All I ever wanted von Yuugii (Jonouchi/Yuugi ♥ Seto/Anzu) ================================================================================ Kapitel 16: Ein verschärfter Konflikt ------------------------------------- Ohne, dass sie es hätten verhindern können, hatten sie die freien Tage hinter sich gebracht. Seufzend packte Anzu ihre Schultasche, warf noch einen letzten Blick auf ihr Spiegelbild, ehe sie sich zufrieden umdrehte und ihr Zimmer verließ. So viel war geschehen in den letzten Tagen, so viel, dass sie es noch immer nicht ganz verinnerlichen konnte. Heute würde sie ihn wiedersehen. Wie sollte sie ihm gegenübertreten? Sie schämte sich für das, was geschehen war. Es war früher Morgen, als sie zur Schule aufbrach. Alleine. Normalerweise wäre sie diesen Weg mit ihren Freunden gegangen, aber irgendwie fühlte sie sich die letzten Tage etwas fehl am Platze. Warum das so war, konnte sie nicht ganz erklären. Jonouchi und Yuugi schienen sich gestritten zu haben und sie wollte sich nicht einmischen. Und ihre anderen Freunde nahmen einen anderen Weg, meist trafen sie sich erst vor dem großen Schultor. Momentan hatte sie ohnehin andere Probleme. Der Schultanzwettbewerb ließ nicht mehr lange auf sich warten und die Choreographie saß noch nicht richtig. Obwohl sie soviel trainierte und sich anstrengte, hatte sie das Gefühl, dass ihrem Tanz etwas fehlte. Ja, dass er ausdrucks- und freudlos war. Doch was machte sie falsch? Sobald die Musik lief, konzentrierte sie sich und bewegte ihren Körper elegant über die Fläche, schwebte wie ein Engel über den Boden und machte auf andere ein perfektes Bild. Das Tanzen war seit ihrer frühester Kindheit ihre Leidenschaft. Die Bewegungen ließen ihr Herz schneller schlagen und sie liebte das Gefühl von Anstrengung, dieses Prickeln, das sich in ihrem Körper jedes Mal ausbreitete und in ihr Glücksgefühle auslöste. Während sie die Stufen hoch ging und sich ihrer Klasse näherte, bemerkte sie, dass sie als erste hier war. Zumindest war noch niemand in ihrem Flur. Daraufhin betrat sie die Klasse. Ihre Augen weiteten sich für einen Bruchteil einer Sekunde und sie starrte geistesabwesend nach vorne. Kaiba war ebenfalls hier. Er hob seinen Blick nicht, war wie immer besser beschäftigt und hielt es nicht für nötig ihr wenigstens ein beiläufiges „Guten Morgen“ zu schenken. Trotz der Sache auf dem Frühlingsfest verhielt er sich wie immer. Also sollte sie sich zusammenreißen und sich auch wie immer verhalten. „Guten Morgen, Kaiba-kun.“ sagte sie mit gewohnt freundlichen Ton. Er hob den Kopf nicht, wand aber den Blick von seinem Buch ab und sah sie kurz an, nickte dann und zeigte mit dieser Geste, dass er Kenntnis von ihr genommen hatte. Wenn sie nicht wüsste, dass er dies nett gemeint hatte, würde sie sich vermutlich aufregen und ihn zurechtweisen. Aber nach all der Zeit, in der sie dieselbe Klasse besuchten, wusste sie was sie erwarten konnte und sie hatte eine gewisse Routine im Umgang mit ihm entwickelt, die es ihr erlaubte, sich ihm zu nähern, ohne ihn dabei zu stören. Vorsichtig zog sie den Stuhl von ihrem Platz zurück und setzte sich. Eine unangenehme Stille lag zwischen ihnen und die Luft fühlte sich schwer an, so schwer, als dass man sie hätte greifen können. Immer wieder blinzelte sie zu ihm, um ihn zu beobachten und zu verstehen, warum er so war, wie er war. Vielleicht war es Neugierde, die sie trieb, die sie dazu brachte, ihn wieder anzusprechen aber vielleicht war diese Ruhe, die eingekehrt war, einfach nur viel zu unerträglich. „Was für ein Buch liest du da, Kaiba-kun?“ fragte sie mit engelsgleichem Ton und legte den Kopf leicht schief. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Mazaki.“ monotone Stimmlage und Desinteresse. Nichts hatte sich geändert. „Es geht mich nichts an, aber du könntest wenigstens ein klein wenig Sozialkompetenz zeigen.“ „Wie bitte? Jetzt belehrst du mich auch noch?“ „Ich belehre dich nicht, ich gebe dir nur einen gut gemeinten Ratschlag.“ „Das nennst du 'Ratschlag'? So etwas nennt man Kritik. Und von dir lasse ich mich nicht kritisieren.“ „Und wer darf dich kritisieren oder glaubst du, dass du unfehlbar und perfekt wärst?“ „Das habe ich nie behauptet.“ nun legte er sein Buch beiseite und widmete sich ihrer kleinen Diskussion. Auch er machte Fehler. Das war ihm bewusst. „Aber du willst sagen, dass ich nicht gut genug wäre, dich zu kritisieren, oder? Damit sagst du nichts weiter aus, als dass du dich über mich ordnest.“ „Und was wäre, wenn ich das täte?“ „Das wäre sehr unhöflich und unüberlegt.“ sie lächelte und warf ihr brünettes Haar nach hinten. „Ich handle nie unüberlegt, das weißt du, Mazaki.“ „Würde es dein Ego so sehr ankratzen, einmal zuzugeben, dass du kein Übermensch bist?“ „Was?!“ Anzu wusste, dass er seinen Schwachpunkt getroffen hatte. Jetzt war er sehr sauer. „Du überarbeitest dich und vergisst die wirklich wichtigen Dinge im Leben.“ sie erhob sich und kam auf ihn zu, nahm sein Buch in die Hand. „Höhere englische Handelskommunikation für Business? Du übertreibst es. Irgendwann wirst du daran kaputt gehen.“ Ohne zu zögern, riss er ihr das Buch aus der Hand und verstaute es in seiner Tasche. „Im Gegensatz zu dir, Fräulein Mazaki, habe ich eine ganze Firma zu schultern. Du verstehst gar nicht was das bedeutet.“ mit diesen Worten drängte er sich an ihr vorbei und verließ das Klassenzimmer. Die junge Frau wollte noch etwas erwidern, doch er war viel zu schnell weg. Wieso verstand Kaiba nicht, dass es nicht um ihn ging? Seine Gesundheit war ihr wichtig, aber viel eher dachte sie an Mokuba, der unter seiner Art litt und sich nichts sehnlichster wünschte, als dass sein Bruder wieder lachen konnte. Durch Noah hatten sie im Cyberspace mehr über ihn erfahren, als es ihnen allen lieb war und Anzu konnte nicht anders, als Verständnis für ihn zu haben. Jeder hatte seine Gründe so zu sein, wie er war. Gozaburo Kaiba hatte die beiden Brüder adoptiert und der Brünette hatte durch diesen grausamen Mann keine Kindheit. Es muss schlimm für ihn gewesen sein, seinen kleinen Bruder kaum noch mehr sehen zu dürfen und sich nur aufs Lernen und die Erbfolge zu konzentrieren. Sie senkte ihren Blick, fasste sich an ihre Brust. Ihr Herz schlug schnell. Ihre Abenteuer in dieser virtuellen Welt ließen ihr jedes Mal einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen, wenn sie daran zurückdachte. Aber es war gut, dass das geschehen war, ansonsten hätte sie nie hinter Kaibas Fassade blicken können. Seine saphirblauen Augen verheimlichten etwas und wenn sie ihn ansah, hatte sie das Gefühl ihn von Mal zu Mal besser verstehen zu können. Seine Vergangenheit hinderte ihn noch immer in die Zukunft zu sehen, obgleich er den Duellturm inmitten des Ozeans zerstört hatte. Dieser war ein Symbol für seine Vergangenheit, die ihn fesselte und zurückhielt. Kaiba war nicht immer leicht zu verstehen, aber sie hatte das Gefühl in sein Herz blicken zu können. Das Problem war er selbst! Er ließ niemanden an sich heran und sie war der Ansicht, dass es ihm eines Tages leid tun würde, jeden von sich gewiesen zu haben. Irgendwann würde er merken, dass er sich verändern musste, wenn er glücklich werden wollte. Angespannt setzte sie sich auf ihren Platz, seufzte und starrte die grüne Tafel an, auf welcher sich Reste von Kreide befanden. Wahrscheinlich hatte bereits jemand etwas an der Tafel rumgeschmiert, wenn sie genau hinsah, konnte sie in etwa Ryous Namen erkennen. Seine Fangirls waren wohl mal wieder aktiv gewesen. Anzus Freunde kamen und die Schulstunden vergingen. Es war nun früher Nachmittag und ihre Klasse hatte wider Erwarten eine Freistunde auf gebrummt bekommen. Anzu fühlte sich eigenartig bedrückt. Lag es an ihrer Diskussion oder machte sie sich Sorgen um ihn? Seit heute Morgen hatte er es vermieden sie anzusehen und sie hatte auch nicht mehr den Mut gehabt, ihn in der Pause anzusprechen. Ihre Freunde beschäftigten sich in ihrer freien Zeit mit Duel Monsters. Das sah sie als Chance, sich noch einmal zu verkrümeln und heimlich für ihr Vortanzen zu trainieren. So sehr sie ihre Freunde mochte, so war Duel Monsters für sie nicht so wichtig wie für ihre Freunde. Nichts desto trotz liebte sie es die Pause mit ihnen zu verbringen. Wenn sie nach Amerika gehen würde, würde sie immerhin nicht mehr die Chance haben, sie so oft zu sehen, wie sie wollte. Sie öffnete die schwere Tür der Aula und sah die große Bühne an, auf der auch sie bald tanzen würde. Würde sie den Mut haben, wenn es so weit war? Hart schluckend stieg sie hinauf. Von hier aus hatte sie die ganzen Zuschauerplätze im Blick. Kurz wurde ihr schwindelig, als sie daran dachte, dass diese Plätze bei ihrem nächsten Besuch in der Aula nicht leer sein würden. Das war ihre Chance. Wenn sie es gut machte, könnte sie ein Zertifikat bekommen und somit wäre die Wahrscheinlichkeit größer, in Amerika ihren Traum als professionelle Tänzerin zu erfüllen. Sie musste alles geben! Sie schloss die Augen. In ihren Ohren hörte sie ihren Herzschlag wieder hallen. Erst zittrig, dann immer selbstbewusster, fing sie an sich zu bewegen. Jede Bewegung war perfekt, genau so, wie sie sie einstudiert hatte. Ein angenehmes Kribbeln machte sich in ihrem Körper breit und dieses Gefühl ließ sie glücklich lächeln. Das war es, was sie wollte. Dann ein Geräusch, das sie aus ihrer Ekstase riss und ihr einen solchen Schrecken bereitete, dass sie unsanft zu Boden knallte. Wimmernd regte sie sich wieder. Ihr Handgelenk tat auf einmal schrecklich weh! Erst nachdem sie den ersten Schock verarbeitet hatte, sah sie sich suchend um. Die Tür zur Aula war geöffnet. Irgendjemand musste hereingekommen sein, hatte aber vermutlich aber schnell das Weite gesucht, als er merkte, dass sie hier tanzte. Nicht nur, dass sie sich für ihre eigene Dummheit, sich ausgerechnet die Aula als Trainingsplatz auszusuchen, schämte, nun war sie auch leicht panisch, weil das Pochen in ihrem Handgelenk immer schmerzhafter wurde. Hoffentlich war nichts gebrochen. Gerade jetzt konnte sie das nicht gebrauchen! „Ich hasse Freistunden!“ brummte der Blonde und sackte auf seinem Tisch ein, schmollte. „Ich dachte du hasst Schule?“ hackte Ryou nach und zog fragend eine Augenbraue hoch. „Nein, ich mag es nur nicht, über komplizierte Dinge nachdenken zu müssen.“ „Oh, aber du scheinst nachdenken allgemein abzulehnen.“ kicherte Ryou und auch der Rest der Clique fing an zu lachen. „Soll das heißen, ich sei dumm?“ nun raffte Jonouchi sich wieder auf und sah erwartungsvoll in die Runde. Yuugi reagierte nicht. „Nicht dumm, nur ziemlich zurückgeblieben.“ grinste Otogi und brachte die Freunde wieder zum lachen. „Na wartet! Wenn ich euch in die Finger kriege!“ brüllte Jonouchi, erhob sich so hastig, dass sein Stuhl zu Boden fiel, und verfolgte Honda und Otogi, die trotz ihrer Flucht weiter stichelten. „Stimmt etwas nicht, Yuugi? Du wirkst heute abwesend.“ wand sich der Weißhaarige mit einer Vorliebe für Vanille zu dem Bunthaarigen. Dieser sah auf und winkte ab, doch er hatte nicht damit gerechnet, dass auch Ryou sehr stur und unnachgiebig sein konnte. Seit seinem Streit mit dem Blonden, hatten sie kaum noch ein Wort gewechselt und Yuugi wartete ungeduldig auf eine Entschuldigung von seinem Liebhaber, dieser jedoch schien es überhaupt nicht in Betracht zu ziehen, sich für seine dämliche Aktion zu entschuldigen. Jonouchi war schon immer ein Dickkopf, er rannte mit dem Kopf solange gegen die Wand, bis sie nachgab. Völlig egal, ob sein Tun sinnlos war oder nicht. Noch nie war das eine gute Eigenschaft von ihm gewesen, aber es war auch etwas, was Yuugi an ihm bewunderte. Schon früher wollte er genauso stark und mutig sein wie sein bester Freund. Er ließ sich nicht entmutigen und kämpfte für das, woran er glaubte. Das, was ihm am liebsten war, beschützte er ohne lange zu fackeln. Immer wieder hatte Yuugi darüber nachgedacht, was der Blonde ihm hatte sagen wollen. „Aber du kannst nicht ewig nur 'Ja' und 'Amen' sagen, verstehst du das?!“ Eigentlich hatte er recht. Er war viel zu weich und ließ sich schnell zu Dingen überreden, die er gar nicht wollte, nur um anderen damit einen Gefallen zu tun. Dennoch hätte er es anders ausdrücken können, denn seine Worte fühlten sich grausam an. In den ganzen Jahren, mit dem er mit Jonouchi befreundet war, bemühte er sich, sich weiter zu entwickeln und auf eigenen Füßen zu stehen. Als Pharao Atemu noch bei ihm war, hatte er sich viel zu sehr auf diesen verlassen, hatte ihn seine Aufgaben übernehmen lassen und sich selbst zurückgezogen. Er stand im Schatten des Pharaos. Durch die Handlungen des Pharaos hatte er gelernt, sich selbst zu vertrauen und sich durchzusetzen. Wenn er nicht gewesen wäre, wo wäre er dann heute? Sicherlich würde er nicht mit seinen Freunden lachen und hier mit ihnen sitzen. Alles wäre komplett anders geworden. Noch immer würde er alleine in den Pausen sitzen und dem Spott seiner Mitschüler zum Opfer fallen. Katsuya Jonouchi war seine erste wichtige Verbindung, die er mithilfe des Pharaos, schließen konnte. Ja. Eigentlich hatte er alles, was er nun besaß, dem Pharao zu verdanken. Er selbst hatte nichts getan, er hatte den Pharao machen lassen und er selbst stand im Hintergrund. „Du denkst zu viel, Yuugi. Manchmal ist es gut, das Leben so zu nehmen, wie es ist.“ „Hm? Entschuldige, ich hab geträumt...“ murmelte Yuugi und senkte verschämt den Kopf. „Ich meine, dass du dir eine Scheibe von Jonouchi abschneiden solltest. Er denkt wenig nach, was ihn zwar oft in Schwierigkeiten bringt, aber dadurch hat er es viel leichter.“ „Ich verstehe nicht... ?“ Was wollte er ihm damit sagen? „Dadurch, dass du dich in komplizierten Gedanken verirrst, machst du die Situation nur komplizierter als sie eigentlich ist.“ „Meinst du wirklich?“ „Manchmal ist es besser, wenn wir nicht nachdenken und einfach handeln. Anstatt vor dich hin zu brüten, solltest du die Initiative ergreifen.“ Ryou stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab und deutete auf Jonouchi, der von Otogi und Honda gekitzelt wurde und sich lachend hin und her wand. „Sieh ihn dir an. Nimm dir ein Beispiel an ihm.“ „Du hast recht... Danke, Ryou. Ich spendier dir dafür ein Brötchen mit Vanillefüllung!“ sofort verließ er den Klassenraum und machte sich auf den Weg zum Schuldach. Hier saßen er und Jonouchi oft, sie sprachen über unangenehme Sachen und über solche, die ihnen Spaß machten. Es war ein Ort, den er mit Jonouchi teilte und der für ihn eine wichtige Bedeutung bekommen hatte. Vorsichtig ging er zum Maschendrahtzaun, der dafür sorgte, dass niemand vom Dach stürzen konnte. Der Anblick der Stadt aus dieser Höhe hatte ihn bereits mehr als einmal wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht. Der kühle Wind streichelte sein Haar und er schloss die Augen, genoss die Ruhe und versuchte sich von allen Gedanken zu befreien, die ihn belasteten. In letzter Zeit hatte er so viel nachgedacht, sich Vorwürfe gemacht und war nie auf den Gedanken gekommen, dass ihn dieses ganze Nachdenken von innen nur noch mehr aufwühlte. Dass sich jemand ihm näherte bekam er gar nicht mit. Erst als er einen warmen, vertrauten Körper spürte, der sich von hinten an ihn schmiegte, öffnete er wieder die Augen und versuchte denjenigen zu erkennen, der ihn so schamlos überfiel. So dumm es auch klingen mochte, er hatte gehofft, dass er ihm folgte. „Hier bist du...“ hauchte er ihm entgegen. Sein Gesicht war durch seine langen blonden Pony verdeckt. Behutsam schmiegte er sich an Yuugi, blickte wie dieser in die Ferne. Der Jüngere verstand, dass es etwas gab, das ihn beschäftigte. Es war nicht Jonouchis Art sich so ruhig zu verhalten und noch auffälliger war es, dass er bisher nicht die Gelegenheit genutzt hatte, mit Yuugi über die Sache zu reden. „Ich war ein Idiot. Entschuldige.“ „Warum hast du das zu mir gesagt? Bin ich dir etwa ein Last?“ Yuugi befreite sich aus den Armen des Blonden, trat einige Schritte zurück und senkte den Blick. Wie konnte er beschreiben, was er fühlte? Hatte er Angst davor, das auszusprechen, was ihn seit Monaten nicht mehr aus dem Kopf ging? Was es auch war, es ließ ihn zögern. Sein Körper wurde von einem leichten Frösteln geschüttelt. Eine unangenehme Ruhe kehrte zwischen ihnen ein. Lediglich das Tosen der Straßen war zu hören und einige Vögel, die unruhig zwitscherten, als wollten sie ihn für seine Feigheit auslachen. Wie lange waren sie nun zusammen? Richtig zusammen? Weit über ein halbes Jahr. Bisher ging alles gut. Zwischen ihnen herrschte blindes Vertrauen und für sie stand fest, dass es eine ernsthafte Beziehung war. Doch die gesellschaftlichen Einflüsse waren beängstigend. Vielleicht war es dieser Umstand, der zu dieser Situation geführt hatte. Nervös biss er sich auf die Unterlippe, ließ seinen Blick hin und her schweifen, dann fixierte er den Blonden. Lässig hatte er eine Hand in der Hosentasche, ihn nachdenklich ansehend. „Es tut mir Leid, dass ich das so gesagt habe. Mich auszudrücken war noch nie meine Stärke.“ verlegen kratzte er sich am Hinterkopf, grinste. Das Grinsen wich genauso schnell weg wie es erschien. „Das weiß ich. Aber das ist nicht schlimm. Was ist es, was dir solche Angst macht?“ „Ich habe nie behauptet Angst zu haben...“ murmelte er und ballte die Fäuste, so dass seine Fingerknöchel weiß wurden. „Du vergisst, dass ich dich zu gut kenne. Irgendetwas beschäftigt dich. Du verheimlichst mir etwas.“ „So ein Unsinn!“ ruckartig wand er seinen Kopf weg, sein blondes Haar folgte. Seine Handlung sprach für Yuugis Vermutung. „Warum lügst du mich an? Ist dein Vertrauen nicht groß genug in mich?“ es dauerte eine Weile bis Jonouchi darauf reagierte. „Das ist es nicht. Das hat nichts mit Vertrauen zu tun. Du bist das Problem. Du machst mich verrückt! Ich will dich, aber mein Verstand sagt, dass ich so etwas nicht tun soll.“ „Verstand? Seit wann hörst du denn auf den?“ Yuugi kicherte, versuchte dieses aber mit seiner Hand abzuschirmen. „Das ist ernst, Yuugi! Glaubst du, dass wir ewig so weiter machen können?“ „Nein, das denke ich nicht. Anzu und Rebecca wissen es bereits.“ „Eben. Ich will es einfach nicht länger verheimlichen. Ich hasse dieses Gefühl... dieses Gefühl, was in mir entsteht, wenn ich mich verstecken muss. Das passt einfach nicht zu mir. In letzter Zeit geht mir alles gegen den Strich!“ seine Stimme wurde immer lauter, dann schrie er so laut, dass Yuugi sich die Ohren zuhalten musste. „Willst du, dass wir es den anderen sagen?“ sein Blick war ernst. Jonouchi erwiderte nichts. „Jonouchi-kun?“ hackte er vorsichtig nach, kam ihm etwas näher. „Wieso nennst du mich nach all den Jahren immer noch so?“ wütend stapfte er auf Yuugi zu, ergriff seine Hand und drückte ihn gegen den Zaun. Obwohl Yuugi wusste, dass ihm nichts geschehen würde, breitete sich ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend aus. Jonouchis starker Griff ließ ihn auf keuchen, leise machte er auf sich aufmerksam, wies seinen Freund dazu an, ihn loszulassen. „Sag Katsuya zu mir. Oder willst du etwa Distanz zu mir aufbauen?“ Hecktisch schüttelte Yuugi den Kopf, errötete. Hatte er Jonouchi etwa damit verletzt indem er ihn immer mit seinem Nachnamen ansprach? Es war keine Absicht, sondern Gewöhnung. Jonouchi lehnte seine Stirn gegen die von Yuugi, er atmete tief ein und entspannte sich langsam wieder. Auch sein Griff um Yuugis zartes Handgelenk wurde lockerer. Seine Haut war warm und weich. Yuugi war ein Mann, trotzdem begehrte er ihn. Was war so besonders an Yuugi, dass es sein Interesse weckte? Es war nicht sein Körper sondern sein Wesen, das ihn entzückte. Wie er für ihn einstand, ihm ein Lächeln schenkte, wenn er es am Nötigsten hatte. „Los, sag meinen Namen...“ bat er und öffnete seine Augen nicht. „Ich... geht das wirklich in Ordnung?“ fragte der Kleinere noch einmal nach, schüttelte den Blonden nicht von sich. „Sag ihn einfach. Ich will ihn aus deinem Mund hören. Zeig mir, dass du es ernst mit mir meinst.“ „Ich...“ seine Stimme wurde brüchig, für andere kaum hörbar. Ein leises Flüstern entfloh seinen Lippen. Jonouchis Mundwinkel gingen in die Höhe, dann drückte er Yuugi an sich, legte beschützend seine Arme um ihn. Eine Beziehung wie ihre war in der heutigen japanischen Gesellschaft alles andere als Vorteilhaft, aber er wollte seine Gefühle für seinen Retter in der Not nicht länger verbergen müssen. Diese Geheimniskrämerei war nichts, was er gut konnte. Zumindest ihren engen Freunden sollten sie erzählen, dass sie schon längst keine einfachen Freunde mehr waren, dass die Gefühle, die sie füreinander empfanden über Freundschaft hinaus gingen. „Ich liebe dich, Katsuya...“ hatte Yuugi ihm entgegen gehaucht, so liebevoll, dass er sich sicher sein konnte, dass ihre Beziehung noch lange halten würde. Auch nach ihrer Schulzeit. Diese Ehrlichkeit war es, die Jonouchi an ihm so sehr schätzte. Er wollte ihn beschützen. Um jeden Preis. Niemand sollte es auch nur wagen Yuugi zu verletzen. Waren diese Gedanken heuchlerisch in Anbetracht dessen, dass er einer der Gründe war, dass Yuugi früher Angst hatte zur Schule zu kommen? Was war er nur für ein Idiot gewesen, ihn so zu verletzen, nur weil er mit seinem eigenen Leben nicht klar kam? Er wünschte sich wirklich, dass er damals netter zu ihm gewesen wäre. Manchmal hasste er sich selbst und wollte sich am liebsten selbst in den Arsch treten! Seit langer Zeit waren sie Freunde. Nicht so lange wie er es gerne gehabt hätte, aber sie hatten schöne Erinnerungen gesammelt, die sie miteinander verbunden. Das Leben, das er hatte, bevor er Yuugi traf, war wertlos. Die meisten Leute, die er kannte, waren keine Freunde im eigentlichen Sinne. Er hing lediglich mit ihnen ab, weil er außer Honda niemand anderen hatte und nicht wusste, wo er seinen ganzen Frust raus lassen sollte. Das einzige, was ihn damals am Leben hielt, war der Gedanke an seine Schwester Shizuka, die sich vermutlich nicht einmal mehr an ihn erinnern konnte. Durch ihre Augenkrankheit fiel es ihr schwer etwas zu sehen, aber die Zeit mit ihr hatte er genossen. Zu gerne dachte er daran zurück, wie sie als Kinder ohne die Erlaubnis ihrer Eltern zum Strand fuhren und dort den Tag verbrachten. Das war lange her. Während er Yuugi wieder an sich drückte, schloss er die Augen. Als er sich mit Yuugi anfreundete, wurde ihm bewusst, wie sinnlos sein Leben bisher war. Er zeigte ihm eine andere heile Welt und brachte ihn dazu Spiele zu spielen anstatt mit irgendwelchen Typen in Gangs durch die Straßen zu wandern. Yuugi war da als er weder eine Mutter, noch einen Vater oder eine Schwester hatte. Oft hatte er mit Yuugis Mutter und Großvater zu Abend gegessen und mit ihnen gelacht. Sie waren beinahe eine Familie. Etwas, das er einmal besaß und was ihm früh entrissen wurde. Ja, er hatte ihn beneidet, denn er hatte ein friedliches und normales Leben. Etwas, das er nie besitzen würde. Warum hatte es so lange gedauert, bis er es verstanden hatte? Er hatte Yuugi. Dieser kleine weibische Knirps war für ihn da, er kämpfte sogar gegen Ushio um ihn zu beschützen. Das musste auch der Zeitpunkt gewesen sein, als er sich schwor immer für ihn einzustehen und ihn zu beschützen. Im Königreich der Duellanten hatte Yuugi ihm einen Sternenchip gegeben, etwas, das ein stolzer Duellant niemals hergab. Doch er hatte ihm einen geschenkt, damit er seine Schwester retten konnte. Als Haga die Exodia Karten ins Wasser warf, wollte er sie zurückholen. Bis heute tat es ihm schrecklich leid, dass er nie alle Karten bekommen hatte. In den letzten Jahren war einfach so viel geschehen wofür er Yuugi unendlich dankbar war. Amüsiert lachte er auf. „Was ist Jou... Katsuya? Warum lachst du?“ „Ich musste nur gerade an etwas denken.“ „Was meinst du?“ Yuugi versuchte ihn direkt anzusehen, doch der Blonde küsste ihn. „Du bist so etwas wie ein Schutzengel für mich.“ Dieser schwächlich aussehende Junge war sein Schutzengel, er war immer für ihn da gewesen wenn er ihn brauchte und nun lag es an ihm, diesen Engel zu beschützen. Ohne ihn wäre sein Leben ohne Bedeutung. Endlich hatte er verstanden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)