Boten der Götterdämmerung von abgemeldet (Der Drache) ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Prolog Ich sollte von Anfang an klarstellen, dass das hier nicht meine Idee war! Wäre es nach mir gegangen, dann hätte Ugdalf diese Aufgabe übernommen, aber er hat sich einmal wieder gekonnt aus der Affäre gezogen... Vielleicht sollte ich unsere Gruppe erst einmal vorstellen: meine Freunde und Gefährten sind Mox von Ammarindar, der berühmte Minotaurenschütze, Ugdalf Sturmbringer (ja, der Ugdalf Sturmbringer)und meine Tiergefährtin Gwenyfwheyr. Mein Name ist Thalanee Holimion, und an mir ist es (dank besagter Freunde), euch diese Geschichte zu erzählen. Es gibt wahrhaft Personen, die für diese Aufgabe geeigneter wären als ich. Ich habe zwar im Laufe der Zeit gelernt, mit Worten umzugehen, aber ich habe noch nie versucht, eine lange und verstrickte Geschichte wie diese in Worte zu fassen, und auch jetzt bin ich mir nicht sicher, ob ich das wirklich schaffe. Aber einer aus unserer Gruppe sollte es tun. Wer sonst könnte es? Die Idee entstand vor einiger Zeit bei einem unserer Treffen auf dem neuen Magierkonklave. Irgendjemand warf in die Runde, dass es doch interessant wäre, die ganze Geschichte der „Boten der Götterdämmerung“ zu hören. Wüsste ich noch wer das war, würde ich mich ordentlich bedanken... Ugdalf allerdings war damals in einer seiner recht seltenen Phasen, in denen er nicht zum Erzählen aufgelegt war und redete sich heraus. Als wir vier dann allein am Feuer saßen, kamen wir darauf zu sprechen. „Es stimmt eigentlich.“ stellte Mox mitten ins Blaue hinein fest. „Was stimmt?“ fragte ich nach. „Dass die Geschichte erzählt werden sollte.“ „Das wird sie bereits.“ meldete sich Ugdalf. „Die Barden verstehen ihr Geschäft.“ „Die Barden wollen mit ihren Geschichten unterhalten. Wenn sie sich dabei von der Wahrheit etwas entfernen, stört sie das nicht im geringsten.“ warf ich ein. Und was das angeht weiß ich, wovon ich rede. Aber darüber werde ich noch berichten. „Einer von uns muss das tun.“ brummte Mox. „Aber wer?“ fragte ich. Eine Weile lang antwortete niemand. Alle drei sahen mich an. Ihre Belustigung wurde dabei immer offensichtlicher. Moment mal... „Ich?“ rief ich ungläubig. Ugdalf grinste. „Danke, dass du dich freiwillig meldest.“ erklärte er süffisant. Das durfte ja wohl nicht wahr sein. Dieser... dieser... „Nein, das tue ich nicht. Du kannst weitaus besser mit Worten umgehen als ich, das wissen wir beide.“ „Aber wir beide wissen auch, was passieren kann, wenn ich das tue...“ begann Ugdalf. Gwen war es, die fortfuhr. „Ja, denk nur mal an die Trolle, an Fnor und seine Leute, an die Ritter des Sturmwindes, an...“ „Schon gut!“ rief ich. Gegen dieses Argument konnte ich nichts tun. Ich hatte ja oft genug gesehen, was Ugdalf anstellen konnte, wenn man ihn reden ließ. Der Gedanke, ihn ein Buch schreiben zu lassen, das womöglich in vielen hundert Jahren noch jemand Unbedarftes lesen könnte... Beinahe hoffnungsvoll sah ich zu Mox hinüber. „Ich bin nicht so gut mit Worten wie du, Thalanee. Ich bin ein Krieger.“ Verblüfft sah ich sie alle an. „Ihr meint das tatsächlich ernst?“ „Natürlich!“ erklärte Ugdalf. „Vergesst es!“ verkündete ich. „Ach, nun komm Thalanee!“ „Nein! Ich mache es nicht. Und damit ist die Diskussion beendet!“ Aber das war sie natürlich nicht. Meine Ablehnung ignorierend erzählte Ugdalf nämlich allen davon. Und nicht nur er! Sogar Gwen und Mox halfen ihm dabei. So wurde ich von allen Seiten immer wieder belagert, bis ich endlich aufgab. Deswegen bin ich diejenige, die euch die Geschichte der „Boten der Götterdämmerung“ erzählt. Ich bin immer noch der Meinung, dass ich nicht wirklich geeignet dafür bin, aber wie schon gesagt. Wer sollte es sonst tun? Also lasst mich euch eine Geschichte erzählen, die vor vielen Jahren begann, und auf eine bestimmte Art und Weise auch heute noch weitergeht. Sie beginnt in der Bucht von Alain, auf der Insel der Söldner und wartet darauf, erzählt zu werden. Kapitel 2: Kapitel 1 -------------------- Kapitel 1 Es war heiß. Brütend heiß. Aber eigentlich sollte mich das nicht wundern. Schließlich brannte die Sonne unentwegt auf diese Insel herab, die Insel der Söldner, die nicht nur wegen der Hitze berühmt berüchtigt war. Zwar hatte ich meine dunkelgrüne Reiserobe an, die der einheimischen Kleidung recht ähnlich war, aber darunter trug ich meine Mondefeurüstung und die Stiefel. Selbst meinen Elfenmantel hatte ich anbehalten. Unnötig zu sagen, dass mir wirklich warm war, oder? Deshalb zog ich den Elfenumhang aus und stopfte ihn gereizt in meinen Reisesack. Was zuviel war, war zuviel. Und die Menschenmenge machte die Hitze auch nicht besser. Hier in der Arena waren alle dicht aneinandergepackt. Ich sah mich noch einmal genauer um. Die Arena bestand aus einem großen elliptischen Kampfplatz mit Sandboden, unter dem Falltüren versteckt waren, aus denen manchmal überraschend neue Gegner sprangen. An den schmaleren Enden des Ovals erhoben sich die großen Torbögen, aus denen die Kämpfer traten. Um die Arena herum erhoben sich die Tribünen Stufe um Stufe, immer weiter hinauf. Alles war aus goldgelbem Sandstein errichtet, der in der Sonne zu glühen schien. Einheimische in langen Gewändern saßen neben Fremden von verschiedenster Herkunft, oft erkennbar an ihren Trachten, von denen sie sich trotz der Hitze nicht trennten, so unpassend sie auch manchmal gekleidet schienen. Alle kamen, um sich die Kämpfe anzusehen. Die Einheimischen zum Vergnügen, die Fremden, um passende Kämpfer zu finden für das, was getan werden musste. Die Sonne brannte ohne Unterschied auf alle herab. Überall hing der Geruch von Schweiß und Staub in der Luft. Kam der wahrlich spärlich gesäte Wind von der Arena, trug er den rostigen Geruch des Blutes mit sich. Wie viele hatten hier schon gekämpft, um ihr Können zu beweisen? Gedankenverloren sah ich mich auf den Rängen um. Überall drängten sich die Zuschauer dicht an dicht und nur die beiden im Schatten liegenden Tribünen blieben davon verschont. Dafür wurde gesorgt, denn die Tribünen waren den reichsten und bedeutendsten Gästen vorbehalten. In der einen Tribüne saßen mehrere in Seidengewänder gehüllte Männer mit Turbanen. Einer von ihnen wurde ständig von Dienern umschwärmt und gab Anweisungen. Die andere Tribüne war bei weitem interessanter, denn sie war umringt von Elfenrittern in voller Mithrilrüstung. Obwohl die Elfen so klein waren, sahen sie in ihren Rüstungen beeindruckend genug aus, um andere von der Tribüne fernzuhalten. Mal abgesehen davon, dass man sehr mächtig, sehr mutig oder sehr dumm sein muss, um so hochgestellte Elfen anzugreifen. Ich denke, ich muss nicht erklären, was damit gemeint ist, nicht wahr? Woher sie wohl kamen... meine Gedanken schweiften zu meiner Mutter mit ihren leuchtend grünen Augen. Schon fast zwei Jahre reiste ich umher und hatte noch immer keine Spur von ihr entdeckt. Ob ich sie je finden würde? Eine Berührung an meiner Hand schreckte mich aus meinen Gedanken. Gwenyfwheyr. Sie war dem Lauf meiner Gedanken über unser Band gefolgt. Ich konnte ihre Besorgnis spüren. Sanft legte ich ihr meine Hand auf den Kopf, blickte in ihre goldenen Augen und versicherte ihr über unser Band, das alles in Ordnung war. Sie blinkte beruhigt und legte ihren Kopf wieder auf meinen Schoß. Ich fuhr fort, ihr goldenes Fell mit den schwarzen Flecken zu streicheln. Meine Tiergefährtin war wirklich ein wunderschöner Gepard. Die meisten Druiden hatten Wölfe, Vögel oder andere Tiere des Waldes als Gefährten, aber ich hatte Gwen unterwegs getroffen und seitdem waren wir ein unzertrennliches, wenn auch außergewöhnliches Paar. Hatte ich gesagt, dass die Tribünen der einzige Ort waren, an dem kein Gedränge herrschte? Das war nicht ganz richtig, denn in einem gewissen Abstand um uns beide herum herrschte Leere. Die meisten warfen Gwen immer wieder unruhige Blicke zu. Wir waren wirklich ein seltsames Gespann: eine kleine junge Halbelfe mit olivfarbener Haut und grünen Augen, die schwarzen Locken zu links zu einem Zopf gebunden, abgesehen von dem Skimitar völlig harmlos aussehend und ein Gepard, größer und muskulöser als diese Raubkatzen eigentlich waren. Viele sahen in ihr eine reißende Bestie, aber ich weiß es besser. Sicher, Gwen war ein wildes und gefährliches Tier, aber sie besaß ein fürsorgliches Wesen und aus ihren Augen strahlte Intelligenz. Ich hatte allerdings nichts dagegen, dass wir so viel Freiraum bekamen. Ich konnte Gwens Belustigung spüren und wusste, dass sie genauso dachte. Inzwischen war ein neuer Kampf angekündigt worden. „Heute werden wir etwas ganz besonderes zu sehen bekommen: Levathi, der geflügelte Wemic wird einem Athach entgegentreten...“ Dieser Ankündigung folgte eine ganze Reihe weiteres Gerede, dem ich keine Beachtung schenkte. „Diesen Kampf sehen wir uns noch an, dann gehen wir uns ein Quartier suchen.“ teilte ich Gwen mit. Wir hatten uns sofort nach unserer Ankunft umgesehen und waren in der Arena gelandet. Der Tag war zwar noch jung, aber ich wollte lieber vorsorgen. Obwohl es eigentlich keine Rolle spielte, denn ich verbrachte einen großen Teil meiner Nächte im Freien. Mein Blick wurde von Bewegungen wieder auf die Arena gelenkt. Levathi hatte sie gerade betreten. Sein Unterkörper war der eines silbernen Löwen, doch da wo bei einem Löwen der Kopf gewesen wäre, erhob sich der Oberkörper eines gut durchtrainierten Menschen. Was das anging, sah er aus, wie die meisten Wemics, doch was ihn unterschied, waren die weißen Flügel, die an den „Schultern“ des Löwenkörpers saßen. Gelangweilt schaute er sich um und ließ sich einfach, ohne den Jubel der Menge zu beachten, mitten in der Arena nieder. Dort begann er gemütlich, sein Fell zu putzen, wie eine Katze auf einem Ast. Er schien sich keine Gedanken um den bevorstehenden Kampf zu machen. Jetzt betrat sein Gegner die Arena. Der trollähnliche Athach war fast zwei Meter groß und schien in grobe Felle gekleidet zu sein. Seine drei Arme hingen einfach herunter. Mit einem davon trug er eine große Keule. Der Gestank, den er verbreitete, wehte bis zu uns herauf. Ich konnte sehen wie Levathi das Gesicht verzog, als er sich langsam erhob. Ohne weiter abzuwarten, bis sein Gegner zu ihm kam, erhob sich der Wemic mit seinen weißen Flügeln in die Lüfte. Wie aus dem Nichts zog er zwei Scherensuvayas hervor und versetzte seinem Gegner zwei gewaltige Schläge, noch bevor der Athach überhaupt reagieren konnte. Während der Athach brüllend seine Keule schwang, drehte Levathi eine elegante Runde um die Arena und näherte sich seinem Gegner erneut von vorne. Der folgende Schlagabtausch war kaum zu sehen, so schnell wurde er durchgeführt, doch das Ergebnis war offensichtlich. Der Athach sackte zusammen und stand nicht wieder auf. Tosender Jubel brandete auf und der Kommentator erging sich in Lobeshymnen, doch Levathi verließ vollkommen uninteressiert die Arena und verschwand durch den Torbogen durch den er gekommen war. Ich gab Gwen ein Signal und wir standen gemeinsam auf, um die Zuschauerränge zu verlassen. Wortlos bewegten wir uns durch die Reihen der zurückweichenden Zuschauer und verschwanden im Inneren des Baus. Die Gänge und Treppen führten in einen Hauptraum, der sich wiederum zur Stadt hin öffnete. Überall standen Stände, an denen aller möglicher Ramsch oder Lebensmittel verkauft wurden. Da bemerkte ich auf der anderen Seite der Halle einen Gang, der mir vorher nicht aufgefallen war. Meine Neugierde machte sich bemerkbar. Es war mal wieder so weit. Es gibt Zeiten (oder Situationen), da kann ich meine Neugierde einfach nicht aufhalten und muss den Dingen auf den Grund gehen. So stolpere ich immer wieder in die unmöglichsten Situationen. Man könnte fast sagen, dass Neugierde meine größte Schwäche und meine größte Stärke ist. Also folgte ich diesem Gang. Er führte tiefer unter die Oberfläche, als ich angenommen hatte. Bald stand ich vor einer großen rot lackierten Tür, über der in großen Lettern „Roter Salon“ geschrieben stand. Das machte mich nur um so neugieriger. Was mochte das wohl bedeuten? Plötzlich hörte ich hinter mir ein Geräusch. Es konnte nichts bedrohliches sein, sonst hätte Gwen mich gewarnt. Dennoch drehte ich mich vorsichtig um- und stand vor einer Wand. So schien es mir jedenfalls auf den ersten Blick. Als ich den Kopf hob, sah ich, was da wirklich vor mir stand. Er war ein über zwei Meter großer Minotaurus. Teils wirkte er wie ein großer muskelbepackter Mensch, doch seine Beine endeten in Hufen und sein Kopf war der eines Stieres mit glänzend weißen, leicht geschwungenen Hörnern. Sein Fell war schwarz wie die Nacht und er sah mich ruhig an. Ich bemerkte, dass er über seinem Lederharnisch einen Köcher mit einem Bogen trug. Das war ungewöhnlich. Minotauren waren eher dafür bekannt, mit Äxten zu kämpfen. „Gehst du raus oder rein?“ fragte er mich mit einer tiefen, brummenden Stimme. Im ersten Moment wusste ich nicht, was er meinte. Aber dann erinnerte ich mich an die Tür. Meine Antwort war mehr Instinkt als Überlegung. „Rein.“ sagte ich. Mit diesem einen Wort handelte ich mir das irrsinnigste Abenteuer meines Lebens ein... „Dann tritt ein.“ forderte der Minotaurus auf und öffnete die rote Tür. Dahinter lag ein gigantischer Raum, der mindestens so groß war wie die Arenafläche draußen. Das Dunkel des Raumes wurde erhellt von Feuern, die in regelmäßigen Abständen in großen, im Boden verankerten Schalen brannten. Am anderen Ende des Raumes fiel Licht durch ein Fenster, das in die Arena zeigte. Von dort aus konnten die Söldner den Kämpfen zusehen, ohne auf die Tribünen zu müssen. Auf der linken Seite war ein großer Schießstand aufgebaut, mit vielen Strohpuppen und Zielscheiben zum Üben. Überall im Raum erhoben sich Stimmen. Kämpfer der verschiedensten Klassen und Rassen standen beieinander und unterhielten sich, sahen einander beim Kämpfen zu oder beschäftigten sich mit Glücksspielen. Dazwischen lief eine Vielzahl livrierter Diener umher, um Botschaften zu überbringen, oder diesem oder jenem Kämpfer ein Angebot zu überbringen. Auf der anderen Seite des Raumes waren mehrere Ringe aufgebaut, in denen die Krieger probeweise gegeneinander antreten konnten. Von dort kam ein Riese von einem Mann auf uns zu (aus meiner Perspektive; er war noch ein gutes Stück kleiner als der Minotaurus). Er trug eine leichte Rüstung aus Leder und an seiner Seite hing ein breites Kurzschwert. Seine Arme und sein Gesicht waren übersät von Narben. Eine davon zog sich von seiner Glatze über das linke Auge. „Ich bin hier der Leiter der Arena und hab´ was die Krieger angeht das Kommando.“ erklärte er schroff, während er uns Neuankömmlinge begutachtete. „Und was wollt ihr hier?“ „Mein Name ist Mox von Ammarindar.“ stellte der Minotaurus sich vor. „Ich bin hier, um um Söldner zu werden.“ „Gut. Und was willst du hier, Mädel? Das ist keine Puppenstube.“ Ich weiß bis heute nicht, warum ich es tat -jeder andere hätte vielleicht behauptet, sich verlaufen zu haben- aber ich antwortete prompt: „Das gleiche wie er.“ Er musterte mich eingehend von Kopf bis Fuß und sah sich auch Gwen genau an. „Dann wirst du in der Arena beweisen müssen, was du drauf hast. Das hier ist jedenfalls kein Spielplatz für kleine Mädchen und ihre Katzen. Geht zu dem Schreiberling da hinten und tragt euch ein.“ Er blickte Mox von Ammarindar und mich noch einmal an und stapfte dann wortlos davon. Ich sah ihm kurz hinterher und folgte dann kurz entschlossen dem Minotauren, der mittlerweile an einer Art Tresen stand, hinter dem sich Regale voller Schriftrollen und Büchern türmten. Manche der Fächer waren ziemlich verstaubt und ein Regal war so morsch, dass ein Nieser es zum Einsturz hätte bringen können. Hinter dem Tresen lief ein dünner kleiner Mann umher, der ständig mit seiner Feder oder den Schriftrollen hantierte. Ich näherte mich ihm, um ihn anzusprechen. „Verzeihung.“ meinte ich höflich „ich soll mich hier einschreiben.“ Er zuckte kurz zusammen und sah mich etwas durcheinander an. „Wie? Oh, ja ja, natürlich“ antwortete er und reichte mir ein Formular. „Füllt das hier aus und wartet, bis man Euch aufruft.“ Sprachs und verschwand hinter einem der Regale. Das Formular war ein wildes Durcheinander verschiedenster Fragen. Das man Namen, Rasse, Beruf, Waffen und Magiekenntnisse angeben sollte verstand ich, aber es gab auch skurrile Fragen wie „Ist ihre Waffe mythischen Ursprungs?“ oder „Waren sie schon einmal Opfer magischer Experimente?“. Da war die Frage „Haben sie schon einmal gegen einen Drachen gekämpft?“ verständlicher. Als ich den Bogen fertig ausgefüllt hatte, kam der Schreiber zurück und warf einen Blick auf die Antworten. „Ah, ihr seid also eine Druidin. Dann ist das wohl Euer Tiergefährte? Nettes Kätzchen.“ Gwen fauchte ihn an. Sie hasst es, so genannt zu werden. Der Schreiber wich bleich zurück, während ich mir keine Mühe gab, mir das Grinsen zu verkneifen. „Ein nettes Kätzchen bin ich also, ja? Soll das nette Kätzchen mal zeigen, wie scharf seine Krallen sind?“ zischte Gwen ihn an. Ja, sie kann sprechen. Sie ist so klug wie ein Mensch (oft sogar weiser) und sie kann sprechen. Sie verdankt diese Fähigkeit einem bestimmten Zauber, den wir Druiden beherrschen. Es gibt nicht viele Druiden, die den Zauber des Erwachens benutzen, aber ich habe es getan. „Man w-wird Euch dann aufrufen, wenn es soweit ist.“ stotterte er und zog sich zurück. Ich kraulte Gwen kurz hinter den Ohren und machte mich auf die Suche nach einer leeren Bank, die ich auch bald fand. Dort setzte Gwen sich wie immer neben mich und legte ihren Kopf auf meinen Schoß, während ich mir das Treiben im Roten Salon ansah und meine Gedanken schweifen ließ. Noch immer übten viele Söldner den Kampf, reinigten ihre Waffen oder erzählten sich Geschichten von ihren Erlebnissen. Es waren aber auch ein paar darunter, die teils heftig aussehende Wunden versorgten. „Wenigstens wissen wir jetzt warum es „Roter Salon“ heißt.“ murmelte ich leise. Gwen schnurrte nur leise zur Antwort. Dabei hatte ich damit gerechnet, dass sie die Gelegenheit nutzen würde, um mich für verrückt zu erklären. Bald entdeckte ich auch den geflügelten Wemik, der vorhin in der Arena gekämpft hatte. Er war gerade dabei, sein Fell zu säubern. Dabei erinnerte er stark an Gwen und so ziemlich jede Katze. Mit der Zunge leckte er über sein Fell und räkelte sich wie eine Katze, die gerade einen Teller voller Milch bekommen hat. Erst jetzt bemerkte ich, dass auf einer Art Vorsprung direkt neben ihm eine Elfe saß. Sie war sehr zierlich, kleiner noch als ich, mit nachtschwarzen Haaren und Haut weiß wie Porzellan. In ihren feinen Kleidern wirkte sie grazil und zerbrechlich und an diesem Ort irgendwie fehl am Platz. Sie war unzweifelhaft eine Hochelfe. Was machte wohl ausgerechnet eine Hochelfe hier? Das machte mich neugierig. Die Elfen, die ich kannte waren alle Waldelfen oder der eine oder andere Wildelf. Beide hielten nicht besonders viel von den Hochelfen. Sie sagten, Hochelfen seien notorisch hochmütig und trügen die Nasen so hoch, dass sie nicht mehr sähen, was sich auf der Erde zutrage. Ich wäre zu gerne zu ihr gegangen, um mir ein eigenes Urteil über die Hochelfen zu bilden, aber da machte ich mir keine Illusionen. Halbelfen werden von den meisten Elfen zwar toleriert, aber nicht wirklich gemocht. Also ließ ich es bleiben. Seufzend wandte ich den Blick ab. Am Schießstand entdeckte ich Mox, der gerade dabei war, sein Talent mit dem Bogen unter Beweis zu stellen. Er schoß aus größtmöglicher Entfernung auf die Ziele und traf jedes Mal genau die Mitte der Zielscheibe, oder besser gesagt, seine Pfeile durchschlugen die Mitte der Scheiben, die dann in Stücken zu Boden fielen. Die Pfeile selbst steckten tief in der Wand hinter der Scheibe. Nach drei Schüssen wandte Mox sich brummend ab, ließ sich auf einer Bank nieder und begann, seine Axt zu schärfen. In diesem Moment fiel ein Schatten auf mich. Es war der Arenaleiter. „In zehn Minuten bist du dran, Mädel. Wenn draußen der Gong schlägt, gehst du die Rampe rauf und durch die Tür in die Arena.“ Er zeigte auf eine Rampe neben dem Fenster, genau gegenüber der Eingangstür. „Dann kämpfst du. Und strengdich an, die Leute wollen was sehen. Noch Fragen?“ „Wer wird mein Gegner sein?“ „Das wirst du dann schon sehen.“ lachte er und ging. Gwen hob langsam mit der ihr eigenen Eleganz den Kopf. „Bist du sicher, dass du das tun willst?“ „Was, kämpfen? Du weißt, dass das kein Problem sein wird.“ „Unter anderem kämpfen...“ „Du meinst, weil ich eigentlich loszog, um alles über die Natur zu lernen? Das werde ich ja trotzdem. Und abgesehen davon, dass wir uns so oder so irgendwie Gold verdienen müssen, ob es mir passt oder nicht, habe ich das Gefühl, dass das hier richtig ist. Ich glaube, ich muss hier sein. Nenn es Instinkt, wenn du willst.“ „Dem kann ich nichts entgegensetzen.“ „Was für ein Schaden soll auch daraus entstehen?“ Gwen schnaubte daraufhin nur, statt zu antworten. Als ich mich erneut umsah, verließen Mox, der Wemic und die Hochelfe gerade in Begleitung eines Menschen den Salon. Nach einer Weile ertönte der Gong. „Na dann...“ sagte ich leichthin und ging auf die Rampe zu. Gwen folgte mir still. Bald durchschritt ich die Tür in die Arena. Das Licht draußen blendete. Ich war noch das Halbdunkel des Roten Salons gewohnt. Nachdem ich nach ein paar Sekunden wieder richtig sehen konnte, trat ich gemeinsam mit Gwen hinaus in die Arena. Von hier aus wirkte alles anders. Man sah nicht die einzelnen Zuschauer, sondern nur die Menge, die sich auf den meterhohen Tribünen bewegte. Mich zu meiner Freundin drehend, sagte ich: „Ich glaube, das hier mache ich allein, wenn es dir recht ist, nur zuzusehen. Oder willst du auch kämpfen?“ „Ich hab dich schon länger nicht mehr kämpfen sehen. Du brauchst Übung.“ erklärte sie und legte sich entspannt neben mir hin. Das tat sie oft: Fragen, die sie für unwichtig hielt ignorieren und eine ironische Bemerkung machen. Aber das war eines der Dinge, die ich so an ihr liebte. Ich konnte nicht anders als lachen.Von oben ertönte die Stimme des Kommentators, der alles beschreiben und maßlos übertreiben würde, wie er es bei den anderen Kämpfen getan hatte. „Der nächste Kampf wird einer der außergewöhnlichsten Kämpfe der Saison, so außergewöhnlich wie die Kämpferin, die hier vor uns steht: Thalanee Holimion, Druidin aus den westlichen Wäldern, eine magisch begabte Kriegerin der Natur!“ Er wurde mit jeder Übertreibung schlimmer. Gwen fand es lustig, ich allerdings gar nicht. Fast überkam mich der Wunsch, vor Scham im Erdboden zu versinken. Wie ich so was hasste! „Und hier ist ihr Gegner! Der härteste Brocken, den die Arena zu bieten hat: Grolm, die steinerne Riesenechse, die ihre Gegner zermalmt!“ Das Tor gegenüber öffnete sich und heraus trat eines der größten Wesen, die ich bisher gesehen hatte. Es war mindestens drei Meter hoch und fünf Meter lang. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Haufen Steine. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass dieses Wesen so etwas war wie eine riesige Echse, deren ganze Haut, egal ob an den Beinen am Kopf oder am Rücken, aus Stein war. Mit meinem Skimitar allein konnte ich unmöglich gewinnen. Er war zwar scharf, aber so scharf auch wieder nicht. Aber ich hatte mir ja sowieso ein paar Überraschungen zurecht gelegt. Es sollte ja schließlich eine Show sein. Während das Wesen langsam immer näher kam und anfing, zu grollen, blieb ich einfach ruhig stehen. Meinen Skimitar ließ ich in der Scheide. Den würde ich nicht brauchen. Der Kommentator hatte wieder angefangen, zu reden, doch ich blendete seinen nervenden Wortschwall aus. Langsam hob ich die Hände und presste die Handflächen aufeinander. Zeit, die neuen Zauber auszuprobieren. Leise den Zauberspruch murmelnd hob ich die Hände und ließ der Magie ihren Lauf. Innerhalb von Sekunden begann der Himmel sich zu verdunkeln. Schatten fielen auf die gesamte Arena mit ihren Tribünen, über der sich ein Kreis aus Wolken bildete, der anfing, rot zu glühen. Mit einem Mal durchschlug ein riesiger Komet die Wolkendecke und fiel meinem Fingerzeig folgend direkt auf meinen Gegner herab. Der Krach war ohrenbetäubend und der Einschlag wirbelte so viel Staub auf, dass für einen Moment nichts mehr zu sehen war. Erst als der sich gelegt hatte, sah ich meinen Gegner wieder, begraben unter einem großen Haufen zerbrochenen Himmelsgesteins. In der Arena herrschte Stille. Aber nur für kurze Zeit, denn die Echse grub sich langsam aus dem Schutthaufen heraus und kam brüllend auf mich zu. Hatte er denn noch nicht genug? Ich wusste, mein Komet war nicht stark genug, ihn zu töten, darauf hatte ich geachtet, denn ich töte nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Vor allem, wenn mein Gegenüber mir nicht wirklich böses will. Aber ich hatte gehofft, dass er KO wäre, das hätte beeindruckender gewirkt. Aber man konnte nicht alles haben. Seine Verletzungen hatten das Wesen erzürnt: trotz seiner Steinhaut hatte es sich Prellungen und Schnittwunden eingehandelt, vielleicht auch einen Bruch. Jetzt musste ich mir was einfallen lassen, wenn ich nicht gezwungen sein wollte, es zu töten. Erneut konzentrierte ich mich auf meine Magie. „Lass mich dir ein wenig Kühlung für deine Wunden verschaffen!“ rief ich laut und erhob die rechte Hand. Der Zauber, den ich dieses Mal wirkte, war von ganz anderer Art. Die Luft begann, sich zu bewegen und schnell wurde es merklich kälter. In der Luft um meinen Gegner bildeten sich Frost und Eis und nur eine Sekunde später war er fest von Eis eingeschlossen, unfähig sich zu bewegen. Noch immer regte sich der Kommentator nicht. Er brauchte wohl einen kleinen Schubs, um den Kampf zu beenden. Die Hand wieder senkend bewegte ich mich gemütlich auf die Eisfigur zu und zog im Gehen den Skimitar. Vor dem Block hielt ich den Skimitar an die ungeschützte Kehle des Wesens und wartete. Als der Jubel aufbrandete, schien der Kommentator seine Stimme wiedergefunden zu haben. „Ein eindeutiger Sieg für die Dame in grün! Doch wir möchten die Siegerin bitten, ihren Gegner zu verschonen. Wir brauchen ihn noch.“ Keine Übertreibungen. Ich war angenehm überrascht. Wortlos steckte ich meinen Skimitar wieder ein und wandte mich zur Tür um. Alles hatte wunderbar funktioniert: die Show war eindrucksvoll (einigermaßen), ich hatte gewonnen und meinen Gegenspieler nicht töten müssen. Besser hätte es fast nicht laufen können. Gwen sah mir meine gute Laune an und ließ es sich nicht nehmen eine ironische Bemerkung zu machen: „Na, das war mal ein schwerer Brocken, Thalanee. Mit dem bist du grad noch fertig geworden was?“ In diesem Moment konnte ich nicht anders, ich kniete mich vor sie und umarmte sie lächelnd. „Ich hab dich auch lieb, Gwen!“ Sie schnurrte zur Antwort und sprang glücklich um mich herum, als wir gemeinsam in den Roten Salon zurückkehrten. „Scheinst hier doch richtig zu sein, Mädel.“ begrüßte mich der Arenaleiter und ging gleich wieder seiner Wege. Ich kümmerte mich nicht weiter um das ganze Drumherum und setzte mich wieder auf die Bank, auf der ich vorher schon gewartet hatte. Eine Weile saß ich einfach nur da. „Da kommt einer.“ flüsterte Gwen mir zu. Der Mensch, der sich uns näherte, war eindeutig kein Diener oder Bote, daran ließen seine kostbaren bodenlangen Seidengewänder keinen Zweifel. Sowohl das Gewand als auch die Robe, die er darüber trug, waren reich bestickt und auch der Turban war aus feinem Stoff. Er war relativ groß, mit braun gebrannter Haut und einem gepflegten Äußeren. Ich erkannte in ihm den Mann, den ich auf einer der Tribünen gesehen hatte, als er von Dienern umschwärmt worden war. „Seid gegrüßt, Thalanee Holimion! Darf ich Euch kurz stören?“ Was würde es schaden, ihn anzuhören? „ Mein Name ist Hassan Al Abban, ich bin der Wesir des Reiches Crotoa. Mein Auftrag ist es, Helden zu finden, die einen Feind unseres Reiches für uns besiegen. Eben sah ich Euch in der Arena kämpfen und ich glaube, dass Ihr zu denen gehört, die sich für diese Aufgabe eignen.“ Das machte mich doch neugierig, auch, wenn ich nicht wusste, was ich von diesem Wesir halten sollte. „Um was für einen Gegner handelt es sich denn?“ fragte ich daher vorsichtig. „Es ist ein Drache, der sich im Norden unseres geschätzten Landes breit gemacht hat. Seit langer Zeit terrorisiert dieser Drache schon die Umgegend und unterdrückt die Wüstenstämme. Auch die Handelsstraße nach Norden ist nun versperrt.“ „Ich nehme an, es wurden schon Versuche unternommen, den Drachen zu vertreiben?“ „In der Tat, doch auch unseren Besten gelang es nicht sich dem Drachen zu nähern. Ich muss auch zugeben, dass schon eine andere Gruppe von mutigen Abenteurern auszog, um sich dem Drachen zu stellen, doch sie starben, da sie nicht stark genug waren. Aus diesem Grunde bin ich hier. Ich habe auch schon zwei andere Abenteurer, die willens sind, den Auftrag anzunehmen.“ „Wer sind sie?“ Das war etwas, das ich wissen wollte, bevor ich zustimmen würde. „Ich denke, Ihr kennt sie, wenn auch nur dem Namen nach. Der eine ist der geflügelte Wemic Levathi, der andere der Minotaurus Mox von Ammarindar.“ Wenn das mal kein Zufall war... Der Wesir sah mich an. Er spürte wohl, dass ich kurz davor war, anzunehmen. „Vielleicht sollte ich noch sagen, dass eine angemessene Belohnung wartet. Der Drache hat einen großen Hort angelegt, der mit Ausnahme einiger wichtiger Erbstücke des Herrscherhauses den Drachentötern gehören soll.“ „Der Drache lebt nördlich der Wüste, sagt ihr?“ Was kümmerte mich der Drachenhort. Mit Gold konnte ich nichts anfangen, aber in diesem Teil der Welt war ich noch nicht gewesen. Vielleicht würde ich sogar Hinweise auf den Verbleib meiner Mutter finden, obwohl das eher unwahrscheinlich war. „Ja. Er lebt in einer großen Höhle mitten in einem Berg.“ Er schien verwundert, dass ich nicht näher auf den Hort des Drachen einging. Ich hatte mich schon entschieden. Ich hatte keine Ahnung, wohin diese Entscheidung mich führen würde, aber ich antwortete trotzdem: „Ich nehme an.“ Kapitel 3: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 Ich hatte tatsächlich zugestimmt. Am morgigen Tag würden der Wesir und alle „Helden“, wie er uns bezeichnete, sich auf der Tribüne der Arena treffen und von dort aus gemeinsam zu dem Schiff gehen, mit dem wir reisen würden. Die Sonne wärmte mir das Gesicht, als ich gemeinsam mit Gwen auf dem Platz vor dem Theater stand. Irgendwie musste ich mir also bis morgen die Zeit vertreiben. Was sollte ich bloß anfangen? Gwens Stimme riss mich aus meinen Tagträumereien. „Da vorne sind Mox von Ammarindar und Levathi.“ Tatsächlich gingen die beiden gerade in die andere Richtung fort. Aber sie waren nicht allein. Begleitet wurden sie von einem Tross von Elfenkriegern, in deren Mitte eine Sänfte schwebte. Es waren dieselben Elfen, die eine der Tribünen bewacht hatten. Einer spontanen Eingebung folgend, beschloss ich, ihnen zu folgen. Vielleicht würde ich so die Gelegenheit bekommen, mich mit ihnen bekannt zu machen. „Komm, lass uns ihnen folgen.“ schlug ich Gwen vor. „Warum?“ fragte sie skeptisch. „Wolltest du nicht nach einer Unterkunft suchen?“ „Das können wir auch später noch, aber ich würde die beiden gern kennenlernen. Wenn wir wissen, in welchem Gasthaus sie übernachten, dann können wir uns ja auch dort einquartieren.“ „Gib doch einfach zu, dass du nur neugierig bist.“ spottete Gwen gutmütig. Leicht betreten gab ich es zu. Gwen schüttelte resigniert den Kopf. „Dann gehen wir, du gibst ja doch keine Ruhe.“ „Ja, Mama.“ neckte ich lachend und lief mit ihr hinter dem Zug her. Wir achteten darauf, nicht gesehen zu werden. Unser Weg führte uns durch die ganze Stadt in eines der etwas abseits gelegenen Viertel. Bald erkannte ich es als den Stadtteil, in dem die Botschaften verschiedener Staaten untergebracht waren. Jede von ihnen bestand aus einem verhältnismäßig prächtigen Gebäude in einem großen mehr oder minder bepflanzten Garten hinter dicken Mauern. An den Toren standen Wachen, die nichts unbeobachtet ließen. Bestimmt gab es in manchen auch Fallen. Der Zug, dem wir folgten verschwand bald in einem dieser Komplexe. Dieser war einer der schönsten und größten. Auf den Garten war besondere Sorgfalt verwendet worden. Kaum hatten alle das Grundstück betreten, schloss sich das schmiedeeiserne Tor hinter ihnen und zwei der Elfenwachen postierten sich davor. Da gab es kein reinkommen. Es war die Botschaft der Elfen, daran konnte kein Zweifel mehr bestehen. Jeder, der des Elfischen mächtig war, konnte den Schriftzug über dem Tor lesen: „Botschaft der Hochelfen von Meredrinad- in- den- Wassern“. An meiner Unterlippe nagend besah ich mir das Tor und machte kehrt. Aber aufgeben würde ich nicht. Ziellos schlenderte ich mit Gwen für eine ungewisse Zeit um das Anwesen herum. Ich erwartete nicht, irgendeine Entdeckung zu machen, doch irgendetwas musste ich mit meiner Zeit anfangen, und gehen wollte ich noch nicht, also lief ich die weiße Mauer ab, die das Anwesen umgab. Abgesehen von dem großen Eingangstor vorne, gab es noch einen Lieferanteneingang hinten. Allerdings war das ein schweres Tor aus dunklem Holz, ich konnte also nicht einmal hineinsehen. Fast hatte ich meinen Rundgang an der dritten Seite beendet, da wurde mein Blick zu einer Bewegung auf der Mauer gelenkt. Da war etwas hinter dem Baum der sich auf dieser Seite der Mauer erhob. Vorsichtig näherte ich mich und sah nach oben. Wie eine Katze lag oben auf der Krone der Mauer Levathi. Es war sein hin und her zuckender Schweif, der meinen Blick auf sich gelenkt hatte. Er selbst beobachtete etwas, das sich hinter der Mauer abspielte und hatte mich augenscheinlich nicht bemerkt. Einem Impuls folgend kletterte ich am Baum hoch und sprang auf die Mauer, wo ich mich neben Levathi setzte. Gwen folgte meinem Beispiel und ließ sich neben mir nieder. Levathi sah mich nur an. Er war nicht einmal zusammengezuckt. Seiner Miene war nicht zu entnehmen, was er dachte. Besser gleich mit der Tür ins Haus fallen. „Guten Tag!“ grüßte ich freundlich. „Mein Name ist Thalanee Holimion. Ich wurde wie Ihr angeheuert, um gegen den Drachen zu kämpfen.“ Zwar verzog Levathi keine Miene, aber er antwortete mir. „Ich bin erfreut, Euch kennenzulernen. Meinen Namen kennt Ihr bereits.“ Das war eindeutig eine Feststellung, keine Frage, also nickte ich nur kurz. Auch wenn er die Art unserer Begegnung seltsam fand, so ließ er sich doch nichts anmerken, sondern richtete seinen Blick wieder in Richtung des Gartens. Er war auf seine Art prächtig: die Mauern waren verdeckt von hohen Büschen und Kletterpflanzen, die sich an ihnen hochreckten. Prächtige Blumen blühten überall auf der Wiese, aber vor allem in Beeten um einzelne Bäume im Garten. Rosenbäume und Wildblumen, Gänseblümchen und Stiefmütterchen, sie alle waren harmonisch angeordnet. Und das war genau das Problem: bei all der Harmonie der Farben und Formen, die in diesem Garten herrschte, wirkte er doch nicht natürlich. Er war ein Kunstwerk. Ein schönes zwar, doch nur ein Kunstwerk. So hübsch er auch anzusehen war, er konnte sich nicht mit dem messen, was die Natur hätte schaffen können. Kein Garten, und sei er noch so schön gemacht, konnte schöner und prachtvoller sein als die Lichtungen des Waldes oder die Wiesen der Berge. Am anderen Ende dieser Spielzeuglandschaft, die die Hochelfen sich geschaffen hatten, konnte ich eine Gruppe von Leuten sehen. Sie waren über 600 Meter weg, aber Mox von Ammarindar war über die Entfernung hinweg noch zu erkennen. Es schien als hantierte er mit seinem Bogen. Wollte er schießen? Ich sah nach unten. Und wirklich, da stand etwa zwei Meter vor der Mauer, auf der Levathi, Gwen und ich saßen, eine Zielscheibe. „Das ist eine gewaltige Entfernung für einen Bogenschützen.“ murmelte ich halblaut. „Mox ist sich sicher, dass ihm dieser Schuss gelingt. Er bezeichnete diesen Schuss als Standard.“ erklärte Levathi. Gespannt beobachtete ich von fern, wie Mox anlegte und zielte. Ich kannte die Waldscharfschützen des Druidenreiches und wusste daher, dass so ein Schuss im Prinzip möglich war. Im Roten Salon hatte ich beobachten können, wie Mox auf geringen Abstand schoss. Auf einmal war ich mir sicher, dass er es tatsächlich schaffen würde. Wenige Sekunden später flog der große Pfeile, den der Mintaurus abgeschossen hatte, genau auf die Scheibe zu. Von unserem Standpunkt aus beobachteten wir, wie der Pfeil die Zielscheibe durchschlug als wäre sie aus Papier und die Mauer direkt unter uns traf. Er bohrte sich ins Gestein und blieb dort zitternd stecken. Neugierig hopste ich von der Mauer, um die Vorderseite der Scheibe zu betrachten. Schon bevor ich sie umrundet hatte, konnte ich sehen, dass der Schuss perfekt gewesen war. „Er hat die Zielscheibe genau in der Mitte durchbohrt!“ rief ich Levathi zu. „Hey Mox!“ rief Levathi seinerseits. „Ein gelungener Schuss!“ Der Minotaurus winkte nur mit seinem Bogen, während er mit der gesamten Gruppe näher kam. Abgesehen von Mox bestand die Gruppe aus dem Elfenmädchen, das ich im Roten Salon gesehen hatte, einer reich gekleideten Elfe, wahrscheinlich die Botschafterin, und einer Eskorte von Leibwächtern, die mich misstrauisch musterten. Das wunderte mich nicht, denn für sie war ich ein Eindringling mit Waffe und Raubkatze (Gwen stand inzwischen neben mir und beobachtete alles aufmerksam; wie immer tat sie, als sei sie eine „normale“ Raubkatze). „Eine neue Freundin?“ brummte Mox Levathi zu. „Kampfgefährtin.“ antwortete Levathi trocken. Mox sah mich fragend an. „Der Wesir von Crotoa erzählte mir, dass Ihr gegen den Drachen kämpft. Ich gehöre auch zu dieser Gruppe. Gwenyfwheyr ebenfalls.“ erklärte ich. „Ich sah dich in der Arena kämpfen. Es war durchaus eindrucksvoll.“ Die melodische Stimme gehörte der jungen Elfe. Sie sah mich verschmitzt an. Etwas an ihrem Gebaren ließ vermuten, dass sie unter den Hochelfen, zu denen sie zweifelsfrei gehörte, von höherem Stand war. Der Unterton in ihrer Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass sie gewohnt war, dass ihre Befehle befolgt wurden. „Danke für das Kompliment.“ murmelte ich. Es war Zeit, zu gehen. Unter Elfen fühlte ich mich nicht so wohl, wie unter anderen Rassen. Jedes Mal kam ich mir im Vergleich zu ihnen vor wie ein ungeschickter Tollpatsch. Eigentlich hatte ich zwar vorgehabt, mit Mox und Levathi zu sprechen, aber das konnte ich später immer noch. „Ich glaube, es ist an der Zeit für mich, zu gehen. Verzeiht, dass ich einfach so eingedrungen bin.“ Ich hatte mich schon halb umgedreht, um zu gehen, da wurde ich von der Stimme der Elfe aufgehalten. „Warte. Bleibe doch noch bei uns. Ich habe Mox von Ammarindar und Levathi eingeladen, mit uns zu speisen. Es wäre mir eine Freude, wenn auch du bleiben würdest. Schließlich gehört ihr ab jetzt auf gewisse Weise zusammen.“ Das hatte mir gerade noch gefehlt. Zu einer solchen Einladung konnte man nicht Nein sagen, ohne schrecklich unhöflich zu wirken. Sie wusste das genauso gut wie ich. „Wenn Ihr darauf besteht...“ „Das tue ich.“ meinte sie lächelnd. Sie winkte einer der Wachen. „Arrangiert alles.“ Bevor sie zu Ende gesprochen hatte, war der Wächter schon schnellen Schrittes in Richtung Gebäude verschwunden, während wir langsamer folgten. „Da das erledigt ist, darf ich deinen Namen erfahren?“ „Thalanee Holimion.“ Es war Mox, der gesprochen hatte. „Wir haben uns vor dem Roten Salon getroffen. Du hast gut gekämpft.“ „Danke.“ antwortete ich leicht verlegen „Aber eigentlich kam ich gar nicht dazu, zu kämpfen. Ich habe nur meine Magie eingesetzt.“ „Ehre, wem Ehre gebührt.“ antwortete Mox nur. Inzwischen waren wir vor dem Haus angekommen. „Haus“ war eigentlich nicht das passende Wort. Das Botschaftsgebäude war schon fast ein Palast. Die weißen Marmorplatten, mit denen es verkleidet war, leuchteten in der Sonne. Ranken und Blätter wandten sich an der Fassade empor und um die Säulen herum, die die halbmondförmigen Balkons des oberen Stockwerks stützten. Vorhänge in blassen Pastelltönen waren in den bogenförmigen Fenstern zu sehen. Jeder König wäre stolz gewesen auf die komplizierten Bodenmosaike und die kostbaren Wandteppiche. Die Elfen führten uns in einen großen luftigen Saal mit hohen Fenstern. In der Mitte des Raumes stand ein niedriger, zerbrechlich wirkender Tisch aus hellem Holz. Darum verteilt lagen Kissen in verschiedenen Größen und Formen. Hier hätten gut und gerne hundert Leute Platz gehabt. „Bitte setzt Euch.“ forderte die Botschafterin uns auf. Etwas nervös setzte ich mich neben Mox. Uns gegenüber ließen sich die beiden Elfen und Levathi nieder. Kaum saßen wir alle an unseren Plätzen begannen mehrere Diener silberne Platten herein zu tragen. Was sich darauf befand, fiel eher in die Kategorie Kunstwerk, als in die Sparte Nahrung. Auf einer Platte zum Beispiel waren verschiedene Obstsorten, der Farbe nach zu einem Regenbogen geordnet, zu einem komplizierten turmartigen Gebilde aufgetürmt: Waldbeeren, Brombeeren, Erdbeeren, Bananen, Orangen, Ananasstücke, Sternfrüchte und Trauben und zahllose andere. Es gab Salate und kleine Platten mit Geflügel, gefüllte Datteln und gebackene Bananen mit Honig, mit anderen Worten so ziemlich alles, was der Garten hergab. *Das nennen die Essen? * Gwens Stimme klang verwundert. * Wie wird man von so was satt? * *Ich kann verstehen, dass es dir nicht so gefällt. Von meiner Warte allerdings sieht es wundervoll aus.* *Genau da liegt das Problem. * *Sieht so aus, als teilten Mox und Levathi deine Ansicht. * kicherte ich in Gedanken. In der Tat sahen Mox und Levathi die Platten mit eindeutigen Blicken an. Das hatte auch die Botschafterin bemerkt. „Ich weiß, diese Speisen sind nicht nach Eurem Geschmack. Sagt nur, was Ihr Euch wünscht und man wird es bringen lassen.“ verkündete sie. „Ich hätte mein Fleisch gerne roh, wenn es geht.“ eröffnete Levathi. „Habt Ihr auch Ale?“ fragte Mox. Die Botschafterin zögerte kurz. „Ich glaube, wir haben noch ein großes Fass Zwergenale, wenn Euch das genehm ist.“ „Perfekt.“ Mox klang sehr zufrieden. Aber das er so etwas zum Essen trank... Zwergenale war ein unglaublich starkes Gebräu. Ich selbst hatte es noch nicht probiert, aber auf meinen Reisen hatte ich schon genug Leute gesehen, die nach einem halben Humpen umgekippt waren. Und viele davon hatten damit angegeben, viel zu vertragen. Man sollte das Zeug wirklich nicht unterschätzen. Gwen stellte neben mir erwartungsvoll die Ohren auf. Ich wusste schon, was sie wollte. „Dürfte ich Euch um eine Portion Fleisch für meine Tiergefährtin bitten?“ fragte ich daher. „Sicherlich.“ Abwesend wedelte sie mit der Hand einem der Diener zu, der sich alles gemerkt hatte und jetzt loslief, um alles zu organisieren. Eine Weile schwiegen alle, bevor die andere Elfe das Gespräch wieder aufnahm. „Wie dumm von mir, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt.“ kicherte sie. „Das muss ich sofort nachholen. Ich bin Josidiah Irithyl von Netharil- in- den- Lüften.“ Das konnte doch wohl kaum wahr sein. Netharil war eine legendäre schwebende Festung der Hochelfen, von der es hieß, dass sie im vergangenen Kataklysmus als Zufluchtsort diente. Die Hochelfen hatten sich zu einem gewissen Teil dorthin zurückgezogen. Es hieß auch, die Herrscher der Insel entstammten der Familie Irithyl... So viel hatte ich von den Hochelfen von Larynn Tu´Rian gelernt. „Es ist mir eine Ehre, Euch kennen zu lernen... Prinzessin.“ antwortete ich. „Ich sehe, Du kennst dich aus.“ „Ich tue mein bestes.“ Ihre Neugierde schien geweckt zu sein, jedenfalls konzentrierte sie ihre Fragen auf mich. Was mir eigentlich alles andere als recht war. „Wieso reist du als Druidin umher? Ich dachte, Druiden halten sich vornehmlich in Wäldern auf.“ Ich musste einen Seufzer unterdrücken. Immer und überall werden wir Druiden nur mit den Wäldern in Verbindung gebracht, dabei sind die nur ein kleiner Teil der Natur, die wir zu verstehen versuchen. „Unser Reich befindet sich in einem Wald, ja. Aber die Natur besteht aus sehr viel mehr als nur Wäldern. Druiden reisen überall umher, um die Natur kennen zu lernen. Darum habe ich auch das Angebot Crotoas angenommen.“ versuchte ich zu erklären. An ihrer Antwort würde ich sehen, wie sehr sie mit dem Kopf in den Wolken steckte. „Um eine Wüste zu sehen? Aber das ist doch ein vollkommen lebloser Ort! Was soll dort schon sein?“ meinte sie leichthin. Sie verstand wirklich nicht viel von der Natur. „Wenn man nur die Augen offen hält, dann erkennt man, dass auch ein trostlos scheinender Ort wie die Wüste voller Leben steckt.“ Ich konnte den belehrenden Tonfall nicht wirklich unterdrücken, den meine Stimme bei solchen Gelegenheiten annahm. Josidiah bemerkte ihn ebenfalls, denn sie drehte sich, ohne zu antworten, weg von mir und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf Mox. Das war mir nur recht. Das Gespräch stockte, während die Diener die bestellten Gerichte brachten. Levathi und Gwen bekamen jeweils eine große Platte Fleisch, der Ale für Mox kam in einer großen Karaffe. Gwen machte sich ohne zu zögern über ihre Portion her. *Kannst du ihnen an meiner Stelle danken? Das schmeckt großartig! * *Warum machst du das nicht selbst? * Meine liebe Freundin sah nicht einmal auf. *Bin beschäftigt. * *Das sehe ich. * Ich schüttelte den Kopf. Sie war wirklich einmalig. „Meine Gefährtin bittet mich, Euch in ihrem Namen zu danken.“ Es war die Botschafterin, die antwortete. „Es ist uns eine Freude.“ Josidiah wollte sich offensichtlich nicht mehr mit mir unterhalten. Sie verwickelte Mox in ein Gespräch ähnlich dem, was sie mit mir geführt hatte. „Ihr kommt von der Hügelallianz, nicht wahr?“ Genauso offensichtlich war ich die Einzige, die sie nicht mit der Höflichkeitsanrede ansprach... „Das ist wahr.“ „Und warum reist Ihr umher?“ „Um mein Volk in der Welt zu vertreten und ehrenhafte Taten zu tun.“ „Warum?“ Was war das für eine Frage? „Jedes Volk braucht Helden.“ In etwa dieser Weise setzte sich das Gespräch fort: Josidiah stellte eine Frage, die förmlich zu langen Antworten und Geschichten einlud, erntete aber nur kurze Kommentare. Wie man sehen konnte, war Mox kein wirklich gesprächiger Zeitgenosse. Nach einer Weile gab sie auf und wandte sich an Levathi, der gerade mit dem Essen fertig geworden war. Die Botschafterin und ich zogen es vor, zu schweigen. „Und Ihr?“ fragte sie freundlich. „Mich zieht eher die Belohnung.“ beschied Levathi sie wahrheitsgetreu. „Gegen einen Drachen zu kämpfen hört sich aber auch aufregend an. Das würde ich zu gerne auch tun...“ schwärmte sie. Irrte ich mich oder zuckte die Botschafterin gerade erschrocken zusammen? Und die Leibwächter begannen, nervöse Blicke auszutauschen. Das war kein gutes Zeichen. Aber sie würde ja auch nicht wirklich mitkommen... „Und ich denke, das werde ich.“ verkündete die Prinzessin. Wie bitte? Die Botschafterin rutschte unruhig auf ihrem Kissen hin und her. Sie schien sich gar nicht wohl zu fühlen in ihrer Haut. „Aber Prinzessin...“ „Arrangiert das.“ war der einzige Kommentar, den sie damit von Josidiah erntete. Sie seufzte, stand auf, verneigte sich und ging. Widerspruch hatte wohl keinen Sinn. Zumindest nicht aus dieser Richtung. „Wie genau stellt Ihr Euch das vor, Prinzessin?“ fragte ich betont höflich. „Diese Angelegenheit ist gefährlich. Wenn wir gegen den Drachen kämpfen, haben wir keine Zeit, nebenher jemanden zu beschützen.“ Levathi nahm den Faden auf. „Die Druidin hat recht. Wir werden genug damit zu tun haben, uns selbst zu schützen. Es wird wohl kaum ein Ort für eine zerbrechliche Prinzessin sein.“ Gwen und Mox beobachteten das Geschehen aufmerksam, aber keiner von beiden meldete sich zu Wort. Die Leibwächter sahen resigniert drein. Sie hatten sich offenbar damit abgefunden. Aber das letzte Wort war noch lange nicht gesprochen. Josidiah schien das anders zu sehen. „Ach,“ winkte sie ab, „ich brauche niemanden, der mich beschützt, macht euch darum keine Sorgen!“ An dem süffisanten Grinsen in ihrem Gesicht konnte ich sehen, das sie es ernst meinte. Hinter ihrem zerbrechlichen Äußeren schien sie etwas anderes zu verstecken. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, nicht nur eine Prinzessin vor mir zu haben. Mox dachte wohl dasselbe. „Du bist auch eine Kriegerin.“ brummte er. „Ja, das bin ich.“ „Das reicht nicht.“ erklärte Levathi. „Ich habe schon viele getroffen, die behaupteten, Krieger zu sein. Letzten Endes waren sie aber nichts mehr, als Angeber, die sich selbst überschätzt haben. Wenn du mitkommen willst, wirst du dich beweisen müssen, so wie es jeder von uns hier in der Arena getan hat.“ Verdutzt sah Josidiah den Wemic an. Mit Skepsis hatte sie wohl gerechnet, aber nicht mit einer solchen Aufforderung. Dennoch hatte sie sich schnell wieder gefasst und funkelte uns alle an. „Keine Sorge. Ich werde euch beweisen, was ich kann. Du!“ reif sie einer der Wachen zu. „Die Magier sollen sich etwas ausreichend schweres ausdenken!“ Der angesprochene Wächter lief ohne Zögern aus dem Raum. Ohne sich weiter umzusehen, zog die Elfenprinzessin ein großes schwarzes Seidentuch aus ihrem Gewand und breitete es neben dem Tisch auf dem Boden aus. Sobald es ausgebreitet dalag, konnte man erkennen, dass es kreisförmig und alles andere als ein gewöhnliches Tuch war. Es war ein tragbares Loch. Ein Wort zur Erklärung. Ein tragbares Loch ist ein sehr kostbarer magischer Gegenstand. Zusammengefaltet sieht es aus wie ein schwarzes Tuch aus Seide. Breitet man das runde Stück Stoff allerdings auf dem Boden aus, wird daraus ein Loch. Egal wo man dieses Tuch ausbreitet, auf festem Boden oder einer dünnen Holzschicht, solange die Fläche nur einigermaßen eben ist, hat man ein außerdimensionales Loch, von mehreren Metern Durch- messer, in dem man alles mögliche verstauen kann. Praktisch nicht wahr? Sie sprang rein und nach wenigen Sekunden kam sie mit einem riesigen Schwert in den Händen wieder aus dem Loch heraus. Mit wenigen Handbewegungen ließ sie das Loch wieder in ihrem Gewand verschwinden und schnallte sich das Schwert auf den Rücken. Viel war davon nicht zu sehen, denn es steckte noch in der Scheide, aber was ich sehen konnte, war, dass das Schwert fast größer war als seine Trägerin. Das konnte interessant werden. Kapitel 4: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3 Der Zirkel war unglaublich groß. Die Elfenmagier hatten sich in einem Hof hinter dem Anwesen zusammengefunden und erst einige Zeit beratschlagt. Bald schien es als seien sie sich einig und prompt ging es los: Zwei von ihnen zeichneten einen Kreis von vier Metern Durchmesser und darin ein gewaltiges Pentagramm mit zahllosen unverständlichen Zeichen. An der Spitze jedes Zackens wurden Weihrauchschalen aufgestellt und hinter jeder postierte sich einer der Magier. Was immer sie beschwören wollten, es war offensichtlich, dass es aus einer anderen Ebene kommen würde. Josidiah schien davon nicht sehr beunruhigt zu sein. Mitten im Kreis stehend wartete sie einfach nur ab. Keiner in ihrem Gefolge schien sich ernsthafte Sorgen zu machen. Mein Gefühl hatte mich anscheinend nicht getäuscht. Mittlerweile war Josidiah die Kriegerin deutlich anzusehen, ob an ihrer Haltung oder an der Art wie sie ihr Schwert hielt. Es war ein fast so lang, wie Josidiah groß, und zweischneidig. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dieses Schwert kein gewöhnliches war. Wie auf ein Signal hin entzündeten die Magier alle gleichzeitig den Inhalt der Schalen und begannen, mit den Händen die Schalen berührend, leise eine Anrufung anzustimmen. Zuerst waren ihre Stimmen nur leise zu hören, doch mit jeder Silbe schienen sie lauter zu werden. Die verschlungenen Symbole um das Pentagramm herum fingen an, in einem ungesund wirkenden grünlich grauen Ton zu leuchten. Langsam wurde der Rauch aus den Gefäßen in die Ecken des Pentagramms gezogen. Vor unseren Augen verdichtete er sich. Gestalten wurden sichtbar. Sie waren zu fünft, einer in jedem Zacken des Pentagramms. Wesen wie diese hatte ich noch sie gesehen. Sie waren etwas kleiner als ein Elf und ihre bösartig funkelnden Augen waren vollkommen schwarz. Ihre Haut war so grau wie der Rauch, aus dem sie scheinbar entstanden waren. Ihre mit Klauen bewehrten Finger waren ständig in Bewegung. Mit keckernden Lauten verständigten sie sich untereinander. Josidiah bewegte sich noch immer nicht. Plötzlich sprangen die kleinen Wesen alle auf einmal auf die Elfenprinzessin zu. Meine Hand zuckte unwillkürlich in Richtung Skimitar, doch Josidiah war auf den Angriff gefasst gewesen. Mit einer einzigen flüssigen Bewegung zog sie das riesige Schwert aus der Scheide und schwang es ein einziges mal um sich herum. Fast so es so aus, als hätte sie sogar die Luft selbst mit diesem Hieb geschnitten. Die Wesen hatten diesem Schlag nichts entgegen setzen können. Sie alle gingen zu Boden. Aber das war nicht das bemerkenswerteste. Josidiahs Schwert glühte. Die ganze Klinge war von einem grünen Licht umgeben, oder eher sie leuchtete aus sich selbst heraus. Dieses Schwert war wirklich alles andere als gewöhnlich. Josidiah sah sich einmal zufrieden im Pentagramm um. Hinter ihr bewegte sich etwas. Eines der Wesen hatte überlebt. Noch bevor einer von uns Josidiah eine Warnung zurufen konnte, sprang es von hinten auf sie zu, die Klauen erhoben. Aber sie hatte es schon bemerkt. Blitzschnell drehte sie sich um und trennte mit der grün aufstrahlenden Klinge den Kopf des Wesens von seinem Körper. Alle der Wesen lösten sich in Rauch auf. Woher auch immer sie gekommen waren, sie waren dorthin zurückgekehrt. Dieses Mal war es endgültig vorbei. „Zufrieden?“ fragte Josidiah. „Wie Ihr seht bin ich durchaus in der Lage, selbst auf mich aufzupassen.“ „Ich muss das Kompliment von vorhin zurückgeben. Es war beeindruckend.“ gab ich zu. „Das könnte durchaus von Nutzen sein.“ sinnierte Levathi. „Ich glaube nicht, dass jetzt noch jemand etwas dagegen hat, wenn ihr mitkommt. Das heißt, wenn der Wesir von Grothoa zustimmen sollte.“ Mox nickte nur bedächtig. „Dann sehen wir uns also morgen in der Arena!“ schloss Josidiah freudig. Nach diesem kleinen Intermezzo beendeten wir das Essen und verabschiedeten uns alle bis zu morgigen Tag. Mox hatte dort noch einen Kampf zu bestreiten, den Levathi unbedingt sehen wollte und unsere Gruppe verabredete ein Treffen vor der Arena. Zum Abschied schenkten die Elfen Mox das ganze Fass Zwergenale (sie waren wohl froh, das Zeug los zu werden; wo sie es wohl her hatten? Elfen und Zwerge sind nicht gerade für ihr freundschaftliches Verhältnis bekannt...). Ich für meinen Teil war froh, fort zu kommen. Unter Hochelfen fühlte ich mich einfach nicht wohl. Seltsamerweise kommen Halbelfen mit fast allen Völkern sehr gut zurecht. Die einzigen mit denen wir öfter Schwierigkeiten haben, sind die Menschen und die Elfen... Gemeinsam mit Mox und Levathi gingen Gwen und ich in Richtung des Hafenviertels, in dem sich die Herbergen befanden. Es war mittlerweile schon fast Abend. Überall schlossen die meisten Läden , wogegen in den zahlreichen Tavernen der Betrieb jetzt erst richtig losging: die Seemänner und die Inselbewohner, Söldner und Handwerker und Kaufleute trafen sich dort, um gemeinsam zu trinken und Nachrichten auszutauschen. Die fröhliche Feierabendstimmung zeigte sich in den Liedern, die gesungen wurden, in den Witzen, über die man lachte. In solchen Momenten überkam mich manchmal das Heimweh nach meinen geliebten Wäldern. Mox´ Stimme riss mich aus meinen Tagträumen. „Hast du schon eine Herberge?“ Ich stutzte. Das hatte ich ja vollkommen vergessen! * Da bist du nicht die einzige.* meinte Gwen zerknirscht. * Es wäre ja nicht das erste Mal, das wir draußen übernachten. Wir suchen uns einen etwas höheren Baum, dann geht das schon.* Mox sah mich immer noch erwartungsvoll an. Ich hatte vergessen, ihm zu antworten. „Nein.“ meinte ich etwas betreten. „Wir kamen heute morgen erst an und hatten noch keine Gelegenheit, eine Unterkunft zu suchen.“ „Jetzt werdet Ihr wohl kaum noch etwas finden.“ stellte Levathi fest. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Das macht nichts. Ich bin es gewohnt, draußen zu schlafen. Wir suchen uns einfach einen hohen Baum, auf dem uns keiner stört.“ „Da wo ich übernachte, war heute morgen noch viel frei. Komm einfach mal mit.“ verkündete Mox, der glücklich sein Alefass tätschelte. *Vielleicht haben wir ja wirklich Glück. Und selbst wenn nicht, die Konkurrenz was Bäume angeht, ist, glaube ich, nicht so groß.* *Einen Versuch ist es wert. * Gwen klang allerdings nicht so hoffnungsvoll wie ich. *Mein kleiner Pessimist. * neckte ich. Zur Antwort stupste sie mich einfach an. Nach relativ kurzer Zeit kamen wir bei der Herberge an, in der sowohl Mox, als auch Levathi übernachteten. Es war ein zweistöckiger Holzbau mit runden Fenstern, aus denen warmes Licht strahlte. Im Erdgeschoss schien es eine Art Taverne zu geben, denn es herrschte viel Betrieb dort. Trotzdem strahlte die Herberge Gemütlichkeit aus. Auch innen sprach alles von Behaglichkeit: es war angenehm warm und die Lampen verbreiteten sanftes Licht überall im Raum. Nirgend war auch nur ein Schmutzfleck zu sehen. Mox und Levathi hatten ohne Zweifel die beste Herberge auf der ganzen Insel gefunden. Kaum hatten wir den Innenraum betreten, watschelte auch schon der etwas rundliche Wirt auf uns zu. „Ah, die Herren sind also wieder da. Eure Zimmer sind fertig. Und was kann ich für Euch tun, junge Dame?“ „Ihr hättet nicht zufällig noch ein Zimmer frei?“ fragte ich hoffnungsvoll. „Ah, da habt Ihr aber wirklich Glück. Heute nachmittag ist noch einer abgereist. Das Zimmer ist zwar nicht besonders groß, aber ich glaube es wird Euch gefallen. Es liegt direkt neben dem Zimmer des ... Minotauren hinter Euch.“ „Das trifft sich wirklich gut. Ich nehme es- vorausgesetzt, Ihr habt nichts dagegen, dass ich meine Gefährtin hier mitbringe.“ warnte ich ihn. Er hatte Gwen noch nicht bemerkt. Sie hatte sich im Hintergrund gehalten und hätte wahrscheinlich neben mir herschleichen können, ohne dass der Wirt sie bemerkt hätte. Aber ich hasse es, lügen zu müssen. Also bedeutete ich Gwen, vorzutreten und sich zu zeigen. „Aber- das ist ja...“ keuchte der Wirt erschreckt. „Sie tut niemandem etwas.“ beschwichtigte ich ihn. *Niemandem? Hast du den Kerl vergessen, dem ich eine Lektion erteilt habe, weil er sich an dir vergreifen wollte? * hörte ich Gwen über unser Band fragen. Ich achtete darauf, mir nichts anmerken zu lassen. Das Ergebnis der erwähnten Lektion war nicht sehr schön gewesen. Zum Glück war damals ein Kleriker in der Nähe gewesen... „Jedenfalls nicht ohne triftigen Grund.“ fügte ich deshalb hinzu. Der Wirt überlegte eine Weile. Nach einer Weile überwand er sich. „Das geht in Ordnung. Ich zeige Euch Euer Zimmer.“ Der Raum lag im ersten Stock am Ende eines Korridors. Es war ein kleines, aber gemütliches Zimmer mit einem Bett direkt an einem relativ großen runden Fenster, vor dem hübsche Vorhänge hingen. Auf der linken Seite brannte ein kleines Feuer im Kamin. Der Boden davor war bedeckt von einem weichen Teppich, auf dem man es sich abends gemütlich machen und reden konnte. Direkt gegenüber stand auf einer kleinen Anrichte eine Waschschüssel und ein Krug frischen Wassers. Sogar einen Spiegel gab es. „Unten im Gastraum könnt Ihr jederzeit etwas zu essen bestellen. Wenn Ihr frisches Wasser braucht stellt einfach den Krug vor Eure Tür. Sollte es etwas anderes geben, gebt nur Bescheid.“ erklärte der Wirt. Ich bedankte mich bei ihm, wünschte Mox und Levathi eine gute Nacht und zog mich zurück. Müde schleuderte ich meinen Rucksack in eine Ecke des Raumes und warf die Stiefel gleich daneben. „Das war vielleicht ein Tag.“ stöhnte ich. „Das kannst du laut sagen.“ Gwen lag auf dem Teppich und sah mir amüsiert zu, während ich meine Reisekleidung auszog und mich wusch. „Erkläre mir noch einmal, warum du das Angebot des Wesirs von Grothoa angenommen hast.“ fragte sie, als ich fertig war und mich in frischer Tunika und Hose neben ihr auf den Boden legte. Fast sofort kam sie zu mir herüber gekrochen und schmiegte sich an mich, sodass wir Kopf an Kopf lagen, mit den Füßen in Richtung des Kamins. So lagen wir oft abends da, wenn sich die Gelegenheit bot. Manchmal redeten wir stundenlang über das, was wir erlebt hatten, oder wir erzählten uns gegenseitig Geschichten aus unserer Kindheit. Manchmal lagen wir auch nur still nebeneinander, ohne ein Wort zu sagen. Eine ganze Weile lang dachte ich über Gwens Frage nach. „Eigentlich...“ begann ich zögerlich, „habe ich mehr aus einer Laune heraus angenommen, als wirklich darüber nachzudenken. Es war nicht wirklich die Belohnung, die mich gelockt hat. Es war mehr die Reise selbst. Wir haben so die Gelegenheit, die größte Wüste dieser Welt kennenzulernen. Stell dir nur vor, was wir auf dieser Reise alles lernen können: welche Tiere und Pflanzen es dort gibt, wie sie es schaffen, in einer Umgebung wie dieser zu überleben. Auch wie die Menschen dort leben. Für die meisten ist sie ein trostloser öder Ort ohne Leben, aber ... sie ist mindestens so lebendig wie der Wald. Ganz zu schweigen davon, wie unglaublich schön die Wüste sein muss. Das allein wäre schon Grund genug anzunehmen.“ „Man hört dir deine Begeisterung an. An den Drachen denkst du gar nicht?“ wollte sie wissen. „Wie sollte ich den denn vergessen?“ seufzte ich. „Das wird ein gefährlicher Kampf, ich weiß, aber irgendwie mache ich mir nicht so viele Sorgen darum. Das machst du ausreichend für uns beide.“ neckte ich sie. „Aber da ist noch ein anderer Grund.“ stellte Gwen fest. Sie kannte mich einfach zu gut. Ich drückte sie an mich. „Mutter...“ sagte ich einfach nur. Gwen kuschelte sich an mich. Für kurze Zeit schwieg sie. „Du weißt, dass du sie vielleicht nie wieder finden wirst. Sie ist schon seit fast zwanzig Jahren verschwunden und nie hast du von ihr gehört.“ Sie bekam keine Antwort von mir, aber sie hatte auch keine erwartet. Alte Erinnerungen kamen hoch. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie meine Mutter die Nachricht vom Tod meines Vaters bekam. Tagelang hatte sie kein Wort gesprochen. Einen Monat später wachte ich morgens in unserem leeren Haus auf. Meine Mutter war ohne ein Wort oder eine Nachricht einfach verschwunden. Erst glaubte ich, dass sie wieder kommen würde, aber ihre Reisesachen und ihre Rüstung war weg. Das einzige, was von ihren persönlichen Sachen zurückgeblieben war, war der Kamm, den mein Vater ihr gemacht hatte. Woche um Woche verging und sie kam nicht wieder. Ich hoffte, dass ich sie eines Tages finden würde, aber die Chance war verschwindend gering. „Thalanee?“ flüsterte Gwen. „Hey, nicht weinen.“ Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich geweint hatte. Mit meinem Ärmel wollte ich mir das Gesicht trocknen aber Gwen kam mir zuvor und leckte mir das Gesicht ab. „Wir bleiben immer zusammen.“ versprach sie. „Jetzt Abmarsch ins Bett!“ Lächelnd folgte ich der Anweisung meiner vierbeinigen Freundin und legte mich mit ihr gemeinsam hin. Fest aneinander geschmiegt schliefen wir bald ein. Die Sonnenstrahlen wärmten mir das Gesicht, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Es war wunderbar, einfach so für ein paar Minuten im warmen Bett liegenbleiben zu können. Verschlafen setzte ich mich auf und sah durch das Fenster nach draußen. Schon eine Stunde nach Sonnenaufgang! In einer Stunde wollten wir uns vor der Arena treffen. Warum hatte Gwen mich nicht geweckt, sie war doch immer zu Sonnenaufgang wach. Suchend sah ich mich im Zimmer um. Gwen war nicht da. Seufzend stand ich auf und streckte mich. Das Frühstück würde wohl nur kurz werden. Nachdem ich mich gekämmt und meine Reisekleidung angezogen hatte, flocht ich meine Haare noch leicht schlaftrunken zu einem Zopf zusammen. Heute sollte die Reise losgehen. Gedankenverloren packte ich alle meine Sachen zusammen und schulterte den Rucksack. Wo war bloß Gwen? Die Antwort auf diese Frage erhielt ich, als ich beim Wirt für die Übernachtung und das Frühstück bezahlt hatte. „Euer Gepard wartet im Schankraum auf Euch.“ informierte mich der Wirt. „Sie hat Euer Frühstück schon bestellt und einen Tisch für Euch freigehalten.“ Irgendwie schien er nervöser als gestern zu sein. Was für ein Schock musste es gewesen sein, als Gwen zu ihm kam und ihn einfach so ansprach? Er tat mir zwar Leid, aber trotzdem fand ich die Vorstellung irgendwie witzig. Schade, dass ich das nicht hatte sehen können... Ich bedankte mich bei dem Wirt und betrat den Schankraum. Es fiel mir nicht schwer, Gwen zu finden. Obwohl der Raum schon am Morgen ziemlich voll war, gab es einen Tisch am anderen Ende des Raumes, an den keiner herantrat. Ich konnte meine Freundin zwar nicht sehen, aber was sonst sollte die Leute von einem freien Tisch fernhalten? Vergnügt näherte ich mich besagtem Tisch. Gwen saß auf einer Bank direkt an der Wand. Auf dem Tisch vor ihr stand ein leerer Teller, auf dem sich vorher zweifelsohne eine Portion Fleisch befunden hatte. An dem Platz gegenüber stand ein Krug Milch, Brot, eine Schale mit Früchten und eine mit Honig. „Du bist einfach die Beste!“ begrüßte ich sie freudig. Gwen hob den Kopf. „Ich hatte schon befürchtet, du würdest überhaupt nicht mehr aus dem Bett kommen.“ meinte sie trocken. „Du hättest mich wecken können.“ Ich nahm Platz und begann mich über mein Lieblingsfrühstück herzumachen. „Guten Appetit. Und was das wecken angeht, das habe ich versucht, aber mehr als ein gemurmeltes „Noch fünf Minuten, Meisterin.“ habe ich aus dir nicht rausbekommen. Also habe ich dich noch schlafen lassen.“ Zwischen zwei Bissen Honigbrot nahm ich mir Zeit zu antworten. „Das hat dich doch sonst noch die davon abgehalten, mich eiskalt aufzuwecken.“ Gwen schnaubte nur. „Iss lieber weiter.“ Für einen Moment sah sie an mir vorbei. „Wir bekommen Gesellschaft.“ Neugierig drehte ich mich um. Mox hatte gerade den Raum betreten und sah sich kurz um. Als er uns entdeckte, kam er zu uns herübergetrottet. „Guten Morgen!“ brummte er. „Guten Morgen! Ich dachte, Ihr wäret schon in der Arena.“ „Ich gehe gleich rüber. Aber erst esse ich etwas.“ Während Mox sich bei einer vorbei eilenden Kellnerin etwas bestellte, kümmerte ich mich um den restlichen Honig. Gwen sah mich tadelnd an, als ich die Reste des Honigs mit dem Finger aus der kleinen Schale holte, wie es ein Kind machen würde, aber sie sagte nichts. Selbst wenn, hätte ich mir daraus nichts gemacht. Ich liebe Honig! Bald war auch Mox mit dem bestellten Frühstück fertig und wir machten uns gemeinsam auf den weg zur Arena. Dort angekommen machte Mox sich auf den Weg zum Roten Salon. Ich entschied mich, draußen auf die anderen zu warten. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie kommen würden. Erst da dachte ich an Levathi. Er hatte in derselben Herberge übernachtet wie wir, aber es war nichts von ihm zu sehen gewesen. Aber er würde bestimmt bald auftauchen. Schließlich war er derjenige, der am dringendsten darauf bestanden hatte, zu sehen, wie Mox sich gegen einen lebendigen Gegner behaupten würde. Es dauerte nicht lange, bis der Botschafter Grothoas in Begleitung der Elfenprinzessin (beide natürlich mit Gefolge) erschienen und wir alle gemeinsam in der Loge des Wesirs Platz nahmen. Den ersten beiden Kämpfen sah ich nur mit halbem Auge zu. Mich beschäftigte viel mehr, dass von Levathi noch immer nichts zu sehen war. Wo blieb er nur? „Ihr wisst nicht zufällig, wo Levathi sich befindet?“ forschte der Wesir nach. Ich konnte diese Frage nur mit einem Schulterzucken beantworten. „Er hat in derselben Herberge übernachtet, wie Mox von Ammarindar und ich, aber ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Nein, ich weiß nicht, wo er sich aufhält.“ „Wir sollten jemanden nach ihm schicken.“ schlug Josidiah gelangweilt vor. „Dazu müssten wir allerdings erst wissen, wo er zu finden ist. Andernfalls wäre es uns unmöglich, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen. Vor allem, falls er nicht gefunden werden möchte.“ sinnierte der Wesir. Offensichtlich hatte er diese Erfahrung schon hinter sich. *Ich glaube, ich weiß, wo er ist...* ließ Gwen mich wissen- und jagte daraufhin allen einen riesigen Schrecken ein (zu meinem Vergnügen, das gebe ich gern zu). „Ich werde ihn holen.“ verkündete sie laut und rannte los, ehe irgendjemand sie hätte aufhalten können. Als ob einer von ihnen sich das getraut hätte...Viel interessanter fand ich die Ausdrücke auf den Gesichtern der Anwesenden! Josidiah starrte Gwen absolut fassungslos hinterher, ebenso wie der Wesir, der sogar vor Schreck aufgesprungen war. Ein paar der menschlichen Wachen standen immer noch die Münder offen. Nur die Elfen schafften es, sich kaum etwas anmerken zu lassen. Doch auch sie schauten ihr perplex hinterher. Ich selbst schaffte es gerade so, mir das Lachen zu verkneifen, aber das Grinsen, das sich langsam auf meinem Gesicht ausbreitete, konnte ich nicht verstecken. Das sind Dinge, an die ich mich sehr gerne erinnere. Zu schade, dass ich davon kein Bild haben konnte... Langsam schien der Wesir sich wieder gefangen zu haben. Während er sich wieder setzte, räusperte er sich. „Ihr hattet nicht erwähnt, dass Euer Tiergefährte sprechen kann.“ sagte er schließlich gedehnt. „Das muss ich wohl vergessen haben.“ kicherte ich. Oh, das war einfach zu köstlich! „Wie kann man so etwas vergessen? Und wieso hast du dann gestern für sie übersetzt?“wollte Josidiah wissen. „Für mich ist es selbstverständlich, mit Tieren zu sprechen, deshalb vergesse ich das oft genug. Und gestern habe ich nicht übersetzt, ich habe nur einen Gruß von Gwen an Euch übermittelt, während sie mit etwas anderem beschäftigt war.“ erklärte ich genüsslich. „Das machst du gerne, nicht wahr?“ „Ja!“ gab ich unumwunden zu. Josidiah sah mich eine Weile mit in Falten gelegter Stirn an. Ich sah einfach nur lächelnd zurück. Dann breitete sich auch auf ihrem Gesicht ein Lächeln aus. „Ich glaube, du gefällst mir.“ verkündete sie endlich. Alle Anwesenden sahen immer noch genauso drein, wie zu dem Zeitpunkt als Gwen verschwunden war. Wenn sie alle noch länger so dreinsehen, dann rolle ich bald vor Lachen auf dem Boden, dachte ich. Zum Glück kam es jedoch nicht soweit, denn der Kommentator wählte diesen Moment, um Mox` Kampf mit den üblichen blumigen Ausdrucksweisen anzukündigen, die ich so wenig leiden konnte. Vorsorglich schaltete ich meine Ohren auf Durchzug und versuchte, Gwen zu erreichen. * Gwen?* Es dauerte ein wenig, bis sie antwortete. * Ich habe Levathi gefunden. Er schläft auf dem Dach der Herberge. Ich wecke ihn.* * Beeilt euch lieber. Mox ist gerade angekündigt worden.* * Wenn er so fix ist wie du und Levathi, bekommen wir so oder so nur den Schluss mit...* Kurzes Schweigen. *Und, wie war ich?* Ich ließ meine Belustigung frei über unser Band fließen, als ich mir die Gesichter der anderen deutlich in Erinnerung rief. * Es war einfach wunderbar! Du hättest ihre Gesichter sehen sollen! Den Wachen stand der Mund offen. Der Wesir ist sogar vom Stuhl gesprungen!* * Ich kann´s mir vorstellen. Wir sind bald bei euch.* * Bis gleich!* Inzwischen war der Redefluss des Kommentators zu Ende und Mox hatte unter tosendem Beifall die Arena betreten. Den gewaltigen Bogen locker in der linken Hand haltend, gab er ein Bild der Ruhe und Zuversicht, wie man es von einem erfahrenen Krieger erwarten würde. Ich hatte ihn noch nicht kämpfen sehen, aber mein Gefühl, meine Instinkte sagten mir, dass er der Richtige für den Kampf gegen einen Drachen wäre. Der Wesir hatte gut gewählt, was Mox und Levathi anging. Ein schrilles Kreischen riss mich aus meinen Gedanken. Mox´ Gegner hatte die Arena betreten. Nein, er war in die Arena geflogen. Ich hatte so ein Wesen noch nie gesehen. Als ich genauer hinsah, konnte ich auch erkennen warum: es war ein Konstrukt, ein künstliches Wesen aus Metall, belebt nur durch Magie. Leicht rümpfte ich die Nase. Ich mochte Konstrukte nicht. Sie widersprachen allen Gesetzen der Natur. Trotzdem konnte ich sie einigermaßen tolerieren. Dieses sah aus wie ein übergroßer Wurm mit den Flügeln einer Libelle. Nur, dass dieser Wurm ein Maul voller scharfer Zähne besaß. Und es war flink. Allerdings tat es nichts, als hoch in der Luft seine Runden zu drehen. Warum das denn? Vielleicht hätte ich doch besser zuhören sollen... Mox hingegen schien das nicht weiter zu kümmern. Er sah dem Konstrukt für eine Minute zu, legte den Pfeil an, zielte und schoss. Blitzschnell versuchte das Konstrukt auszuweichen. Es gelang ihm nur zum Teil: der Pfeil zerstörte es nicht, aber es musste sich vom hinteren Drittel seines Körpers verabschieden. Seltsamerweise schien ihm das gar nichts auszumachen, denn es flog weiter, als sei nichts passiert. Mir war klar, dass dieser Schuss trotz allem eine Meisterleistung war. Auf diese große Entfernung ein schnelles bewegliches Ziel zu treffen, erforderte sehr viel Geschick. Das bewies Mox mit seinem zweiten Schuss. Alles Ausweichen half dem Metallhaufen wenig. Der nächste Pfeil traf es genau am Hals und trennte den Kopf vom Körper. Beide landeten mit einem lauten Krachen mitten in der Arena. Die Zuschauer waren begeistert, ebenso der Kommentator: „Eine unglaubliche Meisterleistung! Noch nie hat es jemand geschafft, den Schnellen gleich beim ersten Versuch zu treffen! Noch nie ist es jemandem gelungen, ihn mit so wenigen Schüssen zu besiegen!“ So ging es noch eine ganze Weile weiter, aber ich war mit meinen Gedanken woanders. Jeder in unserer Gruppe hatte gezeigt, was er konnte, aber würde das reichen, um einen Drachen, einen großen Wyrm, zu bezwingen? Ich konnte es kaum abwarten, das herauszufinden! Kapitel 5: Kapitel 4 -------------------- Kapitel 4 Das Schiff des Wesirs erwartete uns am Kai. Im Hafen herrschte Hochbetrieb: ein Schiff war neben dem anderen vertäut. Da waren Galeeren mit eingezogenen Rudern, große Kreuzer der Halienischen Handelsallianz, deren Segel sich im Wind blähten, kleine Fischerboote, die sich durch die großen Schoner schlängelten, Ruderboote, die sich von Schiff zu Schiff oder zwischen Schiff und Land hin und her bewegten. Die Schiffe wurden gereinigt und repariert, alte Ladungen gelöscht und neue geladen. Kisten und Fässer und Ballen von Stoffen bewegten sich hin und her. Über fast jedem Schiff flatterte ein Banner, dass seine Herkunft kenntlich machte: das grüne Binsen- und Lotosmotiv der Khamter auf goldenem Grund, das komplizierte silberne Siegel auf blauem Grund der Inseln der Halienischen Handelsallianz, der eine oder andere Wolf/Bär/Drache der Nordmänner, der goldene Baum der Elfen auf grünem Grund und auch der goldene Sonnenmond Grothoas auf den scharlachroten Fahnen. Überall hörte man die Matrosen singen im Takt zu ihren Arbeiten. Sie grölten Seemannslieder in den verschiedensten Sprachen. Aus den Tavernen klang das Gelächter derer, die Landgang hatten, vermischt mit den lauten Preisungen und Streitereien der Händler. Darüber hing der intensive Geruch nach Fisch, Meerwasser und Müll. Die Leute, die am Hafen wohnten, scheuten sich nicht, ihren Müll in das Wasser des Hafens zu werfen, obwohl sie zweifelsohne wussten, dass es mit der nächsten Flut wieder zurückkommen würde. Der daraus resultierende Gestank schien niemanden zu stören. Mich störte es auch nicht. Wenn man einmal im Herbst in den eher sumpfigen Teilen des Druidenwaldes (oder in einem richtigen Sumpf) war, dann scheut man keinen Gestank mehr. Was mich störte, war vielmehr, dass die Menschen die Natur verschmutzten, weil sie sich nicht Die Mühe machen wollten, ihren Müll richtig zu beseitigen, geschweige denn weniger davon Zu produzieren. Selbst Orks sind den Menschen was das angeht voraus. Aber ich schreibe Hier nicht weiter davon. Ich will meine menschlichen Leser ja nicht langweilen… Unsere Gruppe (Levathi und Gwen waren nach Mox´ Kampf zu uns gestoßen) bewegte sich zielstrebig auf das wohl größte Schiff in der Umgebung zu. Es war das größte das ich je gesehen hatte und besaß ganze drei Masten mit gigantischen scharlachroten Segeln, die sich in der Brise wölbten. Am Bug war eine künstlerisch wundervoll gearbeitete Figur einer weiblichen Dschinni zu sehen, die mit einem Arm nach vorne wies, während sie mit dem anderen das Schiff zu ziehen schien. Ihr Haar und ihre Kleidung waren so gut gearbeitet, dass es aussah als würden sie sich mit dem Wind bewegen. Das dunkle Holz des Schiffes glänzte in der Mittagssonne. Der Anblick war wirklich beeindruckend. „Das ist die Wappen von Aglamond, der ganze Stolz unserer Flotte.“ Verkündete der Wesir. „Sie ist das schnellste- und das eleganteste- unserer Schiffe. Sie wird uns innerhalb von drei bis vier Wochen nach Aglamond bringen, wo uns der Prinz erwartet. Darf ich Euch bitten, an Bord zu kommen?“ Wir folgten ihm schweigend, denn wir alle waren viel zu sehr damit beschäftigt, das Schiff zu betrachten, als dass wir fähig gewesen wären, zu antworten. Denn die Ausgestaltung des decks war mindestens so prachtvoll wie die eines kleinen Palastes. Die Tür am Heckteil des Schiffes war wie alle Fenster aus buntem Glas gemacht und zeigte Szenen aus Oasen. Vorne Richtung Bug war ein großer Pavillon aus dunklem Holz und verschieden farbigen Stoffbahnen errichtet worden. Darunter standen niedrige, mit Intarsien aus Stein verzierte Tische, auf denen Wasserpfeifen und goldene Schalen mit kleinen Erfrischungen angeordnet waren. Darum verteilt waren weiche Teppiche und Berge von Kissen und Rollen. Ich begann mich zu fragen, wie es da erst unter Deck aussehen würde… Die Stimme meiner vierbeinigen Freundin holte mich wieder zurück. „Du Thalanee?“ „Was ist denn?“ fragte ich leicht abwesend. Der Wesir unterhielt sich gerade mit einem der Männer an Bord. Wie alle der Besatzung trug er eine weiß- rote Uniform, aber zusätzlich auch einen Krummsäbel. Wahrscheinlich der Kapitän des Schiffes… „Mir ist schlecht.“ Wie? „Was“ begann ich zu fragen, da fiel es mir wieder ein. Wie hatte ich das nur vergessen können? „Du bist wieder seekrank, nicht wahr?“ Gwen antwortete nicht, sie sah mich bloß an. Es sah wirklich furchtbar aus, wie sie sich an die Planken des Bodens presste, die Ohren angelegt und der Schwan hin und her peitschend (bei ihr ein Zeichen extremer Nervosität). Ich kniete mich neben sie und kraulte sie eine ganze Weile, bis ich sicher war, dass es ihr ein bißchen besser ging. „Komm, lege dich in den Pavillon. Dort ist es gemütlicher. Wenn das Schiff aus dem Hafen ist und erstmal richtig fährt, dann wirst du dich bald daran gewöhnen.“ tröstete ich sie. „Hoffentlich…“ klagte Gwen mit Grabesstimme, aber immerhin schleppte sie sich zum Pavillon. Bald war alles, was man von ihr sehen konnte, ihr Hinterteil, das aus einem Berg von Kissen herausragte. Hoffentlich würde keiner versuchen, sich auf sie zu setzen… In dem Moment rauschte ein großes Etwas taumelnd und schlurfend an mir vorbei (ich weiß, dass ist eigentlich ein Widerspruch, aber es ist die einzige Art diese Fortbewegungsweise treffend zu beschreiben). Es war Levathi. Noch bevor ich ihn ansprechen konnte war er schon im Pavillon verschwunden. Neugierig sah ich noch einmal hinein. Und sah ein zweites Mal hin. Kein Zweifel. Direkt neben dem Haufen, in dem Gwen sich vergraben hatte, war ein zweiter Kissenhaufen entstanden, aus dem links und rechts je ein Flügel raus schaute. Schnell rannte ich zum Mitteldeck. Es wäre gemein gewesen, direkt im Eingang stehen zu bleiben, während ich versuchte, mir das Lachen zu verkneifen. Der Anblick war einfach zu komisch gewesen. Trotzdem taten mir die beiden leid. Ich nahm mir vor, nachher meinen Kräutervorrat durchzusehen. Da war bestimmt etwas dabei, was den beiden helfen würde. Auf dem hinteren Oberdeck hatten sich inzwischen alle anderen Mitglieder unserer Reisegemeinschaft versammelt. Also gesellte ich mich zu ihnen. Der Wesir hatte gerade den Kapitän vorgestellt (tatsächlich der, den ich vorhin gesehen hatte) und war nun damit beschäftigt, über die Reiseroute zu sprechen: „… wird wie schon gesagt mindestens drei, eher vier Wochen dauern, bis wir in Aglamond ankommen. Wir hoffen, dass die Reise relativ ruhig verlaufen wird, aber das kann man vorher nicht mit Sicherheit sagen. Die größte Gefahr dürfte allerdings schlechtes Wetter darstellen.“ „Was ist mit Piraten?“ fragte Josidiah in einem merkwürdig erwartungsvollen Tonfall. Es hörte sich so an, als wäre sie beinahe darauf aus, auf Piraten zu treffen. Es war der Kapitän, der ihr antwortete: „Die Piraten werden sich von uns fernhalten. Und zwar aus Erfahrung. Der Ruf der Wappen von Aglamond unter den Piraten wird dafür Sorge tragen.“ „Schade.“ seufzte Josidiah bedauernd. „Kapitän?“ rief einer der Seemänner, „Das Gepäck ist vollständig verladen, Sir.“ „Gut. Beginnt mit dem Auslaufmanöver!“ Damit begann unsere Reise auf See. Während die Anderen unter dem Pavillon saßen, stand ich am Bug und ließ mir den Seewind ins Gesicht wehen. Langsam und bedächtig bahnte sich die Wappen von Aglamond ihren Weg aus dem Hafen vorbei an all den anderen, kleineren Schiffen. Bald hatten wir die Gewässer des Hafens hinter uns gelassen und waren auf dem Weg auf das offene Meer. Die salzige Gischt spritzte mir ins Gesicht. Den Horizont vor mir, den Wind im Gesicht genoss ich die Szenerie: Die Möwen flogen kreischend um uns herum und der Himmel erstrahlte in einem wunderbaren Blau, das sich im Meer zu spiegeln und mit dessen Farben zu vermischen schien: purpur und blau und grün. Es war fast als müsste ich nur die Arme ausbreiten, um zu fliegen. Dieses Gefühl war herrlich. Unten im Wasser konnte ich manchmal schnelle schlanke Schatten sehen, die auftauchten und wieder verschwanden. Plötzlich sprang einer von ihnen direkt neben mir aus den Wellen empor. Er war wunderschön. Ein schlanker silberner stromlinienförmiger Körper, eine spitze Schnauze, elegant gebogene Rücken- und Seitenflossen und Augen schwarz wie Onyx. Es war das mit Abstand schönste Wassertier, das ich je gesehen hatte. Ein Delphin. Ich dachte gar nicht darüber nach. Selbst wenn hätte ich es trotzdem getan. Also sprang ich. Noch im Fall verwandelte ich meine eigene Gestalt und passte sie der Gestalt derer an, die unser Schiff begleiteten. Bald war ich vom kühlen Wasser des Meeres umgeben- und von den Delphinen, die mich neugierig umschwärmten und mich mit ihren wunderbaren Gesängen willkommen hießen. Und ich antwortete ihnen gleichermaßen. Anfangs war ich noch etwas ungeschickt, aber bald schwamm ich genauso mühelos umher wie die anderen. Wir veranstalteten Wettschwimmen um das Schiff herum, sprangen davor, dahinter und daneben in die Lüfte und ritten auf den Wellen. Die Welt unter Wasser war atemberaubend schön, auf ihre eigene Art und Weise sogar noch schöner als die Welt hier oben. Die einzigen Geräusche waren die Musik der Meereswellen und der Gesang der Delphine. Das Licht der Sonne brach sich an der Oberfläche des Meeres und erstrahlte in der Unterwasserwelt in einzelnen Säulen aus Licht. Das Wasser um mich herum glühte je nach Licht in hellem Blau, dunklem Grün und Violett. Unter mir erstreckte sich ein tiefer Ozean aus Purpur, Mitternachtsblau und dunklem Grün. Und diese Welt war alles andere als leer. Sie wimmelte nur so von Leben. Da war das winzige Plankton überall, kleine Schwärme von silbrigen Fischen, die sich als Einheit bewegten und auseinander stoben, wann immer wir spielerisch durch sie hindurch schwammen. Tief am Boden wuchsen rote und weiße Korallen um die Wette mit den Algen und Seeanemonen. Und in diesem Meerwald bewegten sich Krabben und Muscheln und Tintenfische und Quallen in den verschiedensten Farben und Formen. Ich wusste nicht, wie lange ich mit den Delphinen getanzt hatte, aber irgendwann verabschiedete ich mich von meinen neu gewonnenen Freunden. Es war Zeit in die Welt da oben zurückzukehren. Doch ich schwor mir, irgendwann wieder zu kommen und das Meer richtig zu erkunden. Aber jetzt hatte ich eine andere Aufgabe. Also schwamm ich Anlauf für den gewaltigen Sprung, der nötig war, um mich auf das Schiff zu katapultieren. Mit Schwung durchbrach ich die Wasseroberfläche neben dem Schiff. Für einen Moment schwebte ich in der Luft, dann verwandelte ich mich blitzschnell zurück. Das Manöver wäre beinahe schief gelaufen, aber ich konnte mich gerade noch an der Reling festhalten und mich dann mit ein wenig Aufwand hochziehen und herüber schwingen auf das Deck. Zufrieden seufzte ich. Der Ausflug hatte gut getan und ich hatte viel von den Delphinen über das Meer gelernt. Da bemerkte ich etwas anderes. Ich war triefnass. Bis auf die Knochen. Das ist der einzige Nachteil beim Gestaltwandel. Wenn ich in meiner Tiergestalt nass werde und mich nicht ordentlich ausschüttele oder trocknen lasse, bleibt das Wasser, wenn ich mich zurückverwandele da wo es ist: an mir. Aber das störte mich nicht weiter. Erst da bemerkte ich, was mich wirklich störte. Jeder an Bord des Schiffes starrte mich unverhohlen an. Im Mittelpunkt zu stehen hasse ich, denn ich weiß nie wie ich mich verhalten soll. Also schaute ich mich etwas verlegen um. Jemand räusperte sich. Es war der Wesir. „Ich nehme an, Ihr würdet Euch gerne umziehen?“ fragte er belustigt mit Blick auf den Boden. Etwas betreten betrachtete ich die Pfütze, die sich dort bildete und nickte. „Eine gute Idee.“ murmelte ich zustimmend. „Dann erlaubt mir, Euch Eure Kabine zu zeigen.“ verkündete er und begleitete mich in das Innere des Schiffes. Die Gänge waren zwar eng, aber immer noch breiter, als auf anderen Schiffen. Unterwegs kamen wir an einem Gemeinschaftsraum vorbei, der ähnlich und mindestens so prächtig eingerichtet war wie der Pavillon, nur dass dort hinter den Glastüren der kostbaren Schränke Bücher gelagert waren. Hin und wieder hingen an der Wand kostbare Teppiche oder Malereien. Vor einer der Türen hielten wir an. „Das hier ist Euer Gemach für die Dauer der Reise. Ich hoffe, es gefällt Euch.“ sprach der Wesir und öffnete die Tür. Und ob mir der Raum gefiel. Die Dekoration war einfach, aber sie ließ keinen Zweifel an dem auserlesenen Geschmack den der Einrichter dieses Raumes hatte. Das Bett aus hellem Holz war breit genug für Gwen und mich und die Decken sahen wunderbar weich aus. Es gab ein kleines Schränkchen mit einem Spiegel und in einer anderen Ecke des Raumes war sogar ein kleines Waschbecken mit mehreren Handtüchern. Auf einem kleinen Tischchen neben dem Bett stand eine schwere Schale mit Obst. Natürlich war alles fest verschraubt, aber das konnte man nicht sehen. Kurz gesagt, der Raum war wunderschön. „Er ist wundervoll.“ versicherte ich ihn. „Das freut mich zu hören. Die Diener versicherten mir, dass Euer Gepäck sich bereits in dem Zimmer befindet.“ Auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Ich hoffe, Ihr werdet uns beim Abendessen berichten, was es mit Eurem Sprung ins Meer auf sich hatte. Unser lieber Kapitän befürchtete, Ihr wäret über Bord gegangen, und wollte eine Rettungsaktion starten. Eure Gefährtin allerdings versicherte uns, alles sei in Ordnung.“ Ich errötete. „Entschuldigt die Umstände. Nun ja, … ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht. Für uns Druiden ist unsere Tiergestalt schon fast selbstverständlich…“ „Interessant. Werdet Ihr uns das nachher näher erläutern?“ fragte der Wesir interessiert. „Wenn Ihr es wünscht, gerne.“ „Dann werde ich Euch nun alleine lassen.“ Wir verneigten uns beide und während der Wesir an Deck zurückkehrte, zog ich mich zurück, um mich aus meiner nassen Kleidung zu schälen. Eine halbe Stunde später war ich trocken und wieder einigermaßen präsentabel und machte mich auf den Weg zum Pavillon. Ich war schon fast zur Tür draußen, da fiel mir etwas anderes ein. Schnell griff ich in meinem Reisesack nach einem bestimmten Beutel. Zwei meiner Reisegefährten würden diese Kräuter zu schätzen wissen. Beschwingt setzte ich meinen Weg zu Pavillon fort. Dort waren schon alle meine Reisegefährten versammelt. Auf einer Seite des Tisches saßen Mox und Levathi. Mox schien sich sehr wohl zu fühlen. Er saß im Schneidersitz und zog genüsslich an einer Wasserpfeife. Levathi war inzwischen aus seinem Berg von Kissen hervorgekommen, aber er sah nicht wirklich glücklich beziehungsweise gesund aus (glaubt mir, die grüne Gesichtsfarbe war ein ziemlich eindeutiger Hinweis). Gegenüber des Eingangs hatte sich der Wesir niedergelassen. Er war ebenfalls mit einer Wasserpfeife beschäftigt. Auf der rechten Seite des Tisches neben ihm saß Josidiah. Sie sah aus, als wäre sie geradewegs von einem Ball gekommen. Ihre Haare waren kunstvoll frisiert und mit kostbaren Steinen geschmückt. Ihr blaues Seidenkleid war exquisit gearbeitet und überließ nur wenig der Vorstellung…Neben ihr und dem letzten freien Platz lag Gwen. Sie sah genauso drein wie Levathi. „Da ist ja unsere Druidin!“ rief Josidiah aus, als sie mich sah. „Ein paar der Seemänner halten dich für eine Hexe.“ meinte Mox zur Begrüßung. Bei dieser Bemerkung konnte ich ein Stöhnen nicht unterdrücken. „Hexen und Druiden haben rein gar nichts miteinander zu tun.“ antwortete ich genervt. Mox ging nicht weiter darauf ein. „Warum bist du denn vorhin vom Schiff gesprungen?“ fragte Josidiah leicht spöttisch. „Ist dir was in das Wasser gefallen?“ Hochelfen… „Nein. Da war eine Delphinschule, die neben unserem Schiff her schwamm. Ich hatte nie zuvor Delphine gesehen, nur von ihnen gehört. Deshalb tat ich, was ich in dieser Situation immer tue: ich nahm ihre Gestalt an, um sie besser kennen zu lernen. Das habe ich mir irgendwann angewöhnt. Mir war gar nicht wirklich bewusst, wie das auf andere wirken würde.“ meinte ich entschuldigend mit Blick auf den Wesir. Der lächelte nur amüsiert. „Nun, die Mannschaft hat jedenfalls einen gewissen Respekt vor Euch, seit die Erzählung Eurer Verwandlung unter ihnen die Runde gemacht hat. Außerdem hatten mehrere von ihnen vorhin die Gelegenheit, es mit eigenen Augen zu sehen… Ah, da kommt das Abendessen.“ Mehrere Diener kamen mit Platten voll von verschiedenen Gerichten und platzierten diese auf dem Tisch: da gab es Schüsseln mit Fleisch (eine mit rohem Fleisch wurde direkt vor Gwen gestellt), gefüllten Datteln, Feigen, Fladenbrote, Käse, frische Früchte, kurz so ziemlich alles was das Herz- oder eher der Magen- begehrt. Nur Levathi wurde noch etwas grünlicher im Gesicht. Ich sprach einen der Diener an: „Könnte ich eine Kanne mit heißem Wasser haben?“ „Aber sicher.“ Antwortete der und lief los, um das gewünschte zu besorgen. Der Wesir sah mich etwas fragend an, aber ich war etwas zu beschäftigt damit, die Dosierung abzuschätzen, die ich brauchen würde. Die Kanne heißes Wasser kam bald. Ich bedankte mich und machte mich an die Arbeit: aus dem kleinen Kräutersäckchen nahm ich mehrere Prisen der Kräuter und verrührte sie langsam in dem kochend heißen Wasser. Das ließ ich dann einige Minuten ziehen. Josidiah sah mir neugierig zu, aber die anderen beachteten mein Handeln nicht weiter und widmeten sich dem Essen. Außer Levathi und Gwen. „Fertig!“ rief ich aus, nachdem es mir endlich gelungen war, den Tee richtig abzugießen. „Mit was?“ fragte Josidiah. „Mit dem Tee.“ „Ihr hättet der Dienerschaft Euren Wunsch nur mitteilen müssen. Es ist nicht nötig, dass Ihr Euch selbst bemüht.“ erklärte der Wesir. Ich schüttelte den Kopf. „Der ist für Gwen und Levathi. Diese Kräuter wirken beruhigend auf den Magen. Ich weiß zwar nicht, ob sie bei Seekrankheit auch wirken, aber ein Versuch kann nicht schaden.“ Einen vollen Kelch reichte ich Levathi, der etwas misstrauisch daran roch, und den Rest goss ich in eine Schale für Gwen, die ihn eher missmutig beäugte. * Schon wieder dieses seltsame Wasser? Du kennst wohl ein Gebräu für jede Gelegenheit* * Nun, ich kenne so ziemlich alle Pflanzen des Waldes und da sind eine ganze Menge sehr nützlicher Heilkräuter dabei. Das weißt du. Trink schon, dann geht es dir bestimmt besser.* „Wenn du meinst…“ sprach sie laut und begann, zögerlich ihren Tee zu schlürfen. „Was ist da drin?“ fragte Levathi. Das war das erste Mal, dass ich ihn hatte sprechen hören, seit wir das Schiff betreten hatten. „Verschiedene Kräuter aus unserem Wald.“ „Und du glaubst das hilft?“ Er klang ziemlich skeptisch. „Ich glaube nicht, dass deine Seekrankheit vollkommen verschwinden wird, aber du wirst dich bestimmt besser fühlen. Wie gesagt, schaden wird er dir nicht, aber er wird die Übelkeit lindern.“ Levathi überlegte kurz, zuckte mit den Schultern und trank seinen Tee. Den Rest des Abends verbrachten wir damit, uns zu unterhalten. Wir tauschten unterhaltsame Geschichten aus, die wir unterwegs aufgeschnappt hatten oder gaben unsere eigenen Erlebnisse zum Besten. Würde ich das alles hier wiedergeben, säße ich in zwei Jahren noch hier. Levathi und Gwen ging es bald ein wenig besser, sodass die beiden sich rege an der Unterhaltung beteiligten. Nach einer Weile saßen wir alle schweigend beisammen und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Über unser Band teilte ich mit Gwen, was ich im Meer gesehen und gelernt hatte. Und so ließen wir den ersten Abend an Bord ausklingen. Alles um uns herum wirkte friedlich und ruhig und es hatte den Anschein, als könnte nichts die Ruhe trüben. Aber ein solcher Schein ist nur allzu oft trügerisch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)