Die Falkenhüterin von Ceredwen (Das Erbe der Falkenhüterin) ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Nachdem sich Kaya’ s Augen wieder an das Tageslicht gewöhnt hatten, ging sie, gefolgt von Cóna, wieder über den Dorfplatz zu ihrer Hütte. In der Mitte des Platzes vertrat jemand ihr den Weg. Die 16-jährige kniff genervt die Augen zusammen, als sie die Person erkannte. Es war Tera, ein anderes Mädchen aus dem Dorf, aber ein Jahr älter als Kaya. Die zwei standen auf Kriegsfuß zueinander. Tera war sehr von sich eingenommen und es gefiel ihr gar nicht, dass Kaya, trotz des Altersunterschiedes, viel bessere Leistungen brachte als sie. Kaya verstand nicht wirklich, warum Tera das beschäftigte und ging ihr aus dem Weg wenn sie konnte. Doch die 17-jährige stichelte gerne und es war meist ein schwieriges Unterfangen, ruhig zu bleiben und nicht die Nerven zu verlieren. Auch jetzt konnte Tera es nicht lassen: „Na, wieder mal ein Leben gerettet?“ „Das hättest du auch getan, wenn du sie gesehen hättest.“, erwiderte Kaya leicht genervt. „So? Hätt‘ ich das?“ „Bestimmt.“ „Bist du dir da sicher?“ „Ja. Aber ich würde meinen, dass es auf die Person ankommt, die du findest.“, stellte Kaya fest und grinste, als sie Tera‘ s Gesicht sah. Sie hatte offenbar in‘ s Schwarze getroffen. Sie schob sich an dem älteren Mädchen vorbei und bemerkte nicht, wie diese ihr hasserfüllt nachblickte. Doch Halcóna bemerkte es und es schien, dass sie sich Sorgen machte. Dann stieg der Falke wieder in die Luft. Kaya lag inzwischen ausgestreckt auf ihrem Bett und beobachtete, wie es draußen immer schneller dunkel wurde. Faruna saß in der Mitte der Hütte am Feuer und sah überrascht auf als sie bemerkte, dass Kaya schon zu Bett ging. „Müde?“ „Hm, ein bisschen.“ „Na ja, heute ist ja auch viel passiert.“, meinte Faruna. Kaya schwieg und sah weiter aus dem Fenster. Schließlich flüsterte Kaya: „Du, Faruna?“ „Hm?“ „Dieses Mädchen…es…heißt Mena.“ „Woher weißt du das? Hat sie schon mit dir geredet?“ „Na ja…nicht wirklich…sie fragte mich, wie ich heiße und sie hatte versucht, meinen Namen irgendwie…zuzuordnen…es gelang ihr nicht.“, stockend erzählte Kaya ihrer Pflegemutter von Mena. Faruna unterbrach sie nicht. „Dann…habe ich ein paar Worte in der alten Sprache gesagt…und sie hat mich angestarrt, als wäre ich verrückt geworden…“ „Was hast du denn gesagt?“, Faruna unterbrach ihre Pflegetochter nun doch. Kaya setzte sich auf ihrem Lager auf und sah lange Zeit in die Flammen, dann sah sie Faruna an und flüsterte: „Itila…Chakaya Mena.“ Faruna sah sie mit einem unergründlichen Blick an, dann nickte sie: „Wahrscheinlich haben diese Worte bewirkt, dass sie sich erinnert…woran hast du sie eigentlich erkannt?“ Kaya zögerte, dann drehte sie sich um und zeigte der anderen Frau ihre rechte Schulter. Faruna stand auf und besah sich die Schulter. Als sie den kleinen Falken sah, keuchte sie leise. „Was…?“ „Das gleiche Zeichen hat auch Mena auf ihrer rechten Schulter. Als wir klein waren hat uns das ihr Vater…eingebrannt. Sozusagen als Zeichen unserer Freundschaft…“ Das Mädchen dreht sich wieder zu der Frau um. „An diesem Zeichen habe ich sie erkannt. Sie…kommt aus dem Dorf aus dem ich verbannt wurde…weil ich angeblich sehr gefährlich sei. Das sagte zumindest der Dorfrat. Deshalb wurde ich verbannt, denn der Rat war ziemlich hoch angesehen.“ Überrascht sah Faruna ihre Pflegetochter an. „Ein…Dorfrat?!“ „Ja. Das Dorf brauchte den Rat, denn dieser entschied alles, was gemacht werden sollte. Ich war insofern eine Gefahr für das Dorf, weil ich selber entschieden habe, was ich mache und nicht immer den Rat fragen wollte. Ich war aber eher eine Gefahr für den Rat als für das Dorf.“ Faruna hatte schweigend zugehört. Jetzt starrte sie in die Flammen. Das Feuer knisterte leise und kleine Flammen sprühten in alle Richtungen. Doch die zwei Frauen störte das nicht. Sie saßen still da und sahen dem Flammenspiel zu. Schließlich meinte Kaya Gedankenversunken: „Ich geh dann in zwei Wochen zur Lichtung…“ „Wenn es…Mena…wieder bis dahin wieder besser geht, kannst du sie ja mitnehmen.“ „Wenn die Wunde vollständig verheilt ist.“ „Bestimmt. Gunva hat die Wunde noch mit Narbenkraut behandelt, damit sie sich schneller schließt.“ „Hm…“ „Geh jetzt schlafen.“, meinte Faruna nach einigem Schweigen. Während Kaya sich schlafen legte, setzte sich die andere Frau an einen kleinen Tisch und räumte diesen etwas auf. Das Mädchen sah noch eine Weile aus dem Fenster und unterhielt sich eine Weile mit Cóna über den Tag, bevor sie einschlief. Faruna sah noch einmal zu Kaya, nahm dann Feder, Papier und Tusche zur Hand und fing an zu schreiben. Als sie fertig war, faltete sie den Brief zusammen und versiegelte ihn. Sie wollte ihrer Pflegetochter den Brief mitgeben, wenn diese nach Tanuan, der nächsten Stadt außerhalb des Waldes gehen sollte. Das war heute Nachmittag beschlossen worden, kurz bevor Kaya Mena hergebracht hatte. Es gab immer mehr Zeichen, dass im Nordland etwas vor sich ging und das Dorf wollte Gewissheit aus der Stadt. Faruna seufzte. Sie hatte sofort gesehen, dass Kaya das fremde Mädchen kannte. Dieser verdacht hatte sich bestätigt, als ihre Pflegetochter dann von dem Vorfall in der Krankenhütte erzählt hatte. Sie mochte Kaya sehr. Seit fast sechs Jahren war sie ihre Pflegetochter, doch Faruna behandelte Kaya wie eine eigene Tochter, die sie nie hatte. Der Kontakt zu ihrer eigentlichen Familie war längst abgebrochen. Das brachte sie wiederum zum Brief. Er war für ihre Zwillingsschwester Anara bestimmt. Sie sahen einander zwar zum Verwechseln ähnlich, waren vom Charakter her verschieden. Faruna sah sich in der Hütte um. Ihr Blick blieb an Kaya haften. Ja, das Mädchen sollte in ein paar Wochen den Brief in die Stadt bringen. Obwohl dem Dorf kaum etwas verborgen blieb, war es besser, Urteile und Neuigkeiten von draußen einzuholen. Es konnte gut sein, dass Anara mehr wusste und das konnte vielleicht hilfreich sein. Faruna stand auf und löschte das Feuer. Danach legte auch sie sich schlafen, konnte allerdings nicht einschlafen. Sie lag lange Zeit wach und grübelte darüber nach, was im Nordland vor sich gehen mochte. Kurz bevor sie einschlief am ihr ein Wort in den Sinn, das sie das letzte Mal gehört hatte, als sie ein Kind war: Falkenhüterin. Sofort war sie wieder hellwach. In den alten Legenden, die sie als Kind gerne gehört hatte, hieß es, dass die Falkenhüterinnen immer dann auftauchten, wenn Nalym in Gefahr war. Sie kamen dann mit einer Schar riesiger Falken. Wenn keine Gefahr herrschte, hüteten sie die Falken und trainierten sie für den Kampf. Faruna hatte dies immer für Märchen gehalten, denn es gab schon lange keine großen Falken mehr. Doch jetzt kamen ihr ehrliche Zweifel und Cóna, Kaya’ s Falke, bestärkte diese noch. Vielleicht war es ja so wie in den alten Legenden? Sie wusste nicht mehr was sie nun denken sollte und entschied dann energisch: Wenn eine Falkenhüterin kommt, dann muss sie unterstützt werden! Schließlich schlief sie, erschöpft vom vielen Gehirn zermartern, ein. Nach ungefähr zwei Wochen sprang Kaya schon früh aus dem Bett. Sie begrüßte im Rapport ihren Falken, weckte Faruna und fachte das Feuer wieder an. Faruna bereitete das Frühstück vor. Währendessen dachte das Mädchen an Mena. In den letzten zwei Wochen war sie viel bei ihr gewesen, hatte sie über die Traditionen des Dorfes aufgeklärt und ihr ein die alte Sprache und Schrift beigebracht. Mena lernte schnell und geduldig und es machte ihr obendrein noch Spaß. Hoffentlich konnte Kaya ihre Freundin bald im Kampf unterweisen. Sie freuten sich beide schon darauf. Nach dem Frühstück meinte sie: „Ich will mal wieder Schwertkampf üben. Das hab ich lange nicht mehr gemacht. Machst du mit?“ Faruna überlegte kurz und nickte dann. „Ja. Aber du weißt, dass ich dir nichts mehr beibringen kann. Selbst der beste Schwertkämpfer aus dem Dorf kann es nicht, du bist zu gut.“ „Kann schon sein, aber ich muss ja schließlich auch üben.“, grinste Kaya. „Das stimmt. Du kannst ja dann auch noch Bogenschießen üben.“ „Gute Idee. Also los!“ Kaya schnappte sich ihren Bogen der immer griffbereit neben ihrem Bett stand und hängte sich ihren Köcher über die Schulter. Dann traten die beiden Frauen aus der Hütte. Gunva kam ihnen mit Mena entgegen. „Morgen Gunva, hallo Mena!“, begrüßte Kaya sie erfreut. „Wie geht’ s dir?“, wandte sich Faruna an das Mädchen. „Sehr gut. Ich denke die Wunde ist richtig verheilt. Sie tut überhaupt nicht mehr weh.“, erwiderte die Angesprochene. „Dann kannst du ja heute mitkommen!“, freute sich Kaya und hielt ihren Bogen hoch. „Eine gute Idee. Da kannst du dir das Dorf ansehen.“, fand Gunva. Sie verabschiedete sich, mahnte aber noch: Es ist besser wenn du dich nicht aufregst, Mena, das wäre nicht gut für dich. Überanstrenge dich nicht!“ Damit ging die alte Heilerin davon. Die drei Frauen gingen in Richtung Übungsplatz los. Zwischendurch sah Kaya ab und zu nach oben durch die Baumkronen und suchte nach Halcóna. Sie fand sie hoch oben am Himmel über ihnen kreisend. Kaya lächelte, als sie in den vertrauten Rapport rutschte. Sie unterhielten sich eine Weile, dann schwenkte Cóna ab um sich ihr zweites Frühstück zu jagen, blieb aber in lockerer Verbindung. Faruna erzählte Mena etwas über das Dorf und die Bewohner. Das Mädchen nickte oft und stellte auch ein paar Fragen. Jetzt kamen die drei am Übungsplatz an und es herrschte schon ein reger Betrieb, so dass Mena aus dem Staunen kaum noch herauskam. Sie wunderte sich auch darüber, dass selbst die Frauen sich im Schwertkampf und im Bogenschießen übten. Kaya ging zu den Bogenschützen und reihte sich ein, während die beiden anderen Frauen zu einem Platz gingen, von wo aus sie Kaya gut erkennen konnten. Dabei erklärte Faruna Mena, warum auch die Frauen Waffen benutzten. Fasziniert sah Mena zu, wie Kaya trotz des Lärms und des Trubels mit einer fast unnatürlichen Ruhe schoss. Sie traf jedes Mal. Faruna meinte: „Kaya hat schon ziemlich früh den Umgang mit dem Bogen gelernt. Auch mit dem Schwert geht sie meisterhaft um. Vom Nahkampf ganz zu schweigen.“ „Sie…hat sich schon früh für…für so was…interessiert.“ Mena sah wieder nach vorne und bemerkte dadurch nicht den nachdenklichen Blick den ihr Faruna zuwarf. Kaya hatte inzwischen ihre Bogenübung beendet und trat jetzt auf einen der Lehrmeister zu und redete mit ihm. Der nickte und rief einen seiner Schützlinge zu sich und redete auf ihn ein, da der gar nicht so begeistert davon war, gegen Kaya kämpfen zu müssen. Doch schließlich nickte auch er, wenn auch immer noch widerstrebend. Kaya lachte. So war jeder, der mit ihr kämpfen sollte. Selbst der Meister respektierte sie als meisterhafte Schwertkämpferin, obwohl er sonst ein eher mürrischer Typ war. Sie bekam von einem anderen Krieger ein Schwert und schnell stellte sich der Betrieb auf dem Platz ein und die Menge bildete einen Kreis um die beiden Kämpfer. In aller Ruhe besah sich Kaya ihren Gegner. Er war hoch gewachsen und hatte knallrote Haare. Auch war er athletisch gebaut und konnte gewiss mit großer Kraft zuschlagen. Aus der Menge kamen Witze, der Mann solle sich lieber eine Stahlrüstung anlegen anstatt in Lederkleidung hier herum zu hüpfen. Der spuckte jedoch auf den Boden und die Witze verklangen. Kaya mochte die Witze auch nicht. Ja, sie war gewiss ziemlich gut, hatte aber, genau wie der andere nur leichte Lederkleidung an. Sie fand, dass sie heute ein schwereres Schwert als sonst hatte, oder kam es ihr nur schwer vor, da sie seit ein paar Wochen nicht mehr geübt hatte? Nein, das Schwert war eindeutig schwerer. Kaya zuckte die Schultern, da konnte sie auch gleich noch ihre Ausdauer trainieren. Seelenruhig machte sie sich bereit, als ihr Gegner das Schwert hob und auf sie zu rannte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)