Drachenherz von Xanderle (Ein kleiner Zujin Roman) ================================================================================ Kapitel 6: Das Teehaus ---------------------- Sela war völlig verwirrt. Noch nie in ihrem Leben hatte die harmlose Frage nach Tee leises Weinen in eine Sintflut aus Tränen verwandelt. Du meine Güte! Was sollte sie jetzt denn machen? Jin war vollkommen aufgelöst.  Taschentücher! Ja, jetzt mussten erst mal ein paar Taschentücher her. Berge davon! „Jin, wo hast du denn die Taschentücher?" War das ein Schulterzucken, oder kam das vom Heulen? Egal! Es war wenig hilfreich, bei ihrer Suche. Sela ging zur Kommode und riss wahllos ein paar Schubladen auf. Bei Nummer sechs wurde sie fündig. „Hier! Nimm erst mal das Taschentuch!" Jins Hand kam zögerlich aus dem Häufchen Elend, um nach dem Ding zu fassen. „Was hast Du denn da?", wollte Sela wissen, griff nach dem vergilbten Gutschein und beäugte ihn. Wuus Teebar? Moment ... das war doch dieser heruntergekommene Schuppen drei Häuserecken weiter gewesen. Jetzt war dort eine Suppenküche. Allerdings kaum weniger heruntergekommen. Sie holte tief Luft. „Jin! Geht es etwa um diesen blöden Kerl?" Zum ersten Mal an diesem Abend hob Jin den Kopf und sah ihre Freundin an. Als sie nickte flossen erneut dicke Tränen. „Herrje! Ich dachte damit wären wir durch!" Klägliches Schulterzucken. „Jinny, ich fasse es nicht! Dieser Widerling hat Dich mitten in der Stadt stehen lassen. Im Dunkeln! Und was ist damit, dass Du ihn drei Wochen später mit dieser Schnepfe gesehen hast? Schon vergessen?" Schon? Was für ein Witz! Das Ganze war jetzt fast sechs Jahre her. Kopfschütteln. „Dann kann es ja wohl nicht Dein Ernst sein, dass Du wieder mal seinetwegen heulst!" Jins Finger knüllten und zupften an dem Taschentuch herum. „Ich kann... Ich kann einfach seine Augen nicht vergessen!" Es kam als klägliches, heisseres Flüstern. Sie starrte auf ihr Taschentuch, ohne es zu sehen. Seine Augen! Sie hatte vorher nicht gewusst, dass ein Mensch solche Augen haben kann. Und sie hatte einfach nur dagesessen und ihn anstarren können. Den Jungen mit den Drachenaugen. Ba Sing Se vor fast sechs Jahren Jin betrat das alte Teehaus, angelockt vom feinen Duft des Tees. Sie war noch nie hier gewesen. aber diesen wundervollen Aromen hatte sie heute nicht widerstehen können. Drinnen war es ein wenig duster, was zum Großteil der Verdienst einer ziemlich billigen, fast schon schäbigen Einrichtung war. Sie setzte sich in eine Ecke und studierte die erstaunlich reichhaltige Auswahl auf der Karte. Am Nebentisch wollte ein Gast zahlen und rief den Kellner. Als Jin aufsah, löste sich ein Schemen aus dem hinteren Bereich des Lokals und kam näher. Der Art nach zu schließen, wie er sich hier bewegte, musste es der Besitzer sein.  Doch als er näher kam, erkannte sie, dass er dazu viel zu jung war. Und zu mürrisch! Noch bevor sie ihn genauer sehen konnte, sah sie rasch wieder auf die Karte. Tante Ria hatte ihr schließlich stets eingebläut, niemanden anzustarren! Am Nebentisch begannen schöne, starke Hände, die gebrauchten Teetassen energisch auf ein Tablett zu stellen. Schielen war ja nicht starren, oder? „Einen Lapsang, einen Grünen? Das macht Eins Dreissig!" Himmel! Wie konnte ein so junger Mann eine so raue Stimme haben? Jin blickte wieder auf, direkt auf ein missmutiges, hartes Profil. Sie schluckte.  Es war ein missmutiges, hartes und schönes Profil. Solche Nasen waren sonst nur Marmorblöcken vorbehalten, die von einem Meißel bearbeitet worden waren. `Die Karte, Missy!´  Ja doch! Sie sah ja schon auf die dumme Karte! Und das, obwohl die Hände, die nun penibel das Geld abzählten viel interessanter waren. „Danke! Beehren Sie uns bald wieder!" Sie war sich ziemlich sicher, dass Kellner nicht so ... hochmütig klingen sollten. Oder so rau! Die tiefe Stimme schien über ihre Nerven-Enden zu reiben. Sie klang wie, wie ... wie schiefergrauer Samt, der sich mit dem Rauch von Zedernholz vollgesogen hatte. Jin liebte Zedern!  Jin liebte offenbar auch blumige Übertreibungen. Der junge Mann drehte sich in ihre Richtung. Bleib ganz locker, Jin! So toll kann er ja nicht sein, oder? „Was darf ich Ihnen bringen?", fragte der Zedernrauchsamt. Allerdings klang `darf´ eher wie `muss´. Sie blickte auf, und vergass, dass sie nicht starren sollte. Grund Gütiger! Sie starrte. Und wie sie starrte! In ein junges, hartes Gesicht mit hageren Wangen. Waren seine Augen tatsächlich golden? Und die einzelne Augenbraue darüber, tatsächlich wie eine glänzende Rabenschwinge? Der Mund mit den schmalen, klar geschnittenen Lippen war furchtbar streng, und furchtbar schön. Über die Nase hatte sie sich ja schon eine Meinung bilden können. Von vorn war sie kein bisschen weniger aristokratisch. Die goldenen Augen verschmälerten sich bedrohlich und die Rabenschwinge bog sich über der Nasenwurzel nach unten. `Atme, Missy!´ Moment! Rabenschwinge? Nur Eine? Ja, wirklich ...  Da war nur eine Braue. Nachdem Jin die Einzelheiten dieses stolzen Gesichts verarbeitet hatte, konnte sie nun auch die große Brandnarbe sehen. Und selbst die gefiel ihr. Sie war doch bekloppt! Da trug der arme Mensch das Zeichen eines unvorstellbaren Schmerzes in seinem Gesicht, und sie fand es anziehend? Sie sollte dringend nach ihrem Kopf sehen lassen! „Und?" Seine Stimme knarzte vor Ungeduld. Jin schluckte. „Jasmin?!" stieß sie aus. Bitte, lass Jasmintee auf der Karte sein! Ein abgehacktes Nicken und er drehte sich auf dem Absatz um. Jin versuchte aus einem unerklärlichen Grund, die Gegenstände auf dem Tisch neu zu ordnen. Dieser Aktion fiel prompt die Standhaftigkeit der Zuckerdose zum Opfer. Sie hätte es wirklich besser wissen müssen. Hektisch begann sie, den Zucker mit zittrigen Händen vom Tisch zu wischen, um ihn wieder in die Dose zu geben, was ihr das Zungenschnalzen einer älteren Frau einbrachte, die sie frappierend an Tante Ria erinnerte. Herrje! Jetzt waren ihre Finger völlig klebrig und ... Der Tee kam. Getragen wurde er von dem überaus attraktiven Griesgram. Glücklicher Tee! Schau auf den Tisch! Oder die Vase! Oder die Zuckerdose, auf irgendetwas! Etwas schwappte über den Rand der Tasse. Der glückliche Tee wurde extrem nachlässig behandelt, von diesen kräftigen Händen, das musste man schon sagen. „Soll ich Ihnen neuen Zucker holen?" Er hatte ihre Ungeschicklichkeit beobachtet!?  Jin schnappte erschrocken nach Luft und konnte nicht verhindern, dass ihre Augen aufflogen und in die seinen sahen. Es waren wirklich verdammt wachsame Augen. Argwöhnisch. „Nein, es geht schon, danke!" Dieses Gepiepse kam doch wohl unmöglich von ihr, oder? Er ging wieder. Zum Glück! Um sich zu beruhigen, nahm sie einen Schluck Tee, der - natürlich - viel zu heiss war. Anscheinend hatte sie ihr Gehirn am Eingang abgegeben. Zusammen mit ihrer Zurückhaltung. Sie starrte ihn tatsächlich schon wieder an, während er diversen Beschäftigungen nachging. Um sich abzulenken, sah sie sich um. Da waren Tische, Stühle, Bänke, ein Teekellner (`Sieh gefälligst nicht hin!´), Vasen, Zuckerdosen, Gäste, ein Teekellner (`MISSY!´) und ein älterer Mann, scheinbar der Tee-Koch, der sie strahlend anlächelte. Hatte er gesehen, wie sie die ganze Zeit den Jungen beäugte?  Jin lächelte vage zurück und beschäftigte sich wieder mit ihrem Tee. Nach einer Weile hatte sie das auch ganz gut im Griff!  Sie brauchte sich nur auf den aufsteigenden Dampf zu konzentrieren, ab und zu einen Schluck zu nehmen, und schon war alles Bestens! Bis ein Teller mit Keksen direkt vor ihr einschlug. Erschrocken sah sie auf und blinzelte in flüssiges Gold. „Das ist für Sie!" Was? Hatte sie im Delirium etwas bestellt, von dem sie nichts wusste? „Bitte?" Sie starrte verständnislos. Er starrte misstrauisch zurück. „Es, äh ..." Er behielt seine streng stoische Miene bei. "Geht auf´s Haus." Das wechselseitige Anstarren ging munter weiter.  „Danke ... sehr." „Danken Sie meinem Onkel." Damit drehte er sich wieder um und ging. Himmel, er hatte wirklich eine schroffe Art. Woher sollte sie denn seinen Onkel kennen? Aber die Tatsache, dass er eben `Wer-zuerst-wegguckt-hat-verloren´ mit ihr gespielt hatte, hatte ihr wenigstens einen Logenblick auf seine seltsamen Augen verschafft. Diese wachsamen Augen wirkten auf den ersten Blick jung, zornig und hoffnungslos. Und irgendwie sehr einsam. Doch unter der schimmernden Oberfläche waren sie uralt, ruhig und weise. Und irgendwie auch sehr einsam.  Es waren die Augen eines Drachens! Das konnte doch nicht sein. Tante Ria hatte ja schon immer gesagt, sie besitze zuviel Phantasie. In einem Paar Augen konnte man nicht soviel lesen! Vielleicht war irgendwas in diesem Tee? Jin schielte in ihre Tasse. Dann wieder auf den jungen Mann. Er bewegte sich schön.  Konzentriert, ohne Schnörkel. Jede Bewegung war zielstrebig, akkurat und fließend. Elegant und kraftvoll ... `Missy!! Was SOLL denn das? Hör jetzt endlich auf ihn anzustarren!´ Sie stürzte den Rest ihres Tees hinunter und stopfte einen Keks hinterher. Je schneller sie hier wegkam, um so weniger konnte sie sich blamieren! „Darf ich Ihnen vielleicht nachschenken, Fräulein?" Es war nicht SEINE Stimme, also konnte sie wohl gefahrlos aufblicken. Schon wieder blickte Jin in sehr bemerkenswerte Augen. Aber diese waren dunkler, eher bronzefarben als Gold. Und sie waren gütig. „Ich ... ähm. Lieber nicht!" „Wirklich? Schmeckt der Tee denn nicht?" Leise Besorgnis lag in der warmen Stimme. „Doch! Er ist ganz wundervoll!" Ein strahlendes Lächeln war Ihr Lohn. „Aber ich muss leider gehen." „Wie schade! Ich werde gleich meinen Neffen zum kassieren schicken. Auf Wiedersehen, hoffe ich!" Jin nickte matt. Sein Neffe? Wirklich? Die beiden waren sich so ähnlich, wie SIE einem Schwan. Um vor weiteren Peinlichkeiten bewahrt zu werden, zählte sie schon das Geld für den Tee, einschließlich ein paar zusätzlicher Münzen für das Trinkgeld, ab. `Nur nicht nervös werden! Du zahlst nur!´ „Ein Jasmin?"  Um Augenkontakt zu vermeiden fixierte sie sein Kinn und nickte. Da konnte ja nicht viel passieren, oder? Wenn man nur ein energisches Kinn ansah? „Fünfundsechzig Jy!" Verdammt! Sogar sein Kinn war toll. Sie schob ihm achtzig zu und murmelte ein „Stimmt so." „Danke! Beehren Sie uns bald wieder!" Bestimmt nicht! Sie hatte sich für dieses Jahr schon lächerlich genug gemacht. Das Letzte, was sie tun würde, wäre noch einmal hierher zu kommen, schwor sie sich. Aber Jin We hielt ihre Schwüre leider nicht immer. Vier Tage später, es war ihr freier Tag, saß Jin zusammen mit Sela auf einer niedrigen Mauer. Sie ließen sich die Mittagssonne auf den Rücken scheinen und aßen Krapfen. Bei Sela gelang dies auch ohne Zwischenfälle, nur Jin hatte wie üblich schon einen Marmeladenfleck am Ärmel. „Und deswegen," Sela leckte sich Zucker vom Mund. "Gehst Du jetzt ständig da hin? Jeden Abend?" Jin nickte und kleckerte schon wieder. Sie konnte es ja selbst nicht glauben! „In dieses komische Teehaus? Wegen eines Jungen? DU?" „Was soll das denn heissen?" „Du hast Dich noch nie für Jungs interessiert!" Jin kaute verlegen und zuckte mit den Schultern. „Er hat schöne Augen!", gab sie leise zu. „Ich lach mich tot! Jin We, Hals über Kopf verknallt in einen Barmann! Den muss ich sehen!" „Er ist Teekellner! Und ich bin NICHT verknallt!" Sela schnaubte nur und stand auf. „Klar bist Du! Und jetzt lass uns da hingehn. Diesen Ladykiller muss ich unbedingt unter die Lupe nehmen."  Grinsend zog sie eine widerstrebende Jin hinter sich her. Als sie das Teehaus betraten kicherte Sela. Natürlich! Soviel zum Thema Unauffälligkeit. Wenn sie so weitermachte, könnte sie auch gleich einen Aushang am schwarzen Brett machen. `Selas und Jins Fleischbeschau; Goldäugige und Schürzenträger zuerst!´ Jin zog ihre Freundin schnell zu einem kleinen Tisch, damit sie nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sie beide zog. Sie setzten sich so, dass sie den Raum überblicken konnten. „Also? Wo ist denn jetzt Dein Zukünftiger?“ „Sela! Hör auf damit!" Weitaus leiser fügte sie hinzu: „Er steht da hinten bei dem Tisch am Fenster! Aber dreh Dich ja nicht ..." Wozu machte sie überhaupt den Mund auf? Sela hatte sich natürlich längst umgedreht. Wenigstens sah er nicht her! „Der Große? Oh lala! Nettes Fahrgestell, muss ich schon sagen!" Sela äugte ungeniert. Als sich bei einer Bewegung dünne Stofflagen um lange Beine schmiegten war ihr Urteil gefällt. „Wow! Der hat wirklich tolle Beine!" „Sela!" „Was denn?" Sie wandte sich Jin zu. „Soll ich ihn mir denn nun angucken, oder nicht?" „Nicht so... so offensichtlich!" „Aber so guck ich nunmal!" Sie drehte sich erneut in Richtung ihres Studienobjekts, das sich nun ebenfalls umdrehte. Sela holte erschrocken Luft.  „Er hat da aber eine ziemlich große Narbe!" Jin zuckte mit den Schultern. „Ja. Und? Ich finde sie nicht schlimm!" „Nicht schlimm? Das ist fast ein Viertel seines Gesichts!" „Mhm!", machte Jin nur, und himmelte Scarface an, wie ein Mondkalb. „Und wie würdest Du ihn finden, wenn er keine hätte?" Sela schaute wieder. Und schaute. „Also ... ohne dieses Ding ... hätte er vermutlich in jedem Arm drei Mädels", schloss sie, leicht erstaunt. Der junge Kellner wischte den Tisch, den er abgeräumt hatte, mit energischen, effizienten Bewegungen ab. „Und an seinen Knien würden sie vermutlich auch noch rumhängen." Er bückte sich, um eine Serviette aufzulesen. Sela schluckte. „In Scharen!" Jin runzelte beim diesem Tonfall die Stirn. Vielleicht war es ein Fehler, ihre Freundin mit hierher genommen zu haben? In diesem Moment steuerte der Junge in ihre Richtung, um die Bestellung aufzunehmen. „Was kann ich für Sie tun?" Du könntest hier Wurzeln schlagen, Dich ansehen lassen und mir mit dieser Stimme stundenlang die Teekarte vorlesen! „Äh... äh! Einen Jasmintee, bitte."  `Gratulation, Missy! Das war ein ganzer Satz!´ „Äh ... klingt gut. Ja, äh, ich nehm auch Jasmin", meinte Sela, die plötzlich größtes Interesse an der Tischdecke hatte. Ein knappes Nicken und er ging. Zuko schnaubte! Das setzte diesem fürchterlichen Tag die Krone auf. Zwei kichernde Gören, die hergekommen waren, weil sie nichts besseres zu tun, als die Groteskheit seiner Narbe anzugaffen. Irgendwie enttäuschte es ihn, dass die Kleine mit den grünen Augen das tat, denn die letzten drei Abende hatte es nicht so gewirkt, als sei sie deswegen hier. Vielleicht sollte er zu ihrer Unterhaltung noch auf den Tischen tanzen, oder Grimassen schneiden? Mit unbewegter Miene brachte er den beiden das Erwünschte. „Zwei Jasmintee!" „Vielen Dank!" Zuko Blick tauchte in jadegrünes Schimmern. Nein, das Mädchen da starrte gar nicht auf die Narbe. Sie sah ihm nur in die Augen. Er hatte sich also doch nicht getäuscht! „Vielleicht noch etwas Süßes?", hörte er sich fragen. „Etwas Süßes wäre ... nett!" „Ich werde sehen, was noch da ist." „Ja." „Ja." Zuko verspürte den quälenden Drang, sich zu räuspern. Sela verfolgte die Szene mit offenem Mund. Die beiden starrten sich fortwährend an. Zuko merkte, dass es langsam Zeit wurde, Worte in Taten umzusetzen, und ging. Kekse suchen! „Jin? Hallo? Jihin?" Verwirrtes Blinzeln. Sela grinste breit. „Statt hier den Tisch zu besabbern, solltest Du ihn vielleicht einfach fragen, ob er mal Lust hat auszugehn." „Was?" Jin hörte sich an, als hätte man ihr eben eröffnet, der Mond sei bewohnbar. "Das ... das kann ich nicht! Ich bin nicht wie Du!" „Also bitte! Sonst bist Du doch auch nicht so erschrocken. Ich hab noch nie erlebt, dass Du Dir von irgendeinem Jungen die Butter vom Brot hast nehmen lassen." „Ja, aber..." Jin fingerte an ihrer Teetasse herum. „Du hast ihn doch gesehen? Er hat ganz bestimmt nicht auf MICH gewartet!" Jin wusste, sie konnte bestenfalls als `ganz hübsch´ bezeichnet werden. An guten Tagen! „Klar! Darum hat er Dir auch so in die Augen gestarrt. Weil Du nur Kundschaft bist." „Aber..! Er ist zu mir nicht freundlicher, als zu den anderen Gästen." „Hallo? Mr. Miesepeter hat eben gefragt, ob Du was zu Naschen willst!" Sela klimperte anzüglich mit den Wimpern. „Außerdem glaube ich, dass er schüchtern ist!" „SCHÜCHTERN?" Jin verschluckte sich an ihrem Tee. „Aber sicher! Nicht  jedes Mädchen steht auf den wortkargen Typ Mann, dessen linkes Auge mal als Fackel benutzt wurde." Das Gespräch kam erneut zum Erliegen, als die Kekse kamen, den Miesepeter im Schlepptau. „Es gab nur noch Vanille", murmelte er. „Vanille ist ... doch gut. Ganz hervorragend, sogar!" Jin lächelte ihn versuchsweise an, erntete aber nur einen misstrauisch fragenden Blick. Sela trat ihr unterm Tisch gegen das Schienbein.  „Feigling!", flüsterte sie, als der Kellner wieder fort war. „Ich frag ihn ja." Jin biss in einen Keks. „Wenn´s hier nicht mehr so voll ist!" Das klang etwas unentschlossen. „Ehrlich?"  „Ja. Aber erst, wenn Du auch weg bist!" „Du willst Dich ja nur drücken!" „Nein! Ich... ich mach´s!" „Versprochen? Echtehrlich?" Jin nickte. „Echtehrlich!" Mist! Bei Echtehrlich gab es kein Zurück mehr! Sela grinste wie ein seliger Buddha. „Na dann." Sie schnappte ihre Tasche, „Je früher es hier `nicht mehr so voll´ ist, desto besser. Nur Mut, das wird schon! Du darfst nur keine Furcht zeigen, im Angesicht des Feindes." Ein verschwörerischen Blinzeln später war sie verschwunden. Zukos Nackenhaare sträubten sich nicht nur, sie liefen Amok! Was, um Alles in der Welt war mit diesem Mädchen los? Warum kam sie jeden Tag hierher? Sie setzte sich immer so, dass sie das ganze, verdammte Teehaus im Blick hatte. Warum war ihre Freundin vor ihr gegangen? Und warum zum Teufel hatte sie ihn angelächelt? Hatte sie ihn damit einlullen wollen? Sie wusste etwas! Ganz bestimmt! Warum sollte sie ihm sonst die ganze Zeit hinterher starren? Er konnte ihre Augen auf sich spüren, jeden Tag, seid sie das erste Mal hierher gekommen war. Und zwar von dem Moment an, in dem sie das Lokal betrat, bis zu dem, an dem sie es wieder verließ. Sie wusste es! Wusste, dass er und sein Onkel Bürger der Feuernation waren. Vielleicht wusste sie sogar, WER sie beide waren. Er musste Onkel Iroh warnen. Verdammt! Oh, verdammt! Verdammt! Sie sass in der Patsche! Wie um Himmels Willen sollte sie das anstellen? Wie fragte man einen Jungen, ob er ausgehen wollte? Verzweifelt versuchte Jin alle Informationen, die sie je von Sela erhalten hatte, zusammenzukratzen. Und ihren Mut ebenfalls, denn das Lokal leerte sich in erschreckender Geschwindigkeit, da die meisten Gäste wieder zur Arbeit mussten. Ganz ruhig Jin! Wenn er nein sagt, geht die Welt auch nicht unter. Tante Rias Stimme, die sich ebenfalls wieder einmischen wollte, weil sie das Ganze für eine eher dumme Idee hielt, wurde kurzerhand mundtot gemacht. Oh nein! Der vorletzte Gast ging gerade durch die Tür. Jin! Du reisst Dich jetzt zusammen und fragst ihn! Tu einfach so, als würdest Du nach dem Wetter fragen. Als würdest Du das jeden Tag machen. Und noch bevor der Mut sie verlassen konnte, trat Jin We in Aktion und tat das Unfassbare.  Irgendwie war ihr wohler bei dem Gedanken, etwas mehr auf Augenhöhe mit ihm zu sein, wenn sie die Frage aller Fragen stellte. Also stand sie auf und ging zu der alten Kasse, hinter der sich Tee-Koch und Neffe versammelt hatten. Jetzt oder nie! Denk einfach an das Wetter! Zuko, seinerseits, war momentan ziemlich perplex. Seine Warnung war tatsächlich auf taube Ohren gestoßen. Stattdessen hatte sein Onkel den reinsten Unsinn verzapft. Verschossen? Das Mädchen sollte verschossen sein? In ... IHN? Der alte Mann baute eindeutig ab! Mädchen vermieden es tunlichst, ihn ansehen zu müssen. Meistens wechselten sie die Strassenseite, sobald sie sein Gesicht sahen. Und auf keinen Fall - auf GAR keinen Fall - verknallten sie sich in ihn. Das war lachhaft! „Vielen Dank für den Tee!" Ihre Stimme! Zuko wirbelte herum. Sie stand direkt an der Kasse. „Wie ... wie heisst du?" Wie er hieß? Warum wollte sie das wissen? „Lee!", stieß er aus. „Ich heisse Lee!" Das war die perfekte Gelegenheit, jedweden Verdacht zu zerstreuen. „Mein Onkel und ich sind gerade erst hierher gezogen."  `Ja, und genau das ist der Grund, warum Du uns bisher in der Gegend nicht gesehen hast, Jadeäuglein! Alles ganz harmlos.´ „Hallo Lee. Ich ... bin Jin. Ich, nun ja... ich habe mich gefragt, ob Du vielleicht mal ... ausgehen würdest." Jinny, die neunjährige Göre, die sich irgendwo in Jins innerem, fast sechzehnjährigen Chaos aufhielt, hielt sich die Augen zu und hüpfte dabei auf und ab. Zuko, dem siebzehnjährigen Blindflieger ohne derartige Persönlichkeitsspaltung, sank schlicht und einfach die Kinnlade herab. „Aber sicher würde er! Liebend gerne!", sagte Onkel Iroh strahlend. Ach, würde er? Auf jeden Fall würde er liebend gerne seinen Onkel umbringen! „Oh. Gut! Ich ... seh Dich dann Sonnenuntergang vor dem Teehaus." Bevor er noch einen Ton sagen konnte, drehte Jin sich um und floh! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)