Was lange währt von Tea_Kaiba (... wird damit noch lange nicht gut - Anzu x Seto) ================================================================================ Kapitel 1: Die Kunst, sich in einer Minute emotional zu ruinieren ----------------------------------------------------------------- „Hey. Du bist ja doch gekommen.“ Zweifellos die überflüssigste Begrüßung aller Zeiten. Natürlich war er gekommen, sonst stände er wohl kaum hier und würde sich den Schnee vom Mantel klopfen. „Mokuba hat mir wiederholt versichert, dass ich nicht genügend Freunde habe, um einen davon ohne Abschiedsparty gehen zu lassen.“ Wobei er selbst die Version bevorzugte, in der er einfach nichts Besseres zu tun hatte und wenigstens einmal im Leben so einer Einladung nachkommen konnte. Immerhin hatten sie inzwischen alle ihren Abschluss und es würden nicht mehr viele Gelegenheiten kommen. „Wie auch immer. Schön, dass du da bist.“ Das war neu. Keine halb spöttische, halb gut gelaunte Antwort, keine schnippische Frechheit? Anscheinend schlug sogar Anzu der bevorstehende Abschied von Domino zu Gemüte, wenn sie nicht einmal für ihn eine schlagfertige Parade auf Lager hatte. Es konnte ja schlecht sein, dass die Stimmung allgemein so schlecht war und er sich hier deshalb kaum entspannter fühlen wollte als in seinem Arbeitszimmer – eher im Gegenteil –, schliesslich schienen sich alle Anderen wunderbar zu amüsieren. Also blieb es wohl einfach bei der Tatsache, dass Seto Kaiba nicht für Parties geschaffen war. Vielleicht noch weniger, als sich in diesem Raum kaum mehr als zehn von bestimmt fünfzig Personen befanden, die er kannte – wenn es darum ging, wie viele er davon auch leiden konnte, reduzierte sich die Zahl auf nicht mehr als drei. Kein Wunder also, dass er sich schon nach der ersten Viertelstunde allein in einer Sofaecke wiedergefunden hatte. „Warum kommst du nicht zu uns? Wir könnten noch Verstärkung brauchen.“ Er schnaubte. War es nicht genug, dass diese Frau ihn dazu gebracht hatte, mit seinen Prinzipien zu brechen und auf einer (post-)High School Party zu erscheinen? Öffentlich blamieren würde er sich nun nicht auch noch nicht einmal – Korrektur, ganz besonders nicht – für Anzu Mazaki. „Beim Singstar? Nein, danke. Da ziehe ich das hier doch vor.“ Ein Wunder, dass sie nicht protestierte. Das war doch sonst eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Stattdessen liess sie sich nur neben ihn fallen und schnappte sich eine Schüssel Popcorn vom Tisch nebenan. „Gut, dann leiste ich dir eben Gesellschaft. Singen werde ich wohl noch genug können in den nächsten Monaten.“ Ach ja. Hatte er das verdrängt, oder warum musste er sich jetzt unsanft daran erinnern lassen, dass Anzu morgen ins Flugzeug nach Amerika steigen würde, um eine Schauspielausbildung anzufangen, die sie zu einem nicht unerheblichen Teil mit den Ersparnissen aus jahrelangen Ferienjobs in seiner Firma finanzieren würde? Ach was, unsanft. Er konnte sich eben auch nicht jedes unwichtige Detail merken, das war alles. „War das alles, was du wolltest?“ Sie hasste den kurzen Moment, in dem ihr Herz bei dieser wie üblich gelangweilt-spöttischen Frage aussetzte. Himmel, es war doch nicht so schwer, jetzt endlich zu sagen, was ihr schon seit Wochen auf der Zunge brannte, immerhin war sie nicht zum ersten Mal verliebt. Und sie konnte sich doch sicher sein, dass er sie auch irgendwie mochte, sonst wäre er schliesslich nicht hier. Ausserdem, egal, wie seine Antwort ausfallen würde, wäre sie doch in ein paar Stunden sowieso weg und bräuchte ihn wer weiss wie lange nicht mehr zu sehen, vielleicht nie mehr, es konnte schliesslich keiner erwarten, dass Seto Kaiba sich damit beschäftigte, alte Freundschaften aufrecht zu erhalten. Sie nahm ihren ganyen Mut zusammen und sprudelte in einem Atemzug alles heraus, wofür sie sich doch einmal eine so sorgfältige Rede zurecht gelegt hatte. „Nein ich dachte eigentlich, es wäre besser, dir noch zu sagen, dass du mir viel bedeutest, bevor ich gehe. Ich denke, ich habe mich in dich verliebt.“ Was für eine Art Geständnis war DAS denn nun gewesen? Hatte man jemals schon so etwas Ungeschicktes und Unromantisches gehört? Ausserdem hatte sie es so schnell gesagt, dass es ein wahres Wunder der Anatomie war, wie in der kurzen Zeit ihre Wangen so heiss hatten werden können. Komm schon, das kannst du besser. Warum bitte war er jetzt enttäuscht? Es konnte ihm doch im Grunde egal sein, nach welcher Ansage er sie abblitzen lassen musste. Und irgendwie hatte er doch gewusst, dass das hatte kommen müssen. Verliebt. Lächerlich. Wo sie doch genau wusste, dass er damit nichts zu tun haben wollte. Und selbst wenn, wäre er dann so verrückt, sein Herz ausgerechnet auf ein Mädchen zu setzen, das im Stande war, nach New York abzuhauen? Wer konnte da schon wissen, was als nächstes kam? Und wenn er überhaupt an irgendeine Art von Liebe glaubte, dann an eine, die mit Vertrauen und Verlässlichkeit zu tun hatte. Nicht mit einem Flug um die halbe Welt. Warum brauchte er dann jetzt so lange, um zu antworten? Weil er sie aus irgendeinem bescheuerten Grund mochte, freundschaftlich, versteht sich, und nicht lächerlich machen wollte, wie er das mit jeder anderen „Verehrerin“ getan hätte. „Schön, aber wir wissen doch beide, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruht, oder?“ brachte er schliesslich hervor, sensibel wie immer. Diesmal allerdings fiel ihm selbst auf, dass der Ton hier nicht ganz angebracht gewesen war, also schob er etwas ungeschickt hinterher: „Im Übrigen will ich ja nicht daran Schuld sein, wenn du dir deine Karriere durch eine komplizierte Fernbeziehung zu nichte machst.“ Das war nun offensichtlich nicht das gewesen, was Anzu irgendwie getröstet hätte, denn sie schenkte ihm nur ein verrutschtes Grinsen und stand auf. „Ähm... gut, das stimmt wahrscheinlich. Amüsier dich noch schön und... machs gut und so. Ich denke nicht, dass wir uns noch mal sehen.“ Tapfer war sie ja, das musste er ihr lassen. Und sie konnte wirklich absolut nichts dafür, dass er so wenig Talent dafür hatte, eine unangenehme Tatsache in angenehme Worte zu kleiden. Seto liess also stumm ihre Umarmung über sich ergehen, von der er sich wahrscheinlich nicht nur einbildete, dass sie einen Tick länger dauerte als die, die ihre restlichen Freunde morgen am Flughafen bekommen würden, und sah ihr dann hinterher, wie sie den Raum durchqueerte, um einen federnten Schritt bemüht, der allerdings nicht so ganz gelingen wollte. „Noch was zu trinken, irgendjemand?“ Jedes andere Mädchen hätte sich an ihrer Stelle – mit gutem Recht – erst mal irgendwo eingeschlossen und die Augen ausgeweint, aber nicht Anzu. Ihr war die Rolle des Cheerleaders schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie sich sogar jetzt einfach wieder ihrer Party widmen konnte, ohne irgendjemanden ahnen zu lassen, dass sie grade eine schwere Enttäuschung hatte wegstecken müssen. Einen Moment lang vergass Seto sogar, dass er selbst dafür der Grund gewesen war, und wurde zum bewundernden – und einzigen bewussten – Zuschauer ihrer Darbietung. Schauspielerei lag Anzu im Blut, keine Frage. Und obwohl er früher dafür nur Verachtung übrig gehabt hatte, musste er inzwischen zugeben, dass ihre dauerhafte Fröhlichkeit eine Kunst für sich darstellte. Innerlich hatte sie genauso viele Kämpfe auszufechten wie jeder Andere, aber anstatt das immer offen zu zeigen, oder sich – wie Seto es nur allzu oft tat – hinter einer scheinbaren Gefühllosigkeit zu verstecken, versuchte sie, wenn nötig, die Rolle zu spielen, die ihrer Umwelt am wenigsten weh tat. Ob das für sie selbst immer das Beste war, wagte Seto zu bezweifeln, aber es war ganz bestimmt eine beachtliche Leistung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)