Schattenherz - Die weißen Ritter von abgemeldet (Teil 2) ================================================================================ Kapitel 7: Die erste Begegnung ------------------------------ Die erste Begegnung „Warum hast du Kurando nicht mitgehen lassen? Er ist ein ausgezeichneter Kämpfer. Vielleicht können wir seine Hilfe noch brauchen. Ihr solltet euch endlich vertragen. Warum...?“ Seit Stunden lag Karin ihm nun schon in den Ohren. Kurando hier, Kurando da. Herr je, sollte sie ihn doch heiraten. Dämlicher Schwertschwinger. Unerwartet blieb Yuris Pferd stehen und er fuhr aus seinen Gedanken hoch. Vor ihnen lag eine kleine Kreuzung. Unentschlossen sah er nach links und rechts. Wohin sollten sie bloß reiten? „Vielleicht wäre es besser für heute Schluss zu machen.“, schlug Nuria vor. „Wir können ein Lager aufschlagen und morgen weiter reiten.“ „Vergiss es.“, schnauzte Yuri. „Ich habe keine Lust die Nacht im Freien zu verbringen. Wir haben noch ein paar Stunden Licht, das werden wir ausnutzen.“ Yuri zog an den Zügeln und das Pferd trabte nach rechts los. Er würde den Teufel tun und die Nacht mit Nuria im Wald verbringen. Der Ritt zog sich bis ins Unendliche. Ein paar Mal machten sie Pause und tränkten die Pferde, doch Yuri weigerte sich weiterhin ein Lager aufzuschlagen. Die Sonne ging unter und der Mond auf. Für eine Weile hatten sie noch relativ viel Licht, doch dann zogen Wolken auf und verdeckten den Mond. Es fing an zu regnen und der Wind frischte auf. Yuri trieb die Gruppe weiter an, aber langsam verlor auch er merklich an Kraft. Noch einige Stunden und sie waren zu Eisskulpturen erstarrt. Endlich kamen die umrisse der drei Türme in Sicht. Sie hatten es geschafft. Rogers Haus lag vor ihnen. Anscheinend spürten auch die Pferde, dass sie ihr Ziel fast erreicht hatten, denn sie beschleunigten ihre Schritte automatisch. Wenige Minuten später hielten sie vor einem der Nebentürme an und stiegen mit steifen Gliedern aus den Sätteln. Sie führten die Pferde in eine kleine Stallung und sattelten sie mit klammen Fingern ab. Hastig gingen sie in den Hauptturm und sofort entfachte Draco ein Feuer. Die Flammen begannen langsam die Kälte zu vertreiben und wohlige Müdigkeit breitete sich aus. Karin und Nuria brachten einige Decken und richteten ein kleines Lager vor dem Feuer her. „Wir sollten das Manuskript morgen suchen.“, schlug Yuri mit zufallenden Augen vor. „Für heute reicht es.“ Dann schlief er ein. Die Vögel pfiffen ihr Morgenlied und die Sonne strich Yuri zärtlich über das Gesicht. Leise stand er auf um die anderen nicht zu wecken und ging nach draußen. Nasser Tau lag auf den noch geschlossenen Blumen und kleine Bienen summten bereits durch die Luft. Es roch nach Frühling. Noch nie war er hier so gestanden und hatte alles so intensiv wahr genommen. Ach, könnte Roger das alles nur sehen. Wahrscheinlich würde Roger ihn für verrückt halten. Schließlich war er nicht gerade so ein Gefühlsmensch. Roger, ein langjähriger Freund. Ein weiser und vor allem alter Mann. Ein Wissenschaftler und Helfer in jeder Lage. Warum? Warum hatte er so plötzlich sterben müssen? Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er hätte dem alten Mann helfen sollen. Warum hatte Roger nichts gesagt? Vielleicht hätte er ihm helfen können. Eine zarte zierliche Hand legte sich auf seinen Unterarm. Zuerst wollte er sie anstreifen, weil er dachte es wäre Nuria, doch dann fiel sein Blick auf feuerrote Haare. „Karin? Wieso bist du schon wach?“, fragte er leicht erschrocken. „Habe ich dich geweckt?“ „Nein, nein.“, antwortete sie hastig. „Ist bei dir alles in Ordnung?“ Yuri senkte den Kopf und setzte sich auf die Treppenstufe. „Es ist wegen Roger, stimmts?“, beantwortete Karin ihre Frage selbst und setzte sich neben ihn. „Wir können nicht ändern was passiert ist und es war auch nicht unsere Schuld.“ „Ich weiß ja, aber es ist trotzdem seltsam.“, erwiderte er. „Im einen Moment war er noch froh und munter und im nächsten...“ Yuri verstummte. Karin legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel und lehnte sich gegen ihn. „Roger war ein wahrer Freund gewesen, aber du musst akzeptieren was passiert ist. Wir können es nicht ändern.“, sagte Karin eindringlich. „Das Leben muss weiter gehen.“ „Er war wie ein Vater für mich.“, erzählte Yuri und fing an traurig zu lächeln. „Leider habe ich ihm das nie gesagt. Ich habe ihn immer nur beleidigt, ihn geärgert, ihn...“ Karin legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen und blickte ihm tief in die Augen. Auf einmal war alles andere unwichtig. Karins Lippen näherten sich denen von Yuri. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. In ihrem Magen fingen tausende Schmetterlinge an, wie wild mit den Flügeln zu schlagen. Gänsehaut lief ihr den Rücken herunter. Sie spürte seine Wärme und konnte es kaum abwarten ihre Lippen an die seinen zu schmiegen. „Guten Morgen, ihr beiden süßen kleinen Halbdämonen.“, rief Nuria fröhlich. Erschrocken wichen Yuri und Karin voneinander zurück und starrten mit hochrotem Kopf auf den Boden. „Lasst euch von mir nicht stören.“, sagte die Vampirin grinsend. „Du nervst!“, murrte Yuri, stand auf und ging zurück ins Haus. „Ich will ja nicht nerven.“, begann Nuria wurde aber sofort von Karin unterbrochen. „Tust du aber.“ „Aber ich glaube, wir sollten das Manuskript suchen.“ Karin stand auf und ging ebenfalls wieder hinein. Draco war auch wach und suchte bereits mit Yuri nach dem Emigré-Manuskript. Schweigend schlossen sich die beiden Frauen ihnen an und gemeinsam gingen sie die Bücherregale durch. Es war bereits Mittag, als sich die Vier müde gegen ein Regal lehnten. „Wo ist dieses Schießding bloß?“, fluchte Nuria seufzend. Sie hatten stundenlang nach dem Manuskript gesucht, doch es war nirgendwo zu finden. Wo hatte Roger es bloß aufbewahrt? „Vielleicht ist es im Labor.“, schlug Karin vor. Yuri stand auf und zog sie ebenfalls in die Höhe. „Draco und Nuria, ihr sucht die Schränke hier oben ab.“, befahl Yuri. „Karin und ich durchsuchen das Labor.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg er die Treppe ins Labor hinunter und schaltete das Licht an. Die Lampen flackerten auf und die etlichen Gerätschaften des Wissenschaftlers erschienen vor ihnen. Auf den ersten Blick sah Yuri nirgendwo das Manuskript, doch es war auch nicht wirklich ordentlich. Die unzähligen Experimente standen immer noch unverändert da. Yuri trat an den Untersuchungstisch heran und legte gedankenverloren die Hand darauf. Kurz blitzte das Bild von Karin in ihm auf. Rasch wandte er sich ab und konzentrierte sich wieder auf die Suche. Wo hatte dieser alte Kauz bloß das Manuskript versteckt? Den ganzen Tag durchstöberten sie die drei Türme und stellten alles auf den Kopf, doch das Emigré-Manuskript blieb unauffindbar. Die Nach brach herein. Yuri, Karin, Draco und Nuria ließen sich erschöpft vor dem Kamin nieder. „Meine Füße bringen mich um.“, quengelte die Vampirin. „Nicht nur deine.“, stimmte Karin zu. Ihre ganze Suche war vergebens gewesen. Vielleicht hatte Roger das Manuskript versteckt oder..., Yuri stutzte. Hatte er nicht gerade etwas gehört? Er lauschte, doch außer seinen Freunden war nichts zu hören. Möglicherweise hatte der alte Magier es jemandem gegeben oder es wurde gestohlen. Irgendwo im Haus zerbrach ein Fenster. Yuri und die anderen fuhren erschrocken zusammen und sprangen auf. Es war wieder still. Draco legte den Zeigefinger auf seine Lippen und bedeutete ihnen ihm zu folgen. Anscheinend wusste er wo das Geräusch her gekommen war. Leise schlichen sie die große Treppe hinauf ins nächste Stockwerk. Schwere Stiefel trampelten über den hölzernen Boden und Waffen klirrten. Draco schob die schwere Eichentür, hinter der die Geräusche kamen, ein Stück auf und spähte hinein. Im Inneren von Rogers Speisesaal standen etwa drei Dutzend, in weiße Rüstungen gesteckte, Soldaten. Ein Mann mit rotem Umhang redete auf sie ein. „Diese Dämonen sind äußerst stark und listig. Ihr müsst absolut vorsichtig sein. Gruppe eins geht nach oben, Gruppe zwei...“ Draco wich rasch wieder zurück und informierte die anderen. „Wir sollten von hier verschwinden.“, schlug Karin vor, nachdem sie über die Situation Bescheid wusste. „Sie sind uns zahlenmäßig hoffnungslos überlegen.“ „Außerdem sehen sie nicht wie einfache Bauern aus.“, fügte Draco hinzu. „Sie wissen was sie tun.“ „Aber warum wollen sie uns etwas antun?“, fragte Nuria verwirrt. „Ist doch völlig egal.“, warf Yuri ein. „Wir müssen verschwinden. Das Manuskript ist nicht mehr hier.“ Draco ging voraus und bemühte sich keinerlei Geräusche zu machen. Sie schlichen wieder die Treppe hinunter und zurück in den Raum mit den Bücherregalen. „Wir sollten hinten hinaus.“, raunte Karin. „Von dort kommen wir ungesehen in den Stall.“ Draco lauschte in die Dunkelheit, doch nur über ihnen waren Geräusche zu hören. Er schlich zur Hintertür und ging hindurch, die anderen folgten ihm leise. Sie rannten an der Wand entlang auf die Stallungen zu und schoben die Tür auf. Im Inneren war es kalt und roch nach Pferdemist. Ihre Pferde waren noch nicht gesattelt, aber dafür war auch keine Zeit mehr. Yuri legte seinem Tier schleunigst die Zügel an und führte es nach draußen, doch noch bevor sie alle den Stall verlassen hatten, blieb er lauschend stehen. Etwas kratzte auf dem Stalldach. Vorsichtig machte er einen weiteren Schritt, sodass er völlig im Freien stand. Das Kratzen und Scharren hatte aufgehört. Plötzlich riss ihn etwas grob zu Boden, die Zügel rutschten ihm aus der Hand und das Pferd bäumte sich erschrocken auf. Etwas traf ihn am Kopf, sodass bunte Sterne vor seinen Augen auf und ab tanzten. Das Gewicht auf seiner Brust wurde heruntergerissen und langsam verschwanden die Schleier, die sein Bewusstsein einzunebeln drohten. Jemand zog ihn in die Höhe und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Er blinzelte und erkannte Karins Gesicht vor sich. Eine tiefe Schramme verunzierte ihre rechte Wange. Sie redete auf ihn ein, doch er verstand kein Wort. Etliche weiße Ritter waren erschienen und lieferten sich einen harten Kampf mit den beiden Vampiren. Karin schob ihn auf den schwarzen Hengst zu und half ihm hoch. Immer noch fühlte er sich benommen. Ein bitterer Geschmack lag ihm auf der Zunge. Karin rief Draco und Nuria etwas zu und die beiden schwangen sich ebenfalls auf die Pferde. Sie gaben den Tieren die Sporen und preschten los. Einige der weißgekleideten Männer versuchten ihnen zu folgen, doch zu Fuß hatten diese keine Chance. Sie machten erst Halt, als eines der Pferde seinen Dienst verweigerte. Erschöpft ließ Karin sich vom Rücken ihres Tieres gleiten und sah hinüber zu Yuri. Er hatte während ihres Ritts nicht ein einziges Wort geredet und war auf dem Pferd kraftlos zusammengesunken. Anscheinend ging es ihm sehr schlecht. Vorsichtig half sie ihm herunter und lehnte ihn gegen einen Baum. Draco hatte in der Zwischenzeit ein kleines Feuer gemacht und Nuria kümmerte sich um die Pferde. Sie ließ sich neben Yuri nieder und hielt Ausschau nach der untergehenden Sonne. Wenn sie nicht lange Pause machen würden, dann konnten sie Unogami bereits bei Sonnenaufgang erreichen. „Du solltest etwas trinken.“, schlug Draco vor und reichte ihr einen Becher Wasser. Karin nahm ihn dankbar entgegen und leerte ihn in einem Zug. Sie bot Yuri ebenfalls etwas an, doch er reagierte nicht. Sein Blick war leicht verschleiert und trüb, die Haut hatte eine seltsam graue Farbe angenommen. „Wir sollten eine Stunde Pause machen, damit die Pferde sich erholen können.“, schlug Nuria vor. „Was ist mit Yuri los?“ Karin sah sie einen Moment verwirrt an und folgte ihrem Blick. „Ich weiß auch nicht genau, aber es wäre wohl besser ihn ärztlich versorgen zu lassen.“ Nuria gähnte genüsslich und rollte sich auf dem Boden zusammen. „Du solltest dich auch ausruhen.“, wandte Draco sich an Karin. „Ich werde Wache halten.“ Karin legte sich auf den weichen Waldboden. Bleierne Müdigkeit fiel über sie her und sie schlief ein. Es war ein unruhiger Schlaf. Sie träumte von Rittern in weißer Rüstung, Rogers Beerdigung und von den Seelenräubern. Jemand rüttelte an ihrer Schulter und sie öffnete widerwillig die Augen. Draco stand neben ihr. „Wir müssen weiter.“, sagte er und half ihr in die Höhe. „Nuria hat bereits die Pferde geholt.“ Sie ging hinüber zu ihrem Fuchs und sah, dass Yuri bereits wieder auf seinem Tier saß. Er war nach vorne gesunken und hatte die Augen geschlossen. Draco hatte ihn mit einem Seil festgebunden, damit er nicht herunter fallen konnte. Karin schwang sich auf das Pferd und griff nach den Zügeln von Yuris Hengst. Nuria ritt voraus, Draco und Karin folgten ihr in einigem Abstand. „Wir sollten uns beeilen. Irgendetwas stimmt mit Yuri nicht.“, schlug Draco vor. Karin nickte zustimmend und ließ ihren Fuchs in einen leichten Galopp fallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)