Alte Liebe von Nyn (Zehn Jahre sind vergangen seit Sanji und Zoro sich das letzte Mal gesehen haben.) ================================================================================ Kapitel 2: Begegnung -------------------- „Scheiße!“ Für einen Augenblick kämpfte Sanji mit dem irrationalen Instinkt zu fliehen, aber schon im nächsten Moment hatte er sich wieder im Griff. Oder besser: Die Wut hatte ihn im Griff. Sanjis Körperhaltung änderte sich kaum merkbar, aber mit einem Mal strahlte seine ganze Erscheinung eine Gefährlichkeit aus, die nicht nur die restlichen Gäste, die den Chefkoch gerade erst bemerkt hatten, sondern auch die sich hinter Sanji in der Küchentür zusammendrängenden Köche unwillkürlich zurückweichen ließ. Die Atmosphäre im Restaurant, eben noch durch die bloße Anwesenheit des unbekannten Schwertkämpfers beherrscht, schien nun zu knistern als stünde das Zusammentreffen zweier gewaltiger Gewitterfronten unmittelbar bevor. Einzig der Fremde schien nichts davon zu bemerken. Er blickte immer noch teilnahmslos aus dem Fenster als Sanji langsam auf ihn zuging, jeder seiner Schritte Vorbote eines drohenden Unglücks. Erst als der Meisterkoch den Tisch an dem er saß mit einem einzigen schnellen Tritt in zwei Teile zerbrach, schenkte der unheimliche Gast ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Die restlichen Anwesenden hielten den kollektiven Atem an. Die Präsenz des Schwertkämpfers war beinahe greifbar, jetzt, wo er sein unbewegtes Gesicht dem vor kaum unterdrückter Wut bebenden Sanji zuwandte. Ihre Blicke trafen sich und eine halbe Minute lang herrschte angespannte Stille in dem großen Raum, die schließlich durch Sanjis ungewöhnlich gepreßte Stimme durchbrochen wurde. „Was willst Du hier, Marimo.“ Es war eine Drohung, keine Frage. Das minimale Heben einer Augenbraue des ansonsten regungslosen Gesichts sprach eine deutliche Sprache. Mit Worten hätte der grünhaarige Fremde seine Geringschätzung wohl kaum klarer ausdrücken können. Die Fußspitze des Kochs begann wie von selbst gegen den Steinboden zu tippen. „Essen?“ Als er schließlich doch sprach, ließ die tiefe, vor Spott triefende Stimme des Fremden die unfreiwilligen Zuschauer erschaudern. Tapp, tapp, tapp... Das Tippen wurde schneller und Sanjis Hände ballten sich langsam zu Fäusten. „Verschwinde...“, brachte er noch hervor, bevor er angesichts der unbeweglichen Sturheit seines Gegenübers endgültig die Beherrschung verlor und unvermittelt seinen ungeduldigen rechten Fuß mit direktem Kurs auf den grünhaarigen Schädel nach vorne schnellte. Doch statt auf die braungebrannte Schläfe traf sein Fuß auf einen sehnigen Unterarm. Sich hastig von seinem Gegner abstoßend, entkam er gerade eben der jäh zugreifenden Hand, die ihn sonst am Fußgelenk gepackt hätte. Scheiße, war Zoro schnell! War er das immer schon gewesen? Oder war er selbst vielleicht...Pah! Mit einem Schnauben holte Sanji erneut aus, doch diesmal ging sein Tritt ganz ins Leere. Der verfluchte Marimo war ihm scheinbar mühelos ausgewichen. Im Sitzen! Verfluchte Scheiße! Der Koch verdoppelte seine Anstrengungen und schon bald hagelte es Tritte auf den mysteriösen Gast, denen dieser entweder auswich oder ohne eine Miene zu verziehen mit seinen kräftigen Armen blockierte. Sanjis inzwischen unverhohlener Frust trieb ihn zu immer waghalsigeren Manövern und Koujin hielt den Moment für gekommen, an dem die restlichen Gäste aus Gründen ihrer persönlichen Sicherheit besser das Restaurant verlassen sollten. Es würde so schon schwer genug werden, das Baratie vor einem Skandal zu schützen. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn sein unbeherrschter Chef die Kundschaft verletzen würde! Er mochte gar nicht erst daran denken, welchen Schaden der unheimliche Fremde wohl anrichten könnte, wenn er sich plötzlich dafür entschied, eins seiner Schwerter zu ziehen. Daß diese nicht nur Dekoration waren, war offenkundig. Koujin verlor keine Zeit mit Spekulationen darüber, warum der Schwertkämpfer seine Waffen nicht benutzte, sondern machte sich, dicht an der Wand entlang und die beiden Widersacher nicht aus den Augen lassend, auf den Weg zu den übrigen Gästen, die sich verängstigt ein einer Ecke zusammengedrängt hatte. Es bedurfte nicht vieler Überredungskünste, sie auf dem gleichen Wege zur Küchentür zurück zu führen, wo sie von seinen Kollegen in Empfang genommen und schleunigst und unter vielfachen Entschuldigungen durch den Hintereingang der Küche nach draußen gebracht wurden. Koujin atmete erleichtert auf, doch im gleichen Moment traf ihn etwas Schweres im Kreuz, das die Luft aus seinen Lungen preßte und ihn zu Boden warf. Nach Atem ringend hörte er über sich Sanji fluchen, dann verschwand das Gewicht plötzlich. Mühsam drehte der junge Koch sich um und sah seinen Chef mit dem Rücken zu sich stehen. Sanjis Schulten hoben und senkten sich schnell, sein Atem war deutlich zu hören. Mit der Hand wischte er sich etwas vom Gesicht. Koujin riß seinen Blick von dem Meisterkoch los und sah an ihm vorbei zu dem immer noch an seinem zertrümmerten Tisch sitzenden Fremden, das Gesichts ausdruckslos, aber die Knöchel der rechten Hand, die lässig auf seinem Oberschenkel ruhte, waren rot. Blutig. Koujins Augen weiteten sich. Der Grünhaarige hatte Sanjis Gesicht blutig geschlagen? War der Mann lebensmüde? Fassungslos und doch getrieben von einer gewissen Faszination wanderte der Blick des jungen Kochs zurück zu der eigentümlich stillen Form seines Chefs. Sanji war ratlos. Eigentlich hätte er wütend sein müssen. Also noch wütender als sowieso schon. Schließlich hatte Zoro ihn ins Gesicht geschlagen! Aber in dem Moment als sich der kupferne Geschmack seines eigenen Blutes in seinem Mund ausgebreitet hatte, war seine Wut wie weggeblasen gewesen. Zurückgeblieben war Ratlosigkeit. Vorsichtig versicherte er sich mit der Zunge, daß seine Zähne alle noch fest saßen und verrieb gedankenverloren das schon trocknende Blut zwischen seinen Fingern. Schließlich sah er wieder zu Zoro hinüber. Selbst jetzt schien das vertraute Gesicht so seltsam verfremdet in seiner unerschütterlichen Ausdruckslosigkeit. Seine Schwerter hatte er auch nicht gezogen, nicht eines. „Warum?“ Die Müdigkeit in seiner eigenen Stimme überraschte Sanji ein wenig. „Weil Deine Tritte armselig geworden sind.“ Der Meisterkoch hörte das ungläubige Raunen seiner leidgeprüften Angestellten nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt, die Situation zu bewältigen. Die Erinnerungen, die Zoro mit sich gebracht hatte, die Veränderungen des Schwertkämpfers. Der Grünhaarige hatte seine Gefühle nie offen zur Schau getragen... fast nie, berichtigte Sanji sich selbst und versuchte das nie weit entfernte schlechte Gewissen zu ignorieren. Doch jetzt hatte Zoro weder während ihres Kampfes noch als er gesprochen hatte auch nur eine Miene verzogen. Außerdem mußte er viel stärker geworden sein. Er war sitzen geblieben, selbst als Sanji den Tisch direkt vor seiner Nase zertrümmert hatte. Keiner seiner Tritte hatte ihn aus der Reserve locken können. Und das wurmte Sanji am meisten: Nichts hatte ihn dazu veranlassen können, zu seinen geliebten Schwertern zu greifen. Sie hatten schon so viele Kämpfe ausgetragen und er hatte immer früher oder später seine übergroßen Messer gezogen. Immer waren sie ebenbürtige Kämpfer gewesen, aber heute konnte der Marimo ihn mühelos im Sitzen besiegen. Und doch, so fremd und beunruhigend das auch alles war, er hatte sofort verstanden, worauf Sanji mit seiner Frage hinausgewollt hatte. Offenbar hatte er inzwischen gelernt, Sanjis Gedanken zu lesen. Der Blonde lächelte bitter und zuckte leicht zusammen als seine geschundene Lippe protestierte. Na toll, sie war schon angeschwollen. Reumütig schüttelte er den Kopf. Der dämliche Marimo hatte Recht, er war wirklich außer Übung. „Koujin, hör auf mir Löcher in den Rücken zu starren. Bringt unserem Gast einen neuen Tisch und etwas zu essen!“ Er wartete keine Antwort ab, sondern ging zu den Trümmern des alten Tisches hinüber und ließ sich Zoro gegenüber in einen Stuhl fallen. Ihm war klar, daß der Mann nicht freiwillig hier sein konnte, nicht nach dem, was passiert war. Aber ebenso klar war, daß er nicht gehen würde, bevor er seine Mission erfüllt hatte. Je früher Sanji also erfuhr, was den Marimo hergeführt hatte, desto früher würde dieser verschwinden und ihn wieder mit seinem Selbstvorwürfen und seiner Trauer um verpaßte Chancen alleine lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)