Tanabata von Frau_Erdbeerkuchen (Misa no inori) ================================================================================ Kapitel 3: The strange present... I got a little sister?! --------------------------------------------------------- Es war einfach unglaublich. Ich musste wie ein absoluter Idiot dastehen, wie ich immer wieder „Misa!“ stammelte. Sie stand mir gegenüber, die Locken fielen auf die Schulter und sie legte immer wieder den Kopf schief während sie mich musterte. „O-nii-chan…“, murmelte sie leise. „Aber!“, protestierte ich. Sie zog sich erschrocken zurück. „Darf ich dich nicht ‚o-nii-chan‘ nennen?“ Mit einem Mal war alle Fröhlichkeit aus ihrem Gesicht gewichen und sie blickte traurig zu Boden. Wie ein kleines Kind, dem man verboten hatte, mit dem bösen Nachbarsjungen zu spielen. Ich schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht! Natürlich darfst du… Aber, wo in aller Welt kommst du her?“ Sie blinzelte ungläubig. „Aus Tokyo, das weiß du doch. Ich hab dort gewohnt.“ Sie schien nicht zu begreifen. Oder hatte ich eine lange Leitung? „Das mein ich nicht, das weiß ich. Ich meine, wieso du jetzt … nach über zehn Jahren… hier auftauchst? Woher hast du meine Adresse? Ich wohne seit zwei Jahren nicht mehr in Sendai!“ Sie grinste und ging an mir vorbei in die Wohnung, zog sich während des Gehens die Schuhe aus. „Darf ich rein kommen? Ich habe dich suchen lassen, über das Wohnungsamt in Sendai. Mama hab ich nicht gefunden oder vielleicht wollten sie mir keine Auskunft geben…“ Sie machte einen vorwurfsvollen Blick. „Du hast kein besonders sauberes Zimmer, Sa – chan. Du musst Wäsche waschen und die Pflanze da“ sie wies auf ein Alpenveilchen, „ist tot. Du hast sie nicht genug gegossen.“ Ich stand in der Tür wie der letzte Idiot, während meine Schwester die Pflanze aus dem Topf holte und in den Mülleimer beförderte. Sie lachte mich an und ich erwachte aus meinem tranceähnlichen Zustand und schloss die Tür. Musste ja nicht jeder wissen, wie es hier aussah. Misa zog ihren Mantel, sowie Schal und Mütze aus. Sie saß mir in hell rosafarbener Bluse und ihrem Schottenröckchen gegenüber und lachte. Verdammt, sie sah wirklich nicht mehr wie das Mädchen aus, dass vor zehn Jahren mit meinem Vater aus Sendai weggezogen war. Sie war… fast erwachsen. Da fiel mir etwas ein. „Weiß Papa, dass du hier bist?“ Misa senkte den Blick und verkrampfte ihre Fäuste auf den Oberschenkeln, bis die Knöchel weiß heraus traten. „Papa ist seit neun Jahren tot… Ich dachte, du wüsstest das. Aber andererseits… waren du und Mama nicht auf der Beerdigung und man hat mich nicht zu euch zurück geschickt. Ich dachte schon, dass du es nicht wissen wirst.“ Das war ein großer Schock für mich. Mein Vater war… tot? In meinem Kopf tauchten Bilder von unserer Familie auf, als wir noch eine richtige Familie gewesen waren. Ich erinnerte mich an das Familienbild, das kurz vor der Scheidung entstanden war. Mein Vater war immer ein liebenswerter Mensch gewesen, fleißig, wenn auch nicht sehr einflussreich. Und immer gut zu uns beiden Kindern. Aber Misa hatte ihn über alles geliebt und vergöttert. Das war auch der Grund, weshalb unsere Eltern uns damals getrennt hatten. Sie hätte die räumliche Trennung zu ihrem Vater nicht verkraftet. Misa! „Misa-chan…“ Ich legte ihr beruhigend die Hand auf den Oberschenkel, fühlte den rauen Stoff des Rocks. „Aber… wenn Papa schon solange nicht mehr da ist… wo warst du dann all die Jahre?“ Sie schaute mir jetzt direkt in die Augen, ein tiefer, alles erforschender Blick. „In einem Kinderheim.“ Was erzählte sie mir da? Etwas musste gehörig schief gelaufen sein. Ich war kein Fachmann im Bereich des Jugendamtes, aber wäre es nicht das Normalste der Welt gewesen, ein kleines Mädchen, dem der Vater gestorben war und dessen Mutter und Bruder am Leben waren, zu denen zu schicken? Und wieso wurde die restliche Familie nicht darüber informiert? Man schickte Kinder doch nicht einfach ins Heim, bloß, weil irgendein so ein dämlicher Aktenhengst Lust darauf hatte! Ich wandte mich wieder an meine kleine Schwester, die die Hand auf ihrem Bein betrachtet hatte. „Du hast ganz warme Hände.“, sagte sie unvermittelt. Ich war etwas irritiert. Sie wechselte einfach so das Thema. Vorsichtig tastete ich mich an den Grund ihres Kommens heran. „Und was ist jetzt? Was ist mit dem Heim?“ Sie legte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Ich hab die Mittelschule beendet, länger durfte ich nicht dort bleiben. Die Leitung wollte mich in eine andere Einrichtung verlegen und im Trubel bin ich von dort abgehauen. Meine Dokumente sind dort angekommen, aber ich saß nicht im Zug. Ich bin auf der dritten Station der Yamanote-Ring-Linie ausgestiegen und dann untergetaucht. Es hat Spaß gemacht, wie Räuber – und – Gendarm spielen. Dann hab ich mir eine Fahrkarte gekauft und bin nach Sendai gefahren. Ich war bei unserem alten Haus, aber dort war keiner. Also bin ich zur Stadtverwaltung gegangen und habe nachfragen lassen, wo ich dich finden kann. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich deine Adresse und eine neue Fahrkarte. Es war nicht schwer, dich zu finden. Du hinterlässt… eine Spur der Verwüstung. Viele Leute in dieser Stadt kennen dich.“ Ich biss mir auf die Lippen. Scheiße, was hatte sie bloß angestellt? Was sie da tat, war nicht richtig! Sie musste zur Schule, in dieses neue Heim, zurück nach Tokyo. Aber sie lachte mich so glücklich an, war so froh, mich gefunden zu haben, dass es mir unmenschlich vorkam, ihr einen Vortrag zu halten. Also lachte ich sie auch an. Plötzlich fiel sie mir um den Hals, wir beide kippten um und Misa quietschte vergnügt, saß rittlings auf mir und hatte ihre Hände auf meiner Brust abgestürzt. „Sa – chan! Ich bin so froh, so froh, dass ich dich wieder gefunden habe! Du weißt gar nicht, wie glücklich ich bin! Ich möchte für immer hier bleiben!!!“ „Eh?“, stotterte ich überrumpelt. „Aber Misa… Ich halte das für keine gute Idee.“ Sie blickte zu mir hoch. Kleine, traurige Schwester. „Willst du mich nicht haben? Ich… ich bin auch ganz brav, ehrlich. Ich werde mich um dich kümmern. Dafür sorgen, dass es hier immer sauber ist und dass du etwas Gutes zu essen bekommst. Ich bin gut im Kochen. Lass mich hier bleiben! Ich werde dir nicht zur Last fallen. Und wenn du möchtest, gehe ich auch zur Schule, ja? Auch, wenn ich sicher nicht so klug werde wie du, o – nii – chan.“, schmiegte sie sich an mich. Wer konnte bei so einem süßen Angebot schon nein sagen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)