Mitternachtssonne von Noleen (Edwards Sicht aus Band 1) ================================================================================ Kapitel 8: Streit in der Familie -------------------------------- Vorwort Nur ein ‚kurzer Satz‘: Ich habe in den letzten Monaten nichts geschrieben, doch dies wird sich nun ändern. ------------------------------------------------------- Kapitel 8. Streit in der Familie Ich hatte Recht gehabt. Bevor ich auch nur einen Fuß aus dem Wagen gesetzt hatte, hörte ich die Gedanken meiner Familienmitglieder auch schon in meinem Kopf, als ob sie mir ins Gesicht schreien würden. Jedoch galten ihre Worte im Moment noch nicht mir. -...Edward, dieser Vollidiot! Was hat er sich nur dabei gedacht, ich könnte ihn...- -...Es musste einen Grund geben, sonst hätte er doch nicht...- -... Sieht aus, als ob wir bald umziehen müssten. Wie demütigend...- -... Ich muss dringend mit ihm reden, er hat doch...- Ich blendete ihre Gedanken aus meinem Kopf, aber meinem Gehör fiel es schwer, ihren Diskussionen nicht zu zuhören. Carlisles Blick streifte mich; wieder einmal war er besorgt um mich. „Es ist nichts“, murmelte ich und schritt auf die Veranda zu. Aus dem Inneren des Hauses könnte ich deutlich die tobenden Stimmen der anderen vernehmen, und es bereitete mir Unbehagen, dass ich nun auch bald in mitten dieses Streites stehen würde. „Verdammt! Alice! Wieso hast du nichts erwähnt? Ich hätte ihn aufhalten können!“, knurrte Emmett sie zu unrecht an. „Wie sollte ich das vorhersehen können? Sein Entschluss kam ganz spontan. Außerdem – er hätte er zusehen sollen, wie ein unschuldiger Mensch vor unseren Augen zerreißt wird?“, giftete sie in einem kühlen Unterton zurück. Emmett gab nur ein leises, wütendes Knurren von sich und ich konnte es mir bildlich vorstellen, wie er sich wütend vor Alice aufbaute. Doch ich wollte nicht, dass meine Familie sich untereinander stritt – denn ich war es, der die Schuld hatte und niemand anderes. Ich drückte die Türklinke hinab und setzte fast zögerlich einen Fuß durch die Tür und Carlisle folgte mir. Sofort spürte ich die Blicke der anderen auf mir ruhen; verärgert und besorgt. Alice warf mir in den Augenwinkeln ein halb tröstendes Lächeln zu, das sie allerdings aufgrund von Emmetts grimmigen Gesicht schnell wieder absetzte, um ihn genauso grimmig anzustarren. Der Glanz aus den Gesichtern meiner Familie verschwand und alle Gefühle, die ich bisher für sie gehegt hatte, waren erloschen, als würde ich nun meinen Todfeinden gegenüber stehen. Ich spürte selbst, dass mein Körper sich anspannte und meine Miene steif wurde – fest und unüberwindbar. -...Edward, bitte provoziere sie nicht noch mehr...-, hörte ich Carlisles und Alice‘ Gedanken die wie eine Vereinigung der Vernunft klangen. Ich wünschte mir in diesem Moment, dass ich meine starre und selbstsichere Position aufgeben könnte, doch konnte und wollte ich es nicht. Ich hörte es genau was sie dachten; Verachtung und Ablehnung – gegen ihren eigenen Bruder! Ja, ich hatte unsere Familie verraten und das aus undefinierbaren Gründen! Ich war ein egoistisches, selbstsüchtiges Monster, das nur auf Kosten von den Anderen leben konnte. Doch selbst wenn es so war – ich hatte meine eigene Ansicht der Dinge. Ich würde nicht so hart gegen sie verurteilen wie sie nun gegen mich; selbst wenn ihre Welle der Abneigung gegen meinen Taten nun gegen mich schlagen würden. „Ich weiß, worüber ihr mit mir reden wollt“, sprach ich leise um Fassung bemüht „Also, nur zu.“ Esme, die ein wenig eingeschüchtert in der Ecke stand, hin und hergerissen davon, ob sie nun eingreifen sollte oder nicht, formte ihr herzförmiges Gesicht zu einer Miene des Schmerzes. Wir stritten nie oft – ich und meine Familie. Doch ich hatte das Gefühl, dass nun der Punkt angelangt war, bei dem sie nichts mehr zu sagen hatten. Ich warf einen leicht kühlen Blick auf Emmett, der genauso um Fassung bemüht war wie ich. Nein, viel eher: Er kochte vor Wut. „Emmett“, murmelte Jasper und warf ihm auch mit geschürzten Lippen einen besorgten Blick zu „Wir wollen es nicht übertreiben.“ „Ich weiß“, sagte Emmett leise, doch es klang eher wie ein leises, kampfbereites Fauchen. Rosalie legte eine Hand auf seine Schultern, doch ich wusste sofort, dass diese Bewegung nicht zu meinem Gunsten stand, denn auch sie betrachtete mich einer solchen Abschätzung und einem Argwohn, der selbst für ihre Verhältnisse ein wenig übertrieben war. -...Verräter!...- , hörte ich sie in ihren Gedanken fluchen, doch niemand außer ich konnte ihre innere Rage hören. „Ich weiß, was ihr alle von mir denkt“, sagte ich schließlich, um endlich das Gespräch voranzutreiben „Ich habe euch verraten, in dem ich jemanden das Leben gerettet habe. Doch was hättet ihr an meiner Stelle getan?“ Meine Stimme bebte aus Zorn und Carlisle seufzte einen Moment lang hinter mir. „Sie sterben lassen natürlich! Es ist nicht unsere Angelegenheit! Menschen sterben und werden geboren, so ist es doch!“, spie mir Emmett ohne Reue entgegen. Ich bereute es, dass ich mich nun mit ihm streiten musste – denn ich mochte ihn, genauso wie alle anderen. „Warum hast du sie gerettet?“, fügte Rosalie mit einem schroffen Unterton hinzu und sie hob ihr Gesicht arrogant in die Höhe, als ob ihr Wort das letzte sein würde. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht“, murmelte ich kaum hörbar zurück. Emmett lachte ironisch auf. „Du bringst uns alle in Gefahr und weißt nicht wieso? Warum lässt du es nicht einfach so, wie es all die Zeit lang war?“ In seiner Stimme schwang immer noch ein Unterton der Gereiztheit mit, den ich zu ignorieren versuchte. Jasper sah zwischen uns hin und her, unentschlossen, wer nun von uns beiden Recht hatte. Doch es würde nichts nutzen. „Edward“, sprach er schließlich mit tonloser Stimme „Ich weiß, dass du sicherlich deine Gründe gehabt hattest, jedoch hast du uns alle in Gefahr durch dein Handeln gebracht. Du musst verstehen, dass wir davon nicht absehen können.“ Emmett schnaubte leise. „Ich weiß“, sagte ich „Aber es gab keinen anderen Ausweg.“ „Es gibt immer einen Ausweg“, giftete Rosalie „Solange es um einen Menschen geht.“ Alice, die sich nach meinem Eintreten abseits gehalten hatte und die Pro und Kontra Argumente abwägte, um die Situation zu erschließen, stellte sich beschützend neben mir auf. „Du hast Edward gehört, Rosalie. Es gab keinen anderen Ausweg.“ „Woher willst du das wissen?“, fauchte Rosalie zurück. Ihr blondes Haar schien sich ein wenig von ihrem Kopf aufzurichten, dass sie eher Ähnlichkeit hatte mit einer Katze – bereit zum Angriff. „Edward hat uns noch nie in Gefahr gebracht und er wird es auch weiterhin nicht tun“, antworte Alice kühl und betrachtete sie fast schon mit ausdruckslosen und gleichgültigen Augen. „Es gibt immer ein erstes Mal! Du wirst daran Schuld sein, wenn wir von hier verschwinden müssen!“, rief Emmett immer noch wütend zu mir hinüber, als ob ich in fünfzig Meter Entfernung stehen würde. „Das war niemals meine Absicht!“, rief ich genauso wütend zurück. Niemand würde mich verstehen... Nein, niemand konnte mich verstehen, denn ich verstand mich nicht einmal selbst. Doch ich wusste ganz genau, dass ich im Recht war und nicht sie. War dieses Gefühl, das in mir aufgekeimt war, wirklich nur ein Beschützerinstinkt oder steckte mehr dahinter? Hatte ich tatsächlich Respekt auf das Leben eines Menschen, dass ich sogar bereit war, meine Identität aufs Spiel zu setzen? Egal was es war: Es nervte mich. „Bitte“, sagte Carlisle in seiner ruhigen, neutralen Tonlage, die der von Jasper glich „Es gibt auch andere Möglichkeiten, wie wir alles regeln können. Ich bin zuversichtlich, dass Edward niemals vorgehabt hatte, uns in irgendeiner Weise Schaden zufügen zu wollen.“ -...Warum stehen sie alle hinter ihm, obwohl er uns verraten hat?...- Die Verwirrung meiner familiären Feinde bereite sich in ihren Gedanken aus, dennoch blieb ihr Standpunkt hart wie ein Fels. „Warum verteidigst du ihn, Carlisle? Warum verzeihst du ihm?“, rief Rosalie anstatt Emmett, der gerade einen inneren Gewissenskonflikt austrug. „Es gibt nichts zu verzeihen“, antworte Carlisle mit voller Überzeugung. „Carlisle hat vollkommen Recht“, fügte Alice selbstgefällig hinzu und ein spöttisches, kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. „Respektiert unsere Meinung.“ „Nein“, murmelte Emmett und seine Hände ballten sich zu bedrohlichen Fäusten. „Wir können es nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wie viel hat sie gesehen? Hat sie bemerkt, dass wir anders sind? Ist es noch sicher für uns?“ „Zur Not bringen wir sie um.“ Rosalies Stimme klang so eisig, dass ein Irrtum ausgeschlossen war. Ein solcher Egoismus und eine solche Gleichgültigkeit hatte ich bisher noch nie erlebt, weder bei mir noch bei ihr. Alleine der Gedanke daran, dass Rosalie erneut zu einer Mörderin eines Menschen werden würde, indem sie Bella töten würde, quälte mich. „Niemals“, knurrte ich. Emmett trat leicht angewidert einen Schritt zurück und sah mich ein wenig überrascht an. „Du magst sie“, murmelte er, aber ich fiel ihm sofort ins Wort. „Das hat nichts damit zu tun!“ Er schüttelte nur leicht den Kopf und seine Gedanken schwirrten umher, als ob er selbst angestrengt eine Lösung suchte. „Du hast dich verändert, seit dem sie hier ist“, antwortete er schließlich. „Na und?“, giftete ich zurück. Emmett zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Das ist doch völlig absurd! Warum streiten wir uns hier wegen eines Menschen? Es gibt genügend Menschen auf dieser Welt. Es ist beim besten Willen kein Grund, ein solches Theater zu veranstalten“, mischte sich Jasper von der Seite ein und verschränkte nachdenklich die Arme vor seiner Brust. „Willst du ihn nun auch noch unterstützen?“, fragte Rosalie zornerfüllt, doch Jasper schüttelte sofort den Kopf. „Ich bin auf der Seite von niemanden.“ Rosalie warf ihr Haar in den Nacken und klammerte sich fester an Emmetts Unterarm. „Das Problem ist sie – dieses Menschenkind. Wäre sie niemals aufgetaucht, dann würde Edward nicht so durchdrehen und uns mit seiner Leichtsinnigkeit in Gefahr bringen!“ Tiefer Hass lag in ihren Worten, die teils an mich und teils an Bella gingen. „Rosalie, bitte“, bat Carlisle doch sie schenkte ihm kein Gehör. „Ihr denkt es bestimmt alle! Und Edward kann es auch in unseren Gedanken hören! Warum verzeiht ihr ihm? Warum bin ich die Einzige, die für ihre Meinung steht? Meiner Meinung nach hat das alles schon zu lange gedauert! Seit dem Edward seinen Fluchtversuch nach Alaska ergriffen hatte, dachte ich mir bereits, dass es soweit kommen würde! Dieses Menschenmädchen trägt die Schuld! Und sie wird dafür bezahlen, dass sie unsere Familie auseinanderreißt!“ Deutlich konnte ich ihre volle Lippe vor Empörung zittern sehn, doch mir selbst ging es nicht besser. „Rosalie, weißt du eigentlich was du da sagst?“, rief ich ihr voller Abscheu zu. Es war eine rhetorische Frage – Ihre Gedanken waren deutlich genug. „Ich weiß was ich sage, Edward, aber du weißt nicht, wo dein Platz ist.“ „Ich weiß sehr wohl, wo mein Platz ist“, fauchte ich zurück und ballte nun auch meine Hände zu Fäusten. „Edward hat Recht, Rosalie. Wir werden niemanden etwas tun, selbst wenn wir dadurch in Gefahr sind“, sagte Carlisle. „Edward“, murmelte Jasper und ich sah zu ihm auf. „Es bringt nichts, wenn wir über die Zukunft reden. Und ich finde, dass du -aber auch Rosalie und Emmett - die Wahrheit sagst. Vielleicht könnten wir uns zu diesem Zeitpunkt auf einen Kompromiss einigen, der beide Seiten zufrieden stellt. Mein Vorschlag wäre, dass Rosalie und Emmett ihre rauhen Worte zurücknehmen und Edward als Gegenleistung nichts leichtsinniges mehr tut, am besten indem er dieses Mädchen einfach ignoriert.“ Ich wusste, dass Jasper nichts böses wollte – eher im Gegenteil. Ich wusste auch, dass er Recht hatte. Doch nun, da die Lösung in der Luft lag und ich diesen Weg wählen könnte, wollte alles in mir eine andere Lösung suchen, selbst wenn es keine gab. Meine Fäuste wollten sich einfach nicht aus der Anspannung lösen und mein ganzer Körper war eher in einer Kampfbereitschaft, die ich sonst nur beim Jagen kannte. Carlisle räusperte sich neben mir und alle sahen zu ihm auf. „Ich finde, dass Jasper einen sehr guten Vorschlag dargeboten hat und wir alle darauf eingehen sollten. Es wäre in der Tat das Beste, wenn wir diese Sache vergessen. Edward würde uns niemals verraten – doch er hat dem Rat seines Gewissens befolgt, das jedoch genauso wichtig ist, wie wir. Beruhen wir uns darauf, dass nun alles ein Ende gefunden hat und dass eine solche Situation niemals wieder geschehen wird.“ Carlisles Stimme hallte durch den Raum, fest und unantastbar, dass es eher den Klang eines Richterspruchs hatte. Es würde keine Diskussion mehr geben. Alle anderen verstummten sofort, selbst wenn ihre Gedanken immer noch verächtliche Wörter in ihren Köpfen ausspien. Alice sah triumphierend zu mir auf, doch mein Gesicht war immer noch kalt und abweisend zu meinen Familienmitgliedern geneigt. Ohne ein weiteres Wort, ohne noch einmal ihren abfälligen Gedanken zu lauschen, schoss ich Richtung Wendeltreppe und hinauf in mein Zimmer. Alle hatten Recht. Was auch immer in mich gefahren war, es musste aufhören. Ich würde Isabella Swan ignorieren, selbst wenn es mir nicht gefiel. Und ich musste mir eingestehen – es gefiel mir überhaupt nicht. ---------------------------------------- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)