. Ihr Blick war nun auf ihre Zimmerdecke gerichtet. Eigentlich wäre es Zeit für eine Renovierung, denn das helle Weiß an ihrer Decke glich immer mehr einem ausgebleichten Grau. Dann war da wieder Setos Blick, den er ihr geschenkt hatte, als sie ins Wasser gefallen waren. Aufgeregt griff sie nach ihrem Kuschelkissen und drückte es an ihre Brust. Nächste Woche würde sie ihn so oder so wieder begegnen, doch warum war sie nun so aufgedreht und nervös? Lag es nur daran, dass er sie nackt gesehen hatte? Energisch schüttelte sie mit dem Kopf. Das konnte es nicht sein! Sie war sich sicher, dass Seto sie sogar nur abgeschirmt hatte, damit die anderen dieses kleine Malheur nicht sehen konnten und außerdem glaubte sie, dass er es vermieden hatte hinzusehen. Er war eben ein richtiger Gentleman. Anders als Jonouchi, Honda oder Otogi. Sie wälzte sich hin und her. Sie musste aufhören an ihn zu denken. Also packte sie ihr Kissen und drückte es sich gegen ihr Gesicht. Obwohl sie nichts sehen konnte, presste sie dennoch die Augen zu. Das war eine verdammt verzwicktes Gefühl. Wie nannte man dieses Gefühl? Ihr Herz schlug genauso wie damals, als sie den Pharao zum ersten Mal näher gekommen war. Genau genommen waren Seto und Atemu sich gar nicht unähnlich. Beide versuchten alles mit sich selbst auszumachen und wollten niemanden an sich ran lassen. Langsam schob sie das Kissen wieder runter. Stimmt, Atemu war einsam. Und Seto hatte auch niemanden, den er seinen Freund nennen konnte. Eigentlich musste Seto einem Leid tun, tatsächlich musste ihm geholfen werden. Aber wie wahrscheinlich war es, dass er andere, besonders sie, näher an sich ran lassen würde? Anzu überlegte. Eigentlich war Seto gar nicht so egoistisch und gemein, wie sie immer dachte. Nach außen hin wirkte er distanziert und es hatte den Anschein, als würde es ihm gefallen, wenn er mit niemanden außer Mokuba etwas zu tun hatte, aber tief im Inneren hatte er einen weichen Kern, der sich vermutlich nach Gesellschaft sehnte. Während des Battle City Turniers hatte sie die Möglichkeit gehabt ihn noch näher kennen zu lernen und zu erfahren, wie er wirklich tickte. Seto musste so werden, um im Leben voran zu kommen, aber wer sagte denn, dass er so werden wollte? Nachdenklich knetete sie ihr Kissen, drehte sich dann wieder zur Seite und betrachtete ihre Kommode. Ein Foto von ihr und ihren Freunden befand sich auf dieser und für einen Bruchteil einer Sekunde schlwegte sie in Erinnerungen. Sie sollte aufhören darüber nachzudenken und noch viel eher sollte sie sich ihm nicht zu auffällig annähern. Vermutlich war dieses Treffen heute sogar ein großer Fehler. Viel mehr wirkte der kühle Firmenchef nun sauer auf sie und genau das war es, was sie eigentlich vermeiden wollte. Er sollte einsehen, dass er mit seinem Verhalten Mokuba schadete, jedoch wurde ihr langsam klar, dass er das gar nicht mit Absicht tat. Es lag einfach in seiner Art. Er konnte nichts dafür. All die Geschehnisse in seiner Vergangenheit hatten ihn zu dem werden lassen, was er heute war. Mit etwas Glück konnte sie ihn wenigstens davon überzeugen, dass Mokuba durch ihn litt und wenn sie ihm das verklickern konnte, würde sich auch sein Verhalten im Allgemeinen ändern. Wenn sie schon ihn nicht in ihre Freundesgruppe integrieren konnte, dann wollte sie wenigstens Mokuba helfen. Nächste Woche würde sie ihn so oder so wiedersehen müssen. Sie errötete und drückte wieder das Kissen auf ihr Gesicht. Kapitel 15: Weil Freunde zusammen halten ---------------------------------------- Schallend prallten die Regentropfen gegen die Glasscheibe des Fensters, das Licht der Laternen außerhalb ihres warmen Hauses schien selbst bis in dieses Zimmer hinein. Obwohl die Sonne den ganzen Tag lang geschienen hatte, regnete es nun. Beinahe ironisch, wie Yuugi fand. Das Wetter passte sich wohl seiner Laune an. Warum schmerzte sein Herz so, wenn er an die Zukunft dachte? Was erwartete ihn? Damals war es immer der Pharao, der ihm ermutigende Worte zuflüsterte und ihm seine Sorgen nahm. Doch jetzt war es dunkel. Leer. Niemand hier, der ihm hätte Ratschläge geben können. Langsam musste Yuugi akzeptieren, dass er völlig allein auf sich gestellt war. Als der Pharao das Diesseits verließ, hatte er mit Anzu oder Jonouchi über seine Gedanken gesprochen, aber im Moment konnte er keinem von beiden aufbürden, was ihn bedrückte. Vor allem Jonouchi nicht. Nicht nach diesem unnötigen Streit. Immer waren sie durch dick und dünn gegangen, aber nun merkte er, dass alles aus den Fugen geriet. Am liebsten würde er alles ausblenden. Doch das Geräusch des Regens zwang ihn dazu weiterhin in seiner Realität zu verbleiben. Kurz glaubte er, so etwas wie ein Tür klopfen gehört zu haben. Sicher Einbildung. Dann wieder. Stutzig setzte er sich auf und richtete seinen Blick zur Tür, die sich langsam öffnete. Das Licht aus dem Flur fiel nun in sein Zimmer ein. Wer störte ihn nun? Eine schmale Hand glitt in den Raum und betätigte den Lichtschalter. Schmerzhaft kniff er die Augen zu. Er mochte es gar nicht, wenn man einfach so das Licht anmachte, wenn er sich gerade an die Dunkelheit gewohnt hatte! Paar mal zwinkerte er, ehe seine Augen sich wieder an das helle Licht gewohnt hatten. „Yuugi...“ flüsterte ein Mädchen. Es war Rebecca. Sie trug ihre Brille nicht und hatte ihre Haare zu einem Zopf geflochten. Hart schluckte Yuugi einmal und erhob sich widerwillig von seinem Bett. Zögerlich näherte er sich ihr und wollte etwas sagen, doch sie schüttelte schnell den Kopf und wand den Blick ab. Ihr Gesicht war rot. Selbst ihre zarten Sommersprossen wurden von dieser Farbe überdeckt. Wieso wirkte sie nun so zerbrechlich? War sie schon immer so schmal gewesen? Sie waren auf Augenhöhe. Vorsichtig hob er die Hand und wollte sie auf ihre Schulter legen, doch sie wich zurück und lächelte. „Ich weiß es.“ sagte sie. Ihr Lächeln war voller Gutmütigkeit und Schmerz. Ihre Haltung zeigte, dass sie eine gewisse Distanz zwischen ihnen wahren wollte. Dass sie nicht wollte, dass er näher kam. „W-was weißt du? Ich verstehe nicht...“ seine Stimme erbebte und er spürte wie ein unangenehmer, eisig kalter Schauer über seinen Rücken lief. Es schüttelte ihn kurz. „Dass du... dass du schwul bist.“ schützend hob sie die Hand vor ihren Mund, so als wollte sie, dass keine weiteren Wörter ihren Weg nach draußen fanden. Ein stechender Schmerz in Yuugis Brust signalisierte ihm, dass dies kein Traum war. Die liebreizende Rebecca, seine Freundin seit Kindertagen hatte sein Geheimnis gelüftet. Es fühlte sich an, als würde der Himmel zerbrechen und die riesigen Splitter auf ihn herabstürzen. Fassungslosigkeit. Verständnislosigkeit. Angst und ein Gefühl der Ohnmacht breiteten sich in ihm aus. Sie wusste es... Sie wusste es. Sie wusste es! In seinem Kopf herrschte eine komplette Leere, sämtliche Gedanken, die ihn bis eben quälten, hatten sich verflüchtigt und nichts zurückgelassen. Ihre türkisfarbenen Edelsteine fixierten den Boden zu ihren Füßen. Das laute Herzklopfen schallte in seinen Ohren wieder. Auf einmal fühlte er sich schwach und schutzlos. Wie ein Hase, der sein Schicksal angenommen hatte und nun geduldig darauf wartete vom Tiger gefressen zu werden. Und dann war es still zwischen ihnen. Nichts mehr da. Es fühlte sich an, als wären jeder in seinem eigenen Käfig gefangen. Bewegungslos. „Ich weiß es schon seit Längerem. Ich hätte es dir sagen sollen.“ versuchte sie die Stimmung zu heben, riss das Loch am Himmel aber nur noch weiter auf, ohne es zu merken. „Seit Längerem?“ Seine Reaktion war kläglich und der Situation nicht angemessen. Das wusste er. Bereits Anzu hatte ihm gesagt, dass er sich verhalten sollte wie ein Mann. Aber warum verlangten alle von ihm sich anders zu geben und sich zu verstellen? Er hatte so viel Zeit mit dem Pharao verbracht und gegen Ende wirkte es so, als wären sie sich kein bisschen ähnlicher geworden. Zitternd fing er an seine Hände ineinander zu legen und sie zu kneten. Rebecca bewegte sich auf einmal und löste die Paralyse, in der sich beide befanden. Wortlos setzte sie sich auf das Bett und betrachtete ihn weiterhin eingehend. Sie wollte es klären. Ein für alle mal. Es schmerzte sie, dass sie gegen einen Vollidioten wie Jonouchi verloren hatte. Aber sie wollte Yuugi alles mögliche Glück gönnen, das ihm widerfahren konnte, also wollte sie wenigstens lernen damit umzugehen. Verstehen konnte sie es nicht. Und etwas in ihr lehnte sich dagegen auf. Morgen würde sie die heitere Gruppe verlassen. Auch ihrem Großvater ging es nun besser und er hatte ihr vorhin gesagt, dass er dringend zurück nach Amerika müsste. Es schien als würde sein Talent benötigt werden und sie wollte ihm nicht im Weg stehen. „Es ist immer noch komisch für mich. Aber ich will diese Sache klären. Ich will, dass wir uns auch weiterhin verstehen, daher möchte ich, dass du auch etwas dazu sagst.“ „Entschuldige...“ stotterte Yuugi, griff mit einer Hand seinen Oberarm und drückte fest zu. „Und?“ entgegnete sie ungeduldig. „Ich hätte dir sagen sollen, dass ich dich nicht liebe. Ich habe einen Fehler gemacht.“ „Sag mir... hast du mich je geliebt? Nicht wie eine kleine Schwester sondern wie ein Mädchen.“ „Was erwartest du jetzt von mir?“ „Die Wahrheit.“ sie suchte nach Bestätigung. „Du warst für mich immer wie eine kleine Schwester. Eine gute Freundin. Aber aufrichtig geliebt... habe ich dich nicht....“ seine Stimme wurde von Satz zu Satz brüchiger. „Ich verstehe.“ kam es von ihr und sie senkte den Kopf. Eigentlich hatte er ihr nichts gesagt, was sie nicht auch so schon wusste. Sie wollte es nur nicht wahr haben, dass sie sich all die Zeit über in eine Illusion verrannt hatte und nicht ein eine Sekunde lang auf die Idee gekommen war, dass ihre Gefühle nur einseitig waren. Vielleicht war nicht Jonouchi der Vollidiot. Sondern sie. So sehr hatte sie ihn geliebt und geliebt, dass sie die Realität noch härter traf als erwartet. Aber sie war auf dem Weg erwachsen zu werden, also musste sie sich ihm zuliebe wie eine Erwachsene benehmen. Sie wischte die Tränen, die in ihren Augenwinkeln bereits darauf warteten raus kommen zu dürfen, schnell weg und sah ihn an. Ihre Beine bewegten sich von alleine, sie stand auf und näherte sich ihm. Vor ihm blieb sie stehen, sah ihm tief in die Augen. Nur wenige Zentimeter lagen zwischen ihnen. Dann legte sie ihre Hand auf seine Wange, blinzelte unentschlossen und küsste ihn auf die Wange. Freundschaftlich. Yuugi errötete und als sie sich von ihm entfernte, suchte seine eigene Hand wie von selbst die heiße Stelle. Irritiert sah er sie an und erwartete eine Reaktion. „Ich habe dich wirklich geliebt...“ sagte sie im Vorbei gehen und wollte das Zimmer verlassen. Noch einmal blieb sie stehen und drehte sich zu ihm. „So sehr, dass ich nicht gemerkt habe, dass du nicht dieselben Gefühle hast wie ich. Es tut mir Leid dich so sehr bedrängt zu haben... Verzeih mir.“ „W-warte!“ er streckte seine Hand nach ihr aus und verharrte in dieser Position. „Warum? Es ist doch alles in Ordnung.“ „A-aber.... bist du nicht wütend auf mich?“ jetzt senkte er seinen Arm wieder und sah sie unschlüssig an. „Warum sollte ich? Ich habe einen Fehler gemacht, nicht du. Aber ich will, dass du weißt, dass ich dich immer noch sehr schätze. Sowohl als Freund als auch Duellant.“ In dieser Nacht lagen beide wach in ihren Betten. Yuugi war aufgebracht und nervös. Wieso widerfuhr ihm soviel Verständnis? Auch Anzu hatte es akzeptiert. Gut, sie sagte nicht, wie sie darüber dachte und daher ging er davon aus, dass es sie nicht mehr störte beziehungsweise dass sie versuchte sich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Und nun Rebecca. Er hatte all die Zeit gewusst, dass er ihr ernst war und es war seine eigene Schuld, dass sie sich ihm so genähert hatte. Es wäre seine Aufgabe gewesen sie freundlich abzuweisen. Er hätte zu ihr kommen sollen und nicht andersherum. Vielleicht hatte Jonouchi recht. Obwohl er ein guter Duellant war, so fehlte ihm außerhalb das Selbstbewusstsein und der Mut, den er in seinen Duellen an den Tag legte. Der Weg des Erwachsenwerdens war für ihn noch immer weit und er musste wohl oder übel, all die Steine, die sich auf diesen befanden, selbst beseitigen. Niemand konnte ihm dabei helfen. Sie standen am Hafen. Eine Fähre fuhr ein und der Wohnwagen der Familie Hopkins wurde eingeladen. Dieses riesige Schiff war extra für Arthur hierher gekommen. Sugoroku staunte nicht schlecht und beneidete seinen Freund ein wenig. Aber er war nun einmal bekannter Forscher und wenn seine Fähigkeiten gebraucht wurden, konnte er nur schlecht ablehnen. Am Morgen hatte Yuugi seinen Freunden Bescheid gegeben und es waren alle gekommen. Mit Jonouchi wechselte er kaum ein Wort, ihre Blicke trafen sich immer wieder nur flüchtig und auch ihren Freunden fiel auf, dass es vorgefallen sein musste. Nichts desto trotz ließen sie sich nicht die Laune verderben und verabschiedeten den Wissenschaftler und seine Enkelin, die nun den weiten Weg zurück nach Amerika antraten. Otogi war der einzige, der einen Strauß Rosen mitgebracht hatte und Rebecca diesen mit einem breiten Lächeln übergab. Im Hintergrund umarmten sich Arthur und Sugoroku und versprachen einander Karten zu schreiben und wieder mit einander zu telefonieren. „Nun beginnt für euch wieder die Schule. Ich wünsche euch allen viel Glück für euer späteres Leben. Das ist das letzte Jahr, also gebt euch richtig Mühe!“ verabschiedete sich der Professor und stieg auf die Fähre. Ein Matrose nahm ihm das Handgepäck ab und vom Weiten konnten die anderen sehen, dass sie sich über einige wichtige Details unterhielten. Nachdem der Matrose verschwand, drehte sich der ältere Herr wieder um und winkte den anderen zu. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein freudiges und gutmütiges Lächeln ab. Rebecca seufzte und zupfte aufgeregt an ihrem Rock rum, während sie dies tat, fielen einige Rosenblätter zu Boden. „Das ist kein Abschied für immer. Wir werden uns wieder sehen.“ erklärte Anzu und legte ihre Hand auf ihre Brust, so als wollte sie signalisieren, dass sie alle immer verbunden waren. Die Blonde sah sie an, dann blickte sie in die Runde. Stimmt, sie würden sich wieder sehen. Vielleicht nicht in den nächsten Monaten, aber ihre Freundschaft verband sie und dieses Band ließ sich nicht so schnell zerstören. Das Mädchen folgte ihrem Großvater und am Gelände blieb sie stehen. Die Rosen, die sie geschenkt bekommen hatte, drückte sie fest an ihre Brust. Das Schiff bewegte sich und verließ langsam den Hafen. Erst zögernd, dann bestimmt ob sie ihre Hand und winkte mit voller Kraft. „Auf Wiedersehen!“ schrie sie noch und einige Tränen fanden nun doch den Weg in die Freiheit. Sie rieb ihre Augen, dann fiel ein kleiner Brief aus dem Rosenstrauß heraus. Sie zuckte kurz, ehe sie sich bückte. Auf dem weißen Umschlag war mit schöner, gut lesbarer Schrift ihr Name geschrieben. Sollte sie ihn jetzt lesen oder warten, bis sie zurück in Amerika waren? Neugierig öffnete sie den Umschlag. Liebe Rebecca, es ist schade, dass du uns bereits verlässt! Aber wir alle wünschen dir eine gute Heimfahrt und viel Gesundheit. Wir werden nun unseren Abschluss machen und dann die Schule verlassen. Also werden wir alle bald getrennte Wege gehen. Ich möchte, dass du weißt, dass ich nach meinem Abschluss nach Amerika ziehen werde. Mein Spiel Dungeon Dice Monsters verkauft sich gut und nun möchte ich auch in Amerika mein Glück versuchen. Vielleicht, oder besser gesagt hoffe ich es, sehen wir uns dann wieder! P.S.: Ruf mich doch mal an. Hab dir extra meine Handy Nummer reingelegt. ;D Liebe Grüße, Ryuuji Otogi Rebecca musste schmunzeln, als sie dies las und die Nummer sah. Kapitel 16: Ein verschärfter Konflikt ------------------------------------- Ohne, dass sie es hätten verhindern können, hatten sie die freien Tage hinter sich gebracht. Seufzend packte Anzu ihre Schultasche, warf noch einen letzten Blick auf ihr Spiegelbild, ehe sie sich zufrieden umdrehte und ihr Zimmer verließ. So viel war geschehen in den letzten Tagen, so viel, dass sie es noch immer nicht ganz verinnerlichen konnte. Heute würde sie ihn wiedersehen. Wie sollte sie ihm gegenübertreten? Sie schämte sich für das, was geschehen war. Es war früher Morgen, als sie zur Schule aufbrach. Alleine. Normalerweise wäre sie diesen Weg mit ihren Freunden gegangen, aber irgendwie fühlte sie sich die letzten Tage etwas fehl am Platze. Warum das so war, konnte sie nicht ganz erklären. Jonouchi und Yuugi schienen sich gestritten zu haben und sie wollte sich nicht einmischen. Und ihre anderen Freunde nahmen einen anderen Weg, meist trafen sie sich erst vor dem großen Schultor. Momentan hatte sie ohnehin andere Probleme. Der Schultanzwettbewerb ließ nicht mehr lange auf sich warten und die Choreographie saß noch nicht richtig. Obwohl sie soviel trainierte und sich anstrengte, hatte sie das Gefühl, dass ihrem Tanz etwas fehlte. Ja, dass er ausdrucks- und freudlos war. Doch was machte sie falsch? Sobald die Musik lief, konzentrierte sie sich und bewegte ihren Körper elegant über die Fläche, schwebte wie ein Engel über den Boden und machte auf andere ein perfektes Bild. Das Tanzen war seit ihrer frühester Kindheit ihre Leidenschaft. Die Bewegungen ließen ihr Herz schneller schlagen und sie liebte das Gefühl von Anstrengung, dieses Prickeln, das sich in ihrem Körper jedes Mal ausbreitete und in ihr Glücksgefühle auslöste. Während sie die Stufen hoch ging und sich ihrer Klasse näherte, bemerkte sie, dass sie als erste hier war. Zumindest war noch niemand in ihrem Flur. Daraufhin betrat sie die Klasse. Ihre Augen weiteten sich für einen Bruchteil einer Sekunde und sie starrte geistesabwesend nach vorne. Kaiba war ebenfalls hier. Er hob seinen Blick nicht, war wie immer besser beschäftigt und hielt es nicht für nötig ihr wenigstens ein beiläufiges „Guten Morgen“ zu schenken. Trotz der Sache auf dem Frühlingsfest verhielt er sich wie immer. Also sollte sie sich zusammenreißen und sich auch wie immer verhalten. „Guten Morgen, Kaiba-kun.“ sagte sie mit gewohnt freundlichen Ton. Er hob den Kopf nicht, wand aber den Blick von seinem Buch ab und sah sie kurz an, nickte dann und zeigte mit dieser Geste, dass er Kenntnis von ihr genommen hatte. Wenn sie nicht wüsste, dass er dies nett gemeint hatte, würde sie sich vermutlich aufregen und ihn zurechtweisen. Aber nach all der Zeit, in der sie dieselbe Klasse besuchten, wusste sie was sie erwarten konnte und sie hatte eine gewisse Routine im Umgang mit ihm entwickelt, die es ihr erlaubte, sich ihm zu nähern, ohne ihn dabei zu stören. Vorsichtig zog sie den Stuhl von ihrem Platz zurück und setzte sich. Eine unangenehme Stille lag zwischen ihnen und die Luft fühlte sich schwer an, so schwer, als dass man sie hätte greifen können. Immer wieder blinzelte sie zu ihm, um ihn zu beobachten und zu verstehen, warum er so war, wie er war. Vielleicht war es Neugierde, die sie trieb, die sie dazu brachte, ihn wieder anzusprechen aber vielleicht war diese Ruhe, die eingekehrt war, einfach nur viel zu unerträglich. „Was für ein Buch liest du da, Kaiba-kun?“ fragte sie mit engelsgleichem Ton und legte den Kopf leicht schief. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Mazaki.“ monotone Stimmlage und Desinteresse. Nichts hatte sich geändert. „Es geht mich nichts an, aber du könntest wenigstens ein klein wenig Sozialkompetenz zeigen.“ „Wie bitte? Jetzt belehrst du mich auch noch?“ „Ich belehre dich nicht, ich gebe dir nur einen gut gemeinten Ratschlag.“ „Das nennst du 'Ratschlag'? So etwas nennt man Kritik. Und von dir lasse ich mich nicht kritisieren.“ „Und wer darf dich kritisieren oder glaubst du, dass du unfehlbar und perfekt wärst?“ „Das habe ich nie behauptet.“ nun legte er sein Buch beiseite und widmete sich ihrer kleinen Diskussion. Auch er machte Fehler. Das war ihm bewusst. „Aber du willst sagen, dass ich nicht gut genug wäre, dich zu kritisieren, oder? Damit sagst du nichts weiter aus, als dass du dich über mich ordnest.“ „Und was wäre, wenn ich das täte?“ „Das wäre sehr unhöflich und unüberlegt.“ sie lächelte und warf ihr brünettes Haar nach hinten. „Ich handle nie unüberlegt, das weißt du, Mazaki.“ „Würde es dein Ego so sehr ankratzen, einmal zuzugeben, dass du kein Übermensch bist?“ „Was?!“ Anzu wusste, dass er seinen Schwachpunkt getroffen hatte. Jetzt war er sehr sauer. „Du überarbeitest dich und vergisst die wirklich wichtigen Dinge im Leben.“ sie erhob sich und kam auf ihn zu, nahm sein Buch in die Hand. „Höhere englische Handelskommunikation für Business? Du übertreibst es. Irgendwann wirst du daran kaputt gehen.“ Ohne zu zögern, riss er ihr das Buch aus der Hand und verstaute es in seiner Tasche. „Im Gegensatz zu dir, Fräulein Mazaki, habe ich eine ganze Firma zu schultern. Du verstehst gar nicht was das bedeutet.“ mit diesen Worten drängte er sich an ihr vorbei und verließ das Klassenzimmer. Die junge Frau wollte noch etwas erwidern, doch er war viel zu schnell weg. Wieso verstand Kaiba nicht, dass es nicht um ihn ging? Seine Gesundheit war ihr wichtig, aber viel eher dachte sie an Mokuba, der unter seiner Art litt und sich nichts sehnlichster wünschte, als dass sein Bruder wieder lachen konnte. Durch Noah hatten sie im Cyberspace mehr über ihn erfahren, als es ihnen allen lieb war und Anzu konnte nicht anders, als Verständnis für ihn zu haben. Jeder hatte seine Gründe so zu sein, wie er war. Gozaburo Kaiba hatte die beiden Brüder adoptiert und der Brünette hatte durch diesen grausamen Mann keine Kindheit. Es muss schlimm für ihn gewesen sein, seinen kleinen Bruder kaum noch mehr sehen zu dürfen und sich nur aufs Lernen und die Erbfolge zu konzentrieren. Sie senkte ihren Blick, fasste sich an ihre Brust. Ihr Herz schlug schnell. Ihre Abenteuer in dieser virtuellen Welt ließen ihr jedes Mal einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen, wenn sie daran zurückdachte. Aber es war gut, dass das geschehen war, ansonsten hätte sie nie hinter Kaibas Fassade blicken können. Seine saphirblauen Augen verheimlichten etwas und wenn sie ihn ansah, hatte sie das Gefühl ihn von Mal zu Mal besser verstehen zu können. Seine Vergangenheit hinderte ihn noch immer in die Zukunft zu sehen, obgleich er den Duellturm inmitten des Ozeans zerstört hatte. Dieser war ein Symbol für seine Vergangenheit, die ihn fesselte und zurückhielt. Kaiba war nicht immer leicht zu verstehen, aber sie hatte das Gefühl in sein Herz blicken zu können. Das Problem war er selbst! Er ließ niemanden an sich heran und sie war der Ansicht, dass es ihm eines Tages leid tun würde, jeden von sich gewiesen zu haben. Irgendwann würde er merken, dass er sich verändern musste, wenn er glücklich werden wollte. Angespannt setzte sie sich auf ihren Platz, seufzte und starrte die grüne Tafel an, auf welcher sich Reste von Kreide befanden. Wahrscheinlich hatte bereits jemand etwas an der Tafel rumgeschmiert, wenn sie genau hinsah, konnte sie in etwa Ryous Namen erkennen. Seine Fangirls waren wohl mal wieder aktiv gewesen. Anzus Freunde kamen und die Schulstunden vergingen. Es war nun früher Nachmittag und ihre Klasse hatte wider Erwarten eine Freistunde auf gebrummt bekommen. Anzu fühlte sich eigenartig bedrückt. Lag es an ihrer Diskussion oder machte sie sich Sorgen um ihn? Seit heute Morgen hatte er es vermieden sie anzusehen und sie hatte auch nicht mehr den Mut gehabt, ihn in der Pause anzusprechen. Ihre Freunde beschäftigten sich in ihrer freien Zeit mit Duel Monsters. Das sah sie als Chance, sich noch einmal zu verkrümeln und heimlich für ihr Vortanzen zu trainieren. So sehr sie ihre Freunde mochte, so war Duel Monsters für sie nicht so wichtig wie für ihre Freunde. Nichts desto trotz liebte sie es die Pause mit ihnen zu verbringen. Wenn sie nach Amerika gehen würde, würde sie immerhin nicht mehr die Chance haben, sie so oft zu sehen, wie sie wollte. Sie öffnete die schwere Tür der Aula und sah die große Bühne an, auf der auch sie bald tanzen würde. Würde sie den Mut haben, wenn es so weit war? Hart schluckend stieg sie hinauf. Von hier aus hatte sie die ganzen Zuschauerplätze im Blick. Kurz wurde ihr schwindelig, als sie daran dachte, dass diese Plätze bei ihrem nächsten Besuch in der Aula nicht leer sein würden. Das war ihre Chance. Wenn sie es gut machte, könnte sie ein Zertifikat bekommen und somit wäre die Wahrscheinlichkeit größer, in Amerika ihren Traum als professionelle Tänzerin zu erfüllen. Sie musste alles geben! Sie schloss die Augen. In ihren Ohren hörte sie ihren Herzschlag wieder hallen. Erst zittrig, dann immer selbstbewusster, fing sie an sich zu bewegen. Jede Bewegung war perfekt, genau so, wie sie sie einstudiert hatte. Ein angenehmes Kribbeln machte sich in ihrem Körper breit und dieses Gefühl ließ sie glücklich lächeln. Das war es, was sie wollte. Dann ein Geräusch, das sie aus ihrer Ekstase riss und ihr einen solchen Schrecken bereitete, dass sie unsanft zu Boden knallte. Wimmernd regte sie sich wieder. Ihr Handgelenk tat auf einmal schrecklich weh! Erst nachdem sie den ersten Schock verarbeitet hatte, sah sie sich suchend um. Die Tür zur Aula war geöffnet. Irgendjemand musste hereingekommen sein, hatte aber vermutlich aber schnell das Weite gesucht, als er merkte, dass sie hier tanzte. Nicht nur, dass sie sich für ihre eigene Dummheit, sich ausgerechnet die Aula als Trainingsplatz auszusuchen, schämte, nun war sie auch leicht panisch, weil das Pochen in ihrem Handgelenk immer schmerzhafter wurde. Hoffentlich war nichts gebrochen. Gerade jetzt konnte sie das nicht gebrauchen! „Ich hasse Freistunden!“ brummte der Blonde und sackte auf seinem Tisch ein, schmollte. „Ich dachte du hasst Schule?“ hackte Ryou nach und zog fragend eine Augenbraue hoch. „Nein, ich mag es nur nicht, über komplizierte Dinge nachdenken zu müssen.“ „Oh, aber du scheinst nachdenken allgemein abzulehnen.“ kicherte Ryou und auch der Rest der Clique fing an zu lachen. „Soll das heißen, ich sei dumm?“ nun raffte Jonouchi sich wieder auf und sah erwartungsvoll in die Runde. Yuugi reagierte nicht. „Nicht dumm, nur ziemlich zurückgeblieben.“ grinste Otogi und brachte die Freunde wieder zum lachen. „Na wartet! Wenn ich euch in die Finger kriege!“ brüllte Jonouchi, erhob sich so hastig, dass sein Stuhl zu Boden fiel, und verfolgte Honda und Otogi, die trotz ihrer Flucht weiter stichelten. „Stimmt etwas nicht, Yuugi? Du wirkst heute abwesend.“ wand sich der Weißhaarige mit einer Vorliebe für Vanille zu dem Bunthaarigen. Dieser sah auf und winkte ab, doch er hatte nicht damit gerechnet, dass auch Ryou sehr stur und unnachgiebig sein konnte. Seit seinem Streit mit dem Blonden, hatten sie kaum noch ein Wort gewechselt und Yuugi wartete ungeduldig auf eine Entschuldigung von seinem Liebhaber, dieser jedoch schien es überhaupt nicht in Betracht zu ziehen, sich für seine dämliche Aktion zu entschuldigen. Jonouchi war schon immer ein Dickkopf, er rannte mit dem Kopf solange gegen die Wand, bis sie nachgab. Völlig egal, ob sein Tun sinnlos war oder nicht. Noch nie war das eine gute Eigenschaft von ihm gewesen, aber es war auch etwas, was Yuugi an ihm bewunderte. Schon früher wollte er genauso stark und mutig sein wie sein bester Freund. Er ließ sich nicht entmutigen und kämpfte für das, woran er glaubte. Das, was ihm am liebsten war, beschützte er ohne lange zu fackeln. Immer wieder hatte Yuugi darüber nachgedacht, was der Blonde ihm hatte sagen wollen. „Aber du kannst nicht ewig nur 'Ja' und 'Amen' sagen, verstehst du das?!“ Eigentlich hatte er recht. Er war viel zu weich und ließ sich schnell zu Dingen überreden, die er gar nicht wollte, nur um anderen damit einen Gefallen zu tun. Dennoch hätte er es anders ausdrücken können, denn seine Worte fühlten sich grausam an. In den ganzen Jahren, mit dem er mit Jonouchi befreundet war, bemühte er sich, sich weiter zu entwickeln und auf eigenen Füßen zu stehen. Als Pharao Atemu noch bei ihm war, hatte er sich viel zu sehr auf diesen verlassen, hatte ihn seine Aufgaben übernehmen lassen und sich selbst zurückgezogen. Er stand im Schatten des Pharaos. Durch die Handlungen des Pharaos hatte er gelernt, sich selbst zu vertrauen und sich durchzusetzen. Wenn er nicht gewesen wäre, wo wäre er dann heute? Sicherlich würde er nicht mit seinen Freunden lachen und hier mit ihnen sitzen. Alles wäre komplett anders geworden. Noch immer würde er alleine in den Pausen sitzen und dem Spott seiner Mitschüler zum Opfer fallen. Katsuya Jonouchi war seine erste wichtige Verbindung, die er mithilfe des Pharaos, schließen konnte. Ja. Eigentlich hatte er alles, was er nun besaß, dem Pharao zu verdanken. Er selbst hatte nichts getan, er hatte den Pharao machen lassen und er selbst stand im Hintergrund. „Du denkst zu viel, Yuugi. Manchmal ist es gut, das Leben so zu nehmen, wie es ist.“ „Hm? Entschuldige, ich hab geträumt...“ murmelte Yuugi und senkte verschämt den Kopf. „Ich meine, dass du dir eine Scheibe von Jonouchi abschneiden solltest. Er denkt wenig nach, was ihn zwar oft in Schwierigkeiten bringt, aber dadurch hat er es viel leichter.“ „Ich verstehe nicht... ?“ Was wollte er ihm damit sagen? „Dadurch, dass du dich in komplizierten Gedanken verirrst, machst du die Situation nur komplizierter als sie eigentlich ist.“ „Meinst du wirklich?“ „Manchmal ist es besser, wenn wir nicht nachdenken und einfach handeln. Anstatt vor dich hin zu brüten, solltest du die Initiative ergreifen.“ Ryou stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab und deutete auf Jonouchi, der von Otogi und Honda gekitzelt wurde und sich lachend hin und her wand. „Sieh ihn dir an. Nimm dir ein Beispiel an ihm.“ „Du hast recht... Danke, Ryou. Ich spendier dir dafür ein Brötchen mit Vanillefüllung!“ sofort verließ er den Klassenraum und machte sich auf den Weg zum Schuldach. Hier saßen er und Jonouchi oft, sie sprachen über unangenehme Sachen und über solche, die ihnen Spaß machten. Es war ein Ort, den er mit Jonouchi teilte und der für ihn eine wichtige Bedeutung bekommen hatte. Vorsichtig ging er zum Maschendrahtzaun, der dafür sorgte, dass niemand vom Dach stürzen konnte. Der Anblick der Stadt aus dieser Höhe hatte ihn bereits mehr als einmal wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht. Der kühle Wind streichelte sein Haar und er schloss die Augen, genoss die Ruhe und versuchte sich von allen Gedanken zu befreien, die ihn belasteten. In letzter Zeit hatte er so viel nachgedacht, sich Vorwürfe gemacht und war nie auf den Gedanken gekommen, dass ihn dieses ganze Nachdenken von innen nur noch mehr aufwühlte. Dass sich jemand ihm näherte bekam er gar nicht mit. Erst als er einen warmen, vertrauten Körper spürte, der sich von hinten an ihn schmiegte, öffnete er wieder die Augen und versuchte denjenigen zu erkennen, der ihn so schamlos überfiel. So dumm es auch klingen mochte, er hatte gehofft, dass er ihm folgte. „Hier bist du...“ hauchte er ihm entgegen. Sein Gesicht war durch seine langen blonden Pony verdeckt. Behutsam schmiegte er sich an Yuugi, blickte wie dieser in die Ferne. Der Jüngere verstand, dass es etwas gab, das ihn beschäftigte. Es war nicht Jonouchis Art sich so ruhig zu verhalten und noch auffälliger war es, dass er bisher nicht die Gelegenheit genutzt hatte, mit Yuugi über die Sache zu reden. „Ich war ein Idiot. Entschuldige.“ „Warum hast du das zu mir gesagt? Bin ich dir etwa ein Last?“ Yuugi befreite sich aus den Armen des Blonden, trat einige Schritte zurück und senkte den Blick. Wie konnte er beschreiben, was er fühlte? Hatte er Angst davor, das auszusprechen, was ihn seit Monaten nicht mehr aus dem Kopf ging? Was es auch war, es ließ ihn zögern. Sein Körper wurde von einem leichten Frösteln geschüttelt. Eine unangenehme Ruhe kehrte zwischen ihnen ein. Lediglich das Tosen der Straßen war zu hören und einige Vögel, die unruhig zwitscherten, als wollten sie ihn für seine Feigheit auslachen. Wie lange waren sie nun zusammen? Richtig zusammen? Weit über ein halbes Jahr. Bisher ging alles gut. Zwischen ihnen herrschte blindes Vertrauen und für sie stand fest, dass es eine ernsthafte Beziehung war. Doch die gesellschaftlichen Einflüsse waren beängstigend. Vielleicht war es dieser Umstand, der zu dieser Situation geführt hatte. Nervös biss er sich auf die Unterlippe, ließ seinen Blick hin und her schweifen, dann fixierte er den Blonden. Lässig hatte er eine Hand in der Hosentasche, ihn nachdenklich ansehend. „Es tut mir Leid, dass ich das so gesagt habe. Mich auszudrücken war noch nie meine Stärke.“ verlegen kratzte er sich am Hinterkopf, grinste. Das Grinsen wich genauso schnell weg wie es erschien. „Das weiß ich. Aber das ist nicht schlimm. Was ist es, was dir solche Angst macht?“ „Ich habe nie behauptet Angst zu haben...“ murmelte er und ballte die Fäuste, so dass seine Fingerknöchel weiß wurden. „Du vergisst, dass ich dich zu gut kenne. Irgendetwas beschäftigt dich. Du verheimlichst mir etwas.“ „So ein Unsinn!“ ruckartig wand er seinen Kopf weg, sein blondes Haar folgte. Seine Handlung sprach für Yuugis Vermutung. „Warum lügst du mich an? Ist dein Vertrauen nicht groß genug in mich?“ es dauerte eine Weile bis Jonouchi darauf reagierte. „Das ist es nicht. Das hat nichts mit Vertrauen zu tun. Du bist das Problem. Du machst mich verrückt! Ich will dich, aber mein Verstand sagt, dass ich so etwas nicht tun soll.“ „Verstand? Seit wann hörst du denn auf den?“ Yuugi kicherte, versuchte dieses aber mit seiner Hand abzuschirmen. „Das ist ernst, Yuugi! Glaubst du, dass wir ewig so weiter machen können?“ „Nein, das denke ich nicht. Anzu und Rebecca wissen es bereits.“ „Eben. Ich will es einfach nicht länger verheimlichen. Ich hasse dieses Gefühl... dieses Gefühl, was in mir entsteht, wenn ich mich verstecken muss. Das passt einfach nicht zu mir. In letzter Zeit geht mir alles gegen den Strich!“ seine Stimme wurde immer lauter, dann schrie er so laut, dass Yuugi sich die Ohren zuhalten musste. „Willst du, dass wir es den anderen sagen?“ sein Blick war ernst. Jonouchi erwiderte nichts. „Jonouchi-kun?“ hackte er vorsichtig nach, kam ihm etwas näher. „Wieso nennst du mich nach all den Jahren immer noch so?“ wütend stapfte er auf Yuugi zu, ergriff seine Hand und drückte ihn gegen den Zaun. Obwohl Yuugi wusste, dass ihm nichts geschehen würde, breitete sich ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend aus. Jonouchis starker Griff ließ ihn auf keuchen, leise machte er auf sich aufmerksam, wies seinen Freund dazu an, ihn loszulassen. „Sag Katsuya zu mir. Oder willst du etwa Distanz zu mir aufbauen?“ Hecktisch schüttelte Yuugi den Kopf, errötete. Hatte er Jonouchi etwa damit verletzt indem er ihn immer mit seinem Nachnamen ansprach? Es war keine Absicht, sondern Gewöhnung. Jonouchi lehnte seine Stirn gegen die von Yuugi, er atmete tief ein und entspannte sich langsam wieder. Auch sein Griff um Yuugis zartes Handgelenk wurde lockerer. Seine Haut war warm und weich. Yuugi war ein Mann, trotzdem begehrte er ihn. Was war so besonders an Yuugi, dass es sein Interesse weckte? Es war nicht sein Körper sondern sein Wesen, das ihn entzückte. Wie er für ihn einstand, ihm ein Lächeln schenkte, wenn er es am Nötigsten hatte. „Los, sag meinen Namen...“ bat er und öffnete seine Augen nicht. „Ich... geht das wirklich in Ordnung?“ fragte der Kleinere noch einmal nach, schüttelte den Blonden nicht von sich. „Sag ihn einfach. Ich will ihn aus deinem Mund hören. Zeig mir, dass du es ernst mit mir meinst.“ „Ich...“ seine Stimme wurde brüchig, für andere kaum hörbar. Ein leises Flüstern entfloh seinen Lippen. Jonouchis Mundwinkel gingen in die Höhe, dann drückte er Yuugi an sich, legte beschützend seine Arme um ihn. Eine Beziehung wie ihre war in der heutigen japanischen Gesellschaft alles andere als Vorteilhaft, aber er wollte seine Gefühle für seinen Retter in der Not nicht länger verbergen müssen. Diese Geheimniskrämerei war nichts, was er gut konnte. Zumindest ihren engen Freunden sollten sie erzählen, dass sie schon längst keine einfachen Freunde mehr waren, dass die Gefühle, die sie füreinander empfanden über Freundschaft hinaus gingen. „Ich liebe dich, Katsuya...“ hatte Yuugi ihm entgegen gehaucht, so liebevoll, dass er sich sicher sein konnte, dass ihre Beziehung noch lange halten würde. Auch nach ihrer Schulzeit. Diese Ehrlichkeit war es, die Jonouchi an ihm so sehr schätzte. Er wollte ihn beschützen. Um jeden Preis. Niemand sollte es auch nur wagen Yuugi zu verletzen. Waren diese Gedanken heuchlerisch in Anbetracht dessen, dass er einer der Gründe war, dass Yuugi früher Angst hatte zur Schule zu kommen? Was war er nur für ein Idiot gewesen, ihn so zu verletzen, nur weil er mit seinem eigenen Leben nicht klar kam? Er wünschte sich wirklich, dass er damals netter zu ihm gewesen wäre. Manchmal hasste er sich selbst und wollte sich am liebsten selbst in den Arsch treten! Seit langer Zeit waren sie Freunde. Nicht so lange wie er es gerne gehabt hätte, aber sie hatten schöne Erinnerungen gesammelt, die sie miteinander verbunden. Das Leben, das er hatte, bevor er Yuugi traf, war wertlos. Die meisten Leute, die er kannte, waren keine Freunde im eigentlichen Sinne. Er hing lediglich mit ihnen ab, weil er außer Honda niemand anderen hatte und nicht wusste, wo er seinen ganzen Frust raus lassen sollte. Das einzige, was ihn damals am Leben hielt, war der Gedanke an seine Schwester Shizuka, die sich vermutlich nicht einmal mehr an ihn erinnern konnte. Durch ihre Augenkrankheit fiel es ihr schwer etwas zu sehen, aber die Zeit mit ihr hatte er genossen. Zu gerne dachte er daran zurück, wie sie als Kinder ohne die Erlaubnis ihrer Eltern zum Strand fuhren und dort den Tag verbrachten. Das war lange her. Während er Yuugi wieder an sich drückte, schloss er die Augen. Als er sich mit Yuugi anfreundete, wurde ihm bewusst, wie sinnlos sein Leben bisher war. Er zeigte ihm eine andere heile Welt und brachte ihn dazu Spiele zu spielen anstatt mit irgendwelchen Typen in Gangs durch die Straßen zu wandern. Yuugi war da als er weder eine Mutter, noch einen Vater oder eine Schwester hatte. Oft hatte er mit Yuugis Mutter und Großvater zu Abend gegessen und mit ihnen gelacht. Sie waren beinahe eine Familie. Etwas, das er einmal besaß und was ihm früh entrissen wurde. Ja, er hatte ihn beneidet, denn er hatte ein friedliches und normales Leben. Etwas, das er nie besitzen würde. Warum hatte es so lange gedauert, bis er es verstanden hatte? Er hatte Yuugi. Dieser kleine weibische Knirps war für ihn da, er kämpfte sogar gegen Ushio um ihn zu beschützen. Das musste auch der Zeitpunkt gewesen sein, als er sich schwor immer für ihn einzustehen und ihn zu beschützen. Im Königreich der Duellanten hatte Yuugi ihm einen Sternenchip gegeben, etwas, das ein stolzer Duellant niemals hergab. Doch er hatte ihm einen geschenkt, damit er seine Schwester retten konnte. Als Haga die Exodia Karten ins Wasser warf, wollte er sie zurückholen. Bis heute tat es ihm schrecklich leid, dass er nie alle Karten bekommen hatte. In den letzten Jahren war einfach so viel geschehen wofür er Yuugi unendlich dankbar war. Amüsiert lachte er auf. „Was ist Jou... Katsuya? Warum lachst du?“ „Ich musste nur gerade an etwas denken.“ „Was meinst du?“ Yuugi versuchte ihn direkt anzusehen, doch der Blonde küsste ihn. „Du bist so etwas wie ein Schutzengel für mich.“ Dieser schwächlich aussehende Junge war sein Schutzengel, er war immer für ihn da gewesen wenn er ihn brauchte und nun lag es an ihm, diesen Engel zu beschützen. Ohne ihn wäre sein Leben ohne Bedeutung. Endlich hatte er verstanden. Kapitel 17: Der Schultanzwettbewerb ----------------------------------- Die Zeit verging rasend. Gestern hatten sie noch einen unangekündigten Test in Mathematik geschrieben, den Jonouchi natürlich mit seinem geringen Wissen versaut hatte, und nun war es bereits Samstag. Es war der große Tag des Festivals. Den Schülern war es selbst überlassen, ob sie kamen oder nicht. Zumindest war dies eine Pflichtveranstaltung für die Unterstufen. Der Großteil der Schüler war gekommen und saß auf den Plätzen. Der Grund des Festes war banal: Die Namensgebung der Domino Highschool und ein Fest zur dessen Gründung. Der Schultanzwettbewerb war eigentlich nur nebenbei gedacht, doch er hatte an zunehmender Bedeutung gewonnen, als sich mehrere Tanzgruppen ihrer Schule angemeldet hatten und sich eine Jury dazu entschied sich dies anzusehen. Viel eher diente dieses Fest als ein zweiter 'Tag der offenen Tür', indem Eltern sich die Schule genauer ansehen konnten und hoffentlich den Entschluss fassten, ihren Nachwuchs in diese Einrichtung zu schicken. Eine große Ansprache, ein paar Bühnenauftritte, Gesang und natürlich gratis Buffet. An jenem sich bereits einer ihrer Freunde verging. Hastig schlang er ein Brötchen herunter, nahm ein Glas, um die Reste mit runter zu spülen und weiter zu futtern. Voller Scham standen einige Personen neben ihn, versuchten den Eindruck zu erwecken, diese Person nicht zu kennen. „Jonouchi, du frisst wie ein Schwein! Benimm dich gefälligst!“ mit dem Zeigefinger deutete eine junge Frau in einer eng anliegenden, schwarzen Leggins, Turnschuhen und einem silberglänzenden dünnen Pullover mit V-Ausschnitt, auf ihn. Im Gegensatz zu sonst trug sie Make-up, ihre Lippen wirkten röter und voller. Wenig Schmuck hatte sie angelegt, da er beim Tanzen stören könnte. „Du siehst toll aus, Anzu-chan!“ rief Ryou und umarmte sie. Die junge Frau freute sich, vergaß auch sofort den Ärger von wenigen Sekunden und konzentrierte sich wieder darauf, wieder runterzukommen. Ihr Handgelenk war leicht verstaucht und sie betete, dass dieser Schmerz sie bei ihren Auftritt nicht behindern würde. Aber selbst wenn der Schmerz unerträglich würde, sie würde alles dafür tun, heute dieses Zertifikat in die Hände gedrückt zu bekommen! Es war ihr Ticket an eine der besten Tanzakademien in Amerika, sie würde kein Geld für die Aufnahmeprüfung zahlen müssen und hätte einen Vorteil. Auch die anderen Tänzer in ihrer Gruppe nahmen diesen Wettbewerb sehr ernst, was ihr natürlich zugute kam. Sie waren eine kleine Gruppe aus fünf Leuten, zwei Mädchen und drei Jungen. Sie waren nur drei Teams, aber die Anspannung und der Drang zu gewinnen war enorm. Nicht nur sie wollte hier gewinnen. Sie alle hatten verschiedene Richtungen und es war lediglich eine Frage des Talents, wer die Jury beeindrucken konnte. Anzu selbst interessierte sich stark für Ballett und HipHop, was eigentlich nicht zusammen passte. Tatsächlich war sie von klein auf von den westlichen Tänzen, die soviel Leidenschaft und Feuer versprühten, begeistert. Ballett hatte sie in ihrer Kindheit getanzt, diese graziöse Tanzweise beruhigte sie und half ihr, wenn sie Sorgen hatte, wieder runter zu kommen. Gerade als sie sich von ihren Freunden verabschiedete und wieder zu ihrer Tanzgruppe zurückkehren wollte, erkannte sie ein vertrautes Gesicht. „Mokuba!?“ „Ich habe doch gesagt, dass ich komme.“ sanftmütig lächelte er und übergab ihr einen kleinen Blumenstrauß. „Danke. Das bedeutet mir unheimlich viel...“ sie versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Er legte eine Hand auf ihre Wange und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Du darfst jetzt nicht weinen, dein Make-up verschmiert sonst.“ lachte er und gesellte sich zu den anderen. Leicht wehmütig sah sie ihm hinterher, presste die Blumen an ihre Brust. Heute fühlte sie sich wie ein kleines Mädchen, dessen Traum sich endlich erfüllte. Noch einmal spähte sie hinter dem Vorhang hervor, versuchte ihre Freunde im Publikum zu erkennen. Mokuba hatte sich zu Yuugi und den anderen gesetzt. Natürlich wusste sie, dass es bescheuert war, nach ihm Ausschau auszuhalten, aber dennoch konnte sie nicht verhindern, seinen Anblick zu suchen. Sie konnte ihn nicht finden. Warum sollte er auch hier sein? Das ging ihn alles nichts an. Enttäuscht drehte sie sich um, seufzte und sammelte sich noch einmal. Warum zum Henker nochmal hatte sie sich gewünscht, dass er kam? War sie nun völlig übergeschnappt?! Immer lauter und wilder schlug ihr Herz als die Zeit des Auftritts näher rückte. Ihr Körper kribbelte und sie spürte, dass sie nervös wurde. Aufgeregt lief sie hinter der Bühne auf und ab. Der Schweiß rann ihre Stirn runter und es wurde zunehmend schwerer für sie ihre Nervosität zu verbergen. Alles fühlte sich so unwirklich an! Gestern noch saßen sie im Unterricht, lebten ihr normales Leben und heute bekam sie die Chance etwas völlig Neues zu beginnen. Sie durfte nicht versagen! Ihre Muskeln spannten sich an, aufgeregt ließ sie ihren Blick hin und her wandern, versuchte diese Furcht vor dem Versagen in ihrem Herzen aufzuhalten, die jedoch stetig weiter wuchs. Bis auf einmal Kazuhito, einer aus ihrer Gruppe, sie am Arm packte und sie ernst ansah. „Jetzt kommt mal wieder runter, Anzu! Wir haben Monatelang trainiert! Wir packen das, wir müssen uns nur aufeinander verlassen können.“ seine Worte waren verständnisvoll und sie fühlte sich tatsächlich wieder etwas ruhiger. Mit einem Nicken verdeutlichte sie, dass sie verstanden hatte. Der großgewachsene Junge mit dem kurzen, braunen Haar und muskulösen Oberkörper grinste und knuffte sie. Amüsiert lächelte sie. Als sie diese Tanzgruppe gegründet hatten, kannten sie sich kaum und bisher hatten sie sich, obwohl sie auf dieselbe Schule gingen, nie gesehen. Mittlerweile verstanden sie sich so gut, dass sie sich untereinander mit dem Vornamen ansprachen. Das zeugte von ihrem gegenseitigen Vertrauen. Hätten sie dieses nicht, würden sie scheitern. Akemi, ein Mädchen mit sehr kurzen blonden Haaren, kam auf sie zu. „Die anderen sind gut, wir sind besser!“ sie trug dasselbe Outfit wie Anzu, wirkte darin aber viel selbstbewusster und cooler als sie. Ein wenig beneidete die Brünette ihre Genossin, die in wirklich jeder Situation cool und lässig blieb. Außerdem sah sie immer so schön und fröhlich aus, was vielleicht etwas mit ihrem Namen zu tun hatte. „Ihr habt Recht, geben wir unser Bestes.“ lauteten ihre Worte, sie zwang sich zu einem Lächeln und atmete noch einmal tief durch. Sie ballte eine Faust und sah selbstbewusst hoch. Nein, das war ihr Traum und sie wusste genau, was sie zu tun hatte! Das Licht war aus, das Publikum, das im Dunkeln verblieb, murmelte aufgeregt. Die Bühne wurde spärlich beleuchtet, schemenhaft waren die Silhouetten einiger Personen zu sehen. Sie brachten sich in Position, leise ertönte Musik, die erst sehr ruhig und klassisch klang. Die Bewegungen der Tänzer passten sich geschmeidig den sanften Tönen an. Sie bewegten sich vorsichtig. Abrupt stoppte die Musik, ebenso die Tänzer, die nun wie eingefroren wirkten. Raunen ertönte im Publikum. Urplötzlich wurde das Licht angeschaltet und ein Remix eines westlichen Songs erklang. Schnell, wild und voller Feuer, was sich auch in den Bewegungen der Tänzer widerspiegelte. „Da, das ist Anzu!“ rief Mokuba begeistert, seine Augen strahlten und ihm war deutlich anzusehen, dass er froh war hier zu sein. Keiner bemerkte den Fremden, der die Tür zur Aula öffnete und oben stehen blieb, der hier nicht hinzugehören schien. Aber genau das war in seinem Bestreben. Er wollte nicht gesehen werden. Eigentlich wollte er nur einen kurzen Blick erhaschen, um zu sehen wie das Mädchen tanzte, doch er erwischte sich selbst dabei, wie ihre anmutigen und raschen Bewegungen ihn gefangen nahmen. Vorsichtig trat er etwas näher. Sie wirkte so erwachsen und verführerisch, wie sie sich bewegte und die Herzen aller Zuschauer höher schlagen ließ. Hart schluckte er. Die Bewegungen der fünf Tänzer waren rhythmisch, jeder Schritt war punktgenau auf das Lied abgestimmt und jeder konnte erkennen, dass diese Fünf keine Anfänger waren. Die Leidenschaft zum Tanz war so stark, dass sie Begeisterung bei jedem auslösten, der die Gunst hatte, ihnen zuzusehen. Im Laufe ihrer Darbietung erhoben sich die Zuschauer, zeigten auf diese Weise, wie sehr sie beeindruckt waren und dass ihnen das Schauspiel vor ihnen gefiel. Die Musik stoppte, das Licht ging wieder ohne Vorwarnung aus. Erneutes Staunen im Publikum. Einige Sekunden vergingen, ehe das Licht und die Musik wieder anging und die fünf Tänzer, die dort auf dieser Bühne ihren Traum lebten, sich wieder in Bewegung setzten. Dieses Mal kräftiger, mutiger und viel lebhafter; sie bewegten sich nicht nur, sie sprangen in die Luft, fingen einander auf und wollten all ihr Können präsentieren. Die Performance schien perfekt. Doch dann ein Patzer. Die Brünette konnte sich nicht auffangen, ihre Hand hielt ihr Gewicht nicht und sie stürzte, ließ sich ihren Schmerz aber nicht ansehen und stand hastig wieder auf. Mit einem süßen Lächeln blickte sie hinauf, erkannte jemanden ganz weit hinten, der sie für einen Moment ablenkte und ihren Atem ins Stocken geraten ließ. Er war gekommen. Wenige Augenblicke später schaltete sich das Licht wieder aus, jedoch war nun klar, dass es sich hierbei um das Ende des Auftritts handelte. Er lächelte und verließ die Halle, machte sich auf den Rückweg. Grölend wurden sie umjubelt, stolz sahen die Tänzer zu ihren Zuschauern. Anzu versuchte sich ihre kindliche Freude nicht ansehen zu lassen, doch dann schniefte sie. Hätte Akemi nicht nach ihrer Hand gegriffen und sie fest gedrückt, wäre sie vermutlich augenblicklich in Tränen ausgebrochen. Endlich war ihr Traum in greifbarer Nähe und sie spürte, dass diese Darbietung ihre Zukunft entscheidend prägen würde. Die anderen Tanzgruppen traten auf und waren nicht mehr in der Lage diese Performance zu überbieten. Hass und Missgunst strahlten sie aus, als sie wieder hinter die Bühne gingen und ihren Kontrahenten begegneten. Wortlos lief die Tanzgruppe, bestehend aus drei jungen Frauen, an ihnen vorbei. Ihre Köpfte streckten sie erhaben hoch, wirkten dabei unglaublich arrogant. „Schlampe.“ zischte eine von ihnen, als sie an Anzu vorbei gingen. Zuerst hatte die hingebungsvolle Tänzerin geglaubt sich verhört zu haben, musste sich aber eingestehen, dass ihre Ohren tatsächlich gut funktionierten. „Mach dir nichts draus, Anzu.“ sagte Kazuhito ernst, vermied es den Mädels hinterher zusehen und hatte sein altbekanntes Pokergesicht aufgesetzt. „Sie hat mich als Schlampe beschimpft. Warum? Ich kenne sie gar nicht.“ „Dummkopf. Du hast ihr ihre eigenen Grenzen aufgewiesen, deswegen ist sie wütend.“ „Aber... sollten wir das nicht besser klären?“ missmutig hob sie ihre Hand vor ihre Brust, spürte ein starkes Stechen, weshalb sie kurz zuckte. „Nein. Das ist es, was uns in Zukunft erwartet, wenn wir erfolgreich sind. Missgunst und Neid, gewöhne dich lieber dran.“ nun mischte sich Akemi ein, legte zaghaft ihre Hand auf die Schulter der Brünetten. „Sieh es als Kompliment, meine Liebe!“ lachte sie und versuchte das Mädchen mit den Azurfarbenden Augen aufzuheitern. „Kompliment, hm?“ murmelte sie leise vor sich hin, machte einen nachdenklichen Eindruck. Schließlich wurden die Sieger gekürt und die Fünf traten selbstbewusst ihren Weg auf die Bühne an. Suchend ließ das Mädchen ihren Blick durch das Publikum streifen, sie konnte Mokuba und ihre Freunde sehen, aber er war nicht mehr da. Innerlich seufzte sie. Wahrscheinlich hatte sie sich nur eingebildet, dass er gekommen war, um sie zu sehen. Manchmal war sie wirklich dumm und einfältig, kein Wunder, dass er sie nicht ausstehen konnte. Mit einem zufriedenen Lächeln nahm sie das Zertifikat, genauso wie ihre Teamkollegen, an. Nun war es ihr nicht länger mehr möglich ihre Freude zu unterdrücken und einige Tränen stahlen sich über ihr Gesicht, was ihr Make-up verschmierte. Nachdem die Preisvergabe vorbei war, verlief das Festival normal weiter. Der Schulleiter stolperte und brachte mit seinem tollpatschigen Verhalten viele der Menschen in der Aula zum Lachen, was ihm persönlich gar nicht gefiel. Die Tänzer zogen sich nun zurück, denn nun folgte erneut eine Rede und eine Erklärung an die Eltern, die gekommen waren, um die Schule näher kennen zu lernen. „Das war echt beeindruckend.“ erklärte Mokuba, ergriff ihre Hand und gab dieser einen Kuss. Das Mädchen errötete. „Was machst du denn da?“ kicherte sie verlegen und zog ihre Hand zurück. „Du warst großartig.“ lobte ihr bester Freund Yuugi sie. Kurz wurde es still, dann näherte er sich ihr und umarmte sie, zeigte ihr damit, wie sehr er sich für sie freute. Seit dem Kindergarten war es ihr Traum vor großem Publikum zu Tanzen und die Massen zum Toben zu bringen. Heute hatte sie einen weiteren Schritt in diese Richtung gewagt und er wusste, dass sie erfolgreich sein würde. Denn sie hatte es von allen am meisten verdient. Dann entfernte er sich wieder, spürte die warme Hand des Blonden, die ihn vorsichtig zurück zog. „Ich muss leider zurück, Anzu.“ fing Mokuba an, erst jetzt erkannte sie, dass er einen Anzug trug. „Seto und ich haben noch ein wichtiges Meeting, wir müssen uns beeilen, damit wir nicht zu spät kommen. Aber es war sehr schön dich heute hier zu sehen. Danke für die Einladung.“ seine Stimme wurde gegen Ende brüchiger, so als würde er sich wegen etwas genieren. Anzu beugte sich zu ihm und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. Rein freundschaftlich. Etwas erschrocken trat der jüngere Kaiba zurück, sah sie mit großen Augen an und man konnte ihm ansehen, dass diese unerwartete Aktion, ihm die Sprache verschlagen hatte. Dann wand er sich zum Gehen, winkte Anzu und ihren Freunden noch einmal zu, ehe er sich in Bewegung setzte und den Rückweg antrat. Sein Bruder wartete sicher schon ungeduldig auf seine Rückkehr. Er war dagegen, dass sie hier anhielten, wegen diesem 'kindischen' und 'unnötigen' Schulfest, von dem er gar nichts wissen wollte. Zumindest hatte er das gesagt, so ganz konnte der Schwarzhaarige ihm nicht glauben. Kapitel 18: Nur das Herz allein entscheidet ------------------------------------------- Anzu war nicht sonderlich begeistert vom Geräusch ihres Weckers, der sie in der Frühe aus ihrem wohlverdienten Schlaf riss. Immer noch leicht benebelt rieb sie sich die Morgenmüdigkeit aus ihrem Gesicht, zwang sich dann zum Aufstehen. Es war Sonntag. Niemand hätte es ihr verübelt, wäre sie länger liegen geblieben. Aber sie wollte den Tag nutzen und noch einige Dinge erledigen, die sie wegen dem Wettbewerb vernachlässigt hatte. Schulaufgaben gehörten auch dazu. Konzentriert saß sie an ihrem Schreibtisch. Mehrere Stunden saß sie dort und arbeitete fleißig. Nichts stahl ihre Aufmerksamkeit. Sie hatte ein Ziel, das sie erreichen wollte. Das Zertifikat war eine nützliche Hilfe, mit dem sie später an der Tanzakademie glänzen konnte, jedoch gehörten auch gute Noten und Durchhaltevermögen dazu, wenn sie wirklich erfolgreich sein wollte. Sie streckte ihre Arme von sich, gähnte einmal und erhob sich von ihrem Platz. Das Display ihres Handys leuchtete auf, jemand musste ihr eine Nachricht geschickt haben. Neugierig öffnete sie die kleine Botschaft. Ihre Hand zitterte, als sie die Zeilen las und sich ihrer Aussage bewusst wurde. Mokuba wollte sie treffen. Hatte es etwas mit dem Plan zu tun, der gescheitert war? Oder wollte er etwas anderes? Sie war hin und hergerissen, wusste nicht, ob sie diesem Treffen zusagen sollte. Dann tippte sie wild drauf los, verfasste einen kleinen Text, die sie anschließend abschickte. Schnell verließ sie ihr Zimmer, zog sich ihre Schuhe an und machte sich auf den Weg. »Ich muss mit dir reden. Bitte komm um 11:00 Uhr zur großen Uhr am Dominoplatz.« Diese Worte besorgten sie. War etwas vorgefallen? Mokubas fröhliche und verständnisvolle Art wuchs ihr immer mehr ans Herz und für sie stand fest, dass sie einen guten Freund in der Not jegliche Hilfe zukommen ließ, die sie geben konnte. Der Himmel war blau. Nur wenige Wolken waren zu sehen. Als sie den Kopf hob, um hinauf zu sehen, musste sie mit einer Hand die strahlende Sonne abschirmen, um nicht geblendet zu werden. Ein wunderbarer Sonntag. Ein Glück, dass sie heute frei hatten. Vielleicht sollte sie sich später mit Yuugi und den anderen verabreden? Ein Junge mit einem weißen Cappy, auf dem das Logo der Kaibacorporation gedruckt war, trat näher heran. Direkt vor ihr blieb er stehen. Seine schwarzen Haare verrieten, dass es sich hierbei um den Vizepräsidenten, auf den sie gewartet hatte, handelte. „Anzu? Musstest du lange warten?“ fragte er und grinste lässig. „Nein, mach dir keine Sorgen. Aber... ist etwas vorgefallen?“ nachdem sie geendet hatte, zögerte der Jüngere, machte einen nervösen Eindruck. Sie hatte eine Vermutung, fürchtete sich aber davor diesen Gedanken auszusprechen oder gar beim Namen zu nennen. Mokubas Verhalten ihr gegenüber hatte sich verändert. Das war selbst ihr aufgefallen. Aber sie hoffte, dass ihre Vorahnung sich nicht bewahrheitete. Dann fasste er sich und antwortete. „Nun ja... ich wollte dich sehen.“ murmelte er zurückhaltend, vermied es sie anzusehen. „Ja, aber warum denn? Wolltest du nicht etwas mit mir besprechen?“ Mokuba starrte sie an, machte einen irritierten Anschein auf sie, was sie umso mehr zum Stutzen brachte. Etwas lag ihm auf der Zunge. Die junge Frau konnte es noch nie sonderlich leiden, wenn man sie unnötig auf die Folter spannte. Erst jetzt erkannte sie, dass er immer wieder nervös an seinem Ärmel zupfte und dass seine Wangen einen leicht rosa schimmernden Ton annahmen. „Dank dir ist die Situation zwischen mir und meinem Bruder entspannter.“ „Das freut mich zu hören. Arbeitet er denn nun weniger? Er übertreibt es gerne...“ „Eigentlich sollte ich es dir nicht sagen, aber vor Kurzem war er zusammengebrochen.“ Anzu sprang auf. „Was? Warum?“ allem Anschein nach, machte sie sich große Sorgen um seinen Bruder. Wie sollte er nun reagieren? „Na ja, er hat sich überanstrengt. Aber seit dem geht es ihm viel besser.“ erklärte er mit einem beruhigenden Lächeln. „Oh... ein Glück.“ in ihrer Stimme schwang Erleichterung mit, sie atmete tief aus. „Ja, aber er lässt sich nicht davon abbringen gegen Yuugi anzutreten.“ „Das ist typisch für ihn.“ sie faltete die Hände, konnte ein vergnügtes Lächeln nicht unterbinden. Gemeinsam liefen sie durch die Stadt, wirkten wie kleine Schulkinder, die zum ersten Mal, frei von jeglichen Fesseln, auf Abenteuertour gingen. Sie lachten viel, hatten Spaß miteinander und für beide stand fest, dass ihre Freundschaft etwas Besonderes war. Insgeheim wünschte sich die junge Tänzerin, dass Seto hier war, dass er mit ihnen zusammen diese fröhliche Zeit genoss. Sicher dachte Mokuba dasselbe. Irgendwann waren sie im Domino Park angekommen. Lachend fielen sie ins Gras, beobachteten die Wolken, die sorgenlos am Himmel schwebten. „Ich danke dir, Anzu.“ wisperte der Jüngere, schloss die Augen und genoss die aufkommende Brise. „Wofür denn? Ich habe doch gar nichts gemacht.“ sie legte sich auf die Seite und stützte sich mit dem Ellbogen ab. „Ich kam mir vor wie ein Gefangener, aber jetzt bin ich... frei.“ er öffnete seine Augen nicht, als er dies sagte. „Du und dein Bruder. Ihr seid so unterschiedlich.“ analysierte sie, was sein Interesse weckte. Aufmerksam betrachtete er sie. „Na ja, ich meine, ihr seid wie Ying und Yang. Obwohl ihr so verschieden seid, braucht ihr einander.“ sie zupfte aufgeregt Gras aus dem Boden. „Seto braucht mich?“ fragend hob er eine Augenbraue, setzte sich dann auf. „Ja, du bist seine wichtigste Bindung. Egal, was er sagt oder tut. Es gibt nur eine Wahrheit. Für ihn bedeutest du sehr viel. Aber das weißt du sicher schon.“ Mokubas Gewissen spielte verrückt. Was waren das für Gefühle, die in ihm aufblühten, jedes Mal, wenn er sie sah? Sein Herz schlug wie wild, als er ihre liebliche und gutmütige Stimme vernahm. Seto brauchte ihn? Da hatte sie recht. Nichtsdestotrotz war der Vizepräsident der Ansicht, dass sein älterer, sturer Bruder mehr Kontakt nach außen hin brauchte. Menschen, die nicht zur Familie gehörten, die ihm zuhörten und ihm ein anderes Gefühl vermittelten, als jenes, das ein Bruder auszulösen vermochte. Mokuba wollte, dass Seto unabhängig von ihm sein Glück fand. Denn hier ging es nicht nur um Setos Zukunft, sondern auch um seine eigene. Er musste lernen zu vertrauen, sein Herz zu öffnen, aber vor allem wollte Mokuba, dass er endlich wieder lachte. So wie er es als Kind getan hatte. So wie es sich in sein Erinnerungsvermögen eingebrannt hatte und ihm jedes Mal ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Vielleicht aber war es falsch, was er hier tat. Er wusste es nicht. Denn diese junge, schöne und elegante Frau hatte etwas in ihm ausgelöst, das ihn beruhigte und Angst einjagte zugleich. Die innere Unruhe, die in ihm brodelte, machte sich langsam auch noch außen hin bemerkbar. Ob Anzu schon etwas ahnte? „Trotzdem verhält er sich manchmal wie ein Idiot.“ der Schwarzhaarige lachte gezwungen. „Das stimmt allerdings.“ sie stimmte mit ein, ohne zu erkennen, dass er dieses Lachen nur vortäuschte. „Du bist eine tolle Frau, Anzu. Ich hoffe, dass mein Bruder das irgendwann erkennt.“ auf einmal stand er auf, klopfte sich Erde von seiner Hose. „Was meinst du damit?“ fragend sah sie ihn an, observierte jede seiner Bewegungen, um ihn zu verstehen. „Stört es dich denn nicht? Dass er dich so behandelt?“ er konnte sie nicht ansehen, es verursachte ihm Schmerzen. „Eigentlich ist er gar nicht so schlimm...“ nuschelte sie, wand nun den Blick ab. Wind kam auf, ihr braunes Haar wurde von diesem mitgerissen, machte es ihr unmöglich etwas zu sehen. Vielleicht war das sogar besser so. Augenblicklich spürte sie, dass es Unbehagen in ihr auslöste, wenn sie ihn ansah. Nun verstand sie, worauf er hinaus wollte. Tatsächlich hatte sie eine Vorahnung gehabt. Sollte sich diese nun bestätigen? Ihr Herz kannte die Antwort bereits. Liebte sie wirklich Seto Kaiba? Wie konnte sie jemanden wie ihn lieben? Wieso zog sein Wesen sie so sehr an? Warum beschlagnahmte seine Präsenz ihr Herz? Ständig provozierte er sie. Ließ keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen, um sie zu verletzen und trotzdem hatte sie Verständnis ihm gegenüber entwickelt. In den letzten Tagen viel es ihr unglaublich schwer, nicht an ihn zu denken. Hatte er sie beim Tanzen gesehen? Was musste er gefühlt haben? Sie fürchtete, dass er nichts fühlte und dieser Gedanke ließ ihren Körper erstarren. Warum war es ihr so wichtig geworden, dass er sie anerkannte? Was er über sie dachte? „Ich verstehe...“ antwortete Mokuba knapp, hatte ihre urplötzliche Schweigsamkeit richtig gedeutet. „Eigentlich sollte ich dir das nicht sagen, aber ich möchte, dass du es weißt. Damit du dir keine Gedanken mehr machen musst. Er hat dir bei dem Wettbewerb zugesehen. Zwar hat er es nicht zugegeben, aber ich bin mir sehr sicher, dass es ihm gefallen hat.“ er lächelte aufmunternd, zugleich konnte Anzu eine gewisse Traurigkeit erkennen, die sie dazu brachte, verschämt den Kopf zu neigen. Er hatte es ihr zuliebe nicht ausgesprochen. Was fühlte Mokuba jetzt? Sie wollte ihre neugewonnene Freundschaft nicht verlieren und noch viel weniger war es ihre Absicht, ihn zu verletzen. Hatte der kleine Wangenkuss gestern ihn dazu ermutigt? Durch ihr unüberlegtes Handeln hatte sie ihm etwas vermittelt, was er in den falschen Hals bekommen hatte und sie selbst nun im Nachhinein aufwühlte. Sie wagte es nicht, ihn anzusehen, aus Furcht, dass ihr die Tränen kommen konnten. „Ich habe eine Bitte an dich, Anzu.“ er zog sein Cappy herunter, steckte dann seine Hände in die Hosentaschen und fixierte einen Punkt am Boden. Ein kleiner Schmetterling setzte sich auf eine der sich entfaltenden Gänseblümchen ab. Der leichte Windzug störte ihn nicht. Er war stark, wusste ganz genau, was er wollte. Nichts konnte ihn erschüttern. Mutig krallte er sich an der Pflanze fest, ehe er seinen kleinen Rüssel ausfuhr und erst misstrauisch, dann immer beherzter den Nektar der Blüte probierte. Der Schwarzhaarige betrachtete dieses Schauspiel, ehe er erneut ansetzte und aussprach, was ihm auf dem Herzen lag. „Pass auch weiterhin gut auf ihn auf, ja?“ dann wand er sich ihr wieder zu und grinste. Sie erwiderte nichts. Mit ihren großen, leuchtenden Azuriten starrte sie ihn an. Ein leichtes Glitzern formte sich in ihren Augen, dann senkte sie erneut den Kopf. Flehend krallte sie sich an ihrer Kleidung fest. Ein Stoßgebet wurde gen Himmel geschickt, eines, das sich unerhört verflüchtigen würde. Das wusste sie, aber dennoch konnte sie nicht anders. Ihr Körper zitterte. Es war keine Kälte, die sie erfasst hatte, sondern etwas völlig anderes. Ein Tornado tobte in ihr, all ihre Gefühle fuhren Karussell und ihre Gedanken waren nicht mehr ihre eigenen. „Das werde ich!“ schluchzte sie laut, brachte aber nicht den Mut auf ihn direkt anzusehen. „Danke.“ erklärte er und hielt ihr seine Hand hin, wartete geduldig, bis sie diese annahm. Zögerlich sah sie ihn an, wischte sich mit ihrem Ärmel energisch die Tränen fort und lächelte wieder, so wie sie es immer tat. Schließlich hob sie ihre Hand und legte sie in seine, ließ sich von ihm auf die Beine helfen. Sie sahen einander an. Die Luft zwischen ihnen war so angespannt, dass sie nur die Hand hätten ausstrecken müssen, um sie zu ergreifen. Noch immer hatte Mokuba ihre Hand nicht losgelassen, stattdessen drückte er sie sanft. Seine Wärme ließ sie leicht erschaudern. Dann brach er die Verbindung ab. „Seto erzählt öfter von dir. Das muss etwas bedeuten.“ er drehte sich um und machte einen Schritt nach vorne. „Darf ich fragen, was er gesagt hat?“ etwas schüchtern folgte sie ihm. Anschließend verließen sie den Park. „Er sagt zwar, dass er dich nicht mag.“ begann er, doch das Mädchen sprach weiter. „Hätte ich mir fast denken können...“ seufzte sie, war enttäuscht, obgleich sie dies bereits wusste. „Ich glaube das nicht. Es ist das erste Mal, dass er sich so sehr mit einer Person auseinander setzt. Normalerweise interessieren ihn die Menschen um ihn herum nicht, deswegen verliert er nie ein Wort über sie. Aber sobald ich von dir rede, stimmt er mit ein und lässt es sich nicht nehmen von dir zu erzählen.“ Es war nun bereits 15:00 Uhr. Es fiel beiden schwer zu glauben, dass sie bereits soviel Zeit verbracht hatten. Nachdem sie ziellos umher gestreift waren, waren sie wieder in der Nähe des Dominoplatzes, wo sie sich verabredet hatten. Anzu konnte es nicht verhindern, sich Gedanken um die beiden Brüder zu machen. Vor allem, nachdem ihm der Jüngere dies gebeichtet hatte. All die Zeit hatte sie geglaubt, dass Seto sie hassen würde, doch langsam bekam sie das Gefühl, dass der Firmenleiter nur nicht zugeben konnte, dass er sie irgendwo doch gut leiden konnte. Zumindest konnte sie sich nun sicher sein, dass er sie nicht vollständig ablehnte. Wenn sie genauer darüber nachdachte, kam sie zur Schlussfolgerung, dass Seto gar nicht so kühl und abweisend war, wie er sich nach außen hin gab. Auch in der Schule schickte er sie nicht weg. Manchmal hatte sie sogar das Gefühl, dass er nur darauf wartete, dass sie ihn ansprach und ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte. Ihre Diskussionen oder eher Streitgespräche während der Schulzeit waren ein Zeugnis dessen, dass sie ihm nicht völlig egal war. Ja, dass er es sogar genoss sich mit ihr anzulegen. Ein Seto Kaiba verlor nun einmal nicht gerne und wollte immer an der Spitze sein. Und wenn sie es aus einem anderen Blickwinkel betrachtete, konnte man ja fast meinen, dass sie ein Rivalin für ihn war. Nicht in Duel Monsters oder anderen Spielen, sondern auf geistiger Ebene. „Gut, wir sehen uns dann, ja?“ fragte Mokuba, sie konnte so etwas wie Schüchternheit erkennen. „Selbstverständlich. Wenn etwas ist, kannst du mich ruhig anrufen.“ entgegnete sie und so trennten sich ihre Wege. Zuhause angekommen, vibrierte ihr Handy erneut in ihrer Tasche. Wer würde ihr jetzt etwas schreiben? Unsicher zog sie es heraus und betrachtete den Display, der hellblau aufleuchtete. Eine liebliche Melodie erklang, doch nach wenigen Tönen schaltete sie sich automatisch aus. Wieder eine schriftliche Nachricht. Schnell öffnete sie diese und las sie sich durch. Dieses Mal war es Yuugi, der ihr noch einmal gratulierte für ihren Erfolg beim Wettbewerb. Typisch für ihn. Unweigerlich kam in ihr eine Frage hoch. Würde Seto ihr vielleicht auch gratulieren? Nein, das war absolut nicht seine Art. Als sie so daran dachte, konnte sie nicht anders als wehmütig zu seufzen und sich auf ihr Bett fallen zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)